Faking Butterflies: Zusammen berühmt - Annie C. Waye - E-Book

Faking Butterflies: Zusammen berühmt E-Book

Annie C. Waye

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Beschreibung

***Eine arbeitslose Schauspielerin, ein internationaler Superstar, eine gespielte Beziehung und echte Gefühle***

Als der erfolglosen Schauspielerin Rike eine Stelle als Beraterin für einen berühmten französischen Schauspieler angeboten wird, nimmt sie, was sie kriegen kann. Doch in Paris angekommen, stellt sich der Job als großes Missverständnis heraus: Ehe sie sich versieht, findet sie sich an der Seite des exzentrischen Superstars Adrien Rousseau wieder, der ganz und gar nicht angetan von ihr ist. Rike ist fest entschlossen, ihrer Karriere auf die Sprünge zu helfen. Aber dafür muss sie der Stadt der Liebe einen Frühling lang vorspielen, dass Adrien und sie in einer glücklichen Beziehung sind …

Alle Bände der "Seasons of Love" sind unabhängig voneinander lesbar.

  • Romance mit Spice für Young und New Adults
  • Sehnsuchtsort Paris und ein französischer Love Interest
  • Tropes: Fake dating, enemies to lovers
  • mit wenig Drama und viel Gefühl

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Faking Butterflies

Zusammen berühmt

Impressum

Annie Waye

c/o JCG Media

Freiherr-von-Twickel-Str. 11

48329 Havixbeck

© 2025 Annie Waye

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Emily Bähr

Lektorat und Buchsatz: Kaja Raff

Korrektorat: Larissa Schira (Lektorat Tintenglanz)

Dieser Buchsatz wurde mit Ressourcen von Freepik.com erstellt.

Am Ende dieses Buchs findest du ein Glossar.

Auch erschienen:

Faking Butterflies: Zusammen berühmt (Frühlingsroman)

Craving Sunlight: Zusammen erstrahlt (Sommerroman)

Changing Tides: Zusammen erwacht (Sommerroman)

ANNIE WAYE

Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele. Sie ist auf der ganzen Welt zu Hause und seit jeher der Magie der Bücher verfallen. Sie schreibt, um fremde und vertraute Welten zu erschaffen, sympathischen und zwiespältigen Charakteren Leben einzuhauchen und Dunkelheit und Stille aus den Herzen der Menschen zu vertreiben. Wenn sie nicht gerade an Romanen arbeitet, veröffentlicht sie Kurzgeschichten und bereist die Welt auf der Suche nach ihrem nächsten Sehnsuchtsort.

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Für alle, die auf der Suche nach dem Frühling sind.

1. Le début

»Alles klar, Frau …« Die Casting-Direktorin warf einen Blick auf meine Unterlagen, die vor ihr auf dem kleinen Tisch lagen.

Ich straffte die Schultern. »Müller«, half ich ihr auf die Sprünge. »Henrike Müller.«

»Frau Müller.« Die hauchdünnen Brauen der Dame schossen nach oben, und als sie mich erneut fixierte, sprach ihre Miene von purem Desinteresse. »Vielen Dank. Wir melden uns bei Ihnen.«

Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ich freue mich darauf«, behauptete ich, während es mir davor graute, jemals von ihnen zu hören. In einer mechanischen Bewegung drehte ich mich um neunzig Grad und stakste zur Tür des kleinen, quadratischen und durch und durch schmucklosen Raumes, in dem das Casting stattfand. Es wurde für eine Nebenrolle in der neuen Serienproduktion eines Streaminganbieters abgehalten, und wenn es nach meinem Agenten ging, konnte ich mir gute Chancen ausrechnen, genommen zu werden. Warum nur fühlte es sich jetzt, wo ich vorgesprochen hatte, überhaupt nicht mehr danach an?

Auf der anderen Seite der Tür erwartete mich ein Meer aus jungen Frauen, die alle für dieselbe kleine, unbedeutende Rolle hier aufgekreuzt waren. Eigentlich war es ein geradezu erbärmlicher Anblick, und wäre ich kein Teil dieser armen Seelen gewesen, hätte ich mich vielleicht darüber amüsiert. So aber saßen wir alle im selben Boot.

Ich bewegte mich zwischen den beiden Reihen aus Stühlen hindurch, die allesamt mit westeuropäisch aussehenden Frauen zwischen zwanzig und dreißig Jahren besetzt waren, und fühlte mich von allen Seiten verurteilt. Mir war, als könnte ich die Gedanken der anderen Schauspielerinnen förmlich hören:

Sie ist gar nicht so gut in Form.

Wann hat sie sich zuletzt die Haare gewaschen?

Sie ist nicht wirklich schön.

Diese Frau hat vielleicht ein Werbegesicht, aber ganz sicher keines für Film und Fernsehen.

Ich kannte diese Sprüche nur zu gut – schließlich gingen sie mir selbst auch ständig durch den Kopf, wenn ich mich während der Wartezeit zumindest ein kleines bisschen besser fühlen wollte. Was man nicht alles tat, um die eiskalte Verzweiflung zu dämpfen, die man hier drinnen förmlich wie Wasserperlen auf der Haut spüren konnte.

Umso erleichterter war ich, als ich den Betonbunker endlich verließ und ins sonnenbeschienene Berlin trat. Es war April, und das wechselhafte Wetter hatte sich zumindest für den Moment dazu entschieden, angenehm zu werden. Wie ein Trostpflaster, das mir das Schicksal für mein versemmeltes Casting spendierte.

Weil ich mich jetzt nicht mehr verkaufen musste, band ich meine langen hellbraunen Haare mit einem Haargummi zu einem unsauberen Knoten. Ich trug ein Kleid, für das es eigentlich immer noch zu kalt war, mit dem ich mir aber bessere Chancen bei Castings erhoffte, weil es meine Taille und meine Beine so schön betonte. Auf eine Jacke hatte ich deshalb intelligenterweise verzichtet und fror mir bereits jetzt den Arsch ab. Welche Opfer man nicht für den Erfolg erbringen musste!

Ich zog mein Handy aus meiner winzigen Handtasche und checkte die nächste Bahnverbindung nach Hause. An Tagen, an denen ich Castings besuchte, kam ich ziemlich viel rum – Berlin war eine verdammt große Stadt, und die Vorsprechen wurden schier überall abgehalten. Darüber war ich auch echt froh. In manchen Studios war ich inzwischen so oft gewesen, dass mir sogar die Putzkräfte freundlich zunickten, wenn ich schon wieder bei ihnen vorbeischneite, ohne jemals engagiert zu werden.

Als Kind hätte ich nie gedacht, dass das hier mal mein Leben sein könnte. Meine Eltern waren Bürokaufleute, aber für so was hatte ich mich noch nie begeistern können. Ich war in einem so winzig kleinen Vorort Berlins aufgewachsen, dass es in jedem Smalltalk-Gespräch die reinste Zeitverschwendung war, darauf zu sprechen zu kommen, und so bald wie möglich in die Hauptstadt abgehauen, um meine Träume zu verwirklichen.

Meine Träume, die an dem Tag in mir entstanden waren, als mich ein paar Weiber im Sportunterricht in der fünften Klasse versehentlich immer wieder mit den härtesten Bällen aus der Abstellkammer abgeworfen hatten. Ignorier sie doch, Schätzchen, hatte meine Mutter in solchen Fällen stets gesagt. Dann finden sie es langweilig und hören auf.

Beim fünften Mal hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Da die Lehrerin Woche für Woche nicht auf die Idee gekommen war, einzugreifen, hatte ich beschlossen, dafür zu sorgen, dass sich das änderte. Als mich der nächste Ball am Hinterkopf getroffen hatte, hatte ich mich auf den Boden fallen lassen, den zusätzlichen Schmerz ignoriert und mich bewusstlos gestellt. Von jetzt auf gleich hatte die Aufmerksamkeit der ganzen Halle auf mir gelegen, meine Mitschülerinnen hatten die Tussis angeschrien und ich hatte es geschafft, keine Miene zu verziehen, bis die Lehrerin schon mehrmals vergeblich an mir gerüttelt hatte. Verwirrt hatte ich die Augen aufgeschlagen, ein gehauchtes »Wo bin ich?« auf den Lippen – und hatte damit den Tag markiert, ab dem niemand mehr gemein zu mir gewesen war aus Angst, mich doch noch kaputtzumachen.

Kopfschüttelnd stieg ich in die U-Bahn, umgeben von unzähligen anderen Menschen, bei denen ich mich fragte, wie viele von ihnen auch ihren Träumen hinterherjagten. Wie viele hatten sie bereits erreicht und wie viele schon aufgegeben?

Meine Show damals war eine spontane und unglaublich dusselige Einlage gewesen, aber es hatte funktioniert. Und seitdem war es das für mich: Es musste die Schauspielerei sein. Eine andere Option hatte es seither nicht mehr gegeben.

Abitur, dann ab auf die Schauspielschule, gestützt von ein paar lokalen Theaterproduktionen hier, ein paar Jobs für Werbefilme da, und schwupp war aus mir eine waschechte, ausgebildete Schauspielerin geworden.

Joa. Seitdem war nicht mehr viel passiert.

Weil ich eine Weile in dieser Bahn sitzen würde, ließ ich mich auf einem freien Platz zwischen einem Teenager mit Hoodie und übergroßen Headphones und einer pelzmanteltragenden älteren Dame nieder, die mich mit gerümpfter Nase taxierte, als wäre ich nicht würdig, dieselbe Luft wie sie zu atmen. Obwohl es schon länger nicht mehr geregnet hat, fand sich einige Schritte von mir entfernt eine kleine Pfütze, und der Frau auf dem Werbeposter gegenüber hatte man den Kopf abgerissen.

Alles in allem ein Sinnbild für mein Leben: Ich war nach Berlin gezogen, weil dies die Schauspielstadt schlechthin war. Nach einigen Startschwierigkeiten hatte ich einen Agenten gefunden, der zumindest lang genug daran geglaubt hatte, mich verkauft zu bekommen, um mich einen Vertrag unterzeichnen zu lassen. Und das waren die einzigen Erfolge, die ich bisher zu verzeichnen hatte. Die meiste Zeit über fühlte ich mich nicht anders als die kopflose Frau auf dem Poster.

Mit der U-Bahn kam ich etwa eine halbe Stunde später zu Hause an. Ich lebte in einer – nennen wir es mal bescheidenen – Wohnung in Lichtenberg und teilte mir die Räume mit fünf anderen Schauspielerinnen, die ähnliche Kassenschlager waren wie ich. Man sagte, geteiltes Leid sei halbes Leid, aber wenn man den lieben langen Tag dem Gejammer der eigenen Mitbewohnerinnen ausgeliefert war, zog das die Gesamtstimmung ganz schön runter.

Als ich in unsere weitläufige Wohnküche trat, war nur Sibylle da, genau wie ich fünfundzwanzig Jahre alt, mit strahlend blondem Haar und so dünnen Beinen, dass ich immer wieder befürchtete, sie würden wie trockene Spaghetti abbrechen, wenn sie mal mit ihren High Heels umknickte.

»Hi, Schätzchen«, begrüßte sie mich vom Sofa aus, wo sie sich mit einer überdimensionalen Salatschüssel niedergelassen hatte und irgendein Mittagsmagazin im Fernsehen sah. Sofort schaltete sie das Gerät mit der Fernbedienung leiser. »Wie war das Casting?«

Ich unterdrückte ein Seufzen. »Frag nicht.«

»Ach, was! Es lief sicher großartig.« Sie drehte den Kopf, um mich mit dem Blick zu verfolgen, während ich meine Handtasche auf den langen Tresen kloppte und mich auf einem unserer drei Barhocker niederließ. »Du bist eine tolle Schauspielerin, Rike. Irgendwann wird es schon klappen.«

Sie hatte gut reden. Seit sie den Agenten gewechselt hatte, lief es bei ihr wie am Schnürchen. Sie hatte schon drei Zusagen für Serienauftritte bekommen, und wahrscheinlich würde es nicht lange dauern, bis sie hier auszog und uns alle über Nacht vergaß. Ich freute mich wirklich für sie, aber ihr krankhafter Optimismus war nicht unbedingt das, was ich gerade brauchte. Nicht zuletzt, weil sie bis vor ein paar Wochen selbst noch als Depribylle bekannt gewesen war.

»Wir werden sehen.« Ich nickte in Richtung Gang, von wo aus unsere beengten Schlafzimmer abzweigten. »Was machen die anderen?«

Sibylle kratzte sich am Kinn. »Kara ist bei nem Shooting, Valencia zu ihren Eltern gefahren und Su pennt noch.«

Ich blinzelte. »Immer noch? Muss ja wieder ne lange Schicht gewesen sein.«

Inzwischen war ich fest davon überzeugt, dass die meisten Bedienungen und Barkeeper, die man in den Bars von Berlin traf, in Wirklichkeit Schauspieler waren, die sich irgendwie ihren Lebensunterhalt finanzieren mussten. Denn fun fact: Von ein paar Herpescreme-Werbespots oder der Teilnahme als Statist bei Fernseh-Spielshows sprang nicht genug raus, um die restliche Zeit des Tages bei hoffnungslos überfüllten Castings herumzusitzen.

Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen unseren Bartresen, an dem wir aus Platzgründen nie alle gleichzeitig essen konnten. Unser ganze Einrichtung war bunt zusammengewürfelt und passte von vorne bis hinten nicht zusammen. Manches hatten wir vom Sperrmüll, anderes bei Schlussverkäufen aufgetrieben. Und natürlich gab es auch immer wieder gut gemeinte Spenden unserer Eltern, die schon seit Jahren dabei zusahen, wie wir uns unserer eigenen Lebensgrundlage beraubten.

Mir ging inzwischen das Geld aus. Nachdem ich einmal in die engere Auswahl für die Neubesetzung einer Rolle bei einer Soap gekommen war, hatte ich der Produktionsfirma für die Herpes-Werbespots großspurig übers Telefon abgesagt, sie müssten sich jetzt eine neue alte Irre suchen, die für sie buckelte. War nicht so gut angekommen, und die Leute von der Soap hatten sich letzten Endes für was Jüngeres entschieden.

Ja, ich war fünfundzwanzig und ich war steinalt. Die Bitches aus der fünften Klasse hatten inzwischen Mann, Haus und Kinder oder nur Mann und Kinder oder nur Kinder ohne Mann und Haus, und was hatte ich? Ein Zimmer in einer beengten WG und unrealistische Teenie-Lebensträume, aus denen ich nicht mal nach über zehn Jahren aufgewacht war.

»Ich hoffe einfach nur, dass sie sich mit der Absage Zeit lassen«, murmelte ich und fischte mein Handy aus meiner Handtasche. »Für heute ertrage ich keine schlechten –«

Ich hatte gerade so den Bildschirm entsperrt, als dieser in den Anrufmodus wechselte und mein Klingelton – So what? von P!nk – ertönte. In fetten Lettern leuchtete mir der Name SIMON WOOD entgegen, und mir drehte sich der Magen um. »O nein.«

Sibylles Augen wurden groß, und obwohl sie von hier aus nicht sehen konnte, wer anrief, legte sie ihre Gabel weg und sprang vom Sofa auf. »Geh nicht ran!«

Unsicher sah ich vom Handy zu ihr. »Habe ich denn eine Wahl?«

»Du musst nicht nonstop für ihn erreichbar sein.« Entschieden ließ sie sich neben mir nieder und nahm mir das Handy aus der Hand, um es auf den Tresen zu legen. »Er ist dein Agent, klar. Aber er muss lernen, dass er nicht immer an erster Stelle kommt.«

Ich rümpfte die Nase. »Du tust so, als hätte ich gerade was Besseres zu tun.« Zugegeben, Sibylle war voreingenommen. Bis vor einem Jahr war sie auch noch bei Simon unter Vertrag gewesen – es hatte nicht so gut geendet.

Der Klingelton spielte sich immer und immer länger ab, weil Simon nicht aufgab. Als wäre das, was er mir zu sagen hatte, verdammt wichtig – oder als hielte er sich selbst für verdammt wichtig. »Aber was, wenn es zur Abwechslung was Positives ist?«, sinnierte ich. »Vielleicht hab ich ein Angebot bekommen.«

»Na ja …« Sibylle hob zweifelnd eine Braue, ehe sie sich offensichtlich selbst bei ihrer Reaktion ertappte. »Ä-ähm, klar, könnte sein!«, schob sie hinterher, aber ich hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.

»Nein, stimmt schon«, wehrte ich trocken ab. »Die Chancen stehen nicht so gut.«

Meine Mitbewohnerin schob sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. »So war das nicht gemeint!« Sie rang nach Worten. »Du weißt, wie das gemeint war! Okay, weißt du was?« Entschieden nahm sie mein Handy in die Hand. »Geh ran und finds raus.« In dem Moment, in dem sie es mir hinhielt, verstummte das Telefon endlich.

Sibylle erschauderte sichtlich. »Hat er das jetzt etwa gespürt? Dass ich dein Handy in der Hand habe?«

Ich grunzte. »Simon sieht vielleicht aus wie ein Außerirdischer, aber ich glaube, solche Kräfte hat er nicht.«

»Ich schon«, murmelte sie. »Ich spüre es, wenn er an mich denkt! Seit ich den Vertrag aufgelöst habe, habe ich ständig dieses Stechen im Nacken. Als würde mich jemand mit einer Nadel piksen.« Zur Untermalung ihrer Worte rieb sie sich den Hals. »Das muss Simon sein. Er und sein dämonischer Einfluss!«

Ich musste grinsen. Sie war wirklich nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Dabei war es in erster Linie nichts Schlechtes, bei Simon Wood unter Vertrag zu sein. Er hatte schon einige sehr erfolgreiche Schauspieler in Deutschland und international vertreten. Die Geschichten vieler großer Namen waren untrennbar mit seiner Arbeitsbiographie verbunden …, wenn auch in der Vergangenheit. Denn so viele Bekanntheiten er dem Showbiz zugeführt hatte, so viele hatten ihm nach und nach den Rücken gekehrt.

Dieser Mann galt als schwierig. Wenn man es vorsichtig formulieren wollte, könnte man sagen, dass er ab und an zu gewissen … Ausbrüchen neigte. Er war einfach ein sehr leidenschaftlicher Mensch, und damit kam nicht jeder zurecht.

Zugegeben, ich wollte mich nicht unbedingt als die Ruhe in Person mit dem dicksten Fell hinstellen, das ein Grizzlybär je gesehen hatte. Im Gegenteil: Ich hatte mich allein in den letzten drei Monaten schon dreimal nach Telefonaten mit ihm heulend in mein Zimmer verkrochen.

Es war nicht einfach. Aber ich hatte keine andere Wahl, als zu bleiben. Jemand wie ich durfte keine Ansprüche stellen – oder darauf vertrauen, dass sie schon irgendwo anders unterkommen würde. Ich war eine Kandidatin für viermal Nein bei Deutschland sucht den Superstar, für drei Punkte bei Let’s Dance, von mir abgewendete Stühle bei The Voice, verwehrte Fotos, verbrannte Händlerkarten und nicht zuletzt für ein Was für ein Fraß war das denn? bei jeder Kochshow, die jemals im deutschen Fernsehen gelaufen war.

Und Fakt war, dass sich nichts daran ändern würde, wenn ich meinem Agenten aus dem Weg ging. Ich unterdrückte ein Seufzen und nahm mein Handy an mich. »Drück mir die Daumen, dass er wirklich kein Alien ist und mich nicht durchs Telefon erwürgt«, bat ich Sibylle, die mir aufmunternd eine Hand auf die Schulter legte und sich dann zurück auf die Couch zu ihrem Salat verzog.

Mein Herz schlug unwillkürlich schneller, als ich die Rückruftaste antippte. Anfangs hatte ich mich noch gefreut, mit Simon Kontakt zu haben, aber seit unserem Vertragsschluss hatte es so gut wie keine positiven News gegeben, sodass meine Telefonate mit ihm inzwischen etwas Bitteres an sich hatten.

Genau wie jetzt, angefangen mit dem genervten »Na, endlich!«, das er mir durch die Leitung entgegenspuckte, kaum dass er rangegangen war.

Ich schenkte Sibylle einen vielsagenden Blick. »Hey, Simon.«

Simon war in Berlin geboren und aufgewachsen, was ihn aber nicht davon abhielt, seinen Vornamen stets englisch auszusprechen und seinem Fake-Nachnamen Wood treuzubleiben, weil ihm Hölzel nach all den Jahren im Business immer noch nicht international, extraordinary, shiny genug war. Als wäre Wood eines der letzten beiden gewesen.

Genau wie ich hatte Simon ein Schauspielstudium hinter sich gebracht, und genau wie ich war er danach nicht weit gekommen. Deshalb hatte er sich vor etlichen Jahren entschieden, aus dem aktiven Geschäft auszusteigen und sich stattdessen als Agent zu versuchen. Im Grunde genommen könnte man sagen, er war das Spiegelbild einer zukünftigen Rike, sollte diese nicht bald einen Fuß in die Tür des Filmgeschäfts kriegen.

Verdammt, ich wollte nicht Simon werden!

»Also, darling«, kam dieser zur Sache. »Wie lief das Casting? Gutes Gefühl?«

Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich an die Heerschar aus Frauen auf dem Gang dachte, die so aussahen, als wären sie demselben Wurf Klone entsprungen wie ich. »Mhm. Das könnte echt was werden. Ich glaube, ich habe sie –«

»Schön, schön, meine Liebe. Freut mich, dass es so gut lief.« Er schlug einen geradezu liebenswürdigen Tonfall an, welcher bei mir alle Alarmglocken schrillen ließ. Das war normalerweise ein bombensicheres Zeichen, dass er kurz vor einem Wutausbruch stand. »Ich hoffe, du hast das Gefühl, einen erfolgreichen Tag gehabt zu haben. Dass du jetzt die Füße hochlegst, dir ein Käffchen oder vielleicht ein Sektchen einschenkst und dich einfach mal feierst für das, was du erreicht hast.«

Verdutzt blinzelte ich. »W-was hab ich denn erreicht?«

»Ja, ganz genau, Henrike«, grollte Simon plötzlich durch den Hörer. »Was zum Teufel hast du schon erreicht?!«

Und da war er: der unvermeidliche Ausbruch. Unwillkürlich hielt ich mir das Handy etwas weiter vom Kopf weg, als er losdonnerte: »Die Produzenten haben vor zehn Minuten abgesagt. Du warst wahrscheinlich noch nicht mal in der U-Bahn, als sie dich abgesägt haben! Wie schlecht kann man sich anstellen, wenn sich die Entscheider nicht mal die Zeit nehmen, ihren verdammten Chai Latte zu verdauen, bevor sie dich zur Hölle fahren lassen?«

Wein?, formte Sibylle deutlich mit den Lippen, und ich nickte dankbar. Erneut stand sie auf und schlurfte an mir vorbei in Richtung Alkoholschrank, der nicht zuletzt dank Su immer prallgefüllt war.

»Die Anforderungen waren nicht so schwierig zu erfüllen, weißt du? Sie wollten einfach nur eine weiße Frau mit einem natürlichen Lächeln!« Simon schnaubte abfällig. »Doch mit deinem Kühlschranklächeln bekommen wir dich höchstens als Frosty, den Schneemann durch!«

Ich zog die Schultern hoch. »Aber … Frosty hat ein total süßes Lächeln.«

»Oh, wie schlagfertig«, ätzte Simon. »Wäre ich ein Producer, würde ich dich jetzt sofort für meine nächste Hauptrolle casten.«

Ich verdrehte die Augen. »Sonst noch was?« Mir entging nicht, dass Simon in den letzten Monaten immer verzweifelter geworden war, was mich betraf. Zumindest sprach jede seiner Entscheidungen davon. Inzwischen hatte ich das Gefühl, dass er mich für schier alle Castings anmeldete, die existierten, solange sie nicht in irgendeinem dunklen Hinterhof abgehalten wurden – wobei, sogar das hatte ich schon mal gehabt. Das führte dazu, dass ich des Öfteren für Rollen vorsprach, für die ich entweder zehn Jahre zu alt oder zwanzig Jahre zu jung war. Und leider hatte die Qualität meines Schauspiels die Entscheider nicht dazu bewegt, ihre demographischen Anforderungen zu überdenken oder das ganze Drehbuch für mich über den Haufen zu werfen. So ein Jammer aber auch.

»Nein!«, tönte Simon, geriet dann jedoch ins Stocken. »Ja. Doch. Ehrlich gesagt rufe ich gar nicht deshalb an.«

Ich unterdrückte ein Schnauben. Schwer zu glauben.

Sibylle stellte ein prallgefülltes Glas Rotwein vor mir ab, und ich hauchte ihr ein »Danke« zu. Obwohl sie keine Sorgen hatte, die sie hätte ertränken müssen, gönnte sie sich ebenfalls ein Gläschen, vielleicht weil sie festgestellt hatte, dass ein Leben, in dem man sich nur von Salat ernährte, nicht wirklich lebenswert war.

»Okay, weshalb dann?« In weiser Voraussicht nahm ich mein Glas in die Hand und setzte es an meine Lippen an.

»Du wirst es nicht glauben – ich glaube es nicht mal selbst«, trug er gekonnt eine Spur zu dick auf, »aber ich habe ein Angebot für dich.« Während er eine Pause machte, nippte ich am Wein, der so trocken wie die Sahara war. »Es ist ein … etwas anderes Angebot. Und es verlangt äußerste Diskretion.«

2. Le travail

Mir blieb der Wein beinahe im Hals stecken. Ein diskretes Angebot? Da fiel mir nur eine Sache ein. »Ich werde nicht mit dir schlafen!« Das hatte mir gerade noch gefehlt. Kein Wunder, das Sibylle die Flucht ergriffen hatte.

»Was? Bist du des Wahnsinns?«, spuckte Simon förmlich aus. »Dich würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen!«

Mein Mund klappte zu. Okay, das hatte ich herausgefordert.

»Weißt du, was in dieser Branche das Wichtigste ist, um Erfolg zu haben?«

Ich zögerte und ahnte, dass jede Antwort, die ich darauf geben könnte, sowieso falsch wäre. »Talent?«

»Nein!«, erlöste mich Simon kurz und schmerzhaft. »Kontakte! Und zufällig habe ich da einen Kontakt, mit dem … ich einige schöne Erinnerungen teile.« Übersetzt bedeutete das wohl, dass dieses arme Schwein Simon etwas schuldig und dieser nun darauf zurückgekommen war. »Und durch diesen Kontakt habe ich dir einen Job verschafft.«

»Einen Job?« Ich grunzte ungläubig. »Ganz ohne Casting?«

»Ganz ohne Casting. Warst du schon mal in Paris?«

Mein Herz machte einen Satz. »P-Paris? Nein.« Auf einmal fühlte es sich so an, als würde die Schwerkraft aussetzen. Als würden mir Flügel wachsen und ich geradewegs an die Decke schweben – und das, obwohl ich noch nicht mal an meinem Wein genippt hatte. »Warte. Du willst mir erzählen, dass du mir einen Job in Frankreich besorgt hast?«

Sibylle riss auf der Couch den Kopf zu mir herum. »Was?«, quietschte sie kaum hörbar, aber ich war zu aufgewühlt, um zu reagieren. Worum könnte es gehen? Eine Soap? Eine Dokumentation? Eine Streaming-Produktion? Irgendwas mit Disney?

»Goldrichtig, darling.« Ein Zögern lag in Simons Stimme. »Die Sache hat nur einen Haken.«

Meine Schultern sackten herab. Natürlich hatte sie das. »Will ich es überhaupt wissen?«

»Es ist kein Schauspieljob.«

Nichts in mir regte sich. Ich konnte nicht verarbeiten, was er da gerade sagte, und musste all meine Willenskraft aufwenden, um mich nicht hoffnungslos verarscht zu fühlen. Frustriert schüttelte ich den Kopf und nahm mehrere Schlucke Wein. »Was denn dann? Einer als Barfrau? Als Escort? Als Goofy-Darsteller in Disneyland?« Wobei, das würde sogar noch unter die Kategorie Schauspiel fallen …

Also musste es schlimmer sein als ein Goofy-Darsteller in Disneyland.

»Mach dich nicht lächerlich!«, fauchte Simon. »Was würde so was denn aus meinem Ruf machen?« Richtig, sein Ruf. Nicht meiner. »Sagt dir Adrien Rousseau was?«

Ich runzelte die Stirn. »Ist das der Produzent?«

»Nicht doch! Aber du wirst in den nächsten zwei Wochen mit ihm zusammenarbeiten – mit Option auf Verlängerung. Du musst wissen«, fuhr er fort, »Adrien ist einer der gefragtesten Schauspieler in Frankreich, ihr neuer Exportschlager. Genau genommen soll er nächsten Monat in einem deutschen Film mitspielen, und er sucht jemanden aus Deutschland, der ihn dafür … coachen kann.«

Entgeistert runzelte ich die Stirn. »Coachen? Ich dachte, er ist schon Schauspieler.«

Simon grunzte. »Nein, im Schauspiel solltest du ihn ganz bestimmt nicht coachen.« Autsch. »Es geht eher um alles andere. Ums Deutschsein. Deutsche Gepflogenheiten, Drehs in Deutschland, was auch immer. Er wünscht sich eine Art Sparringspartner, sodass er sich mental auf seine Rolle einlassen kann, bevor es losgeht.«

Langsam konnte ich das sacken lassen, was mir Simon erzählte. Trotzdem war ich irgendwie ratlos. »Wie so ein Method Actor?«

»Nenn es, wie du willst – aber das ist der Job, den ich für dich habe«, schloss Simon. »Zwei Wochen in Paris an der Seite eines erfolgreichen internationalen Schauspielstars. Einen besseren Kickstart gibt es für jemanden wie dich nicht. Die Frage ist nur: Nimmst du an?«

Ich spürte Sibylles Blick auf mir und ahnte, was sie sagen würde, würde sie Simon hören: Was soll das denn werden? Du bist Schauspielerin, keine Nachhilfelehrerin! Wer sich auf solche Jobs einlässt, ebnet sich seinen Weg in den Untergang! Konzentrier dich lieber auf richtige Engagements. Auf Screentime. Das hier ist doch nur ein kläglicher Versuch von Simon, zumindest ein paar Groschen Kapital aus dir zu schlagen.

Ich biss mir auf die Unterlippe. Das Schauspiel war mein absoluter Lebenstraum. Das Problem war nur, ich war nicht die Erste, der das einfiel. Die ganze Stadt wimmelte nur so vor uns, sowohl mit als auch ohne Ausbildung. Leute wie ich waren darauf angewiesen, uns um jeden Preis von der Masse abzuheben. Nur hatte ich in dieser Hinsicht nicht viel zu bieten. Bei jedem Casting traf ich mindestens eine Person, die jünger, schöner, dünner oder talentierter war als ich – und meistens bekam nicht mal die am Ende den Job. Es gab einfach viel zu viele von uns, und daran würde sich sicher nicht mal was ändern, wenn man jedes Jahr eine Purge oder ein Squid Game für erfolglose Schauspieler veranstaltete.

Die letzten zwei Jahre seit meinem Abschluss waren der absolute Horror gewesen. Und ja, was mir Simon anbot, ging in die ganz falsche Richtung. Aber vielleicht mussten manche Menschen eben den einen oder anderen Umweg nehmen, um ans Ziel zu kommen. Der Job musste kein Rückschritt für mich sein.

Das war in Ordnung. Ich brauchte keine zehn Kinoproduktionen, keine zwanzig viralen Werbespots und keine Hauptrollen in einem Dutzend Serien. Alles, was notwendig war, war eine einzige Sache, die gut funktionierte. Ein Film, eine Show, ein einziger Moment, der alles veränderte. Ich brauchte meinen Big Break, meinen großen Durchbruch. Den Wendepunkt, ab dem alles besser wurde. Und er würde kommen, das wusste ich genau. Ich musste einfach nur lange genug darauf warten. Durfte nicht aufgeben. Durfte nicht zulassen, dass er eintraf, wenn ich schon längst von der Bildfläche verschwunden war.

Und vielleicht war genau das ja der Schritt in die richtige Richtung.

Entschieden stellte ich mein Glas ab. »Ich bin dabei.«

Ich konnte es kaum glauben, als ich einen einzigen Tag später am Flughafen Charles-de-Gaulle in einen pechschwarzen Wagen mit verdunkelten Fensterscheiben stieg, dessen Fahrer mit einem Namensschild auf mich gewartet hatte: Henrike Muller.

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich damit gerechnet, dass ich gekidnappt werden sollte. Stattdessen erwartete mich auf der Rückbank der Limousine ein Minikühlschrank mit einer kleinen Flasche Sekt. Ich tat einfach so, als wäre ich fest davon überzeugt, dass sie für mich war, füllte das goldene Prickelzeug in ein dazu passendes Glas und genoss die Fahrt.

Ich war noch nie zuvor in Paris gewesen, und während wir uns vom Flughafen entfernten, bekam ich alle erdenklichen Facetten der Stadt zu sehen. Zuerst die weniger ansehnlichen Teile voller heruntergekommenen Häuser und Graffitiwände, wie man sie in jeder Großstadt in der Nähe von Flughäfen und Bahnhöfen sah – aber dann tauchte ich geradewegs ein in eine Welt, die so fremd und gleichzeitig vertraut wirkte. Die Straßen wurden von unzähligen hohen, prächtigen neuen und alten Gebäuden gesäumt. Ich sah Gärten und Parks und Bäume mit den schönsten Kirschblüten, wie ich sie höchstens in Japan, aber ganz bestimmt nicht hier vermutet hätte. Wir fuhren am Ufer der Seine und an strahlenden Blumenmeeren vorbei, und mein Herz schlug immer schneller vor Vorfreude. Ob ich auch Zeit hätte, ein bisschen Sightseeing zu machen? Einen Method Actor im Deutschsein zu coachen, war schließlich kein Vierundzwanzig-Stunden-Job! Oder? Ich hatte keine Ahnung, wie ernst Adrien Rousseau seine Vorbereitung nahm …

Natürlich hatte ich ihn gegoogelt und in den Ergebnissen einen gutaussehenden, dunkelhaarigen Franzosen in den Endzwanzigern zu Gesicht bekommen, der auf jedem einzelnen Bild besser gekleidet gewesen war als ich auf jeder Familienhochzeit.

Im Internet hatte ich auch schon den ersten bedeutenden Unterschied zwischen Adrien Rousseau und mir entdeckt: Er hatte eine Wikipedia-Seite, die schier jedes noch so kleine Detail über sein Leben akribisch auflistete. Geboren und aufgewachsen in einer französischen Kleinstadt im groben Einzugsgebiet von Paris, hatte Adriens Schauspielkarriere übers Schultheater begonnen. Er hatte ein so großes Talent gezeigt, dass er privaten Schauspielunterricht und einen Agenten bekommen hatte – etwas, wozu mir beinahe nicht mal ein Abschluss an einer Schauspielschule verholfen hätte. Seinen Durchbruch hatte er mit neun gehabt, als er die Hauptrolle in einem Werbespot eines Schokoladenherstellers übernommen hatte. Total verständlich – ich sah mir Bilder von ihm als Kind an, und um Gottes willen, war das ein süßer Fratz gewesen!

Daraufhin hatte das Wunderkind weitere Rollen bekommen. Der private Schauspielunterricht war das Zentrum seines Lebens geworden und er hatte die Schule nur noch nebenbei abgeschlossen.

In seinen frühen Zwanzigern hatte er in einer Art französischen Soap mitgespielt und das Image des süßen Jungen endgültig abgelegt. Er war von einer Zeitschrift zu Frankreichs Sexiest Man gewählt worden – einen Titel, den er in den letzten Jahren quasi am laufenden Band erneuert bekommen hatte.

Ich wuchtete meine große Handgepäckstasche auf dem Sitz neben mir näher an mich heran, um den Schnellhefter herauszukramen, den ich über Adrien angelegt hatte. Dies war zwar keine Rolle, die ich spielen musste, aber ich hatte mich trotzdem angemessen vorbereiten wollen und deshalb die wichtigsten Infos über ihn zusammengefasst. Schon als ich seine letzten Erfolge und Engagements durchging, wurde ich von einem Schub der Nervosität erfasst. Adrien Rousseau spielte mehr als nur eine Liga über mir.

In den letzten Jahren war es dann so steil bergauf gegangen, dass es fast schon langweilig war. Ein paar nationale Kinoproduktionen hier, ein Auftritt in einer amerikanischen Netflixserie dort, inzwischen wurde er auch nur zu gern als Model gebucht, alle weiblichen und sicher auch einige männliche Wesen himmelten ihn an. Keine Skandale, breit gefächertes Engagement für wohltätige Zwecke – Adrien hatte das reinste Saubermannimage! Waren das die Dinge, die einen Schauspieler zum Star machten?

Nachdem ich mein Sektglas geleert hatte, versuchte ich nochmal, etwas Aktuelleres über ihn zu googeln, zum Beispiel, was seine neue Rolle betraf, doch ich scheiterte gnadenlos an der Tatsache, dass ausnahmslos alle Ergebnisse französisch waren. Ein paar davon ließ ich übersetzen, stieß aber hauptsächlich auf Schlagzeilen rund um seine Outfits und sein Liebesleben – das Übliche.

Der Wagen bog in eine Straße ein, bei der ich mir nicht sicher war, ob sie aus Hotels oder aus noblen Wohnblocks bestand. Der Unterschied war überraschend schwer auszumachen. Schließlich kam ich zum Schluss, dass es eine Mischung aus beidem sein musste. Manche Gebäude waren so alt, dass sie bestimmt schon zur Zeit des letzten Königs hier gestanden hatten. Andere waren modern mit völlig verglasten Außenwänden und Türstehern, die vor dem Eingang ihre Sollarbeitszeit abstanden.

Mein Mund wurde trocken, und ich zupfte instinktiv den Kragen meiner Bluse zurecht, der aus dem Ausschnitt meines Pullovers hervorragte. Dazu trug ich eine dünne Jacke und einen Rock mit Strumpfhosen. Obwohl mein Äußeres für diesen Job keine Rolle spielte, wollte ich unbedingt einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Wer wusste schon, wohin er mich bringen würde?

Simon hatte mir mehr als einmal deutlich gemacht, dass dies eine unglaubliche Chance für mich sein könnte. Mich mit Adrien Rousseau gutzustellen, könnte mir ungeahnte Türen öffnen – und zwar auf dem internationalen Parkett! Auch wenn ich bisher keine Ahnung hatte, wie ich an diese Türen herankommen sollte, war ich echt aufgeregt.

Simon hatte mir ein Hotel gebucht, mir die Daten hierzu allerdings noch nicht durchgegeben. Mit Adrien traf ich mich direkt in seiner Wohnung für ein erstes Gespräch, wie wir die nächsten zwei Wochen angehen wollten.

Mir wurde ganz heiß, als das Auto in der Einfahrt eines Wohngebäudes parkte, das von außen geradezu verräterisch schlicht und unscheinbar aussah, in dem Adrien aber sicher nicht der einzige Promi-Bewohner war. Der Fahrer öffnete die Tür für mich, und während ich noch damit beschäftigt war, mein Handgepäck aus dem Wagen zu zerren, hob er bereits meinen überdimensionalen Koffer heraus. Ich nahm den Griff in die Hand und drehte mich um – in dem Moment, in dem ein großgewachsener Mann von dort nach draußen trat.

Ich erkannte Adrien sofort, und sein bloßer Anblick flashte mich. Mit seinen dunklen, nicht mehr ganz kurzen Haaren und seinem gepflegten Bart sah er aus wie ein Bilderbuchfranzose. Er trug ein helles Hemd zu Stoffhosen und ein unwiderstehliches Lächeln auf den Lippen, als er mir entgegenkam. »Enfin!«, begrüßte er mich – und ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete.

O Gott. Simon hatte gesagt, dass Adrien Deutsch sprach. Aber was, wenn er sich geirrt hatte? Ich jedenfalls beherrschte keine einzige Silbe Französisch.

Der Fahrer verabschiedete sich und wich von meiner Seite, und Adrien breitete zur Begrüßung die Arme aus, als er auf mich zukam.

Gelöst lächelte ich. Er freute sich, dass ich hier war. Wenn das mal keine gute Voraussetzung für unsere Zusammenarbeit wäre. »Hi –«

»Bonjour, chérie!«

Ich wusste kaum, wie mir geschah, als Adrien vor mir stehenblieb und beide Hände auf meine Schultern legte. Als er sich zu mir beugte. Von jetzt auf gleich begannen meine Gedanken zu rasen, erinnerten mich daran, dass es in Frankreich total normal war, sich mit Wangenküssen zu begrüßen, verzweifelten aber sofort an der Frage, in welche Richtung ich mein Gesicht zuerst drehen sollte, um Adrien nicht in die Quere zu kommen.

Doch es stellte sich heraus, dass der ganze Stress umsonst war. Denn anstatt mir einen Kuss auf die Wange zu hauchen, drückte Adrien seine Lippen geradewegs auf meine.