Erste Hilfe im Sachunterricht (E-Book) - Julia Menger - E-Book

Erste Hilfe im Sachunterricht (E-Book) E-Book

Julia Menger

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Kinder helfen intuitiv und unvoreingenommen. Diese Bereitschaft zur Hilfeleistung lässt sich im Sachunterricht durch das Spiralcurriculum "Ich helfe, ist doch klar!" weiterentwickeln. Vier Lerneinheiten greifen inhaltlich, methodisch-didaktisch und in ihrer Kompetenzorientierung ineinander, werden Ansprüchen an modernen Sachunterricht gerecht und entsprechen den fachlichen Richtlinien der allgemein gültigen Erste-Hilfe-Massnahmen.

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Julia Menger / Michael Denninghoff / Thomas Menger

Erste Hilfe im Sachunterricht

Sachlernen in der Primarstufe – fachdidaktisch fundierte Praxis, Band 2

 

ISBN Print: 978-3-0355-2224-2

ISBN E-Book: 978-3-0355-2225-9

 

Coverfoto: iStock/no_limit_pictures

 

1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 hep Verlag AG, Bern

 

hep-verlag.com

Material:hep-verlag.com/erste-hilfe-im-sachunterricht

Inhaltsverzeichnis

Material

Vorwort

1 Bereitschaft zur Ersten Hilfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz

2 Erste Hilfe als Lerngegenstand im Sachunterricht

2.1 Erste Hilfe und der Bildungsanspruch des Sachunterrichts

2.2 Erste Hilfe im Spannungsfeld von Kind, Sache und Welt

2.2.1 Fachliche Klärung des Themenfeldes Erste Hilfe

2.2.2 Lernausgangslage von Kindern hinsichtlich Erster Hilfe

2.2.3 Gesundheitsbildung als fachdidaktische Referenz der Ersten Hilfe

2.2.4 Bildungspolitische Entwicklung der Gesundheitsbildung und curriculare Verankerung der Ersten Hilfe

2.3 Erste Hilfe und ihre Umsetzung durch Lehrkräfte (inkl. Rechtsfragen)

3 Aufbau des Spiralcurriculums zur Ersten Hilfe

3.1 Inhaltliche Schwerpunkte und ihre Verzahnungen

3.2 Zentrale Prinzipien des Sachunterrichts als Basis der Lernangebote

3.3 Nachhaltiges Lernen durch wiederholende Übung und Anwendung

4 Umsetzung des Spiralcurriculums in der Praxis

4.1 Wir sind füreinander da (ab 5 Jahre)

4.1.1 Aufbau der Einheit und Lernchancen

4.1.2 Fachliche Basis für die Lehrkraft

4.1.3 Unterrichtspraktische Hinweise zum Lernangebot

4.2 Meine Erste-Hilfe-Dose (ab 7 Jahre)

4.2.1 Strukturierung der Einheit und Lernchancen

4.2.2 Fachliche Basis für die Lehrkraft

4.2.3 Unterrichtspraktische Hinweise zum Lernangebot

4.3 Pausensanis – ich helfe, ist doch klar! (ab 9 Jahre)

4.3.1 Strukturierung der Einheit und Lernchancen

4.3.2 Fachliche Basis für die Lehrkraft

4.3.3 Unterrichtspraktische Hinweise zum Lernangebot

4.4 Die Profis und wir – ein starkes Team (ab 10 Jahre)

4.4.1 Strukturierung der Einheit und Lernchancen

4.4.2 Fachliche Basis für die Lehrkraft

4.4.3 Unterrichtspraktische Hinweise zum Lernangebot

4.5 Der Notruf – die Profis steh’n dir bei (für alle Altersklassen)

5 An- und Abschlussperspektiven

6 Literatur

Über die Autorin und die Autoren

Dank

Material

Das gesamte Material kann über hep-verlag.com/erste-hilfe-im-sachunterricht heruntergeladen werden.

 

M1 Lerneinheit 1: Wir sind füreinander da

M1.1 Struktur der ersten Lerneinheit

M1.2 Hundeprinzip

M1.3 Ich kann helfen!

M1.4 Lied zum Hören und Mitsingen

M1.5 Rap zum Hören und Mitsingen

 

M2 Lerneinheit 2: Meine Erste-Hilfe-Dose

M2.1 Struktur der zweiten Lerneinheit

M2.2 Verband- und Pflasterpass: Deckblatt

M2.3 Verband- und Pflasterpass: Laufzettel

M2.4 Verbandkasten

M2.5 Expertenkontrolle Verbandkasten

M2.6 Verbandregeln

M2.7 Pflaster

M2.8 Expertenkontrolle Pflaster

M2.9 Videos Pflaster

M2.10 Verband

M2.11 Expertenkontrolle Verband

M2.12 Video Verband

M2.13 Kopfverband

M2.14 Expertenkontrolle Kopfverband

M2.15 Video Kopfverband

M2.16 Handverband 1

M2.17 Handverband 2

M2.18 Expertenkontrolle Handverband

M2.19 Video Handverband

M2.20 Erste-Hilfe-Dose: Deckel

 

M3 Lerneinheit 3: Pausensanis – ich helfe, ist doch klar!

M3.1 Struktur der dritten Lerneinheit

M3.2 Ausbildungsheft für Pausensanis

M3.3 Hundeprinzip

M3.4 Verbandregeln (Wiederholung)

M3.5 Wundversorgung

M3.6 Erste-Hilfe-Spürnasen

M3.7 Hörbuch der Geschichte von Lars und Emma

M3.8 Wiedersehen nach den Ferien (Einleitung 1 der Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.9 Endlich Pausensani! (Einleitung 2 der Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.10 Schürfwunden (Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.11 Schürfwunden versorgen (ohne Piktogramme)

M3.12 Schürfwunden – Hilfekarten

M3.13 Schürfwunden versorgen (mit Piktogrammen)

M3.14 Einsatzprotokoll (Schürfwunden)

M3.15 Euer Einsatz als Pausensani bei Schürfwunden (Vorlage für ein Rollenspiel)

M3.16 Expertenkontrolle Schürfwunden

M3.17 Nasenbluten (Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.18 Nasenbluten versorgen (ohne Piktogramme)

M3.19 Nasenbluten – Hilfekarten

M3.20 Nasenbluten versorgen (mit Piktogrammen)

M3.21 Einsatzprotokoll (Nasenbluten)

M3.22 Euer Einsatz als Pausensanis bei Nasenbluten (Vorlage für ein Rollenspiel)

M3.23 Expertenkontrolle Nasenbluten

M3.24 Verletzungen an Knochen und Gelenken (Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.25 Verletzungen versorgen an Knochen und Gelenken (ohne Piktogramme)

M3.26 Verletzungen an Knochen und Gelenken – Hilfekarten

M3.27 Verletzungen versorgen an Knochen und Gelenken (mit Piktogrammen)

M3.28 Einsatzprotokoll (Knochen und Gelenke)

M3.29 Euer Einsatz als Pausensanis bei Verletzungen an Knochen und Gelenken (Vorlage für ein Rollenspiel)

M3.30 Expertenkontrolle Knochen und Gelenke

M3.31 Starke Blutungen (Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.32 Starke Blutungen versorgen (ohne Piktogramme)

M3.33 Starke Blutungen – Hilfekarten

M3.34 Starke Blutungen versorgen (mit Piktogrammen)

M3.35 Einsatzprotokoll (starke Blutungen)

M3.36 Euer Einsatz als Pausensanis bei starken Blutungen (Vorlage für ein Rollenspiel)

M3.37 Expertenkontrolle Druckverband

M3.38 Ein spannendes Jahr als Pausensanis (Ende der Vorlesegeschichte von Lars und Emma)

M3.39 Urkunde (Ausbildung zum Pausensani)

M3.40 Gutschein

M3.41 Verbandbuch (Covervorlage für den Pausensanitätsdienst)

M3.42 Einsatzprotokoll (Vorlage für den Pausensanitätsdienst)

 

M4 Lerneinheit 4: Die Profis und wir – ein starkes Team

M4.1 Struktur der vierten Lerneinheit

M4.2 Notfallsituationen

M4.3 Notruf absetzen

M4.4 Stabile Seitenlage

M4.5 Expertenkontrolle stabile Seitenlage

 

M5 Lerneinheit: Notruf – die Profis steh’n dir bei

M5.1 Auf der Skaterbahn (Notfallsituation 1, Text)

M5.2 Auf der Skaterbahn (Notfallsituation 1, Unfallsituation)

M5.3 Auf dem Bolzplatz (Notfallsituation 2, Text)

M5.4 Auf dem Bolzplatz (Notfallsituation 2, Unfallsituation)

M5.5 Auf der Skaterbahn (Notfallsituation 1, Audio)

M5.6 Auf dem Bolzplatz (Notfallsituation 2, Audio)

 

M6 Einheitsübergreifende Materialien

M6.1 Minifaltbuch «Mein kleines Handbuch zur Ersten Hilfe»

M6.2 Vorlage zur Sammlung von Erste-Hilfe-Situationen

M6.3 Lied «Trösten, wärmen, Hilfe holen» (ab 3 Jahre)

 

M7 Arbeitsblatt Unfallsituation

 

M8 Minifaltbuch

Vorwort

Die Buchreihe Sachlernen in der Primarstufe – fachdidaktisch fundierte Praxis verpflichtet sich mit ihren Themenbänden einer lernwirksamen Unterrichtspraxis für den Sachunterricht (Deutschland, Österreich) beziehungsweise das Fach Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) (Schweiz und Liechtenstein). Die Bände der Reihe basieren auf dem aktuellen wissenschaftlichen Fundament der Sachunterrichtsdidaktik, richten die Themen für die Unterrichtspraxis aus und zeigen vielfältige Möglichkeiten der Umsetzung für die Klassenstufen 1 bis 6 auf. Fachdidaktische, fachwissenschaftliche und unterrichtspraktische Perspektiven werden dabei systematisch aufeinander bezogen und münden in Unterrichtsanregungen, die den Ansprüchen der Sachunterrichtsdidaktik gerecht werden. So sind die Publikationen der Reihe Sachlernen in der Primarstufe – fachdidaktisch fundierte Praxis für Lehrende, Forschende und Studierende der Sachunterrichtsdidaktik gleichermaßen interessant. Dieser Ansatz bildet sich auch biografisch bei allen Herausgeberinnen ab: Sie waren als Lehrerinnen in der Primarstufe tätig und sind heute in Forschung und Lehre der Sachunterrichtsdidaktik aktiv.

Der zweite Band der Reihe stellt das Thema Erste Hilfe ins Zentrum. Gerade Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren sind meist unvoreingenommen und helfen Menschen in Notlagen intuitiv. Diese Hilfsbereitschaft gilt es für ein ganzes Leben zu erhalten und kompetent zu einer Hilfsfähigkeit weiterzuentwickeln.

Mit dem Spiralcurriculum Ich helfe, ist doch klar! werden ein Konzept und Materialien in vier ineinandergreifenden Unterrichtseinheiten zur Verfügung gestellt, die sowohl den fachlichen Richtlinien der allgemeingültigen Erste-Hilfe-Maßnahmen als auch den Anforderungen an zeitgemäßen Sachunterricht gerecht werden. Da durchgängig statt an fiktiven Fallbeispielen an Situationen des Schulalltags gearbeitet wird, ist die Lebenswelt der Kinder Ausgangs- und Endpunkt jeder Unterrichtseinheit. Darüber hinaus sichern fest verankerte Übungs-, Kontroll- und Transferphasen die fachliche Richtigkeit und die Entwicklung von Handlungsroutinen. Ob bei Rollenspielen, Expertenbefragungen oder beim Einsatz als Pausensanis – die methodische Vielfalt des Spiralcurriculums eröffnet individuelle Lernwege und fördert so die strukturierte Kompetenzerweiterung entsprechend der eigenen Interessen und Lernbedürfnisse.

Alle Materialien wurden zusammen mit Lehrkräften entwickelt, erprobt und evaluiert.

 

Die Herausgeberinnen

Franziska Bertschy, Beate Blaseio, Julia Menger und Kerstin Schmidt-Hönig

1Bereitschaft zur Ersten Hilfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Kleinere Unfälle und Verletzungen gehören zum Alltag von Kindern. Oft reichen ein tröstendes Wort, ein Pflaster oder ein Coolpack, um Schmerzen zu lindern und den Tränenfluss zu stoppen. Kinder profitieren regelmäßig von Maßnahmen der Ersten Hilfe und werden nicht selten selbst zu Ersthelferinnen und Ersthelfern. Sie helfen intuitiv, denn Hilfsbereitschaft liegt in der Natur des Menschen. Bereits Kleinkinder zeigen hilfsbereites Verhalten, wenn sie erkennen, dass jemand Hilfe benötigt. Dann können sie auch in für sie neuen Situationen angepasste Hilfsstrategien entwickeln und diese zielführend umsetzen (Spiegel & Tomasello, 2017, S. 117). Vor allem Kinder werden zusätzlich durch ihr natürliches Mitgefühl zum Helfen motiviert (Spiegel & Tomasello, 2017, S. 118f.), sodass sie sich eher unvoreingenommen hilfsbedürftigen Menschen zuwenden. Im Laufe der Entwicklung zum Erwachsenen verändert sich diese offene Form der Hilfsbereitschaft durch soziale und kulturelle Einflüsse. Die Verinnerlichung von Regeln, die das allgemein akzeptierte Verhalten in der Gruppe festlegen, führt zu einem kontrollierteren, weniger intuitiven Verhalten als in der Kindheit (Spiegel & Tomasello, 2017, S. 117). So prägen beispielsweise die Beobachtung anderer, individuelle Rückmeldungen und die Selbsteinschätzung das eigene Verhalten. In Bezug auf Maßnahmen der Ersten Hilfe wird besonders deutlich, wie sich Unsicherheit und Versagensängste auf die Hilfsbereitschaft von Erwachsenen auswirken können (Helsana, SRK & Sotomo, 2020, S. 4).

In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden in den letzten Jahren die Selbsteinschätzung und die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen der Bevölkerung in Bezug auf Erste-Hilfe-Maßnahmen repräsentativ erhoben (siehe Tabelle 1).

Auftraggeber, Erscheinungsjahr, Titel

Anzahl der Befragten

Land

Asklepios, 2017:

Erste Hilfe und Erstversorgung

1000

DE

ADAC, 2021:

ohne Titel

3631

DE

Helsana, SRK & Sotomo, 2020:

Was tun im Notfall? Befragung zum Verhalten und den Kompetenzen in Erster Hilfe in der Schweiz

3000

CH

Integral, 2016:

Erste Hilfe in Österreich 2016 – Wissen, Einstellung und Bereitschaft zur Hilfeleistung

2111

AT

Tab. 1: Übersicht über repräsentative Umfragen im Zusammenhang mit Erster Hilfe

Auch wenn die Studien jeweils unterschiedliche Forschungsschwerpunkte setzen, so zeigen sie in Bezug auf Selbsteinschätzung und vorhandene Kompetenzen ein vergleichbares Bild (siehe Abbildung 1).

Abb. 1:

Ausgewählte Ergebnisse repräsentativer Befragungen zu Themen der Ersten Hilfe

Mindestens 50 Prozent aller Befragten trauen sich zu, nach einem Unfall Erste Hilfe leisten zu können, in der Schweiz sind es sogar 75 Prozent. So gaben 86 Prozent (ADAC, 2021), 89 Prozent (Asklepios, 2017) und 93 Prozent (Helsana, SRK & Sotomo, 2020, S. 32) der Befragten an, auf jeden Fall den Notruf abzusetzen, wenn Erste-Hilfe-Maßnahmen notwendig wären. Doch welche Hilfen darüber hinaus geleistet würden, ist sehr unterschiedlich. Das Absichern der Unfallstelle würden beispielsweise mit 74 Prozent der Befragten sehr viele übernehmen (Helsana, SRK & Sotomo, 2020, S. 32). Eine Herzdruckmassage beziehungsweise Wiederbelebungsmaßnahmen trauen sich jedoch nur knapp über die Hälfte der Befragten zu (55 %, Helsana, SRK & Sotomo, 2020, S. 32 und 58 % Asklepios, 2017, S. 21). Die Hauptursache hierfür liegt in der Angst vor Fehlern. Möglicherweise hängt diese Angst auch damit zusammen, dass der Erste-Hilfe-Kurs bei einigen schon über zehn Jahre zurückliegt (50 % ADAC, 2021 und 52 % Asklepios, 2017, 39,7 % Helsana, SRK & Sotomo, 2020, S. 24 und 34 % Integral, 2016). Im Laufe der Zeit verblassen die Kenntnisse, was die Unsicherheiten noch verstärkt.

Vor allem die Angst vor Fehlern ist tief verwurzelt. Viele Menschen haben in der Schule, in Prüfungen oder anderen Stresssituationen die Erfahrung gemacht, dass Fehler negative Konsequenzen in Form von schlechten Noten oder sozialer Ausgrenzung nach sich ziehen können. Hinzu kommt eine fachliche Unsicherheit, wenn der Erste-Hilfe-Kurs bereits lange zurückliegt. Dadurch glauben die meisten Menschen nicht daran, dass sie den Anforderungen gerecht werden können, die eine Notfallsituation an Ersthelferinnen und Ersthelfer stellt (Schwarzer & Jerusalem, 2002, S. 29f.). Handlungen, Denkprozesse und auch die Gefühlslage werden durch diese Handlungsergebnis-Erwartungen (Selbstwirksamkeitserwartungen) gesteuert, gänzlich unabhängig von den tatsächlich vorhandenen Kompetenzen (Bandura, 2001; Schwarzer & Jerusalem, 2002, S. 35). Das stärkste Mittel zur Verbesserung von Selbstwirksamkeitserwartungen sind Erfolgserfahrungen (Bandura, 1995, S. 3). Dabei wird eine herausfordernde Situation durch Anstrengung bewältigt, der eigene Qualifikationszuwachs ist spürbar und die Kompetenzerwartung steigt für die nächste ähnliche Herausforderung. Übertragen auf die Verbesserung der Selbsteinschätzung im Hinblick auf das Ergreifen von Erste-Hilfe-Maßnahmen müssen viele eigene Handlungserfahrungen ermöglicht werden, in denen Erfolgserlebnisse die eigene Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen. Eine kompakte Schulung in Form eines Erste-Hilfe-Kurses kann das nicht leisten. Sinnvoller erscheinen eine langfristig angelegte, strukturierte Erarbeitung, Übung und Anwendung zentraler Handlungsabläufe, die sich allmählich zu Routinen und Automatismen entwickeln. Hier setzt das vorliegende Spiralcurriculum «Ich helfe, ist doch klar!» an.

Das Lernangebot geht in allen Klassenstufen von authentischen Situationen des Schulalltags aus, nimmt real existierende Gefahren- und Unfallsituationen in den Blick und nutzt damit die individuellen Erste-Hilfe-Erfahrungen der Kinder als Lernanlässe. Anders als bei der Arbeit mit fiktiven Fallbeispielen entstehen auf diese Weise gehalt- und bedeutungsvolle Fragestellungen, die passgenau auf die Lerngruppe zugeschnitten sind. Neu erworbene Kompetenzen können dann bei der nächsten Gelegenheit, etwa auf dem Pausenhof, direkt angewandt und dadurch gefestigt werden.

Das Spiralcurriculum berücksichtigt in seinem Aufbau zum einen fachdidaktische Ansprüche an modernen Sachunterricht (Kapitel 2 und 3), zum anderen fachliche Richtlinien und Vorgaben der allgemeingültigen Erste-Hilfe-Maßnahmen (Fachinformationen in >Kapitel 3 und 4). Fest verankerte Übungs-, Kontroll- und Transferphasen sichern die fachliche Richtigkeit und fördern die Entwicklung von Handlungsroutinen. Die methodische Vielfalt des Spiralcurriculums eröffnet individuelle Lernwege und fördert so die strukturierte Kompetenzerweiterung. Da der Lernprozess nach der Primarstufe nicht beendet ist, gibt Kapitel 5 abschließend einen Ausblick auf Schwerpunkte der Erste-Hilfe-Ausbildung in der Sekundarstufe.

2Erste Hilfe als Lerngegenstand im Sachunterricht

Die Erste-Hilfe-Ausbildung zählt zu den zentralen Aufgaben der großen Hilfsorganisationen. Ihr vielfältiges Angebot bildet verschiedene Anwendungsbereiche der Ersten Hilfe ab und ermöglicht so Betrieben und Privatpersonen, eigene Bedürfnisse und rechtliche Vorgaben bei der Kursauswahl zu berücksichtigen. Darüber hinaus adressieren der Arbeiter-Samariter-Bund, das Rote Kreuz, die Johanniter Unfallhilfe und die Malteser mit Unterrichtshilfen und spezifischen Fortbildungsmöglichkeiten gezielt Bildungseinrichtungen. Sie bieten ihre Fachexpertise an und setzen auf Kooperationsprojekte vor Ort. Idealerweise ergänzen sich dann die Fachkompetenzen aus dem Bereich der Erste-Hilfe-Maßnahmen und die professionellen Lehrkompetenzen in Bezug auf die Unterrichtsentwicklung und Lernbegleitung. Vielerorts etablieren sich durch eine solche Zusammenarbeit auch an Grundschulen sogenannte Pausenhelferinnen und Pausenhelfer. In der Regel sind es Kinder aus den Jahrgängen 3 und 4, die nach absolviertem Lehrgang in den Pausen Verletzungen erstversorgen, die Betroffenen trösten und weitere Hilfsmaßnahmen einleiten. Soll jedoch nicht nur ein begrenzter Kreis von Kindern zu Ersthelferinnen und Ersthelfern ausgebildet werden, sondern ein langfristiger Kompetenzaufbau für alle Kinder angestrebt werden, so ist eine Verankerung im schulinternen Fachcurriculum unausweichlich. Erste Hilfe wird dann als Teil der schulischen Gesundheitsförderung verstanden und nicht auf einzelne Projekte auf Unterrichtsebene reduziert.

Gesundheitsbildung ist curricular und fachdidaktisch in der Grundschule vor allem im Sachunterricht verankert. Das Bildungspotenzial von Themen der Ersten Hilfe ergibt sich zum einen aus der bildungstheoretischen Tradition, zum anderen aus der Anbindung an aktuelle Diskurse zur Gesundheitsbildung.

2.1Erste Hilfe und der Bildungsanspruch des Sachunterrichts

Im Fächerkanon der Grundschule fällt der Sachunterricht durch seine besondere inhaltliche und methodische Breite auf, die sich aus seinem Bildungsanspruch ergibt. Sachunterrichtliches Lernen unterstützt Kinder dabei, ihre Sichtweisen auf die Welt zu ordnen und zu einer belastbaren Grundlage für weiterführendes Lernen auszubauen (GDSU, 2013, S. 9). Zentrales Ziel ist dabei nicht die bloße Aneignung von Wissen, sondern das Verstehen von Zusammenhängen, das Verknüpfen von Neuem mit Bekanntem und der Ausbau der eigenen kognitiven Struktur (Hartinger & Lange-Schubert, 2019b, S. 14). Da ohne entsprechende Verfahren keine Inhalte erschlossen werden können, sind zentrale Fähigkeiten zur eigenständigen Erarbeitung, zur Evaluation und Reflexion sowie zur Anwendung des Gelernten notwendig (GDSU, 2013, S. 20ff.). Sachunterrichtliches Lernen lässt sich nicht auf ein rein fachlich-systematisches Lernen einengen. Der starke Zusammenhang zwischen Wissenserwerb, Persönlichkeitsentwicklung und der Beziehung des Kindes zu seiner Lebenswelt mit ihren Menschen und ihrer Kultur kennzeichnet das Bildungsverständnis des Faches (Götz et al., 2022, S. 16). Damit knüpft der Sachunterricht an Klafkis Verständnis von grundlegender Bildung an: Bildungsfragen sind Gesellschaftsfragen (Klafki, 2007, S. 49; Heinzel, 2019), sodass durch den Sachunterricht Fähigkeiten entwickelt werden sollen, die ein verantwortungsvolles Handeln in der Gegenwart und ein reflektiertes Gestalten der Zukunft sicherstellen. Unterrichtspraktisch betrachtet sind daher fächerübergreifende Aufgaben, fächerverbindende Projekte und die Förderung von Basiskompetenzen eng mit dem Sachunterricht verbunden (Pech, 2020, S. 159f.).

Unterricht zum Themenfeld Erste Hilfe entspricht diesem Bildungsanspruch in besonderer Weise. Naheliegend ist der positive Einfluss einer hohen Hilfsbereitschaft und -fähigkeit auf das Gesundheitssystem, da die Laienhilfe Komplikationen im Heilungsprozess verringern und im besten Fall Leben retten kann. Darüber hinaus entspricht die Stärkung persönlicher Ressourcen der grundlegenden Bildung und betont bei einer festen curricularen Verankerung den gesamtgesellschaftlichen Wert des Helfens. Hilfskompetenz ist weit mehr als die Aneignung von Kenntnissen über Maßnahmen der Ersten Hilfe. Es ist eine Haltung, die sich in Verantwortungsbewusstsein, Empathie und Hilfsbereitschaft ausdrückt und damit unmittelbar positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben kann.

Abbildung 2 fasst wichtige Aspekte grundlegender Bildung zusammen, die den Sachunterricht konturieren (Pech, 2020; Einsiedler, 2014; Klafki, 2007; GDSU, 2013). Da der Bildungsbegriff auch innerhalb der Fachcommunity facettenreich diskutiert wird, spiegelt die Abbildung weder einen allgemeinen Konsens wider, noch erhebt sie einen Anspruch auf Vollständigkeit. Während die genaue Verzahnung der einzelnen Aspekte in Kapitel 3 ausführlich dargestellt wird, bildet dieses Netz für die folgenden Ausführungen eine erste Orientierung auf dem Weg zur Verortung des Themenfeldes Erste Hilfe in der Sachunterrichtsdidaktik. Da in der Darstellung bewusst auf Hierarchien und Reihenfolgen verzichtet wurde, lässt sie verschiedene Lesarten und Gewichtungen zu.

Abb. 2:

Aspekte grundlegender Bildung aus sachunterrichtlicher Perspektive

Sieht sich der Sachunterricht der grundlegenden Bildung verpflichtet, so stellt er sich der Aufgabe, die Ansprüche der Welt und die der Kinder in ein ethisch verantwortbares Verhältnis zu bringen (Deckert-Peaceman & Seifert, 2019, S. 131). Bildung als sachunterrichtliche Zieldimension mündet somit in die drei Bezugspunkte Kind, Sache und Welt, auf deren Grundlage sich der Bildungswert von Inhalten für den Sachunterricht erschließt (Pech, 2009, S. 4). Im Folgenden wird anhand dieser drei Bezugspunkte das Bildungspotenzial von Themen der Ersten Hilfe im Sachunterricht herausgearbeitet.

2.2Erste Hilfe im Spannungsfeld von Kind, Sache und Welt

Mit der Fachbezeichnung Sachunterricht ist das vielfältige Gegenstandsfeld des Faches bereits umrissen – es geht um Sachen. Doch nicht alles, was alltagssprachlich unter dem Begriff verstanden wird, eignet sich als Gegenstand des Sachunterrichts. Durch die Begegnung mit Sachen im Sachunterricht sollen Kinder befähigt werden, ihre Lebenswelt zu verstehen, sich in ihr zu orientieren und verantwortungsvoll in ihr zu handeln. Dieser grundlegende Bildungsauftrag (siehe Abschnitt 2.1) begrenzt die Sachauslese auf bildungsrelevante und lebensbedeutsame Sachen (Lauterbach, 2020, S. 60) und erweitert das Verständnis gleichzeitig um sachgemäße Arbeitsweisen als Wege der Sacherschließung (Köhnlein, 2022b, S. 41). «Wirksam wird Unterricht dann, wenn er die Kinder […] aktiv anregend und stützend begleitet, sodass sie ihr gegenwärtiges und zukünftiges Leben in der Sorge um das eigene und das allgemeine Wohl eigenständiger und eigenverantwortlicher gestalten können» (Gervé, 2021, S. 60). Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, müssen Sachen des Sachunterrichts gleichermaßen an die spezifischen Strukturen der Fachwissenschaften wie auch an die Lernvoraussetzungen und subjektiven Perspektiven der Kinder anknüpfen (Nießeler, 2022, S. 30; GDSU