FederLeicht. Wie das Wispern der Zeit. - Marah Woolf - E-Book

FederLeicht. Wie das Wispern der Zeit. E-Book

Marah Woolf

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Beschreibung

Eliza kann es nicht fassen: Erst lockten die Elfen sie in ihre Welt, ließen sich von ihr die magische Schneekugel zurückbringen und plötzlich sollte ihr Leylin für immer verschlossen sein? Sie vermisste Cassian schrecklich! Was offenbar nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie will und kann sich nicht damit abfinden, nicht zu ihm zurückzukehren, und so folgt sie Quirins Vorschlag, im Ewigen Wald mehr über das Verschwinden der Elfenkönigin in Erfahrung zu bringen. Viel zu schnell stellt sich dieses Abenteuer als noch gefährlicher und aufregender heraus als Elizas letzte Reise. Aber wie hatte ihre Grandma vorhergesagt: "Es ist noch nicht vorbei." FederLeicht. Wie das Wispern der Zeit.ist der zweite Teil der FederLeichtSaga.

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Inhalt

Titelseite

Über die Autorin

Vorwort

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Nachwort

Die Figuren in Band 2

FederLeichtSaga

Wie das Wispern der Zeit

Zweites Buch

Deutsche Erstausgabe Oktober 2015

Copyright © Marah Woolf, Magdeburg

Umschlaggestaltung: Carolin Liepins

Lektorat: Nikola Hotel

Korrektorat: Gisa Marehn

Alle Rechte, einschließlich die des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Impressum:

IWD Körner, Hasselbachplatz 3, 39124 Magdeburg

[email protected]

Facebook: Marah Woolf

www.marahwoolf.com

Twitter: MondSilberLicht

Instagram: marah_woolf

Pinterest: Marah Woolf/FederLeicht

WhatsApp unter 01621011176 Vermerk News

Über die Autorin

Marah Woolf wurde 1971 in Sachsen-Anhalt geboren, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann, ihren drei Kindern, einer Zwergbartagame, zwei Hasen und Kater Popcorn lebt. Sie studierte Geschichte und Politik und erfüllte sich mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans 2011 einen großen Traum. Mittlerweile sind die MondLichtSaga, die BookLessSaga, die FederLeichtSaga sowie die GötterFunkeSaga vollständig erschienen. Im Herbst 2018 beginnt mit Rückkehr der Engel ein neues Fantasyabenteuer.

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Schnee sinkt zur Erde federleicht,

ein Ort durch die Kugel dem anderen weicht.

Uhr, die Zeit verstummen lässt,

Vergangenes – es wird um Fest.

Flöte jeden Wunsch erfüllt,

Unglück sich in Schweigen hüllt.

Spiegel nichts vor dir verbirgt,

Lüge keinen Zauber wirkt.

Zauberkraft in der Feder sitzt,

nützt nur dem, der sie besitzt.

Ring dich jederzeit versteckt,

bestimme selbst, wer dich entdeckt.

Schlüssel immer dich beschützt, wenn vorsichtig du ihn benützt.

Prolog

Irgendwas lief hier total schief. Ich hatte gewusst, dass die Elfen ein falsches Spiel spielten. Da hatte das Mädchen ihnen ihre Schneekugel zurückgebracht, und nun ließen sie Eliza nicht mehr zurück.

Ich hätte Eliza vor den Elfen warnen müssen. Ob sie auf mich gehört hätte, stand allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Weshalb waren Mädchen eigentlich so leicht um den Finger zu wickeln? Kaum tauchte ein gut gebauter Elf mit goldenen Sprenkeln in den Augen auf, verloren sie ihren gesunden Menschenverstand. Wie war das mit den inneren Werten? Aber wenn es danach ginge, könnte ich mich vor Verehrerinnen nicht retten. Nur leider war ich einfach zu klein und zu haarig. Das Leben war ungerecht.

Im Grunde ging es mich ja nichts an, aber trotzdem tat Eliza mir leid. Vielleicht war es keine schlechte Idee, wenn ich mal nachschaute, wie es ihr ging. Sie wäre nicht die Erste, die an der Herzlosigkeit der Elfen zerbrach. Allerdings war Eliza aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt, sie lag bestimmt nicht irgendwo rum und heulte dem verzogenen Bengel nach. Wissen konnte ich es allerdings nicht, und sie hatte mich um meinen Schutz gebeten.

Ein Troll bricht sein Wort nicht. Und dann war da auch immer noch diese Sache mit der verschwundenen Elfenkönigin, der ich auf den Grund gehen musste. Warum hatte ich Jade bloß versprochen, ihr zu helfen? Ich war wahrscheinlich der gutmütigste Troll, den es gab. Und der dümmste.

1. Kapitel

Ich schaffe das, ich schaffe das, ich schaffe das«, murmelte ich mein neuestes Mantra vor mich hin. Jetzt betraf dieser Satz aber keine Klausur oder einen riesigen Berg schmutzigen Geschirrs, sondern schlicht und ergreifend mein Überleben. Großmutter hatte nicht untertrieben, als sie behauptete, dass die Verbannung aus dem Elfenreich das Schwerste sein würde, das mein Schicksal mir zu bieten hatte. Vielleicht wäre es leichter, wenn Cassian mich nicht geküsst hätte. Oder ich ihn.

Obwohl mittlerweile Monate vergangen waren (in denen ich jeden Tag zur Lichtung gerannt war, um zu schauen, ob das Tor wieder auftauchte), spürte ich seine Berührungen immer noch. Anfangs hatte ich gedacht, ich würde aufhören zu atmen oder mein Herz würde aufhören zu schlagen, so sehr hatte es wehgetan. Eigentlich hatte ich bis zum Moment, in dem dieser Opal in meiner Handfläche lag, gar nicht gewusst, wie sehr ich Cassian mochte. Immerhin hatten wir uns deutlich mehr gestritten als geküsst. Dann hatte ich eine Weile gedacht, dass es wohl nicht so schwer sein konnte, darüber hinwegzukommen. Aber mein Hirn schaffte es leider nicht, mein Herz zu überlisten. Ob das wirklich diese Elfenmagie war, von der Grandma erzählt hatte? Ihre Freundin war darüber verrückt geworden, aber sie hatte ja auch ein Kind von ihrem Elfen erwartet. Bei dem Gedanken wurde mir ganz schummerig. Durchdrehen würde ich nicht. Ich musste einfach vorwärtsblicken und die magische, unwirkliche Welt vergessen. Tür zuschließen und Schlüssel wegschmeißen. Das war doch eigentlich ein guter Plan. Ich durfte mich nicht unterkriegen lassen. Ich musste die Geschichte aus einer anderen Perspektive betrachten. Es war nur eine Episode gewesen. Zugegeben, eine etwas ungewöhnliche. Irgendwann würde ich meinen Enkeln davon erzählen, und sie würden mich mit großen verwunderten Augen anstarren und mir kein Wort glauben. Bis dahin musste ich es nur schaffen, den Schmerz, der sich in meinem Herzen eingenistet hatte, zu ignorieren. Das konnte doch nicht so schwer sein. Andere Menschen waren unheilbar krank, hatten Krebs, wussten, dass sie bald sterben würden. Ich litt nur unter einem gebrochenen Herzen. Das war dagegen doch eine Kleinigkeit.

Die Idee mit dem Perspektivenwechsel war von Sky – von wem auch sonst? – , und es klappte noch nicht so richtig. Aber ich hatte mir fest vorgenommen, der Sache eine Chance zu geben, auch wenn ich mich am liebsten heulend in mein Zimmer verkrochen hätte. Nur leider hätte ich keine plausible Erklärung für meine Mutter gehabt. Unser Verhältnis hatte sich zwar gebessert, aber ich traute dem Frieden noch nicht so richtig.

Also ging ich jeden Tag zur Schule, auch wenn ich noch weniger kapierte als vorher. Nachmittags half ich meiner Mutter im »Books & Flowers«. Gestern hatte ich Schokoladenmuffins gebacken, was eine Premiere für mich gewesen war. Sie hatten sogar geschmeckt, auch wenn sie immer noch so aussahen wie die Matschkuchen, die ich als Kind gebacken und an Fynn verfüttert hatte. Trotzdem hatte er sich todesmutig an meinen Muffins versucht und mich sogar gelobt. Höchstwahrscheinlich, weil er genau wusste, dass ich gerade ziemlich deprimiert war. Leider durfte ich ihm nicht sagen, wieso, obwohl er mich ständig fragte. Manchmal benahm er sich wie eine echte Glucke.

Mein heutiger Lichtblick war die Theaterprobe mit Frazer. Eigentlich beherrschte er seine Rolle mittlerweile perfekt. Aber diese Zeit miteinander war uns beiden zu wichtig geworden, als dass wir damit aufhören wollten. Er schaffte es immer, mich zum Lachen zu bringen, egal, wie schlecht ich mich fühlte. Allerdings war auch ihm nicht entgangen, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war. Zwei Wochen hatte er mich gelöchert und dann eingesehen, dass es besser war, mich in Ruhe zu lassen.

Aber ich merkte natürlich, dass er mich immer wieder besorgt musterte. Er hatte es innerhalb kurzer Zeit geschafft, nach Sky mein zweitbester Freund zu werden.

»Hey, alles klar?« Wie jeden Morgen wartete Frazer am Schultor auf mich.

»Klar.« Ich zwang mich zu einem Grinsen. »Du musst nicht immer hier rumlungern.«

»Tue ich doch gar nicht. Wir kommen nur zufällig immer zur selben Zeit.«

»Die Gänse da drüben sind schon ganz eifersüchtig.« Ich wies auf die Schönheitsköniginnen der Schule, die versuchten, mich mit ihren Blicken zu töten.

»Dann geben wir ihnen mal was zum Gucken.« Frazer legte einen Arm um mich und zog mich an sich. Seine Lippen streiften meine Schläfe. Es kitzelte, und ich musste kichern. »Du bist verrückt.«

»Das nehme ich mal als Kompliment.«

Die Gänse steckten die Köpfe zusammen. Wahrscheinlich schmiedeten sie Mordpläne.

Sky wartete vor der Tür zum Bioraum auf uns. Frazer ließ sofort den Arm sinken. »Hallo, meine Schöne«, begrüßte er sie.

Sky verdrehte die Augen.

Ich musste ihm unbedingt Nachhilfe in Sachen Sky geben. So wurde das nie etwas mit den beiden. Da musste er ganz andere Geschütze auffahren, sonst hatte er bei ihr keine Chance.

Zu dritt betraten wir den Biologieraum. Mr Roth warf uns einen auffordernden Blick zu. »Los. Los, los. Wir wollen anfangen. Setzt euch.«

Frazer setzte sich auf seinen Platz neben Grace, die sofort an ihn heranrutschte und zu flüstern begann. Dabei warf sie Sky und mir höhnische Blicke zu und entlockte Sky damit ein »Blöde Kuh«.

Das war doch schon mal ein Anfang.

Mr Roth quälte uns mit dem Unterschied zwischen Phagozytose und Pinozytose.

Warum konnte ich meine Higher nicht in Musik, Kunst, Drama und anderen Fächern ablegen, bei denen ich mir keine Knoten ins Hirn machte? In der Zwölften würde ich meine Fächer sorgfältiger wählen und nicht einfach hinter Sky herschluffen, nahm ich mir fest vor. Die hing an Mr Roths Lippen, als verkündete er das Evangelium oder so. Ich konnte seine Zungenbrecher kaum aussprechen und sehnte die Freistunde herbei, die wir gleich hatten. Ich wollte mir einen Muffin und einen großen Latte macchiato in der Schulcafeteria holen. Der Zucker und das Koffein würden meine Müdigkeit hoffentlich vertreiben.

Krampfhaft versuchte ich, doch noch irgendetwas von dem, was Mr Roth vor sich hin brabbelte, in mein zubetoniertes Hirn zu bekommen, aber es war vergeblich. Da musste jemand mit dem Presslufthammer ran und die Elfengeschichte aus mir rausholen. Ohne es zu wollen, versank ich in meinen Tagträumen: Cassian hielt meine Hand, und wir schlenderten durch die Straßen von Leylin. Er hielt mich fest und tanzte mit mir über den Bretterboden der Theaterbühne. Ich schloss die Augen und spürte seine vorsichtig tastenden Hände auf meinen Wangen.

»Eliza.« Ich schrak auf. Mein Ellenbogen rutschte weg, und ich knallte unsanft mit dem Kinn auf die Tischplatte. Lautes Gelächter hallte durch den Raum. Na, wenigstens waren jetzt alle wach. Mr Roth musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen.

»So bekommst du nie ein A«, rügte er mich. »Wenn ich es mir recht überlege, bekommst du wahrscheinlich nicht mal ein C.«

Eigentlich war mir das schnurzpiepegal, aber das konnte ich ihm schlecht sagen. Mr Roth war ein netter Lehrer und ließ uns meistens in Ruhe.

»Da du gerade aus deinen Tagträumen erwacht bist, sei doch so lieb und erläutere deinen Mitschülern, was wir unter passivem Stofftransport verstehen!«

Woher sollte ich das wissen? Ich sah ihn irritiert an.

»Der passive Transport ist eine Form der Bewegung von Stoffen durch eine Zellmembran, die im Gegensatz zum aktiven Transport keine Energie benötigt«, raunte Sky mir zu.

Okay. »Der passive Transport …«, begann ich stockend.

»… ist eine Form der Bewegung …«, flüsterte Sky.

»… ist eine Form der Bewegung …«, wiederholte ich.

»… durch die Zellmembran, …«

»… durch die Zellmembran, …« Was immer das sein sollte.

»… die keine Energie benötigt«, kürzte sie ab.

»… die keine Energie benötigt«, wiederholte ich und strahlte Mr Roth an. Das war doch gar nicht so schlecht gewesen.

»Danke schön, Sky«, sagte dieser. »Eliza, du bereitest zum Thema aktiver und passiver Stofftransport bitte zur nächsten Stunde einen Vortrag vor.«

Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich hatte keinen Schimmer, woher ich die Energie dafür nehmen sollte. Ich war doch selbst gerade im Passivmodus.

Sky tätschelte meine Hand. »Ich helfe dir.« Was übersetzt hieß, dass sie den Vortrag ausarbeiten würde. Was würde ich nur ohne sie tun?

Im Dramakurs in der fünften und sechsten Stunde wurde wieder einmal deutlich, dass Frazer und Grace als Tristan und Isolde überhaupt nicht miteinander harmonierten. Insgeheim hatte ich Frazer im Verdacht, dass er sich mit Absicht so dusselig anstellte.

Miss Peters verlor nach dem fünften Probendurchgang der immer wieder gleichen Szene die Geduld, unterbrach die beiden und raufte sich verzweifelt die Haare. »Sky würdest du vielleicht …« Sie wies auf Frazer. »Wir haben nur noch zwei Wochen, und Frazer können wir nicht austauschen.«

»Was soll das heißen?«, kreischte Grace.

»Bis jetzt noch nichts«, versuchte Miss Peters sie zu beruhigen. »Aber ich möchte sehen, ob es mit Sky nicht besser klappt. Ihr beide wirkt zusammen wie Stöcke im Wald.«

Wutschnaubend rauschte Grace von der Bühne.

»Ich kann das nicht«, protestierte Sky. »Bitte, Miss Peters.«

»Du kannst den Text, oder?«

Sky nickte.

»Na dann. Worauf wartest du noch. Hopp, hopp auf die Bühne.«

Sky ging die Stufen hinauf, als schritte sie zu ihrer Hinrichtung. Fast tat sie mir leid. Frazer strahlte sie mit einem Lächeln an, bei dem jedes andere Mädchen dahingeschmolzen wäre. Nur nicht Sky.

»Was wird aus uns?«, leierte sie lustlos.

Frazer grinste, nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen.

»Eure Heirat beendet hundert Jahre Blutvergießen. Marke war mir Vater, Bruder, Freund. Ich kann ihn nicht so enttäuschen. Ihm bricht das Herz, wenn er von uns erfährt.«

Sky schluckte. Frazer hatte die Stelle rezitiert, als würde ihm bei den Worten tatsächlich das Herz brechen. Sky, die nichts mehr hasste, als unter ihrem Potenzial zu bleiben, straffte die Schultern.

»Und was ist mit meinem? Nur winzige Splitter sind noch übrig, seit du mich verschmähst.« (weint und schaut ihn an) »Wie erträgst du, dass er mich berührt?«

Miss Peters neben mir seufzte, als Frazer die Hand auf Skys Wange legte. Sky wich nicht zurück, im Gegenteil. Sie machte einen winzigen Schritt auf ihn zu und hob den Kopf.

»Jedes Mal, wenn er dich nur ansieht, werde ich kränker und kränker.«

Sky machte nur eine winzige Pause, bevor sie die folgenden Worte sagte:

»Gewährst du mir einen letzten Kuss? Danach werde ich unsere Liebe in meinem Herzen verschließen und Marke eine ergebene Gemahlin sein. Verweigere mir diese Erinnerung nicht. Ich bitte dich nur ein Mal.«

Frazer beugte sich zu ihr und flüsterte an ihren Lippen:

»Ein letztes Mal.«

Als er sie zu küssen begann, drehte ich mich um und lief hinaus. Das war endgültig zu viel für mich. War es tatsächlich schon Monate her, dass Cassian mir diese Worte zugeflüstert hatte? Mein Herz wummerte in meiner Brust, und der Knoten, der sich in meinem Magen gebildet hatte, schwoll auf die Größe eines preisgekrönten Kürbisses an.

Grace schoss wutschnaubend an mir vorbei. »Warst du nicht eigentlich in Frazer verknallt?«, fuhr sie mich an. »Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.«

»Du bist eine dumme Kuh.« Eine bessere Antwort fiel mir auf die Schnelle nicht ein.

»Das sage ich Fynn«, schrie sie mich an.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, und obwohl meine Knie zitterten, erwiderte ich mit fester Stimme: »Da habe ich aber jetzt schon Angst.«

Mit zornesrotem Gesicht rauschte sie davon.

Schweren Herzens ging ich zurück zum Theaterraum. Ich hatte weder Lust noch die Kraft, mir einen albernen Krieg mit Grace zu liefern. Aber das würde mir wohl nicht erspart bleiben. Grace war nicht gerade dafür bekannt, dass sie ein Schlachtfeld kampflos räumte.

Frazer und Sky standen vor Miss Peters. »Du musst die Rolle einfach spielen«, forderte diese. »Ihr seid ein Traumpaar.«

Frazer grinste, während Sky blass wurde.

Ich beschloss, sie zu retten. »Sky kann ja einen Tag darüber nachdenken«, schlug ich vor.

»Selbstverständlich«, gab Miss Peters nach, in einem Tonfall, der sehr deutlich machte, wie die Entscheidung auszufallen hatte. »Dann proben wir noch ein paar kleinere Szenen.« Sie ging auf die Bühne und klatschte in die Hände.

»Ich werde dich schon nicht fressen«, verkündete Frazer mit hungrigem Blick.

Sky war ihr Schock anzusehen, und ich bedeutete Frazer, die Klappe zu halten. Leider verstand er die Andeutung nicht.

»Komm schon, der Kuss hat sich doch wirklich gut angefühlt.«

Musste der Dummkopf unbedingt noch einen draufsetzen?

Skys Kopf ruckte nach oben. »Bilde dir bloß nichts darauf ein«, giftete sie ihn an, schnappte ihre Tasche und schoss an uns vorbei zur Tür.

»Du gehst das ganz falsch an«, belehrte ich Frazer, der ihr wie ein begossener Pudel hinterhersah. Ich konnte mir nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen.

2. Kapitel

Wieder einmal hockte ich auf der Lichtung. Söckchen, mein leicht psychotischer Kater, wuselte mir um die Füße. Immerhin musste ich ihn nicht mehr ständig tragen, und er schaffte es mittlerweile, nicht jedes Mal ins Koma zu fallen, wenn eine Biene an ihm vorbeisummte.

Vielleicht war es klüger, wenn ich nicht mehr herkam. Es brachte sowieso nichts. Wenn ich es total rational betrachtete (also mit Skys Augen), dann hätte eine Beziehung mit einem Elfen sowieso keine Chance. Es war einfach lächerlich, zu glauben, dass ein Halbgott wie Cassian sich längere Zeit für mich interessieren könnte. Außerdem hätte Larimar, die doofe Zicke, niemals erfahren dürfen, dass etwas zwischen uns lief. Es wäre viel zu kompliziert gewesen. Und dann sprachen noch jede Menge anderer vernünftiger Argumente gegen eine solche Beziehung. Sky hatte eine Liste angelegt und mir diese Punkt für Punkt auseinandergesetzt. Aber mein blödes Herz hörte einfach nicht auf meinen Kopf, sosehr ich es auch dazu drängte.

Cassian hätte, wenn ihm etwas an mir liegen würde, wirklich einmal nach mir sehen können. Immerhin hatten die Elfen dank mir ihre Kugel wieder, und wenn er gewollt hätte … Okay, er hätte nicht nach mir sehen können – im eigentlichen Sinne, er war schließlich blind. Aber ich war oft genug auf der Lichtung. Für ihn wäre es nur ein winziger Schritt gewesen.

Und dann war da noch etwas, das mich wurmte: die Vorstellung, dass Opal gewonnen hatte. Die Vorstellung, dass sie wieder um ihn herumscharwenzelte und ihn anbaggerte. Wie lange würde er ihr widerstehen? Sie würde nicht lockerlassen, und hatte Larimar nicht gesagt, dass die beiden ein perfektes Paar wären? Es war total eigennützig von mir, so zu denken. Aber dann war ich eben eigennützig. Ich wollte ihn für mich. Ich wollte nicht, dass er ein anderes Mädchen küsste, verdammt.

Aufstöhnend ließ ich mich ins Gras fallen. Das Sonnenlicht kämpfte sich einen Weg durch das Blätterdach über mir und zauberte glänzende Punkte ins Gras. Socke versuchte, sie zu fangen, und maunzte kläglich, als das nicht gelang.

Andererseits, überlegte ich, sollte ich es Cassian nicht gönnen, wenn er dank Opal sein Geburtsrecht zurückbekam? Sollte ich mich nicht für ihn freuen, dass er sein Augenlicht wiedererhielt?

Ob Larimar Wort halten würde? Blind tanzte Cassian nach ihrer Pfeife. Würde er das auch noch tun, wenn sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen war? Sie hatte ihn in der Hand, mit Augenlicht womöglich aber nicht mehr.

Oh Gott, war ich selbstsüchtig. Die Vorstellung, dass er mich sehen könnte und mich mit Elfe Opal verglich, verursachte mir noch mehr Herzschmerzen. Dann hatte ich gar keine Chance mehr. Aber ich würde ihn ja eh nie wiedersehen. Die Elfen hatten mich verbannt. Mir blieben nur meine Erinnerungen. Ich schloss die Augen. Mein Leben war ein Trümmerfeld.

»Trübsal blasen steht dir ganz und gar nicht«, vernahm ich eine mir wohlbekannte Stimme.

Hatte ich schon Halluzinationen und bildete mir ein, diesen haarigen Troll zu hören? Es stand wirklich schlimm um mich.

»Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass der Bengel es nicht wert ist«, belehrte Quirin mich.

»Geh weg. Ich träume dich doch sowieso nur. Ich kann nicht auch noch Stimmen in meinem Kopf gebrauchen«, motzte ich.

»Ich hau dir gleich auf den Schädel, wenn du die Augen nicht aufmachst, du freche Göre. Begrüßt man so einen alten Freund?«

Ich riss die Augen auf. Neben mir plumpste etwas ins Gras. Socke quietschte, sprang zurück und sträubte das Fell. Er war wirklich da. Quirin. Ich traute meinen Augen nicht. Dann rappelte ich mich auf und riss ihn in meine Arme.

Er strampelte mit seinen kurzen Beinchen. »Du zerquetschst mich«, quengelte er. »Und außerdem stehen wir Trolle nicht so auf Liebesbezeugungen. Die kannst du dir für diesen verzogenen Elfen aufheben.«

Mir war das egal. Ich gab ihm einen Kuss auf die ledrige Wange und setzte ihn ab. Eine leichte Röte überzog sein braunes Gesicht, während er den Kuss wegwischte.

»Ist ja eklig«, murmelte er.

Ich grinste ihn an. »Ich habe dich auch vermisst.«

Er setzte sich im Schneidersitz vor mich und hielt Socke eine Hand hin. Zu meiner Verwunderung schnupperte der Kater daran und ließ sich dann neben dem Troll nieder. »Was läuft so?«, fragte Quirin.

»Hier nicht besonders viel.« Am liebsten wollte ich ihn schütteln, damit er mir etwas von Cassian erzählte. Vorzugsweise, dass er auf der anderen Seite Trübsal blies und mich vermisste. »Opal hat ja erfolgreich dafür gesorgt, dass ich nicht zurückkann.«

»Du denkst, es war Opal?«

Ich nickte kräftig. »Sie war vom ersten Tag an eifersüchtig auf mich. Es kann nur sie gewesen sein. Im Grunde hat sie mir damit ihre Visitenkarte in die Hose gesteckt.« Ich zog den kleinen Opal aus der Tasche meiner Jeans. Ständig trug ich ihn mit mir herum, damit ich meine Wut auf sie nicht vergaß.

»Ich muss dich enttäuschen, Schätzchen, den Stein hätte dir jeder in die Tasche stecken können. Sogar ich.«

Erschrocken sah ich ihn an. »Du warst es doch nicht.«

»Nö. Grausamkeiten sind den Elfen vorbehalten.«

»Meinst du, es war Larimar?«

»Keine Ahnung. Ich könnte versuchen, es herauszufinden. Aber was würde das bringen?«

»Nichts. Außer, dass ich Gewissheit hätte. Hat Larimar Cassian schon das Augenlicht wiedergegeben?« Ich hielt die Luft an in Erwartung der Antwort. Keine Ahnung, was ich fühlen sollte, wenn es so war.

»Nein.« Er zupfte ein paar gelbe Blüten ab und steckte sie sich in den Mund.

Ich horchte in mich hinein. »Wird sie es tun?«

»Immerhin hat sie es ihm versprochen, aber sie hält ihn hin. Sie heckt etwas aus«, antwortete Quirin und kaute dabei genüsslich das Unkraut.

»Ist Cassian nicht schrecklich sauer auf sie? Immerhin hat sie es ihm versprochen.«

Quirin zuckte mit den Schultern. »Du weißt doch, wie er ist. Er lässt sich seine Gefühle weniger anmerken als ein Stein. Wenn er wütend ist, dann verbirgt er das ziemlich gut.«

Dann konnte ich mir die Frage, ob er mich vermisste, gleich verkneifen.

»Ist sie mittlerweile Königin?«

»Nope.«

»Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Was ist passiert, seitdem ich weg bin?«

»Raven und Peter sind zurückgekommen.«

»Das weiß ich schon. Sie haben sich von mir verabschiedet. Was denkst du, weshalb Larimar Raven begnadigt hat? Holt sie sich da nicht eine unliebsame Konkurrenz zurück?«

»Ihre Bedingung war, dass Raven auf den Thron verzichtet, und Larimar hat ihr erlaubt, mit Peter zusammenzubleiben.«

»Darauf ist Raven eingegangen?«

»Elfen können keine unendliche Zeit in der Verbannung leben. Irgendwann wäre Raven verrückt geworden.«

»Das wusste ich nicht.«

»Wie so vieles.«

»Sorry, dieser Elfenquatsch steht nicht auf unserem Lehrplan. Wäre zwar wesentlich spannender, als ständig und immer den Ersten Weltkrieg durchzukauen und die Tapferkeit unserer Soldaten zu loben. Aber ich befürchte, wenn ich das vorschlage, lande ich in der Klapsmühle.«

»Menschen sind fast noch ignoranter als Elfen.« Quirin seufzte. »Ich frage mich, wie ihr die Welt erobern konntet.«

»Das frage ich mich auch. Ihr könnt so coole Dinge, und wir bauen bloß Autos und fliegen zum Mond.«

»Mach dich bloß lustig über mich, dann komme ich nicht wieder.«

Erschrocken riss ich die Augen auf. »Bleib hier. Es geht mir gleich viel besser, wenn wir darüber reden. Jetzt ist es gar nicht mehr so schlimm, dass ich nie wieder nach Leylin kann.«

»War es das denn?«, fragte Quirin sanft.

»Als ob mir jemand das Herz herausgerissen hätte«, flüsterte ich.

»Man küsst ja auch keinen Elfen, Kleines.«

»Du klingt wie meine Grandma.«

»Sie ist ja auch die einzige vernünftige Person in eurem Haus.«

Ich knurrte. »Danke schön.«

»Sie sieht mehr als andere Menschen«, verteidigte er seine Beleidigung auch noch. »Sie ist offen für die Magie der Welt. Ich wette, sie spürt die Kraft der Leylinien.«

»Leylinien? Was soll das sein?«

Quirin hob die Augenbrauen. »Was lernt ihr überhaupt?«

»Nichts Sinnvolles, das versuche ich meiner Mum auch die ganze Zeit zu erklären.«

»Du solltest mal nach Avallach gehen, da könnten sie dir wenigstens ein paar Basics beibringen.«

»Ist das diese Zaubererschule?«, fragte ich nach. »So was wie Hogwarts?«

»Ich habe zwar keine Ahnung, was Hogwarts ist, aber – ja – , es ist eine Schule. Allerdings nicht nur für Zauberer, sondern für alle Wesen der magischen Welt. Vielleicht nehme ich dich mal irgendwann dorthin mit.«

»Jetzt gleich?«

Quirin lachte. »Ganz bestimmt nicht. Die gesamte magische Welt ist verbunden durch ein Netz unsichtbarer Linien«, referierte er stattdessen. »Dort, wo sich die Linien kreuzen, befinden sich sogenannte Kraftorte. Sämtliche Linien entspringen in Leylin. Die Hauptstadt der Elfen gab diesen Linien ihren Namen.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Nimmst du mich mit zurück?«

»Das kann ich nicht, das weißt du doch. Dieser Weg ist dir versperrt.«

»Aber ich habe den Opal doch nicht mit Absicht mitgenommen. Das ist so unfair.«

»Das spielt in diesem Fall keine Rolle. Du hättest vorsichtiger sein müssen. Hat Cassian dir nicht gesagt, dass du deine Taschen kontrollieren sollst, bevor du durch das Tor gehst?« Er kraulte Sockes Fell, was diesem ein wohliges Schnurren entlockte.

Ich schüttelte den Kopf.

»Das dachte ich mir, und nun zerbrich dir mal dein hübsches Köpfchen, warum er das nicht getan hat.« Quirin stand auf und zupfte sich ein paar Grashalme aus den Haaren.

Ich kniff die Augen zusammen. »Hast du mit ihm über mich geredet?«

»Er redet nicht über dich. Mit niemandem.«

Bestimmt litt er genauso wie ich, dachte ich hoffnungsvoll und seufzte.

Quirin dachte bestimmt, ich wäre nicht ganz richtig im Kopf. War ich ja auch nicht, mein Gehirn und mein Herz hatten sich in Matsch verwandelt.

»Pass auf dich auf, Eliza«, sagte er mit diesem komischen Ausdruck im Gesicht, dann drehte er sich einmal um seine eigene Achse und verpuffte, direkt vor meiner Nase.

Socke sprang vor Schreck auf meinen Schoß und maunzte. Ich starrte auf die Stelle, an der gerade noch der Troll gestanden hatte, und fragte mich, ob ich vielleicht doch halluziniert hatte.

»Hast du den frechen Troll auch gesehen?«, fragte ich den Kater und bekam ein Maunzen zur Antwort. Damit musste ich mich wohl zufriedengeben.

Glücklich hüpfte ich zum Haus zurück. Quirins Besuch hatte mir gezeigt, dass es immer noch eine Verbindung zur magischen Welt gab. Es war vielleicht tatsächlich noch nicht vorbei. Hoffentlich kam er wieder. Die Karten, die Granny nach meiner letzten Rückkehr aus der Elfenwelt gelegt hatte, behielten recht: Ich hängte mein Herz an einen spinnwebfeinen Faden. Das war nicht viel, aber jeder Mensch wusste, dass so ein Spinnennetz eine Menge aushalten konnte.

»Grandma, kannst du mir die Karten legen?«

Erstaunt legte meine Großmutter den Kopf schief. »Ich dachte, du wolltest von dem Teufelszeug nichts mehr wissen.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Darf man hier seine Meinung nicht mal ändern?«

»Doch, sooft du willst.«

»Quirin war hier«, verkündete ich.

»Dieser Troll?«, fragte Grandma erstaunt.

Ich nickte und strahlte übers ganze Gesicht. »Wenn er kommen kann, dann kann Cassian es doch auch, meinst du nicht?«

»Ich meine, du solltest dich da nicht reinsteigern. Wenn er dich sehen wollte, hätte er es längst getan. Nicht, dass ich das gutheißen würde. Du musst dich damit abfinden, dass er womöglich nicht dasselbe empfindet wie du.«

Ich spürte, wie Hitze mir ins Gesicht kroch. »Das sagst du nur, weil du nicht möchtest, dass ich mit ihm zusammen bin.«

Grandma legte mir ihre weiche Hand auf die Wange. Sie duftete nach Lavendel und Thymian. »Das sage ich, weil ich nicht möchte, dass er dich unglücklich macht.«

Tränen stiegen mir in die Augen. »Unglücklicher kann ich gar nicht sein.«

Ich wollte aufspringen, als meine Mutter eintrat. In den Händen balancierte sie ein Tablett mit Teetassen und Schokoladentorte.

»Ich dachte, ich bringe euch etwas für die Nerven.«

Grandma lächelte, während ich die Lippen zusammenpresste und mich zurück in die unzähligen bunten Kissen fallen ließ.

»Wie war es in der Schule?«, fragte meine Mutter, und ich verdrehte die Augen. Was ging mich die Schule an? Ich hatte verdammt noch mal andere Probleme.

»Ich will doch nur, dass du deine Higher ordentlich über die Bühne bringst. Du musst dich im Herbst an deinen Wunsch-Unis bewerben.«

»Das weiß ich«, fauchte ich.

»Dann ist es ja gut. Dein Dad und ich machen uns Sorgen.«

Ich mampfte die Schokotorte in mich hinein und antwortete nicht. Ich würde dieses Jahr drei Higher machen und nächstes Jahr ebenfalls. Das sollte ja wohl reichen, um an irgendeiner Uni angenommen zu werden. Vorzugsweise weit weg von nervender Verwandtschaft und bockigen Elfen. Ich sehnte den Zeitpunkt meiner Freiheit herbei. Vielleicht sollte ich auch einfach mal ein Jahr auf Reisen gehen. Dass meine Eltern dafür das Geld springen ließen, war allerdings fragwürdig. Das Studium meines hochbegabten Bruders Fynn an der St Andrews University würde alle Ersparnisse aufzehren. Aber das war meinen Eltern egal. Für mich reichte eine staatliche Universität in Stirling. Wohnen sollte ich bei irgendeiner verrückten Tante, die einsam war und einen Haufen Geld besaß, sodass ich keine Miete bezahlen musste. Logischerweise hatten meine Eltern mich nicht gefragt, ob dieses Vorhaben auch in meine Pläne passte. Ich hatte Mutter belauscht, als sie mit Dad sprach und ihn zu überzeugen versuchte, mit ihr an einem Strang zu ziehen. Fairerweise sollte ich vielleicht erwähnen, dass sie mehrfach versucht hatte, auch mit mir zu reden, aber ich hatte das Gespräch immer abgeblockt. Bis jetzt.

»Hast du auch schon beschlossen, was ich studieren soll?«, fragte ich spitz.

»Vielleicht Englisch oder Geschichte?«, schlug sie ohne eine Spur schlechten Gewissens vor.

»Englisch war wahrscheinlich deine Idee und Geschichte Dads, oder? Super. Dann kann ich in Zukunft entweder in Erde oder im Teig wühlen. Weit hat dein Literaturstudium dich ja auch nicht gebracht.«

Grandma legte mir besänftigend eine Hand auf den Arm. »Deine Mutter meint es nur gut. Es wird Zeit, dass du dich mit deiner Zukunft beschäftigst.«

Ich sprang auf. »Meine Zukunft kann mich mal«, brüllte ich und rannte aus dem Wohnzimmer.

»Sie beruhigt sich schon wieder«, hörte ich noch Grandmas Stimme. Auf der Treppe blieb ich stehen.

»Ich hatte gehofft, dass es langsam leichter wird, mit ihr auszukommen«, seufzte Mutter.

»Das wird es ganz bestimmt«, tröstete Grandma sie.

Mit schlechtem Gewissen ging ich auf mein Zimmer. Meine Mutter konnte im Grunde nichts für meine miese Laune. Daran war nur Cassian schuld.

»Kommst du mit zum Gig?« Frazers Nachricht riss mich Samstagvormittag aus dem Schlaf. Ich vergrub das Gesicht wieder in meinem Kissen. Konnte man nicht einmal ausschlafen?

»Hast du sie noch alle?«, textete ich nach einer Weile zurück. »Es ist mitten in der Nacht.«

»Es ist nach zehn, und ich war schon laufen.«

»Streber.«

»Was ist nun, kommst du mit? Je eher du antwortest, umso schneller kannst du weiterschlafen.«

»Habe ich eine Wahl?«

»Eigentlich nicht.«

»Na ja, dann ist ja alles klar«, schrieb ich zurück. Es wurde Zeit, dass ich meine selbst gewählte Isolation verließ. Es brachte ja nichts, einer völlig aussichtslosen Liebe nachzuheulen.

»Bringst du Sky mit?«

»Du gibst nicht auf, oder?«

»Nicht, solange ich noch Hoffnung habe.«

Ich sah sein schelmisches Grinsen förmlich vor mir.

»Ich gebe mein Bestes. Versprechen kann ich aber nichts.«

»Das reicht mir schon«, antwortete Frazer prompt.

»Bis heute Abend«, verabschiedete ich mich. Dummerweise war ich jetzt putzmunter. Das Einzige, was mich noch plagte, war mein schlechtes Gewissen. Immerhin musste ich zugeben, dass meine Mutter sich in den letzten Wochen wirklich Mühe mit mir gegeben hatte. Dass ich sie so angefahren hatte, tat mir leid, denn das hatte sie nicht verdient. Ich sollte mich im Café nützlich machen. Vielleicht versöhnte sie das etwas.

Am Abend machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg nach St Andrews. Während der Fahrt fragte ich mich die ganze Zeit, weshalb Quirin in meine Welt gekommen war. Ich wollte mir auf gar keinen Fall unnütze Hoffnungen machen, dass auch Cassian eines Tages vor mir stehen würde. Bei dem Gedanken daran verknoteten sich meine Eingeweide.

Ein Auto raste mit überhöhter Geschwindigkeit auf mich zu und hupte. Blödmann. Ich riss den Lenker herum. Da war ich doch tatsächlich zu weit auf der Straßenmitte gefahren. Jetzt brachte der Doofmann mich schon in Lebensgefahr, weil er so sehr meine Gedanken beherrschte.

»Komm mit, Sky«, bettelte ich, nachdem ich heil bei ihr angekommen war. »Nur ein Mal. So ein Gig ist toll. Es wird dir gefallen.«

»Die Musik von diesen Pseudobands gefällt mir nicht.«

»Mein Gott, du kannst doch nicht immer nur Klassik hören. Das ist nicht gesund in deinem Alter.«

Sky runzelte die Stirn. »Hat Frazer dich gebeten, mich zu überreden?«

»Hhm«, murmelte ich. Sie kannte mich zu gut.

»Bestell ihm einen schönen Gruß von mir und sag ihm, dass es mir genügt, wenn ich in der Schule meine Zeit mit ihm verbringen muss.«

»Du bist gemein zu ihm, weißt du das?«

Sky zuckte mit den Schultern. »Besser gemein und ehrlich als nett und eine Lügnerin. Er soll sich bloß keine falschen Hoffnungen machen.«

»Das tut er bestimmt nicht«, erwiderte ich. »Wenn du es dir anders überlegst, dann weißt du ja, wo du uns findest.«

»Alles klar.« Sky umarmte mich. »Pass auf dich auf.«

»Ich gehe auf eine Party und nicht auf eine Weltreise.«

»Na ja, manchmal ist die Weltreise ungefährlicher.« Sie grinste.

»Bei dir vielleicht, weil du jedes Staubkorn auf dem Weg einplanen würdest.«

»Sie ist nicht mitgekommen, oder?« Frazer wartete vor der Tür des Klubs auf mich.

»Tut mir leid.« Kurz überlegte ich, ob ich ihm Skys Worte tatsächlich ausrichten sollte. Allerdings erinnerte sein Blick mich gerade an einen traurigen Welpen, weshalb ich darauf verzichtete, ihm auch noch einen Dolch in die Brust zu rammen.

»Wir machen uns trotzdem einen coolen Abend«, sagte er tapfer, legte einen Arm um mich und zog mich zu der Schlange, die auf Einlass wartete.

Als wir endlich hineinkamen, war die Party in vollem Gange. Indie-Pop dröhnte durch die Räume. Wir holten uns zwei Colas von der Bar und hielten Ausschau nach unseren Freunden. Als Frazer sie erspähte, drängelten wir uns zwischen den schwitzenden Körpern, die vor der Bühne auf und ab sprangen.

Grace grinste mich an. »Gibt er sich nun mit dir zufrieden?«, fragte sie.

Ich zog es vor, darauf nicht zu antworten.

Eine kleine Flasche Wodka machte die Runde, und jeder goss sich einen Schluck in seine Cola. Grace beobachtete mich genau, und ich hatte nicht vor zu kneifen, auch wenn ich Alkohol im Allgemeinen und Wodka im Speziellen nicht besonders mochte. Ich kippte einen großzügigen Schuss in mein Glas und reichte die Flasche weiter. Das schmeckte nicht mal so übel. Eigentlich schmeckte man den Alkohol gar nicht. Ich nahm noch einen zweiten Schluck und dann einen dritten. Viel zu schnell war der Becher leer.

»Sie spielen Where You Wanna Be. Sehr cool. Lass uns tanzen«, forderte ich Frazer auf, und ohne auf seinen Protest zu hören, drängelte ich mich zwischen die Tanzenden.

Die Musik vibrierte in jeder Zelle meines Körpers. Jedenfalls fühlte es sich so an. Die Hitze und der Geruch der vielen schwitzenden Menschen taten ihr Übriges. Ich war binnen kurzer Zeit vollkommen benommen. Trotzdem tanzte ich weiter, ließ mich von der Musik forttragen, bis sich alles um mich herum drehte. Jemand reichte mir eine neue Wodka-Cola. Hastig trank ich. Meine Kehle war vollkommen ausgetrocknet.

Frazer nahm mir das Glas aus der Hand. »Ich denke, das reicht.«

»Aber es schmeckt so gut«, widersprach ich und wollte mir mein Getränk zurückholen, doch Frazer hielt es hoch, damit ich nicht herankam.

»Spielverderber«, murrte ich.

»Lass uns mal einen Moment an die frische Luft gehen, damit du wieder einen klaren Kopf bekommst.«

»Okay«, stimmte ich widerwillig zu. In meinem Schädel begann sich ein Karussell zu drehen.

Vor dem Klub setzten wir uns auf eine Bank. Das Karussell beschleunigte sich, als wollte es abheben. Ich lehnte mich an Frazers Schulter.

»Kotz mich bloß nicht voll.«

»Ich gebe mir Mühe.«

Er legte einen Arm um mich und zog mich fester zu sich heran. Es fühlte sich gut an.

»Du musst die Augen auflassen. Gleich wird es besser. Anscheinend verträgst du nicht besonders viel.«

»Keine Ahnung. Bis auf Feenwein habe ich noch nie etwas getrunken, was so merkwürdige Sachen mit mir macht«, murmelte ich.

»Feenwein?« Frazer drehte sich zu mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. »Muss ich mir Sorgen machen? Halluzinierst du nach ein paar Schlückchen Wodka?«

»Du wolltest doch wissen, wer mir das Herz gebrochen hat. Ich verrate es dir, wenn du magst.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Aber du darfst es nie, nie, nie weitersagen. Es ist ein Geheimnis.«

»Ich verspreche es.«

»Du musst es schwören.«

Feierlich hob Frazer drei Finger.

Ich musste kichern. Dann beugte ich mich weiter zu ihm. Er roch wirklich gut. Nicht so gut wie Cassian. Aber gut. Irgendwie herber. Seine Bartstoppeln kratzten an meiner Wange.

»Ich bin in einen Elfen verliebt«, säuselte ich.

Frazers Augen lachten. Er gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. »Du bist süß. Ich kenne kein Mädchen, das noch an Märchen glaubt.«

»Das ist kein Märchen«, protestierte ich und hielt ihm mein Gesicht weiter hin. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung.

»Könntest du mich noch mal küssen? Diesmal richtig?«

»Meinst du das ernst?«

»Jeder Mensch braucht doch ein bisschen Liebe, oder nicht? Es wäre nur, damit ich mich nicht so verlassen fühle.«

»Ein Freundschaftsdienst also?«, hakte er nach.

»So könnte man es nennen.«

Seine Lippen legten sich auf meine. Sanft küsste er mich. Es fühlte sich nicht an wie Cassians Küsse, aber es war nicht übel. Ganz kurz regte sich mein schlechtes Gewissen. Doch warum eigentlich? Sky wollte Frazer nicht, dachte ich zu meiner Verteidigung.

»Besser?«, fragte Frazer und löste sich von mir.

»Ein bisschen. Danke schön.«

»Keine Ursache. Gern wieder.«

Wir grinsten uns an.

Sky trat aus dem Schatten des Gebäudes. »Ich suche dich … euch.« Dann brach sie ab und musterte uns. Wir saßen eindeutig zu eng beieinander, als dass es harmlos ausgesehen hätte.

»Aber ich wollte euch nicht stören.«

»Du störst gar nicht«, fing Frazer sich als Erster. »Ich wollte Eliza nicht allein lassen, sie brauchte ein bisschen frische Luft. Sie ist beschwipst und hat mir erzählt, dass sie in einen Elfen verliebt ist – vielleicht bringst du sie besser nach Hause.«

Sky hatte sich mit ihrem Outfit besonders viel Mühe gegeben. Sie trug ein geblümtes Kleid und hatte das Haar hochgesteckt. »Ich schätze, auf deine Begleitung legt sie mehr wert.« Sie drehte sich um und stakste davon.

»Ich rede mit ihr«, sagte ich zu Frazer, der wie erstarrt neben mir saß. »Mach dir keine Sorgen. Ich kläre das.«

»Da bin ich ja mal gespannt.«

»Wir sehen uns Montag.«

Auf wackligen Beinen lief ich Sky hinterher. »Warte doch«, rief ich. »Es war nicht so, wie es aussah!«

Dummerweise blieb Sky nicht stehen. Sie konnte furchtbar stur sein. Erst vor ihrem Haus holte ich sie ein. Ich war völlig außer Atem, aber wenigstens drehte sich nichts mehr in meinem Kopf.

»Wie war es denn dann?«, fuhr sie mich an.

»Ich bin verzweifelt«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. »Es war nur ein winziger Kuss. Ein Trösterchen.« So hatte mein Dad früher seine Küsse immer betitelt, wenn ich gestürzt war oder mich mit Fynn gestritten hatte, weil er mal wieder etwas viel toller und besser gekonnt hatte als ich.

Skys Mundwinkel zuckten. »Ein Trösterchen?«

Ich nickte.

»Damit du über Cassian hinwegkommst?«

Wieder nickte ich heftig, froh, dass sie mich zu verstehen schien. Leider trat im selben Moment ein Vorschlaghammer in meinem Kopf seinen Dienst an, und ich presste mir die Fingerspitzen an die Schläfen.

»Das ist völlig unlogisch.«

»Nur für dich. Und überhaupt, was stört es dich? Du willst Frazer doch gar nicht«, drehte ich den Spieß um.

Der Ansatz ihres Lächelns verschwand, und Skys Schultern sackten nach vorn. Sie drehte sich weg. »Stimmt«, murmelte sie. »Geht mich nichts an, wenn du mit Herzensbrecher Nummer eins knutschst.«

Sie schloss die Haustür auf und trat ein. Ich drängelte mich hinter ihr durch die Tür. »Das ist es, was dich stört, richtig? Dass du nicht seine erste Freundin wärst. Dass er schon andere Mädchen vor dir hatte.«

»Ja, vielleicht.«

»Vielleicht? Vor mir kannst du es doch ruhig zugeben. Ich bin deine beste Freundin«, erinnerte ich sie.

»Ja, das ist es, was mich stört. Ich möchte keine seiner Trophäen sein. Ich möchte nicht, dass er mir wehtut.«

Wir standen am Fuße der Treppe und schwiegen. Ich wusste genau, wie schwer Sky dieses Geständnis fiel. Normalerweise hielt sie ihre Gefühle sorgfältig unter Verschluss. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass ihre Mutter gestorben war, als sie noch klein gewesen war. Ihr Vater war der zerstreuteste Musikprofessor, den ich kannte (okay, auch der einzige). Sky kümmerte sich mehr um ihn als umgekehrt.

»So einer ist Frazer nicht«, versuchte ich, ihn zu verteidigen. »Ich glaube nicht, dass er dich verletzen würde. Gib ihm einfach eine Chance.«

»Vielleicht würde er es gar nicht mit Absicht tun. Aber er ist so flatterhaft.«

»Flatterhaft?« Ich konnte mir ein lautes Lachen nicht verkneifen. »Wo hast du das Wort her? So was sagt doch heute kein Mensch mehr.«

»Es trifft aber ziemlich gut zu, das musst du zugeben.«

Ich grinste immer noch. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich glaube, er mag dich sehr.«

»Ich denke drüber nach.«

»Das ist immerhin ein Anfang. Kann ich bei dir schlafen? Ich habe keine Lust, noch zurückzufahren.« Ich setzte den Blick auf, von dem ich wusste, dass sie mir bei diesem nichts abschlagen konnte, und tatsächlich lächelte sie zurück.

»Ja klar. Aber schicke deiner Mutter eine Nachricht, sonst macht sie sich Sorgen.«

»Zu Befehl. Hast du was zu essen? Ich habe einen Mordshunger.«

»Das ist der Alkohol.« Skys strafender Blick traf mich, und sie zog mich in die Küche.

»Entschuldige. Kommt nicht wieder vor.« Ich versuchte, meinen Kopf möglichst still zu halten, damit das Klopfen aufhörte.

»Frazer hätte auch ein bisschen besser auf dich aufpassen können.«

»Das kannst du ihm ja am Montag in der Schule sagen«, schlug ich vor.

»Das mache ich.« Sky schob eine vorbereitete Auflaufform mit Makkaroni und Käse in die Mikrowelle. Schon bei dem Anblick lief mir das Wasser im Munde zusammen.

»Brauchst du eine Schmerztablette?« Sie konnte einfach nicht aus ihrer Haut. Ständig musste sie sich um jemanden kümmern. Vorzugsweise um mich oder ihren Vater.

»Wenn du eine hast, gern.« Zerknirscht blickte ich ihr nach, als sie ins Badezimmer ging. »Ich glaube, das war vorerst meine letzte Begegnung mit Alkohol.«

»Besser wäre es.«

Es machte pling, und Sky zog unser Essen heraus. Ich verschlang meine Portion so schnell, dass ich mir prompt den Gaumen verbrannte. Irgendwie war das heute nicht mein Tag. Aber das war ich ja mittlerweile gewohnt.

Später lagen wir nebeneinander in Skys Bett und blickten an die mit Leuchtsternen übersäte Decke. »Spielst du die Isolde?«, fragte ich in die Stille.

»Hhm«, kam die einsilbige Antwort.

Meine Lippen verzogen sich von ganz allein zu einem Lächeln. »Ich wusste von Anfang an, dass du die perfekte Besetzung bist.«

»Hhm.«

Immer noch lächelnd kuschelte ich mich tiefer in die Decken. Sky würde nie zugeben, dass ich recht gehabt hatte. Aber das musste sie auch gar nicht.

3. Kapitel

Willst du ihn denn nicht wiedersehen?«

»Er hätte versuchen müssen, zu mir zu kommen.« Quirin und ich saßen nebeneinander auf der kleinen Lichtung. Meine nackten und seine behaarten Füße baumelten im Wasser des Baches.

Er stieß ein unwilliges Schnauben aus.

»Du redest hier von einem Elfen, Kindchen. Einem besonders störrischen dazu.«

»Aber er hat mich geküsst«, beharrte ich. »Das muss ihm doch etwas bedeutet haben.«

»Soll ich ihn fragen? Du brauchst mich nur zu bitten.«

»Du glaubst es nicht, oder?«, fragte ich zaghaft und zerrupfte eine Blume. »Du glaubst nicht, dass sich ein Elf in mich verlieben könnte.«

»Ich kann nicht in sein Herz sehen«, erwiderte Quirin beinahe sanft. Seine runzlige Stirn wölbte sich über den Augenbrauen, als er darüber nachdachte.

»Bestimmt hat er mich längst vergessen.«

»Glaube ich auch.« Quirin ließ sich nach hinten fallen. Seine klobigen Finger schoben sich zu einem Dreieck zusammen, durch das er in die Sonne blinzelte.

Ich stieß empört die Luft aus. Seine Zustimmung zu meinen trüben Gedanken hatte ich eigentlich nicht gewollt. Eher etwas in der Art: Er heult sich die Augen aus nach dir.

Quirin lachte kurz auf, und ich verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust. Weshalb vergaß ich immer wieder, dass auch Trolle Gedanken lesen konnten? »Larimar will, dass er und Opal sich zusammentun, habe ich recht?«

»Das ist ihre Bedingung, bevor sie ihm sein Augenlicht wiedergibt.« Er zog die Füße aus dem Wasser und schüttelte sie so heftig, dass die Wassertropfen durch die Luft flogen.

Ich duckte mich weg, um einigermaßen trocken zu bleiben. »Diese Ziege schreckt vor nichts zurück.«

»Sie muss sich seiner Loyalität versichern, auch wenn er wieder sehen kann.«

»Dann ist ja alles klar.«

»Willst du nicht, dass er gesund wird?« Er musterte mich aus ernsten, dunklen Augen.

Ich presste die Lippen zusammen und stieß dann meine Antwort hervor. »Mir gefällt der Preis nicht.«

»Du meinst den Preis, den du zahlen musst.«

Ich warf Quirin einen wütenden Blick zu. »Ja, den Preis, den ich zahlen muss.«

»Gewöhn dich lieber dran. Alles hat seinen Preis.«

»Aber ich bekomme gar nichts dafür.« Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten, und schluckte heftig. Auf keinen Fall wollte ich, dass er mich weinen sah und es bei den Elfen herumtratschte.

»Vielleicht seid ihr einfach nicht füreinander bestimmt.« Quirins fleischige Oberlippe verzog sich zu einem Grinsen. »Vielleicht bist du eigentlich für ein ganz anderes magisches Wesen bestimmt. Wir Trolle sind als gute Liebhaber bekannt.« Er reckte sich und streckte seinen krummen Rücken.

Ich schüttelte mich vor Lachen und boxte ihn in die Seite.

»Man wird ja wohl mal träumen dürfen«, sagte er und schob beleidigt das knubbelige Kinn vor.

Eine Weile schwiegen wir und lauschten dem Vogelgezwitscher in den Zweigen. Socke hatte sich zwischen uns zusammengerollt und schlief. Quirin streichelte gedankenverloren sein Fell.

»Warum besuchst du mich eigentlich? Nur weil du dir Sorgen um mich machst?«

»Wer sagt, dass ich mir Sorgen um dich mache?«

Ich legte den Kopf schief und lächelte ihn an. »Das braucht mir niemand zu sagen, ich weiß es.«

»Das war mein erster Grund«, gab er widerwillig zu. »Ich wollte wissen, ob du über ihn hinwegkommst.«

»Ich finde, ich kriege das ganz gut hin. Andere Mädels würden wie ein heulendes Elend in der Ecke hocken, oder?«

»Das würden sie. Ich bin sehr stolz auf dich. Aber eigentlich habe ich gewusst, dass du dieser Elfenmagie widerstehen kannst.«

»Ich gebe mein Bestes.«

»Ich wollte trotzdem sichergehen«, sagte Quirin. »Außerdem hat Jade mich gebeten, nach dir zu sehen.« Verlegen wandte er sich ab, was mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte.

»Warum? Du verschweigst mir doch etwas? Ist etwas mit Sophie? Hat Larimar wieder eine Gemeinheit ausgeheckt?«

Quirin winkte ab. »Sophie geht es gut. Ich glaube nicht, dass Larimar sich trauen würde, ihr etwas zu tun, jetzt, da Raven zurück ist. Es ist etwas anderes, und ich möchte betonen, dass ich dagegen bin.«

»Sag mir schon, worum es geht«, verlangte ich ungeduldig.

Quirin atmete tief ein. »Ich würde dich nicht darum bitten, aber du kennst ja Jade. Sie hat einfach nicht damit aufgehört, bis ich ihr versprochen habe, dich wenigstens zu fragen.«

Ich verdrehte die Augen. »Spann mich nicht so auf die Folter!«

»Du sollst ihr einen Gefallen tun, obwohl ich der Meinung bin, dass man um diesen Gefallen maximal seinen ärgsten Feind bitten darf.«

»Welchen Gefallen sollte ich einer Elfe tun können?« Ich ließ nicht locker.

Quirin schwieg, als würde er mit sich ringen. »Ich rate dir davon ab, damit das klar ist.«

Ich nickte. »Das habe ich verstanden.«

»Du sollst das Orakel von Vibora befragen. Jade will wissen, was mit Elisien passiert ist«, platzte es aus ihm heraus.

»Ich soll was?« Wahrscheinlich hatte ich mich verhört.

»Ein Orakel befragen.« Er sprach ganz langsam, als wäre ich begriffsstutzig.

»Ist das so ein Orakel wie in Delphi bei den alten Griechen? Ich habe meinen Vater vor ein paar Jahren bei seinen Ausgrabungen besucht. Es war toll. Aber leider war niemand mehr da, der mir die Zukunft voraussagen konnte.«

»Ich schätze, dieses Orakel war nur dazu da, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen«, erklärte Quirin hochmütig. »Das Orakel unserer Welt kann in die Vergangenheit und in die Zukunft blicken. Seine Weissagungen treffen immer ein. Viele von uns glauben, dass es besser ist, das Orakel nicht zu befragen. Es gibt Wahrheiten, von denen man besser nie erfährt.«

»Du glaubst, die Prophezeiungen sind selbsterfüllend?«

Quirin nickte langsam. »Wenn du nur darauf wartest, dass etwas passiert, dann geschieht es mit großer Wahrscheinlichkeit auch, und das muss nicht immer gut sein.«

»Aber wir wollen doch etwas wissen, das vor langer Zeit geschehen ist. Was soll schon dabei sein? Das Kind ist doch längst in den Brunnen gefallen. Oder in diesem Fall Elisien.«

»Du kannst vorher nie wissen, was das Orakel dir prophezeit.«

»Okay, verstehe.« Dabei verstand ich nur Bahnhof.

Quirin warf mir einen skeptischen Blick zu. »Wirklich?« Seine Augenbrauen wuchsen in der Mitte beinahe zusammen, so sehr runzelte er die Stirn.

Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist meine Chance, zurückzugehen, oder?«

»Nicht nach Leylin zu den Elfen.«

»Aber zurück in die magische Welt«, beharrte ich.

»Ja. Ich könnte dich mit zurücknehmen.«

»Dann mache ich es.«

»Du bist ein ziemlich dummes Kind.«

Die Beleidigung prallte an mir ab wie an einer Gummiwand. »Ich bin ein ziemlich hilfsbereites Kind. Wenn eine Freundin mich braucht, dann bin ich für sie da. Tadaa.« Ich grinste übers ganze Gesicht und sprang auf. »Wollen wir los?«

»Nicht so hastig. Wir dürfen nichts überstürzen. Bestimmt hast du ein paar Fragen.«

Ich setzte mich wieder, wenn auch widerwillig, und stellte die Frage, die auf der Hand lag. »Warum befragt Jade das Orakel nicht selbst?«

»Wir möchten verhindern, dass Larimar davon erfährt«, erklärte Quirin prompt. »Es wäre ihr nicht recht, wenn sie wüsste, dass Jade immer noch an Elisiens Rückkehr glaubt.«

»Ist das der einzige Grund? Larimar kann ihr doch nicht verbieten nachzuforschen, oder?«

»Nein, das kann sie nicht, noch nicht. Und nein, es ist nicht der einzige Grund.«

»Ich habe alle Zeit der Welt.« Er musste schon mit der Wahrheit herausrücken, wenn ich das Orakel befragen sollte. Noch mal würde ich mich nicht so blauäugig in eine Elfengeschichte verstricken lassen. Aber natürlich würde ich nach jedem Strohhalm greifen, um in die magische Welt zurückzukehren.

»Für Jade wäre es zu gefährlich.«

»Warum?« Ich wurde hellhörig, schließlich waren Elfen doch eigentlich viel toller als Menschen.

»Es gibt gefährliche Wesen dort, die andere magische Geschöpfe sofort wittern. Jade hätte keine Chance.«

»Und mich wittern sie nicht?«, fragte ich skeptisch. Mir war gar nicht aufgefallen, dass Elfen besonders rochen. Bis auf Cassian natürlich.

»Du bist ein Mensch«, sagte Quirin. »Du bist für ihren Geruchssinn sozusagen unsichtbar.«

»Aber sehen könnten sie mich?«, hakte ich nach.

»Du bist heute aber scharfsinnig«, gab er widerstrebend zu.

»Ist das ein Kompliment? Ihr wollt mich doch nicht irgendwelchen Monstern zum Fraß vorwerfen?«

Quirin plusterte sich empört auf und grinste. »Nein. Aber es gibt nur wenige Elfen, denen Jade vertraut, und du bist das einzige nichtmagische Wesen, das sie kennt.«

»Sie vertraut mir?«

»Wundert dich das? Schließlich konnte Larimar dich nicht um den Finger wickeln.«

»Weiß ihr Bruder, was sie vorhat? Ich könnte mir vorstellen, dass er es nicht gut findet.

---ENDE DER LESEPROBE---