Silvia-Gold 209 - Vicki Parker - E-Book

Silvia-Gold 209 E-Book

Vicki Parker

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Beschreibung

Wo, bitte sehr, liegt Petit St. Vincent?
Das ist doch nur ein Pünktchen im Ozean, irgendwo in der Karibik. Aber was für ein Pünktchen, wenn man erst mal darauf steht! Es ist das Paradies aller Paradiese, mit Palmen und blühenden Hibiskussträuchern so weit das Auge reicht. Und das Meer spiegelt die unwahrscheinliche Bläue des Himmels wider.
Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, diesen verwunschenen Garten Eden kennenzulernen. Katrin jedoch darf dazugehören - zwei unendlich schöne Wochen lang. Gleich zu Beginn lernt sie Andy kennen und verliebt sich in diesen faszinierenden Mann. Die Tage, die sie zusammen verbringen, sind wie ein Rausch an Zärtlichkeit. Darüber, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt ist, sprechen sie nicht - doch dann ist Andy eines Morgens abgereist ...


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Inhalt

Cover

Der Mann, der auf dich wartet

Vorschau

Impressum

Der Mann, der auf dich wartet

Für das Glück musste sie um die halbe Welt reisen

Von Vicki Parker

Wo, bitte sehr, liegt Petit St. Vincent?Das ist doch nur ein Pünktchen im Ozean, irgendwo in der Karibik. Aber was für ein Pünktchen, wenn man erst mal darauf steht! Es ist das Paradies aller Paradiese, mit Palmen und blühenden Hibiskussträuchern so weit das Auge reicht. Und das Meer spiegelt die unwahrscheinliche Bläue des Himmels wider.

Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, diesen verwunschenen Garten Eden kennenzulernen. Katrin jedoch darf dazugehören – zwei unendlich schöne Wochen lang. Gleich zu Beginn lernt sie Andy kennen und verliebt sich in diesen faszinierenden Mann. Die Tage, die sie zusammen in der Karibik verbringen, sind wie ein Rausch an Zärtlichkeit. Darüber, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt ist, sprechen sie nicht – doch dann ist Andy eines Morgens abgereist ...

»Katrin, Liebes?«

Von weit her schien die brüchige Stimme zu kommen, von einem Land jenseits aller Breitengrade und Klimazonen.

»Katrin, Liebes?«

Alt wirkte die Stimme, die da rief, müde und resigniert, unglücklich und schmerzerfüllt, doch die Frau, zu der sie gehörte, war kaum über fünfzig.

»Ja, Mama! Ich komme zu dir!« Katrin eilte in das kleine Zimmer zum Hof, das einem Gefängnis glich, obwohl es keine vergitterten Fenster hatte, obwohl kein Aufseher mit rasselnder Schlüsselkette zugegen war. Ein Gefängnis, oh ja, denn wer jahrelang dahinsiecht, mit jedem Tag ein wenig mehr stirbt, für den gibt es keine Freiheit mehr.

Anna Thermolen lächelte ihre Tochter an.

Wie schön sie ist, dachte die Einundfünfzigjährige zärtlich. Wie schön und wie unglaublich tapfer. Sie hat ihre Brüder großgezogen und mich gepflegt, auf eigene Wünsche verzichtet. Und sie ist nie demütig geworden, sondern eine mutige Kämpferin geblieben, bereit, sich überall in der Welt durchzusetzen.

»Versprich mir, dass du Urlaub machst, wenn ich nicht mehr bin!«, bat die Kranke. »Du fährst irgendwohin, wo die Sonne scheint, wo der Wind in den Palmen spielt und Paradiesvögel zwitschern.«

Katrin blies eine vorwitzige Strähne ihres langen, blonden Haares aus der Stirn.

»Du bist eine hoffnungslose Romantikerin, Mama«, kritisierte sie. »Erstens wirst du noch lange nicht sterben, und zweitens habe ich überhaupt keine Lust auf Urlaub und Palmen und deine verrückten Vögel ...«

Sie hätte gern noch ein »Drittens« hinzugefügt, aber das hätte die Kranke nur noch mehr bekümmert. Und drittens würde Katrin, sollte das Ende ihrer Mutter kommen, einen Haufen Schulden haben, kein Einkommen und daher auch keine Möglichkeit, überhaupt an eine Reise zu denken.

Besorgt schaute sie die ältere Frau an. Seit neunzehn Jahren litt sie nun schon an Multipler Sklerose. In Schüben hatte sich die Krankheit von Jahr zu Jahr verschlechtert, bis Anna Thermolen völlig gelähmt war, hilflos und schwach, darauf angewiesen, dass jemand sie pflegte.

»Wie bitte?«, hatte Jens, damals sechzehn, entgeistert gefragt. »Ich soll für Mutter sorgen? Dafür sind ja wohl Frauen zuständig.«

Er hatte seine Nase wieder in die schlauen Bücher gesteckt und es als selbstverständlich empfunden, dass Katrin ihn »mit diesem Mist« in Ruhe ließ und zudem noch ein paar Euro lockermachte, damit er sich in seiner Freizeit vergnügen konnte.

»Ich?«, hatte Timo, damals einundzwanzig, ebenso entgeistert gefragt. »Du bist doch das Mädchen in der Familie, Katrin!«

Und er hatte schnell die Telefonnummer seiner Freundin gewählt, Liebesworte in den Hörer geflüstert und es ohne schlechtes Gewissen angenommen, dass Katrin schnell noch was für sein Mädchen kochte und ihm sein Hemd bügelte. Und noch viel, viel mehr.

Und damals war Katrin erst achtzehn gewesen, bildhübsch, begabt, ein Mädchen, das mit links sein Abitur hätte machen können, wenn nur ... ja, wenn nur die Mutter sie nicht gebraucht hätte.

Jetzt war sie achtundzwanzig. Die Brüder waren aus dem Haus. Eilig hatten sie es gehabt, als feststand, dass ihre Mutter nun ein Pflegefall war. Sie riefen dann und wann an, schickten Postkarten aus den Staaten oder von Mallorca, und in unleserlichen Krakeleien standen darauf so nichtssagende Mitteilungen wie: »Geht's gut, altes Haus?« oder auch: »Tolles Wetter hier, bei euch auch?«

Ach ja! So waren die Männer eben, egal, ob sie Brüder waren oder Kollegen, Nachbarn oder Chefs. Männer waren mies. So einfach war das! Der liebe Gott hatte bei seinem ersten Versuch, ein brauchbares Ebenbild zu schaffen, danebengegriffen. Schade drum! Denn wären die Männer anders, ließe es sich ja mit ihnen leben. So aber nicht, nein! Absolut nicht!

Katrin seufzte, wie immer, wenn ihr dieses »leidige Thema« auch nur einfiel. Schwamm drüber!

Ihre Mutter hatte sie beobachtet, mit jenem weisen, lieben Lächeln, das eigentlich nur in den Mundwinkeln lag und ihr doch einen anderen Ausdruck gab als den, den Schwerkranke normalerweise haben. Sanft wirkte dieses Lächeln, zärtlich und gut.

»Versprich es mir, Katrin!«, bat sie noch einmal.

Wie ernst sie heute war! Und wie beharrlich! Selbst wenn Katrin sie jetzt zu beschwindeln versuchte – sie log nie, niemals! –, Anna Thermolen würde ihr nicht glauben.

»Ach, Mutter!«

Mutter nannte sie sie nur, wenn etwas anders war. Und heute war etwas anders, und deshalb fürchtete Katrin sich.

»Ach, Mutter, wenn du nicht sofort aufhörst, lese ich dir nichts vor!«

Jetzt lachten beide. Diese halbherzige Drohung würde Katrin natürlich nie wahr machen, denn sie beide liebten ja diese Nachmittagsstunden, in denen sie ein neues Buch gemeinsam erforschten. Die gesamte Weltliteratur gehörte schon ihnen, war nicht nur angelesen, sondern auch besprochen und damit »verdaut«.

Zehn Jahre Bettlägerigkeit und dabei tägliche Beschäftigung mit der Literatur vermittelten ein wunderbares Wissen um die Zusammenhänge im Leben. Nicht nur Worte waren es, oh nein, nicht nur angedeutete Charaktere. Katrin und Anna Thermolen lebten mit ihren Buchhelden, und ein einziger Blick zwischen ihnen reichte aus, um den anderen an einzelne Passagen, einzelne Menschen zu erinnern.

Wie ich dieses Kind liebe!, dachte die Kranke.

O Mama, ich liebe dich ja so sehr!, dachte Katrin.

Und da sprach sie es zum dritten Mal aus: »Versprich es mir, Katrin!«

Die junge Frau nickte ergeben.

»Ja, ich verspreche es dir. Und nun, wo du deinen Dickkopf durchgesetzt hast, drehe ich dich auf die andere Seite und lösche das Licht. Du bemühst dich, ein wenig zu schlafen, ja?«

Nach dem nachmittäglichen Lesen kam die nötige Prozedur der Aufdeckung aller kleinen Wunden, die durch das lange Liegen entstanden waren. Katrin betupfte sie mit frischer Salbe, verband sie und legte die Kranke auf die andere Seite.

»Ich wecke dich in einer Stunde, Mama!«

Sie löschte das Licht und öffnete die Fensterklappe zum Hof. Draußen tröpfelte der Regen auf schwarze Mülltonnen. Die dicke Frau Schmidt von gegenüber schrie ihren kleinen Sohn an. Irgendwo plärrte ein Fernseher. »Du hast mich belogen und betrogen!«, sagte eine Filmstimme vorwurfsvoll. Und der Mann dazu erwiderte: »Aber Schätzchen! Ein Mann kann nun einmal nicht monogam sein. Männer sind geborene Verführer ...«

Grimmig nickte Katrin. Ja, das waren sie, diese Hallodris, diese Flunkerer, diese albernen Casanovas! Blöd waren die außerdem. Wenn sie da nur an Holger dachte, der sich ganz schnell entlobte, als er begriffen hatte, dass sie ihre Mutter niemals allein lassen würde. Jetzt hatte er Mandy, die mit dem konstanten Übergewicht. Und alle Nachbarn munkelten, dass das Kind gar nicht von ihm war, denn es sah »zufällig« Heinzi von gegenüber unheimlich ähnlich ...

♥♥♥

Ein kleines bisschen deprimiert war Katrin an diesem Mittwoch im Oktober doch. Schon seit Tagen regnete es, was der engen Innenstadtstraße nahe des Hamburger Hauptbahnhofs etwas Düsteres, Unheilvolles gab. Keine der niedrigen, engen Wohnungen hatte einen Balkon. Wozu auch? Die sechs Meter bis zum Haus gegenüber schienen ohnehin nur aus rußiger Luft zu bestehen.

Na ja! Schon gut. Dafür war die Miete halt billig, der Hausbesitzer kein gieriger Typ, und die Tauben, die im Dach nisteten, gaben dem Viertel immerhin so etwas wie venezianischen Charme. Ja, Venedig! Gondel fahren und schwarz gelockte Papagalli mit einem einzigen Blick in ihre Schranken – sprich: Gondel – weisen. Aber vielleicht war Venedig gar nicht so schön ...

Wie kam sie nur darauf? Weil Mama immer von Palmen sprach. Nicht etwa, dass Anna Thermolen jemals weiter »gereist« wäre als hinter das, was die Hamburger ihre Berge nennen, kleine Hügelchen am Stadtrand, die sie im Winter verbissen mit Langlaufskiern durchzogen. Vielleicht träumten Kranke einfach mehr als Gesunde. Ja, das war es wohl.

Katrin wusch ab und putzte die kleine Küche. Der Wasserhahn tropfte mal wieder, das Abflussrohr war verstopft, und dann machte es »zisch«, und die Glühbirne verlosch. Es gab Tage, in denen so kleine Malheure nichts bedeuteten, und solche, in denen sie einem Fiasko glichen. Regenreiche Mittwochnachmittage im Oktober gehörten offenbar zur zweiten Kategorie.

Die Laterne von gegenüber ließ schaurig-bleiches Licht hineinfließen und sorgte dafür, dass Katrin sich in den Fensterscheiben spiegeln konnte. Sie tat das nicht gern. Dieses Sich-Begucken kam ihr ungehörig vor, eitel, kokett, zu gar nichts gut.

Trotzdem: Ich bin ganz hübsch!, dachte sie.

Das blonde, glatte Haar mit dem vorwitzigen Pony, der ihr fast immer in die Augen fiel, war zu einem recht lieblosen Pferdeschwanz hochgesteckt. Die blaugrauen, leicht schräg gestellten Augen blitzten zornig oder traurig – je nachdem. Und ihre Figur – fast ein Meter siebzig groß war sie immerhin, hatte lange Beine mit schmalen Fesseln. Sie war sehr schlank und dennoch weiblich gerundet – ja, alles konnte sich sehen lassen, selbst in diesen unmöglichen Jeans-Latzhosen und dem abgetragenen Pulli darunter.

Die Latzhose ist aber praktisch, verteidigte sich Katrin selbst. In den elf Taschen lässt sich alles prima unterbringen. Wichtiges Handwerkszeug, das ich sonst niemals finde, zum Beispiel, Mutters Pillen und Arzneien und die geliebten Glimmstängel auch.

Ja, sie rauchte! Und selbst Dr. Gerlach, der täglich nach Anna Thermolen sah, mochte ihrer Pflegerin das nicht verbieten. Die paar hastigen Züge in der Küche, am offenen Fenster dazu, damit die Kranke nicht noch mehr belastet wurde, konnten kaum schaden.

Und wenn schon! Eigentlich war der blaue Dunst das Einzige, was Katrin hatte.

Das Einzige? Sie kicherte. Nein, sie besaß noch etwas: einen Führerschein und das Gefährt dazu. Wagen konnte man es nicht nennen, Auto eigentlich auch nicht. Mausgrau war das Vehikel; es besaß vier richtige Räder, ein Chassis auch, sogar vier Sitze, von denen allerdings drei nicht recht funktionierten. Dass die Beamten beim TÜV letztes Jahr noch einmal ein Auge zugedrückt hatten, grenzte an ein Wunder.

»Wie viele Jahre hat das Ding da auf dem Buckel?«, erkundigten sie sich immer wieder.

»Siebenundzwanzig«, antwortete Katrin wahrheitsgemäß. »Ist ein echter Oldtimer, und damit wäre es ein Verbrechen, ihn von der Straße zu jagen. Ach, bitte, bitte, Herr Inspektor!«

Sie hatte sich extra fein gemacht für diesen Tag, genauer gesagt: Sie trug ihr einziges Kleid, das etwa sieben, acht Jahre alt und damit grässlich unmodern war. Aber der tiefe Ausschnitt hatte wohl eine deutlichere Sprache als das verbeulte Wägelchen gesprochen.

Wobei man ja wieder beim Thema war: Männer! Zu dumm, dass ihr diese Spezies Mensch überhaupt noch einfiel, zumal Mama ja auch so ihre schlechten Erfahrungen gemacht hatte: Der Vater des Kindertrios war vor fünfzehn Jahren vom »schnellen« Besorgen eines Lottoscheins nicht mehr zurückgekehrt.

Sein Verschwinden bot Anlass zu allerlei Vermutungen: Vielleicht hatte er eine Geliebte; vielleicht ahnte er voraus, dass er sechs Richtige haben würde, und wollte nicht mit einer Frau und drei Kindern teilen. Ein Verbrechen immerhin war nicht geschehen, gestorben war der Herr Papa garantiert nicht. Tote pflegen nicht anzurufen und Katrin anzuschnauzen.

»Schick mir sofort meine persönlichen Papiere hierher, postlagernd«, hatte er befohlen.

Na ja. Schon gut. Wirklich, es machte ihr nichts mehr aus. Männer waren eben so.

♥♥♥

Katrin hatte es gefühlt, schon am Morgen, als sie erwachte: Das Ende war nah. Etwas Geheimnisvolles lag in diesem Wissen um die nahe Erlösung, und dieses Geheimnisvolle ließ Anna Thermolen heiterer als sonst die Augen öffnen.

Katrin ist jetzt achtundzwanzig, dachte sie. Sie hat zehn Jahre des täglichen Opfers erlebt. Jetzt darf sie endlich mal an sich denken.

Ja, die Kranke fühlte sich heiter und leicht. Wenn es einen Gott gab, hatte sie nichts zu befürchten. Vielleicht breitete er gar die Arme aus und sagte etwas wie: »Hallo, Anna! Komm, mach's dir bequem!«

Im Himmel brauchte man wohl keine Rollstühle und keine Pflegerinnen, keine starken Medikamente und Wundbalsame. Im Himmel schwebte man.

Und wenn es keinen Gott gab?

Anna Thermolen seufzte.

Dann werde ich eben zu Asche, überlegte sie. Ich werde eines Tages ein Teil der Erde, aus der ich gekommen bin. Ist doch ein tröstlicher Gedanke.

Diese Herzschmerzen neuerdings – sie hatte sie vor Dr. Gerlach verheimlicht, erst recht vor Katrin. Mit den Herzen war das so eine Sache. Jahrzehntelang blubberten sie gleichmäßig vor sich hin. Aber eines Tages wurden sie nun einmal müde. Das zeigten sie deutlich, indem sie plötzlich anders schlugen. Wie eine Uhr, die kaputt war. Genauer gesagt, wie eine, die nicht mehr reparabel war.