Falsch! - David H. Freedman - E-Book

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David H. Freedman

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Beschreibung

Experten-Irrtümer sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Hintergründe zu einem System, das falsche Aussagen belohnt.

„Wenn die Welt zugrunde geht, so wird dies nicht wegen ihrer Verrückten geschehen, sondern wegen der Vernunft ihrer Experten“, sagte John le Carré. Experten rieten Generationen von Müttern, ihre Kinder schreien zu lassen, bis diese heiser und verzweifelt aufgaben. Experten machten Firmenchefs weis, dass Outsourcing profitabel sei und trieben Tausende ins berufliche Abseits. Experten stellten „zweifelsfrei“ fest, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfüge und leiteten so den Irakkrieg ein. „Irren ist menschlich“, werden manche beschwichtigend einwenden. Es sind aber gerade die Fachleute aller Couleur, die überproportional häufig Irrtümer verbreiten, weiß David H. Freedman. Die Selbstüberschätzung der Kompetenzträger sowie die Käuflichkeit und Manipulierbarkeit von „Wahrheit“ sind Systemfehler, die dafür sorgen, dass falsche Expertisen eher die Regel als die Ausnahme sind. Leichtgläubigkeit und Autoritätshörigkeit der Beratenen machen das Chaos perfekt. Die unumstößliche Wahrheit von gestern ist stets der offensichtliche Irrtum von morgen.

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Inhaltsverzeichnis
Titel
Inschrift
Einleitung
Kapitel 1 - Experten - eine Besichtigung
Copyright
Wer knieschwach ist, soll den Hügel nicht steil nennen.
Henry David Thoreau
Einleitung
Erfolg ist: unverdrossen von Fehlschlag zuFehlschlag zu gehen.
Winston Churchill
Ich sitze im Coffeeshop einer Kinderklinik in Boston, direkt an einem wohl fast drei Meter hohen Teddybären aus Bronze, vor mir ein Mann, der mir gleich ein Kunststück vorführen wird. Ich habe einen kürzlich in einer renommierten medizinischen Fachzeitschrift erschienenen Artikel im Sinn, der die Resultate einer wissenschaftlichen Studie mitteilt, und mein Gesprächspartner wird mir sagen, ob sich diese Ergebnisse als richtig erweisen werden oder eher nicht. Es handelt sich um eine Studie der Art, die vielleicht auch Ihr Arzt zur Kenntnis nimmt und von der Sie in der Zeitung, im Internet oder im Frühstücksfernsehen erfahren. Und die Resultate dieser Studie könnten Ihr Leben verändern, sie könnten Sie veranlassen, bestimmte Nahrungsmittel zu meiden oder zu bevorzugen, um Ihr Herzinfarktrisiko zu mindern, oder bestimmte Medikamente im Kampf gegen den Krebs zu nehmen oder zu ermitteln, ob Sie womöglich Träger eines für Gemütsleiden prädestinierenden Gens sind. Aber dieser Mann braucht für sein Kunststück nichts über solche Einzelheiten der Studie zu erfahren. Er muss nur wissen, dass sie in einer Top-Zeitschrift veröffentlicht wurde.
Seine Voraussage lautet: falsch. Und damit rüttelt er am Fundament des Fachwissens und unseres gläubigen Vertrauens.
John Ioannidis ist Arzt und Forscher, spezialisiert auf die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit der wissenschaftliche Studien sich als richtig oder falsch erweisen werden. Für jemanden, der die Mängel im Lebenswerk seiner Kollegen ins Rampenlicht rückt, ist Ioannidis ein angenehmer, höflicher, mit ruhiger Stimme sprechender Zeitgenosse, auch wenn unterschwellig die nervöse Energie von einem Menschen mit zu dicht gedrängtem Tagesplan zu spüren ist. Und für einen Mann um die Mitte vierzig sieht er jung aus - von eher schmächtiger Statur, feines, dunkles Haar in dichten Wellen, ein schmaler Schnauzbart. Was noch an Ioannidis überrascht: Er ist unter seinesgleichen durchaus angesehen. In der Regel weiß eine Berufsgruppe recht wohl, wie sie jemanden ins Abseits drängt, der interne Schwächen bloßlegt, doch die Welt der medizinischen Forschung, in der man nur mit außergewöhnlicher Begabung und ebensolchem Einsatz auch nur die unteren Sprossen der Anerkennung erklimmt, gibt ihm über die Standardabzeichen des Erfolgs zu verstehen, dass er ein gesuchter Spezialist ist: Er erhielt prestigeträchtige Berufungen, unter anderem an das zur Weltspitzenklasse gehörende New England Medical Center und an die medizinische Fakultät der Universität von Ioannina im heimatlichen Griechenland; Kollegen zitieren häufig aus seinen Arbeiten, die auch schon mal in den besonders angesehenen Zeitschriften seiner Zunft erscheinen; und immer wieder erreichen ihn Einladungen, als Sprecher an Konferenzen teilzunehmen, bei denen er sich als Publikumsmagnet erweist.
Dekonstrukteur des Falschen ist keine fertige Laufbahn, die man nur noch einschlagen muss, und auch Ioannidis fand auf manchen Umwegen dorthin. Er kam 1965 in den Vereinigten Staaten als Sohn eines Arztehepaares zur Welt und wuchs in Athen auf, wo er sich als mathematisch hochbegabt erwies und den Preis für den besten Mathematikstudenten Griechenlands errang. Gegen Ende seines Studiums schienen alle Weichen für eine Karriere als Mathematiker gestellt, aber da war auch der in der Familie liegende Zug zur Medizin. Da er der Mathematik nicht ganz den Rücken kehren wollte, kam er auf den Gedanken, beides zu verbinden und Medizinmathematiker zu werden. »Ich wusste zwar nicht recht, wie das aussehen sollte«, sagt er, »aber ich sagte mir, dass es in der Medizin doch sicher irgendein wichtiges Gebiet von mathematischer Natur gibt.« Er absolvierte also zunächst sein Medizinstudium in Athen und wählte anschließend Harvard für seine Assistenzzeit in der inneren Medizin. Es folgten Forschungen und klinische Arbeit auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten an der Tufts University in Massachusetts. Die Mathematik war bis dahin mehr im Hintergrund geblieben, aber 1993, noch an der Tufts University, sah Ioannidis die Chance, sie ins Spiel zu bringen. Er erkannte ein wachsendes Interesse an »evidenzbasierter Medizin«, die praktizierende Mediziner in die Lage versetzt, sich nicht allein auf das zu verlassen, was ihren Patienten nach gängiger Lehrmeinung vermutlich helfen wird, sondern sich rigoros überprüfter Verfahren zu bedienen, die ihren Patienten folglich erwiesenermaßen helfen werden. »Man glaubt es kaum«, sagt Ioannidis, »aber die meisten medizinischen Behandlungsmethoden können sich nicht auf wirklich gutes quantitatives Belegmaterial berufen« - eine Aussage, die sicher die allermeisten Patienten überraschen dürfte. Solche Erkenntnisse aus dem Wust von Patientendaten zu destillieren verlangt oft mehr statistische Energie, als die in der klinischen Forschung Tätigen aufzubieten vermögen, und Ioannidis erkannte diese nicht besetzte Stelle als einen Bereich, in dem er sich profilieren und etwas ausrichten konnte.
Als ihm neue Aufgaben sowohl an den National Institutes of Health als auch an der Johns Hopkins University zufielen, behielt er sein heimliches Interesse im Auge und betrachtete in medizinischen Zeitschriften erscheinende Studien zu den Erfolgen bestimmter Behandlungsformen unter diesem Gesichtspunkt, um vielleicht interessante Muster zu entdecken. Solche Studien sind im Grunde die gängige Währung, wenn es darum geht, Ärzten solide Informationen über die Wirksamkeit von Behandlungsmethoden an die Hand zu geben. Ein guter Arzt, so die Annahme, verschafft sich anhand dieser Fachzeitschriften einen Überblick über die Resultate solcher Studien, um entscheiden zu können, was bei welchen Patienten wie gut und mit welchem Risiko funktioniert und was nicht, und um seine Behandlungspraxis entsprechend anzupassen. Was spricht dafür, einem Kind mit Mittelohrentzündung ein Antibiotikum zu verschreiben? Soll man Männern in mittleren Jahren, bei denen keine Hinweise auf Herzerkrankungen vorliegen, zur Einnahme täglicher kleiner Mengen von Aspirin raten? Verspricht ein bestimmter chirurgischer Eingriff wirklich einen Nutzen, der die Risiken überwiegt? Forschungsstudien versprechen darauf Antworten zu geben. Ioannidis durchleuchtete Hunderte dieser Studien und stieß tatsächlich auf ein Muster, wenn auch auf ein eher verstörendes: Wenn eine Untersuchung veröffentlicht wurde, dauerte es vielfach nur Monate, allenfalls ein Jahr, bis weitere Arbeiten erschienen, die entweder die Befunde der ersten völlig widerlegten oder deren Resultate für »überbewertet« befanden, meist in dem Sinne, dass die betreffende Behandlungsmethode bei späteren Erhebungen längst nicht so gut wegkam. Ergebnissen, die verifiziert wurden, standen doppelt so viele Arbeiten gegenüber, denen ein baldiges Ende im Papierkorb bestimmt war.1
Was ging da vor? Der ganze Zweck solcher Studien besteht ja darin, dass man einer Frage wirklich auf den Grund geht und dabei Werkzeuge und Techniken einsetzt, von denen man sich solides Datenmaterial verspricht, eine tragfähige Basis für sorgfältige und aussagekräftige Analysen statt der bisherigen Mutmaßungen, Annahmen und schlampigen Bewertungen. Die erhobenen Daten selbst sollen der Weg zur Wahrheit sein. Trotzdem zeigten solche Untersuchungen, und Ioannidis sah sich ganz unterschiedliche Typen an, eine fatale Neigung, auf falsche Antworten hinauszulaufen. Es gab hier Fehlerquoten, die man eher mit Modediäten, Prominentenklatsch und politischer Kaffeesatzleserei als mit der Speerspitze der medizinischen Forschung assoziieren würde.
Und Ioannidis’ Befund, dass zwei von drei Studien falsch sind, ist schlimmer, als er klingt, denn er beruhte auf der Kenntnisnahme von nicht einmal 0,1 Prozent der medizinischen Forschungsberichte, die von den renommiertesten Fachzeitschriften zur Veröffentlichung angenommen wurden.1 Wenn Ioannidis also feststellt, dass zwei Drittel der veröffent-lichten medizinischen Forschungsergebnisse falsch sind, liefert er uns eine Bewertung, die unschwer als höchst optimistisch zu erkennen ist. Nehmen wir die vermutlich weniger sorgfältigen Arbeiten aus zweitklassigen Zeitschriften hinzu und berücksichtigen, wie die Resultate dann auch noch von Journalisten und den PR-Abteilungen der Universitäten und der Industrie zurechtgebogen oder fehlinterpretiert werden, dann liegt auf der Hand, dass der nicht betrachtete Rest nur schlimmer sein konnte als das, was Ioannidis an Expertenfehlern aufgedeckt hatte.
Ioannidis stand vor einem Rätsel, und es schien mit den Grundlagen medizinischer Erkenntnis zu tun zu haben. Wie konnte die Zunft der Forschenden behaupten, sie wisse, was sie tue, und mache bedeutende Fortschritte, wenn sie es nicht schaffte, in ihren führenden Zeitschriften Forschungsberichte zugänglich zu machen, die tatsächlich beweiskräftig waren oder eine bessere Patientenversorgung einleiteten? War er da nicht ausgezogen, die Kampfkraft der Kriegsmarine zu optimieren, und musste nun sehen, dass sich die meisten Schiffe nicht einmal über Wasser halten konnten? Zudem war das Problem offenbar nicht medizinspezifisch. Er sah sich in anderen Wissenschaftszweigen wie Chemie, Physik und Psychologie um und fand Ähnliches vor. »Die Fakten«, sagt er, »lassen vermuten, dass die Mehrheit der veröffentlichten Forschungsstudien auf den meisten Gebieten wahrscheinlich falsch ist.« Vermutlich die große Mehrheit, fügt er hinzu.
Und medizinisches oder sonstiges wissenschaftliches Fachwissen ist längst nicht alles, wenn wir von Expertenrat sprechen. Sicher, hochgepriesene Medikamente verschwinden urplötzlich wieder vom Markt, die Ratschläge zur richtigen Ernährung widersprechen sich, und giftige Chemikalien gelangen bis in unsere Wohnungen; aber auf so gut wie jedem anderen Gebiet müssen wir nicht lange graben, um auf ähnliche und schlimmere Sammlungen von Ausschuss zu stoßen. Ich könnte dieses Buch und etliche weitere mit Beispielen von entgleistem Expertentum füllen, und nicht nur in der Medizin, sondern eigentlich überall: Physik, Finanzen, Kindererziehung, Regierung, Sport, Unterhaltung…und nur so zur Unterhaltung gebe ich Ihnen in Anhang A eine kleine Beispielsammlung. Tatsache bleibt, dass sich Expertenrat meist als durchaus umstritten und kurzlebig, wenn nicht von vornherein als falsch erweist.
Mit dem Zusammentragen von Fällen und dem Zitieren von Expertentum-Experten2 ist natürlich noch nicht bewiesen, dass die Fachleute uns in der Regel irreführen, und das ist eigentlich auch gar nicht das Anliegen dieses Buchs. Mir ist aufgefallen, dass die meisten Menschen ohne viel Überzeugungsarbeit um die Irrtumsanfälligkeit der Experten wissen. Und wie könnte es anders sein? Wir verfolgen ständig, wie die Experten einander gegenseitig oder sogar sich selbst in ihren eigenen Aussagen widersprechen, und es ist ziemlich einerlei, um was es jeweils geht: Ernährung, Vorkehrungen gegen schwere Unwetter, die geheimen Kniffe des erfolgreichen Managertums, die Börse, cholesterinsenkende Mittel, die Frage, wie man Kleinkinder zum nächtlichen Durchschlafen bringt oder warum es unbedingt dieser Präsidentschaftskandidat sein muss, die Bewertung von Immobilien, das Geheimnis einer haltbaren Ehe, Vitamine, die Vorzüge von Alkohol/Aspirin/ Fisch, das Für und Wider von Massenvernichtungswaffen - es nimmt kein Ende. 2008 und 2009 verfolgte die Welt, wie ihre Finanzeinrichtungen ins Wanken gerieten und in manchen Fällen zusammenbrachen, und es machte so manchen von uns schier wahnsinnig, dass all diese Finanzexperten, seien sie Berater des Staatsoberhaupts oder des gemeinen Mannes auf der Straße, den großen Krach nicht nur nicht vorhersahen, sondern dass sie es sich in vielen Fällen nicht nehmen ließen, über die Ätherwellen zu verbreiten, es gebe nicht viel Anlass zur Sorge, und dass es ihnen im Großen und Ganzen nicht gelang, etwas Stimmiges und wirklich Nützliches zu den Problemen zu sagen. Wir sind uns darin einig, dass Fettleibigkeit zur Volksseuche wird, aber man kann den Eindruck gewinnen, dass es in der Frage, was denn nun gegen die Pfunde hilft, keine zwei Ernährungsfachleute gibt, die dasselbe sagen. Und die Eltern schulpflichtiger Kinder unter uns, die sich Hoffnungen auf ein besseres Schulsystem machen, haben zwei Expertengruppen zur Wahl: Die einen sagen, die Lehrpläne sollten weniger starr und notenorientiert sein, während die anderen vom genauen Gegenteil überzeugt sind. So leben wir denn in einer Zeit akuter Expertenmüdigkeit, auch wenn viele von uns weiterhin auf sie bauen und ihre Ratschläge befolgen.
Vertrauen auf Experten, die sich wahrscheinlich irren, ist nur ein Teil des Problems. Viele haben die Hoffnung auf guten Expertenrat abgeschrieben, das ist die Kehrseite der Medaille. In ihrer Gesamtwirkung erzeugen die widersprüchlichen und wechselnden Verlautbarungen mitunter den Eindruck, es handle sich bei den Schlussfolgerungen der Experten um lauter Geschwafel, eine Art Hintergrundrauschen des modernen Lebens. Mir scheint, die allermeisten von uns haben sich schon bei Gedanken wie dem folgenden erwischt oder sie von anderen gehört: Experten! Einmal sagen sie, Vitamin X (Kaffee, Wein, Medikament Y, ein umfangreiches Hypothekendarlehen, Kleinkinderlernvideos, Six Sigma, Multitasking, ein sauberes Heim, Streit, Investment Z) sei eine gute Sache, und am nächsten Tag verteufeln sie es. Wieso höre ich denen überhaupt noch zu? Da kann ich doch gleich das machen, was mir am meisten liegt. Aber wollen wir den Sachverstand wirklich einfach so abschreiben? Selbst wenn es den Experten meist nicht gelingt, uns klare und verlässliche Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen, es gibt, wie wir noch sehen werden, doch Situationen, in denen wir uns mit dem Nichtbefolgen ihrer Ratschläge nur Steine in den Weg legen oder sogar unser Leben aufs Spiel setzen.
Ich werde mich also nicht allzu lange mit dem Beweis aufhalten, dass Experten häufig, vielleicht sogar überwiegend irren. Vielmehr stellt dieses Buch die Frage, weshalb die Fachleute irren und was wir tun können, um an besseren Expertenrat zu kommen. Dazu werden wir uns ansehen, wie die Experten - darunter Wissenschaftler, Business-Gurus und andere höchst angesehene Quellen der Erkenntnis - allerlei Messfehlern auf den Leim gehen, wie Voreingenommenheit sie verleitet, sich in die Grauzone am Rande des Erlaubten zu begeben oder regelrecht zu schummeln, und wie ihr Austausch untereinander die Probleme eher verschlimmert als ausgleicht. Wir werden uns außerdem ansehen, wie die Medien im trüben Strom der sachkundigen Verlautbarungen fischen und sie noch weiter verzeichnen und wie wir selbst schließlich auf den schlimmsten Schund anbeißen - und zuletzt im Internet allem die Krone aufsetzen. Danach werden wir aus all diesen Entdeckungen ein paar grobe Richtlinien herauszufiltern versuchen, nach denen es uns vielleicht gelingt, den schlimmsten Expertenausschuss von dem zu sondern, was eine größere Überlebenschance hat.
Um es zu wiederholen, die meisten Menschen haben nichts gegen die Aussage einzuwenden, dass Expertenrat so eine Sache ist. Einige - vor allem die Experten selbst - widersprechen dem. Hier die drei Einwände, denen ich am häufigsten begegnet bin, jeweils mit einer kurzen Antwort.
Wenn die Fachleute so falsch liegen, wie kommt es dann, dass wir heute so viel besser dran sind als vor fünfzig oder hundert Jahren?
Ein namhafter Professor formulierte es mir gegenüber in einer E-Mail so: »Unsere Lebenserwartung hat sich in den letzten fünfundsiebzig Jahren annähernd verdoppelt, und das haben wir den Experten zu verdanken.« Tatsächlich geht der Löwenanteil dieses Zuwachses auf ein paar einschneidende Veränderungen in den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts und auf die Nichtraucherbewegung zurück. Was aber all die Medikamente betrifft, die diagnostischen Instrumente, die chirurgischen Techniken, die Listen der empfohlenen und nicht empfohlenen Nahrungsmittel, das ganze Arsenal an grundlegend neuen Verfahren und technischen Errungenschaften, mit denen sich die medizinischen Fachzeitschriften brüsten und die von dort aus in die Medienberichterstattung sickern, so ergibt sich folgendes Bild: Zwischen 1978 und 2001 nahm die durchschnittliche Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten gemäß einer als hochrangig eingestuften Studie um weniger als drei Jahre zu;2 als sich der Trend zum Nikotinverzicht um die Mitte der Neunzigerjahre zu verlangsamen begann, zeigte sich auch bei der Lebenserwartung eine Verlangsamung der Zunahme. Und wie wollen wir die Behauptung, dass wir in einem Meer von wunderwirksamem Expertenrat schwimmen, aufrechterhalten, wenn wir uns am Rande einer neuen Weltwirtschaftskrise bewegen, wenn die Scheidungsrate bei 50 Prozent liegt, die Energiepreise immer wieder ins Uferlose schießen, Übergewicht um sich greift, die Notendurchschnitte der Schüler zurückgehen und wir uns über Terroristen und mögliche Atomangriffe Sorgen machen müssen, wenn in den USA alljährlich 118 Millionen Rezepte für Antidepressiva ausgestellt werden,3 immer wieder Chargen verdorbener oder vergifteter Lebensmittel in den Regalen landen und…na, Sie wissen es selbst. Als griffige kurze Formulierung für Expertenrat würde ich »Irrtum mit Lücken« vorschlagen: Meist ist Expertenrat irreführend, aber es ist auch immer wieder mal etwas Nützliches dabei.
Sicher, die Experten haben in der Vergangenheit meist falsch gelegen, aber jetzt haben sie das wirklich im Griff.
Mitte 2008 standen die Experten Schlange, um sich über die vielfältigen und narrensicheren Kontrollsysteme heutiger Banken und anderer Finanzeinrichtungen auszulassen, die es Ende der Zwanzigerjahre noch nicht gab. Das war kurz vor dem Zusammenbruch ebendieser Geldhäuser. Heutige Krebsspezialisten schütteln den Kopf darüber, dass Generationen ihrer Vorgänger Jahrzehnte mit der Fahndung nach mythischen Umwelteinflüssen oder Viren als Krebsauslösern vergeuden konnten, wo doch sonnenklar ist, dass die neuere Theorie der Krebsauslösung durch Mutationen in einer kleinen Anzahl von Genen zutrifft - eine Theorie, wie wir noch sehen werden, die nach zwei Jahrzehnten immer noch keinen erkennbaren Nutzen für die Patienten erbringt. Fast allen entging, was mit unserem Klima passierte, oder sie sprachen sogar von einer Krise der globalen Abkühlung, bis wir zur heutigen absoluten Gewissheit über die globale Erwärmung und ihre Verursachung durch den Menschen kamen - nun, wir werden sehen, wie es damit steht. Wie konnten wir nur so dumm sein? Und wie dumm muss einer sein, der an der heutigen Expertenmeinung zweifelt? Jedenfalls suggeriert die Annahme, wir seien von falschen zu richtigen Vorstellungen gelangt, es gebe heute unter Experten einen Konsens über die richtige Sicht der Dinge. In vielen Fällen ist dem aber nicht einmal annähernd so. Und wo Expertenmeinung auf Expertenmeinung prallt, muss jemand im Irrtum sein - wer möchte das als bevorstehende Einigung auf die Wahrheit sehen?
Was ist schon dabei, dass sich Experten irren? Das liegt in der Natur des Expertenwissens: Es tastet sich durch schwierige Fragen voran und macht langsame Fortschritte.
Ja, schon, wir leben in einer komplexen Welt, die keine schnellen Antworten zulässt, da darf man erwarten, dass unsere Experten schon mal im Dunkeln tappen, während sie Zug um Zug die Wahrheit herausmeißeln. Ich sage ja nicht, dass die Experten keine Fortschritte machen oder dass sie längst alles unter Dach und Fach haben müssten. Ich sage jedoch dreierlei: Es ist gut zu wissen, wie hoch der Anteil des fehlerhaften Expertenrats ist. Wir sollten uns vergewissern, ob es nicht außer »Das liegt nun mal in der Natur der Sache« noch andere und vielleicht richtig beunruhigende Gründe für die Verirrungen der Experten gibt. Und wir sollten uns die Mühe machen, Anhaltspunkte für die Unterscheidung besserer Ratschläge von eher zweifelhaften Verlautbarungen zu finden. Und wenn wir schon mal dabei sind: Wenn die Experten es völlig in Ordnung finden, dass bei ihrer Arbeit mit einem hohen Ausstoß an fehlerhaften Aussagen zu rechnen ist, warum legen sie sich dann nicht ein bisschen ins Zeug, um uns diese wissenswerte Information zukommen zu lassen, wenn sie im Frühstücksfernsehen oder von einer Zeitung interviewt werden - anstatt es erst dann zu tun, wenn sie mit ihren Irrtümern konfrontiert werden?
Da ich nun schon eine ganze Weile mit dem Begriff »Experte« hantiere, möchte ich sichergehen, dass Sie auch wirklich wissen, was ich darunter verstehe. »Expertentum« ist etwas, das Akademiker an Pianisten, Sportlern, Einbrechern, Vögeln, Säuglingen, Computern, Zeugen vor Gericht und Industriekapitänen studieren, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Wenn ich dagegen »Experte« sage, denke ich meist an jemanden, den vielleicht die Massenmedien als Autorität zu einer bestimmten Thematik anführen würden; ich denke an die Leute, die wir meist im Sinn haben, wenn wir »Nach Meinung der Fachleute …« sagen. Es sind die »Massenexperten« oder »öffentlichen Experten«, wie ich sie nennen würde, Leute in einer Position, die ihnen erlaubt, Meinungen und Feststellungen unter die Leute zu bringen, und diese Leute, Sie und ich, richten sich vielleicht danach und treffen Entscheidungen von großer Reichweite. Wissenschaftler stellen hier eine besonders wichtige Gruppe, aber mich interessieren auch beispielsweise die Experten des Unternehmensbereichs, Experten für Elternschaft und Sport, deren Erfahrung und Wissen ihnen ein gewisses öffentliches Interesse sichert. Dann möchte ich auch etwas über Pop-Gurus, prominente Ratgeber und Mediengrößen sagen und schließlich auch über »Lokalexperten«, wie ich sie nennen möchte, also Leute, die einfach ohne allzu viel Bezug zur aktuellen Forschung in ihrer Berufspraxis stehen, zum Beispiel Ärzte, Börsenmakler und Automechaniker.3
Meteorologen, sagen manche halb im Scherz, sind die einzigen Leute, die für Falschaussagen bezahlt werden. Ich halte dagegen, dass die meisten unserer Experten mit Falschaussagen ihr Geld verdienen und dazu vermutlich noch häufiger falsch liegen als die Meteorologen. Ich möchte zeigen, dass es zwar von Natur aus langwierig und umwegreich sein kann, einem komplexen Gegenstand brauchbare Einsichten und Ratschläge abzuringen, dass es aber womöglich noch andere und weniger ansehnliche Gründe für das Versagen der Experten gibt. Wir werden sogar sehen, wie Expertenaussagen derart in Richtung Fehleinschätzung gedrängt werden, dass es am Ende schwieriger wird zu erklären, wieso sie manchmal recht haben. Damit will ich aber nicht sagen, dass wir rettungslos in einem Sumpf falscher Ratschläge stecken. Mit einem halbwegs ordentlichen Kompass finden wir schon wieder heraus. Aber fangen wir mit dem eher sumpfigen Teil an.
1
Experten - eine Besichtigung
Ich habe mich in vielen Dingen geirrt.
Jim Cramer, Fernseh-Investmentguru
Anfang 2008 sah ich zufällig einen Fernsehbericht über neue Richtlinien für Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR von engl. cardiopulmonary resuscitation), die darauf abzielten, einige der allein in den USA jährlich zu verzeichnenden 325 000 Tode durch plötzlichen Herzstillstand zu verhindern (die durch Verletzung, Ertrinken und Schock bedingten Fälle sind hierbei nicht mitgerechnet). Nach den neuen Richtlinien soll man sich gar nicht mehr lange mit künstlicher Beatmung aufhalten, sondern einfach nur ununterbrochen den Brustkorb des Opfers pumpen, die Sauerstoffversorgung ergebe sich dadurch von selbst. Da ich einige Jahre zuvor gut einen halben Tag mit Beatmung und manueller Bearbeitung von Puppen zugebracht hatte, um vom amerikanischen Roten Kreuz mein CPR-Zertifikat zu bekommen, forschte ich ein wenig nach und fand heraus, dass die Änderung zwar von der American Heart Association und dem European Resuscitation Council gutgeheißen wurde, das Rote Kreuz jedoch weiterhin die Technik des Beatmens und Pumpens vermittelt. Noch komplizierter wird die Angelegenheit dadurch, dass in manchen Kreisen immer lauter ein Wechsel von der Brustkorbkompression zur Bauchkompression gefordert wird, weil auf diese Art möglicherweise mehr Blut gepumpt wird und man Rippenbrüche vermeidet. Also wandte ich mich an Paul Schwerdt, einen Interventionskardiologen am Norwood Hospital in Norwood, Massachusetts, der ständig damit beschäftigt ist, Herzen wieder in Gang zu bringen. Er sagte, CPR könne man überhaupt vergessen, weil es selbst gut ausgebildete Laien selten so hinbekommen, dass es etwas bringt. Wer jemanden bei einem Herzstillstand retten wolle, der solle sich lieber nach einem automatischen externen Defibrillator umsehen, diesen handlichen und leicht zu bedienenden Geräten, die in immer mehr öffentlichen Einrichtungen und sogar in Privatwohnungen zur Verfügung stehen. Und natürlich fand ich dazu einen Artikel der New York Times aus dem Jahr 2008, in dem es hieß, der schnelle Einsatz eines solchen Defibrillators erhöhe die Überlebensrate (außerhalb einer Klinik) von etwa einem Prozent auf bis zu 80 Prozent. 1 Ein wirklich beachtlicher Unterschied. Fall erledigt? Nicht ganz. Später stieß ich auf eine Studie, in der es hieß, Heim-Defibrillatoren erhöhten die Überlebenschancen um keinen Deut gegenüber einer von kundiger Hand durchgeführten CPR.2 Auch auf der Website der American Heart Association ist nachzulesen, die Überlebenschancen bei Herzflimmern seien dreimal so hoch, wenn von einem Ersthelfer bis zum Eintreffen des Defibrillators CPR geleistet werde. Ich sprach mit einem zweiten Herzspezialisten, einer Schwester einer Notfallstation und einem für Notfälle zuständigen Medizintechniker - und bekam drei weitere Standpunkte erläutert, alle ein wenig unterschiedlich. Wie schön, dass ich das klären konnte.
Expertenkonfusion ist nicht nur in der Medizin verbreitet. Die Wirtschaftswissenschaftler standen ja Ende 2007 und Anfang 2008 nicht gerade Schlange, um uns alle darüber aufzuklären, dass ganze Volkswirtschaften, die globalen Finanzeinrichtungen und die Immobilienmärkte ins Trudeln geraten waren und sich mit beängstigender Geschwindigkeit auf das schwarze Loch eines möglichen Zusammenbruchs zubewegten. Sie waren zwar sehr gern bereit, Ratschläge zu erteilen, aber viele von uns wünschten sich am Ende, sie hätten lieber geschwiegen.
Hier eine kleine Auswahl dessen, was wir von Regierungsbeamten, Industrie-Insidern, Ratingagenturen und Business-gurus zu hören bekamen:
Ich rechne nicht mit ernsten Problemen … bei den großen international tätigen Banken, die ja einen erheblichen Anteil unseres Bankensystems ausmachen.
Ben Bernanke, Vorsitzender der US-Notenbank, 28. Februar 2008
Eigenheimverkäufe liegen 2008 im Aufwärtstrend.
Presseerklärung des Immobilienmaklerverbands National Association of Realtors, 9. Dezember 2007
Nach diesen Fehlern sehen wir aus, als hätten wir keine Ahnung von Kreditanalyse oder hätten unsere Seele dem Teufel verkauft - oder ein bisschen von beidem.
Ein Geschäftsleiter bei Moody, der Ratingagentur für Finanzeinrichtungen und Finanzinstrumente, deren Ratschläge am meisten Vertrauen genießen.
Das ist 1929 mit allem Drum und Dran.
Donald Trump im Februar 2009, fast ein Jahr nach dem Beinahe-Zusammenbruch, als die Wirtschaft sich wieder zu stabilisieren begann.
Und von Börsen- oder Immobilienmaklern werden Sie vielleicht hören: »Ich weiß ja nicht, was Ihr Berater Ihnen gesagt hat, aber wenn er Sie an dem Kladderadatsch vorbei und nicht mitten hineingesteuert hat, gehören Sie ganz entschieden einer Minderheit an.«
Anfang 2009 habe ich in The New York Times, The Chicago Tribune und USA Today alle Artikel der letzten beiden Monate auf »Experte« oder »Experten« in der Überschrift durchstöbert und wurde dreiundzwanzigmal fündig, in allen drei Zeitungen ungefähr gleich häufig. Bei etwa der Hälfte der knapp fünfzig in den Berichten eindeutig als Experten angesprochenen Personen handelte es sich um Naturwissenschaftler oder in anderer Weise forschend Tätige. Es waren aber auch vertreten: Berater, Beamte der Exekutivorgane und des öffentlichen Gesundheitswesens, Firmenvorstände, Schriftsteller, Sporttrainer, Finanzanalysten, Vorsitzende von Branchenverbänden und nichtkommerziellen Interessengruppen.
Keine Frage, es gibt eine ganze Reihe von Titeln, deren Träger sich als Verteiler von gefledderten Expertenerkenntnissen betätigen. Hierbei sind die Verlautbarungen von Naturwissenschaftlern und anderen Forschenden zwar von überproportionalem Einfluss auf die Öffentlichkeit, aber auch weniger eindeutig qualifizierte Wissensspender treten gelegentlich als »Massenexperten« auf, deren Ratschläge in Zeitungsartikeln und im Fernsehen angeführt werden. Und unterschätzen wir nicht die Rolle derer, die ich gern »Lokalexperten« oder »Alltagsexperten« nenne - unsere Ärzte, Mechaniker, Golfprofis, Börsenmakler, Eheberater, Anwälte und so weiter. Solche Experten äußern sich normalerweise nicht in den Medien zu den großen Tagesthemen, sondern begegnen uns von Mensch zu Mensch und klären uns über Dinge auf, die mit unserer Arbeit, unserem Hobby, unserem Familienleben, unserem aktuellen Gesundheitszustand, unseren Kaufentscheidungen oder auch einfach mit unserem Wagen oder unserem Haustier zu tun haben. Auch solche Leute werden in den Massenmedien gelegentlich als »Experten« zitiert, doch die allermeisten bleiben für die breite Öffentlichkeit unsichtbar. Wenn wir ihren Rat wollen, suchen wir sie als Klient, Kunde oder Patient an ihrem Arbeitsplatz auf.
Was uns an Expertenrat vorgesetzt wird, ist vielfach ein Mix von Äußerungen aller dieser Expertentypen. Die in den Forschungsjournalen veröffentlichten wissenschaftlichen Ergebnisse beispielsweise werden oft zur Richtschnur für das Vorgehen unserer lokalen Experten. Und da Lokalexperten miteinander über bestimmte Ideen diskutieren oder sich auf bestimmte Praktiken einigen, wirkt ihre Meinungsbildung auf das zurück, was wir dann von Regierungsbeamten, Branchensprechern und Wirtschaftsexperten hören. Dieses Expertendenken schwappt mithin zwischen ausgewiesenen oder »formellen«, nicht ausgewiesenen oder »informellen« und lokalen Experten hin und her, und dabei bekommen wir natürlich auch einiges ab, sei es, dass wir beim Lokalexperten ganz direkt damit konfrontiert werden, sei es, dass wir es auf der Website eines Ministeriums oder einer Organisation ausgraben, sei es, dass wir uns einfach mit dem begnügen, was die Medien darüber sagen. Wie bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung oder der wirtschaftlichen Lage besteht das Endresultat in der Regel aus einem Hagel aus einander widersprechenden und womöglich ausgesprochen fehlerhaften Ratschlägen.
Wenn wir verstehen wollen, wo der Rat der Fachleute in die Irre führt, müssen wir uns einige der beteiligten Komponenten genauer ansehen. Wir werden die unterschiedlichsten Expertenratschläge und ihre Mechanismen unter die Lupe nehmen, unter anderem wissenschaftliche Forschungsergebnisse, denen wir offenbar am ehesten vertrauen; aber auch den Umgang, den die Medien mit Expertenwissen pflegen, den Dialog innerhalb der Expertengemeinschaften, und sogar unsere eigene Rolle bei der Produktion und dem Konsum dubiosen Expertenwissens werden wir neben manch anderem genauer zu betrachten haben.
Sehen wir uns aber zunächst einmal an, welche Gründe bei informellen Experten und Lokalexperten dazu führen, dass sie in die Irre gehen. In gewissem Sinne liegen die Probleme hier deutlicher zutage und sind leichter zu verstehen, und wir bekommen auch das Rüstzeug, um die etwas kniffligen Anteile irreführenden Expertenrats zu verstehen, zu denen wir später kommen. Das wird uns schließlich Maßstäbe an die Hand geben, mit denen wir manche der Ratschläge, die sich dann wahrscheinlich als Mumpitz erweisen werden, rechtzeitig aussortieren können.
Im Jahr 1997 fiel im Footballteam der University of Michigan in Ann Arbor die Entscheidung, einem Studienanfänger und Dauer-Bankdrücker eine kleine Chance zum Spielen zu geben. Der junge Quarterback, der auch schon mal als siebter Reserve-Quarterback rangiert hatte und ziemlich entmutigt war, dachte bereits an Teamwechsel, nahm aber natürlich die Gelegenheit wahr - und glänzte. Er setzte sogar Universitätsrekorde für die meisten angesetzten und ausgeführten Pässe. Außerhalb von Ann Arbor jedoch schienen seine Leistungen nichts zu gelten. Er wurde nicht nur schlichtweg übergangen, als es Kandidaten für die Heisman Trophy auszuwählen galt, sondern kam so gut wie nie auch nur in Betracht für irgendeine formelle Anerkennung im Collegefootball, es reichte nur zu ein paar anerkennenden Worten für sein Wirken in einer lokalen All-Star-Mannschaft. Seine Pass-Statistik blieb offenbar auch bei den Nominierungen für die NFL unsichtbar, wo er an 199. Stelle landete, und nur wegen eines Teams, das noch jemanden brauchte, zum Einsatz kam, weil während der spielfreien Zeit einige Teammitglieder abgesprungen waren. Und prompt wurde ihm wieder die Rolle des von der Bank aus als vierter Quarterback Zuschauenden zugedacht. Nach einem Jahr bekam der junge Spieler aufgrund der Verletzung eines anderen Teammitglieds eine weitere Chance, und bis zum Ende dieser Saison erarbeitete er sich den Ruf eines Quarterbacks, dessen vernichtende Durchschlagskraft im Profifootball von keinem anderen erreicht wurde. Seitdem hat er mit seinem Team vier Super Bowls bestritten und drei davon gewonnen; zweimal wurde er nebenher noch als bester Spieler ausgezeichnet, er spielte in vier Pro Bowls und brach den NFL-Rekord für die meisten Touchdown-Pässe in einer Saison - und die Liste der Rekorde ließe sich fortsetzen. Dieser ehemalige Bankdrücker ist Tom Brady, inzwischen bei den New England Patriots, dem schon jetzt, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, ein Platz in der Hall of Fame des Football sicher zu sein scheint.
Wie konnte es dazu kommen, dass die Trainer, die Assistenten, die Talentjäger und die Sportspezialisten in den Medien, denen die Beurteilung von Spielertalenten zugetraut wird, im Fall Brady so kläglich versagten? Solche Massenblindheit lässt sich schwerlich als ganz unwahrscheinlichen Patzer darstellen, nicht einmal in den erhabenen Höhen derzeitiger NFL-Quarterbacks. Hier gibt es nämlich noch einen Rekordhalter ähnlichen Kalibers, Kurt Warner, dem die NFL-Trainer nach seiner Collegezeit zunächst so wenig Beachtung schenkten, dass er sogar gezwungen war, mehr oder weniger uneingeladen im Trainingslager zu erscheinen, aus dem er dann auch schnell wieder gefeuert wurde, um daheim weiter als Regalauffüller sein Brot zu verdienen. In allen Publikumssportarten sind kaum beachtete und dann zu Superstars avancierende Spieler Legion; das gilt natürlich auch für die eilends an Land gezogenen Cupgewinner vom College, die sich dann in den großen Ligen als Nieten erweisen. Und wiederum das Gleiche ließe sich natürlich auch über die Talentsuche auf dem literarischen Sektor oder in Hollywood sagen, ebenso über die Headhunter im Industriebereich, über Königsmacher in den politischen Parteien, über militärische Beförderungsgremien und die Berufungskommissionen der Universitäten.
Das Problem liegt bei Sportexperten - und, wie sich dann zeigt, bei allen informellen Experten - größtenteils darin, dass sie nicht auf gesichertes Datenmaterial zurückgreifen können oder es nicht berücksichtigen. Sicher, in der Welt des Sports sind sie alle ganz verrückt nach Statistiken, und die Trainer und Talentsucher tun ihr Bestes, um die besten Spieler nach handfesten Kriterien zu ermitteln. So kommen die Anwärter von den Colleges vor der Rekrutierung für die NFL zu sogenannten Kombinationstests zusammen, bei denen sie auf Schnelligkeit, Sprungkraft und Gewichthebevermögen, aber auch auf Drogenkonsum, Verletzungstoleranz und sogar Intelligenz und Persönlichkeitsstruktur getestet werden. Manche Teams (vor allem im Baseball) neigen zunehmend zu einem Screening mittels käuflicher computerbasierter Systeme, die Spielerdaten derart lückenlos sammeln und so rigoros und gewissenhaft analysieren, dass medizinische Forscher von höchstem Rang dagegen blass aussehen. Dennoch würden die meisten Trainer kaum behaupten, dass sie ihre Entscheidung, wer spielen darf und wer nicht, weitgehend von den Zahlen abhängig machen. Natürlich nicht: Die Zahlen sagen ja nichts Verlässliches über die Motivation eines Spielers aus, über seine Reife, seine Aggressivität, seinen Teamgeist, seinen Instinkt, seine körperliche und mentale Widerstandskraft, die Gezeiten seines Selbstvertrauens und Dutzende weitere Parameter, die für sein Leistungspotenzial entscheidend sein können. Die Verantwortlichen im Sport setzen alles daran, solche Unwägbarkeiten im Auge zu behalten und sie mit den objektiven Daten abzugleichen, um schließlich doch zu einer Bauchentscheidung zu kommen - in der Hoffnung, dass ihre Einschätzung schon richtig sein wird. Leider irren sie sich darin oft gewaltig. Es ist wirklich kein Wunder, dass selbst ein Tom Brady oder Kurt Warner den Talentsuchern einfach durch die Lappen gingen. Selbst wenn verlässliche Daten vorhanden sind, werden sie von den Trainern nicht groß beachtet, sollte ihre persönliche Einschätzung eine andere sein. So hat David Romer von der University of California in Berkeley 2005 durch statistische Analyse überzeugend nachweisen können, dass die meisten NFL-Teams ihre Siegchancen immer wieder dadurch schmälern, dass sie sich allzu sehr auf das Kicken erst beim vierten Spielzug oder Down festlegen, anstatt es gleich beim ersten Down einzusetzen.3 Die Trainer scheuen jedoch das Risiko des Ballverlusts bei guter Feldposition instinktiv so sehr, dass Romer nicht viele zu bekehren vermochte. Aber das Footballteam der auf das Hochschulstudium vorbereitenden Pulaski Academy in Arkansas hat sich den Ansatz 2007 zu eigen gemacht, ohne genau zu wissen, was davon zu halten war, und man hat seitdem selten ein Spiel verloren.
Experten geben sich oft jede erdenkliche Mühe, es so aussehen zu lassen, als beruhte ihr Urteil auf soliden Informationen und nicht auf persönlicher Einschätzung. In den Vereinigten Staaten halten sich Millionen von Menschen, die sich einen neuen Wagen anschaffen möchten, an die Zeitschrift Consumer Reports, die als Inbegriff der objektiven, faktenorientierten Sachkenntnis gilt, wenn es um Produktbewertungen geht. Manch einer geht völlig von seiner eigenen Linie ab, nur um einen Wagen zu erwerben, der einen guten Listenplatz hat. Fragt sich nur, auf welcher Liste. 2008 schaffte es der Kleinwagen Toyota Yaris auf einen der oberen Plätze in der Rangliste der Zuverlässigkeit und Kostengünstigkeit von Consumer Reports. Zugleich stand der Wagen aber auch, und zwar in derselben Zeitschrift, auf der Liste der elf schlechtesten Autos, weil er in der Beschleunigung lahm und seine Schaltung »schwammig« sei. Nach dieser zweiten Liste ist man mit einem Chevrolet Trailblazer besser bedient, einem Ungetüm von einem SUV, das im Stadtbetrieb gut und gern 20 Liter auf 100 Kilometer schluckt. Autotests und Bewertungen gibt es natürlich auch anderswo, aber klarer wird das Bild dadurch nicht unbedingt. Ich habe mir jüngst einen Nissan Versa gekauft und anschließend ein wenig nachgeschlagen. Bei einem Vergleichstest schnitt er in puncto Zuverlässigkeit mit mäßigen fünf von möglichen zehn Punkten ab; anderswo dagegen wurde ihm bescheinigt, dass er bei Reparatur- und Wartungskosten den drittbesten Platz aller in Amerika verkauften Autos belegt.
Informelle Experten beeinflussen unser Leben ganz erheblich über solche Bestenlisten, mit denen uns dann die Medien versehen, und zwar zu jedem nur erdenklichen Thema - wo man am besten wohnt und welchen Film man gesehen haben sollte. Aber unter diesen gern im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Empfehlungen lauert ein undurchschaubarer Filz von Ratlosigkeit und falschen Auskünften, meist verursacht von der Unklarheit darüber, was überhaupt gemessen wird. In der Regel gibt es keine ohne Weiteres ersichtlichen oder standardisierten Verfahren, nach denen sich ermitteln ließe, welche Daten am ehesten zu brauchbaren und verlässlichen Erkenntnissen führen. So greifen denn die informellen Experten einfach nach dem erstbesten messbaren Parameter und fragen nicht lang nach dem Grund und Sinn ihres Tuns - ganz davon abgesehen, dass anscheinend jeder nach etwas anderem greift. Und um was geht es dabei? Man pickt willkürlich irgendwelche Daten heraus und baut sie zu etwas ganz Wichtigem auf, um höchst angreifbare persönliche Bewertungen als Fakten ausgeben zu können.
Es ist doch sicher nicht abwegig, wissen zu wollen, welches Krankenhaus im näheren Umfeld die beste Versorgung bietet. Aber Kliniken lassen sich nach einer bestürzenden Vielzahl von Kriterien bewerten - Aufkommen an stationären Patienten, Personalabdeckung, Anteil der Wiederaufnahmen, Universitätsanbindung, Behandlungskosten, Spezialgebiete und anderes. Wir können es natürlich auch übersichtlicher halten und einfach nach der Sterberate fragen, wie es manche Experten tun. Das steht schließlich ganz oben auf unserer Wunschliste, wenn wir ins Krankenhaus müssen: mit dem Leben davonzukommen. Aber die Sterberate sagt nicht eins zu eins etwas über die Behandlungsqualität in einer Klinik aus. Sie hängt auch davon ab, wie krank oder alt oder arm die Bevölkerung im Einzugsbereich ist, in welchem Umfang die Klinik schwierigere Fälle annimmt, in welchem Maße sie allerneueste und risikoreichere Verfahren anwendet - vielleicht gehört es sogar zur Politik eines Hauses, Patienten vorzeitig zu entlassen, damit mehr von ihnen anderswo sterben. Die Aufsichtsorgane in den Vereinigten Staaten berücksichtigen zwar immer mehr dieser Faktoren und passen die veröffentlichten Sterbestatistiken der Krankenhäuser entsprechend an, doch damit ist das Problem nicht behoben - am Ende liegen nämlich alle Häuser mehr oder weniger im Durchschnitt, und was soll die Rangliste dann noch?4
Dank der vom FBI veröffentlichten Kriminalstatistiken sollten die Experten uns eigentlich verraten können, in welcher Stadt wir besonders sicher sind. Im vierteljährlichen Kongressbericht beispielsweise wird alle Jahre eine viel zitierte Großstadtkriminalitätsstatistik veröffentlicht. Sie verzeichnet schlicht die Anzahl der polizeilich erfassten Straftaten pro Kopf der Einwohnerschaft. Nur sagen diese Zahlen in Städten mit hohem Pendleraufkommen nicht viel aus. Auch Pendler können nämlich Opfer von Straftaten werden oder Straftaten verüben, aber sie zählen nicht als Einwohner der Stadt. Berücksichtigt man etwa in St. Louis die umliegenden pendlerträchtigen Gemeinden, so fällt die Stadt in der Kriminalitätsrangliste vom 2. auf den 120. Platz.5 Selbst wenn diese vergleichende Kriminalitätsstatistik einigermaßen stimmig wäre, würde sie noch nichts über die mitunter krassen Unterschiede zwischen verschiedenen Vierteln ein und derselben Großstadt aussagen. Das FBI selbst schätzt die Städtevergleiche aufgrund der Kriminalitätsstatistik auf seiner eigenen Website so ein: »Diese groben Einstufungen sagen nichts über die zahllosen Variablen der Kriminalität in irgendeiner bestimmten Ortschaft, Großstadt oder Region aus. Sie geben zu vereinfachten und/oder unvollständigen Analysen Anlass, die oft ein entstelltes Bild liefern und den Gemeinden und ihren Bürgern nur schaden.«
Diese Unklarheit über die Messgrößen sieht man dem Expertenrat auf so gut wie allen Gebieten an. Machen wir uns nichts vor: Wenn politische Umfragen immer wieder zu falschen Voraussagen führen - und man denkt ja, es wäre nichts weiter dabei, als eine einzige simple Frage zu stellen und die Antworten zu zählen -, dann darf man getrost annehmen, dass es überall sonst noch schlimmer zugeht. Wie vertrackt das werden kann, sieht man an den viel beachteten Bemühungen der Experten, uns über den für unsere Kinder am besten geeigneten schulischen Bildungsweg aufzuklären. Auf diesem Gebiet herrscht in den Vereinigten Staaten ein ziemliches Gedränge. Newsweek etwa nennt uns die »Top Highschools«, während Forbes »die besten Städte für den Schulbesuch Ihrer Kinder« kennt und das Stadtmagazin Boston sich als eine von vielen regionalen Publikationen mit den »besten Schulen« der Region auskennt. Die Regierung mischt bei der Bewertung der Schulen mit, vor allem um die Einrichtungen am unteren Ende der Skala zu ermitteln. In New York City beispielsweise werden die Schulen nach drei unterschiedlichen offiziellen Bewertungskriterien eingestuft, und jede kann Mittelkürzungen oder sogar die Schließung der Schule nach sich ziehen: nach dem »No Child Left Behind Act« der Bundesregierung, einem Gesetz, das die Qualität der öffentlichen Schulen verbessern soll; nach dem »Schools Under Registration Review« des Staates New York, der wegen schlechter Leistungen aufgefallene Schulen verzeichnet; und nach einem Beurteilungssystem der Stadt New York, die in einem »Zeugnis« Noten von A bis F vergibt.6
Wer herausfinden möchte, was die unterschiedlichen Ergebnisse besagen, dem kann man nur Glück wünschen. Die Liste des Magazins Boston beruht auf der Gegenüberstellung von Schülerleistungen bei standardisierten staatlichen Tests einerseits und den öffentlichen Ausgaben pro Schüler andererseits. Die Newsweek-Liste verzeichnet, wie viele Advanced-Placement-Examina (AP, Abschlüsse von Kursen auf College-Niveau, die an Highschools angeboten werden) im Durchschnitt abgelegt wurden; und Forbes betrachtet unter anderem die durchschnittliche Ausleihhäufigkeit von Büchern in öffentlichen Leihbüchereien. Die Kriterien, nach denen die verschiedenen Rankings vorgenommen werden, können ebenfalls höchst unterschiedlich sein. Manche beziehen sich ausschließlich auf standardisierte Testpunktzahlen, während andere auch die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs oder die ethnische Zugehörigkeit berücksichtigen. So kann es sein, dass eine Schule, die von der Stadt New York als Versager eingestuft wird, trotzdem den Segen des Staates New York erhält, oder dass eine Schule, die der Staat New York am liebsten ausmustern würde, nach dem No-Child-Left-Behind-Gesetz eine akzeptable Note bekommt.
Natürlich hat jedes Schulbewertungssystem seine Kritiker und Befürworter unter den Experten. Die Beteiligung an Advanced-Placement-Kursen spielt natürlich eine große Rolle für die Einstufung von Highschools. Aber eine rege Beteiligung besagt keineswegs, dass sehr viele Schüler großen Nutzen aus solchen Kursen ziehen - oder auch nur, dass sie hier so viel lernen werden wie in den normalen Kursen.4 Und Eltern, deren Kinder schon in den normalen Kursen zu kämpfen haben, wünschen sich ganz sicher kein Schulsystem, das Kräfte, die dem normalen Lehrplan dienen sollten, in solche Sonderkurse umleitet. Zum »Scholastic Aptitude Test« (SAT, heute »SAT Reasoning Test« genannt), der zur Ermittlung der Collegereife dient und ebenfalls zur Beurteilung von Schulen herangezogen wird, sagen sehr viele Bildungsexperten, die erreichten Punktzahlen ließen selbst bei korrekter Bewertung keine sicheren Aussagen über Wissensstand oder Befähigung eines Schülers zu. Robert Sternberg, Forschungspsychologe und Dekan der Tufts University sowie ehemaliger Präsident der American Psychological Association, schilderte mir eine Forschungsstudie, die er an der Yale University, seiner früheren akademischen Heimat, durchgeführt hatte. Der SAT, so die Schlussfolgerung, erfasse vielfach nicht die »kreativen« und »praktischen« Fähigkeiten, die sich dann als entscheidend für die Leistungen am College erweisen. Wenn man diese nicht so ohne Weiteres quantifizierbaren Faktoren einbezieht, verdoppelt sich die Zuverlässigkeit der Voraussagen über den Erfolg eines Schülers am College, und Schulen, die sich bei ihren Lehrverfahren
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Ioannidis stieß auf eine Klasse von Forschungsberichten, die in der Mehrzahl der Fälle unwiderlegt blieben. Es handelt sich um randomisierte Kontrollstudien (dazu später noch mehr), die in den Top-Organen erschienen und in anderen Forschungsarbeiten mindestens tausendmal zitiert wurden. Solche Studien sind extrem rar und repräsentieren die äußerste Spitze der medizinischen Forschungspyramide. Trotzdem wurde ein Viertel auch dieser Studien später widerlegt, und der Anteil würde vielleicht noch weitaus höher liegen, wäre da nicht der Umstand, dass in annähernd der Hälfte aller übrigen Fälle niemand je den Versuch einer Bestätigung oder Widerlegung unternommen hat.
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Könnten John Ioannidis und die anderen Expertentum-Experten, die ich in diesem Buch zitieren werde, nicht genauso unglaubwürdig sein wie andere Experten? Nun, Experten des Expertentums wissen vielleicht genug über die Fallen, in die Experten gern tappen, um nicht selbst so oft oder so tief hineinzustolpern. Beachten Sie aber den Anhang D, in dem ich dieser so wichtigen und interessanten Frage nachgehe - sowie der weiteren Frage, inwiefern dieses ganze Buch im Irrtum sein könnte.
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Weitaus weniger interessieren mich Entscheidungsträger und Führungspersönlichkeiten wie Firmenbosse und politische Amtsträger, die selbst sehr weitgehend von Expertenrat abhängig sind. Auch Ingenieure und Designer werden kaum erwähnt, da sie uns eher Greifbares und nicht Ratschläge liefern.
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Eine 2007 an der University of Texas in Austin durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass Schüler, die an der Highschool AP-Kurse absolvierten, am College besser zurechtkamen als andere; im Jahr davor freilich hatten sich ein paar Forscher in Harvard und an der University of Virginia die naturwissenschaftlichen AP-Kurse genau angesehen und waren zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Wrong« bei Little, Brown and Company, Hachette Group, New York, NY, USA.
1. Auflage Deutsche Erstausgabe
© 2010 der deutschsprachigen Ausgabe Riemann Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH © 2010 David H. Freedman
This edition published by arrangement with Little, Brown and Company, New York, New York, USA. All rights reserved. Lektorat: Johannes Bucej
eISBN : 978-3-641-04864-8
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