Familie mit Herz 109 - Ursula von Esch - E-Book

Familie mit Herz 109 E-Book

Ursula von Esch

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Beschreibung

Lotti hat die schönsten roten Locken, die es gibt. Wie Kupfer schimmern sie im Sonnenlicht, wenn das kleine Mädchen lachend durch den Park hüpft.
Das fröhliche Blitzen ihrer Augen kann sie zum lustigen Kobold machen, doch schon im nächsten Moment kann dieser Glanz erlöschen, und Lotti sieht aus wie ein trauriger Engel. Das geschieht immer dann, wenn die Kleine sich an das Schreckliche erinnert, das ihr Leben überschattet. Sie hat keine Mami mehr, die sie streichelt, tröstet, lieb hat. Auch der Papi ist seit dem Unfall verändert. In Lottis niedlichem Köpfchen tummeln sich die merkwürdigsten Ideen - und dann setzt sie ganz spontan eine davon in die Tat um, als sie die schöne Frau mit den traurigen Augen sieht.
"Du bist ab jetzt meine Mami!", verkündet sie laut.
Doch was sagen die Erwachsenen dazu?


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Inhalt

Cover

Lotti, kleine Herzensbrecherin

Vorschau

Impressum

Lotti, kleine Herzensbrecherin

Wie ein Kind einer Fraudas Lachen zurückgibt

Von Ursula von Esch

Lotti hat die schönsten roten Locken, die es gibt. Wie Kupfer schimmern sie im Sonnenlicht, wenn das kleine Mädchen lachend durch den Park hüpft.

Das fröhliche Blitzen ihrer Augen kann sie zum lustigen Kobold machen, doch schon im nächsten Moment kann dieser Glanz erlöschen, und Lotti sieht aus wie ein trauriger Engel. Das geschieht immer dann, wenn die Kleine sich an das Schreckliche erinnert, das ihr Leben überschattet. Sie hat keine Mami mehr, die sie streichelt, tröstet, lieb hat. Auch der Papi ist seit dem Unfall verändert. In Lottis niedlichem Köpfchen tummeln sich die merkwürdigsten Ideen – und dann setzt sie ganz spontan eine davon in die Tat um, als sie die schöne Frau mit den traurigen Augen sieht.

»Du bist ab jetzt meine Mami!«, verkündet sie laut.

Doch was sagen die Erwachsenen dazu?

Es war nicht mehr lange bis Ostern. Doch der Tag war ebenso grau, trüb und trist, wie es im Innern der Frau aussah, die durch den verlassenen Stadtpark wanderte.

Seit Alexander sie verlassen hatte, flüchtete sich Julia Mattheus in die Einsamkeit. Die Freundlichkeit der Bekannten und Verwandten ertrug sie nicht. Es war, als fürchte sie, dass sich hinter dem Mitleid Schadenfreude verbarg.

War dieses Mitleid nicht allzu penetrant zur Schau gestellt? Triumphierten nicht heimlich diejenigen, die bis zu diesem Tag nicht so glücklich und so wohlhabend gewesen waren, wie sie es zwanzig Jahre gewesen zu sein schien?

Selbst Julias Schwester, glücklich verheiratet und Mutter von vier Kindern, der sie so oft finanziell unter die Arme gegriffen hatte, hatte mit spöttischem Unterton bemerkt: »Tja, wenn man keine Kinder hat – dann fehlen natürlich die Bande, die einen über etwaige Krisen hinwegbringen. Aber als Mutter muss man halt auf einiges verzichten können: Shopping, Reisen, Partys.« Und dann hatte sie ihr geraten, doch Skifahren zu gehen. »Man sieht dir dank deines bisherigen Lebens nicht an, dass du bereits Ende dreißig bist. Du würdest in so einem Skiort bestimmt Abwechslung und Ablenkung finden, vielleicht sogar einen tollen Mann ...«

Aber Julia wollte keinen Mann finden. Und sie wollte auch keine ablenkende, oberflächliche Unterhaltung. Der Gedanke, unter strahlend blauem Himmel mit fröhlichen Menschen zusammen sein zu müssen, machte ihr eher Angst.

Sie wollte allein sein. Deshalb war sie gleich nach der gerichtlichen Scheidung in diese kleine Stadt gefahren, in der sie sicher sein konnte, keinen Bekannten zu treffen.

Sie war froh, dass es hier kalt und neblig war, dass sie niemanden kennenlernte, dass sie sich wie ein krankes Tier in ihre Einsamkeit verkriechen konnte.

Immer wieder erinnerte sie sich an die grausamen Minuten, in denen Alexander ihr seine Absichten mitgeteilt hatte ...

Es war alles so schnell und reibungslos gegangen!

Julia hatte nicht einmal geweint, als Alexander ihr gesagt hatte, dass er sich scheiden lassen wolle.

»Du wirst mich verstehen, Julia. Du bist ja eine kluge Frau, und wir kennen uns schon eine halbe Ewigkeit.«

»Was soll ich verstehen?«, hatte sie verwundert gefragt und ihm die zweite Tasse Frühstückskaffee eingeschenkt.

»Das mit uns, das ist doch schon lange nichts Richtiges mehr. Keine Ehe – was man so unter einer richtigen Ehe versteht!«

»Wie meinst du das? Wir sind doch ein gutes Team.«

Julia hatte noch immer nicht begriffen.

Er hatte trocken aufgelacht. »Ein gutes Team! Was ist das schon? Das hat doch nichts mit Liebe zu tun. Oder mit Leidenschaft. Na, du weißt schon, was ich meine.«

Julia hatte ihn groß angesehen.

Natürlich war es keine leidenschaftliche Liebe mehr gewesen wie während der ersten Jahre. Aber sie hatte geglaubt, dass eine tiefe Freundschaft sie verbinde. Gemeinsame Erlebnisse. Gemeinsame Arbeit – und dass sich so vielleicht sogar die ruhigere, tiefere Liebe anfühle, von der sie so viel hörte.

Es war Alexander nicht leichtgefallen, direkt zu werden. Er hatte es immer gerne dem anderen überlassen, die Initiative zu ergreifen. Besonders in unangenehmen Dingen.

Julia hatte sich oft über seinen Mangel an Zivilcourage amüsiert. Eine seiner liebenswerten Schwächen – so hatte sie ihn vor sich selbst verteidigt. Schließlich liebte man an einem Menschen nicht nur seine guten Seiten!

Doch diesmal hatte sie ihn nicht unterstützen können. Diesmal musste er es selbst sagen.

»Versteh mich bitte! Wir werden natürlich immer Freunde bleiben – aber ich möchte mich scheiden lassen.«

Sie hatte ihn stumm angesehen und langsam die Tasse abgestellt. Ihre Hand hatte nicht gezittert und der Löffel nicht geklirrt.

»Du willst dich scheiden lassen?«

Ihre Stimme hatte ganz ruhig, ganz gefasst geklungen.

»Also, sehr traurig scheinst du nicht zu sein. Gott sei Dank!«, hatte er erleichtert festgestellt.

Damit hatte sie ihm scheinbar sogar das schlechte Gewissen erspart.

Hatte er sie nach zwanzig Jahren Ehe denn nur so wenig gekannt, dass er hysterische Ausbrüche, Wutanfälle, Tränenfluten von ihr erwartet hatte? Sie hingegen – sie kannte ihn doch so gut! Hatte sich so in ihn hineingelebt ...

Von fern hatte sie gehört, wie er von der Frau erzählte, die seine große und wahre Liebe sei.

»Das mit uns beiden war ja nur ein Irrtum! Wir haben für Liebe gehalten, was nur eine Liebelei, eine Verliebtheit war. Jung und dumm waren wir beide! Du – erst achtzehn, und ich – Anfang zwanzig! Was kann man da erwarten?«

So hatte er versucht, ihr alles zu erklären, und hatte nicht einmal gemerkt, wie grausam er gewesen war. Hatte er denn nicht gemerkt, dass er ihr damit auch noch die Vergangenheit genommen hatte? Ihr war nichts geblieben.

»Sie ist noch sehr jung«, hatte er hinzugefügt, »erst Mitte zwanzig. Und sie erwartet ein Kind von mir. Einen Erben für meinen Betrieb.«

Ein Kind! Wie sehr hatte Julia sich immer ein Kind gewünscht, doch Alexander hatte das damals altmodisch gefunden. Außerdem hätte er sich dann nicht so der Arbeit widmen können, dem Aufbau des Betriebes – für den er sich jetzt einen Erben erhoffte.

Und so hatte sie nachgegeben, auf ihren Herzenswunsch, ein Kind zu haben, verzichtet – seinetwegen. Wegen Alexander. Aus Liebe zu ihm.

Meinen Betrieb, hatte er gesagt.

Julia hatte immer geglaubt, es wäre auch ihr Betrieb. Schließlich hatten sie ihn in langer gemeinsamer Arbeit und mit vielen gemeinsamen Verzichten zusammen aufgebaut. Der größte Verzicht war für Julia der auf das Kind gewesen.

Starr und stumm hatte sie ihn reden, erzählen, sich verteidigen und sie angreifen lassen – was immer er gewollt hatte.

Sie hatte die Hände im Schoß zusammengepresst, um ihr Zittern zu verbergen.

Alexander hatte sein Ziel erreicht. Er hatte ein angesehenes und bekanntes Architekturbüro. Jetzt hatte das blinde Glück ihm auch noch ein Kind geschenkt.

Aber was konnte das Schicksal für Julia noch bereithalten? Für eine alleinstehende Frau von achtunddreißig ...

Bisher hatte sie immer gerne in den Spiegel geschaut. Man sah ihr noch heute ihr Alter nicht an.

Sie war eine mittelgroße, schlanke, attraktive Frau. Die wenigen Silberfäden in ihrem reichen, gut frisierten Blondhaar fielen nicht auf. Und auch die feinen Fältchen um den weichen, gut geschnittenen Mund und um die großen, ausdrucksvollen dunklen Augen sah man nur, wenn sie sehr müde war.

Müde, wie früher von der Büroarbeit im Architekturbüro Alexanders.

Müde, wie damals von einer Party für Alexanders Geschäftsfreunde.

Sie wunderte sich, dass sie sich seiner so sicher gewesen war. Bis zu dem Augenblick, als er ihr vom Kind der anderen erzählt hatte.

Jetzt, im Nachhinein, erinnerte sie sich wohl, wie oft er abends spät nach Hause gekommen war, wie viele Wochenenden er geschäftlich unterwegs gewesen war – und sie wunderte sich selbst über ihre Gutgläubigkeit.

Aber danach war es immer leicht, alles besser zu wissen!

Immer wieder malte sie sich aus, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie es rechtzeitig bemerkt hätte. Rechtzeitig – bevor die andere das Kind erwartet hätte.

Die Überlegungen waren sinnlos. Sie nahmen ihr alle Kraft, jeden Willen zum Weiterleben ...

Vielleicht, wenn sie selbst ein Kind bekommen hätte. Damals, vor drei Jahren, als die Geschichte begonnen hatte. Damals war sie fünfunddreißig. Viele Frauen bekamen ihr erstes Kind erst in diesem Alter!

Aber sie hatte kein Kind bekommen, so sehr sie es sich immer gewünscht hatte.

Alexander würde bald ein Kind bekommen – von einer anderen. Und weil Julia Kinder liebte – sogar dieses, das ihr Alexander genommen hatte –, hatte sie nicht um ihn gekämpft.

Sie war auch nicht in der schönen, eleganten Wohnung geblieben, in der sie die letzten zehn Jahre gelebt hatten und die er ihr großzügig hatte überlassen wollen.

Sie hatte nicht die Kraft gehabt, mit den Erinnerungen zu leben. Mit diesen Erinnerungen, die für sie alles waren – und für ihn ein bloßer Irrtum.

Fröstelnd zog sie den Mantel enger um sich. Auch ein Weihnachtsgeschenk von Alexander ...

Es war gut, dass es kalt war und nebelig. Am liebsten wäre es ihr, wenn es immer so novemberhaft bliebe!

♥♥♥

Das kleine Mädchen, es mochte ungefähr fünf Jahre alt sein, beobachtete seinen Vater, wie er den Wagen steuerte. Kein großartiges Auto – ein normaler Mittelklassewagen, aber für Lotti das schönste Auto überhaupt – und das schnellste und beste sowieso.

Genau wie ihr Vater der beste aller Papis war – und der klügste, schönste und liebste obendrein.

Jetzt allerdings machte er wieder das Gesicht – so ernst und abweisend! Zwei scharfe Falten zogen sich dann von den Flügeln seiner schmalen Nase bis zum Mund herab und ließen ihn älter und müder erscheinen.

Lotti mochte dieses Gesicht nicht. Sie wusste, jetzt dachte er wieder an Mami ... Das war nicht gut! Er war dann unglücklich. Und wenn Papi unglücklich war, dann war das auch Lotti.

Das Kind hatte recht. Diplom-Ingenieur Bernd Schneider dachte wieder an Charlotte, seine junge, hübsche Frau, die er vor einem Jahr durch einen Unfall verloren hatte. Ein Betrunkener hatte sie auf dem Gewissen, hatte ihm die Frau und Lotti die geliebte Mami genommen.

Die Zeit danach war schlimm gewesen. Bernd hatte nun neben seinem Beruf auch noch das Kind zu versorgen.

Sicher, er hatte eine fähige Putzhilfe gefunden, die zweimal in der Woche nachmittags das Haus und den kleinen Vorgarten in Ordnung brachte.

Und Lotti war mit ihren fünf Jahren schon sehr vernünftig. Beinahe zu vernünftig und ernst! Sie hatte einen Schlüssel um den Hals hängen, und wenn sie nach dem Kindergarten heimging, dann schloss sie selbst die Wohnung auf und bereitete sich ihr bescheidenes Abendbrot: Milch und Brot und Butter, und vielleicht noch einen Apfel.

Sie aß zu wenig! Sie war so schrecklich dünn!

Er verstand natürlich, dass es ihr allein nicht schmeckte – aber es war ihm unmöglich, pünktlich und regelmäßig aus dem Büro nach Hause zu kommen. Oft lag sie blass und klein in ihrem Bett und schlief bereits, wenn er heimkam.

Die Nachbarin sah gelegentlich nach ihr – doch die hatte selbst drei Kinder, er konnte ihr nicht noch ein viertes aufhalsen.

Bernds Mutter lebte in Norddeutschland – und Charlottes Eltern fühlten sich nicht mehr in der Lage, ein fünfjähriges Kind zu beaufsichtigen.

Er hielt vor dem Eingang zum Kindergarten, der gegenüber dem Stadtpark lag, wartete, bis Lotti ausgestiegen war und ihm durch das heruntergelassene Fenster noch einen Kuss gab. Erst als sich die Tür hinter ihr schloss, fuhr er weiter.

Bernd hatte die schlanke Frau in dem eleganten Mantel nicht bemerkt, die allein durch den nebelverhangenen Park ging. Lotti aber hatte sie gesehen.

Was die für einen schönen Mantel trug! Zu gerne hätte sie einmal so einen getragen. Sicher hielt er himmlisch warm!

Die Frau hatte ein ernstes und blasses Gesicht. Bestimmt war sie auch allein.

Ob sie vielleicht ein kleines Mädchen brauchen könnte? Ein kleines Mädchen, das keine Mami mehr hatte? Und vielleicht konnte sie auch einen Papi für das kleine Mädchen gebrauchen? Sie sah so, so verlassen aus ...

Lotti war heute im Kindergarten sehr geistesabwesend. Die Erzieherin musste sie immer wieder zum Mitmachen auffordern. Die ältere Kindergärtnerin ahnte ja nicht, mit was für schwerwiegenden Plänen Lotti sich herumschlug ...

♥♥♥

Julia Mattheus zog fröstelnd den Mantel enger um sich. Sie fror trotz der warmen Kleidung. Und es befriedigte sie beinahe, dass es nicht nur in ihrem Inneren kalt und leer war.

»Hilfst du mir bitte?«, fragte plötzlich eine helle Kinderstimme.

Unwillig tauchte sie aus ihren Gedanken auf.

Vor ihr stand ein kleines Mädchen. Ungefähr fünf Jahre alt. Es trug eine blaue Wollmütze, unter der sich vorwitzige rote Löckchen hervorstahlen, und einen gelben Anorak. Niedlich sah die Kleine aus!

Julia sah in die großen blauen Augen, die hoffnungsvoll in die ihren blickten.

Das Kind schien ihr zu vertrauen – ihr, Julia Mattheus, einer völlig Fremden! Es konnte für so ein kleines Ding gefährlich werden, wenn es sich an jemand Falschen wandte. Julia erinnerte sich an die schrecklichen Dinge, die man fast täglich in der Zeitung las.

Das Beste war, sie würde herausbekommen, wo die Kleine hingehörte, und sie dann nach Hause begleiten.

Das Mädchen sah nicht aus wie ein verwahrlostes Kind – schon eher wie eine kleine Ausreißerin!

»Ja, gerne, was ist denn?«, fragte Julia.

»Ich hatte einen Stein im Schuh«, erklärte das Kind mit einem seltsam ernsthaften Gesichtsausdruck. »Er hat mich gedrückt, und ich habe ihn herausgetan. Doch jetzt kann ich keine Schleife binden!«

»Hast du dich verlaufen?«, erkundigte sich Julia, während sie die Schuhe band.

»Nein, ich gehe spazieren!«

»So allein?«, erkundigte sich Julia verwundert und dachte im selben Augenblick, dass sie das nichts anging.

Was kümmerte sie sich um fremder Leute Kinder ...