Familie mit Herz 137 - Vicki Parker - E-Book

Familie mit Herz 137 E-Book

Vicki Parker

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Beschreibung

Katharina ist achtundzwanzig, Alexa seit Kurzem sieben Jahre alt.
Katha hat gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Alexas Mami ist schon lange tot und ihr Papi meist auf irgendwelchen Geschäftsreisen.
Katha fühlt sich ziemlich einsam und sehnt sich nach einer starken Schulter zum Anlehnen. Alexa wirkt viel zu ernst und traurig für ihr Alter. Sehnlichst wünscht die Kleine sich wieder eine neue Mami, die Zeit hat und trösten kann.
Eine junge Frau und ein kleines Mädchen, die dringend Liebe und Zuspruch brauchen. Doch das scheint niemanden zu interessieren, in einer Zeit, wo jeder nur an sich denkt ...


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Inhalt

Cover

Was sich Erwachsene so denken ...

Vorschau

Impressum

Was sich Erwachsene so denken ...

Bezaubernder Roman um ein kleines, aber sehr eigensinniges Mädchen

Von Vicki Parker

Katharina ist achtundzwanzig, Alexa seit Kurzem sieben Jahre alt.

Katha hat gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Alexas Mami ist schon lange tot und ihr Papi meist auf irgendwelchen Geschäftsreisen.

Katha fühlt sich ziemlich einsam und sehnt sich nach einer starken Schulter zum Anlehnen. Alexa wirkt viel zu ernst und traurig für ihr Alter. Sehnlichst wünscht die Kleine sich wieder eine neue Mami, die Zeit hat und trösten kann.

Eine junge Frau und ein kleines Mädchen, die dringend Liebe und Zuspruch brauchen. Doch das scheint niemanden zu interessieren, in einer Zeit, wo jeder nur an sich denkt ...

Freitags war bei Giulio immer der Teufel los. Das winzige Keller-Restaurant mitten in St. Georg, einem Altbauviertel direkt in der Hamburger Innenstadt, barst beinahe vor Leuten. Doch der Wirt schaffte es trotzdem, nicht nur seinen wohlbeleibten Spaghetti-Bauch, sondern auch noch Schüsseln und Pizzateller über die Köpfe sehnsüchtig wartender oder bereits schmatzender Gäste hinweg zu jonglieren.

Was zog die Menschen zu dem schnauzbärtigen Süditaliener, der nach drei Schoppen Wein grundsätzlich mit lauter, ein wenig weinerlicher Stimme »Santa Lucia« zu singen pflegte?

So ganz genau hätte das niemand von der bunt zusammengewürfelten Gästeschar erklären können. War es die göttliche, geschmorte Kalbshaxe, die – knoblauchduftend und mit gebratenen Tomaten angereichert – auf der Zunge zerging?

Waren es die vier köstlichen Wildsorten, die Giulio mit frischen Südseefrüchten kredenzte? Unter Feinschmeckern bedeuteten sie ja das kulinarische Paradies schlechthin.

Oder war es nicht vielmehr die Atmosphäre dieses Kellers? Der raue, unbehandelte und nur dann und wann mit Bleichmitteln geschrubbte Boden, die Holztische aus dunkler Eiche, die einmal – Gott sei Giulio gnädig! – in einer Kirche, die Santa Maria Maggiore hieß, gestanden hatten und nun die Gebete der ganz und gar nicht reuigen Kaloriensünder anhörten?

Und zu all dem, was Giulio ausmachte, gehörte natürlich eine Zweieinhalbzentner-Frau, die in der Küche schmurgelte, schimpfte, sang und sich bei »Santa Lucia« räuspernd und schniefend die Tränen aus den Augen wischte: Mamma Dolce wurde sie genannt, weil – »dolce« sind nun einmal die köstlichen italienischen Süßspeisen, die jedweden Kummer durch Gaumenkitzel und spontan folgendes Lächeln zunichtemachen.

Es ging sogar die Sage zwischen Küche, Bar und Restaurantraum, dass Mamma Dolce unerwünschten Kindersegen, Ehebruch und Insolvenz mit einem einzigen Gericht hatte vergessen lassen.

Und wenn es noch etwas gab, das all das Familiäre, Herzwärmende zu steigern wusste, dann dies: Aus einem primitiven CD-Player erklang von mittags bis in die Nacht italienische Volksmusik, was dazu führte: Jedes Kind, das hier mit seinen Eltern regelmäßig speiste, hatte womöglich noch niemals was vom guten deutschen Schlager »Über den Wolken« gehört, kannte aber die Italo-Klassiker aus dem hintersten Stiefelgebiet bis in die siebte Strophe.

Und Kinder gab es viele hier! Patschhändige Babys und Stühle umwerfende Krabbelgören, rabaukige Grundschüler und Frühpubertierende mit ihren unweigerlichen Baseballkappen. Sie alle durften zu Mamma Dolce in die Küche schlendern und kamen grinsend und mit pickepacke vollem Mund zurück. Sie durften draußen im Hof Fußball spielen, und wenn einmal ein junger Cristiano Ronaldo mit unnachahmlicher Eleganz das Leder mitten durch die unpraktisch niedrige Fensterscheibe schoss – tja, finito mit der Wärme! Aber wozu gab es denn all die vielen Grappas, auf die Giulio so stolz war?

Kurzum, freitags war der Teufel los! Vorbestellungen wurden nicht entgegengenommen. Wer kam, war da und bekam auch etwas zu essen, wenn es auch möglicherweise ein wenig lästig war, das fünfgängige Menü im Stehen zu verspeisen oder die Geburtstagsgesellschaft dort drüben bitten zu müssen, doch mal ein wenig zu rutschen, damit die vier Neuankömmlinge Platz hatten.

Gemurrt wurde selten, und wenn doch: Kam der, der keinen Spaß verstand, beim nächsten Mal wieder, versperrte Giulios dicker Bauch die rot gestrichene Eingangstür.

»Heute nix essen!«, radebrechte er, der perfekt Deutsch verstand und sprach. »Du nix gut, Freund! Du gehen in Imbissbude! Du essen Würstchen. Ist Strafe von Giulio!«

Das half immer! Beim zehnten oder zwanzigsten Versuch des Murrenden, wieder Einlass zu finden, bekam er den Tisch zwischen Küchendurchgang und Klo zugewiesen. Und das war, wie sich jeder denken kann, nicht der feinste ...

♥♥♥

An diesem Freitag im Oktober fauchte draußen ein garstiger Wind. Er trieb gelbbraunes Herbstlaub vor sich her. Die Temperatur betrug mal so gerade vier Grad plus, im Fernsehen liefen nur alte Kamellen, und deshalb war halb St. Georg auf den Beinen, um sich bei Giulio zu trösten.

Das Keller-Restaurant war überfüllt, denn selbst die, die nach zwei Nachspeisen von Mamma Dolce nun wirklich bis zur Halskrause gesättigt waren, dachten noch lange nicht daran, sich zu verabschieden.

Ganz hinten links an ihrem Stammplatz saß Katharina Franziska Eleonore Winkler, genannt Gaby, weil sie Eva Longoria in ihrer Rolle in Desperate Housewives ein wenig ähnlich sah. Die Gaby in der US-amerikanischen Kultserie hatte schwarze Mandelaugen, eine dunkelbraune Lockenmähne, und wie der Titel bereits ankündigte, gehörte sie zu einer Gruppe scheinbar perfekter Hausfrauen in einer typisch amerikanischen Vorstadtsiedlung. Die Gaby von St. Georg hatte zwar ebenso schwarze, raffiniert betonte Augen und lange kastanienbraune Naturlocken, war allerdings weit entfernt von einer Ehe und noch viel weiter von dem Leben als Hausfrau.

»Giulio, noch einen Grappa!«, rief sie über mehrere laut lachende, Glas schwingende Männer hinweg. »Den brauch ich!«

Seit dem frühen Abend, als der böse Herbststurm eingesetzt hatte, saß Katha schon hier, essend, trinkend, nachdenkend, und wenn die Gardinen jetzt Feuer gefangen hätten – sie hätte es nicht bemerkt.

Der Typ ihr gegenüber – seine Vorderpolsterung sprach dafür, dass er tagtäglich bei Giulio einkehrte – musterte sie mit jenem unverhohlenen Wohlgefallen, an das Katha längst gewöhnt war. Klar, sie sah sehr gut aus, groß, feingliedrig, doch an den wichtigen Stellen überraschend gerundet. Ihr Teint erinnerte ein wenig an Milchkaffee, und daran war keinesfalls ein Elternteil schuld, der seine Heimat irgendwo Spanien oder Argentinien hatte. Die Winklers waren ganz einfach südländische Typen, die sofort auffielen.

Sicher, es gab manches gegen die Winklers zu sagen – waren sie nicht verdammt hochmütig? –, aber eines sicher nicht: durchschnittlich. Und spießig waren sie schon gar nicht. Leise und unauffällig erst recht nicht. Wenn Angus Maria Winkler seine Frau Theresa Genoveva und die fünf Kinder auch nur zum Auto geleitete, blieben die Leute schon stehen und staunten sie an.

Kein Wunder, der gute alte Angus maß über einen Meter neunzig, hatte jetzt, im Alter von sechzig, bereits schlohweiße Haare und trug grundsätzlich eine gestreifte Fliege und ein Jackett. Selbst in dramatischen Situationen hatte Katha ihren Vater nie anders gesehen. Es stellte sich die Frage, ob er nicht auch nachts ... Aber nein, das war unmöglich, denn seine Jacken waren stets überkorrekt gebügelt.

»Noch einen Grappa, Giulio!«, rief Katha.

Das war der vierte. Vier Grappas nach fünf Menügängen waren nicht die Welt, doch für eine junge Frau, die allein in einem Restaurant saß, mehr als genug.

Ach, Paps! Ach, guter alter Angus! Wäre er doch hier und nicht im hintersten Niedersachsen, um dort den Familienbesitz – eine alte Mühle mit Nebengebäuden – zu verwalten, bis eines seiner Kinder endlich daran dachte, diese Aufgabe zu übernehmen.

Leider dachte niemand daran. Kathas vier Brüder studierten quer über die Welt verteilt. Sie kehrten sehr gern heim, blieben auch unverschämt lange, doch irgendwann zog es sie wieder nach Cambridge wie Matthias, nach New York wie Ole, nach Paris wie Piet, und der Jüngste, Malte, genannt die Eule, fuhr immerhin auch schon nach München.

Und sie war hier! Achtundzwanzig Jahre alt, bildhübsch und gerade solo – was Katha liebäugeln ließ, sich einen fünften Grappa zu bestellen –, ohne Job und bald auch ohne ein Dach über dem Kopf.

Wenn das der gute alte Angus wüsste! Sein Weltbild geriete total durcheinander, denn er war immer der Meinung gewesen, Kultur im Elternhaus würde ein Kind prägen und es weit über seine angeborenen Fähigkeiten hinauswachsen lassen. Und den Ärger hatte sie nun davon!

Kein Chef brauchte einen weiblichen Masterabsolventen, der mit Auszeichnung all den Germanistikkram hinter sich gebracht hatte. Natürlich hätte Katha zur Uni gehen können, als Assistentin irgendeines Professors. Aber das hieß nichts anderes, als ihm jahrelang die fliegenden Blätter zu den Klausuren zu tragen, für ihn Fotokopien durch einen ständig streikenden Kopierer zu schleusen – Universitäten hatten ja nie genug Geld, um sich Spitzenprodukte leisten zu können! – und später die Artikel zu schreiben, mit denen er in der Öffentlichkeit groß rauskam.

Nie! Nur über ihre Leiche!

Tja, und etwas anderes, als zu denken, zu analysieren und zu forschen, hatte sie nun einmal nicht gelernt. Fürs Praktische zu Hause war seit jeher die gute Seele Annchen zuständig, und wenn Kathas Mutter auch viel im Garten arbeitete und dabei wie ein echtes Landedelfräulein älteren Semesters aussah: Weit her war die körperliche Seite der Ackerei dabei nicht. Die Winklers verstanden es, die schönen Seiten des Lebens zu sehen, sich zu bilden, zu diskutieren und das Haus mit jener unnachahmlichen Mischung aus guten Bildern, Büchern und Kunstgegenständen zu schmücken. Beim tröpfelnden Wasserhahn war eben Annchen zuständig, basta!

»Ich kann rein gar nichts!«

Inzwischen – der fünfte Grappa wurde serviert und heruntergekippt – führte Katha leise Selbstgespräche. Normalerweise fiel das hier, in diesem Restaurant-Tumult, nicht weiter auf.

»Bitte?«, fragte der Mann plötzlich, der rechts neben ihr saß.

Sein Platinring verriet, dass er nicht mehr zu haben war.

Katha fuhr zusammen. »Nichts«, brummelte sie schlecht gelaunt. »Ich spreche mit mir selbst. Falls es Sie interessiert. Ich brauche einen Job und eine Wohnung, und das fix!«

Die junge Frau, die neben ihm saß, war aufgestanden und wandte sich schlängelnd in Richtung der Toilette. Ihr Verschwinden schien ihm Mut zu geben, auf eine ganz bestimmte Art zu zwinkern.

»Aber, aber«, meinte er. »Eine schöne Frau wie Sie ... und kein Job! Bei Ihrem Aussehen keine Wohnung? Na, da wird sich doch wohl was machen lassen?«

Kathas Blick schweifte zu ihm. Was sie sah, ließ ihr Herz nicht gerade hüpfen.

Wieso sind Männer Mitte dreißig eigentlich schon so oft halb kahl?, überlegte sie. Und wieso sind die, die einem grundsätzlich zweideutige Angebote machen, immer so unappetitlich?

Im Mundwinkel ihres Nachbarn glitzerten noch Oliventröpfchen. Merkte er das denn nicht?

Vertraulich beugte er sich zu ihr herüber.

»Ich bin Makler, ein ganz bekannter sogar ...« Es schien, als klopfte er sich gerade auf die Schulter, reckte sich zu voller Höhe auf, um sich dann vor seiner eigenen Größe zu verneigen. »Ich kann hübsche Frauen in meinem Büro immer gebrauchen – für dies und das und so«, fügte er noch hinzu. »Und eine Wohnung – du mein Gott – nichts leichter als das! Wie viele Zimmer wollen Sie? Wie hoch darf die Miete sein?«

»Wie bitte?«

Seit Hamburg »boomte« gab es praktisch keinen Wohnungsmarkt mehr. Geschäftsleute und Immobilienkonzerne rissen sich die wenigen freien Behausungen gegenseitig aus den Händen und zahlten horrende Summen für ... nichts! Wer Anspruch auf eine Sozialwohnung hatte, durfte oft lange warten, so lange womöglich, bis seine vier Kinderchen längst auf eigenen Füßen standen und bereits wieder beim Amt registriert waren. Und all die Leute dazwischen, die suchten und hofften. Die Jüngeren bildeten Wohngemeinschaften, die Alten zogen früher ins Seniorenheim, nur damit die Enkel, Nichten und Neffen eine Bleibe hatten.

Es war die Katastrophe! Es gab auch keine Hilfe, es sei denn, Katha bäte ihren Paps um so viel Zuschuss, dass sie in Maklergesprächen mal so eben einen Tausender lässig über den Schreibtisch wandern lassen konnte – vorab. Das verpflichtete den Makler natürlich zu nichts!

Genau das wollte sie aber nicht. Angus und Theresa ging es wirtschaftlich gut, aber sie hatten ihr Quantum an Liebe mit der Aufzucht fünf einigermaßen intelligenter Kinder und den dazugehörigen Kosten getragen. Jetzt, so meinte Katha, sollten sie ihr Geld in aller Ruhe für Konzerttickets, Urlaube und alte Ölbilder aus Lothringen ausgeben. Letztere sammelten sie nämlich.

Die Frau des Maklers kehrte zurück. Vielleicht hatten die leidvollen Erfahrungen ihre Aufmerksamkeit geschärft. Jedenfalls entdeckte sie, dass der Gatte der Tischnachbarin sein Visitenkärtchen zusteckte.

»Komm, Marcel!«, verlangte sie eisig. »Wir gehen!«

Katha wurde noch mit einem letzten schmelzenden Blick bedacht, der die kurzen blonden Härchen auf ihren Unterarmen sofort jäh aufsteigen ließ.

Nicht etwa, dass Liebesgott Eros zugeschlagen hatte, ach wo! Das war vorbei, für immer und ewig. Seit Bruno, Bratkartoffel-Spezialist in ihrer Zehner-Wohngemeinschaft, mit Babs, die für die Wäsche zuständig gewesen war, auf und davon ... und das über Nacht ... Und nicht mal den Mietanteil hatte er für diesen Monat zurückgelassen. Und das sollte Liebe gewesen sein? Pah!

Inzwischen warf Katha Giulio ein Kusshändchen zu.

Das sollte nur dies bedeuten: Bring mir noch einen Grappa!

Giulio jedoch gab diesem Wunsch aus lauter Mitmenschlichkeit nicht nach. Ein bisschen Trinken war gut fürs Herz, für die Seele und überhaupt. Zu viel war schlecht, selbst wenn es dafür in der Kasse klingelte. Er übersah Katha, was nicht ganz einfach war.

Die Tür wurde aufgestoßen. Unwillkürlich blickte Katha dorthin, zu diesem kleinen Spalt, durch den eiskalte Abendluft hereinströmte.