Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen - Hendrik Niemann - E-Book

Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen E-Book

Hendrik Niemann

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Beschreibung

Der Band macht umfassend mit den Grundlagen der neuropsychologischen Untersuchung und Begutachtung der Fahreignung von Patienten mit zerebralen Schädigungen oder Erkrankungen vertraut. Bei der Darlegung der rechtlichen Grundlagen wird speziell auf die Legitimation und den besonderen Stellenwert der klinischen Fahreignungsbeurteilung eingegangen, die sich aus der ärztlichen/psychologischen Aufklärungspflicht einerseits und Schweigepflicht andererseits ergeben. Bei der Darstellung der als verkehrsrelevant geltenden Leistungsmängel wird deutlich, dass nicht die Diagnose eines bestimmten Krankheitsbildes entscheidend ist, sondern die Feststellung der Art und Schwere der im Einzelfall vorliegenden Funktionsstörungen. Es werden internationale wissenschaftliche Publikationen referiert und kritisch erörtert, deren Ziel die Vorhersage der Fahreignung auf der Basis neurologischer und insbesondere neuropsychologischer Untersuchungsergebnisse ist. Für die praktische Aufgabe der neuropsychologischen Fahreignungsbegutachtung wird das schrittweise Vorgehen bei der Untersuchung und Beurteilung der Fahreignung, der Aufklärung der Patienten und Beratung über Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Fahreignung als Leitfaden beschrieben.

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Hendrik Niemann

Wolfgang Hartje

Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen

Fortschritte der Neuropsychologie

Band 16

Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen

Dr. Hendrik Niemann, Prof. Dr. Wolfgang Hartje

Herausgeber der Reihe:

Dr. Angelika Thöne-Otto, Prof. Dr. Herta Flor, Prof. Dr. Siegfried Gauggel, Prof. Dr. Stefan Lautenbacher, Dr. Hendrik Niemann

Dr. Hendrik Niemann, geb. 1953. 1978–1984 Studium der Psychologie an der Universität Bielefeld. 1989 Promotion. 1986–1989 Mitarbeiter im Head Injury Center, University of California Medical Center, San Diego. 1990–1993 Leitender Neuropsychologe der Abteilung für Präoperative Epilepsiediagnostik im Epilepsie-Zentrum Bethel, Bielefeld. 1994–2000 Leiter der Abteilung für Neuropsychologie der Klinik Bavaria, Kreischa. Seit 2001 Leiter der Neuropsychologischen Abteilung des Neurologischen Rehabilitations-Zentrums Leipzig.

Prof. Dr. Wolfgang Hartje, geb. 1941. 1961–1966 Studium der Psychologie. 1969 Promotion an der Universität Freiburg im Breisgau. 1978 Habilitation an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen. 1981–1992 Professur an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen mit dem Lehr- und Forschungsgebiet Neuropsychologie. 1992–2006 Professur für Psychologie mit dem Schwerpunkt Neuropsychologie an der Universität Bielefeld.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Tel.: +49 551 99950 0

Fax: +49 551 99950 111

E-Mail: [email protected]

Internet: www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2016

© 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2644-0; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2644-1)

ISBN 978-3-8017-2644-7

http://doi.org/10.1026/02644-000

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Anmerkung:

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

1 Rechtliche Regelungen zur Fahreignung

1.1 Strafgesetzbuch und Straßenverkehrsgesetz

1.2 Fahrerlaubnis-Verordnung und Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung

1.3 Hinweise auf Regelungen in anderen Ländern

2 Stellenwert der Fahreignungsbeurteilung durch Ärzte und Neuropsychologen

2.1 Legitimation und Stellenwert der klinischen Beurteilung der Fahreignung

2.2 Aufklärungspflicht

2.3 Ärztliche Schweigepflicht und Eigenverantwortung der Patienten

2.4 Mögliche rechtliche Konsequenzen

3 Allgemeine Grundsätze für die Beurteilung der Fahreignung

3.1 Verkehrsgefährdung infolge mangelhafter körperlich-geistiger (psychischer) Leistungen

3.2 Verfahrensregeln für die Untersuchung und Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit

4 Fahreignungsrelevante Leistungsmängel bei neurologischen Patienten

4.1 Körperliche Leistungsmängel

4.1.1 Störungen der visuellen Funktionen

4.1.2 Störungen der motorischen und sensiblen Funktionen

4.1.3 Störungen des Gleichgewichtssinnes

4.1.4 Störungen des Hörvermögens

4.2 Beeinträchtigung der kognitiven (psychischen) Leistungen

4.2.1 Neuropsychologische Syndrome (Neglect, Aphasie, Apraxie, Amnesie)

4.2.2 Nicht-syndromatische Störungen neuropsychologischer Funktionen

4.3 Anfallsartig auftretende Bewusstseinsstörungen

4.4 Möglichkeiten der Kompensation von Leistungsmängeln

4.4.1 Kompensation durch technische Maßnahmen oder Hilfsmittel

4.4.2 Kompensation durch kognitive (psychische) Fähigkeiten

5 Verkehrspsychologische Modelle des Fahrverhaltens

6 Forschungsergebnisse zur Fahreignung bei neurologischen Patienten

6.1 Untersuchung, Beurteilung und Prognose der Fahreignung neurologischer Patienten

6.1.1 Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma

6.1.2 Demenz

6.1.3 Parkinson-Krankheit

6.1.4 Multiple Sklerose

6.1.5 Ätiologisch heterogene Untersuchungsgruppen

6.1.6 Epilepsie, Narkolepsie und Tagesschläfrigkeit

6.1.7 Gesichtsfelddefekte und Neglect

6.1.8 Zusammenfassende Bewertung der Studien zur Fahreignungsvorhersage

6.2 Krankheit und Unfallhäufigkeit

6.3 Fahrverhaltensprobe im öffentlichen Straßenverkehr versus Fahrsimulator-Test

7 Studien zur Wiederherstellung der Fahreignung

7.1 Training kognitiver und psychomotorischer Funktionen

7.2 Fahrübungen im Fahrsimulator und öffentlichen Straßenverkehr

8 Praktische Hinweise zur Untersuchung, Beurteilung und Wiederherstellung der Fahreignung

8.1 Prüfung der medizinischen Voraussetzungen der Fahreignung

8.2 Neuropsychologische Untersuchung und Bewertung der Testergebnisse

8.3 Organisation, Durchführung und Bewertung der Fahrverhaltensprobe

8.4 Besonderheiten für Berufskraftfahrer der Fahrerlaubnis-Gruppe 2

8.5 Aufklärung und Beratung der Patienten

8.6 Fahrübungen zur Wiederherstellung der Fahreignung

8.7 Finanzierung von Fahrverhaltensproben und Übungsfahrten

9 Fallbeispiele

9.1 Fallbeispiel 1

Neuropsychologisches Gutachten zur Frage der Fahreignung

Klinischer Befund

Untersuchung der Fahreignung

Gesamtbeurteilung

Aufklärung des Patienten

9.2 Fallbeispiel 2

Neuropsychologisches Gutachten zur Frage der Fahreignung

Klinischer Befund

Untersuchung der Fahreignung

Gesamtbeurteilung

Aufklärung des Patienten

10 Weiterführende Literatur

11 Literatur

Anhang

Tabellarische Übersicht über die Ergebnisse der in Kapitel 6 referierten Studien zur Vorhersage der Fahreignung

Glossar

Karten

Prüfung der Fahreignung bei Personen mit neurologischen Erkrankungen

Verfahrensschritte zur Fahreignungsprüfung

|1|Einführung

Wenn es bei der Diagnostik und Therapie neurologischer Patienten um die Frage der weiteren Fahreignung geht, sehen sich Ärzte und Neuropsychologen mit einer Reihe rechtlich relevanter Fragen konfrontiert:

Sind sie grundsätzlich verpflichtet, die Patienten über eine mögliche Einschränkung oder Aufhebung der Fahreignung aufzuklären?

Sind sie berechtigt, verbindliche Aussagen zur Fahreignung zu treffen, an die sich die Patienten halten müssen oder auf die sich die Patienten berufen können?

Welchen Sicherheitsgrad muss eine Aussage über die weitere Fahreignung haben?

Welche haftungsrechtlichen Folgen können sich hinsichtlich der getroffenen Aussagen ergeben?

Inwieweit ist die Schweigepflicht z. B. gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einzuhalten, wenn sich Bedenken hinsichtlich der Fahreignung eines Patienten ergeben?

Zu diesen rechtlichen Fragen kommen fachbezogene Fragen hinzu, insbesondere:

Sind bestimmte Krankheitsbilder generell mit Risiken verbunden, die zu einer Einschränkung oder Aufhebung der Fahreignung führen?

Welche medizinischen oder neuropsychologischen Fakten sind für die Beurteilung der Fahreignung maßgeblich?

Gibt es Vorschriften, welche Untersuchungsverfahren angewendet werden müssen?

Hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragen besteht oft eine erhebliche Unsicherheit.

Der vorliegende Band soll einerseits zur Klärung der rechtlichen Fragen beitragen und andererseits die Möglichkeiten – aber auch die Schwierigkeiten – der Beurteilung und der Wiederherstellung der Fahreignung im Rahmen der neurologisch-neuropsychologischen Rehabilitation aufzeigen.

Zunächst werden die gesetzlichen Regelungen zur Fahreignung dargelegt und die Fragen bezüglich der Legitimation und des Stellenwertes der Beurteilung der Fahreignung von Patienten durch die behandelnden Ärzte und Neuropsychologen erörtert und beantwortet. Die entsprechenden Darlegungen berücksichtigen die hierfür maßgeblichen Ausführungen in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), dem Strafgesetzbuch (StGB), den von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) herausgegebenen „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ (Gräcmann & Albrecht, 2014) und der von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Auftrag gegebenen „Leitlinie zur Beurteilung der Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen“ (Fries et al., 2005). Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sind seit April 2014 in der Fahrerlaubnis-Verordnung (zuletzt geändert am 16. April 2014) verankert.

Daran anschließend werden die Fragen behandelt, welche grundsätzlichen Anforderungen an die körperliche und geistige (kognitive, psychische) Leis|2|tungsfähigkeit hinsichtlich der Fahreignung zu stellen sind und welche krankheitsbedingten Leistungsmängel die Fahreignung infrage stellen; die Darstellung stützt sich dabei auf diejenigen Abschnitte der genannten Leitlinien, die sich speziell mit den fahreignungsrelevanten Folgen von Krankheiten oder Behinderungen befassen.

Ein weiterer Teil des Bandes setzt sich mit den zahlreichen wissenschaftlichen Studien auseinander, in denen es um die Möglichkeiten der Fahreignungsbeurteilung neurologischer Patienten mit unterschiedlichen psychodiagnostischen Untersuchungsverfahren, Prüfungen an Fahrsimulatoren und praktischen Fahrverhaltensproben geht. Hier werden auch die relativ wenigen Studien behandelt, die sich mit der Frage befassten, inwieweit und unter welchen Umständen es nach neurologischen Erkrankungen zu einer Erhöhung der Unfallhäufigkeit kommt. Schließlich werden in diesem Teil auch die bisher vorliegenden Studien zur Wiederherstellung der Fahreignung bei neurologischen Patienten besprochen.

Abschließend wird nach Art eines Leitfadens und anhand von exemplarischen Fallgutachten dargelegt, wie bei der Untersuchung und Beurteilung sowie bei einer möglich erscheinenden Wiederherstellung der Fahreignung neurologischer Patienten konkret vorgegangen werden kann.

Die Ausführungen bezüglich der Fahreignungsbegutachtung in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung und der Fahrerlaubnis-Verordnung sowie die Erörterungen zur ärztlichen Schweige- und Aufklärungspflicht gelten für Ärzte und Psychologen aller Fachrichtungen, also auch für Neurologen und Neuropsychologen; eine fachbezogene Unterscheidung wird insofern nicht immer vorgenommen. Der Zielsetzung des vorliegenden Bandes entsprechend beziehen sich die Ausführungen jedoch primär auf die neurologisch-neuropsychologische Beurteilung der Fahreignung bei Patienten mit zerebralen Erkrankungen und Schädigungen.

1 Rechtliche Regelungen zur Fahreignung

1.1 Strafgesetzbuch und Straßenverkehrsgesetz

Paragraph 315c des Strafgesetzbuches (StGB) betrifft die Gefährdung des Straßenverkehrs. Danach macht sich strafbar, „wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er … infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, … und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, …“. Dies gilt auch für den Versuch und die fahrlässige Verursachung der Gefahr.

Im Straßenverkehrsgesetz (StVG, § 2, Absatz 4) wird ausgeführt, dass zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, „wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.“

|3|1.2 Fahrerlaubnis-Verordnung und Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung

Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bezieht sich zwar in erster Linie auf Bewerber um eine Fahrerlaubnis, einige der Regelungen sind jedoch auch auf Fahrerlaubnisinhaber anzuwenden. Für das Thema des vorliegenden Bandes sind vor allem die Paragraphen 2 und 11 sowie die Anlagen 4, 5 und 6 zur FeV direkt relevant. Nach § 2 (1) gilt: „Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet. Die Pflicht zur Vorsorge … obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen.“ Nach § 11 (2) gilt: „Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde … die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.“ Anlage 4 betrifft die Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen; die entsprechenden Regelungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten bzw. Mängel werden in tabellarischer Form aufgeführt. Anlage 6 listet speziell die Anforderungen an das Sehvermögen auf, und Anlage 5 betrifft Eignungsuntersuchungen für Bewerber und Inhaber der Führerscheinklassen C, C1, D, D1 und der zugehörigen Anhängerklassen E sowie der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, an die besondere Anforderungen gestellt werden.

Die im Mai 2014 in Kraft getretenen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die durch ihre Verankerung in der Fahrerlaubnis-Verordnung (Anlage 4a) und Veröffentlichung im Verkehrsblatt vom Februar 2014 normativen Charakter erhalten haben, sind, wie in der Kurzfassung formuliert (Gräcmann & Albrecht, 2014, S. 3), „eine Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender körperlicher und/oder geistiger Mängel und sollen die Begutachtung der Kraftfahreignung im Einzelfall erleichtern. Sie dienen als Nachschlagewerk für Begutachtende, die Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber in Bezug auf ihre Kraftfahreignung beurteilen.“ Sie stellen die unverzichtbare Grundlage für jede Beurteilung der Fahreignung dar.

1.3 Hinweise auf Regelungen in anderen Ländern

Während in Deutschland für Patienten, bei denen eine möglicherweise die Fahreignung beeinträchtigende Krankheit eingetreten ist, und für deren behandelnde Ärzte bisher keine Pflicht besteht, diese Tatsache der Straßenverkehrsbehörde zu melden, ist dies in anderen Ländern teilweise der Fall. So müssen z. B. in England Führerscheininhaber die Fahrerlaubnisbehörde (Driver & Vehicle Licensing Agency DVLA) über Krankheiten oder Behinderungen, die ihre Fahreignung beeinträchtigen können, in Kenntnis setzen. In anderen Ländern wird eine medizinische Untersuchung ab bestimmten, stark unterschiedlichen Alters|4|grenzen und besonders im hohen Lebensalter verlangt. Eine neuere Übersicht über die Regelungen in der EU findet sich im CONSOL Report Driver Licensing Legislation (2013).

2 Stellenwert der Fahreignungsbeurteilung durch Ärzte und Neuropsychologen

2.1 Legitimation und Stellenwert der klinischen Beurteilung der Fahreignung

Wenn im Verlauf der neurologischen Rehabilitation eines Patienten voraussichtlich bleibende körperliche oder kognitive Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, stellt sich in der heutigen Zeit, in der die meisten Patienten im Besitz einer Fahrerlaubnis sind, fast immer die Frage, ob diese Beeinträchtigungen die weitere sichere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr erlauben. Dabei geht es natürlich einerseits darum, ob und in welchem Maße die Funktionsbeeinträchtigungen sich auf die Fahreignung auswirken; andererseits sehen sich die Ärzte und Neuropsychologen aber mit dem Problem konfrontiert, inwieweit sie überhaupt aufgefordert und berechtigt sind, die Fahreignung der Patienten zu prüfen, und welche rechtliche Bedeutung ihre Beurteilung hat.

Bedenken hinsichtlich der Legitimation einer Beurteilung der Fahreignung im Rahmen der klinischen Behandlung können sich z. B. aufgrund der Ausführungen in Kapitel 2.2 der „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ (Gräcmann & Albrecht, 2014) ergeben: Danach entscheidet die Straßenverkehrsbehörde über die Art der Begutachtung (§ 11 Abs. 6 FeV), und nach der Fahrerlaubnis-Verordnung bedürfen Begutachtungsstellen der amtlichen Anerkennung (§ 66 FeV). Speziell zur Qualifikation des Gutachters wird in den Leitlinien ausgeführt: „Der ärztliche oder psychologische Gutachter muss nicht nur über spezielle Erfahrungen in der Verkehrsmedizin bzw. in der Verkehrspsychologie verfügen (praktische Tätigkeit, Fortbildung und Weiterbildung), sondern sich auch bereits durch eine langfristige Tätigkeit in entsprechenden Institutionen (Kliniken, Facharztpraxen bzw. Begutachtungsstellen für Fahreignung) qualifiziert haben (siehe hierzu §§ 65 bis 67 und 72 FeV).“ Diese formalen Anforderungen werden von den in der klinischen Rehabilitation (oder in Praxen) tätigen Neurologen und Neuropsychologen selten erfüllt.

Die Regelungen nach der Fahrerlaubnis-Verordnung beziehen sich allerdings nur auf solche Fälle, in denen die Straßenverkehrsbehörde involviert ist, d. h. auf Bewerber um eine Fahrerlaubnis oder auf solche Personen, bei denen der Behörde Tatsachen bekannt geworden sind, die Bedenken gegen deren Fahreignung begründen. Neurologische Patienten, die im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, gehören in der Regel nicht zu diesen Fällen. In diesem Sinne |5|unterscheiden auch Laux und Widder (2014) zwischen der „Aufklärung im Rahmen der Patientenversorgung und der verkehrsmedizinischen Begutachtung auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde“.

2.2 Aufklärungspflicht

Die Aufklärungspflicht, die auch für die mit der Patientenversorgung betrauten Psychologen gilt, ergibt sich in erster Linie aus der Verantwortung und Fürsorgepflicht für den Patienten, daneben aber auch im Hinblick auf die allgemeine Sicherheit im Straßenverkehr und den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer. Die Pflicht zur Aufklärung über mögliche Einschränkungen der Fahreignung besteht im Übrigen auch dann, wenn der Patient nicht von sich aus danach fragt – sei es aus Unkenntnis oder um das problematische Thema nicht anzusprechen. Bei der Aufklärung muss auf die Eigenverantwortung und die möglichen rechtlichen Konsequenzen hingewiesen werden, mit denen der Patient rechnen muss, wenn er trotz der Information über seine mangelnde Fahreignung ein Kraftfahrzeug führt.

Insbesondere Patienten mit neurologischen Erkrankungen, die zu qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlichen Störungen körperlicher und vor allem auch kognitiver Funktionen führen können, sind oft nicht in der Lage, ihre Leistungsbeeinträchtigungen zu erkennen und deren negative Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr richtig zu beurteilen. Besonders typische Beispiele sind die nach Schlaganfällen gelegentlich auftretende und den Patienten charakteristischerweise gar nicht bewusst werdende halbseitige Einschränkung der Aufmerksamkeit (Neglect) oder der beim Vorliegen einer Demenz häufig gravierende, aber von den Patienten nicht realisierte Verlust an kognitiven Fähigkeiten, der den Überblick über Verkehrssituationen unmöglich macht. Hieraus wird die Bedeutung der Aufklärungspflicht von Ärzten und Psychologen gegenüber den Patienten unmittelbar evident.