Fading Lights - Esther Grace - E-Book

Fading Lights E-Book

Esther Grace

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Beschreibung

Sie fährt gern schnelle Rennen. Er ist Polizist und macht Jagd auf Raser. Eine explosive Kombination. April liebt den Nervenkitzel. Wenn das Adrenalin bei einem illegalen Motocross-Rennen auf einsamen Landstraßen durch ihren Körper rauscht, fühlt sie sich völlig frei. Bis zu dem Tag, als sie von der Oklahoma Highway Patrol nach einer hitzigen Jagd geschnappt wird. Sie trifft auf Polizist Julien, der froh ist, der Raserei ein Ende zu bereiten. Er will April ins Gewissen reden, doch die zeigt sich nur genervt von so viel Spießigkeit. Was April jedoch nicht weiß: Vor Jahren hat Julien einen geliebten Menschen bei einem schrecklichen Unfall verloren. Seitdem ist in seinem Leben nichts mehr, so wie es war. Dabei ist er früher selbst Motocross gefahren und das Feuer in Aprils Augen weckt bei ihm alte Erinnerungen …   

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Fading Lights

Esther Grace, geboren 1979, interessierte sich bereits seit ihrer Kindheit neben dem Schreiben für alles Märchenhafte, Fantastische und Gruselige. 2015 kam ihr dies zugute, als sie nach einigen Kurzgeschichten ihren ersten Roman im Bereich Romantasy veröffentlichte. Es folgten weitere Bücher mit und ohne Fantasy, aber immer mit viel Gefühl. Des Weiteren liebt die Autorin Katzen, Katzen und Katzen und arbeitet neben ihrem Hauptjob in einer Musikschule ehrenamtlich im Tierheim.

Sie fährt gern schnelle Rennen. Er ist Polizist und macht Jagd auf Raser. Eine explosive Kombination.

April liebt den Nervenkitzel. Wenn das Adrenalin bei einem illegalen Motocross-Rennen auf einsamen Landstraßen durch ihren Körper rauscht, fühlt sie sich völlig frei. Bis zu dem Tag, als sie von der Oklahoma Highway Patrol nach einer hitzigen Jagd geschnappt wird. Sie trifft auf Polizist Julien, der froh ist, der Raserei ein Ende zu bereiten. Er will April ins Gewissen reden, doch die zeigt sich nur genervt von so viel Spießigkeit. Was April jedoch nicht weiß: Vor Jahren hat Julien einen geliebten Menschen bei einem schrecklichen Unfall verloren. Seitdem ist in seinem Leben nichts mehr, so wie es war. Dabei ist er früher selbst Motocross gefahren und das Feuer in Aprils Augen weckt bei ihm alte Erinnerungen …   

Esther Grace

Fading Lights

Ride for Love

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Dezember 2023 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-739-9

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Leseprobe: Racing for You

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

»Sechs, fünf, vier!« Dusty zählt den Countdown herunter. Unter mir vibriert mein Motorrad, mein Herz schlägt so schnell wie beim ersten Mal. Ich rieche das Benzin, schmecke förmlich die feuchte Erde. Um mich herum dröhnen die Motoren, die Luft zittert vor Spannung. Tropfen klatschen gegen mein Visier, und ich wische sie schnell mit dem Handschuh weg.

»Das wird 'ne Schlammschlacht!« Rechts von mir hebt Eagle den Daumen. Sein Visier steht offen, sodass ich sein breites Grinsen sehen kann.

Ich nicke ihm zu und blicke wieder nach vorn zu der braunen Brühe in den Pfützen. In meinem Magen kribbelt es, als ich daran denke, wie die Reifen meiner Honda gleich durch sie hindurchgleiten werden. Ich rutsche unruhig umher, schließe meine Hände fester um den Lenker.

»Denkt daran, Leute, wenn etwas schiefläuft, ist jeder auf sich allein gestellt.« Dustys Stimme schallt durch die Baugrube. Dunkle Haarsträhnen kleben an seiner Stirn. Er sieht aus wie eine nasse Katze in einem viel zu großen Hoodie.

»Ja, schon klar, wie immer.« Rose lässt den Motor ihres Dirt Bikes aggressiv aufheulen. Jeder von uns kennt die Regeln.

Dusty hebt die schwarze Startflagge mit dem Totenkopf. Der Schädel grinst mich an und ich grinse zurück, denn irgendwie sind wir genau das: gesetzlose Piraten.

»Drei, zwei, eins, Start!« Die Flagge fällt, Dusty bringt sich mit einem Sprung in Sicherheit und ich drehe das Gas auf. Adrenalin pumpt durch meine Adern, die Maschine vibriert stärker und schießt nach vorn. Das ist der Moment, für den ich lebe. Ich setze mich sofort an die Spitze, Rose bleibt dicht hinter mir. In meinem Augenwinkel rutscht Fly mit seiner Kawasaki über den Boden. Ich habe jedoch keine Zeit zu überlegen, ob er verletzt ist, denn vor mir taucht Carlos auf – der Neue. Er ist heute erst zum zweiten Mal dabei, aber legt sich in die Kurven, als würde er das hier schon ewig machen. Der Mann ist gut, aber ich bin besser.

Kopf an Kopf heizen wir nebeneinanderher. Der Regen fällt stärker, lässt die Baugrube hinter einem Schleier verschwinden, aber ich kann es fühlen: Das Ziel liegt direkt vor mir.

Carlos versucht, mich zu überholen, doch diesen Sieg werde ich ihm nicht überlassen. Friss meinen Staub! Ich drehe erneut auf. Mein Bike schlingert durch den Schlamm, ich komme einem der Autos, die am Rand der Grube parken, gefährlich nah. Ein kollektiver Aufschrei geht durch die Zuschauerreihen, doch ich reiße den Lenker im letzten Moment herum. Ich rutsche zurück in die Spur und ziehe an Carlos vorbei, der mir nur noch hinterhersehen kann.

Miranda steht im Ziel, das Gesicht liegt im Schatten ihrer Kapuze. Sie springt auf und ab und schwenkt dabei eine rote Fahne. Noch fünf Meter. Ich verlagere das Gewicht nach rechts und lege mich in die Kurve. Mein Knie streift den Sand. Direkt hinter mir ist Carlos, aber der holt mich nicht mehr ein.

Plötzlich breitet sich ein widerlicher, an – und abschwellender Ton über der Grube aus, immer lauter, immer näher. Sirenen! Ich trete auf die Bremse. Zwei Meter vor dem Ziel kommt die Honda zum Stehen, und ich reiße mir den Helm vom Kopf.

»Die Bullen!« Die Flagge segelt aus Mirandas Hand hinab in eine Pfütze. »Scheiße!«, fluche ich. Warum gerade jetzt? Ich wische mir den Regen aus den Augen. Hinter den Bäumen am Rand der Grube blinkt schon das blaue Licht. Um mich herum bricht Panik aus, Menschen rennen zu ihren Autos, Türen knallen, Motoren starten. Vereinzelt erklingt aber auch Gelächter und mein Herz schlägt unvermittelt schneller, denn ein Teil von mir liebt dieses Katz-und-Maus-Spiel ebenfalls. Ich denke nicht länger an den vergebenen Sieg, sondern gebe meiner treuen Honda die Sporen. Sie schießt sofort los, Sand und Wasser spritzen zu allen Seiten. Leicht kopflos folge ich den Flüchtenden aus der Grube hinaus Richtung Norden. Ich muss mich irgendwie zum Highway durchschlagen.

Nach wenigen Metern führt der Pfad steil bergauf, ich springe ab, um zu schieben. Erst oben an der Böschung halte ich erneut an. Der Abend ist inzwischen hereingebrochen und über den Bäumen scheint der Himmel in Flammen zu stehen. Dazwischen ballen sich düstere Wolken und immer noch treffen vereinzelte Tropfen mein Visier. Ich verziehe den Mund. Die Sirenen machen mich wahnsinnig! »Raven, was ist? Worauf wartest du?« Fly kommt wie ich schiebend die Böschung hinauf. Kaum, dass er den Rand der Grube erreicht hat, springt er in den Fahrersitz und gibt Gas. Er scheint zum Glück unverletzt, trotzdem spüre ich den Anflug eines schlechten Gewissens. Ich hätte früher nach ihm sehen sollen. Aber ich musste ein Rennen gewinnen.

Er winkt mir, ihm zu folgen. Die anderen Rennteilnehmer haben sich bereits in alle Himmelsrichtungen verstreut. Auch ich sollte endlich Land gewinnen und springe auf die Honda. Mein Bike rattert über den Rasen. Bloß weg hier! Sobald wir den Highway erreichen, haben die Bullen keine Chance mehr.

Kurz vor der Straße hole ich zu Fly auf. Mit einem weiteren Wink gibt er mir zu verstehen, dass wir in Richtung Whitefield fahren. Ich bin einverstanden. Unter mir gleitet die Straße im Scheinwerferlicht hinweg, schwarz und glänzend. Die Sirenen werden allmählich leiser und verstummen schließlich ganz, während mein bester Freund und ich wie zwei Outlaws im Wilden Westen in den Sonnenuntergang fahren. Ich grinse unter meinem Helm. Niemand legt sich mit Fly und Raven an.

Wir erreichen die Brücke über den Canadian River. Unter ihr, angeheizt vom Regen, rauscht der Fluss durch sein Bett. Ich werde langsamer. Es ist verboten, mit dem Dirt Bike auf der Straße zu fahren, und die Highway Patrol ist sowieso schon schlecht auf uns zu sprechen. Sie haben sogar einen Namen für uns: Motocross-Idioten. Manchmal denke ich, es könnte etwas Wahres dran sein, denn einige von uns würden fast alles für den Kick tun.

Fly, der noch immer vor mir fährt, winkt mir erneut mit seinem Handschuh. Sofort danach lenkt er die rote Kawasaki auf den Standstreifen, stellt den Motor aus, steigt ab und lehnt sich gegen die Brüstung. Ich tue es ihm gleich. Hinter uns stehen unsere Räder wie zwei treue Reitpferde. Der Sonnenuntergang spiegelt sich im Wasser, am rechten Uferrand erhellen Lampen das Gelände der Abwasseranlage. »Malerisch«, sage ich.

Flys blondes Haar ist zerwühlt und sein Schutzanzug mit Schlamm benetzt. Er lächelt mich an. »Was für ein geiler Abend. Ist es nicht schön, am Leben zu sein?«

Ich schiebe mir eine verfilzte Locke aus der Stirn und schweige. Stumm gebe ich ihm recht: Nie habe ich mich lebendiger gefühlt als jetzt gerade auf dieser schwach beleuchteten Landstraße.

»Und diese Luft!« Fly atmet tief ein. »Und diese Stille!«

Ein Lastwagen rauscht hinter uns vorbei. Ich drehe mich schnell weg, doch zu langsam; der Fahrtwind bläst mir die Abgaswolke direkt ins Gesicht. Mein Hals kratzt, und ich huste in meine Hand. »Ja, beides ist wirklich überwältigend.«

»Witzig.« Fly gibt mir einen leichten Knuff gegen den Oberarm.

»Warum hast du eigentlich angehalten?«, frage ich. »Ich muss morgen früh raus, ich habe Training.« Ich gähne hinter vorgehaltener Hand.

»Apropos Training«, sagt Fly. »Ein Vogel hat mir gezwitschert, dass jemand gerade an Mad Hatters One-handed Superman arbeitet.«

»Das stimmt, und es läuft gut.« Stolz schwingt in meiner Stimme mit.

»Mad Hatter war eine Legende.«

Das weiß ich selbst, jeder weiß das. Er war der beste Motocross-Fahrer, den Oklahoma je gesehen hat. Dementsprechend tief sind seine Fußstapfen.

»Fly, was willst du?«

Plötzlich wirkt er nicht mehr so entspannt. Er fährt sich mit der Hand über den Nacken, wie immer, wenn er nervös ist.

»Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen.« Fly redet weiter, jedoch kann ich seinen Worten nicht folgen, weil ein seltsames Flackern auf der anderen Seite des Flusses mich ablenkt. Ein Gewitter? Nein, das kann nicht sein, es regnet nicht mehr und der Himmel ist nicht einmal mehr bewölkt.

Eine Hand erscheint vor meinem Gesicht und bewegt sich rhythmisch von einer Seite zur anderen. »April? Hörst du mir zu? Hallo?«

Fly benutzt meinen richtigen Namen nur wenn er aufgebracht ist, trotzdem höre ich kaum hin, denn das Flackern kommt näher. »Was ist das da hinten?«

»Wo?« Sein Blick folgt meinem ausgestreckten Finger zum anderen Ufer. Ich glaube, in der Ferne ein leises Heulen zu vernehmen. Unvermittelt weicht die Farbe aus Flys Gesicht. »Das sind die Bullen! Ich dachte, die hätten aufgegeben.«

Tatsächlich kommen nun mehrere Wagen der Highway Patrol auf der anderen Seite des Flusses auf die Brücke zu. Scheiße, das ist nicht gut. »Raven, wir müssen hier weg!«

Fly springt auf seine Kawasaki. Er lässt den Motor aufheulen, reißt sie rüde herum und rollt auf die Straße. Ich stehe da wie ein Reh, hypnotisiert vom Scheinwerferlicht, unfähig, mich zu rühren. Wie haben sie uns gefunden? Wir waren uns doch sicher, dass uns niemand gefolgt ist.

»April, beweg dich!« Flys Stimme überschlägt sich. Die Polizei hat die Brücke schon überquert. Ich zähle zwei Wagen, die mit heulenden Sirenen durch den Gegenverkehr auf uns zurasen. Es sind nicht mehr viele Autos unterwegs, die ihnen ausweichen und am Straßenrand zum Halt kommen müssen. Hinter mir lässt Fly erneut den Motor aufjaulen, ich zögere nicht länger und sprinte los. »Wir sehen uns am Treffpunkt!«, ruft er mir zu und rauscht davon. Schnell sitze ich ebenfalls auf, drehe am Starter und warte auf das vertraute Schnurren, doch nichts passiert. Ich starte noch einmal und noch einmal. »Das darf nicht wahr sein!« Schweiß sammelt sich auf meiner Stirn, mir ist so heiß, als würde es in mir brennen. »Komm schon«, flehe ich meine Maschine an. »Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen.«

Beim nächsten Versuch reagiert der Motor endlich. Ich stoße einen Jubelschrei aus und lenke die Honda auf die Straße.

Sekunden später trete ich hart auf die Bremse. Mein Brustkorb schleudert gegen das Lenkrad und schnürt den Schrei ab, der auf meinen Lippen liegt. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich in das flackernde Blaulicht des Polizeiwagens, der mir den Weg versperrt. Die Fahrertür geht auf, ein Polizist steigt aus und umrundet ohne Eile das Fahrzeug. Mit leicht gespreizten Beinen kommt er vor mir zum Stehen, die Daumen verhakt in seinem Waffengurt. »Na? Wen haben wir denn da?«

Mit kalten, eisblauen Augen blickt er auf mich herab, sein braunes Uniformhemd spannt sich über seiner breiten Brust. Für eine Sekunde schrumpfe ich in mich zusammen, dann kehrt mein Selbstbewusstsein zurück.

»Das geht Sie nichts an.« Ich sehe mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch auch hinter mir wird die Straße von Polizeiwagen blockiert. So ein Dreck! Wie ein Tier sitze ich in der Falle.

Der Mann hebt die Augenbrauen. »Ausweis und Zulassungspapiere, bitte. Wenn Sie überhaupt welche für das Ding haben.« Er deutet auf mein Bike.

Ich lache auf. Niemals gebe ich ihm meine Papiere. Wenn Peter herausfindet, was ich in meiner Freizeit treibe, wirft er mich sofort aus dem Team.

»Nein«, sage ich bestimmt.

»Nein?« Er legt die Stirn in Falten. »Wir können das auch gerne auf der Wache bereden.«

Mein Herz trommelt hart gegen meine Brust. »Ich denke nicht.«

Auf einmal ist mein Kopf vollkommen leer und ehe ich es mich versehe, befinde ich mich nicht mehr auf dem Standstreifen, sondern auf der Straße. Ich sprinte über den nassen Asphalt auf die Lücke zwischen Polizeiwagen und Fahrbahnbegrenzung zu. Während ich renne, werden um mich herum Stimmen laut, aber ich wäre verrückt, jetzt stehen zu bleiben.

Auf Höhe der hinteren Tür des Polizeiwagens höre ich schnelle Schritte hinter mir. Auch ich werde schneller, bis mich ein Schlag in den Rücken trifft. Ich schreie auf, kippe strauchelnd nach vorn. Die Straße kommt immer näher, doch kurz bevor ich aufschlage, umschlingen zwei Arme meine Taille. Ein Ruck geht durch meinen Körper, jemand zieht mich nach oben. »Sie wollen es wohl auf die harte Tour?«

Warm streicht der Atem des Polizisten über mein Ohr und ich erschaudere. Ich versuche, mich aus seiner Umarmung zu winden, aber sein Griff ist eisern. »Lassen Sie mich los!«

»Vergiss es, ihr Motocross-Idioten macht uns schon lange genug Ärger. Es wird Zeit, dass wir euch ganz aus dem Verkehr ziehen, und du bist die Erste.«

Seine linke Hand verschwindet von meiner Taille, mit dem rechten Arm hält er weiterhin meinen Oberkörper fest umklammert. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er die hintere Wagentür öffnet. Das ist meine Chance! Ich mache einen kleinen Schritt nach vorn und lasse meinen schweren Motorradstiefel auf seinen Fuß krachen. Der Polizist stößt ein Grunzen aus, schüttelt sich kurz und wirbelt mich dann herum, sodass mein Gesicht nun zum Wagen zeigt. »Rein da!«

Nein! Er steht direkt hinter mir und drückt mich gegen die Fahrertür. Seine rechte Hand liegt oberhalb meiner Brust. Ich beuge meinen Kopf so weit es geht hinunter und versenke meine Zähne in seiner Haut. Dieses Mal ist er es, der schreit. Grinsend ziehe ich mich zurück, er atmet schwer. »Punkt zwei, Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das wird teuer, Lady!«

Er packt mich am Nacken und drückt meinen Oberkörper nach unten. Handschellen klicken um meine Gelenke, ich werde in den Wagen geschoben und lande mit dem Gesicht voran bäuchlings auf der Rückbank. Hinter mir knallt die Tür zu. Es klingt so endgültig, dass mir Tränen in die Augen schießen.

Der Polizist ist ebenfalls eingestiegen und starrt mich durch das Gitter an, das den vorderen und hinteren Teil des Wagens voneinander trennt. Auf seinen Lippen liegt ein gehässiges Lächeln, das ich ihm am liebsten mit der Faust fortwischen möchte. »Du glaubst nicht, wie lange ich auf diesen Tag gewartet habe.«

»Tatsächlich? In Ihrem Leben passiert wohl sonst nicht viel.« Ich presse die Lippen aufeinander und sehe demonstrativ aus dem Seitenfenster. Die Abenddämmerung ist inzwischen der Nacht gewichen und der Mond steht am Himmel. Ich zähle im Kopf langsam bis hundert und versuche nicht daran zu denken, dass ich gefangen bin. Der Polizist stößt ein raues Lachen aus. Kurz darauf höre ich, wie der Motor des Wagens anspringt. Übelkeit steigt in mir auf, als ich meiner düsteren Zukunft entgegenfahre.

Kapitel 2

Ich muss hier raus. Immer wieder schreite ich meine Zelle ab, fünf Schritte bis zum Fenster, fünf zurück zur Tür. In meinem Inneren brodelt es, als würde ich gleich platzen. Wie konnte mir das nur passieren?

Mit einem frustrierten Seufzen lasse ich mich auf die untere der beiden Liegepritschen fallen und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Keine Ahnung, wie lange ich schon eingesperrt bin, aber es kommt mir vor, als hätte ich bereits mehrere Tage hier drinnen verbracht. Verdammt, was treiben die dort draußen bloß? Es hieß, sie wollten nur meine Daten checken.

Durch die Gitterstäbe blicke ich auf den Gang vor meiner Zelle. Eine einzelne Neonleuchte erhellt die grauen Betonwände. Großartig, wenn ich sie noch ein bisschen länger anstarre, entwickle ich sicher eine Depression.

Ich höre schwere Schritte, springe auf und laufe zur Tür. Meine Hände umklammern das kühle Metall. Ein Mann nähert sich, kurz darauf erkenne ich, den Polizisten, der mich hier eingesperrt hat. Sofort verfinstert sich meine Miene. »Na endlich, wurde auch Zeit.«

Er tritt ins Licht und sieht mich mit einem schiefen Grinsen an.

»Es dauert so lange, wie es dauert.«

Lustig. Ein echter Komiker. Zum ersten Mal nehme ich mir Zeit, ihn genauer zu betrachten. Ein Bartschatten betont sein kantiges Kinn, seine hohen Wangenknochen verleihen seinem Gesicht zusätzlich etwas Markantes. Das Erstaunlichste an ihm sind jedoch seine Augen, die mir schon bei meiner Festnahme aufgefallen sind: eisblau, umrahmt von einem Kranz dunkler Wimpern. Er könnte gut aussehen, wenn er nicht so ein Arschloch wäre.

Eine wellige braune Strähne fällt in sein leicht gebräuntes Gesicht. Er streicht sie weg, bevor er mir meinem Ausweis durch die Stäbe reicht. »Hier, Miss Walker, oder sollte ich besser Raven sagen?« Ich stoppe meine Hand mitten in der Bewegung, meine Augenbrauen gleiten nach oben. Wieso kennt er meinen Motocross-Namen?

»Tja, selbst in einer Kleinstadt wie Stigler gibt es Internet. Was werden Ihre Teamkollegen sagen, wenn sie hören, dass ihr Star an illegalen Rennen teilnimmt?«

Meine Hände beginnen zu zittern, schnell verstecke ich sie hinter meinem Rücken. »Das können Sie nicht beweisen.«

Er schnalzt mit der Zunge und mustert mich lange von oben bis unten, bis meine Wangen heiß werden. »Das stimmt, aber das werde ich irgendwann. Ihr Typen habt einfach kein Gewissen. Schon einmal überlegt, was alles passieren kann, wenn ihr mit euren Angeber-Maschinen auf den Highways Rennen fahrt?«

Ich denke an Fly und knirsche mit den Zähnen. »Wir sind kein Rennen gefahren.«

»Verstehe, dann habt ihr in euren Rennklamotten wohl nur eine romantische Ausfahrt Richtung Sonnenuntergang gemacht. Verkauf mich nicht für dumm!« Sein Zeigefinger schnellt vor und deutet auf meine Brust. »Man trifft sich immer zweimal im Leben und beim nächsten Mal bleibt es sicher nicht bei einer Verwarnung. Dann ist es vorbei mit deiner Karriere.«

Ich lecke mir nervös die Lippen. Als ob ich das nicht wüsste. Ich denke ständig daran, was auf dem Spiel steht. Doch der Kerl hat keine Ahnung, wie das ist mit den Rennen. Dieses Kribbeln, wenn das Adrenalin durch den Körper rauscht, der Kick der Endorphine im Angesicht der Gefahr. Das ist sogar besser als Sex.

»Verstanden. Lassen Sie mich jetzt hier raus oder nicht?«

Er stößt wieder sein raues Lachen aus.

Die Schlüssel in seiner Hand klirren, als er sie im Türschloss dreht. Es ist das schönste Geräusch, das ich seit Langem gehört habe. Als die Tür aufschwingt, will ich mich an ihm vorbeischieben, doch da schnellt sein Arm vor und versperrt mir den Weg.

»Eins noch.« Er sieht aus wie eine Hyäne, die ihre Beute im Visier hat. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter.

»Denk dran, Miss Raven, ich behalte dich und deine Freunde im Auge. Also hört besser freiwillig auf, bevor ihr noch jemanden mit euren Rennen um die Ecke bringt.«

Warum ist der Kerl so dramatisch? Und wieso duzt er mich eigentlich? Wir sind bestimmt keine Freunde. Egal. Ich verdrehe die Augen, ducke mich unter seinem Arm hinweg und trete auf den Gang hinaus. Er lässt die Zellentür ins Schloss fallen, das Geräusch hallt von den Betonwänden wider. Ich atme erleichtert auf.

»Ich brauche noch eine Unterschrift«, sagt der Polizist. Auf dem Schild an seiner Brust steht Thomson. Ein Name, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Er hält mir die Tür auf und ich gehe an ihm vorbei in den Bürobereich der Polizeistation. Sechs Schreibtische, grau wie die Wände, stehen sich paarweise gegenüber. Die Männer und Frauen, die an ihnen arbeiten, tragen dieselben Uniformen wie Mr. Thomson. Tastaturen klackern, ein Polizist spricht lautstark in sein Telefon, doch als Thomson mich zwischen den Tischen hindurch in Richtung Foyer dirigiert, wird es schlagartig still. Die Blicke der Beamten brennen sich in meinen Rücken.

»Haben Ihre Kollegen nichts Wichtigeres zu tun, als mich anzustarren?«, frage ich ungehalten.

Thomson schenkt mir wieder sein widerliches Grinsen.

»Es verirren sich nicht gerade häufig Promis zu uns.«

Ich schnaube durch die Nase. Natürlich haben mich diese Trottel längst gegoogelt. So etwas wie Privatsphäre gibt es in Stigler wohl nicht.

Aber ich will mich nicht noch mehr aufregen. Ich will nur mein Bike zurück, dann verschwinde ich und die Leute hier können mich mal – allen voran Mr. Thomson.

Der kehrt mir gerade den Rücken zu und lehnt sich gegen den Tresen im Eingangsbereich. Ich warte mit verschränkten Armen hinter ihm, bis er aufhört, mit der gefärbten Blondine am Empfang zu tuscheln. Mehrfach deutet er mit dem Daumen über seine Schulter auf mich, und Blondie nickt eifrig und mit großen Augen. Ihre Unterwürfigkeit zieht mir den Magen zusammen. Thomson ist in diesem piefigen Kleinstadt-Police-Department wohl eine ganz große Nummer. Bleib bloß ruhig, April, gleich bist du hier weg.

Endlich schiebt mir die Frau mehrere DIN-A4-Seiten über den Tresen zu. »Was ist das?«, frage ich.

»Ihre Entlassungspapiere, Miss Walker. Wenn Sie unterschrieben haben, können Sie gehen.« Mit ihren roten Krallen holt Blondie einen Plastikbeutel unter dem Tresen hervor. Meinen Helm und meine Handschuhe stellt sie daneben. »Und hier haben wir ihr Handy, ihr Portemonnaie und alles, was sie sonst noch bei sich hatten.«

Ich stecke Handy und Portemonnaie in meine Hosentaschen, stopfe die Handschuhe in den Helm und klemme mir diesen unter den Arm. »Ich gehe mal davon aus, dass nichts fehlt.«

Blondie schnappt nach Luft, ich krickele schnell meinen Namen unter die Papiere. Endlich frei! Wie gut sich das anfühlt.

»Dann wird es wohl Zeit, sich zu verabschieden.«

Durch die Glastür sehe ich im fahlen Licht der Straßenlaternen auf einen Parkplatz. Ich entdecke zwei Polizeiwagen, einen roten Toyota, aber keine schwarze Honda.

»Falls du dein Motorbike suchst: Das haben wir konfisziert.«

»Was?« Ich wirble zu Thomson herum, der mit den dunklen Wimpern klimpert. Das ist nicht sein Ernst.

»Warum?«

»Unerlaubtes Fahren mit einer nicht dafür zugelassenen Motocross-Maschine im öffentlichen Straßenverkehr. Der Strafzettel für diese Ordnungswidrigkeit wird dir in den nächsten Tagen zugestellt.«

Ordnungswidrigkeit … ich presse meine Lippen aufeinander. Ruhig April, sag nichts, was du später bereuen wirst. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und antworte honigsüß: »Danke, dass ich das jetzt schon erfahre. Verraten Sie mir auch, wie ich nach Hause kommen soll? Ich übernachte zurzeit bei meinen Eltern in Quinton und so spät fahren keine Busse mehr.«

Thomson zuckt mit den Schultern. »Dann hoffe ich, dass du genug Geld für ein Taxi dabeihast, falls du hier um diese Zeit eins findest.«

In meinem Augenwinkel hebt Blondie die Hand, vermutlich könnte sie mir ein Taxi rufen. Thomson legt blitzschnell einen Arm um mich, zischt der Frau etwas zu, das ich nicht verstehe, und schiebt mich zum Ausgang. »Versuch es vor dem Supermarkt, dort stehen manchmal Taxis. Ich wünsche eine gute Nacht.« Er drückt die Glastür auf, warme Luft schlägt mir entgegen, und im nächsten Moment finde ich mich auf dem Gehweg wieder. Thomson steht winkend hinter mir. Er scheint die Situation sehr zu genießen. »Ich sollte mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren.«

Er zuckt nicht einmal. »Mach nur, das ist es mir wert.«

»Was stimmt nicht mit Ihnen? Hassen Sie uns wirklich so sehr?«

Sein Gesicht verdunkelt sich. »Möglich.«

»Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen etwas getan zu haben, und trotzdem wollen Sie mich büßen lassen?«

Dieses Mal schweigt er, doch das wütende Brennen in seinen Augen ist mir Antwort genug.

»Sie sind krank!« Ich wende mich ab und mache einige Schritte auf die Straße zu. Keine Ahnung, wohin ich gehen soll. Ich will meine Eltern nicht aus dem Bett klingeln, da es inzwischen bestimmt Mitternacht ist. Und Fly? Auf keinen Fall. Ihn würde dieser Fanatiker sofort auch noch einbuchten.

»Verdammt!« Ich schreie meine Verzweiflung in die Nacht hinaus, Tränen schießen mir in die Augen. Schnell verberge ich mein Gesicht hinter meinen Händen. Das fehlt mir noch, dass ich vor diesem Ekel heule.

»Was ist denn los?« Ein junger Mann tritt aus der Polizeistation. Ich erinnere mich an ihn. Er war derjenige, der in sein Telefon brüllte, bevor er es bei meinem Anblick sinken ließ. Jetzt hat er seine Uniform gegen Jeans und T-Shirt eingetauscht. Sein Blick wandert von mir zu Thomson, der ein entnervtes Schnauben ausstößt. »Es ist nichts, Neal.«

Neal runzelt die Stirn. Er scheint nicht überzeugt, kein Wunder, nach dieser dreisten Lüge. »Und was machst du dann hier draußen?«

Thomsons Kiefer mahlt. Ich stemme meine Hände in die Hüften und warte gespannt auf seine Antwort. Mal sehen, wie er sich da herauswindet. »Ich zeige Miss Walker den Weg zum Taxistand.«

Ich pruste beinahe los. Neal sieht die schwach beleuchtete Hauptstraße hinauf, an deren Ende das Schild des Supermarktes blinkt. »Ein Taxi? Ich glaube nicht, dass noch welche unterwegs sind. Wo wollen Sie denn hin?«

»Nach Quinton«, antworte ich. Thomson bläst seine Wangen auf und ich konzentriere mich schnell auf Neals Gesicht, das plötzlich aufleuchtet. »Sie haben Glück, meine Freundin wohnt in Blocker. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr.«

»Heißt das, Sie würden mich mitnehmen?« Neal nickt, Thomsons Kopf färbt sich rot und ich unterdrücke ein Kichern. »Danke Neal, das ist sehr nett von Ihnen.«

»Kein Problem. Ich bin übrigens so eine Art Fan, ich habe Sie schon ein paarmal in Tulsa fahren sehen.« Der junge Polizist strahlt mich an. »Kommen Sie, mein Wagen steht gleich da drüben.«

Er geht voraus, doch ich bleibe stehen, grinse und strecke Thomson die Zunge heraus.

»Sehr erwachsen, Miss Walker.« Sein Kopf ähnelt mittlerweile einem Schnellkochtopf kurz vor der Explosion.

»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Mr. Thomson.«

Ich wende mich ab und gehe langsam über den Parkplatz.

Für diese Nacht habe ich genug von Thomson und seinen Spielchen.

Ich steige in Neals roten Toyota, er gibt sogleich Gas und steuert den Wagen auf die Straße. Währenddessen spüre ich die ganze Zeit über Thomsons Blick auf mir. »Ist Ihr Kollege immer so … schwierig?«

Neal zuckt die Achseln. »Da fragen Sie den Falschen. Ich wurde erst vor drei Monaten nach Stigler versetzt, aber ein Kollege, der ihn seit der Schulzeit kennt, sagte mir, er wäre früher anders gewesen. Mit mehr wollte er allerdings nicht herausrücken.«

»Verstehe.« Ein Mann mit Vergangenheit also. Warum wundert mich das nicht?

Den Rest der Fahrt verbringen wir schweigend. Regentropfen prasseln gegen die Windschutzscheibe, die Scheibenwischer bewegen sich rhythmisch. Als wir endlich beim Haus meiner Eltern ankommen, mache ich drei Kreuze. Die Lichter im Haus sind erloschen, vielleicht gelingt es mir, mich hineinzuschleichen, ohne dass Mom und Dad etwas bemerken.

Ich verlasse den Wagen und winke Neal zum Abschied. Normalerweise steige ich nicht zu fremden Männern ins Auto, aber ihn hat wirklich der Himmel geschickt. Er nickt mir ein letztes Mal zu, gibt Gas, beschleunigt rasch und verschwindet in der Nacht.

Ich gähne lautstark. Wow, ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten, selbst das Denken fällt mir schwer. Daran ist bestimmt ebenfalls dieser Thomson schuld. Elender Energie-Vampir. Mit letzter Kraft schleppe ich mich ins Haus und die Treppe zu meinem alten Kinderzimmer hinauf.

Kapitel 3

Jemand hämmert gegen meine Tür. Stöhnend wälze ich mich in meinen Kissen herum.

»April, mach auf!« Es ist Mom. Ich wühle mich unter der Decke hervor, setze mich auf und reibe mit den Fingern über meine verklebten Wimpern. »Ja, gleich.«

Das Klopfen verstummt. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett, ziehe schnell ein Shirt über und öffne. »Was ist denn?«

Mom steht da, die Hände in die Hüften gestemmt, eine tiefe Falte zwischen den Augenbrauen. »Weißt du, wie spät es ist?«

»Nein.« Ich habe tatsächlich keine Ahnung und versuche durch das Fenster am Ende des Flurs zu spähen. Mom stellt sich mir in den Weg. Ihr sonst so sorgfältig frisiertes Haar ist zerwühlt, und sie trägt noch ihr Nachthemd. »Es ist gerade einmal sechs. Und das an einem Sonntag.«

»Und was machst du dann hier?«

Sie sieht aus, als wollte sie mir gleich an die Kehle springen. »Dein Freund Valentine hat bereits dreimal angerufen. Er sagt, er muss dringend mit dir sprechen. Hat er deine Handynummer verloren? Dein Vater wäre fast ausgeflippt.«

Mir wird ganz warm. Ich wusste, dass auf Fly Verlass ist. Moms Augen verengen sich zu Schlitzen. »Tut mir leid«, sage ich schnell. »Mein Telefon stand auf lautlos, aber ich rufe ihn gleich zurück. Geh wieder ins Bett.«

Sie nickt und wirkt versöhnt, doch im nächsten Moment gleitet ein Schatten über ihr Gesicht. »Es ist doch nichts passiert, oder? Er klang sehr aufgeregt.«

»Was? Nein, Valentine ist eine Drama-Queen. Wahrscheinlich hat er nur zu viel getrunken.« Sorry, Fly.

»Na gut, aber er soll das nicht noch mal machen, ihr seid keine Teenager mehr.« Sie hält die Hand vor den Mund und gähnt lautstark.

Sie verschwindet im Schlafzimmer und auch ich kehre in mein Zimmer zurück, schließe die Tür hinter mir und sinke mit einem tiefen Seufzen gegen das Holz. Das ist gerade noch mal gut gegangen. Meine Eltern müssen nicht wissen, dass ihre erwachsene Tochter nachts illegale Rennen fährt. Die legalen Rennen machen sie schon fertig genug. Ich lehne meinen Hinterkopf gegen die Tür. Was für eine Nacht. Die Zelle, dieser komische Thomson … ist das wirklich passiert?

Ich gehe zum Bett und lasse mich auf die Matratze fallen, die leicht unter mir einsinkt. Meine Hose liegt auf dem Boden, ich hebe sie auf und durchwühle die Taschen nach meinem Handy. Als ich fündig werde, sehe ich zehn Anrufe in Abwesenheit. Fly war wirklich hartnäckig. Ich wähle seine Nummer, er meldet sich bereits nach dem zweiten Klingeln.

»Verflucht, Raven, ich habe bestimmt hundertmal versucht, dich zu erreichen. Wo warst du?«

»Im Knast.« Ich versuche, locker zu klingen, obwohl mir schon der Gedanke an die trostlosen, grauen Wände wieder die Kehle zuschnürt. Fly atmet schwer. »Nachdem du weg warst, hat die Polizei mich und mein Bike einkassiert.«

»Und dann?«

»Ich bin mit einer Verwarnung davongekommen, aber sie wissen, was wir tun, Fly. Besonders dieser eine Bulle, Thomson, hat ein echtes Problem mit uns und wird mich im Auge behalten. Da fällt mir ein, hast du heute schon etwas vor? Ich muss später zurück nach Tulsa.«

Erneut schweigt Fly zwei Atemzüge lang. Als er schließlich antwortet, klingt seine Stimme seltsam schrill. »Was soll das heißen, die Polizei hat dein Bike einkassiert? Wie willst du denn jetzt Rennen fahren?«

»Gar nicht. Ich sagte doch gerade, dass sie es auf mich abgesehen haben. Ich kann es mir nicht leisten …«

Von der anderen Seite der Leitung erklingt unzusammenhängendes Murmeln. »Fly? Hörst du mir zu?«

»Das ist unmöglich. Das geht nicht.«

Ich seufze tief. »Jetzt bleib mal locker! Mir gefällt es auch nicht, aber dann mache ich halt mal eine Pause, wo ist das Problem? Also, was ist? Fährst du mich nachher nach Tulsa? Ich muss für die Show in Fort Smith trainieren.«

»Wohin?«

»Tul-sa!«, wiederhole ich.

»Was? Ja, ja, ich bin gegen zehn bei dir und dann reden wir. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«

»Okay, danke. Mom lässt übrigens ausrichten, dass Dad dir beim nächsten Mal den Kopf abreißt, wenn du noch einmal so früh anrufst. Du weißt, ich bin hier nur noch Gast.«

»Ja, sorry. Bis dann.«

Er legt auf und ich nehme irritiert das Telefon vom Ohr. Was ist nur mit den Männern los? Erst benimmt sich dieser Thomson wie ein tollwütiges Trampeltier und jetzt scheint Fly ebenfalls durchzudrehen. Hoffentlich ist das nicht ansteckend.

Kapitel 4

Frisch geduscht und mies gelaunt lasse ich mich neben Fly auf den Beifahrersitz seines Dodge fallen. Mein Fuß stößt gegen eine Coladose, die scheppernd unter den Sitz rollt. Leicht angeekelt schiebe ich eine fleckige McDonald‘s-Tüte zur Seite, daneben liegt der schwarze Überrest einer Bananenschale. Kein Wunder, dass es hier so mieft. »Ernsthaft, Fly, du könntest hier wirklich mal aufräumen.«

Ich ziehe die Wagentür mit einem Knall zu und drehe mich zu meinem Fahrer um, dessen Miene sich verdunkelt. »Dir ist schon klar, dass ich mir keine neue Karre leisten kann. Also sei gefälligst etwas netter zu der alten Juliette.«

Juliette … ich verdrehe die Augen. Wer bitte benennt sein Auto nach seiner Großmutter? Vor allem, wenn diese sich noch bester Gesundheit erfreut.

»Ja, ja, sorry, reg dich ab.« Ich sinke tiefer in den Sitz. Meine Augen brennen, meine Glieder sind schwer und ich könnte auf der Stelle einschlafen. Warum eigentlich nicht? Fly ist schon groß, der kann sich allein beschäftigen. Ich spüre seinen Blick auf mir.

»Was ist?«

»Du bist irgendwie unausgeglichen. Laut deinem Horoskop sollte deine Grundstimmung eigentlich optimistisch und beständig sein.«

»Kann ich nicht bestätigen. Da war wohl die Kristallkugel kaputt.«

Fly holt empört Luft. »Das basiert alles auf wissenschaftlichen …«

Ich hebe meine Hand. »Ja, ich weiß, kannst du jetzt bitte ruhig sein? Ich bekomme Kopfschmerzen.«

Er legt die Stirn in Falten. Super, jetzt ist er besorgt, mein Nickerchen kann ich mir also abschminken. »Sieh mich nicht so an, Fly. Es ist nichts. Jedenfalls fast nichts. Meinem Dad ist bloß aufgefallen, dass mein Bike nicht in der Garage steht. Ich hasse es, ihn anlügen zu müssen.«

Flys Augen weiten sich. »Verstehe«, sagt er.

Etwas in seiner Stimme lässt mich aufhorchen, ich betrachte ihn unauffällig von der Seite. Obwohl es heiß ist, trägt er eine Beanie. Er ist außerdem ungewöhnlich blass und schmal, was mir gestern im Dunkeln nicht aufgefallen ist, aber nun meldet sich mein Bauchgefühl. Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut. Ich öffne den Mund, da tritt Fly plötzlich das Gaspedal durch und ich werde in den Sitz gepresst. Mit quietschenden Reifen rauscht der Dodge auf die Straße. »Pass auf! Du kriegst Ärger, wenn du die Einfahrt ruinierst.«

Fly nickt knapp. Seine Finger halten das Lenkrad so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortreten. »Jetzt wirkst du etwas angespannt. Was sagt dein Horoskop dazu?« Ich versuche locker zu klingen, einen kleinen Witz zu machen, um die Stimmung zu heben, aber er zuckt nur mit den Schultern. Langsam werde ich ärgerlich. Wenn er ein Problem hat, soll er gefälligst den Mund aufmachen. Ich bin zu müde für solche Spielchen.

»Dann halt nicht.« Ich lehne meinen Kopf gegen die Fensterscheibe, aber die Landschaft ist genauso trostlos wie die Stimmung im Wagen: Bräunliches Gras und Kies, ein paar Hügel, auf denen krüpplige Ulmen von der Sonne knusprig gebraten werden.

Ich lüfte den Stoff über meinem Ausschnitt ein wenig und fächele mir damit Luft zu. Die Dusche hätte ich mir sparen können, Flys alte Gurke besitzt nicht einmal eine Klimaanlage. Und dann noch dieser süßliche Bananengeruch, ekelhaft. Mit einer schnellen Bewegung schnappe ich mir den schwarzen Schalenrest, kurble das Fenster herunter und werfe den widerlichen Klumpen in die Natur, wo er weiter vor sich hin verwesen kann. »So ist es besser.«

Ich wische mir die Hände provokativ an der Hose ab, aber Fly zeigt immer noch keine Reaktion. Hat er etwa ein Schweigegelübde abgelegt? Das wird mir wirklich zu blöd. Anstatt die Umgebung mit schlechter Energie zu verpesten, sollte er mir besser sagen, wie ich mein Bike zurückbekomme.

»Wir müssen dein Bike so schnell es geht zurückholen, am besten noch heute.«

Kann Fly plötzlich Gedanken lesen?

»Was sagst du, Raven?« Endlich sieht er mich an.

»Ja klar, das will ich auch. Aber ich sagte doch, da ist dieser Bulle, dieser Thomson, der hat was gegen mich.«

Da wäre allerdings noch Neal, der mich mag und mit dem ich sprechen könnte. Warum ist mir das nicht eher eingefallen?

»Dann musst du Peter fragen, ob er dir eins leiht«, sagt Fly.

Ich lache auf. »Wie soll ich das denn begründen? Hallo, Peter, tut mir leid, ich habe leider meine Honda verloren, kannst du mir bitte kurzfristig aushelfen? Vergiss es, Fly!«

»Verfluchte Scheiße!« Seine Faust kracht auf das Lenkrad. Der Wagen macht einen leichten Schlenker, ich schreie auf und kralle meine Finger in den Gurt. »Bist du verrückt geworden?«

Er atmet geräuschvoll ein, nun wieder mit beiden Händen am Lenkrad, was ich sehr begrüße. »Tut mir leid, ich habe gerade Probleme.«

»Offensichtlich. Willst du darüber reden?«

Nach kurzem Zögern schüttelt er den Kopf.

»Aber du bist doch derjenige, der mich seit gestern damit nervt, dass er etwas Wichtiges mit mir besprechen müsste.«

»Du kannst mir eh nicht helfen.«

»Ach so? Dann verrate mir wenigstens, warum du so bereitwillig zugestimmt hast, mich nach Tulsa zu fahren. Hast du dort noch etwas vor?«

Fly schüttelt den Kopf. »Themenwechsel.«

Er schaltet das Radio ein. Stampfende House-Musik schneidet die Worte ab, die noch auf meiner Zunge liegen. In meinem Magen bildet sich ein Knoten, so habe ich Fly lange nicht erlebt. Resigniert verschränke ich die Hände in meinem Schoß.

»Na gut, wie du meinst. Ich rufe nachher in Stigler an. Vielleicht lässt sich die Sache irgendwie beschleunigen.«

Flys Gesicht hellt sich auf, doch auch dieses Mal bleibt er mir eine Erklärung schuldig. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich heute nichts mehr aus ihm herauskriege.

Eine Stunde später rollt der Dodge auf den Parkplatz von Tulsa Motocross. Ich steige aus und beobachte mit gemischten Gefühlen, wie Fly seinen Wagen wendet und sich erneut in den Verkehr einfädelt. Er verheimlicht mir etwas, und das gefällt mir gar nicht.

»Hey Raven, alles klar?« Tracy winkt mir über die Ladefläche von Joshs weißem Pick-up zu. Der Reißverschluss ihrer Motorradjacke steht offen, darunter blitzt ein weißes Top hervor, aus dem der Kopf einer Schlange lugt. Der Rest des Tattoos verschwindet unter dem Stoff.

»Hey, Babe!«, erwidere ich und gehe zu ihr.

Josh schlägt die Fahrertür zu. Er umrundet das Fahrzeug, öffnet die Klappe der Ladefläche und schwingt sich nach oben zu den beiden Enduros. Er löst die Spanngurte, hebt das erste Motorrad hinunter auf den Parkplatz. Tracy nimmt es unten entgegen, anschließend wirft sie einen kritischen Blick auf meine Jeansshorts. »Willst du heute nicht fahren?«

Ich trete mit meinen Flip-Flops auf der Stelle. »Ich komme gerade von meinen Eltern, ich zieh mich gleich um.«

»Hätte mich auch gewundert. Hattest du ein schönes Wochenende?«

Ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke, glücklicherweise kehrt mir Tracy gerade den Rücken zu. Josh hebt die Augenbrauen, doch ich signalisiere ihm mit der Hand, dass alles in Ordnung ist.

»Und?« Tracy schiebt die Enduro an mir vorbei über den Kies, ich setze mein bestes Pokerface auf. »Ja, alles super, ich war das ganze Wochenende bei meinen Eltern.«

Sie bleibt stehen, stutzt und bricht dann in Gelächter aus. »Ehrlich, du warst zu Hause?«

»Ja.« Was zum Teufel ist daran so komisch?

»Hast du das gehört, Josh?« Er murmelt verstimmt in seinen Vollbart, bevor er sich der zweiten Enduro zuwendet. Vor mir führt Tracy ein kleines Tänzchen auf. »Habe ich irgendetwas verpasst?«, frage ich irritiert.

Tracy beendet ihr albernes Gehampel. »Sorry, Raven, Josh und ich hatten darum gewettet, dass du am Wochenende bestimmt wieder in Schwierigkeiten gerätst.«

»Ich? Wieso das denn?«

Josh hebt entschuldigend die Schultern. »Wir alle wissen, dass du Ärger anziehst, aber offensichtlich scheinst du langsam erwachsen zu werden.«

»Ja, offensichtlich …«, antworte ich zögerlich, während sich mein Magen zusammenzieht. Gut, dass Tracy keine Gedanken lesen kann.

Sie hakt sich bei mir unter. »Peter wird das ebenfalls freuen. Er hat nämlich ebenfalls gegen dich gewettet.«

Trotz der Hitze läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Unser Trainer hat was getan? Fast ringe ich erneut nach Atem, kann mich aber gerade noch beherrschen.

»Ja, er sagte, wenn sie so weitermacht, kommt unsere Raven irgendwann noch mit dem Gesetz in Konflikt, aber seine letzte Predigt hat anscheinend Wirkung gezeigt.«

»Ja, das hat sie.« Oh Gott, da war diese blöde Rothaarige, die mich während des Rennens in Texas geschnitten hat. Anschließend begegneten wir uns in einer Bar – meine Faust juckt heute noch, wenn ich daran denke.

Tracys Miene verdunkelt sich. »Ehrlich, das Team würde ungern auf dich verzichten. Vergiss das bitte nicht, Raven.«

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Offensichtlich ist von meiner Verhaftung noch nichts nach Tulsa durchgesickert, aber dieser Thomson hat mich in der Hand. Allein bei dem Gedanken wird mir schlecht.

Das Lächeln kehrt auf Tracys Gesicht zurück. »Hey, jetzt haben wir die Stimmung aber wirklich genug heruntergezogen. Lass uns Spaß haben. Komm, Raven.«

Sie zieht mich mit sich in Richtung Fahrpiste, und ich stolpere mit wackeligen Knien hinter ihr her.

Kapitel 5

Die Welt unter mir schrumpft und meine Sorgen verwandeln sich in Nichtigkeiten, die der Wind davonträgt. Ich fliege über Felder, Seen und Straßen, weit weg. Ich könnte schreien vor Glück. Nichts ist mehr von Belang, es gibt nur mein Bike und mich.

Vor mir zeichnet sich der Mohawk Park in sattem Grün ab, nur unterbrochen vom Blau des Flusses. Ein Lidschlag, dann verschwindet er wieder. Ich umklammere den Lenker, so fest ich kann, löse meine Füße von den Rasten und strecke die Beine aus dem Sitz lang nach hinten. Dann nehme ich beide Hände vom Lenker und drehe mich im Flug blitzschnell auf den Rücken. So stehe ich für eine endlose Sekunde losgelöst in der Luft. Unter mir das Motorrad ebenfalls im freien Fall. Mein Kopf ist völlig leer, doch in meinem Körper kribbelt es, Ameisen laufen mir von den Fingern bis zu den Zehen. Der Wahnsinn! Einen Atemzug später vollende ich die Drehung um die eigene Achse und meine Hände schließen sich erneut um die Lenkstange. Meine Füße finden die Rasten wie von selbst. Kurz darauf komme ich wieder sicher auf meinem Sitz an. Doch mir bleibt keine Zeit, mich zu freuen, denn im nächsten Moment geht es bergab. Ich ziehe die Beine an und verlagere mein Gewicht auf das Zentrum der Maschine. Mein Magen hebt sich wie in einer Achterbahn, ich rausche dem Boden entgegen und bereite mich auf den Aufschlag des Bikes vor. Die Sandpiste kommt näher und näher. Mein Körper ist angespannt, mein Herzschlag erhöht. Mit dem Hinterrad voran schlage ich auf dem Boden auf, der Sand fliegt in alle Richtungen, und ich gebe vorsichtig Gas. Das Bike schießt vor und hoppelt über den unebenen Boden. Stolz strecke ich meine Faust zum Himmel. Yes, geschafft!

Am Ende der Piste komme ich zum Stehen und setze meinen Helm ab. Sofort kreischt Tracy in mein Ohr. »Das war irre! Mad Hatter wäre vor Stolz geplatzt. Möge er in Frieden ruhen.«

Tracy strahlt, als hätte sie den One-handed Mad Superman gerade selbst gestanden.

»Und ich bin auch stolz auf dich. Den Sieg in Fort Smith hast du so gut wie in der Tasche.« Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und drückt kurz zu. Ich wische mir eine Strähne aus dem Gesicht.

»Danke.« Mein Grinsen ist wie festgetackert. Ich fühle mich richtig gut. Damit hätte ich nach diesem Wochenende nicht mehr gerechnet. Aber wie heißt es so schön? Pech in der Liebe, Glück im Sport oder so ähnlich.

»Fahren wir noch eine Runde?«, fragt Josh, der hinter Tracy an seiner Enduro lehnt.

Ich schüttle bedauernd den Kopf. »Nein, ich bin echt platt, ich verschwinde besser und lege mich hin.« Außerdem habe ich leider noch etwas zu erledigen. Auch wenn Neal im Vergleich zu Thomson das kleinere Übel ist, würde ich gerade lieber rostige Nägel kauen, als mit ihm zu telefonieren.

Tracy umarmt mich fest zum Abschied. »Schade, dann bis morgen.«

Auf dem Weg zu den Umkleiden rufe ich mir ein Taxi. Fünfzehn Minuten später hält das Fahrzeug auf dem Parkplatz von Tulsa Motocross. Ich steige hinten ein und teile dem Fahrer meine Adresse mit. Während der Fahrt versuche ich zu dösen, aber mein Chauffeur ist ein gnadenloser Country-Fan. Ich will mich nicht beschweren, also nutze ich die Zeit dazu, mich in Gedanken auf mein Gespräch mit Neal vorzubereiten. Was soll ich ihm sagen? Und ist er überhaupt für mich zuständig? Mit Thomson will ich auf keinen Fall reden.

Das Taxi hält vor meiner Haustür. Nach der klimatisierten Kühle trifft mich die Hitze vor der Wagentür wie eine Keule.

Erschöpft schlurfe ich die fünf Stufen zu meinem Apartment hinauf. So erfolgreich das Training war, es steckt mir in den Knochen. Vielleicht wird es mal wieder Zeit für eine Einheit im Fitnessstudio.

Sobald ich meinen kleinen Flur betrete, kicke ich die Flip-Flops von den Füßen. Mein Apartment besteht nur aus zwei Zimmern, aber für mich reicht es. Ich öffne die Verandatür, um die verbrauchte Luft herauszulassen. Danach führt mein Weg in die Küche. Im obersten Fach des Kühlschranks steht ein Sechserpack Bier, ich nehme mir eins heraus und öffne es. Mit der Dose in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer und lasse mich auf die Couch fallen.

Ich trinke mir Mut an, nur einen winzigen Schluck, um den Anruf hinter mich bringen zu können. Meine Güte, wenn mich die Leute unten in Pittsburg County jetzt sehen könnten. Alle kennen mich als die Toughe, aber als ich endlich die Nummer der Polizeistation gewählt habe und nun das erste Freizeichen höre, fällt mir fast die Dose aus der Hand. Mein Mund wird trocken und ich nehme schnell einen weiteren Schluck. Dann meldet sich eine Frau.

»Guten Abend, hier ist April Walker, könnte ich bitte mit Neal sprechen? Es geht um mein Motorrad.« Wie unprofessionell das klingt. Wieso habe ich Dummkopf nicht nach seinem Nachnamen gefragt?

Auf der anderen Seite des Hörers wird es still. Keine Ahnung, ob es sich bei der Frau um die Blondine von gestern handelt. Ich stelle sie mir trotzdem dabei vor, wie sie gelangweilt Strichmännchen auf ein Blatt Papier malt, während sie über meine Worte nachdenkt. »Einen Moment, ich versuche, Sie zu verbinden.«

Ich atme geräuschvoll aus. Glück gehabt. Kurz darauf erklingt Neals Stimme. »Hallo Miss Walker, schön, von Ihnen zu hören. Wie kann ich Ihnen helfen?«

Ich setze mich nervös auf der Couch zurecht. »Hallo Neal, bitte, nennen Sie mich doch April. Es geht um mein Motorrad, die schwarze Honda.«

Papier raschelt. Anscheinend blättert er einige Dokumente durch, und ich kaue angespannt auf meiner Lippe.

»Ja, die Honda, die ist hier. Sie können sie abholen, sobald das Bußgeld bezahlt ist. Hier steht, dass der Bescheid Ihnen demnächst zugeht.« Demnächst … was heißt das? Morgen? In zehn Jahren? Das hat garantiert Thomson geschrieben. Ich schlucke die aufsteigende Wut herunter. Bloß nichts anmerken lassen, ich bin die Ruhe selbst, ein Gänseblümchen im Sonnenschein.

»Ich wollte fragen, ob es eventuell möglich wäre, die Sache ein wenig zu beschleunigen. Wissen Sie, wenn Sie mir die Summe nennen …«

»Ist das Miss Walker?« Eine zweite Männerstimme meldet sich aus dem Hintergrund.

»Einen Moment, April«, sagt Neal. Er und der Unbekannte tuscheln miteinander, leider verstehe ich nur Wortfetzen, denn anscheinend hat Neal die Hand auf den Hörer gelegt. Je länger ich warte, desto stärker beschleicht mich ein ungutes Gefühl.

»April? Sind Sie noch da?«

Endlich! »Ja, Neal, was ist los?«