Erfolgloses kann, Erfolgreiches muss Mist sein - Rolf Friedrich Schuett - E-Book

Erfolgloses kann, Erfolgreiches muss Mist sein E-Book

Rolf Friedrich Schuett

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Beschreibung

Essays, Verse und Bonmots zu kulturellen Aufdringlichkeiten und Redundanzen : . Ein Aufsatz z.B. ist die Meta-Verschwörungstheorie, dass viele moderne wissenschaftliche Aufklärer über "Verschwörungstheorien" vielleicht selber nur eine verschworene Bande von Naturbeherrschungsfanatikern und Weltmanipulierern sein könnten. Ein anderer Aufsatz fragt, ob das moderne kosmologische Weltbild wirklich eine geringere Zumutung für den gesunden Menschenverstand darstellt als das alte theologische. . Langweilig, pedantisch, elitär, dogmatisch, unkritisch, intolerant, umweltfremd, borniert, verstiegen, überflüssig, fanatisch, fromm, patriotisch, lustfeindlich, polemisch, patriarchalisch, abgehoben, neoliberal ... . C a r p e d i e m ' Der Ewige und Sein Urprojekt - Entwurf einer rationalen Laientheologie des Monotheismus Der Rabenvater ist tot, es lebe das Patriarchat! Verschwörungstheorien über Verschwörungstheorien? His Master´s Voice gehorchen? 'Jeder Mensch ist eine Insel' wie England? Aphoristische Enzyklopädie der Künste und Wissenschaften Vorerste Worte für die nachletzten Dinge Was nicht Physik ist, das ist Privatsprache : Kinderspiel Psycho : Neues vom Unbewussten Schlangenfraß und kleines Fressen in die großen Fressen

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INHALT

„Carpediem“

Der Ewige und Sein Urprojekt

Der Rabenvater ist tot, es lebe das Patriarchat!

Verschwörungstheorien über Verschwörungstheorien?

His Master´s Voice

gehorchen?

„Jeder Mensch ist eine Insel“ wie England?

Aphoristische Enzyklopädie

Vorerste Worte für die nachletzten Dinge

Sekundärliteratur zum Aphorismus

Was nicht Physik ist, das ist Privatsprache

Psycho

: Neues vom Unbewussten

Schlangenfraß und kleines Fressen in die großen Fressen

Für Elke, Rita und Maike

„Carpediem“

… Quintus Horatius Flaccus („Liber I“, 23 v. Chr.) Horaz schrieb in einer sehr gängigen Übersetzung: „Genieße den Tag und vertraue möglichst wenig auf den folgenden."

Der biblische Psalmist warnte sekundierend: „Wir verbringen unser Leben wie ein Geschwätz.“

„Pflücke den Tag!“ : Aber warum eine Blüte pflücken, statt die Blume lieber ungepflückt zu bewundern? Der Bürger übersetzt auch lieber als Devise: „Nutz den Tag“, also lass keine einzige Minute ungenutzt verstreichen, press aus jedem Augenblick das Maximale und Optimale heraus! Triumphiert dieses bourgeoise Rentabilitätsdenken schon beim römischen Dichter Horaz (und nicht schon bei den gerne nachgeahmten Griechen)? Selbst unnützes Feierabend-Allotria dient und nutzt dann noch der Regeneration von Genuss- und Leistungsfähigkeit des nächsten Werktages.

Das sprichwörtlich gewordene dictum des Horaz riet aber gar nicht zur panischen Genussoptimierung, sondern gut epikureisch zu einem möglichst einfachen und ungestört zurückgezogenen „Leben im Verborgenen“, zu einer Sinekure fern von lauter gesellschaftlicher Geschäftigkeit. Jeden Tag "gelehrte Muße" auf seinem von Maecenas geschenkten Landgut Sabinum.

Der Besitzbürger hingegen nutzt die knappe Lebenszeit zu akkumuliertem Hochleistungsstress und Spaßkapital. Er schielt auf Nutzeffekte selbst überflüssigster Dinge, um seinen Lebensüberfluss und Lebensüberdruss zu mehren. Will sagen : „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ − und andere ebenso nichtswürdige Weisheiten. 1897 parodierte Christian Morgenstern das zu „Horatius transvestitus“ : „Heut ist heut! Küssen Sie mich, m´amie! Nach uns die Sintflut!“

Nach dem fürchterlichen Dreißigjährigen Krieg kam das „vanitas vanitatum vanitas“ des Barock. „Memento mori!“ und der biblische Koheleth : „Es ist alles eitel!“ Verspielt das heidnisch hedonistische "Carpe diem" nur das ewige Leben oder umgekehrt der Glaube an die unsterbliche Seele nur den (all)täglichen Sinnengenuss? „Folge dem schönen Morgen und vergiss deine Sorgen!“ Hol aus dem Heute raus, was du kannst, wer weiß, ob es ein Morgen und Übermorgen noch geben wird.

Opfert eurer Gegenwart eure Zukunft

und sogar die Zukunft eurer Enkel?

Versäumt und verpasst bloß nichts, verschiebt keine Gelegenheit, die sich bietet, auf eine ungewisse Zukunft, denn das Glück ist flüchtig. Was du heute nicht erlebst, ist morgen vielleicht nicht mehr nachzuholen und zu haben auf dem freien Markt. Auch der günstige Kairos der Weltbörsen ist launisch wie die Fortuna. Nutz also die ebenso unkontrollierbare wie unmanipulierbare Gunst der Stunde!

„Nutz den Tag!“. Warum nicht die Woche oder das Jahr, warum nicht die Minute? Bei der Sekunde wird die Absurdität klarer. Punktualisierte Lust im Klimaxhöhepunkt hebt sich selber auf. Nicht nur post amorem omne animal triste. Die meisten subtileren Genüsse (ver)brauchen Zeit, zeitraubende Vorbereitungen, Entfaltungen, luststeigernd einkomponierte Retardierungen, gekonnte Ausklänge. Je nachdem, was einer vorhat, hat jeder gepflückte „Tag“ eine andere sinnvolle Länge, oft weit über ihn hinaus. Hier und Jetzt-gleich oder aufschiebende Vorsorge fürs Morgen oder Bessere?

Der griechische Arzt (und Uraphoristiker) Hippokrates wusste : „Vita brevis, ars longa“ („Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang“). Jeder kann in seiner kurzen Lebenszeit nur seinen kleinen Beitrag leisten zu einer weit über ihn hinausreichenden Geschichte der Wissenschaften und Künste. Und sein Bestes geben an Genussfähigkeit (als Prämie auf sein Leistungsvermögen) kann ein jeder auch nur während einer kurzen Spanne seines ohnehin so kurzen Lebens. Kinder und Greise sind ja zu tieferen und oft erst mühsam zu verschaffenden Lebensgenüssen noch gar nicht oder schon nicht mehr recht in der Lage.

Jugendliche riefen gern das Wort des Jahres 2012: „YOLO“ („You only live once“).

Karl Kraus hatte das schon ein Jahrhundert früher korrigiert : „Man lebt nicht einmal einmal.“

Gilbert Chesterton, „einer der gescheitesten Menschen, die je gelebt haben“ (Ernst Bloch), widersprach dieser „verkrampften Jagd auf rare Lustbarkeiten“. „Es ist die Religion des carpe diem; aber das ist die Religion nicht des glücklichen, sondern höchst unglücklichen Menschen." („Heretics“ / „Ketzer“, 1905). Das Leben sei viel zu grandios, um es mit möglichst vielen Genüssen zu verplempern. Das Mittelalter sei von so überschäumender Lebensfreude erfüllt gewesen, dass es die Menschen zur Mäßigung anhalten musste, um ihrer Selbstzerstörung zu wehren, schrieb Chesterton. Heute sei die säkularisierte Spaßgesellschaft umgekehrt so lendenlahm, dass sie Tag und Nacht zu Sinnengenuss und Lebensfreude ermuntert, getrieben und aufgereizt werden müsse.

"Tagespflücker" ist ein Künstlerberuf, der trainiert sein will, und kein Experte für prompten Mordsgaudi und Heidenspaß auf der Stelle und auf die Schnelle. Das Carpe diem hat seine eigene paradoxe Dialektik. Horaz empfahl damit nur, in jedem Moment bescheiden das Rechte zu tun, um ein ruhiges Leben führen zu können und Erkenntnisse zu sammeln.

Die Moderne versteht darunter eher das ziemliche Gegenteil, also ein Leben, möglichst in Saus und Braus auf den Kopf gehauen. Das aber können dumme Neureiche besser als arme Geistreiche. Versprochen wird Lebensverlängerung nicht nur durch Sport, Diät und Medizin, sondern auch durch fortwährend optimierte Momentausbeutung − angelegt schon beim römischen Stoiker Seneca, dem Lehrer des lustversessenen Diktators Nero.

Doch wer mehr vom Leben hatte, dem hat der sichere Verfall und Tod auch mehr zu rauben - oder Altersdemenz sogar alle genussreiche Erinnerung ans Genossene.

Der materialistische Philosoph Ernst Bloch raunte vom „Dunkel des gelebten Augenblicks“, in dem sich etwas verstecke, was erst durch Zukunftsentwurf erhellt werden kann, um es als (immer vergangenes) Glück heute erinnern zu können. Und für Existenzialist Sartre pflücken und ernten sogar erst langfristige Zukunftspläne, was uns im gewärtigen Augenblick überhaupt blühen könne. Marxist Sartre opferte wie Bloch das widerwärtig Gegenwärtige philosophisch einer ebenso ungewissen wie besseren Zukunft, also einer künftigen Allgemeinheit den egoistisch individuellen Momentangenuss ....

„Nutz den Tag“ − aber wofür? Ein erfülltes Leben nutzt jeden geschenkten Lebenstag für ein gottähnlich geistiges Leben, rieten die Weisen aller Zeiten. „Lieber ein unglücklicher Sokrates als ein glückliches Schwein.“

Das Gegenteil ist nicht der unmittelbare Sinnengenuss von lebenskulinarischen Nutzniessern, sondern: Nutz den Tag zur passionierten Nichtsnutzigkeit! Ich bin zu faul, das Lob der täglichen Faulheit zu singen.

Die reifste Frucht aber pflückt, wer jeden Tag einer gnadenlosen Disziplin unterwirft, um Werke zu vollbringen, die weder an einem Tag noch in zehn Tagen zu schaffen sind, Werke, die jeden Tag sich packen und mit Etappenaufgaben vollpacken und dem nächsten Tag zum Fraß hinwerfen, um ein Tier zu mästen, das möglichst noch in hundert Jahren Geister nähren und entzücken kann, Werke, die nur in der Fron von Jahren entstehen können und die jeden Tag wie ein prächtiges Raubtier sein nahrhaftes Opfer genießerisch verschlingen. Das sind vor allem Kunstwerke des Geistes. Aristoteles stellte im zehnten Buch seiner „Nikomachischen Ethik“ schon vor 2300 Jahren den „bíos theoretikós“ des reinen Kosmosbetrachters, also die gottebenbildliche vita contemplativa, über jede vita activa, welche nur Gottes Schöpfung verschlimmbessere. Das beschauliche Leben des reinen Theoretikers aber fürchtet fast jeder wie die ewige Langeweile des Paradieses heute, obwohl es das Carpe diem idealiter befolgt.

Der Ewige und Sein Urprojekt

Dass das "Wort Gottes" ursprünglich auf auserwählt Hebräisch erscheint, ist von höchster Bedeutung und müsste besonders beachtet werden. Daran entzündet sich alle seitherige Kritik am "Volk des Buches".

Ich soll mir ausdrücklich kein Bild vom Ewigen machen, weil es mir nur ähnlich sieht und dann nur zwischen uns steht. Auf die Frage nach Seinem Namen antwortet der "Herr der Heerscharen" allerdings selber : Man soll Ihn nennen "Ich bin (da)" oder "Ich bin, der ich (immer dabei gewesen) bin" oder "Ich bin, der ich (bei euch) sein werde".

Die biblische Theorie nennt die für uns wichtigen Naturgesetze und ihre praktischen Konsequenzen: die Sittengesetze der Moral, um uns einen vernünftigen und realistischen Umgang mit der Welt zu verschaffen. Die "heiligen" (nicht eigenmächtig zu verändernden) Schriften geben eine Art von Gebrauchsanweisung für Sein universales Produkt, so etwas wie eine praktische Bedienungsanleitung Seiner Schöpfung für uns. Es sind Seine "guten Tipps" an uns zum sachgerechten Umgang mit dem geschenkten Leben : Kompetente Empfehlungen direkt vom Hersteller, der es ja schließlich wissen muss. (Siehe etwa Seine fundierten Ernährungstipps.)

Und man tut gut daran, das Kleingedruckte rechtzeitig zu beherzigen, wenn man Freude am erworbenen Erzeugnis haben will, das einem ja nicht um die Ohren fliegen soll. Entweder lässt man es sich also vom Sachverständigen gesagt sein, der alle Fabrikgeheimnissse kennt, oder muss sich selbst durch langes trial and error