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Einst galt die Einführung einer gemeinsamen Währung Ökonomen und Politikern als Garant einer rosigen Zukunft. Mit ihr sollten die immer wiederkehrenden Versprechen auf wirtschaftliche Prosperität, sozialen Wohlstand und solidarische Politik eingelöst werden. Doch der Euro wurde Instrument eines Schockprogramms zur Senkung von Löhnen und zum Abbau sozialer Leistungen. Als gemeinsame Währung diente er den stärksten Volkswirtschaften in einem Integrationsraum, dessen sozioökonomische Grundlagen außer der Währung nichts Gemeinsames hatten und haben. Er verschärfte die sozialen Unterschiede zwischen dem - deutschen - Zentralraum mit seinen strukturellen Exportüberschüssen und den schwachen Ländern Süd- und Südosteuropas. Deutschland drückt EUropa an die Wand. Und der Euro ist das Instrument dafür. Statt Prosperität, Wohlstand und Solidarität hat er Misstrauen, Elend und Entsolidarisierung gebracht. An ihm zerbricht die Europäische Union, wenn kein radikal anderer Weg beschritten wird. Worin eine solche Umkehr bestehen könnte und welche Rolle darin die Nationalstaaten spielen sollten, darum geht es im abschließenden Kapitel dieses Buches.
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Seitenzahl: 370
Stefan Hinsch/Wilhelm Langthaler Europa zerbricht am Euro
© 2016 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien
ISBN: 978-3-85371-834-6
(ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-402-7)
Fordern Sie unsere Kataloge an: Promedia Verlag Wickenburggasse 5/12 A-1080 Wien
E-Mail: [email protected] Internet: www.mediashop.at
Stefan Hinsch, geboren 1976 in Wien, studierte Geografie und Geschichte. Er arbeitet als Lehrer in Wien und hat langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung. Von ihm erschien bei Promedia (gemeinsam mit Pirmin Fessler) »Wie funktioniert Wirtschaft« (3., überarbeitete Auflage, Wien 2014).
Wilhelm Langthaler, geboren 1969 in Graz, studierte Philosophie und ist ausgebildeter Elektroingenieur. Er war führend an Initiativen gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien und gegen den US-Angriff auf den Irak sowie an Friedensinitiativen für Syrien beteiligt. Im Promedia-Verlag sind von ihm erschienen: »Ami go home« (2004, gemeinsam mit Werner Pirker) und »Befreiung weltweit« (2010).
Die Eurokrise ist ein tiefer Einschnitt. Sie stellt die Integration Europas unter Vorherrschaft der liberalen Eliten, so wie sie seit Mitte der 1980er-Jahre in Form des Binnenmarktes und der Währungsunion ins Werk gesetzt wurde, vor eine historische Zerreißprobe.
Noch vor wenigen Jahren genoss die Europäische Union die Unterstützung bedeutender Mehrheiten. Sie stand für mehr als bloß den europäischen Ausdruck des globalen neoliberalen Projekts. Sie verkörperte die Hoffnung auf gefestigte Demokratie, Prosperität und soziale Konvergenz (die Überwindung der großen Entwicklungsunterschiede) sowie eine stabile Friedensordnung für den Kontinent, der jahrhundertelang von zerstörerischen Konflikten geplagt worden war. Doch die europäistische Erzählung hat im letzten Jahrzehnt signifikant an Überzeugungskraft verloren, vor allem bei den unteren und mittleren Schichten und da insbesondere an der Peripherie, in den Ländern am Rande Europas – wo der soziale Niedergang und die politische Entmündigung am deutlichsten ihre Wirkung entfalteten. Politischer Kristallisationspunkt ist die zunehmende Ablehnung des von Deutschland dominierten Euro-Regimes, das nicht nur die Austeritätspolitik zu verewigen scheint, sondern auch autoritäre Züge annimmt, die Europa zu spalten drohen.
Der Kriseneinbruch 2007/08 war ein weltweites Phänomen und zeigt die Schwierigkeiten der Globalisierung an. Doch die Krise hat ein starkes selbstständiges europäisches Moment, das durch die Funktionsweise der Währungsunion verstärkt wurde und wird. Sie ermöglichte in der ersten Phase an der Peripherie einen beispiellosen Kreditboom, der mit der Weltwirtschaftskrise in eine ebenso extreme Depression umschlug, weiter vertieft durch die vom Zentrum verordnete Austerität. Die Analyse der verschiedenen Aspekte der bis heute akuten Eurokrise – mit dem Hauptaugenmerk auf die Wirtschaft – ist der eine Teil dieser Arbeit.
Wir gehen davon aus, dass die in Europa aufgestauten Widersprüche zu heftigen Konflikten zwischen Eliten und Subalternen sowie zwischen Zentrum und Peripherie führen werden – die griechischen Ereignisse sind Vorbote davon. Erstmals seit den 1980er-Jahren, als der keynesianistischen Sozialreform eine vernichtende Niederlage zugefügt wurde, werden die neoliberalen Institutionen ernsthaft infrage gestellt.
Das Ergebnis des heraufziehenden Zusammenstoßes ist offen. Bisher führte die Krise jedenfalls zur enormen Beschleunigung der supranationalen Zentralisierung unter der Kontrolle von Berlin und Brüssel. Auf der anderen Seite bildet sich seit geraumer Zeit eine vielgestaltige Tendenz zur Rückkehr zum Nationalstaat heraus, getragen vom Wunsch der unteren und mittleren Schichten, der Austerität ein Ende zu setzen und wieder politischen Einfluss zurückzugewinnen. Es zeichnet sich eine politische Alternative ab, die um die Begriffe Renationalisierung, Volkssouveränität, Demokratie, Umverteilung kreist. Die politischen Tendenzen der Krise zu analysieren, füllt den anderen Teil dieses Buches.
Weder können wir eine verlässliche Prognose über die Ergebnisse der Krise abgeben, noch wollen wir ein politisches Manifest entwerfen. Vielmehr geht es uns darum, die in der gegenwärtigen Realität angelegten Tendenzen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zu begreifen und freizulegen. Dies mag als Vorarbeit oder Grundlage zum politischen Handeln dienen. Darum legen wir auch kein akademisch-wissenschaftliches Buch vor, sondern versuchen uns in verständlicher Sprache an ein interessiertes Publikum zu wenden.
Gleichzeitig lehnen wir den Anspruch auf Objektivität in der Beschäftigung mit Gesellschaft ab, denn jeder ist in dieser ein interessenbehaftetes Subjekt. Wir bekennen uns zu den Interessen der Subalternen, der Mehrheit, und definieren diese als Willen zur Emanzipation im umfassenden Sinn: von der politischen Demokratie, über die soziale Gerechtigkeit in Richtung größerer Gleichheit bis hin zur kulturellen Selbstbestimmung – in dieser Tradition bedienen wir uns einer historisch-kritischen Methode.
Dabei verwenden wir nicht nur den oppositionell-heterodoxen (abseits der herrschenden Lehre gelegenen) volkswirtschaftlichen Begriffsapparat, sondern setzen immer wieder auch an jenem des orthodoxen Mainstreams an – auch weil er durch seine Wirkungsmacht Teil der herrschenden Realität ist.
Der Ansatz, Gesellschaft als etwas zu Gestaltendes zu verstehen, darf sich nicht auf eine der akademischen Disziplinen beschränken, sondern muss diese querbeet kombinieren und die künstlichen Demarkationen einreißen: Wirtschaft, Soziologie, Geschichte, Politik, Kultur, Ideologie, Methodologie usw. Wir versuchen das und wählen in der Darstellung sowohl eine historische als auch eine systematische Struktur, die sich abwechselt und unterbricht. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass zwei Autoren für einen monographischen Text verantwortlich zeichnen.
Einige Themen mögen Leser vermissen, wenn es um grundsätzliche andere Sichtweisen oder Entwicklungsoptionen geht:
Da sind einmal die alternativökonomischen Ansätze, denen gemeinsam ist, dass sie den Staat als Werkzeug der Gesellschaftsgestaltung links liegen lassen. »Jenseits des Staates« nannte das die Antiglobalisierungsbewegung im Gefolge der mexikanischen Zapatisten in den 1990er-Jahren. Mittlerweile sollte klarer sichtbar geworden sein, dass dem Staat jedenfalls eine zentrale Rolle zukommt, dass Politik sich im Kern um staatliche Macht dreht.
Im weitesten Sinne damit verwandt ist die Wachstumskritik, der wir in wichtigen Aspekten folgen können – die jedoch zu Verallgemeinerungen neigt. Unser Anliegen ist eine gerechtere und gleichmäßigere Verteilung, was in einigen Bereichen Wachstum erfordert. Zudem kennt der Kapitalismus keine stationären oder linearen Zustände, sondern bewegt sich in Form von sich selbst verstärkenden dynamischen Schwingungen nach oben wie nach unten.
Was Geld ist, stellt ein Thema für sich dar und kann im Rahmen dieses Buches nur gestreift werden. Die Zinskritik ist so alt wie die Zivilisation, bereits Gegenstand von Bibel und Koran und tendiert zur Esoterik. In diesem Buch sind Geldpolitik sowie Zinsentwicklung ein zentrales Thema, sie werden aber nicht schlechthin betrachtet und auch nicht als wesentliche Ursache der Misere.
Bisher vermochte der (neo)liberale Kapitalismus seine ideologische Hegemonie weitgehend zu verteidigen. Doch die Euro-Krise drängt vor allem in Südeuropa nach Alternativen, unter denen sich auch neo-sozialistische anbieten. Die Konfrontation mit dem Zentrum und die Möglichkeit des Bruchs haben solche Varianten wieder auf das Tapet gebracht.
Wir befassen uns mit diesen aber nur in den allerersten, heute konkreten Schritten, denn alles Weitere würde zuerst eine Auseinandersetzung mit dem Scheitern des Sozialismus im Osten voraussetzen, die hier nicht geleistet wird.
Politisch-konkret drängt sich gegenwärtig eine an Nationalstaaten gebundene Politik des bewussten gesellschaftlichen Eingriffs, der Umverteilung, der Kontrolle des Finanzsektors und der Wirtschaftssteuerung auf, für den nicht nur die am unteren Ende eintreten, sondern selbst einige in höheren Etagen – mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen. Solche Ideen greifen zurück auf Ansatzpunkte des Nachkriegskeynesianismus. Bis in die 1970er-Jahre beeinflussten sie unter völlig anderen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen Teile der Wirtschaftspolitik. Heute würde diese Alternative einen tiefen Bruch mit der gegenwärtigen Herrschaft erfordern, mit enormen Konsequenzen.
Wir wollen allen danken, die das Manuskript gelesen und uns mit Hinweisen geholfen haben – und insbesondere Albert F. Reiterer, der unsere Arbeit ausführlich kritisierte und damit verbesserte.
Stefan Hinsch/Wilhelm LangthalerWien, im Jänner 2016
Die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg war total. Wie der britische Historiker Eric Hobsbawm ausführte, beendete sie die bipolare Organisation des kapitalistischen Weltsystems aus anglosächsisch geführter Entente und deutscher Achse und den damit verbundenen Kampf zweier Zentren, der den Ersten mit dem Zweiten Weltkrieg verband und zu einem einzigen Konflikt um die Vorherrschaft machte. Der Kapitalismus hat seit damals sein unumstrittenes Zentrum in den USA gefunden.
Der alte Konflikt im eigenen Lager wurde jedoch nach Beendigung des Krieges durch einen neuen besonderer Art überlagert, jenen mit der Sowjetunion, die den Anspruch auf die Überwindung des Kapitalismus stellte. Die UdSSR repräsentierte nicht nur die globale kommunistische Bewegung, sondern stand auch in enger Verbindung mit den antikolonialen Bewegungen und Modernisierungsversuchen an der Peripherie – obwohl diese Beziehung oft auch von Konflikten geprägt war.
Während des Krieges war in den USA noch der Morgenthau-Plan kursiert. Der US-Finanzminister Henry Morgenthau hatte 1944 den Vorschlag zur Deindustrialisierung Deutschlands lanciert, der sich allerdings schon damals im US-Staatsapparat nicht durchzusetzen vermochte, weil er der fortgesetzten Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bedurft hätte.
Der Vormarsch der Roten Armee bis nach Berlin ins Herz Europas stellte Washington vor eine völlig neue Situation, zumal die Kommunisten als stärkste Kraft des antifaschistischen Widerstands in vielen westeuropäischen Ländern tiefe Wurzeln geschlagen hatten. Während Paris ein neues Versailles vorschwebte und Deutschland mittels Reparationen für die Verbrechen der Nazis zahlen lassen wollte, befand sich Washington schon in der Schwebe zwischen der Fortsetzung der Anti-Hitler-Koalition gegen Deutschland und dem aufziehenden Kalten Krieg. Erst mit der 1947 verkündeten Truman-Doktrin avancierte die Sowjetunion zum neuen Hauptfeind und die amerikanische Politik wurde dem Ziel ihrer Bekämpfung untergeordnet.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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