Erfolgsfaktor Zuhören - Stefan Goes - E-Book

Erfolgsfaktor Zuhören E-Book

Stefan Goes

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Beschreibung

Im Streben nach wirksamer Kommunikation übersehen wir oft, dass eine der Grundvoraussetzungen das aufmerksame Zuhören ist. Der Sprachwissenschaftlicher und Systemiker Stefan Goes hebt die Schlüsselrolle des Zuhörens in der Kommunikation hervor und zeigt, wie man mit einfachen Techniken vom bloßen Zuhören zum effektiven Verstehen kommt. Das Buch kombiniert wissenschaftliche Fakten und wirksame Methoden. Es bietet individuelle Lösungen für unterschiedliche Voraussetzungen und modulare "Hinhör-Häppchen", die es ermöglichen, in die wichtigsten Aspekte des Zuhörens einzutauchen. Schon kleine Veränderungen reichen, um die eigene Kompetenz innerhalb weniger Wochen maßgeblich zu verbessern und durch mehr Verständnis klarer zu kommunizieren. Inhalte: - Hat der überhaupt zugehört? Warum andere Sie missverstehen - Welche Haltung Sie brauchen, um gehört zu werden - Schlüsselbegriffe, Sprachmuster und Phrasen als aufschlussreiche Signale zum Erkennen der Bedürfnisse und Intentionen des Gegenübers - Die drei Grundbedingungen: Verstehen, Annehmen, Tragen - Die sechs Schritte zum Gesprächserfolg - Wie Sie endlich beim Gegenüber ganz ankommenDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im BrowserJetzt nutzen auf mybookplus.de.  

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Seitenzahl: 255

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumEinleitung1 Vom Senden zum Empfangen1.1 »Hat der überhaupt zugehört?!« – Warum andere Sie missverstehen1.1.1 Wo Missverständnisse entstehen1.1.2 Sender sind auch Empfänger1.2 »Nee, nee, nee! So wird das nichts!« – Warum andere nicht tun, was Sie möchten1.2.1 So werden Sie gehört!1.2.2 Wie Sie dafür sorgen, wirkungslos zu sein1.3 »Warum dringe ich nicht durch, ist doch so einfach …« – Was das mit Ihnen zu tun hat1.4 »Jetzt hör’ doch einfach mal auf zu reden!« – Wie leicht es sein kann, es leichter zu haben1.4.1 Ein einfaches Persönlichkeitsmodell1.4.2 Ins Gleiten kommen2 Vom Empfangen zum Verstehen2.1 »Zuhören ist Platin« – Welche Haltung Sie brauchen, um gehört zu werden2.2 »Ich tue weniger und erreiche mehr!« – Hin zu echt partnerorientierter Kommunikation2.2.1 Warum die kompromisslos partnerorientierte Haltung so gut funktioniert2.2.2 Und wenn das nicht sinnvoll scheint …2.3 »Weitwinkel fürs Detail, Makro fürs Ganze« – der systemische Blick2.3.1 Der systemische Blick2.3.2 Die Lupe zur Hand nehmen und eine Landkarte zeichnen2.3.3 Das Familienfest: Wie wird es schön?Lebendige MitspielerSpieler zweiter Ordnung (offene Liste)2.3.4 Systemische Fragen2.3.5 Konstruktive Fragen2.4 »Ich übe mich in Geduld« – Selbstreflexion, Zeit und Geduld sind die Investition2.4.1 Das Handwerkerdreieck2.4.2 Einen Schwerpunkt setzen2.4.3 Ihre Begabung2.4.4 Warum tue ich mir das an?!3 Vom Verstehen zum Bewirken3.1 Im Schlaraffenland der Sprache – warum Sie sich nie satthören werden3.1.1 WörterVerbenAdverbienSubstantiveAdjektiveArtikelPronomenPartikeln3.1.2 Satzbau3.1.3 ProsodieMelodieAkzent/BetonungLautstärkePausen3.1.4 Organisation1. Sprachhandlungen2. Sprachfluss3. Rückmeldeverhalten4. Responsivität5. Sprecherwechsel6. Gesprächsführung3.1.5 Körperliche Information3.2 Mit »3 plus 6« zum Gesprächserfolg3.2.1 Die drei Grundbedingungen: Verstehen, Annehmen, Tragen3.2.2 Die sechs Schritte zum GesprächserfolgSchritt 1: Das Senden einstellenSchritt 2: Die eigenen Filter erkennen, prüfen und eventuell anders einstellenSchritt 3: Zuhören – neugierig und zugewandtSchritt 4: Verstehen wollenSchritt 5: Eine Wahl treffenSchritt 6: Handeln4 Wie Sie endlich beim Gegenüber ganz ­ankommen4.1 Nachhaltiger Lernerfolg4.1.1 Gesprächserfolg durch die Liebe zu anderen und zu sich selbst4.1.2 Gelassenheit4.2 Auf Sendung gehenLiteraturverzeichnisIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!Stichwortverzeichnis

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ePDF:

ISBN 978-3-648-17806-5

Bestell-Nr. 12076-0150

Stefan Goes

Erfolgsfaktor Zuhören

1. Auflage 2024, Juni 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Produktmanagement: Mirjam Gabler

Lektorat: Barbara Buchter, extratour, Freiburg

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Einleitung

Unsere Welt wird immer lauter, schneller und anstrengender. Das zumindest höre ich von vielen gestandenen Persönlichkeiten im beruflichen Umfeld. Vielleicht stimmt das sogar – wobei ich mir vorstellen kann, dass wir genau diesen Satz auch auf Lateinisch bei einem angesehenen römischen Philosophen vorchristlicher Zeit lesen könnten. Selbst VUCA ist nicht neu, sondern ein alter Hut aus den 80er oder 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, erfunden von der mächtigsten und zugleich offensichtlich verunsicherten Streitmacht der Welt – der U.S. Army.1

Also lassen wir das mit dem Alarm. Die Welt wird immer neu, aufregend, komplex und herausfordernd sein. Für die Älteren, weil sie sich immer wieder neu orientieren müssen, und für die Jüngeren, weil für sie vieles so neu ist. Die jungen Leute verwechseln ihre Aufregung und ihren Tatendrang dann oft mit Wissen und Können, was sie so ­naseweis daherkommen lässt. Sagen die Alten. Die Silberrücken ihrerseits wissen genau, wie alles funktioniert, finden aber erstaunlich oft keine Lösungen für die dringlichen Themen. Sagen die Jungen. Dabei wollen alle bloß alles richtig machen. Leider mit Wissen und Methoden von gestern für Probleme von heute, oder mit Ideen und ­Ansätzen von morgen, von denen heute noch keiner weiß, ob sie funktionieren werden. Vielleicht auch springen alle zusammen auf den nächsten Hype-Karnevalswagen und wachen ein paar Wochen später verkatert im grauen »Same Old Same Old« auf. Es ist zum Haareraufen. Aber vielleicht auch eine tolle Zeit, um schöne Abenteuer zu erleben. Ich bin für Letzteres. Denn ein Tag ohne Abenteuer ist ein verlorener Tag.

Wenn wir das Wort wörtlich nehmen, verstehen Sie, was ich damit sagen möchte: Das Wort Abenteuer haben die alten Ritter als aventiure aus dem französischen aventure geborgt. Und die alten Franzosen hatten es aus dem Lateinischen, wo es adventura hieß – nichts anderes als das Herankommende, das Ereignis. Und ich finde, dass ein Tag, gerade ein anstrengender Tag mit vielen unerwünschten Anstrengungen und überraschenden Herausforderungen, nur dann ein guter Tag ist, wenn wir die Anstrengungen und Herausforderungen als ein willkommenes Ereignis verstehen, als ein kleines Abenteuer, auf das wir uns einlassen können, ohne sofort aktiv sein zu wollen. Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen:

Als ich vor einigen Jahren mit dem Inhaber einer Outdoor-Trainings-Firma in seinem Suzuki Jimny einen nass-lehmigen Waldweg emporfuhr, um in ein frisch errichtetes Camp für ein Führungskräftetraining zu gelangen, sahen wir vor uns den Kastenwagen der Aufbau-Crew bis zum Bodenblech im Matsch stecken, gefährlich zur Seite geneigt. Drumherum standen drei junge Kerle, die den Transporter mit Spanngurten an einem Baum gesichert hatten. Also statt aufgebautem Camp eine Havarie. Fantastisch! Die meisten von uns hätten wohl geflucht, wären zügig hingefahren, aus dem Auto gesprungen und hätten schnell irgendetwas getan. Was aber tat er? Er stoppte den Wagen, hielt kurz inne, lächelte und sprach ganz erfreut: »Oh, schön! Ein Projekt!«. Ein kleines Abenteuer. Und in dieser Stimmung, mit dieser Haltung, war der Wagen in Windeseile flott gemacht und das Camp mit vereinten Kräften rechtzeitig aufgebaut. Abends am knisternden Lagerfeuer habe ich dann noch einmal nachgedacht, habe den Funken hinterher geschaut und bin zu dem Schluss gekommen: Versuchen wir es doch öfter einmal mit Gelassenheit. Lassen wir die Dinge auf uns zu kommen, lassen sie auf uns wirken und denken ein wenig nach. Und was da immer geht, das ist das Zuhören.

Warum in der Gesprächsführung weniger mehr ist

Sie werden dieses Buch wohl aus genau diesem Grund aufgeschlagen haben. Sie brauchen mehr kommunikativen Erfolg und mehr spielende Leichtigkeit. Und warum? Weil alle es brauchen, alle es wollen und so wenige es mit Leichtigkeit hinbekommen. Denn in der Tat wird unsere Welt allein durch den rasenden technologischen Fortschritt und die gesellschaftliche Entwicklung zu mehr Freiheit und Vielfältigkeit immer ­anspruchsvoller.

Ich fühle mich in dieser sich so rasant verändernden, dynamischen Welt manchmal wie ein Downhill-Biker, der in dichtem Baumbestand einen Schotterpfad auf einem Rad mit schlechten Bremsen zu Tal brettert, während geweihtragende Paarhufer von rechts und links die Flugbahn queren. Und dabei möchte ich nicht nur unten heil ankommen, sondern eine Bella Figura machen, mir nichts brechen und im Ziel einen Pokal in den Arm gelegt bekommen – wobei das noch eine vergleichsweise einfache Aufgabe wäre. Ein gutes Rad, ordentlich trainieren, ein bisschen was riskieren und dann schafft man es vielleicht sogar aufs Treppchen. Aber im normalen, beruflichen Alltag müssen wir alle neben den fachlichen und methodischen Fertigkeiten noch etwas können, was sich nicht nur durch Training, gutes Material und Wagemut erreichen lässt: Wir müssen wirksam kommunizieren können. Und dieses vorzugsweise sozial kompetent.

Ist gute Kommunikationsfähigkeit angeboren?

Sozial kompetente KommunikationsfertigkeitKommunikationsfähigkeit wird uns allen nur zu einem Teil, sagen wir zu einem Viertel, in die Wiege gelegt. Auf diese genetische Grundausstattung haben wir keinen Einfluss. Die einen haben Pech, die anderen haben Glück. Von Geburt dann bis zur Pubertät folgt die Sozialisation durch Menschen, die wir uns meist nicht aussuchen können und unter deren Zepter und Schutz wir stehen: Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel, Lehrer und Ausbilderinnen zeigen uns, wie das Leben funktio­niert – auch wenn wir es gerne anders hinkriegen würden, als sie es uns sagen. Diesen Prozess können wir mit einigem Recht eher Konditionierung nennen als selbstbestimmtes Lernen. Bewusst entscheiden zu können, wie wir sein möchten und wie wir handeln wollen, lernen wir erst ab dem Moment, in dem wir uns als eigenes Ich denken und fühlen können. Sie werden sich erinnern: Da waren Sie kein kleines Kind mehr. Erst ab hier haben wir zunehmend die bewusste Kontrolle über unser Handeln, auch wenn wir nur auf der Grundlage arbeiten können, die vorher jahrelang gelegt wurde und an der fortwährend an- und umgebaut wird.

Sehr verständlich und vor allem wissenschaftlich fundiert erklärt der Neurobiologe Gerhard Roth (2008)2 das Entstehen und (Zusammen-)Wirken der vier EbenenVier-Ebenen-Modell der PersönlichkeitPersönlichkeit, vier Ebenen in unserem Gehirn. Ich fasse das hier ganz kurz zusammen:

Die unterste, vegetativ-affektive Ebene entsteht ab der siebenten Schwangerschaftswoche. Hier sitzen alle Basisfunktionen, die für unsere biologische Existenz notwendig sind, und unsere affektiven Verhaltensweisen und Empfindungen, wie Dominanz, Angriff, Verstecken, Flucht und Wut.

Die darüber angeordnete Ebene der emotionalen Konditionierung entsteht während der frühkindlichen Sozialisation. Hiervon gehen unter anderem erfahrungsgeleitete Angst und Vorsicht aus, aber auch die Gefühle der Freude oder Lust. Hier sitzt das Belohnungssystem.

Beide Ebenen zusammen bilden das unbewusste Selbst, zu dem wir reflektierend und vor allem steuernd wenig bis keinen Zugang haben. Hier vor allem aber entstehen die Gefühlsregungen, die uns ganz impulsiv und unwiderstehlich Dinge tun lassen, die wir mit Abstand so lieber nicht getan hätten.

Die beiden hierauf aufbauenden Ebenen sind im Neocortex angesiedelt, auf den wir willentlich mehr Einfluss haben können:

Die dritte Ebene, das Individuell-soziale Ich, entsteht von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinein. Auf ihr befinden sich überwiegend Funktionen, bei denen es »um soziales Lernen, Sozialverhalten, Einschätzung der Konsequenzen eigenen Verhaltens, ethische Überlegungen, […] Aufmerksamkeitssteuerung, divergentes Denken, Risikoabschätzung, Belohnungserwartung, […] affektive Schmerz- und Verlustbewertung […] und allgemein um das bewusste Gefühlserleben« geht (Roth 2008, S. 93).

Die vierte Ebene, das Kognitiv-kommunikative Ich, entsteht in der späten vorgeburtlichen Phase bis ins Jugend- und Erwachsenenalter hinein. Hier sitzen, einfach ausgedrückt, das Arbeitsgedächtnis, der Verstand und die Intelligenz sowie die Sprachzentren. Auch die Fähigkeit, reflektiert und willentlich mit sich selbst und der Umwelt umzugehen, entsteht hier.

Abb. 0.1:

Das Vier-Ebenen-Modell der Persönlichkeit nach Gerhard Roth (2008)

Auf die PersönlichkeitPersönlichkeit, Einflusskräfte wirken also vier Einflusskräfte ein (Roth 2008, S. 103 ff.):

Die genetische Prädisposition

Die Eigentümlichkeiten der Hirnentwicklung

Die vorgeburtlichen und frühen nachgeburtlichen affektiv-emotionalen Erlebnisse

Die sozialisierenden Vorgänge im späteren Kindesalter und in der Jugend

Und jetzt müssen Sie stark sein: Gene und Hirnentwicklung – also etwas, auf das Sie, während Sie dieses Buch lesen, noch nie Einfluss hatten und auch nicht mehr haben werden – bestimmen etwa 50 Prozent Ihrer Persönlichkeitsmerkmale und somit auch Ihrer Verhaltensweisen (Roth 2008, S. 104). Wenn ich diese Forschungsergebnisse in Workshops, Seminaren oder auch in Supervision und Coaching als gut fundierte Wahrheit anbiete, sagen viele meiner Klienten etwas wie: »Ja, dann kann ich ja auch gleich aufhören!« oder »Großartig, endlich Schluss mit dem Verbiegen!«. Ein guter Punkt. Halten Sie kurz inne und überlegen Sie: Noch haben Sie kaum Ressourcen auf das Erlernen eines ganz neuen Zuhörens verschwendet. Sie könnten dieses Buch also ohne Reue beiseitelegen.

Bevor Sie das in Betracht ziehen, bitte ich Sie, sich kurz mit dieser dritten Reaktionsweise vertraut zu machen: »Ach, wie erleichternd! Endlich brauche ich mich nicht mehr an meinen Schwächen abzuarbeiten, ich kann stattdessen ganz frei etwas Neues ausprobieren!«. Na, wie wäre das? Dreierlei spräche für ein Abenteuer:

Erstens lernen Menschen jeglichen Baujahrs, jeglicher Bauart und Beschaffenheit erstaunlich leicht, wenn das zu Lernende in einer guten Mischung aus Denken, Fühlen und Ausprobieren angeboten wird. Und so ist dieses Buch konzipiert.

Zweitens bleibt die sogenannte Plastizität des Gehirns bis ins hohe Alter erhalten. Das heißt, auch Ihr Hirn kann sich bei entsprechenden Reizen noch verändern und somit neues Denken, Fühlen und Handeln ermöglichen.

Drittens: Schlügen Sie dieses Buch nun zu, würden Sie ein großartiges Abenteuer verpassen! Denken Sie in Ruhe nach, während ich mich wieder der Sprache zuwende.

Die Fähigkeit, das WerkzeugSprache als Werkzeug Sprache geschickt und feinfühlig zu führen, hängt, wie wir gesehen haben, stark von der Entwicklung des Gehirns ab. Sie wird wie die anderen Sozialkompetenzen schon frühkindlich geprägt. Die Anwendung lernen wir von den Menschen, die uns das Sprechen beibringen, wir wachsen damit auf und versuchen sogar oft, unsere Fähigkeiten in dem Maße zu erweitern, wie es nötig ist. Mit den Jahren entwickeln wir eine routinierte Kompetenz, die unserer Persönlichkeit im Guten wie im Schlechten entspricht und auf unsere Bedürfnisse so weit zugeschnitten ist, dass wir halbwegs zurechtkommen, unsere Sache ganz gut machen oder auch brillieren. Der Preis hierfür ist, dass es uns gerade wegen dieses persönlichkeitsbasierten, routinierten Interaktionsgeschicks oft schwerfällt, in ungewohnten oder herausfordernden kommunikativen Situationen angemessen und mit Leichtigkeit zu agieren. Denn einerseits ist das Erlernte und Erprobte so tief verankert, dass wir ohne Nachdenken oder Hinweise von anderen nicht genau sagen können, warum wir im Gespräch erfolgreich sind oder warum wir scheitern, und andererseits bringt jede Persönlichkeitsstruktur auch bestimmte Handlungsmuster mit sich. Deshalb können wir oft nicht situativ angemessen handeln. Möglicherweise ist dieses Phänomen einer Ihrer Beweggründe, sich neu mit dem Thema Zuhören zu beschäftigen.

Alten Kommunikationsmustern auf der Spur

KommunikationsmusterBei allem Bemühen um einen partnerschaftlichen Umgang im beruflichen Umfeld verfallen die meisten Menschen, gerade wenn es darauf ankommt, in unproduktive Muster. Man fällt sich ins Wort, widerspricht, ohne wirklich zugehört zu haben, hat nur seine eigenen Ziele im Kopf und fühlt sich am Ende ganz unverstanden, oft sogar auch gekränkt. Die Menschen merken, dass bei der Kommunikation etwas nicht stimmt. Sie leiden unter dem Mangel an Verstandenwerden und unter den Missverständnissen, die den Alltag verkomplizieren. Die wenigsten jedoch haben Ideen, was getan werden kann, und so bleiben viele beim Ärger und dem Schimpfen auf »die anderen«. Same Old, Same Old.

Auslöser für unwirksames, unkonstruktives oder sogar destruktives sprachliches Handeln sind, wie ich wahrnehme, meist

Affekte – mit freundlichem Gruß aus den limbischen Persönlichkeitsebenen 1 bis 3,

unbewusste oder zumindest schwer zu verändernde Muster aus Ebene 1 und 2 oder

fest verankerte Überzeugungen und Handlungspräferenzen aus Ebene 3,

nicht ausreichend geschulte Sprachkompetenz, also der Situation nicht entsprechendes handwerkliches Geschick,

mangelnde Überlegung und, die Mutter allen Übels,

die falsche Haltung – zur Sache, zu sich, zur Partnerin.

Aber überlegen Sie selbst: Woran liegt es, wenn Sie sprachlich nicht so handeln, wie Sie es gerne täten, oder wenn trotz allen guten Bemühens beim Gegenüber nicht die richtige Nachricht ankommt, die emotionale Wirkung entsteht oder die Handlung ausgelöst wird, die Sie beabsichtigen?

Lassen wir die kommunikativen Unzulänglichkeiten und Missgeschicke beiseite, die uns unsere genetische und konditionierte Grundausstattung angedeihen lässt, und konzentrieren wir uns auf willentliches, geschicktes Handeln auf der Basis einer förderlichen Haltung, kommen wir nicht am Denken vorbei. Denn nur durch das vorausplanende Denken, das situativ sprachhandelnde Denken und das reflektierende Denken im Nachgang eines Gesprächs können wir neue kommunikative Wege beschreiten.

Wie wir auf Basis unserer Persönlichkeit denken und handeln, beschreibt der Psychologe Daniel Kahneman in seinem Bestseller »Thinking, Fast and Slow« (deutsch: »Schnelles Denken, Langsames Denken« ). Hier die Ultrakurzfassung, die für unsere Zwecke reichen sollte. Kahneman und sein Kollege Amos Tversky haben über Jahrzehnte erforscht, wie Menschen denken. Sie kommen zu dem Schluss, dass Menschen zwei DenksystemeDenksysteme, menschliche haben (Kahneman 2011):

System 1 für schnelles, unreflektiertes, spontanes Denken, oft ausgelöst und gesteuert durch Gefühle. System 1 ist immer »an«. Das Gute daran: Sie müssen nicht darüber nachdenken, wie Sie ein Buch öffnen, und Sie müssen auch nicht darüber nachdenken, wie Sie es an die Wand werfen.

System 2 für langsames, im eigentlichen Sinne bedächtiges und logisches Denken, oft ausgelöst durch Denkanforderungen, deren Lösungen wir nicht routiniert aus dem Ärmel schütteln. System 2 ist in Bereitschaft, muss aktiviert und mit Energie benutzt werden, was natürlich anstrengend ist. Also etwa ein Buch ernsthaft durchzuarbeiten, statt nur die Quick Wins abzustauben.

Auch wenn sich gleich nach Publikation viele Forscher zu Wort gemeldet und nicht ganz unbegründet die empirischen Grundlagen infrage gestellt haben, so kann uns die Kahneman’sche Hypothese doch als interessanter Ausgangspunkt für unser weiteres Nachdenken darüber dienen, ob und wie Sie das neue Zuhören lernen könnten. Wie immer auch Ihre ganz persönliche Antwort ausfallen mag, werden Sie vielleicht meiner Behauptung zustimmen, dass der wirksamen Kommunikation diese Faktoren zuträglich sind:

Entschleunigung

emotionaler Abstand, Ruhe und Gelassenheit

Überblick und Verständnis

Kontrolle der Situation

Lebens- und Kommunikationserfahrung

routiniert-flexible Redegewandtheit

und dass diese Einflussgrößen Ihnen erlauben,

wichtige Kleinigkeiten zu entdecken,

nachdenken zu können,

sich in die Gesprächspartner und auch sich selbst hineinfühlen zu können und so

in der Folge wirksamer kommunizieren zu können.

Kommunikation, produktiveDoch trotz dieser Erkenntnis, die fast alternativlos auf das aufmerksame Zuhören hinausläuft, suchen viele Menschen, vielleicht auch bislang Sie, ihr Glück in der Aktivität, im Erweitern ihrer produktiven Fertigkeiten. Sie strengen sich mehr an. Sie versuchen es mit mehr Kontrolle über das Gespräch, mit dem Bekämpfen ihrer Mängel, mit dem Erwerb neuer Fertigkeiten. Die Richtung ist aber immer dieselbe: »Outbound«, nach draußen, machen, tun. Anstrengung an sich ist auch lobenswert und oft der Schlüssel zum Erfolg. So lässt sich nach Kazuo Inamoris (2007) Erfolgsformel Erfolg mit mehr Anstrengung erreichen, auch wenn Fähigkeiten und Haltung nicht ausreichend vorhanden sind:3

Erfolg = Fähigkeit x Anstrengung x Haltung

Oft hilft aber auch mehr Anstrengung nicht. Und dann wollen Menschen einfach nur noch raus, raus durch eine Art kommunikativen NotausgangKommunikation, Notausgänge. Im Folgenden führe ich meine Top 10 solcher Notausgänge auf:

Mangelnde Fähigkeit durch Anstrengung wettmachen

Sie haben es sicherlich auch schon erlebt: Auf einem Messestand oder in einem Verkaufsgespräch im Laden merkt der Verkäufer, dass er Sie nicht erreicht. Und je zurückhaltender Sie bleiben, desto mehr Produktvorteile bietet er an. Oder: In einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich einer oder beide Partner nicht verstanden fühlen, reden sie immer verzweifelter aufeinander ein, gerne begleitet von dem gequälten Ausruf: »Du verstehst mich einfach nicht!« (siehe hierzu auch Notausgänge 4, 9 und 10)

»Ohren zu und durch!«

Kennen Sie das? Ein Gespräch läuft nicht so, wie Sie wollen, und statt mehr Kontakt aufzunehmen, Verständnisfragen zu stellen und besser hinzuhören, vermeiden Sie den Blickkontakt, suchen möglicherweise Halt an Ihrem Stift, Ihren Notizen, Ihren Fingern oder einem Schmuckstück, vielleicht wenden Sie sich sogar ein wenig zur Seite oder nehmen räumlichen Abstand. Sie versuchen, sich von Partner-Aussagen oder -Fragen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Und was Sie auf jeden Fall tun: Sie machen weiter mit der Strategie, die Sie sich vorgenommen haben, und handeln so, wie Sie es kennen.

Die Sechskantmutter mit der Kneifzange festdrehen

Der eine oder andere (Heim-)Handwerker wird es schon getan haben: Eine Sechskantmutter mangels passenden Schlüssels mit Schraubendreher und Hammer losschlagen. Das kann sogar gelingen, auch wenn Mutter und Werkzeug danach nicht mehr ganz so schön sind. Macht man also eher selten: keine Erfolgsgarantie und Schäden am Material. Aber sehr beliebt ist es doch, eine Mutter mangels Schlüssel mit der Kneifzange festzudrehen!

Dieses Prinzip, nicht mit den richtigen, sondern mit den in der Not geeigneten Mitteln zum Ziel zu kommen, wenden wir auch im Gespräch gerne an. Ich habe keine Argumente, sondern nur Behauptungen? Macht nichts, ich spreche einfach etwas erregter oder blumiger, dann passt das schon! Ich verstehe nichts von der Sache, aber statt interessiert nachzufragen, stelle ich lieber die Partnermeinung infrage. Geht doch! Gesunde Skepsis hat schließlich jeder halbwegs reife Mensch immer zur Hand!

Die Verantwortung auf den Partner abwälzen

Das Gespräch verläuft zäh, ich komme nicht voran, die Zeit drängt, es ist zum Aus-der-Haut-Fahren! Ja und was sehe ich da?! Der Grund für mein Unbehagen sitzt mir direkt gegenüber! Sie, meine Gesprächsgegnerin, ist es, die nicht verstehen will, die sich nicht bewegt, die so glutrotreizend uninteressiert ist! Und schnell habe ich viele wirksame, kommunikative Mittel zur Hand, wie etwa Augenrollen, Schnaufen, Arme-Verschränken, Vorwürfe oder Appelle. Besonders wirksam mit den Mitteln hinter den Türchen 9 und 10!

Abstriche bei der Kommunikationsqualität machen

Die meisten Menschen akzeptieren, dass für ein gutes Gespräch etwa die Zeit zu knapp, die Umgebungsgeräusche zu laut oder die Ablenkungen zu groß sein können. Genauso akzeptieren manche, dass aufgrund mangelnder Sprachfertigkeit Gespräche nicht so geschmeidig verlaufen und zu so guten Ergebnissen kommen, wie sie sich es vorstellen. Das lässt sich gut betiteln mit dem Ausruf »Passt schon!«.

Passt schon, wenn die robuste Inhaberunternehmerin den etwas zart besaiteten neuen Mitarbeiter emotional überfordert! Passt schon, wenn die Kollegen in der Projektsteuerungsgruppe nur 80 % verstehen! Passt schon, wenn alle auseinandergehen und nur eine oberflächliche Vorstellung davon haben, wer als Nächstes welche Aufgaben erledigt! Hauptsache, ich bin mit meinen Anliegen zu Wort gekommen!

Sich ganz reaktiv führen lassen

»Hannemann, geh’ du voran!«: Diesen Satz aus Grimms Märchen von den sieben Schwaben beherzigen auch viele Menschen im Gespräch, wenn die Situation sie überfordert. Sie lassen sich vom Partner durch das Gespräch führen, selbst wenn dieser nicht fähiger als sie selbst ist. Es lassen sich dann Sätze hören wie »Ja – ich weiß auch nicht, was meinst denn du?« oder »Ähm, ja, das hätte ich jetzt vielleicht anders gesagt, aber ja, so kann man das auch sehen.«. Kommt gerne im Tandem mit den Geschenken hinter Tür 7.

Die persönlichen Nachteile erdulden

Ich bin im Coaching oft mit Experten und Führungskräften im Gespräch, die mir – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Berufserfahrung – schildern, warum sie im Gespräch lieber persönliche Nachteile in Kauf nehmen, als eine neue oder andere Art zu kommunizieren auszuprobieren, mit der sie erfolgreicher sein könnten.

Eine junge Spezialistin berichtete mir zum Beispiel, dass sie es als einzige Frau im Vorstand schon schwer genug habe, da müsse sie nicht noch auf süffisante Bemerkungen reagieren. Ein introvertierter, mit messerscharfem Verstand ausgestatteter, strategischer Controller berichtete mir, dass er ab dem Zeitpunkt schweige, an dem die Einwände gegen seine Analyseergebnisse zu vehement oder herablassend werden. Ein erfahrener, aber zunehmend erfolgloser Verkäufer im Firmenkundengeschäft erklärte mir, dass er sich lieber von seinem Vertriebsleiter fragen lasse, warum seine Zahlen so schlecht seien, als dass er in Verkaufsverhandlungen eine energischere Gangart anschlüge, die nicht zu seinen Wertvorstellungen passe. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, denn Notausgang Nummer 7 ist auch mir leider sehr vertraut.

Die Nachteile für andere hinnehmen

Von einem extrem kreativen und ehrgeizigen Chefentwickler in der Autoindustrie ist bekannt, dass er seine Mitarbeiter bei Minderleistung in Qualität und Entwicklungstempo gerne »zusammenstauchte« und unter Druck setzte. Ihm fiel einfach nichts Besseres ein. Er gefiel sich selbst dabei nicht, aber auf diese Weise bekam er oft die gewünschten Ergebnisse. Die Mitarbeiter fühlten sich bei aller sachlichen Einsicht menschlich gekränkt und gedemütigt. Ihnen werden ähnliche Handlungsweisen einfallen – vielleicht erlauben auch Sie sich gelegentlich die fahrlässige Partnerbeschädigung oder »können einfach nicht anders«.

Die Kommunikationsebene wechseln

Eine weitere hilfreiche Tür aus dem Raum der eigenen Wirkungslosigkeit in Gesprächen führt in den Raum des Kommunikationsebenenwechsels. Es gibt von diesen Ebenen drei: Inhaltsebene, Beziehungsebene und Prozessebene. Der Wechsel der Kommunikationsebene ist in alle Richtungen möglich:

Während eines einleitenden Gesprächs über den Gesprächsprozess, also etwa den geplanten Verlauf eines Mitarbeitergesprächs, lässt sich wunderbar wechseln zur Sachebene (»Ja, Chef, mir ist der Verlauf bekannt, also lass’ uns doch gleich zum Punkt kommen: So wie du hier führst, kann das nicht weitergehen!«) oder zur Beziehungsebene: (»Entschuldigung, aber ich weiß gar nicht, wie ich nach dem Vorfall letzte Woche hier ein vertrauensvolles Gespräch führen soll!«).

Während eines aus eigener Sicht aus dem Ruder laufenden Austauschs zur Sache, also etwa zur Rolle der eigenen Führungskompetenz im Rahmen eines Change-Prozesses, lässt sich schön wechseln auf die Prozessebene (»Also ich weiß nicht, ob das jetzt hierhergehört?!«/»Also wenn wir jetzt auch noch damit anfangen, verzetteln wir uns komplett!«) oder auf die Beziehungsebene (»Ja, klar, und das ausgerechnet von dir! Ich meine, wer hat denn so schlecht abgeschnitten bei der letzten Mitarbeiterbefragung?!«).

Während eines abendlichen Beziehungsgesprächs am Küchentisch lässt sich wunderbar wechseln zur Sachebene (»Ja, ich verstehe, dass du gekränkt bist, aber lass’ uns doch jetzt lieber nach einer Lösung suchen!«) oder zur Prozessebene (»O. k., ja, verstehe ich alles, aber können wir vielleicht später weiterreden, die Kinder müssen jetzt ins Bett?«).

Aus dem Gespräch aussteigen

Aufstehen. Mit geballten Fäusten rausstürmen oder mit gerecktem Kinn hinausschreiten. Tür knallen oder sanft ins Schloss gleiten lassen. Super! Klasse Abgang! Oder: Schweigen. Also echt Schweigen. Bis die andere aufgibt. Und dazwischen ist natürlich alles möglich und alles erlaubt.

Vielleicht erkennen Sie sich hier und da ein wenig wieder oder haben sofort eine Situation vor Augen, die Sie beobachten durften. Ich jedenfalls bin schon durch alle zehn Notausgänge gestolpert.

Alle dieser zehn Räume enthalten selbstverständlich wirksame Mittel, die einem selbst, dem anderen oder dem Gespräch an sich sehr förderlich sein können, wenn sie respektvoll und reflektiert angewandt werden. Doch bin ich immer wieder erstaunt – auch von mir selbst –, dass wir so selten die Türklinke zu einem Raum betätigen, in dem es so schön ruhig und gelassen zugeht: dem Zuhören.

Genauer zuhören

Statt anspruchsvolle Situationen in den Räumen der produzierenden Kommunikation bewältigen zu wollen, also durch Argumentieren, Diskutieren, Erklären, Anflehen, Bedrohen, Bitten, Nachfragen, Überreden, Bedrängen oder Sich-Andienen, können Sie auch durch die Tür zum Aufnehmenden, Annehmenden, Hörenden treten. In diesem Raum führt der Weg entlang dieser Stationen:

Innehalten, etwa mit Fragen an sich selbst wie »O. k., was ist hier gerade los?«, »Wo läuft das hier gerade hin?«

Entschleunigen, etwa mit einer echten Pause (etwa um ein Getränk zu holen oder kurz zu lüften) oder sprachlichen Pausen im Redefluss (also etwa zwischen den eigenen Sätzen oder vor der Antwort auf einen Beitrag der Partnerin)

Zuhören, also mit mehr Partnerorientierung und weniger Zielverfolgung als Motiv

Das Verständnis sichern, indem man sich Zeit zum Denken nimmt oder Fragen stellt wie »Warten Sie, ich kann Ihnen hier gerade nicht folgen! Ich habe Ihre letzte Äußerung nicht verstanden?« oder einfach »Wie meinst du das?«

Sich mit eigenen Beiträgen zurückhalten

Für die Wahl der Tür zum Raum des Zuhörens spricht viel. Schließlich rattern Sie nicht mit einem reparaturbedürftigen Mountainbike blindlings Berghänge hinab. Oder fahren bei Nebel und Glatteis so schnell wie bei Sonnenschein und trockener Straße. Oder gehen, wenn Sie sich in einer fremden Stadt verlaufen haben, der Nase nach weiter in der Hoffnung, dass Sie zum richtigen Ort finden werden. Oder nehmen an einem Tango-Wettbewerb teil, wenn Sie nur den Disko-2-Schritt überzeugend beherrschen. Sie halten inne, denken nach und tun im Idealfall erst dann etwas Wohlüberlegtes, Wohldosiertes, Sinnvolles. Sie tauschen Aktivismus und Anstrengung gegen Ruhe und Gelassenheit. In Gesprächen ist das Erfolgskonzept, besser zuzuhören, um mit mehr Leichtigkeit erfolgreicher zu sein. Und deshalb haben Sie dieses Buch aufgeschlagen.

Die meisten Menschen, die kommunikativ wirksamer werden möchten, suchen nach Seminaren und Ratgeberliteratur zu »Rhetorik« oder »Gesprächsführung«. Das ist grundsätzlich nicht falsch, doch häufig fehlt es an der Grundlage. Die Grundlage ist das gute Zuhören. Nur wer gut hinhört, kann im Gespräch wirklich erfolgreich sein. Viele meiner Klientinnen und Klienten, die es in beruflichen Gesprächen leichter haben wollen und deshalb bei mir hilfreiche Methoden und Techniken vermittelt bekommen möchten, machen ein langes Gesicht, wenn ich ihnen anbiete, als Einstieg dazu mit dem präzisen und partnerorientierten Zuhören zu beginnen. Ich erinnere mich jedoch gerne an einen hemdsärmeligen, zupackenden Inhaber-Unternehmer Anfang 50, der sich gleich nach dem Beratungsgespräch mit mir ein kleines Diktiergerät mit gutem Mikro zulegte und es eine Woche lang in der Brusttasche seines Hemdes mit sich herumtrug. Er nahm alle Gespräche auf, an denen er aktiv beteiligt war, und analysierte seine eigenen Beiträge akribisch mit dem Interesse eines Ingenieurs. Nicht ganz DSGVO-konform, aber sehr erkenntnisreich, wie er mir versicherte.

Selbstverständlich ist der Bedarf an Zuhörkompetenz erkannt, sodass es auch viele Bücher zum guten Zuhören gibt. Der Fokus liegt jedoch hierbei meist auf sozialen Kompetenzen oder es werden Methoden angeboten, die »immer funktionieren«. Ersteres ist löblich und für die Gesprächspartner im Erfolgsfall wohltuend, Letzteres passt so gut wie ein Festival-T-Shirt in der Größe »one size fits all«. Was ich Ihnen anbiete, ist ein Buch, das an Ihrer Persönlichkeit und Ihren Bedürfnissen ansetzt, um Ihnen dann Hinweise zu geben, wie Sie zwar methodisch sauber, aber ganz an sich selbst orientiert ein neues Zuhören erlernen können.

Die Lingua-Systemische Methode

Die Grundlage für dieses Buch bildet die Lingua-Systemische MethodeLingua-Systemische Methode, die ich unter Verwendung von Grundprinzipien der deutschen Sprache, Forschungsergebnissen der Angewandten Sprachwissenschaft und Methoden der Systemischen Therapie und Beratung konzipiert habe. Seit 2007 arbeite ich mit ihr, entwickle sie weiter und unterrichte sie auch (siehe dazu Goes 2017). Wenn ich selbst nach ihren Prinzipien arbeite, komme ich mit weniger Aufwand und mit größerer Leichtigkeit zu einem Verständnis meiner Klientinnen. Das aufmerksame Zuhören ist dabei der absolute methodische Kern. Wenn meine Klienten sich den einen oder anderen Bestandteil daraus zu eigen machen, kommen sie aus der Anstrengung in die Leichtigkeit. Mit besseren Ergebnissen. Die fünf für unsere Zwecke leitenden Gedanken der Lingua-Systemischen Methode sind:

Fünf Leitgedanken

Hinhören, um zu verstehen

Das Ganze sehen, um das Detail zu erkennen

WirklichkeitWirklichkeit, als Konstrukt ist ein Konstrukt

Jeder tut immer das Sinnvollste

Weniger tun, um wirksamer zu sein

Worum es in diesem Buch geht

In Kapitel 1, »Vom Senden zum Empfangen«, erfahren Sie, warum Menschen einander zu häufig missverstehen. Sie erhalten Hinweise darauf, warum andere Menschen bei allem ernsthaften Bemühen Ihrerseits einfach nicht tun, was Sie wollen. Und Sie erfahren, was das mit Ihnen zu tun hat. Und weil ich ein lieber Mensch bin, zeige ich Ihnen, wie leicht es ein kann, es endlich leichter zu haben.

In Kapitel 2, »Vom Empfangen zum Verstehen«, werfen wir einen Blick auf die für Ihren Überzeugungserfolg förderliche innere Haltung. Wir befassen uns mit den Argumenten, die für eine partnerorientierte Kommunikationskultur sprechen. Und Sie entscheiden selbst, wie viel Zeit und Energie Sie investieren möchten, um in Ihren Gesprächen wirkungsvoller zu sein.

In Kapitel 3