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Welche Tür öffnet sich im Advent? Was hat Ostern mit einem Labyrinth zu tun? Wie lässt sich das Evangelium indisch erklären? Welches christliche Fest liegt im Staub der Fastnacht? Warum ist die Bibel einem Ölgemälde zu vergleichen? Diesen und anderen Fragen geht Margarita Siebke in Ihren Predigten mit einfühlsamen und poetischen Worten nach und kommt zu erfrischend neuen Blickweisen auf die christliche Botschaft. Jeder ihrer 13 Predigten hat sie eine ihrer Grafiken vorangestellt, die von dem Schwarzen Quadrat des russischen Künstlers Kasimir Malewitsch inspiriert sind. Dieses Quadrat wird auch als die "Ikone der Moderne" bezeichnet. Was es damit auf sich hat, erläutert sie in einem letzten Kapitel.
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Seitenzahl: 120
Veröffentlichungsjahr: 2021
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DANK ...
EINE TÜR ÖFFNET SICH Off. 3,7-8; 12-13
WEIHNACHTSPYRAMIDE Lk 2, 1-20
Zwischenzeit Mtth 28,20
AUS DEM STAUB GEHOBEN Mtth. 17, 1-9
ÜBER DIE ZUNGENREDE 1. Kor 14, 1-3. 20-25
TANZ IM LABYRINTH Phil. 2, 5-11.
Das Wort ward Fleisch Lk 24, 36-45
DANKLIED Jes 12,1-6
DAS AMT 1. Tim 1, 12-17
WIE EIN ÖLGEMÄLDE Mk 2,1-12
TRÄUME Gal. 5, 25-6, 3; 6-10 1. Mose 2, 4b-9
DAS EVANGELIUM INDISCH ERKLÄRT Mtth. 10, 26b-33
OSTERN FEIERN 2. Mose 34,4- 10
METAMORPHOSEN DES SCHWARZEN QUADRATES Erläuterung zu den Grafiken
LITERATURVERZEICHNIS:
... meiner Mutter, meinen Geschwistern
und der ganzen Großfamilie.
... meinen Lehrer*nnen in Schule und Studium,
in Kirche und Kunst.
... meinen Kolleg*nnen und Freund*innen.
... meinen Ärzt*innen.
Ohne die Unterstützung dieser zahlreichen Begleiter wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.
Evangelische Morgenfeier im HR II zum 2. Advent, 1995
Im Advent öffnet man Türen.
Kinder freuen sich darauf, durch die ganze Adventszeit jeden Tag eine Tür in ihrem Kalender zu öffnen.
Als ich klein war, hatte ich jedes Jahr denselben Adventskalender; er hing vor dem Fenster.
Er war von tiefem Dunkelblau, und war geformt, wie drei Fensterbögen.
Im mittleren Bogen lachte Maria mich freundlich über die Krippe hin an. In den beiden Seitenbögen ritt je einer der drei Könige auf seinem Tier.
An der unteren Kante lief ein Band mit bunten Sternen entlang. Diese Sterne waren Türen, die man öffnen konnte.
Und hinter jeder Tür war ein Bild auf Transparentpapier gemalt, das von einer biblischen Geschichte erzählte.
Meine Geschwister hatten auch Adventskalender mit solchen transparenten Bildern.
Im Advent gingen wir dann an jedem Morgen von Kalender zu Kalender, öffneten die Türen und unsere Mutter erzählte uns die Geschichte zu den Bildern.
Der erste Advent war besonders schön.
Da fingen wir mit dem Kalender meines Bruders an. Ganz oben auf seinem Kalender war der Weihnachtsstern.
Wenn man den öffnete, dann leuchtete ein Stern.
Der Weihnachtsstern war aufgegangen, bald würde Weihnachten sein.
Dann gingen wir zu meinem Kalender, und da waren Adam und Eva unter dem Baum zu sehen.
Das schönste Bild aber, an das ich mich erinnern kann, war das Bild von der Himmelsleiter.
„Was ist denn das“, fragte ich meine Mutter, als ich die Leiter zum ersten Mal sah.
„Das ist die Himmelsleiter, die Jakob im Traum sieht,“ erzählte sie mir,
„da laufen die Engel hinauf und herab, und Jakob sieht mitten in den Himmel.“
Jakob sieht mitten in den Himmel.
Mir war, als sähe ich durch diese kleine Adventstür selbst mitten in den Himmel.
Ich hörte die Engel singen und ahnte, dass Jakob in seinem Traum auch für mich eine Tür zu Gott geöffnet hatte.
Ich ahnte, dass Gott eine Geschichte mit den Menschen hat, die bei Jakob, ja im Paradies bei den ersten Menschen beginnt und die bei mir noch lange nicht aufhört.
Man muss die Geschichte Gottes mit den Menschen verstehen, um sich selbst verstehen zu können.
Im Advent öffnet man Türen.
Aber am Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen fällt eine Tür ins Schloss.
Die Tür des Paradieses fällt hinter den vertriebenen Menschen zu.
Sie müssen in einer Welt leben, in der es Tod, Leid und Schuld gibt.
Seitdem sind sie auf der Suche nach dem verlorenen Paradies.
Jakob sah als Erster wieder in das Paradies hinein, als er von der Himmelsleiter träumte.
Gott hat für einen Moment die Tür wieder geöffnet.
Er fängt noch einmal neu mit den Menschen an.
Gott begleitet Abraham, Isaak und Jakob, und als sie zu einem Volk geworden sind, begleitet Gott sein Volk und führt es aus Ägypten, er gibt ihnen Könige und Propheten, er gibt ihnen Visionen und Mahnungen, wendet sich von ihnen ab, und kehrt doch immer wieder zu ihnen zurück.
Schließlich wird er selbst Mensch, um sich ein für alle Mal allen Menschen zuzuwenden. Man kann diese Texte der Bibel unter dem Blick lesen, wie Gott sich den Menschen zuwendet.
Und wie sich mit Jakobs Himmelsleiter zum ersten Mal die Tür zu Gott wieder öffnet, so spricht das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, von einer Tür zum Leben, die sich niemals wieder schließt.In der Offenbarung des Johannes lesen wir im 3. Kapitel:
7 Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe:
Das sagt der Heilige,
der Wahrhaftige,
der da hat den Schlüssel Davids,
der auftut und niemand schließt zu,
der zuschließt und niemand tut auf:
8 Ich kenne deine Werke.
Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Der Gemeinde in Philadelphia wird eine Tür aufgetan.
Eine Tür zu Gott, zum Paradies, zum ewigen Leben.
Sieben Sendschreiben, sieben Zeugnisse, schickt Christus durch den Seher Johannes an die sieben Gemeinden in Kleinasien.
Philadelphia ist eine davon, und sie bekommt als einzige ein gänzlich positives Zeugnis.
In verschlüsselter Sprache redet das Sendschreiben davon, wie Philadelphia mit ihrer kleinen Kraft das Wort Gottes bewahrte, und standhielt in der Verfolgung der Christen unter dem römischen Kaiser Domitian.
Domitian lebte am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus und verfolgte Juden genauso wie Christen. Er verlangte, dass alle Bürger des Römischen Reiches ihn anbeten und als Gott achten sollten. So wollte Domitian Frieden und Einigkeit im Reich herstellen.
Aber die Christen in der Gemeinde Philadelphia beugen sich nicht und beten ihn nicht an.
Sie bringen kein Räucheropfer im Tempel dar. Sie gehen nicht in die Tempel, die dem Domitian zu Ehren gebaut sind und in denen die Namen der Priester, die dort gewirkt haben, auf die Pfeiler geschrieben werden. Die Christen der Gemeinde halten stand.
Dafür nehmen sie Verfolgungen in Kauf. Sie sind bereit, ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Die Zukunft scheint für die Christen in der Stadt, die an ihrem Glauben festhalten, besiegelt zu sein.
Ich kann mir vorstellen, dass jemand gedacht hat:
„Ich will doch in den Tempel gehen und Domitian opfern, so schlimm kann das doch nicht sein. Ich will leben und nicht sterben, bei Domitian, da ist die einzige Tür zum Leben, denn wenn ich allein auf Gott und Christus setzte, dann werde ich sterben müssen, das kann ich nicht ertragen.“
Aber er besinnt sich und geht noch einmal zu seinem Nachbarn und fragt ihn:
„Wie hältst du es mit dem Opfer für Domitian? Mir scheint, wir können nicht leben, wenn wir nicht opfern.“
Da antwortete der Nachbar.
„Wenn du Domitian opferst, dann gehörst du ihm. Dann vertrittst du seine Ansichten, dann musst du für seine Fehler geradestehen.
Und wenn Domitian stirbt, denn er ist sterblich und kein Gott, dann reißt er dich mit in seinen Tod und du entkommst ihm nicht, du wirst mit ihm sterben, denn du hast im Leben auf seine Werte gesetzt.
Du wirst nicht leben, wenn du ihm opferst, es ist ein schales Leben, das Domitian zu bieten hat.
Wenn du aber nicht opferst, dann wirst du leben, auch wenn du stirbst. Denn dann trägst du Christus im Herzen. Von Christus wissen wir, dass er befreit.
Gott der Vater hat das Volk Israel immer wieder bewahrt, hat es aus Ägypten und aus Babylon befreit und ihm immer zum Leben verholfen. Und in Christus ist Gott gestorben und vom Tode auferstanden. Wenn du nun mit diesem Gott stirbst, so wirst du auch mit ihm wieder auferstehen. Christus hat die Schlüssel zum Leben, er ist die einzige Tür, durch die wir zum Leben gelangen können.“
Als der Fragende das hört, opfert er nicht.
Er geht nicht den nächstliegenden Weg. Er geht nicht in den Tempel des Domitian und bringt ihm auch kein Räucheropfer dar. Er tritt für die Sache der Entrechteten ein, er hilft den Armen, er besuchte Kranke, er horcht nach innen auf die Stimme Gottes, er hört seine Gebote und spürte seine Liebe, und gibt beides weiter.
Darum ist ihm auch verheißen, was Christus dem Engel weiter über Philadelphia sagt. In der Offenbarung des Johannes lesen wir im 3. Kapitel:
12 Wer überwindet,
den will ich machen zum Pfeiler
in dem Tempel meines Gottes,
und er soll nicht mehr hinausgehen,
und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes
und den Namen des neuen Jerusalem,
der Stadt meines Gottes,
die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott,
und meinen Namen den neuen.
13 Wer Ohren hat, der höre,
was der Geist den Gemeinden sagt!
Wer sich überwindet, wie dieser Fragende, der kann eintreten in den Tempel Gottes, der wird ein Pfeiler im himmlischen Tempel sein, ein Pfeiler, der niemals stürzt, wie es doch die Pfeiler aller Tempel des Domitian tun.
Aber was fangen wir heute mit dieser Geschichte an? Wir leben doch nicht in solcher Bedrängnis, wie die Gemeinde in Philadelphia damals. Wir müssen nicht anderen Göttern opfern. Wir dürfen unsere Religion ausüben, wie wir wollen. Religionsfreiheit ist uns im Grundgesetz garantiert. Wir leben sicher. Wir müssen für unseren Glauben nicht in den Tod gehen.
Und doch liegt gerade darin eine ganz andere Gefährdung. Die Gefahr zu großer Beliebigkeit. Heute stellt sich jeder seine Religion selbst zusammen.
Ein bisschen Christentum, ein bisschen Hinduismus, untermalt von indianischen und germanischen Versatzstücken.
Man nimmt sich, was einem gefällt und lässt alles weg, was man nicht versteht.
Die Tempel dieser Religiosität sind bezeichnenderweise Läden, genannt, New Age Läden.
Hier wird alles feilgeboten, was den Menschen zu erlösen scheint.
Wenn man hineinkommt, taucht man ein in eine Atmosphäre von schwebender Musik und sanftem Wasserplätschern. Wie Weihrauch duften ätherische Öle, Steine verheißen Gesundheit und Tarotkarten versprechen eine sichere Zukunft. Ein solcher Laden scheint wie ein Stück Paradies, eine heile Welt, in der es keinen Schmerz gibt. Mit dem Kauf eines Buches, einer CD oder eines Steines verspricht sich der Käufer, solch ein Stück Paradies mit nach Hause nehmen zu können.
Aber dieses Paradies ist seicht und ohne Tiefe.
Auch in der Kirche schließen sich viele an diesen Zeitgeist an, und suchen nach einfachen Lösungen.
Sie kritisieren das zentrale Symbol des Christentums.
Das Kreuz scheint ihnen zu brutal, sie wollen es durch andere Symbole ersetzen. Symbole, die nur die helle Seite Gottes und der Welt betonen. So wurde auf dem Kirchentag in Hamburg vor einigen Jahren nach einem Symbol gesucht, das das Kreuz ersetzen sollte. Man fand eine sprudelnde Quelle.
Eine Quelle ist immer jung sprudelnd und frisch. Sie soll den guten lebensspendenden Gott symbolisieren. Aber es gibt in dieser Welt Leid und darum ist Gott auch nicht nur gut und lebensspendend, sondern er hat auch eine dunkle Seite, die wir nicht verstehen, mit der wir uns aber auseinandersetzen müssen. Darum kann das Symbol „Quelle“ allein nicht tragen und das Kreuz nicht ersetzen.
Manche sagen: Wir können unseren Kindern das Kreuz nicht zumuten, es ist ja ein Folterwerkzeug.
Aus diesem Grund klagte eine Familie in Bayern gegen das Aufhängen von Kruzifixen in Schulen. „Das Kreuz,“ so sagten sie, „schädigt die empfindlichen Seelen der Kinder.“ Ich habe mir das Urteil des Verfassungsgerichtes genau durchgelesen und stellte dabei erstaunt fest, dass diejenigen, die das Aufhängen von Kruzifixen in Klassenzimmern befürworteten, und darum von dem Gericht gehört wurden, so argumentierten: Das Kreuz, so sagten sie, sei nicht spezifisch christlich, sondern abendländisches Kulturgut und habe keine besondere Wirkung auf die Kinder, also könne es auch nicht negativ wirken.
Wie peinlich für uns Christen, wenn säkulare Richter uns sagen müssen: „Das Kreuz ist ein christliches Symbol und es hat auch eine Wirkung“
Das Kreuz ist Anstoß und Ärgernis und will es auch sein. Es handelt von Leid, Tod und Schuld. Alle diese Dimensionen sind nicht aus der Welt zu schaffen. Symbole, die diese dunklen Seiten nicht zur Sprache bringen, sind Klischees, von denen wir nicht leben können.
Das Kreuz verdrängt das Leid nicht. Es ist ein Symbol mit unauslotbarer Tiefe. Es lässt in einen Abgrund blicken, aber gerade darum macht es Sinn und hilft.
Das Kreuz handelt von der Bosheit der Menschen, die einen Unschuldigen töten.
Es handelt vom Streit in Gott: Der Vater opfert seinen eigenen Sohn.
Es handelt auch von der Ohnmacht und dem Tode Gottes, denn am Kreuz stirbt ja auch der Vater, weil in Christus ja der ganze Gott Mensch ist.
Am Kreuz hängt ein Gott, der an allem Leid der Menschen und der Schöpfung zutiefst mitleidet.
Im Kreuz steht alles auf dem Spiel, Gott, die Welt und der Mensch.
Darum ist mit ihm auch alles zu gewinnen. Das Kreuz ist die Tür zum Paradies, zu einem Paradies, in dem das Leid nicht verdrängt, sondern überwunden ist.
Gott hat mir eine Tür durch meine Mutter aufgetan, jeden Tag im Advent,
und besonders an dem Tag, als sie mir von der Himmelsleiter erzählte.
Erst jetzt begreife ich ganz, warum sie nie meinem Drängen nachgab, mir doch einen Adventskalender zu schenken, hinter dessen Türen je ein dickes Stück Schokolade wartete.
Meine Mutter hat mir zugemutet anders zu leben, als andere Kinder, auf Schokolade musste ich verzichten.
So aber durfte ich die Himmelsleiter sehen, und das bringt mir heute noch Gewinn.
Gott mutet uns das Kreuz zu, er mutet uns zu, anders zu leben als der Zeitgeist. Aber so öffnet sich uns eine Tür. Christus sagt:
Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden. (Jh 10,9)
Amen.
Predigt zum Christfest I, 2014,
im Alten Dom St. Johannis in Mainz
Im Evangelium des Lukas lesen wir im 2. Kapitel:
2 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.