Es geht ums Tun und nicht ums Siegen - Konstantin Wecker - E-Book

Es geht ums Tun und nicht ums Siegen E-Book

Konstantin Wecker

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Beschreibung

Konstantin Wecker, durch all die Jahre seiner wechselvollen Karriere sozial und politisch engagiert, ist auf der Suche nach einer Spiritualität, die sich nicht ins Private zurückzieht. Dabei trifft er auf den großen Zen-Meister Bernard Glassman. Lieber als in die Meditationshalle geht der Buddhist in die Elendsviertel der Großstädte. Dort teilt er sein Leben mit Obdachlosen oder führt Menschen zum Meditieren nach Auschwitz.

Die zwei Männer verbindet viel: ihre geradezu ungebändigte Kraft, sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Eine durch Krisen und Schicksalsschläge gereifte Lebenserfahrung. Und die Erkenntnis, dass wir einzig durch liebevolles Handeln und tätiges Mitgefühl die Welt verändern können.

Die beiden Rebellen entwerfen die Vision einer Revolution aus Liebe: eine leidenschaftliche Anstiftung, sich einzumischen und aktiv zu werden.

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Inhaltsverzeichnis

Liedermacher meets Zen-Meister - Vorwort der HerausgeberinZärtlichkeit und Wut
»Kann man wütend sein und weise?« - Der LiedermacherZwischen Zärtlichkeit und Wut
Mitgefühl und Weisheit
»Was ist das Beste, was du jetzt tun kannst?« - Der Zen-MeisterAuf dem Weg zu Mitgefühl und Weisheit
Revolution der Liebe
»Wir können die Welt sofort und ohne Umschweife ändern!« - Liedermacher und Zen-MeisterDie Revolution der Liebe - Konstantin Wecker im Gespräch mit Bernie GlassmanWir sind alle miteinander vernetzt: Eine engagierte SpiritualitätEine Anstiftung zum Einmischen: Es geht ums Tun!
DanksagungWeiterführende LiteraturBildnachweisQuellennachweisCopyright

Bild 1

Zwei Rebellen und ihre Anstiftung zum Einmischen Sänger und Poet Konstantin Wecker und der amerikanische Zen-Meister Bernard Glassman Roshi (hier mit der Herausgeberin Christa Spannbauer bei einem Treffen in München) sprechen über weises Handeln in einer gefährdeten Welt. Wie kann der Einzelne wirklich etwas in der Welt verändern? Braucht soziales und politisches Engagement eine spirituelle Quelle, um langfristig etwas zu bewegen? Bleibt Spiritualität ohne aktives Tun für andere bloße Nabelschau?

Liedermacher meets Zen-Meister

Vorwort der Herausgeberin

Der Poet und Sänger Konstantin Wecker, der sich seit Jahrzehnten für Zivilcourage und soziale Gerechtigkeit einsetzt, trifft in diesem Buch auf den amerikanischen Zen-Meister Bernard Glassman, einen der weltweit wichtigsten Vertreter einer sozial engagierten Spiritualität. Die beiden befreundeten Männer verbindet viel: ihre nicht nachlassende und geradezu ungebändigte Kraft, sich für soziale und gesellschaftspolitische Belange zu engagieren, eine durch Krisen und Schicksalsschläge gereifte Lebenserfahrung sowie die Erkenntnis, dass wir einzig durch liebevolles Handeln und tätiges Mitgefühl die Welt verändern können. Kein einfacher Weg, doch ein mutiger und lebensbejahender, wie der Zen-Meister und der Liedermacher in diesem Buch deutlich zeigen.

Erstmals trafen sich die beiden bei einer gemeinsamen Veranstaltung, die ich mit einer Kollegin in Berlin organisiert hatte. Lange schon hatten die beiden Männer meinen eigenen Lebensweg begleitet, der eine mit seinen Mut machenden Liedern von Jugend an, der andere seit vielen Jahren mit seiner bahnbrechenden spirituellen Arbeit.

Zahlreiche Menschen waren an diesem Sommerabend zusammengeströmt, um die Begegnung von Bernard Glassman mit Konstantin Wecker mitzuerleben. Das Motto des Abends ebenso wie dieses Buches – »Es geht ums Tun und nicht ums Siegen« – entstammt der Hommage von Konstantin Wecker an die Mitglieder der Widerstandsgruppe »Die weiße Rose«. Zu siegen war ihnen mit ihrem aufrechten und unerschrockenen Tun nicht vergönnt, doch gelang es ihnen, den Glauben an Menschlichkeit und Zivilcourage unter schwierigsten Bedingungen zu bewahren und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.

Menschlichkeit in die Welt zu tragen und darauf zu hoffen, dass die Welt etwas damit anfangen kann – das sind auch die Anliegen des Zen-Aktivisten und des engagierten Poeten. Und wenn sie hierfür auch gänzlich unterschiedliche Lebenswege beschritten hatten, so gelangten sie beide doch zur gleichen Überzeugung: Eine Veränderung der Welt ist einzig durch die Verbindung von gesellschaftlichem Engagement mit spiritueller Weisheit möglich. Während der eine sich einer traditionellen Zen-Schulung unterwarf, streng, diszipliniert, nach innen gewandt und den weltlichen Genüssen eher abgewandt, wurde der andere geradezu für seinen genussvollen und mitunter exzessiven Lebenswandel bekannt. Und während der Zen-Meister aus der Spiritualität heraus zu radikalen Formen von sozialem Engagement kam, fand der Sänger nach einer schweren Krise des Kokainmissbrauchs zu einem spirituellen Weg. Ihre so unterschiedlichen Erfahrungen führten sie beide zur gleichen Einsicht: Aktives Handeln gelingt nicht ohne Spiritualität und Spiritualität nicht ohne aktives Handeln. Nur durch eine Verbindung der beiden Elemente können wir in der Welt Tiefgreifendes bewirken.

Beide wissen um die Dringlichkeit und die Wichtigkeit ihres Anliegens, denn noch immer ist eine gravierende Spaltung zwischen spirituellen und politischen Kreisen zu verzeichnen, die ein so dringend erforderliches gemeinsames Handeln oftmals verhindert. Diese Spaltung zu überbrücken sind sie mit diesem Buch angetreten: »Mag sein, dass wir damit zwischen den Stühlen sitzen«, sagt Konstantin Wecker, »doch wer zwischen den Stühlen sitzt, klebt auf keinem der beiden fest und kann Neues wagen.«

Neues haben sie schon immer geschaffen. Nie wollten sie sich mit dem Status Quo, mit unhaltbaren Zuständen arrangieren, nie Ungerechtigkeit hinnehmen, sondern immer zur Veränderung beitragen. Beide sind sie kraftvolle und charismatische Persönlichkeiten, beseelt vom Willen zu gestalten und unermüdlich auf der Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ihnen scheint diese eigentümliche Kraft zu eigen, die Dinge und Menschen bewegt. Sie rütteln auf, der eine mit seinen zornigen Liedern und seinem gesellschaftspolitischen Engagement, der andere durch ungewöhnliche Zen-Methoden wie seinen Straßen-Retreats, in denen sich die Teilnehmer für eine begrenzte Zeit der Obdachlosigkeit ausliefern, oder seinen Meditations-Retreats im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz. Unablässig brechen beide auf zu neuen Ufern: »In all diesen Jahren habe ich mich oft gehäutet und immer wieder Teile von mir zurückgelassen, die überlebt waren. Manchmal fühlte es sich so an, als blieben mir nicht mehr als die Kleider, die ich gerade am Leib trug«, sagt Bernie Glassman über seinen Weg. »Noch kriegt ihr mich nicht dran, es gibt noch viel zu viel zu tun, auf diesem Lorbeer, der erstickt und träge macht, will ich nicht ruhn«, sang Konstantin Wecker bereits in den 70er-Jahren, wofür er bis zum heutigen Tage einsteht. Mit seinen politischen Liedern ruft er Menschen dazu auf, nicht liegen zu bleiben, sondern aufzustehen und entschieden einzutreten gegen Unrecht und Unterdrückung.

Wer die beiden Männer kennt und wer sie auf der Bühne erlebt, fragt sich unweigerlich, aus welcher Quelle sich diese schier unerschöpfliche Kraft, diese Vielseitigkeit und Kreativität speist, die sie so selbstverständlich an den Tag legen. In diesem Buch geben sie tiefe und bewegende Einblicke in ihr engagiertes Leben und in das, was ihr eigener Lebensweg sie lehrte über Zärtlichkeit und Wut, über Mitgefühl und Weisheit.

In den ersten beiden Kapiteln des Buches machen sich Konstantin Wecker und Bernard Glassman jeweils auf eine autobiographische Spurensuche. Trotz gänzlich unterschiedlicher Lebensentwürfe und Lebensetappen gelangen sie beide zu der gleichen Erkenntnis: Wenn wir Spiritualität und konkretes gesellschaftliches Engagement vereinen, können wir weit mehr bewegen – sowohl im eigenen Inneren wie im Außen –, als wenn wir nur einen dieser beiden Wege gehen. In ihren gemeinsamen Gesprächen im dritten Teil des Buches entwerfen sie schließlich eine Vision der Revolution aus Liebe: ein kraftvolles Plädoyer für mehr Menschlichkeit und eine leidenschaftliche Anstiftung, sich einzumischen und aktiv zu werden.

Zärtlichkeit und Wut

Bild 2

Engagement zwischen Zärtlichkeit und Wut

Lässt sich der Zorn auf Ungerechtigkeit transformieren in eine tatsächlich positive Kraft der Veränderung? Konstantin Wecker: »Es gilt, die Balance zu finden zwischen dem nüchternen Sezieren des Egos und dem notwendigen Sicheinmischen in die Belange der Welt.«

»Kann man wütend sein und weise?«

Der Liedermacher

Vielen ist er bekannt als Sänger und Musiker, als politisch engagierter Liedermacher, ein sanfter Poet und zugleich ein zorniger Rebell, wenn es darum geht, gegen Ungerechtigkeit und Intoleranz einzustehen und aufzustehen. Weit weniger Menschen wissen, dass Konstantin Wecker auch ein tiefspiritueller Mensch ist, der im östlichen Buddhismus ebenso wie in der christlichen Mystik nach Antworten auf die grundlegenden Fragen des Menschseins sucht.

Mit ihm treffen wir nicht nur auf eine talentierte Musikerpersönlichkeit, sondern zugleich auf einen rastlosen und vielseitigen Universalkünstler. Er schreibt, dichtet, komponiert, singt und musiziert und ist immer öfter auch im Fernsehen und auf der Leinwand zu sehen. So viel Kreativität und Intensität in einem Leben! Da muss einer schon reichlich Energie und Kraft haben. Mit seiner leidenschaftlichen und kraftstrotzenden Bühnenpräsenz stellt er diese seit nunmehr 40 Jahren unter Beweis. »Genug ist nicht genug«, sang er bereits in den 70er-Jahren in dem Lied, das viele mit ihm und seiner unbändigen und lustvollen Art zu leben verbinden. Immer schon war er einer, der das Leben in seine Arme riss, es in vollen Zügen auszukosten suchte, unablässig auf der Suche nach dem Paradies, aus dem er ebenso oft wieder vertrieben wurde. »An Genuss bekommt man nämlich nie zu viel«, war er einst euphorisch überzeugt und musste schließlich durch seine schwere Drogensucht erkennen, dass man sich selbst vom Genuss zu viel einhandeln kann. Doch auch diese Krise durchschritt er mit der Ehrlichkeit und Offenheit, für die ihn viele Menschen schätzen, er lernte seine Lektionen und ging gereifter und in sich ruhender aus dieser hervor. Geschliffen hat ihn das Leben, weiser gemacht haben ihn seine Niederlagen. Seitdem weiß er, dass es weniger die Erfolge sind, die den Menschen formen, sondern vielmehr sein Scheitern: »In den Augenblicken meiner größten Verzweiflung war ich stets wesentlicher und lebendiger und näher an dem, was die Welt im Innersten zusammenhält.«

Es sind erklärtermaßen die Irrungen und Verwirrungen des Lebens, die ihn zu dem gemacht haben, der er heute ist: eine facettenreiche Persönlichkeit, der die Kraft des Zorns ebenso wichtig ist wie die Macht der Liebe, lebenshungrig und nach wie vor ein friedliebender Pazifist und ein lautstarker Revoluzzer, der nicht nur zum politischen Widerstand, sondern mittlerweile auch zur stillen Meditation aufruft und dem es bei all dem noch gelingt, diese Widersprüche mit einem Augenzwinkern in sich zu vereinen.

Bis zum heutigen Tage ist er ein Suchender geblieben, einer, den die Sehnsucht nach dem Unbekannten, Unerklärlichen, Unverfügbaren und Namenlosen bereits als Kind packte und nie wieder loslassen sollte; einer, für den die Augenblicke der Ekstase und Verzückung, das Einswerden mit der Musik und dem Weltgeist die großen Momente seines Lebens markieren.

Mit seinem gesellschaftspolitischen Engagement eckte er an wie kaum ein anderer deutschsprachiger Künstler. »Alt-68er« schimpfen ihn die Konservativen, einen »Gutmenschen« nennen ihn die Neoliberalen. Er selbst versteht beides mittlerweile als Auszeichnung. »Ich war halt schon immer ein Herdplattenanfasser«, sagt er lachend, während er sich schon wieder bereit macht für die nächste Aktion. Er gehört zu den Menschen, die zur Stelle sind, wenn es des Einsatzes für Frieden und Gerechtigkeit bedarf. Sei es der Afghanistan- oder der Irakkrieg, der Aufmarsch der Faschisten, der Widerstand gegen die Atomkraft oder Stuttgart 21 – überall dort, wo demokratisches Engagement an gesellschaftlichen Brennpunkten erforderlich ist und eine neue engagierte Zivilgesellschaft sich formt, ist Konstantin Wecker zu finden. Nicht von ungefähr wurde ihm 2007 für seine Zivilcourage und sein Eintreten gegen Fremdenhass und Faschismus der Erich-Fromm-Preis verliehen.

Wer diese Welt und ihre Menschen liebt, kann gar nicht anders, als sich für ihr Wohl einzusetzen. Das führt uns Konstantin Wecker deutlich vor Augen, der uns mit seinen Liedern ebenso wie mit seinem Leben immer wieder zuruft: »Empört euch und wehrt euch und liebt euch und widersteht!«

Zwischen Zärtlichkeit und Wut

Konstantin Wecker

Leben im Aufbruch

Komm, wir brechen morgen aus,und dann stellen wir uns gegen den Wind.Genug ist nicht genug

Es ist sehr wohl möglich, die Welt zu verwandeln und Utopien zu leben. Das haben uns die Ereignisse in Tunesien und Ägypten ebenso wie der Berliner Mauerfall deutlich gezeigt. Wir alle konnten miterleben, wie plötzlich Geschichte passiert. Gleichsam über Nacht wurde die Vorstellung von einer Welt, die auf ewig in Stein gemeißelt schien, umgewälzt. Ideengebäude stürzten ein und eine friedliche Revolution bahnte sich ihren Weg. Ref 1

Selbst wenn es danach nicht immer wunschgemäß weiterging: Der Keim gewaltfreier Veränderung wurde gepflanzt und zeigte, dass das Volk sehr viel klüger ist und menschlicher zu handeln vermag, als ihm seine Herrscher zutrauen. Und auch wenn manche danach wieder die eingetrampelten Pfade patriarchaler Macht einschlugen – was in Berlin geschehen ist und was auf dem Tahrirplatz in Ägypten geschah, hat sich für immer in das Gedächtnis der Menschheit eingeprägt. Diese friedlichen Revolutionen haben alle, die ihr Herz am rechten Fleck tragen, elektrisiert. Das sind die historischen Momente, die die Menschheit verändern. Und wer sich mit diesen Ereignissen nicht mitfreuen konnte, hat noch nie wirklich an Demokratie geglaubt.

Was in der arabischen Welt geschah, ist ein unauslöschbares Zeichen dafür, dass Widerstand erfolgreich ist. »Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen«, schrieb der 93-jährige Stéphane Hessel in seiner die Welt bewegenden Streitschrift Empört euch!, in der er uns alle zum Einsatz für eine gerechte Welt aufruft. Wer an Freiheit und Liebe glaubt, wer davon überzeugt ist, dass der Mensch sich selbst verantworten und selbst bestimmen kann, muss dazu bereit sein, sich gegen Missstände zu empören. Das ist es, was uns in Bewegung hält, uns lebendig macht und davor bewahrt, zu erstarren und zu resignieren. Denn das Schlimmste, so schreibt der ehemalige Résistance-Kämpfer Hessel zu Recht, ist die Gleichgültigkeit.

Ich selbst habe dies bereits frühzeitig verinnerlicht. Die Wurzeln hierfür sind in meinem Elternhaus zu finden. Meine Eltern waren aufrechte Menschen. Und mein Vater war entschiedener Pazifist. Er ist sich auch im Dritten Reich treu geblieben und nicht zum Militär gegangen, weil er keinesfalls tö-ten wollte. Seine Ablehnung des Faschismus hat ihm nicht nur während des Krieges, sondern auch noch danach geschadet, denn er verfügte nicht über die Seilschaften, die so viele andere aus dieser Zeit noch hatten.

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Für einen Aufstand in Friedfertigkeit

Die Streitschrift Empört euch! des 93-jährigen Buchenwald-Überlebenden und Mitherausgebers der 1948 begründeten Charta der Menschenrechte bewegt die Welt. In eindringlichen Worten ruft Stéphane Hessel zum Widerstand gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus, gegen die Unterdrückung von Minderheiten und die Umweltzerstörung auf unserem Planeten auf.

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»Ich gestatte mir Revolte.«

Die Kulturrevolution der 68er-Bewegung durchfuhr die westliche Welt wie ein Wirbelsturm. Es war eine Revolte der Jungen gegen das bestehende bürgerliche Establishment. Linke Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen machten gegen den Vietnamkrieg und alle Arten der gesellschaftlichen Unterdrückung und Diskriminierung mobil. Hier der Ostermarsch nach dem Attentat auf Rudi Dutschke 1968.

Er war ein absolut gewaltfreier Mann, was fast an ein Wunder grenzt, wenn man bedenkt, dass er in der wilhelminischen Zeit geboren wurde. Als meine Mutter einmal von ihm forderte, dass er mich aufgrund eines meiner Vergehen züchtigen sollte, machte mein Vater die Tür hinter uns beiden zu und sagte: »Ich kann es einfach nicht, Konstantin, und ich will es auch nicht.«

Bild 5

»Genug ist nicht genug.« Mit seiner zweiten LP Genug ist nicht genug begann 1977 der rasante Aufstieg des Liedermachers zu Ruhm und Erfolg. Bekannt wurde er durch seine Liebeslieder ebenso wie politische Stücke, allen voran »Willy«, ein Lied über einen Freund, der bei einer Schlägerei von Rechtsradikalen erschlagen wurde.

Als Jugendlicher besuchte ich ein sehr strenges und extrem konservatives Gymnasium in München, in dem noch etliche Alt-Nazis Lehrer waren. Bereits zu dieser Zeit fing ich an, mich zu politisieren, wenn auch erst einmal in einer sehr emotionalen Weise. Wir hatten keine Vorbilder, es gab kaum ältere Jungs, die einem etwas vorgelebt hätten an Zivilcourage und Ungehorsam, denn sie alle waren brave Söhne reicher Eltern und wollten später einmal Karriere machen. Ich selbst hatte – wohl bedingt durch mein freies Elternhaus – bereits etwas von den Schriften des russischen Anarchisten Michail Bakunin mitgekriegt und ziemlich angegeben damit. Da galt ich dann plötzlich als Anarchist, auch wenn ich selbst noch wenig Ahnung davon hatte, was das überhaupt ist. Ich wusste nur, es ist gegen das, was die Schule uns vermitteln wollte. So habe ich mich mit dem Wort angefreundet.

Der Schriftsteller Henry Miller, der mich als junger Mann sehr beeindruckte, sagte einmal: »Als Künstler hat man quasi die Verpflichtung, Anarchist zu sein. Es gibt gar keine andere Möglichkeit.« In der 68er-Zeit wurde mir dann auch intellektuell bewusst, dass die einzige Möglichkeit für eine gerechte Welt eine herrschaftsfreie Welt sein muss. Am Anfang waren die Achtundsechziger ja durchaus eine Bewegung, in der es möglich war, sich frei zu entwickeln und zu äußern. Dann aber bildeten sich die ersten doktrinären Linksgruppen, die sich zu Wächtern der Ideologie aufschwangen. Denen waren einige meiner Lieder ein Dorn im Auge. So wurde mein Lied »Wenn der Sommer nicht mehr weit ist« von ihnen auf der Bühne konsequent ausgepfiffen. Sie wollten doch tatsächlich, dass ich manche Texte umschreibe, weil sie ihnen zu poetisch und damit zu bürgerlich waren. In dieser Zeit wurde mir bereits klar, dass die Ideologisierung – wie jede Form von Fundamentalismus – der Todfeind der Kunst, der Poesie und der freien künstlerischen und damit auch menschlichen Entwicklung ist.

Wer sich politisch engagiert, das weiß ich seitdem, muss bereit sein, sich immer wieder auf sich selbst zu besinnen, in sich und seine psychischen Verstrickungen hineinzublicken, seine wahre Identität zu entdecken, Eitelkeiten zu enttarnen und Selbstlügen aufzudecken. Denn wir sind so uneins mit uns selbst, dass wir immer noch bereit sind zu glauben, nur die anderen seien gewalttätig und wir allein wären zum Frieden bereit. Der Ursprung der Konflikte aber liegt in unseren eigenen Herzen. Wenn ich also für Gewaltlosigkeit eintrete, muss ich zuerst einmal genau hinschauen, welches Gewaltpotenzial ich in mir selbst trage, und Wege finden, verantwortlich damit umzugehen.

ZÄRTLICHKEIT UND WUT

Mit dem Alter und der Plagestellt sich irgendwann die Frage:Ist es besser zu erkaltenund lässt alles schön beim Alten?Ref 2

Soll man sich die Wunden lecken,legt sich in gemachte Betten,statt die Kissen mit Gefühlenalten Trotzes aufzuwühlen?

Oder kann man immer weiterwachsam sein und dennoch heiter?Soll man weiter revoluzzenoder doch Laternen putzen?

Kann man wütend sein und weise,laut sein und im Lauten leise,macht gerechter Zorn nicht müde,ist vielleicht nur Attitüde?

Eines fügt sich doch zum andern,nichts besteht für sich allein.Flüsse, die getrennt mäandern,leiben sich dem Meere ein.

Gut poliert erscheint das Schlechteoft in einem Strahlenkranz.Sei ein Heiliger und Sünder,gib dir alles! Werde ganz!

Hab mich niemals an Gesetze,Dogmen oder Glaubenssätze,Führer, höhere Gewaltenohne Widerspruch gehalten.

Und mich führn auf meiner Reisezum Verstehen viele Gleise.Zwischen Zärtlichkeit und Wuttut das Leben richtig gut.

Menschen müssen sich verändern,um sich selber treu zu sein.Nur das Wechseln von Gewändernkann kein wahrer Wandel sein.

Mancher sagt, nur Meditieren,essen, was zu Boden fiel,sich im Ganzen zu verlieren,sei das wahre Lebensziel.

Andre ritzen ihren ArmenHass und Rache blutig ein.Sie sind viel zu schwer verwundet,um im Herzen ganz zu sein.

Andre wiederum marschieren,Fahnen werden stolz gehisst.Und auch sie werden verlieren,weil kein Sieg beständig ist.

Eines fügt sich doch zum andern,nichts besteht für sich allein.Flüsse, die getrennt mäandern,leiben sich dem Meere ein.

Gut poliert erscheint das Schlechteoft in einem Strahlenkranz.Sei ein Heiliger und Sünder,gib dir alles! Werde ganz!

Hoch gestiegen, tief gefallen,zwischen Geistesblitz und Lallenbin ich auf dem Weg zum Liebenmeinem Innern treu geblieben.

Denn mich führn auf meiner Reisezum Verstehen viele Gleise.Zwischen Zärtlichkeit und Wutfasse ich zum Leben Mut.

Auf dem Weg zum Wunderbaren

Jetzt kurz den Atem anhalten. Schmecken. Riechen.Und: Ich will noch eine ganze Menge Leben.Eine ganze Menge Leben

Lange galt ich als der Prototyp des Unersättlichen, des Ungenügsamen, immer Rebellischen – und dies beileibe nicht nur in den einschlägigen Textzeilen meiner Lieder. Dieses nicht zu bändigende Verlangen, den Urgrund des Seins auszuloten, das Wunderbare wieder und wieder zu entdecken, dem Namenlosen, Numinosen auf die Spur zu kommen, treibt mich um, seit ich mein Wesen wahrzunehmen begann, und zwang mich fast mein ganzes Leben dazu, alle Seiten des Daseins bis zur Neige auszukosten. Ref 3

Nachdem ich mein liebevolles und freigeistiges Elternhaus nach einigen frühen Ausbruchsversuchen verlassen hatte, um mich mit Leib und Seele dem Beruf des Musikers und Poeten hinzugeben, hatte ich mich damit auch der Ekstase verschrieben. Ekstase als Möglichkeit, der Enge des Körpers – wenn auch nur kurzzeitig – zu entwachsen und sich verbunden zu spüren mit allem, was ist. Ich berauschte mich an der Dichtung von Gottfried Benn und der Musik von Gustav Mahler, dem Freiheitskampf von Che Guevara und den Filmen Fellinis, an Mädchen und Frauen und ihrem für mich damals so anderen und unerklärlichen Sein, berauschte mich am Wein ebenso wie am Denken, an Liebe und Tod, Auferstehung und dem heiligen Gral – ich habe in klaren Momenten gearbeitet, in benebelten gefeiert, manchmal auch umgekehrt, bin geschwebt und gefallen, habe mit der Realität gefochten und mich immer wieder in andere Welten und Wirklichkeiten katapultiert und dabei auch die verbotenen Früchte genossen. Ein pralles Leben, vielleicht etwas exzessiv gelebt, aber von der Idee her nichts Außergewöhnliches, wie ich glaube. Oft habe ich einfach das gelebt, was sich manch anderer insgeheim wünschte. Ein wohlwollendes Schicksal hat mir eine kräftige Konstitution mit auf den Lebensweg gegeben. Diesen Vorschuss habe ich oft schamlos ausgenutzt, aber ich habe mich nach Maßgabe dessen, was mir an Einsicht gegeben war, stets redlich bemüht, meine Seele nicht zu verraten. Immer war ich der Meinung, und das hat sich bis heute nicht geändert, dass Moral nur von Wert ist, wenn man sie in sich selbst entdeckt und als Wahrheit erfährt. Starren moralischen Geboten, welchen Systems auch immer, wollte und konnte ich mich nicht beugen.

Mittlerweile bin ich zwar weit weniger willens, mich in meine eigenen Abenteuer derart gefährlich zu verlieben wie früher, doch nach wie vor sind die schönsten, fast heiligen Momente die der Ekstase, in denen es mir gelingt, aus mir auszusteigen und von den Tönen kurz hinausgeschleudert zu werden in den Urzustand des Seins.

Erstmals erlebte ich dies als Knabe, als ich auf dem Boden unseres Wohnzimmers im Elternhaus lag und im Radio Beethovens Violinkonzert hörte. Etwas in mir passierte, das anders war als alles, was ich zuvor erlebt hatte. Es war das Gefühl, meinen Körper zu verlassen und mit den Klängen eins zu werden, einzigartige Minuten der Verzückung, die ewig zu dauern schienen. Töne und Farben verschmolzen und die ganze Welt schien aus Wellen und Schwingungen zu bestehen, auf denen ich frei von körperlicher Schwere durch das Weltall trieb.

Ich habe dieses frühe Erlebnis immer in meinem Herzen bewahrt und es waren diese wiederkehrenden Erfahrungen des Einsseins von Kindheit an, die mir zu einer selbstverständlichen Form von Spiritualität verholfen haben. Denn die Musik ist ihrem Wesen nach mystisch und drängt nach Vereinigung: der Vereinigung der einzelnen Töne in einer übergreifenden Harmonie. In den begnadeten Momenten auf der Bühne kann ich diese Einheit wieder spüren, es sind die Augenblicke, in denen Künstler und Publikum gleichsam zu einem gemeinsamen Körper, einer gemeinsamen Seele verschmelzen, in denen das Konzert zu einer großen Umarmung wird, einem Liebesakt, einer innigen Vereinigung.

Bild 6

Wenn das Konzert zum Liebesakt wird

Seine Fans schätzen den Sänger seit 40 Jahren für seine leidenschaftliche Bühnenpräsenz. Über seine Texte sagt er: »Zwischen meinem Leben und meinen Texten gab es lange Jahre einen großen Widerspruch. Das lag allerdings nicht daran, dass meine Texte nicht ehrlich empfunden gewesen wären. Vielmehr war meine Lebensweise nicht ehrlich.«

Das Mysterium des Lebens ist rational nicht erfassbar und nie und nimmer können wir es durch Denken ergründen. Wir können es ausschließlich im Raum des Nicht-Wissens, im Raum der Intuition erfahren. In diesem Raum – und das bestätigen alle großen Künstler und Wissenschaftler – finden die wirklich innovativen und die Welt verändernden Entdeckungen und Schöpfungen statt. Ich selbst weiß seit meiner Kindheit, dass ich meine schönsten Melodien und poetischen Verse nicht erdenken kann, sie fallen mir zu. Sie passieren dann, wenn ich die Ratio nicht zum Herrscher meiner selbst mache, sondern wenn dieses Selbst, das ich zu ergründen suche, in mir zu wirken beginnt. »Nichts ist erklärbar. Nur im Unsichtbaren lernen wir zu sehen«, schrieb ich deshalb in einer meiner Elegien.

So nützlich unser Verstand und unsere Rationalität auch sein mögen – wirklich weiter bringt uns einzig die Erfahrung. Lebendiges Wissen wird das seit alters genannt, gelebtes Wissen. Es ist nahezu unmöglich, Erfahrungen, die man in den Tiefen des Geistes und jenseits des Verstandes machen durfte, mit Worten, den Symbolen des Verstandes auszudrücken. Unser Denken ist zu allem Möglichen geschaffen, übrigens auch zu allen möglichen Grausamkeiten, doch es ist nicht dazu in der Lage, das Mysterium des Lebens und des Daseins zu begreifen.

Natürlich gibt es nun viele Menschen, die einem sagen: Was man nicht mit dem Verstand erfassen kann, gibt es nicht. Doch wer das Mysterium erfahren hat und zwar über andere Kanäle, der kann so eine Aussage nicht akzeptieren, denn er hat es ja erfahren.

Als Student fiel mir eines Tages in der Unibuchhandlung ein verstaubtes Buch mit dem Titel Auf der Suche nach dem Wunderbaren