Erwachende Welt - Alfred Bekker - E-Book

Erwachende Welt E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Während die Erde ihrem unausweichlichen Ende entgegensieht, macht sich Ren Dhark noch einmal auf den Weg ins All, um dort draußen vielleicht doch noch das Wissen zu finden, mit dem er das Sterben der Sonne verhindern könnte. Er gelangt auf die Erwachende Welt – und stößt auf ein unfaßbares Geheimnis.

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Ren Dhark

Bitwar-Zyklus

 

Band 8

Erwachende Welt

 

von

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 1 bis 5)

 

Jo Zybell

(Kapitel 6 bis 10)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 11 bis 15)

 

Alfred Bekker

(Kapitel 16 bis 21)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2062 scheint das Ende der Menschheit – oder zumindest das Ende ihres Heimatplaneten Terra und des Sonnensystems – unausweichlich. Ein bisher unbekanntes Volk offenbar intelligenter Roboter hat terranische Kolonien angegriffen und unprovoziert einen Krieg mit Terra vom Zaun gebrochen.

Stärkste Waffe der Roboter, die sich selbst »das Volk« nennen und alle Lebewesen abschätzig als »Biomüll« bezeichnen, sind modifizierte Geschütze der Worgun: Die Energie eines herkömmlichen Nadelstrahlers wird auf wenige Nanometer konzentriert und erreicht somit eine Kraft, die sogar in der Lage ist, Raumschiffshüllen aus Unitall einzudrücken!

Doch diese »Kompri-Nadel« genannte Waffe ist harmlos im Vergleich zu dem, was die Roboter sonst noch zustande bringen!

Mit einer bislang völlig unbekannten Technik ist es ihnen gelungen, die Sonne zum Untergang zu verdammen! Von einer heimlich im Nachbarsystem Proxima Centauri errichteten Station aus haben sie es offenbar geschafft, ein winziges Schwarzes Loch im Zentrum unserer Sonne zu plazieren.

Gegenstück ist ein kleines Weißes Loch im Inneren von Proxima Centauri. Und so fließt immer mehr Masse aus unserer Sonne ab und läßt den einst trüben Nachbarstern regelrecht aufblühen, während Sol immer mehr an Kraft verliert. Der Winter, der im November 2062 anbricht, könnte der letzte sein, den die Erde erlebt – der ewige.

Und als wäre das nicht schon genug, fliegen die Roboter einen Großangriff auf Terra. Der kann erst im letzten Augenblick abgewehrt werden, nicht zuletzt dank der tatkräftigen Unterstützung durch neuartige Kampfraumschiffe des Planeten Eden, auf dem sich der Großindustrielle Terence Wallis selbständig gemacht hat.

Eden verbündet sich mit der Erde, um die weitere Manipulation der Sonne zu verhindern und eingetretene Schäden möglichst rückgängig zu machen. Bei einem koordinierten Großangriff auf das System Proxima Centauri kann die Station zur Sonnenmanipulation vernichtet werden.

Doch es ist schon zu spät: Der Prozeß hat sich verselbständigt. Immer mehr Energie fließt aus der Sonne ab, die bald nur noch ein verlöschender Stern sein wird…

1.

Commander der Planeten – es war noch nicht lange her, als Ren Dhark Träger des höchsten terranischen Titels und somit das oberste terranische Regierungsmitglied war. Mittlerweile war er nur noch Commander der POINT OF oder einfach nur »der Commander«, wie ihn die meisten Menschen nannten. Dhark war von schlanker Gestalt, knapp einsachtzig groß, hatte weißblondes Haar und braune Augen.

Er verfügte über einen unbändigen Forschungsdrang und besaß die intuitive Begabung, großmaßstäbliche Zusammenhänge folgerichtig zu erfassen. Aufgrund seiner Führungsqualitäten und seiner Erfahrungen mit außerirdischen Intelligenzen hatte man ihn zum Flottenkommandanten auf Zeit ernannt – für die Dauer des Einsatzes gegen die Roboterschiffe, die der Erde schwer zu schaffen machten.

Genaugenommen handelte es sich bei den Schiffen um fliegende Großrechner. Jeder dieser Rechner verfügte über einen Verstand, über eine eigene Persönlichkeit. Der sie umgebende Raumer war sozusagen ihr Körper. Bei Beschädigungen empfanden sie zwar keinen Schmerz, dafür aber Todesangst, denn die Großrechner konnten theoretisch uralt werden; sie waren nahezu unsterblich und hingen verständlicherweise an ihrem langen Leben. Allerdings töteten sie sich lieber selbst, als daß sie in Gefangenschaft von »Biomüll« gerieten, wie sie die Menschen und andere biologische Lebewesen abwertend bezeichneten.

Angst und Überheblichkeit waren nicht die einzigen Empfindungen, die diese bizarren Wesen prägten. Ein wichtiger Faktor ihres Daseins war der Haß. Sie haßten alles, das sich ihnen widersetzte. Um die Menschheit auszurotten, wollten sie ihr ihre Sonne nehmen. Während Sol immer mehr an Masse verlor, nahm die Sonne Proxima Centauri stetig an Masse zu.

Im PC-System befand sich ein Stationsplanet der Roboterschiffe: der Klotz. Die Manipulation von Sol ging zweifelsohne von einer gewaltigen Anlage aus, die auf dem Planeten gestanden hatte. Zwar war es Commander Dhark und seinen Mitstreitern gelungen, den monströsen Schutzschirm, der den Klotz umgab, zu zerstören – aber der Preis war sehr hoch: Von vierhundert Ringraumern der Terranischen Flotte, fünfzig Carborit-Ringraumern und achtzehn Ikosaederschiffen der Flotte von Eden waren nur noch knapp vierhundertfünfzig Schiffe übrig. Gemessen an den hohen Verlusten ihrer Widersacher, die mehr als hundert Schiffe verloren hatten, schien das wenig zu sein – doch mit jedem zerstörten Roboterschiff verging »nur« eine einzige Existenz, während auf den Schiffen des Flottenverbandes vielköpfige Besatzungen ihren Dienst verrichteten.

Jetzt wollten es die fliegenden Großrechner erneut wissen. Sie waren geflohen, kehrten nun aber mit Verstärkung zurück. Sage und schreibe 3200 Roboterschiffe tauchten aus dem Hyperraum auf und hielten auf Dharks Flotte zu. Ihre Absicht war klar: die komplette Vernichtung aller »Biomüll-Schiffe« mitsamt ihrer Besatzungen – einschließlich der fünf 1,14 Kilometer durchmessenden fliegenden Plattformen, die man bei der Vernichtung des Klotz-Schirms eingesetzt hatte.

Auf diese »schwebenden Zerstörer« hatten es die bizarren Roboter besonders abgesehen. Sie hatten ihrem Stationsplaneten schweren Schaden zugefügt, darum mußten sie weg.

Die Unterseiten der nur ein Meter dicken, scheibenförmigen Plattformen waren vollgestellt mit gigantischen Energiezapfern und -abstrahlern. Im Inneren einer zwanzig Meter durchmessenden Kugel, die in der Plattformmitte zu beiden Seiten herausragte, befanden sich Antigrav, ein leistungsschwaches SLE- sowie ein Transitionstriebwerk. Der »Hammer« aber war die Bebauung der Oberseite: modifizierte Hyperraptoren, die jedem bekannten Schutzschirm seine Energie entziehen konnten. Die Raptoren wurden betrieben mit der Sonnenenergie von Proxima Centauri.

Nach entsprechender Programmierung funktionierten die Plattformen vollautomatisch. Man konnte sie aber auch von einem Schiff aus steuern – je eine Plattform pro Raumschiff. Lediglich der Checkmaster auf der POINT OF war in der Lage, alle fünf Plattformen auf einmal zu bedienen.

Dank der neuen Sprungmeiler hatte der Flottenverband bereits in 270 Lichtjahren Entfernung die Eintauchimpulse der 3200 Roboterschiffe festgestellt. Ob sie als nächstes ins Sol-System oder nach Proxima Centauri transitieren würden, hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden. Ren Dhark hatte allerdings instinktiv gespürt, daß die Großrechner die Flotte und nicht die Erde angreifen würden – und er hatte rechtzeitig Abwehrmaßnahmen ergriffen…

… insofern es überhaupt möglich war, eine mächtige Armada von intelligenten, denkenden Raumschiffen abzuwehren, von denen eines bizarrer aussah als das andere, so als seien sie gerade aus einem Alptraum entwichen.

Die Durchmesser der verschiedenartigen Roboterraumer lagen zwischen dreihundert und vierhundert Metern. Es gab sie in den unterschiedlichsten Formen. Einige sahen glatt und glänzend aus, als hätte man ihre Oberfläche sorgsam abgeschmirgelt und anschließend mit einem Tuch poliert, andere wirkten wie aus irgendwelchen dreckigen, verbeulten Raumschrotteilen zusammengesetzt.

Nur eines hatten alle Roboterraumer gemeinsam: starke Schutzschirme, sogenannte Karoschirme, die bei immenser Belastung ein kreuzförmiges Muster aus Stützfeldern zeigten. Wurde diese Belastungsgrenze erreicht, konnten die Großrechner den Zusammenbruch nur verhindern, indem sie das Feuer einstellten und sämtliche verfügbare Energie in den Schirm leiteten. Gingen mehrere terranische Schiffe gleichzeitig auf ein einzelnes Roboterschiff los und nahmen es von zwei Seiten her unter Wuchtkanonenbeschuß, konnten sie die Karoschirme knacken.

Diese Taktik funktionierte jedoch nur, wenn man sich in der Überzahl befand.

Hier und jetzt stand das Verhältnis schlecht für den kombinierten Flottenverband Terra und Eden, für die letzte Hoffnung der Menschheit… die Flotte der Großrechnerschiffe war zahlenmäßig ungefähr siebenmal so stark.

Die gefährlichste Waffe eines jeden Roboterschiffes war Kompri-Nadelstrahl. Die Energieabgabe jener bisher unbekannten Waffe entsprach der eines Nadelstrahlgeschützes der Worgun, wurde aber auf einen unglaublich kleinen Durchmesser im Nanometerbereich gebündelt, wodurch ihre Auswirkungen auch für Intervallfelder gefährlich wurden.

450 Kampfraumer des Flottenverbandes gegen 3200 waffenstrotzende Roboterschiffe – der Ausgang der bevorstehenden Schlacht schien festzustehen. Dhark hatte sämtliche Flottenraumer so gruppiert, daß sie sich zwischen den Angreifern und den fünf Plattformen befanden. Diese etwas lächerlich anmutende Schutzmaßnahme schien nichts weiter zu sein als ein Akt der Verzweiflung, ein letztes Aufbegehren vor der totalen Vernichtung, kaum wirkungsvoller als eine menschliche Lichterkette auf einer Protestkundgebung gegen das Verspeisen von Singvögeln.

Entsprechend siegessicher näherten sich die Großrechnerschiffe, bestens behütet durch die sie vollständig einhüllenden Karoschirme, die Kompri-Nadelstrahlgeschütze auf den Gegner ausrichtend…

Das Volk – wie sich die Monsterroboter selbst nannten – witterte leichte Beute.

*

»Und David versammelte alle Obersten: die Fürsten der Stämme, die Fürsten der Ordnungen, die Fürsten über tausend und über hundert!« kommentierte der Kommandant der THOMAS die Ansammlung der Roboterschiffe auf seine ureigenste Weise.

Der dreiundvierzigjährige General Thomas J. Jackson stand im Dienst der Flotte von Eden. Er war groß, kräftig, hatte ein kantiges Gesicht mit Vollbart und volles braunes Haar. Im Gegensatz zu manchem Flottenjungspund verhielt er sich nie leichtsinnig. Schließlich warteten daheim eine Ehefrau und eine kleine Tochter auf ihn.

Jackson war in einer Methodistenfamilie aufgewachsen, deren Wurzeln bis zu den Gründervätern Amerikas zurückreichten. Dadurch hatte er eine gewisse Bibelfestigkeit erlangt, weshalb er gern aus dem Buch der Bücher zitierte – und nach den Geboten Gottes lebte, soweit es sein militärischer Beruf zuließ.

Das Gebot »Du sollst nicht töten!« interpretierte er so: »Du sollst nicht töten – doch du hast ein Recht darauf, dein eigenes Leben zu schützen, und du hast die Pflicht, die Menschheit zu verteidigen!« Niemals hätte er jemanden aus niederen Gründen wie Habgier oder Eifersucht umgebracht, aber als Flottengeneral war er nun einmal für den Schutz Edens beziehungsweise in diesem Fall den Schutz der Erde verantwortlich. Diese Aufgabe zu vernachlässigen wäre indirekt einem Massenmord gleichgekommen.

Genaugenommen brauchte ihn der Schutz Terras eigentlich nicht mehr zu interessieren, schließlich war er mittlerweile der Oberbefehlshaber der Flotte von Eden. Obwohl er ein untadeliger, äußerst fähiger Offizier war, war er in der Terranischen Flotte nicht so recht vorwärtsgekommen, weil er vielen Vorgesetzten zu unbequem gewesen war. Glücklicherweise hatte Terence Wallis seine Qualitäten erkannt, ihm den Aufbau der Eden-Streitkräfte angeboten und ihn direkt zum General (mit entsprechenden Bezügen) befördert.

Mittlerweile befehligte Jackson einen auf Eden produzierten Ovoid-Ringraumer mit einer tiefschwarzen Carborithülle. Die THOMAShatte eine fünfzigköpfige Stammbesatzung.

»Die Macht des Herrn wird über uns hereinbrechen, mit aller Urgewalt, und nichts wird von uns übrigbleiben«, versuchte sich der Erste Offizier und Pilot Manuel Rayes ebenfalls in Bibelsprüchen, was beim General nur ein müdes Lächeln hervorrief.

»Lassen Sie es lieber«, riet Jackson ihm. »Bevor man die Bibel zitiert, sollte man sie wenigstens einmal gelesen haben. Und vor allem… haben Sie so wenig Zutrauen in die Fähigkeiten des Commanders?«

»Ich bin nur Realist«, rechtfertigte sich der I.O. und fügte erklärend hinzu: »Und ich kann zählen: unsere eigene Flottenstärke und die des Gegners.«

»Haben Sie Angst?« erwiderte der General. »Soll ich Sie von Ihrem Posten ablösen lassen?«

»Ja und nein«, lautete die Antwort des Ersten. »Ja – ich habe Angst, so wie wir alle. Nein, niemand muß mich von meinem Posten ablösen. Ich stehe das durch wie jedes Besatzungsmitglied hier an Bord. Wir alle haben vollstes Vertrauen in die Kampfstrategie des Commanders.«

Den letzten Satz sprach er besonders laut aus, so als wolle er sich selbst Mut zusprechen. Der Erste Offizier war sich seiner Vorbildfunktion durchaus bewußt, deshalb bemühte er sich, seine Unsicherheit zu verbergen.

*

Jakob Jensby, Generalmajor der Flotte von Eden, war ungefähr in Jacksons Alter. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr betätigte sich der kleine, dürre Mann als Berufssoldat aus Überzeugung und Leidenschaft. Nach bürgerlichen Maßstäben war der glatz- und spitzköpfige Jakob unattraktiv. Dennoch landete der überzeugte Junggeselle bei (fast) jeder Frau, die er begehrte – verklemmte Langweilerinnen mal ausgenommen; die konnten mit ihm genausowenig anfangen wie er mit ihnen.

Genau wie die THOMAS verfügte auch Jensbys Schiff über eine Carborithülle, allerdings handelte es sich bei der ROBERT um einen Ikosaederraumer – mit Intervallfeld. Dank zweier Kraftwerke an Bord war das Intervallum doppelt so stark wie ein normales; das gleiche galt auch für den Kompaktfeldschirm.

Obwohl die Ikosaederschiffe zu den sichersten gehörten, die die Menschheit je produziert hatte, waren sie nicht unbesiegbar. Ein Kompri-Nadelbeschuß aus fünf Roboterschiffen ließ selbst das doppelt verstärkte Intervallfeld zusammenbrechen, und der KFS, der sich in diesem Fall sofort aufbaute, half auch nicht viel weiter…

Selbst auf die Carborithülle war nur bis zu einem gewissen Grad Verlaß. In den Tiefen des Weltalls herrschten Kräfte, gegen die das stabilste Raumschiff nichts ausrichten konnte. Mit Schaudern dachte Jensby an den mächtigen Sonnenblitz, der plötzlich und unerwartet die Schwärze durchbrochen hatte – auf dem Weg von Proxima Centauri zum Klotz. Drei Ikosaederraumer, die dem Blitz »im Weg gestanden« hatten, waren einfach verdampft, innerhalb von Sekunden, so als ob es sie nie gegeben hätte…

Ganz gleich, wie stark etwas war, irgendwo im Universum gab es immer eine Kraft, die sich als noch stärker erwies. Das traf auf die Elemente genauso zu wie auf Mensch und Tier – und galt glücklicherweise auch für andere Spezies.

Der Monsterschirm um den Klotz hatte den Hyperraptoren auf den Plattformen nicht standgehalten, und die Karoschirme der Roboterschiffe ließen sich ebenfalls knacken, beispielsweise mit einer vollen Breitseite aus den neuen 5,5-cm-Wuchtkanonen und gleichzeitigem Beschuß mit Nadelstrahlen. Voraussetzung war jedoch, man verfügte über ausreichend Zeit und genügend Kampfraumer. Bei der letzten kurzen, aber harten Schlacht waren die Schiffe des eigenen Flottenverbands in der Überzahl gewesen. Jetzt war es umgekehrt.

Schlimmer noch: Die Roboterschiffe waren in der extremen Überzahl.

Wenn Dharks Plan fehlschlägt, finden wir in diesem trostlosen Sonnensystem unser Grab, dachte Jensby, der sich noch so viel vorgenommen hatte…

*

Auf der POINT OF hatte Ren Dhark höchstpersönlich den Pilotensitz eingenommen. Es war sein Plan, und er selbst würde das Startsignal zur Durchführung geben. Mit den Kommandanten der übrigen Schiffe hatte er ein Stichwort verabredet, das Dan Riker über Funk bekanntgeben würde. Sollten die Roboterschiffe den Funk stören, konnte man an der plötzlichen Abwärtsbewegung des Flaggschiffs erkennen, wann die Stunde Null war.

Riker war Dharks Freund und Stellvertreter. Er hatte schwarzes Haar, blaue Augen und ein vorstehendes Kinn, auf dem sich bei Erregung ein dunkler Fleck abzeichnete – was augenblicklich der Fall war, obwohl Dan äußerlich die Gelassenheit in Person zu sein schien.

Die POINT OF bewegte sich nicht, sie stand still und ruhig im All, wie hingemalt. Der gesamte Flottenverband erwartete den Feind mit aktivierten Intervallfeldern, offenbar in aller Ruhe, ohne sichtbare Anzeichen von Furcht oder gar Panik. Niemand versuchte zu fliehen, und es wurde auch nicht »zum Angriff geblasen«.

Bei den Großrechnern sorgte dieses passive Verhalten für leichte Verunsicherung. Keine Flucht, keine Anzeichen von Gegenwehr…? Ergaben sich die Menschen wehrlos in ihr Schicksal?

Die Funksprüche, die Riker nun an alle Schiffe des terranischen Flottenverbandes aussandte, lösten beim Gegner mit Sicherheit weitere Verwirrung aus, davon war Dhark überzeugt. Obwohl sich die näherkommenden Angreifer in eisiges Schweigen hüllten, hörten sie garantiert den Funk der Terraner ab.

»Ich durfte neulich einen Blick hinter die Kulissen eines Tourneetheaters werfen«, ließ Riker die Kommandanten der verbündeten Kampfraumer wissen. »Den Darstellern bei den Vorbereitungen zuzuschauen ist mitunter spannender als die Vorstellung selbst.«

Die Kommandanten verstanden und trafen die letzten Vorbereitungen für die kurz bevorstehende Offensive. Ein paar der fliegenden Großrechner wurden offenbar unruhig, denn sie eröffneten viel zu früh das Feuer auf die gegnerische Flotte. Die Ring- und Ikosaederraumer waren noch zu weit weg für einen wirkungsvollen Treffer.

»Als der Beginn der Aufführung immer mehr in Reichweite kam, verließ ich die Hinterbühne und begab mich eiligst in den Zuschauerraum«, ermahnte Dan Riker die Männer an den Waffensteuerungen. »Atemlos traf ich an meinem Sitzplatz ein. Dabei hätte ich mich gar nicht so abzuhetzen brauchen, denn ich hatte noch genügend Zeit.«

Sein verdeckter Befehl wurde klar und deutlich empfangen: Energie sparen und nicht zurückschießen! Die Strahlgeschütze erst einsetzen, wenn die Roboterschiffe in Kernschußweite sind!

Auf das erlösende Angriffssignal mußten die Piloten, deren Nerven zum Zerreißen gespannt waren, noch etwas warten. Ren Dhark wollte erst dann mit aller Macht zuschlagen, wenn es der Roboterflotte unmöglich war, in geordneter Formation wieder umzukehren.

»Alles klar, Artus?« fragte er sein vielleicht leistungsfähigstes Besatzungsmitglied.

»Alles klar«, erwiderte der Roboter. »Der Checkmaster und ich stehen Gewehr bei Fuß.«

Auf den ersten Blick sah Artus aus wie ein ganz normaler humanoider Großserienroboter aus Stahl, mit im Vergleich zum Torso dünnen, röhrenförmigen Armen und Beinen. Was man ihm nicht gleich anmerkte: Durch die Vernetzung von 24 Cyborg-Programmgehirnen war er zu einer echten Künstlichen Intelligenz geworden.

Er selbst bezeichnete das als »Erweckung des Lebens«. Inwieweit ein anmeßbarer Baufehler eines der Programmgehirne hierbei eine Rolle spielte, hätte man nur durch eine komplette Demontage klären können. Aber das hätte Artus, zu dessen zahllosen Fähigkeiten auch kämpferische gehörten, niemals zugelassen. Laufend nahm er Verbesserungen an sich vor, und seine eingebauten, ständig wechselnden Zusatzgeräte waren stets für eine Überraschung gut.

Der Checkmaster, der wohl außergewöhnlichste Bordrechner des ganzen Universums, wußte auch ohne Artus, was er gleich zu tun hatte. Die Befehle, die der Commander ihm vorab erteilt hatte, waren unmißverständlich. Der Roboter würde nur eingreifen, wenn der Checkmaster Unterstützung benötigte – vorausgesetzt, der Rechner war damit einverstanden; manchmal erwies er sich nämlich als etwas eigen. Falls er es für nötig hielt, übernahm er auch schon mal das ganze Schiff und widersetzte sich hartnäckig jeder Anweisung. Zwar war Artus fast immer in der Lage, fremden Rechnern seinen Willen aufzuzwingen – aber beim Checkmaster mußte er passen.

Noch eine dritte aus dem Rahmen fallende Maschine hielt sich in der Kommandozentrale der POINT OF auf: Jimmy, der mit einem Suprasensor ausgestattete Roboterhund. Sein Strahler in der Zunge und die Kugellager in den Pfoten waren nur zwei von vielen »Spielereien«, mit denen sein Schöpfer Chris Shanton ihn versehen hatte. Jimmy war sprechfähig und bis zu einem gewissen Grad fähig zur Selbstprogrammierung. Der Spitzname Brikett auf Beinen war auf sein pechschwarzes Fell zurückzuführen: Jimmy war einem Scotchterrier nachgebildet. Diverse Subprogramme ließen den vierbeinigen Roboter nahezu selbständig agieren.

Sehr zum Leidwesen seines Erbauers, der sich bei diesem Problem schon so manches Mal seine wenigen Haare ausgerauft hatte. Der korpulente vollbärtige Ingenieur, ein wissenschaftliches und technisches Genie sondergleichen, war ebenfalls in der Zentrale anwesend, zusammen mit dem maulfaulen, etwas ruppigen Fremdtechnikexperten Arc Doorn, der in Wahrheit ein Worgunmutant war, wie inzwischen jeder an Bord wußte. Beide Männer waren enge Freunde und hatten hauptverantwortlich an der Ausstattung der Hyperraptor-Plattformen mitgewirkt.

»Du schwitzt«, stellte Doorn lakonisch fest, mit einem Seitenblick auf Shanton. »Ist das Angst?«

Nur er durfte sich eine derartige Bemerkung erlauben, ohne befürchten zu müssen, daß ihm eine Sekunde später der Kopf zwischen den Ohren wegflog.

»Nur der Durst«, erwiderte der Cognacliebhaber Shanton. »Seit Beginn unseres Projekts habe ich keinen Schluck mehr getrunken. Abgesehen von Mineralwasser und Tee, aber das sind ja keine richtigen Getränke.«

Jimmy wollte etwas sagen, aber als Chris ihm seinen berüchtigten »Soll-ich-dich-zertreten-du-Laus?«-Blick zuwarf, zog der Hund es vor, zu schweigen.

Ren Dhark gab Dan Riker ein Handzeichen.

»Vorhang auf!« verkündete sein Stellvertreter über Funk.

Es war das Stichwort zum Handeln. Jetzt oder nie!

*

Bevor auch nur eine einzige der riesigen Plattformen auf dem kleinen Flughafen von Star City hatte landen können, hatte man das Landefeld ganz und gar freiräumen müssen. Auf Cent Field waren gleich vier solcher Scheiben hinabgeschwebt und hatten für reichlich Aufsehen gesorgt, insbesondere bei den Journalisten. Hier im endlosen Weltall wirkten sie winzig und verloren. Einem Vergleich mit der kraftstrotzenden Roboterflotte hielten sie trotz ihres imposanten Durchmessers nicht stand. Und doch basierte Dharks Plan fast ausschließlich auf ihnen…

Vorhang auf!

»Schrottbots« nannte Artus die seelenlosen, stupiden Arbeitsroboter, die unermüdlich damit beschäftigt waren, die Befehle der Großrechner zu befolgen und deren Schiffskörper in gutem Zustand zu halten. Für die bizarren Schiffe selbst hatte er keinen Spottnamen ersonnen – im Gegensatz zu den Menschen. »Schrotteufel« war noch die netteste Bezeichnung, die Artus an Bord der POINT OF gehört hatte.

Dreitausendzweihundert Schrotteufel bewegten sich auf vierhundertfünfzig terranische Kampfschiffe zu, ein gewaltiger, schwerbewaffneter Troß, um den man besser einen Bogen machte, eine monumentale Weltraumwalze, der man sich lieber nicht in den Weg stellte…

Offensichtlich sahen das die Terraner genauso. Sie traten die Flucht an und machten der riesigen Armada ihrer Feinde bereitwillig Platz – allen voran Ren Dhark, Flottenkommandant auf Zeit. Sein Flaggschiff tauchte blitzartig nach unten ab.

Die übrigen Verbandsschiffe entfernten sich ebenfalls schnellstmöglich von ihren Standorten. Nach allen Seiten hin flogen sie auseinander – mit hoher Geschwindigkeit zwar, aber nicht hektisch, nicht verstreut, sondern geordnet. Sie öffneten sozusagen den Vorhang und machten den Roboterschiffen die Bahn frei.

Tausende von in bizarren Schiffskörpern eingebettete Großrechner rasten auf die nunmehr unbewachten, ungeschützten Raptorplattformen zu und eröffneten das Strahlenfeuer. Über Schutzschirme verfügten die runden Plattformen nicht, man hatte also leichtes Spiel…

Die Menschen hatten das Feld geräumt – es war jetzt frei für das Volk. Ungehindert konnte es die Scheiben unter Beschuß nehmen. Aber das Weltall war keine Einbahnstraße.

Die Menschen hatten das Feld geräumt – es war jetzt frei für die Hyperraptoren. Ungehindert konnten sie das Volk unter Beschuß nehmen.

Mit einem konzentrierten Schlag brachten die mit geballter Sonnenenergie aufgeladenen Gigantmaschinen mehrere hundert Karoschirme zum Zusammensturz. Zwar wehte im Weltall nicht das geringste laue Lüftchen, dennoch hatte sich der Wind gedreht. Eben noch hatten die Roboterschiffe die Plattformen angegriffen, jetzt griffen die Plattformen die Roboterschiffe an.

Und nicht nur sie gingen zum Angriff über. Die Schiffe des Flottenverbandes zogen sich wieder zusammen und rückten dichter an die Schrotteufel heran, selbstverständlich in respektvollem Abstand zu den Hyperraptoren. Zahllose Volltreffer vernichteten ein ungeschütztes Großrechnerschiff nach dem anderen. Ohne ihre Karoschirme waren sie nur zerbrechliche Maschinen im All, denen ein oder zwei Volltreffer aus Nadelstrahlantennen oder Wuchtgeschützen den Todesstoß versetzten.

Die Schrotteufel hatten mit einem derart massiven Gegenschlag nicht gerechnet, und sie hatten schon gar keinen Fluchtplan entwickelt. Panisch stoben sie auseinander, derart wild und ungeordnet, daß sie teilweise höllisch achtgeben mußten, nicht zu kollidieren.

Als sie endlich außer Reichweite der Hyperraptoren waren, hatte »der verhaßte Biomüll« rund einhundert von ihnen vernichtet oder kampfunfähig geschossen. Das schrie nach Rache – und nach einer neuen Kampfstrategie. Ein vorläufiger Rückzug auf den Klotz wurde in Erwägung gezogen…

Edens Ringraumer konzentrierten sich weiträumig um die Plattformen. Die Ikosaeder versperrten den Schrotteufeln den Weg zum Klotz. Und ein Teil der TF-Schiffe machte Jagd auf einzelne angeschossene Roboterschiffe, um deren Existenz gänzlich auszulöschen. Dhark hatte verhältnismäßig wenig Schiffe zur Verfügung, aber dank seiner geschickten Koordination konnte man meinen, es seien mindestens doppelt so viele.

Viel Zeit zum Überlegen blieb den Großrechnern nicht. Um ihre beschädigten Kampfgefährten zu retten, bauten sie ihre Karoschirme auf und griffen erneut an. Sobald sie jedoch in Reichweite der Plattformen kamen, büßten sie ihre Schirme gleich wieder ein und wurden umgehend von den Raumern des Gegners unter Feuer genommen. Ihnen blieb aufs neue nur die Flucht.

Zum Entsetzen der Schrotteufel setzten sich die Raptorplattformen diesmal in Bewegung und nahmen die Verfolgung auf. Artus und der Checkmaster steuerten die riesigen Scheiben derart geschickt durchs All, daß sie die ganze Zeit über im Schutz terranischer Schiffe lagen und trotzdem freies Schußfeld hatten. Die Großrechner konnten sich ihre Fluchtrichtung nicht aussuchen, ihre Verfolger trieben sie regelrecht vor sich her.

Insgesamt 150 Totalverluste und 50 beschädigt im All treibende Roboterschiffe waren das Ergebnis der kurzen Treibjagd. Die Plattformen kehrten an ihren Ausgangsort zurück. Die Schiffe des Flottenverbandes nahmen neue Positionen ein.

Den Schrotteufeln war es weder möglich, den Klotz anzufliegen noch ihre »Verwundeten« zu bergen – und an die Raptorscheiben kamen sie schon gar nicht heran.

»Geben wir den beschädigten Robotern den Rest?« erkundigte sich Dan Riker beim Commander. »Wenn wir zulassen, daß sie repariert werden, haben wir sie schon bald wieder auf dem Hals.«

Ren Dhark zögerte. Einerseits handelte es sich nur um Kampfmaschinen, andererseits verfügten sie über eine Art Bewußtsein, vergleichbar mit Artus’ Ich.

Dhark haßte es, derart in der Zwickmühle zu stecken. Der Kampfstratege in ihm stimmte Riker voll und ganz zu – aber der Mensch in ihm hatte ein Gewissen. Würde er dem Checkmaster das Kommando übergeben, wäre von den angeschossenen Roboterschiffen bald keines mehr übrig. Doch diesmal nahm ihm der meist so konsequent vorgehende Bordrechner nicht die Entscheidung ab.

*

Die Roboterschiffe gruppierten sich außerhalb der Reichweite ihrer Feinde. Aus sicherer Entfernung nahm eines davon Funkkontakt mit dem Flaggschiff der Terraner auf.

»Hier spricht Goniometrische Gleichung«, lautete die Übersetzung des Checkmasters. »Ich wende mich an den Kommandanten der feindlichen Flotte. Wir verlangen, unsere Verletzten bergen zu dürfen.«

Verlangen? dachte Dhark. Das Wort ›bitte‹ kennt dieses arrogante Pack offensichtlich nicht.

»Das kann ich Ihnen unmöglich gestatten«, beantwortete er den Funkspruch. »Ihr Volk würde die defekten Schiffe instand setzen und dann sofort wieder auf uns loslassen.«

»Wir verlassen das System und nehmen die Verwundeten mit«, versicherte ihm sein Gesprächspartner, der in der Bildkugel nicht zu sehen war. »Was ist? Nehmen Sie mein Angebot an?« Dhark konnte Goniometrische Gleichung nur hören; im Inneren der Bildkugel blieb es schwarz. Für die Ortungsstation gestaltete es sich äußerst schwierig, den genauen Standort des Roboterschiffes ausfindig zu machen. Es funkte aus einem Pulk heraus, der eine Art Störsignal ausstrahlte, das die Ortung von einzelnen Schiffen behinderte. Offensichtlich wollte Goniometrische Gleichung nicht identifiziert werden. Der mailändische Ortungsoffizier Tino Grappa blieb trotzdem hartnäckig am Ball…

»Warten Sie einen Augenblick«, sagte Dhark zu Goniometrische Gleichung. »Ich muß mich mit jemandem beraten.«

»Du brauchst den Rat anderer?« erwiderte GG herablassend. »Demnach bist du nicht der Kommandant der Flotte?«

Da war sie wieder, diese Arroganz, die Ren Dhark an den Großrechnern nicht ausstehen konnte. Er antwortete nichts darauf und unterbrach kurz die Verbindung.

»Kann man ihnen trauen?« fragte er Artus direkt heraus.

»Kann man ihm trauen?« warf Dan Riker ein, bezogen auf Artus, den einige an Bord noch immer für einen Verräter hielten – schließlich war auch er kein biologisches Wesen, sondern ein intelligenter Rechner.

»Ich traue ihm«, antwortete der Commander – und damit war alles gesagt, denn sein Wort war hier an Bord Gesetz. Er wiederholte seine Frage an Artus. »Kann man Goniometrische Gleichung über den Weg trauen?«

»Ich habe ihn nie kennengelernt«, sagte der Roboter. »Dennoch kann ich mir ein recht gutes Bild von ihm machen. Jeder Großrechner legt Wert auf ein gewisses Maß an Individualität, aber in erster Linie ist das Volk eine verschworene Einheit, die sich mit einfacher Logik problemlos analysieren läßt.«

»Komm zur Sache«, forderte Dhark ihn entnervt auf. »Wir haben nicht ewig Zeit.«

Artus erging sich oftmals in langen Vorreden, bevor er endlich auf den Punkt kam. Dabei war er durchaus fähig, schnell und präzise Schlußfolgerungen zu ziehen und knappe Berichte abzuliefern – wenn er wollte, doch meistens wollte er nicht.

»Das Volk bietet seinen Gegnern normalerweise keine Verhandlungen an – es stellt Forderungen«, fuhr Artus fort. »Und der ›Biomüll‹ wird schon gar nicht um irgend etwas gebeten; man erteilt ihm Anweisungen und läßt ihn vielleicht weiterleben, falls alles zur vollsten Zufriedenheit der Großrechner erledigt wurde. Es gibt keinen triftigen Grund, warum Goniometrische Gleichung uns anlügen sollte.«

»Keinen triftigen Grund?« mischte sich Riker erneut ein. »Das Ding will seine Volksgenossen retten, auf Teufel komm raus! Dafür ist ihm jede List recht.«

»Der Begriff ›List‹ existiert im Sprachschatz des Robotervolkes nicht«, widersprach ihm Artus. »Man muß nur dann jemanden überlisten, wenn dieser Jemand eine wirkliche Bedrohung darstellt. Das Volk empfindet niemanden als Bedrohung, einfach deswegen, weil es sich allen anderen Lebewesen überlegen fühlt, insbesondere den biologischen Kreaturen.«

»Du sprichst aus Erfahrung, wie?« konnte sich Riker eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.

In der Tat traf er damit einen wunden Punkt des lebenden Roboters. Artus hatte schon kurz nach seiner Geburt erkannt, daß er den Menschen körperlich und geistig hoch überlegen war – und das hatte er sein Umfeld spüren lassen. Damals war er allerdings noch ein »Baby« gewesen. Mittlerweile betrachtete er sich als erwachsen, obwohl er noch nicht einmal fünf Jahre alt war.

»Das Friedensangebot von Goniometrische Gleichung ist ernst gemeint«, war sich Artus sicher. »Auch wenn ich es nicht so richtig nachvollziehen kann. Eben noch schickt das Volk 3200 Schiffe aus, um uns aus diesem System zu vertreiben – und plötzlich stellt man uns einen kompletten Rückzug in Aussicht. Fünfzig beschädigte Roboterschiffe sind nur ein recht dünnes Motiv.«

»Unsere Hyperraptoren haben ihnen ordentlich Respekt eingeflößt«, meinte Arc Doorn. »Sie fürchten sich davor.«

»Aufgrund des hohen Alters, das sie bei guter Pflege erreichen können, ist ihre Angstschwelle ziemlich niedrig«, bestätigte Artus. »Aber sie haben gelernt, damit umzugehen. Manchmal suchen sie sogar freiwillig den Tod. Ehe sie sich von ›Biomüll‹ gefangennehmen lassen, betätigen sie lieber ihre Selbstvernichtungslage, wobei es ihnen ein letztes großes Vergnügen bereitet, so viele Feinde wie möglich mit in die Luft zu sprengen. Nein, sie fliehen ganz bestimmt nicht aus Angst. Laß mich mit Goniometrische Gleichung verhandeln, Dhark. Nur so kann ich herausfinden, was bei den Robotern den plötzlichen Sinneswandel hervorgerufen hat.«

Ren Dhark war einverstanden. Er stellte die Funkverbindung wieder her.

*

Bevor Artus die Verhandlung mit den Roboterschiffen aufnehmen konnte, mußte er erst einmal etliche wüste Verwünschungen über sich ergehen lassen.

Goniometrische Gleichung deckte ihn mit diversen »unirdischen« Schimpfwörtern ein, die sich nur so in etwa in die menschliche Sprache umwandeln ließen. Am meisten verwendete er Begriffe, die pauschal am besten mit »elender Verräter« übersetzt wurden.

Einige Brückenoffiziere registrierten die Beschimpfungen mit heimlicher Genugtuung. Sie nahmen es Artus noch immer übel, daß er bei seinem »Judas-Komplott« niemanden an Bord ins Vertrauen gezogen hatte.

Schließlich gelang es Artus doch noch, eine sachliche Frage anzubringen. »Warum wollt ihr Proxima Centauri räumen? Fürchtet ihr euch so sehr vor uns?«

So viel Unverschämtheit brachte GG auf die Palme. »Welche Vermessenheit, Verräter, elendiger! Zugegeben, wir haben die Menschen unterschätzt. Wie wir in Erfahrung bringen konnten, haben auch schon andere Spezies diesen Fehler gemacht. Aber was gehen uns Auseinandersetzungen unter euch Biomüllwesen an? Ihr Terraner seid weder die Krone der Schöpfung noch unbesiegbar. Wenn wir wollten, würden wir euch zerquetschen wie die kotfressenden Neifelg. Wäre unsere Anwesenheit hier weiter nötig, würden wir Mittel und Wege finden, eure schirmzerstörenden Waffen zu vernichten. Zum Glück wird das Volk in diesem System nicht mehr gebraucht. Wir sind nicht länger gezwungen, uns in eurer Nähe aufzuhalten. Betrachtet unsere Nachbarschaftsphase als beendet.«

»Ihr bleibt nicht zum Schutz eures Stationsplaneten?« fragte Artus.

»Unseren Standort hier geben wir auf«, erhielt er zur Antwort. »Der Planet hat seinen Zweck erfüllt, ihr könnt ihn übernehmen – ebenso wie die Sonnenstation, die wir darauf errichtet haben. Wir müssen sie nicht mehr länger vor euch schützen.«

»Verstehe«, meinte Artus. »Ihr wißt, daß wir wegen der vorherrschenden Hyperstrahlung nicht auf eurem Planeten landen können, zumindest vorerst nicht.«

»Du verstehst gar nichts, Biomüll-Sklave«, erwiderte Goniometrische Gleichung grantig. »Selbst wenn die Strahlung abklingen würde, könntet ihr nichts mehr ausrichten. Erobert die Station oder vernichtet sie vollständig – den von uns initiierten Prozeß könnt ihr nicht mehr aufhalten. Die Sonne in diesem System, das ihr Proxima Centauri nennt, wird unablässig mehr und mehr Masse von eurer Sonne abziehen. Der Prozeß hat sich verselbständigt und läßt sich nicht mehr aufhalten, das haben unsere neusten Messungen zweifelsfrei ergeben. Nicht einmal wir könnten den Vernichtungsprozeß abbrechen. Das wollen wir natürlich auch gar nicht.«

GG gab Laute von sich, die vermutlich mit einem gehässigen Lachen gleichzusetzen waren; für die Menschen hörte sich dieser spontane »Gefühlsausbruch« allerdings mehr nach einem verschnupften Walroß an.

Ren Dhark mischte sich in die Verhandlung ein. »Wieso geht ihr derart aggressiv gegen uns vor? Was haben wir Menschen euch getan?«

Die Antwort des Großrechners war von schonungsloser Offenheit: »Biomüll wie ihr gehört auf den Komposthaufen der Geschichte. Ihr stellt eine Bedrohung für die gesamte Galaxis dar, vor allem für höhere Wesen wie uns, weil ihr euch nicht anpassen wollt.«

»Du meinst wohl: weil wir euch nicht dienen wollen«, entgegnete Dhark.

Goniometrische Gleichung wollte nicht länger diskutieren. Mit Nachdruck verlangte er die Bergung der beschädigten Schiffe, andernfalls würde das Volk dieses System nicht verlassen und den Kampf gegen die Flottenschiffe erneut aufnehmen.

Ren Dhark war ein Kämpfer, ein ständig siegreicher obendrein – aber einer, der den Kampf nie gewollt hatte. Wann immer es ihm möglich war, vermied er Gewalt.

»Geht mit Gott!« knurrte er. »Aber geht!«

»Wußte ich’s doch, daß ihr nachgeben würdet«, entgegnete Goniometrische Gleichung spöttisch, in einem Tonfall, als hätte er gesagt: »Wußte ich’s doch, daß ihr feige seid!«

Allein für diese provozierende Bemerkung hätte Dhark nur zu gern den Angriffsbefehl gegeben. Aber blindem Zorn nicht nachzugeben, das war es, was einen wirklich guten Kommandanten auszeichnete. Jeder Kampf brachte Verluste in den eigenen Reihen mit sich – und nicht nur an Sachwerten. Menschen starben, hinterließen Angehörige und sehr viel Leid. Dies alles wollte Dhark nicht auf seine Kappe nehmen, jedenfalls nicht, wenn es nicht unbedingt nötig war. Lieber schluckte er mal eine Kröte runter, selbst wenn er daran schwer würgen mußte.

2.

Ren Dhark war der Kommandant des Terra-Eden-Flottenverbands, und er tat das, was er für richtig hielt. Goniometrische Gleichung hatte ihn verspottet, weil er andere Besatzungsmitglieder der POINT OFum Rat fragte; über den Spott konnte Dhark sich ärgern oder ihn schlichtweg ignorieren. Ein wirklicher Anführer ließ sich weder provozieren noch verunsichern und somit zu Entscheidungen verleiten, die er später bereute.

Die Roboterschiffe durften ihre Verletzten/Beschädigten bergen. Diese Entscheidung hatte Ren Dhark nach einer weiteren Rücksprache mit Artus gefällt. Artus kannte die fremden Roboter besser als jeder andere an Bord – und er glaubte ihrer Zusicherung, das System zu räumen, wenn man ihnen erlaubte, ihre Kampfgefährten mitzunehmen.

»Im Prinzip sind sie Feiglinge, die den Tod fürchten«, hatte Artus argumentiert. »Aber sie werden kämpfen bis zum letzten, wenn wir über ihre Verwundeten herfallen und deren Existenz auslöschen – ein sinnloser Kampf, der auf beiden Seiten zu nichts führt. Lassen wir ihnen ihren Willen, dann verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen und kehren mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mehr in diesen Teil der Galaxis zurück.«

Goniometrische Gleichungs Argumentation war auch Ren Dhark schlüssig erschienen – also hatte er sich mit der Bergung der beschädigten Roboterschiffe einverstanden erklärt, allen Rachegelüsten und sonstigen menschlichen Emotionen, die er empfand, zum Trotz. Ihm war nur zu gut bewußt, daß nicht jeder seiner Offiziere mit dieser Entscheidung einverstanden war, aber auch das mußte ihm als Kommandant egal sein.

Die Bedingungen für den Abzug bestimmte Ren Dhark. Die Großrechner durften jeweils fünf Schiffe zu einem Beschädigten schicken und ihn in Schlepptau nehmen. Seine Flottenraumer gruppierte er so, daß sie notfalls freies Schußfeld auf die Roboterschiffe hatten. Die ungeschützten Raptorplattformen wurden von Ikosaederraumern und Ringraumern abgeschirmt, konnten aber jederzeit nach der »Vorhang-auf«-Methode eingesetzt werden.

Die Bergungsaktion verlief präzise und schnell. Es gab keine weitere Kommunikation mehr unter den Kontrahenten.

Nach Beendigung der Aktion verschwand die gesamte Roboterflotte ohne Abschiedsgruß. Nicht einmal mehr ein haßerfülltes »Wir sehen uns wieder!« war der »Biomüll« den »höheren Wesen« wert.

*

Was nun? Diese kurze, aber bedeutsame Frage stand auf allen Schiffen des Flottenverbandes im Raum. Die Kommandanten suchten ebenso nach einer Lösung des Problems wie niederrangige Offiziere und Mannschaftsangehörige. Jede Idee war willkommen, aus welcher Ecke sie auch kam…

Insgeheim hofften allerdings alle auf einen rettenden Einfall des Commanders. Man war es gewohnt, daß er in Krisensituationen zur Hochleistungsform auflief.

Das war Ren Dharks größte Stärke – und zugleich seine größte Schwäche, beziehungsweise die größte Schwäche seiner Truppe. Weil sich seine Mitstreiter stets felsenfest auf ihn und seine rettenden Ideen verlassen konnten, liefen die Gehirne der Offiziere an seiner Seite manchmal (unbewußt) auf Sparflamme. Geriet die POINT OF in eine scheinbar aussichtslose Lage, richteten sich alle Blicke in der Zentrale zuallererst auf den Commander. Und falls auch er keinen Ausweg mehr wußte, gab es ja noch den Checkmaster…

Es gab Zeiten, da war Dhark unter der Last der Verantwortung fast zusammengebrochen. Das Leben eines Anführers war nicht leicht, davon wußte jeder Eingeborenenhäuptling ein Lied zu singen.

Die Roboterschiffe hatten von neuesten Messungen gesprochen und davon, daß sich die Manipulation der Sonnen Sol und Proxima Centauri angeblich nicht mehr aufhalten ließ. War das die Wahrheit oder nur eine dreiste Lüge? Auch auf den Schiffen des Flottenverbandes nahm man diverse Messungen vor. Man ortete eine hochtechnisierte, mehrere Quadratkilometer große Anlage, die von dem Sonnenblitz verschont geblieben war. Leider – denn von dort aus wurden sehr wahrscheinlich die Sonnen manipuliert. Starke Hyperfelder »griffen« vom Klotz her nach Proxima Centauri.

»Wir müssen ein Erkundungsteam hinunterschicken«, entschied Ren Dhark. »Shanton und Doorn wären dafür am besten geeignet, weil sie sich schon ein bißchen auf dem Klotz auskennen. Auch die Schwarze Garde, die auf der ROBERT ungeduldig auf ihren Bodeneinsatz wartet, könnten wir da unten gut gebrauchen. Aber aufgrund der extremen Hyperstrahlung können wir nur Roboter auf dem Planeten aussetzen.«

»Heißt das, ich soll gehen?« erkundigte sich Artus.

»Ich will auch mit!« meldete sich Jimmy. »Ich kenne mich ebenfalls auf dem Klotz aus.«

»Das kommt nicht in die Tüte«, erwiderte Chris Shanton. »Wer weiß, welche Gefahren dort lauern. Ich will nicht, daß dir was zustößt.«

»Da schau her, der Dicke macht sich Sorgen um mich«, entgegnete der Roboterhund.

»Zu Recht«, meinte Dhark. »Artus und du, ihr seid für uns unverzichtbar. Wir verfrachten zwei Maschinen, einen Billigroboter und einen Kegelroboter, in einen Flash und schicken sie auf Erkundung. Welches Schiff befindet sich dem Klotz am nächsten?«

»Die THOMAS«, antwortete ihm der Ortungsoffizier.

»Das trifft sich gut«, sagte der Commander. »Wallis hat erwähnt, daß General Jackson nicht nur Kampfroboter, sondern auch ein paar Aufklärungsroboter mit an Bord genommen hat – Kegelroboter, die während der Untersuchung einen ununterbrochenen Datenstrom ans Mutterschiff aussenden. Ich werde den General bitten, seine Funkanlage so zu schalten, daß die Daten auf jedem Schiff empfangen werden können.«

*

Oberst Kenneth MacCormack, Hauptmann Akira Musaschi, Leutnant Kurt Buck, Hauptfeldwebel Jannis Kaunas, Oberfähnrich Julian Burns, Korporal Wladimir Jaschin, Gefreiter Piet Lessing, Schütze Yo Ho – die Namensliste der Gardisten an Bord der ROBERT war lang. Jakob Jensby hatte vierhundert von ihnen mit seinem Schiff bis hierher befördert, und nun wollten sie endlich das tun, was sie am besten konnten: kämpfen und forschen.

Die Schwarze Garde war eine Eliteeinheit, bestehend aus den kampftüchtigsten und intelligentesten Soldaten der Terranischen Flotte. Nur wer promoviert hatte, konnte in dieser Truppe Offizier werden. In erster Linie wurde die Garde als schnelle Eingreiftruppe auf fremden Planeten eingesetzt. Zur Bewahrung des Friedens war es manchmal nötig, überraschend zuzuschlagen, wenn dadurch Angriffe auf die Erde und deren Kolonialplaneten bereits im Vorfeld verhindert werden konnten. Die Gardisten setzten ihr zum Teil noch recht junges Leben ein, um blutige Schlachten zu verhindern und das Leben anderer zu retten.

Kurt Buck und seine Kameraden warteten ungeduldig auf ihren Einsatzbefehl. Natürlich waren sie sich bewußt, daß sie auf dem Klotz der sichere Tod erwartete ohne den nötigen Schutz vor den Hyperstrahlen, aber MacCormack hatte bereits einen Plan. Einen? Nein, ein guter Anführer hielt stets einen Plan B parat, falls der erste nicht funktionierte – oder abgelehnt wurde.

»Vergessen Sie es, das lasse ich niemals zu«, äußerte sich Ren Dhark über Funk zu MacCormacks Vorhaben, einen Gardisten loszuschicken, der einen Mannabschirmer über einem Worgun-Raumanzug (W-Anzug alias M-Anzug) trug. »Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Oberst, bin ich nicht der Ansicht, daß ein solcher ›Zwiebellook‹ den Träger für ein paar Stunden vor der extremen Hyperstrahlung schützt. Der Mann wird keine Minute auf dem Klotz überleben. Haben Sie überhaupt einen Freiwilligen für diese wahnwitzige Aktion gefunden?«

»Sogar 400 Freiwillige«, antwortete MacCormack nicht ohne Stolz. »Jeder Gardist hat sich für die gefährliche Aktion gemeldet, ohne Ausnahme. Was dachten Sie denn? Ich befehlige die Schwarze Garde und keine Bonbontruppe.«

Der vierundvierzigjährige hochgewachsene rothaarige Ire war mit Leib und Seele Soldat. Obwohl er verheiratet war und einen Sohn hatte, scheute er keine Gefahr. Er war sogar bereit, sich selbst den Doppelanzug anzulegen und auf dem Klotz zu landen – schon aus Forscherdrang, den er als studierter Historiker immer verspürte.

Beim Mannabschirmer handelte es sich um einen Garde-Panzeranzug (Multifunktionsanzug, kurz MFA), der mit einer zusätzlichen Tarnvorrichtung ausgestattet war. Der Einsatz dieser Spezialkleidung verlief stets »tödlich« – nicht für den Träger, dem nichts zustoßen konnte, wenn er den Mannabschirmer innerhalb von neunundsiebzig Stunden ablegte, sondern für das ungewöhnliche Kleidungsstück selbst, das nach der Verwendung fachgerecht entsorgt werden mußte. Weil nämlich der 5-D-Tarneffekt durch ein Hyperfeld erzeugt wurde, das den Panzeranzug langsam, aber sicher durchdrang und letztlich völlig verseuchte. Der Kostenpunkt einer jeden Mannabschirmer-Aktion betrug eine Millionen Dollar für den Panzeranzug plus zehn Million Dollar für die eingebaute Tarnvorrichtung – weniger höflich ausgedrückt: Elf Millionen Dollar wanderten hinterher auf den Schrott.

Das Hyperfeld hatte allerdings nicht nur Nachteile. Es dämmte Verstrahlung von außen wie eine Mauer ab – so wie eine Feuerwand ein heranrasendes Lauffeuer für einen gewissen Zeitraum stoppte.

»Den Tarneffekt benötigen wir auf dem Klotz selbstverständlich nicht, der läßt sich problemlos deaktivieren«, argumentierte MacCormack im Gespräch mit dem Commander. »Wichtig ist das Hyperfeld. Es schützt den Träger zusätzlich zum Panzeranzug und zum Worgun-Anzug.«

Dhark blieb dennoch hart. »Das Risiko ist zu hoch, ganz gleich, wie viele Lebensmüde sich dafür freiwillig melden.«

»Ich ahnte bereits, daß Sie so denken würden, deshalb habe ich noch einen zweiten Plan entwickelt«, erwiderte der Oberst. »In der Bordwerkstatt der ROBERT konstruiert eine Gruppe meiner Männer gerade einen Spezialanzug, der aus zwei Worgun-Anzügen und zwei Mannabschirmern zusammengesetzt ist…«

»Nein!« Dhark ließ MacCormack erst gar nicht ausreden. »Selbst wenn sie noch mal zwei Anzüge drauflegen…« Er stockte. »Sagen Sie mal, wer soll das schwere Ding überhaupt tragen? Mir ist zwar bekannt, daß einige der Gardisten ziemliche Muskelpakete sind, doch bereits ein einziger Panzeranzug schränkt die Bewegungsfreiheit erheblich ein.«

»Deshalb wird der Spezialanzug auch nicht für einen Menschen, sondern für einen Kegelroboter angefertigt – sozusagen maßgeschneidert«, erklärte ihm der Ire. »Es muß ja nicht unbedingt ein teurer Aufklärungsroboter sein, wie der, den General Jackson gerade losgeschickt hat. Es genügt, wenn er über die nötigsten Funktionen verfügt – sowie über einen intakten Aufnahmespeicher. Senden könnte er eh nicht, da der Vierschrötige – so haben wir den Spezialanzug getauft – völlig funkdicht ist.«

Wie aufs Stichwort kamen die ersten Meldungen vom Klotz. Der Aufklärungsroboter lieferte eine Beschreibung des teilweise zerstörten Planeten, der laut Doorn und Shanton schon vor dem mächtigen Blitzeinschlag wie eine Schrotthalde ausgesehen hatte. »Bizarre Gebäude wachsen aus allen möglichen kuriosen Metallteilen heraus«, hatte Shanton es plastisch beschrieben, »so als ob man während des Bauens alles Überflüssige achtlos beiseitegeworfen und dann vergessen hätte, es wegzuräumen. Mit Sicherheit handelt es sich um keinen Wohnplaneten, sonst hätte man sich mit der Sauberhaltung wohl mehr Mühe gegeben – oder die Großrechnerschiffe fühlen sich in diesem Chaos sauwohl.«

Auf den terranischen Raumschiffen verfolgte man die Datenübertragung des Aufklärungsroboters voller Interesse. Absolut emotionslos meldete die kegelförmige Maschine, daß der immense Hyperstrahlungspegel soeben seinen »Beifahrer« komplett außer Gefecht gesetzt hatte. Auch der Kegel selbst konnte bereits einige Ausfälle verzeichnen…

Als der Datenstrom von einer Sekunde zur anderen abbrach, wußten alle, daß es ihn ebenfalls erwischt hatte.

»Wir fürchten uns nicht, wenn auch die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken!« kommentierte General Jackson grantig den Totalausfall des Kegelroboters und gab Befehl, den Flash per Fernsteuerung zurückzuholen.

Daraus wurde nichts, denn auch der Bordrechner des Beiboots fiel der Strahlung zum Opfer. Das Intervallfeld schaltete sich wie von Geisterhand ab. Jackson bat Ren Dhark, den Checkmaster einzusetzen, vielleicht konnte der den führerlosen Flash noch einfangen…

In diesem Augenblick raste der Flash auf den Boden des Klotzes zu, schlug dort krachend auf und explodierte.

»Soweit zu Plan A«, sagte Dhark zu Oberst MacCormack. »Von Plan B verspreche ich mir mehr.« Er seufzte. »Was haben wir schon zu verlieren – außer Maschinen und Anzügen im Wert von zig Millionen Dollar?«

*

Stunden später steckte ein Kegelroboter der ROBERT im »Vierschrötigen«. Die Gardisten hatten perfekte und schnelle Arbeit geleistet. Trotz ihrer physischen und psychischen Erschöpfung amüsierten sie sich prächtig über die schwebende Maschine in ihrer »mordsmäßigen Kampfrüstung« (O-Ton Kaunas). MacCormack ließ sie gewähren, quasi als Belohnung für ihre Leistung. Selbst begabte »Kinder« mußten ab und zu mal spielen. »Wir sollten ihm noch einen Namen geben, passend zu seinem Outfit«, meinte Jaschin. »Wie wäre es mit Igor?«

»Wieso Igor?« fragte ihn ein Gardist verwundert.

»Weil mein Urgroßvater so hieß«, antwortete Wladimir Jaschin. »Ich kannte ihn nicht persönlich, aber auf dem einzigen Foto, das ich von ihm habe, steht er mitten im tiefsten Winter vor seiner Blockhütte in der Taiga, eingehüllt in zwei Mäntel, an den Füßen Fellstiefel und dicke Socken, und auf dem Kopf eine riesige Pudelmütze, die er sich weit über die Stirn gezogen hatte.«

Der seit der Giant-Invasion verwaiste, 1,94 Meter große Ukrainer Jaschin führte sozusagen sein zweites Leben. Nach einem brandgefährlichen Einsatz in Algier hatte man seinen Körper fast vollständig regenerieren müssen – dieser Prozeß war erst im Mai 2058 abgeschlossen worden.

Im Gegensatz zum Mutterschiff waren die Flash der ROBERT aus Unitall, wie jeder andere Flash auch. Da dieses Material weniger widerstandsfähig als Carborit war, holte man ihn so schnell wie möglich zurück an Bord, kaum daß er »Igor« auf dem Klotz abgesetzt hatte. Auf diese Weise verhinderte man einen erneuten Zusammenbruch des Bordrechners.

Mittels Teleoptik konnte man den Kegelroboter in seiner Spezialausrüstung noch eine Weile aus dem All beobachten. Er schwebte auf die riesige Anlage zu, auf »wackligen Beinen« – sprich: Sein Prallfeld wurde offenbar von der Hyperstrahlung gestört.

Nachdem »Igor« im Inneren der Anlage verschwunden war, begann eine Stunde bangen Wartens…

*

Eine Stunde später holte der Flash den Kegelroboter wieder dort ab, wo er ihn abgesetzt hatte. Das ganze Manöver erfolgte fast genauso schnell wie das vorangegangene: Landung, Einstieg, Blitzstart! Beim Einsteigen gab es allerdings eine leichte Verzögerung, da der Roboter erheblich schwankte.

Mittlerweile hatte sich die POINT OF zur ROBERT gesellt. Seite an Seite standen beide Schiffe im All. Der Flash mit dem Roboter schwebte zwischen ihnen, so lange, bis die Hyperstrahlung abgeklungen war. Da das Intervallfeld des Flash intermittierende Ausfälle hatte, mußte eine Schleuse geöffnet werden, um ihn an Bord der ROBERT zu holen.

Wenig später wechselten Ren Dhark, Chris Shanton, Arc Doorn und der ewig neugierige Terra-Press-Reporter Bert Stranger auf die ROBERT über.

Der zweiunddreißigjährige rothaarige Journalist befand sich als Arrestant auf der POINT OF. Nachdem er von der Manipulation an der Sonne erfahren hatte, hatte Dhark ihn an Bord geholt und umgehend in Gewahrsam genommen; damit hatte er ihm die Einzelhaft in einem terranischen Regierungsgefängnis erspart. Ohne Genehmigung der beiden Commander – dem der Planeten und dem der POINT OF – durfte Stranger keine Zeile von seinem Wissen veröffentlichen. Vielleicht erhielt er diese Erlaubnis nie. Nichtsdestotrotz nahm er bereits eine weitere Story in Angriff, die möglicherweise ebenfalls nie ein Mensch lesen würde: die Lebensgeschichte Arc Doorns mit dem Titel »Der Mysterious«.

Generalmajor Jakob Jensby höchstpersönlich geleitete das prominente Quartett zu den Laboren und Werkstätten.

Ren Dhark hatte es nicht eilig. Er war von dem mächtigen Carborit-Ikosaederraumer schwer beeindruckt. Es war für ihn unvorstellbar, daß drei dieser kolossalen Schiffe einfach so verdampft waren – nur weil sie dem Sonnenblitz den Pfad versperrt hatten…

Über die allgewaltige Kraft von Sonnen war schon viel geschrieben worden, und mit der heutigen Meßtechnik konnte man sie zumindest in beeindruckenden Zahlen sichtbar machen, aber mitzuerleben, wie solch ein lebensspendender Stern das, was er durch seine Wärmeausstrahlung normalerweise schützte, innerhalb von Sekundenbruchteilen vernichtete, hatte schon was Erschreckendes an sich!

MacCormacks Gardisten hielten sich mit derlei düsteren Gedanken nicht lange auf. Die Besten der Besten sahen nicht das Erschreckende, nicht das Faszinierende – sondern das Wesentliche. Ebendeshalb hatten sie »Igor« schon halb auseinandergenommen, als Ren Dhark mit seiner illustren Begleitung in den Werkstätten eintraf. MacCormack, Buck, Burns und Co. waren so sehr beschäftigt, daß sie den hohen Besuch vom berühmtesten Raumschiff der Welt eher wie nebenbei wahrnahmen. Ein einfaches Hallo mußte den Neuankömmlingen ausreichen, mehr konnte man von intensiv beschäftigten Wissenschaftssoldaten der Schwarzen Garde nun wirklich nicht erwarten.

Dhark empfand es als angenehm, daß man ihm keine militärischen Ehrenbezeugungen entgegenbrachte, die ihm ohnehin nicht mehr zustanden. Er brauchte keinen roten Teppich, sondern konkrete Informationen. Die würde er auch bekommen. Die Schwarze Garde war dafür bekannt, daß sie ausschließlich echte Resultate lieferte und kein aus Furcht vor eventuellen Konsequenzen aufgeblasenes Scheinwerk, das Ergebnisse vortäuschte, die es gar nicht gab und vielleicht auch niemals geben würde. Derlei Täuschungsmanöver waren sowohl beim Militär als auch in der Politik leider gang und gäbe – weshalb es Dhark bis heute nicht bereute, sich aus beiden Bereichen zurückgezogen zu haben. Daß er zeitlich begrenzt noch einmal in die Rolle des Flottenkommandanten geschlüpft war, sollte die Ausnahme bleiben.

»Erstatten Sie mir Bericht«, sagte er kurz und knapp zu Leutnant Buck.

»Die Hyperstrahlung hat viele Bauteile des Roboters beschädigt«, informierte ihn Julian Burns, noch bevor Buck etwas antworten konnte. »Auch der Aufnahmespeicher ist defekt, aber man kann ihn Gott sei Dank noch gebrauchen. Wenn Sie wollen, zeigen wir Ihnen einige Aufnahmen vom Klotz aus der Perspektive des Roboters.«

»Einige?« entgegnete Dhark. »Ich möchte alles sehen, was der Kegel auf dem Planeten erlebt hat. Wie lange hätte ein Mensch in diesem Spezialanzug auf dem Klotz eigentlich überleben können?«

Diesmal kam Buck dem Oberfähnrich mit der Antwort zuvor. Julian Burns war zwar ungeheuer begabt, aber viel zu ehrgeizig und vorwitzig und leider auch ziemlich arrogant. Er brauchte eine starke Hand, die seine vielfältigen Talente in die richtigen Bahnen lenkte – wie es Shanton seinerzeit bei dem Wallis-Industries-Supergenie Robert Saam getan hatte.

»Selbst ein durchtrainierter, kerngesunder Gardist hätte nicht mehr als ein paar Minuten überlebt, im Höchstfall eine Viertelstunde«, beantwortete Buck die Frage des Commanders und fügte in einem Anflug von Galgenhumor hinzu: »Nach seiner Rückkehr hätten wir wahrscheinlich nicht mehr viel von ihm erfahren, selbst wenn wir ihn wie Igor in seine Einzelteile zerlegt hätten.«

Der dreiundzwanzigjährige blonde Leutnant hatte sich als einer der ersten freiwillig zum Dienst in der Schwarzen Garde gemeldet, wo er aufgrund herausragender Leistungen, die seinen militärischen Aufstieg stark beschleunigt hatten, aufgefallen war.

Gemeinsam mit Burns verband er den Aufnahmespeicher des Roboters mit einem Hyperkalkulator, der wiederum an einen Wandbildschirm angeschlossen war. Auf diese Weise konnten alle Anwesenden »Igors« Weg durch die riesige Anlage optisch und akustisch mitverfolgen…

*

Aufgrund des Spezialanzugs, der den Kegelroboter vollständig einhüllte, waren die Aufzeichnungen nicht perfekt. Etliche Bilder verschwammen und konnten nur leicht verzerrt dargestellt werden. »Igor« schwebte auf seinem Prallfeld durch hohe Hallen mit gigantischen Maschinen, deren genaue Funktionen man bestenfalls erahnen konnte. Von der Konstruktion her wirkte die gesamte Anlage völlig fremdartig – und doch erschien sie einem streckenweise seltsam bekannt.

Obwohl es zunächst so ausgesehen hatte, als hätte der Sonnenblitz diesen Teil des Planeten weitgehend verschont, stellte sich jetzt heraus, daß die Sonnenstation doch so einiges abbekommen hatte, und das nicht zu knapp. Scheinbar hatte der gewaltige Einschlag einen Prozeß der Auflösung in Gang gesetzt. Dort quoll merkwürdig gefärbter Rauch heraus, da gab es eine kleinere lautlose Explosion – und »Igor« schwebte an allem vorüber, als ginge ihn nichts davon an.

Leben im biologischen Sinne gab es auf dem Klotz keines. Sauerstoffatmer hätten hier sowieso nicht existieren können, aber auch anderen Spezies fehlte offenbar die Daseinsgrundlage. Und falls es auf diesem Planeten jemals etwas Lebendiges gegeben hatte, vielleicht eine besonders widerstandsfähige Pflanzenart, hatten es die Großrechnerschiffe mit Sicherheit längst ausgerottet.

Wie durch ein Wunder entging »Igor« dem Zusammenbruch einer Halle. Einem Kartenhaus gleich fiel sie in sich zusammen. Der Roboter, der die Halle gerade verlassen hatte, zeichnete den Vorgang aus nächster Nähe auf und wich auch nicht zurück, als Trümmerteile durch die Gegend flogen.

»Wenn das so weitergeht, gibt es dort unten bald gar nichts mehr, das wir erforschen könnten«, knurrte Oberst MacCormack, der seine Männer bei der Arbeit in der Werkstatt tatkräftig unterstützte. »Wozu sind wir überhaupt hergekommen?«

»Ich hätte nichts dagegen, wenn sich die ganze Anlage selbst vernichtet«, bemerkte Generalmajor Jensby. »Ginge es nach mir, würden wir sie vom All aus unter Beschuß nehmen…«

»Es geht aber nicht nach Ihnen«, blaffte Shanton ihn ungehalten an. »Niemand weiß, was passiert, wenn die Sonnenstation komplett zerstört wird. Das Schwarze Loch im Inneren von Sol könnte total außer Kontrolle geraten. Deshalb habe ich vorgeschlagen, die Anlage vorher zu untersuchen. Daß die Hyperstrahlung meinen Plan schlagartig zunichte machen würde, konnte ich nicht vorausahnen.«

»Reg dich wieder ab, Dicker«, warf Jimmy ein, der selbstverständlich mit an Bord der ROBERT gekommen war. »Niemand macht dir Vorwürfe. Du bist schließlich nicht Doktor Allwissend. Selbst ich habe den Sonnenblitz nicht vorhergesehen – obwohl ich mindestens doppelt so schlau bin wie du.« Der Roboterhund drehte seinen elektronisch beweglichen Kopf in Strangers Richtung. »Machen Sie sich keine Notizen? ›Doppelt‹ schreibt man mit zwei p.«

Der Reporter tippte sich an die Stirn. »Mein Notizblock ist hier drin. Mir entgeht absolut nichts. Keine Sorge, Jimmy, auch du wirst in meiner Sonnenstory gebührend erwähnt werden.« Er stieß einen leisen Seufzer aus. »So ich sie denn jemals schreiben darf…«

In diesem Augenblick kam eine Meldung aus der Zentrale der ROBERTherein.

Die Meßgeräte auf den Schiffen hatten eine monströse Explosion auf dem Klotz registriert.

Es gab keinen Zweifel: Die Sonnenstation hatte sich mit einem farbigen Inferno aus dem Universum verabschiedet.

»Jetzt können wir nur noch beten«, murmelte Shanton, der das Schlimmste befürchtete.

Alle schwiegen betroffen. Das Schicksal der Sonne Sol stand in den Sternen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Was für eine Wahnsinnsgeschichte! ging es Bert Stranger durch den Kopf. Zu schade, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach niemals veröffentlicht werden wird.

Er zog in Erwägung, seinen Beruf aufzugeben. Über Katastrophen aller Art zu schreiben war schon nervenaufreibend genug – aber zusehen zu müssen, wie rundum die Welt unterging und nicht darüber schreiben zu dürfen, war noch viel stressiger.

*

Die Hyperfelder zwischen der Sonnenstation und der Sonne Proxima Centauri waren nicht mehr vorhanden. Ren Dhark ließ sofort Messungen durchführen. Seine heimliche Hoffnung, daß sich mit der Explosion der Anlage das Problem der sterbenden Sonne Sol erledigt hatte, erfüllte sich leider nicht: Proxima Centauri nahm weiter an Masse zu, sogar noch ein wenig rascher als vorher.

Goniometrische Gleichung hatte demnach nicht gelogen. Die Vernichtungsaktion, die das Volk in Gang gebracht hatte, hatte sich verselbständigt.

War die Erde nun endgültig verloren?

Ren Dhark haßte nichts mehr, als aufgeben zu müssen. Selbst in aussichtslosen Situationen weigerte er sich mitunter geradezu bockig, die Niederlage zur Kenntnis zu nehmen.

»Können Sie anhand der Aufzeichnungen des Roboters Rückschlüsse auf die verwendete Technik ziehen und mögliche Gegenmaßnahmen treffen?« fragte er die Techniker der Schwarzen Garde, die sich weiterhin mit Shanton, Doorn, Stranger, Jensby und ihm auf dem Labordeck der ROBERT aufhielten, direktheraus.

Kurt Bucks Antwort war nicht minder direkt: »Nein, völlig ausgeschlossen.«

Sämtliche anwesenden Gardisten teilten diese Einschätzung. Alle waren ratlos. Nachdenkliches Schweigen breitete sich aus… »Auf dem Klotz werden wir keine brauchbaren Hinweise mehr finden«, sagte MacCormack schließlich. »Aber vielleicht werden wir auf dem Heimatplaneten der Roboterschiffe fündig.«

»Können Sie Gedanken lesen?« entgegnete Dhark. »Auch mir geht gerade eine Expedition nach Eins durch den Kopf. Dank Artus wissen wir glücklicherweise, wo der Hauptplanet des sogenannten Volkes liegt.«

»Worauf warten wir dann noch?« sagte Chris Shanton. »Die fliegenden Schrotteufel haben uns mit ihrem Besuch beehrt – da wäre es doch schrecklich unhöflich, würden wir ihnen keinen Gegenbesuch abstatten.«

»Hört, hört, der Dicke versucht mal wieder, witzig zu sein«, merkte Jimmy frech an.

»Chris ist witzig«, nahm Arc Doorn seinen besten Freund in Schutz. »Und er hat recht! Ich kann es kaum erwarten, bei denen an die Tür zu klopfen.«

»Daraus wird nichts«, machte Oberst MacCormack ihm klar. »An der Expedition nehmen ausschließlich Gardisten teil. Bei allem Respekt, Mister Doorn, aber ein solcher Einsatz geht an die psychische und physische Grenze eines jeden einzelnen. Sie wären den körperlichen Strapazen niemals gewachsen und würden sehr wahrscheinlich nicht mehr zur Erde zurückkehren.«

»Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher«, mischte sich Bert Stranger ein. »Dieser Mann hat gewissermaßen hundert Leben. Und wo wir gerade dabei sind: Auch ich komme mit!«

»Sie stehen unter Arrest, Stranger«, erinnerte ihn Dhark.

»Den Arrest erkläre ich hiermit als beendet«, erwiderte der Reporter und reckte ihm angriffslustig sein Kinn entgegen, das genauso abgerundet war wie seine übrige Kopfform. »Auf der POINT OF langweile ich mich allmählich zu Tode. Entweder Sie lassen mich gehen, oder Sie stellen mich vor ein Erschießungskommando.«

Und führe mich nicht in Versuchung…dachte der Commander. Laut sagte er: »In welcher Funktion möchten Sie denn am Einsatz teilnehmen?«

Stranger blieb ihm die Antwort nicht schuldig. »Als eine Art Kriegsberichterstatter. Die Menschheit hat ein Recht darauf, Einzelheiten über Maßnahmen gegen ihre Feinde aus dem All zu erfahren.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Kenneth MacCormack. »Sie genügen den körperlichen Anforderungen noch weniger als Mister Doorn. Schauen Sie sich doch mal an: Sie sind kugelrund, haben viel zu kurze Arme und Beine…«

»Vergessen Sie meine Segelohren nicht!« unterbrach Stranger ihn verärgert. »Gegen einige Ihrer Gardisten bin ich trotzdem noch eine Schönheit.«