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Moderne Fabeln und märchenhafte Geschichten von großen und von kleinen Tieren machen dieses wunderschön illustrierte Buch zu einem kurzweiligen Vergnügen für Kinder und Erwachsene.
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Seitenzahl: 89
„Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.“
Albert Schweitzer 1875 - 1965
Für Georg, Janina und Isabella
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Diethelm Kaminski für seine so hilfreiche Unterstützung
Der gefangene Löwe und die freie Ameise
Der hohe Turm
Der Pfau
Der Hahn, der recht hatte
Die schwere Entscheidung
Die Spinne und der Gepard
Die stolze Ratte
Der kleine Marienkäfer
Der Elefant und die Maus
Der weise Uhu
Zwei Schafe und ein Wolf
Der Igel und der kleine Hund
Als die Tiere neidisch wurden
Warnungen
Wer Korn sät, wird Korn ernten
Dem Frieden zuliebe
Lieber guter, böser Wolf
Pferd, Esel und Zebra
Die langsame Schnecke
Der Krebs und das Meer
Ein dicker Fisch als Kritiker
Der Regenbogen
Die Gepardin
Das Paradies der Tiere
Die wilde Wölfin
Der Knochen
Das Unglück des kleinen Wurmes
Die Mörderschlange
Hasen und Igel
Frosch und Spinne
Der Pinguin
Der arme Hase
Die zwei Raben
Schöner starker Gepard
Adler und Schlange
Der Fuchs und die Gans
Von großen und von kleinen Tieren
Mäusejagd
Der griesgrämige Hai und der fröhliche Tintenfisch
Jaguarland
Gutes Lämmchen, böser Wolf
Der Hirte
Die Katze
Die Königswahl
Herr und Hund
Der Horizont
Der Hengst und die Blume
Die blauen Glockenblumen
Maus und Maus
Ein großer, starker Löwe hatte sich in einem Netz verfangen und war völlig hilflos. Das bemerkte eine Ameise.
„Ha“, rief sie dem Löwen schadenfroh zu, „ihr großen Tiere, was seid ihr stolz auf euch, weil ihr glaubt, so großartig zu sein. Ihr denkt, alle schauen immer zu euch auf. Genau deshalb werdet ihr aber gefangen. Die Bewunderung, die man euch Löwen entgegenbringt, musst du jetzt mit deiner Freiheit teuer bezahlen. Uns Ameisen beachtet keiner, und deshalb bleiben wir frei. Niemand nimmt uns unsere Freiheit. Deshalb sind wir
Ameisen die eigentlichen Könige der Welt und nicht ihr Löwen. Ganz sicher möchtest du in diesem Moment nichts anderes sein, als eine winzige kleine, aber so freie Ameise wie ich. Wie musst du mich beneiden.“ Die kleine Ameise stemmte stolz vier ihrer Füße in die Hüfte, strahlte über das ganze Gesicht und blickte dem Löwen triumphierend in die Augen.
Der Löwe blieb stumm. Er hatte sie gar nicht bemerkt.
Obwohl die Maus sehr stark und sehr selbstsicher war, hatte sie doch Angst vor diesem und jenem und vor der Katze im Besonderen. Eines Tages glaubte sie, sie sei weise geworden. Sie beschloss deshalb, einen hohen Turm zu bauen, der so hoch und so speziell gebaut wäre, dass die Katze sie nicht würde fangen können und von dem aus sie auf alle anderen Mäuse herabsehen könnte. Sie würde jede Menge Nahrungsvorräte ganz hoch oben im Turm verstecken, denn dort wollte sie in Sicherheit alt werden. Von dort oben würde sie nie wieder hinabsteigen.
Sie suchte sich also einen geeigneten Baugrund und schleppte in jeder freien Minute Kies, Sand, Steine und Lehm zu ihrer Baustelle. Die Maus ließ es nicht zu, dass man ihr half, denn es sollte ihr Turm werden, ganz allein ihr Turm.
Und er wuchs. Einmal, zweimal, zehnmal höher als sie selbst groß war. Sie lobte sich sehr und bemerkte gar nicht wie alt sie inzwischen geworden war und wie sehr sich ihre Gelenke durch die schwere Arbeit verschlissen hatten.
Alle Mäuse der Umgebung kamen, um den fertigen Turm zu bewundern. Er war wirklich höher als alle Mausebauwerke, die sie bisher gesehen hatten.
Die Baumaus setzte sich nun endlich zur Ruhe und genoss die Bewunderung ihrer Mäusefreunde, die sich fast die Hälse verrenkten, um sie dort oben auf den Burgzinnen zu entdecken. Alle beneideten sie um den so katzensicheren Turm.
Eines Tages aber kam ein Storch des Weges. Er sah den Turm und die Maus dort oben auf der Turmspitze. Da er keinen Hunger hatte, bekam er Mitleid, als er sie so ungeschützt oben auf dem Turm sitzen sah. Er wollte ihr helfen. Also fasste er sie vorsichtig am Kragen und setzte sie ganz zart nach unten auf die Erde, wo gerade all die Mäuse, die so voller Bewunderung gewesen waren, davonstoben. Es war wirklich, wirklich gut, dass der Storch keinen Hunger hatte.
„Schau, wie der wieder auf dem Hof auf und ab geht, wie er das Rad so weit schlägt, und wie er seine Federn zur Sonne dreht, damit sie auch besonders schön gleißen, der Angeber.“ Wispernd wichen die Tiere des Hofes vor dem Pfau aus und machten ihm den Weg frei. Insgeheim brachten sie ihm neben dem Neid aber auch Bewunderung entgegen. Man schwieg, wenn er sich näherte, so schön, so stolz und so unnahbar war er.
Dem Pfau taten die Blicke der anderen weh, aber er wusste eigentlich gar nicht, warum, denn er konnte sein eigenes Rad ja nicht sehen. Viel lieber als hier herumzustolzieren, würde er morgens mit den Hähnen auf dem Mist stehen und tagsüber die Hennen ärgern.
Das wäre sicher ein lustigeres Leben als das, das er gerade führte. Dann hätte er Freunde und könnte Quatsch machen, aber er traute sich nicht.
Und wenn er es doch einfach mal täte? Er zögerte und überlegte hin und her, ob er es nicht wenigstens einmal probieren sollte, so fröhlich zu sein und denselben Unsinn zu machen wie all die anderen Tiere auf dem Hof.
Eines Tages traute er sich doch. Er rannte los, hoch hinauf, bis auf die Spitze des Misthaufens, auf dem sonst nur die Hähne krähten. Er spritzte sich dabei mit Dreck voll, und seine Pfauenschleppe schleifte über den Mist. Er ärgerte die Hennen und versuchte Spaß dabei zu haben. Aber die Hähne und Hennen waren bloß befremdet, ja erschrocken. „Das passt einfach nicht zu diesem Pfau“, dachten sie. Sie lachten erst leise über ihn, dann immer lauter und schließlich trieben sie sogar Spott mit ihm. „Du bist ja ganz dreckig, man erkennt ja gar nicht, dass du ein Pfau bist, du kannst ja gar kein Rad mehr schlagen, so viel Mist klebt in deinen Federn,“ riefen die Hühner und Hähne ihm zu.
Da erwachte der Pfau, wie aus einem bösen Traum. Er besann sich und war noch unglücklicher als je zuvor. Er weinte bitterlich, und seine Tränen wuschen sein Gefieder wieder sauber. Es dauerte eine Weile, dann hatte es die Sonne getrocknet. In einem Spiegel betrachtete er sich und er sah, was für ein wunderschönes Rad er schlagen konnte. Blitzeblank und glänzend schritt er erneut über den Hof. Das Lachen der anderen Tiere über ihn hatte aufgehört, sie wichen wieder vor ihm zurück, wie sich das gehört, wenn ein so großer, grün schillernder Pfau, majestätisch über den Hof schreitet.
Seit er es einmal probiert hatte, so zu sein wie die anderen, war der Pfau nicht mehr neidisch auf die Hähne oder die Hühner. Seit diesem Tag machte es ihn fröhlich, so zu sein, wie er war. Jetzt fühlte sich nichts mehr falsch an. Er atmete erleichtert auf, schlug ein Rad, spazierte über den Hof, und er fand, dass er ein wunderschöner Pfau sei. Alle anderen fanden das auch.
Ein Hahn geriet in die Mitte eines Wolfrudels. Als er die gierigen Augen der acht hungrigen Wölfe auf sich gerichtet sah, begann er vor Angst laut zu schreien und flehte um sein Leben.
„Bitte“, rief er zum Leitwolf hinüber, „was haben acht hungrige Mäuler und Mägen von mir, wenn ihr mich jetzt fresst? Nur Ärger! Es wird bloß der Appetit jedes einzelnen von euch Wölfen angeregt, wenn ihr mich gegessen habt. Ich kleiner Hahn werde nur Ärger, Streit und Missgunst unter euch heraufbeschwören. Alle werden sich mit denen raufen, die gerade ein kleines Stückchen von mir erwischen. Wegen mir werdet ihr euch gegenseitig verletzen und zerfleischen. Guckt mich doch an, lohnt sich das? Niemand von euch wird satt werden, wenn ihr mich jetzt unter euch aufteilt“, und der Hahn jammerte und lamentierte immer lauter. Man solle barmherzig mit ihm sein, ob Wölfe gar kein Herz hätten, und solche Sachen rief er ihnen entgegen.
Alle Wölfe sagten zueinander, dass der Hahn wirklich recht hätte.
Besonders dem Leitwolf, der ein vernünftiger Wolf war, leuchteten die Argumente des Hahnes ein. Und weil er den vorausgesagten Streit vermeiden wollte, schickte er all die anderen Wölfe fort. Dann waren er und der Hahn alleine, und der Wolf aß den Hahn zum Abendbrot.
So kam es, dass der Hahn recht hatte und auch unrecht, denn einer war ja satt geworden. Dennoch hatte ihm all sein Handeln letztlich leider nichts genutzt.
Ein Kamel stand in der Wüste mitten auf einer Kreuzung und überlegte, ob wohl der linke oder rechte Weg der richtige Weg zum Wasser der Oase sei. Es dachte nach, zermarterte sein Gehirn, zögerte und haderte mit dem schlimmsten aller Schicksale, denn es würde verdursten, wenn es jetzt den falschen Weg einschlagen würde. Es lamentierte laut und klagend mit allen arabischen Wörtern, die ihm einfielen. Dabei wuchs sein Durst und damit die Angst zu sterben.
Da sprang ein Eselfohlen vorbei. „Was schreist du denn so, Kamel?“, fragte es. „Oh“, jammerte das Kamel, wenn ich den falschen Weg einschlage, „dann bin ich noch weiter vom Wasser entfernt, als ich es jetzt hier bin, das wäre so furchtbar, oh, welchen Weg soll ich bloß nehmen?“ und es zog seine Stirne ganz kraus.
„Du hast doch genügend Kraft wenigstens einen der Wege zu versuchen, probiere doch einfach einen der beiden Wege aus“, sagte der kleine Esel.“ Aber das könnte doch der falsche sein“, rief das Kamel verzweifelt und dann wäre ich doppelt so weit von der Wasserstelle weg. Ja, könnte“, sagte das Eselfohlen, „es könnte doch aber auch der richtige sein. Du musst doch wenigstens einen Weg ausprobieren. Wenn du hier in der Wüste stehen bleibst, dann verdurstest du ganz sicher.“ Dann rannte es wieder zu seiner Mutter zurück. Das Kamel blickte ihm unentschlossen nach und sah, dass in der Ferne die Mutter auf den kleinen Esel zukam.
Anschließend legte es sich auf die Seite überlegte nochmal und nochmal ob man zum Wasser besser nach rechts oder nach links gehen müsste.
Schließlich verschied es mit diesen kreisenden Gedanken, mitten auf der Kreuzung.