FederLeicht. Wie ein Funke von Glück. - Marah Woolf - E-Book

FederLeicht. Wie ein Funke von Glück. E-Book

Marah Woolf

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Beschreibung

"Ich weiß nicht, ob ich das schaffe", flüsterte ich. "Aber ich weiß es", erwiderte Cassian. Erst wenn die drei magischen Siegel endgültig zerstört sind und Damian de Winter besiegt ist, wird Frieden herrschen und der Heilige Baum aus seiner Winterstarre erwachen. Aber Damian flieht in das Verbotene Königreich, und Eliza ist die Einzige, die ihm folgen kann, um das letzte Siegel zurückzuholen. Während die Magische Welt zu verschwinden droht, hat Eliza mit einem ganz neuen Feind zu kämpfen. Wird sie rechtzeitig zurück sein, um die zu retten, die sie liebt? Band 7 und spannendes Finale der Saga von Bestsellerautorin Marah Woolf

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Über die Autorin

Vorwort

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

Epilog

Nachwort

Die Figuren in Band 7

Rückkehr der Engel

Leseprobe

FederLeicht

Wie ein Funke von Glück

Siebtes Buch

Deutsche Erstausgabe Mai 2018

Überarbeitete Ausgabe: August 2018

Copyright © Marah Woolf, Magdeburg

Umschlaggestaltung: Carolin Liepins

Lektorat: Jil Aimée Bayer

Korrektorat: Gisa Marehn

 

 

Alle Rechte, einschließlich die des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

 

Impressum:

IWD Körner, Hasselbachplatz 3, 39124 Magdeburg

[email protected]

Facebook: Marah Woolf

www.marahwoolf.com

Twitter: MondSilberLicht

Instagram: marah_woolf

Pinterest: Marah Woolf/FederLeicht

WhatsApp unter 01621011176 Vermerk News

Über die Autorin

Marah Woolf wurde 1971 in Sachsen-Anhalt geboren, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann, ihren drei Kindern, einer Zwergbartagame, zwei Hasen und Kater Popcorn lebt. Sie studierte Geschichte und Politik und erfüllte sich mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans 2011 einen großen Traum. Mittlerweile sind die MondLichtSaga, die BookLessSaga, die FederLeichtSaga sowie die GötterFunkeSaga vollständig erschienen. Im Herbst 2018 beginnt mit Rückkehr der Engel ein neues Fantasyabenteuer.

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Für euch

Lasst eurer Fantasie Flügel wachsen,

streut Glitzer drauf und teilt sie mit jedem,

egal ob groß, klein, dick, dünn oder anders.

Traut euch – seid bunt!

Schnee sinkt zur Erde federleicht,

ein Ort durch die Kugel dem anderen weicht.

 

Uhr, die Zeit verstummen lässt,

Vergangenes – es wird um Fest.

 

Flöte jeden Wunsch erfüllt,

Unglück sich in Schweigen hüllt.

 

Spiegel nichts vor dir verbirgt,

Lüge keinen Zauber wirkt.

 

Zauberkraft in der Feder sitzt,

nützt nur dem, der sie besitzt.

 

Ring dich jederzeit versteckt,

bestimme selbst, wer dich entdeckt.

 

Schlüssel immer dich beschützt,

wenn vorsichtig du ihn benützt.

Prolog

Es ist aber auch verflixt. So viele Missverständnisse. So viele Geheimnisse. Wenn ich bloß wüsste, wie ich Eliza und Cassian helfen könnte. Aber erst mal musste Eliza aufwachen. Sie wusste nichts von der Dummheit, die Rubin begangen hatte, und es würde sie wahnsinnig machen, sobald sie davon erfuhr. Bestimmt gab sie sich die Schuld an Soleas Schicksal. Am liebsten würde ich Eliza irgendwo verstecken, sie aus der Schusslinie schaffen. Larimar heckte doch wieder etwas aus, was das Mädchen in Gefahr brachte. Andererseits hatte sie Angst um ihren Sohn, das verstand ich auch wieder. Es war zum Verrücktwerden, und leider hing das Schicksal unserer Welt an einem seidenen Faden. Oder, besser gesagt, an diesem Mädchen mit einem grünen und einem blauen Auge. Hätte ich damals Morgaine nur besser zugehört, vielleicht hätten wir diese ganze Geschichte verhindern können. Aber wer in der Magischen Welt hörte schon auf eine Fee und einen Troll? Niemand!

1. Kapitel

Das Erste, was ich sah, war ein helles Licht. Es funkelte und glitzerte und kroch auf mich zu. Dann hörte ich Schreie, ein Brüllen und ein schrilles Lachen. Ich zuckte zurück und bäumte mich gleichzeitig auf. Messer bohrten sich in meinen Körper, und Wasser tröpfelte zwischen meinen Lippen hervor. Es schmeckte nach Honig. Ich schlug um mich, wurde in weiche Kissen gedrückt und sog einen vertrauten Duft ein. Die Schmerzen verschwanden, genau wie die Schreie. Zurück blieb nur das Licht. Es wies mir den Weg in einen Tunnel. Ich sollte hineingehen, doch ein vertrautes Flüstern hielt mich davon ab, ihn zu betreten. Wächterschmetterlinge flatterten auf mich zu. Ihre großen Augen musterten mich besorgt, und ihre Flügel streichelten über mein Gesicht.

»Bleib bei mir«, hörte ich eine Stimme, wie ein Mantra immer und immer wieder. Regenbogenfarben wirbelten durch meinen Kopf. Jemand hielt mich fest, und ich begann um mich zu schlagen. »Alles wird gut. Es ist bald vorbei.« Ich erkannte die Stimme. Es war Cassian. Ich vergrub das Gesicht in seiner Brust und schluchzte. Ich hatte ihn fortgeschickt, was tat er noch hier?

Wieder und wieder gab er mir zu trinken, hielt mich, streichelte mich, flüsterte Worte in mein Ohr, die ich nicht verstand, bis das Licht erlosch, die Farben verschwanden und es dunkel um mich herum wurde.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte, aber als ich aufwachte, war der Raum in sanftes Kerzenlicht getaucht. Eine von Viboras Novizinnen saß auf einem Stuhl neben mir und stickte. Kein Cassian. Hatte ich nur geträumt, dass er bei mir geblieben war? Die Erinnerungen kamen mit voller Wucht zurück. Der Stab hatte sich gewehrt. Die Magier hatten uns verfolgt, und dieser Baumdämon hatte unsere Flucht vereitelt. Solea hatte sich geopfert, damit ich fliehen konnte. Sie hatte sich Damians Gnade ausgeliefert, ohne zu wissen, dass dieser Mann kein Herz besaß. Er würde sie foltern, um ihr jede auch noch so kleine Information über den Verbleib der Siegel zu entlocken. Ich krümmte mich unter der Decke zusammen. Die Schreie, die ich in meinem Traum gehört hatte – ob das ihre gewesen waren? Cassian hatte mich gewarnt, aber ich hatte nicht auf ihn hören wollen. Ich hatte ihn weggeschickt. Wenn er mitgekommen wäre, wenn er uns begleitet hätte, vielleicht hätte er uns dann helfen können. Ich musste wissen, was mit Solea geschehen war. Sie durfte nicht tot sein.

»Du bist wach.« Die Novizin ließ ihre Stickarbeit sinken, beugte sich vor und musterte mich aufmerksam. »Wie fühlst du dich?«

»Ich habe Durst«, flüsterte ich, weil meine Lippen so trocken waren, dass ich befürchtete, sie würden aufreißen, wenn ich den Mund weiter aufmachte.

Das Mädchen lächelte, half mir dabei, mich aufzurichten, und hielt mir einen Becher an die Lippen. Hastig schluckte

ich das kalte, süßliche Getränk und ließ mich zurück in die Kissen fallen. »Wie lange habe ich geschlafen?« Ich fragte nicht, wo Cassian war.

»Zwei Wochen. Elisien hat auf Rubins Bitten hin Kiovar verständigt, und er hat dich in einen künstlichen Schlaf versetzt, damit die Schmerzen nicht zu stark sind und die Wunden vollständig verheilen können«, erklärte sie. »Du warst sehr krank. Die Berührungen eines Baumdämons sind für Menschen äußerst giftig.«

»Zwei Wochen?« Ich stöhnte verzweifelt auf. »Was ist mit Solea? Ist sie hier? Konntet ihr sie retten?«, krächzte ich. Wie hatten sie mich zwei Wochen lang betäuben können, während meine Freundin in Damians Gewalt war? Ich hätte sie retten müssen. Ich hätte irgendwas tun müssen. Lebte sie überhaupt noch? Hatten die Elfen sie befreit? Hoffnung regte sich in mir. »Wo ist Rubin? Ich muss mit ihm reden.«

Das Mädchen stand auf. »Ich gebe Larimar Bescheid, dass du wach bist. Sie wird dir erklären, was nach deiner Rückkehr passiert ist.«

Ich schloss die Augen, als die Novizin die Hütte verließ. Ich legte weder auf Larimars Anwesenheit gesteigerten Wert noch auf ihre Vorwürfe. Die machte ich mir selbst bereits zur Genüge. Ich versuchte, mich aufzurichten, aber meine Verletzungen hatten mich geschwächt. Es gelang mir kaum, mich auf die Arme zu stützen. Ich wollte nach Hause zu Mum und Granny. Ich musste wissen, wie es Sky ging. Ich musste Solea … Bestimmt hatte Rubin sie gerettet. Er musste sie da rausgeholt haben. Ich biss mir auf die Lippen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Weinen konnte ich später immer noch.

Der Vorhang, der den Eingang verschloss, wurde zur Seite geschoben, und Nadia lugte herein. Wenigstens ihr ging es gut. Immerhin sie hatte ich vor ihrem dämonischen Vater gerettet. Ich hatte nicht alles falsch gemacht. Als ich mir ein Lächeln abrang, kam sie zu mir. Ich wusste nicht, ob ich damit leben konnte, wenn Solea etwas zustieß oder bereits zugestoßen war. Wenn sie sterben würde. Ich presste die Augen fest zusammen. Nadia hatte genug durchgemacht, sie musste meine Tränen nicht sehen. Wortlos setzte die Kleine sich neben mich aufs Bett und baumelte mit den dünnen Beinen. Ich wünschte, ich wäre noch mal so jung wie sie und könnte mit Sky und Fynn unser Haus unsicher machen, Mum Cookies klauen und mich in Grannys Zimmer verstecken, wenn sie ihren Freundinnen die Karten legte oder Séancen abhielt. Ich hatte mich immer halb zu Tode gegruselt, wenn sie einen Geist beschwor, aber es war einfach zu spannend gewesen, um es sein zu lassen. Heute wünschte ich, ich könnte so einfach wie damals aus dem Zimmer schleichen und diese Sache hinter mir lassen. Ich strich Nadia übers Haar. Ich sollte nicht jammern, sie hatte es viel schwerer als ich. Immerhin hatte ich meine Familie, auch wenn ich mit meiner Dummheit alle in Gefahr gebracht hatte. Ich wünschte, ich könnte mit Nadia reden und ihr Trost spenden. Sie griff nach meiner Hand und streichelte sie. Der Gefühlssturm in mir flaute ab. Ich wurde ruhiger, und ein Gedanke manifestierte sich in meinem Kopf. Alles wird gut.

Erstaunt blickte ich Nadia in die Augen, und die Kleine nickte wie zur Bestätigung.

»Wie hast du das gemacht?«, fragte ich flüsternd, aber als Antwort legte sie nur den Kopf schief und hielt weiter meine Hand.

Quirin hatte behauptet, sie hätte eine gelbe Aura. Hing ihre Gabe, meine Gefühle zu beeinflussen und in Gedanken mit mir zu kommunizieren, damit zusammen? Ihr Vater war ein Magier. Irgendwelche Fähigkeiten musste sie haben.

Wieder öffnete sich der Vorhang, und Larimar kam herein. Als sie Nadia sah, stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Die Kleine hüpfte zu ihr und umarmte sie, bevor sie uns allein ließ.

»Wie fühlst du dich?«, fragte Larimar, trat näher und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Das Lächeln verblasste, und ich erkannte zwei Furchen, die von ihren Nasenflügeln zu den Mundwinkeln führten. Die zwei Wochen waren nicht spurlos an ihr vorbeigegangen.

»Es geht.« Ich hatte keine Zeit für Small Talk. »Was ist geschehen, während ich krank war? Ist es Rubin gelungen, Solea zurückzubringen?« Ich wollte endlich Antworten.

Larimar lachte hart auf. »Das war seine naive Hoffnung. Hat er tatsächlich geglaubt, sein Vater würde sein bestes Druckmittel einfach gehen lassen?« Aufgebracht sprang sie auf und begann hin und her zu laufen. »Rubin ist, ohne sich mit jemandem zu besprechen, zurück ins Dorf der Magier gegangen. Er hat sich zum Austausch angeboten. Jetzt weiß Damian, wie er ihn zwingen kann, ihm zu folgen. Hat er gar nichts gelernt? Victors Schicksal hätte ihm eine Lehre sein müssen. Er hat immer noch nicht begriffen, mit wem er es zu tun hat. Damian ist der Teufel in Menschengestalt. Er wird jedes seiner Kinder opfern, wenn es ihm nützt.«

Ich hasste es, wenn sie in diesem Tonfall von ihrem Sohn sprach. »Was hätte er denn deiner Meinung nach tun sollen?«, fauchte ich sie an. »Herumsitzen und Däumchen drehen, wie Cassian es getan hat? Rubin musste Solea helfen. Sie hat sich für uns alle geopfert, nicht nur für mich.« Die gerade erst erlangte Ruhe verschwand, und Wut flammte in mir auf.

»Er hätte sich immerhin mit uns absprechen können, anstatt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu verschwinden. Die Königin braucht ihn in ihrem Heer. Sie rüstet zum Krieg auf. Sein Platz wäre an ihrer Seite gewesen. Er wird eines Tages über unser Volk herrschen, da darf er nicht zuerst an sich denken.«

Das hatte er ja auch nicht getan. Ich winkte ab. Larimar würde nie verstehen, dass Freundschaft manchmal wichtiger war als die Loyalität einer Königin gegenüber. »Er glaubt eben, besser zu wissen, was richtig und was falsch ist. Das erinnert mich an eine gewisse Hohepriesterin, die das auch mal gedacht hat.«

Larimar funkelte mich an, bevor sich ihre Lippen zu einem traurigen Lächeln verzogen und sie sich wieder setzte. »Die Runde geht an dich. Ich ertrage es nicht, mir vorzustellen, was Damian ihm antut, um ihn zu brechen.«

»Warum seid ihr ihm nicht gefolgt? Warum holt ihr ihn dann nicht dort heraus? Weshalb zwingt der Große Rat Damian nicht, die beiden gehen zu lassen? Ihr könnt das doch nicht einfach hinnehmen.«

»Der Rat ist beinahe machtlos. Sie bereden nur noch unwichtiges Zeug. Die Mitglieder schlottern vor Angst. Und wir kommen nicht in dieses verdammte Dorf. Das Siegel des Nangur widersteht jedem Zauber, den Merlin anwendet. Die Barriere ist zu stark.«

Das hatte ich für einen Moment tatsächlich vergessen. Wenn ich den Stab mit zurückgebracht hätte, könnte er sich nicht mehr in diesem verdammten Dorf verstecken. Ich hatte auf ganzer Linie versagt. Ich hatte Solea verraten und meine Aufgabe nicht erfüllt.

»Vermutlich lässt er Rubin foltern, während er im Großen Rat ein und aus geht, die Mitglieder unter Druck setzt, sie einschüchtert und manipuliert.«

»Wissen die Ratsmitglieder, dass er Solea und Rubin gefangen hält?«

»Elisien hat Klage gegen ihn eingereicht, konnte aber keine Beweise vorlegen. Außerdem ist Rubin sein Sohn und Solea nur eine Strauchfaunin. Die Faune haben sich der Klage nicht angeschlossen, und daraufhin haben die Ratsmitglieder sich geweigert, die Vorwürfe überhaupt zu untersuchen. Niemand will seinen Zorn auf sich ziehen. Alle haben sie weiche Knie bekommen.« Verachtung schwang in ihren Worten mit. »Es verschwinden immer mehr Personen, die sich öffentlich gegen den zunehmenden Einfluss der Magier ausgesprochen haben.« Sie legte mir eine Ausgabe des Haruspex auf das Bett, die sie in der Hand gehalten hatte. Ich würde ihn nachher anschauen.

»Ich könnte gegen ihn aussagen«, schlug ich vor. »Ich könnte dem Rat erzählen, was passiert ist.«

»Mach dich nicht lächerlich. Du bist vom Rat verurteilt worden und wurdest verbannt. Streng genommen dürftest du nicht mal hier sein. Keiner wird dir glauben, und zu allem Überfluss bist du ein Mensch. Im Übrigen gelten Baumdämonen als längst ausgerottet. Wenn du diese Geschichte erzählst, werden sie dich auslachen.«

Das Wort Mensch klang aus ihrem Mund besonders beleidigend. Sie würde immer eine arrogante Kuh bleiben. Aber es half alles nichts, wir mussten uns nicht mögen, um zusammenzuarbeiten. »Was schlägst du also vor?«, fragte ich erschöpft. »Wenn wir nicht mal in sein Dorf gelangen, haben wir wohl kaum viele Möglichkeiten.« Außerdem durfte Elisien keinen Krieg mit Damian vom Zaun brechen. Es würden nur noch mehr Unschuldige sterben. Es musste einen anderen Weg geben.

»Wir werden ihn aus seinem Unterschlupf herauslocken und die Magier mit ihren eigenen Waffen schlagen«, erklärte Larimar. »Es gibt etwas, dem Damian nicht widerstehen kann.«

»Und was soll das bitte sein?« Eine dunkle Vorahnung beschlich mich.

»Das Siegel der Wanguun«, verkündete sie. »Wir werden ihn mit dem Siegel aus dem Dorf locken.«

»Auf keinen Fall«, protestierte ich. »Das Siegel ist bei Emma und Calum gut aufgehoben. Und zwar so lange, bis es ein für alle Mal unschädlich gemacht werden kann. Wir dürfen nicht riskieren, dass es ihm in die Hände fällt.«

»Es ist die einzige Möglichkeit, das Dorf der Magier sichtbar zu machen.« Sie legte eine kunstvolle Pause ein. »Wenn du die Schatulle öffnest, werden die Magier ihrer Kraft nicht widerstehen können. Sie werden herausgekrochen kommen, und dann können wir gegen sie kämpfen und Rubin und Solea befreien«, erklärte Larimar. »Sobald das Dorf sich manifestiert, werden wir mit einer Armee einmarschieren und Damian stellen.«

»Das ist genauso eine tolle Idee, wie unsichtbar mit Solea in das Dorf zu gehen, um den Stab zu stehlen. Wir wissen beide, wie das ausgegangen ist.« Ich erinnerte mich zurück, wie in der Nacht, in der ich das Siegel hatte vernichten wollen, die Sigille verbrannt war, die sich im Inneren des Kästchens befand. Es schien ewig her zu sein. So viel war seitdem geschehen. In jener Nacht hatte Damian meinen Vater gefangen genommen, und wenn Cassian nicht gewesen wäre, hätte er auch mich gekriegt. »Könnte es sein, dass dein Hass dich gegen die Gefahr, die er tatsächlich darstellt, blind macht? Wieso sollte er auf so etwas Dummes hereinfallen?«

Es war schummerig in der Hütte, aber ich bildete mir ein, Verlegenheit in Larimars Gesicht zu sehen. »Das Siegel der Wanguun strebt danach, einen Magier zu finden, dem es seine Macht überlassen kann. Wenn wir es an einen Ort bringen, an dem so viele Magier versammelt sind, werden sie dem Ruf des Siegels nicht widerstehen können und ihm Folge leisten. Sie werden versuchen, es in ihre Hände zu bekommen. Und ich glaube nicht, dass der Stab des Nangur genug Kraft besitzt, um das Dorf dann noch abzuschirmen. Sie werden herauskommen, um es in ihre Finger zu kriegen.«

Darüber musste ich nachdenken. »Was, wenn er genau damit rechnet? Wenn er nur darauf wartet, dass wir das tun?« Was hätten wir einer Horde schwarzer Magier entgegenzusetzen? Damian war jetzt schon zu mächtig.

»Dieses Risiko müssen wir eingehen. Sobald der Rat zugibt, dass Damian meinen Sohn und eine Faunin unrechtmäßig gefangen hält, werden sie ihn und seine Meute wieder aus dem Rat werfen. Dann ist er vogelfrei, und wir können ihn jagen. Deine Verbannung wird aufgehoben werden.«

Verlockende Vorstellung. »Warum gibt es so viele Ratsmitglieder, die ihn schützen? Ist es wirklich nur ihre Angst?«

»Nein, aber genau wie ihr Menschen es seid, so sind auch magische Geschöpfe dazu bereit, einen unterschiedlich hohen Preis für ihren Frieden zu bezahlen. Der Sieg gegen die Undinen kam uns teuer zu stehen. Niemand von uns wollte oder will so schnell zurück auf ein Schlachtfeld. Wir hätten wissen müssen, dass das Böse noch nicht besiegt ist. Aber gerade deswegen müssen wir Damian vernichten. Wir dürfen ihm keine Verschnaufpause gewähren.«

Von dieser Frau wollte ich wirklich nicht gehasst werden, mir reichte es schon, dass sie mich nicht leiden konnte. »Das klingt mir ein wenig zu einfach.« Noch mal würde ich nicht auf einen ihrer unausgegorenen Pläne hereinfallen.

»Einfach ist an diesem Plan gar nichts, keine Sorge.« Sie blickte mich durchdringend an. »Bist du damit einverstanden?«

Fragte sie mich wirklich nach meiner Meinung? »Was, wenn ich Nein sage? Würde es deine Pläne ändern?«

Larimar seufzte. »Nein, aber du bist die Einzige, die Emma und Calum bitten kann, das Siegel zurückzubringen. Auf unsere Nachrichten haben sie nicht reagiert. Die Shellycoats haben sich vollkommen zurückgezogen. Wir können sie nicht mehr erreichen.«

»Ich kann nicht besonders gut schwimmen, falls du gedacht hast, ich mache mich auf die Suche nach Berengar.«

»Stell dich nicht dümmer an, als du bist.« Sie beugte sich zu mir und senkte ihre Stimme. »Du musst mit Joel sprechen, er wird wissen, wie er Calum benachrichtigen kann. Calum wird das Siegel nur dir persönlich anvertrauen.«

»Aber Joel versteckt sich doch irgendwo mit Jade«, erinnerte ich sie. Mein Gott, war das verzwickt. In meinen Schläfen begann es zu pochen, aber ich musste mich konzentrieren. Joel suchen, Siegel zurückbringen, Dorf sichtbar machen, Damian zur Strecke bringen, Rubin und Solea befreien. Die Aufgaben kamen mir schier unlösbar vor. Meine Hände fingen an zu zittern. Es musste etwas geben, was ich tun konnte. Damian hatte Victor grausam verprügeln lassen, damit dieser tat, was sein Vater von ihm verlangte. Rubin hatte sich gegen ihn gestellt. Ich konnte mir eine Strafe für dieses Vergehen nicht mal in meinem schlimmsten Albtraum vorstellen.

Larimar strich mir über die Hand. »Du kannst das schaffen«, erklärte sie unerwarteterweise tröstend. »Du bist das stärkste und tapferste Mädchen, das ich je kennengelernt habe.«

Okay. Ich musste noch träumen. Die Larimar, die ich kannte, würde mir nie ein Kompliment machen. »Du weißt, wo ich Joel finden kann, oder?« So richtig glauben konnte ich immer noch nicht, dass er und Jade miteinander durchgebrannt waren.

»Ja, ich weiß es«, sagte Larimar langsam und musterte mich eindringlich. »Eins von Kadirs Einhörnern wird dich zu ihm bringen.«

»Weshalb weißt du, wo er sich versteckt hält?« Ich schüttelte den Kopf, was nur zu noch mehr Schmerzen führte. »Weshalb hast du es Elisien nicht gesagt?« Woher bezog sie bloß all ihre Informationen? Selbst wenn ich noch so eindringlich fragte, würde sie es nicht preisgeben.

»Das war bisher nicht notwendig. Dort, wo Joel und Jade sich verstecken, ist sie wenigstens sicher. Nicht auszudenken, wenn Damian an ihr Kind herankäme.«

»Dann ist Jade wirklich von Joel schwanger?«, fragte ich erstaunt.

»Ihre Mutter hat auch nichts anbrennen lassen«, bemerkte Larimar spitz. »Sie ging mit mir und Elisien zusammen nach Avallach. Sie hätte jeden Elfen haben können und wählte ausgerechnet meinen Bruder, der ihr nicht widerstehen konnte.«

Die falsche Schlange war zurück. Selbst jetzt musste sie ihr Gift verspritzen.

Ich wünschte, ich könnte mit jemand anders über ihre Pläne sprechen. Aber Rubin war fort, Cassian wäre sowieso gegen alles, der Weg zu Elisien war mir versperrt. Blieben Kadir und Perikles. »Wann soll ich aufbrechen?« Ich setzte mich vorsichtig auf. Die Welt schwankte noch etwas, aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen.

»Willst du gar nicht wissen, wo Cassian ist? Warum er nicht an deinem Bett wacht? Was er von der Idee hält?« Offensichtlich verwunderte sie mein schnelles Einlenken.

Ich zog mich an einem Bettpfosten weiter nach oben. »Nicht viel, schätze ich«, sagte ich leise. »Es ist besser, wenn jeder von uns das tut, was er für richtig hält. Ich werde Solea nicht im Stich lassen.« Wenn sie in Damians Gefangenschaft starb, würde ich mir das nie verzeihen, und wenn das Siegel unsere einzige Chance war, sie da rauszuholen, würde ich nicht zögern.

»Er liebt dich, das weißt du doch, oder?«

Die Frau machte mich schwach. Ich hätte niemals gedacht, dass unsere Beziehung sie interessierte. Ich wankte durch den Raum und lehnte mich an den Türrahmen. Plötzlich brauchte ich dringend frische Luft. Ich durfte nicht an ihn denken. Nicht darüber nachdenken, wie sehr ich wünschte, er wäre bei mir. Nicht darüber nachdenken, dass ich womöglich diejenige gewesen war, die einen Fehler gemacht hatte. Immerhin hatte er uns gewarnt, und ich hatte trotzdem Soleas Leben aufs Spiel gesetzt.

Ich schob den Türvorhang zur Seite. Die Sonne blendete mich. Novizinnen eilten geschäftig über die Hängebrücken zwischen den Bäumen. »Ich weiß«, antwortete ich mit einiger Verzögerung.

Larimar seufzte. »Wenn du auch nur etwas nach deiner Großmutter kommst, verstehe ich, weshalb Eldorin sich in sie verliebt hat. Ihr seid so ganz anders als die zahmen Elfenmädchen.«

»Du kamst mir nie sonderlich zahm vor, und Raven und Jade auch nicht.« Jetzt drehte ich mich doch wieder zu ihr um.

»Und sieh, in was für Männer wir uns verliebt haben. Raven in einen Menschen, Jade in einen Shellycoat und ich in einen Zauberer.« Sie lächelte wehmütig. »Wobei ich den größten Fehler gemacht habe. Ich hätte erkennen müssen, wie ehrgeizig er war.«

»Hast du ihn eigentlich sehr geliebt?«, fragte ich und kniff die Augen zusammen, als ich zurück in den schummrigen Raum blickte, wo sie immer noch saß. Oder liebte sie ihn immer noch? Egal, was er ihr angetan hatte? Cassian hatte mich belogen und alleingelassen, als ich ihn am meisten brauchte, und trotzdem würde ich für ihn sterben. Es tat schon weh, nur an ihn zu denken. Andererseits hatte er nur Angst um mich gehabt. Ob er mir verzieh, wenn ich mich entschuldigte? Was, wenn nicht? Hatte ich ihn möglicherweise endgültig verloren? War ihm klargeworden, dass es für uns keine Zukunft gab? Ich wusste nicht, wie ich ohne ihn leben sollte. Bestimmt verblassten diese Gefühle mit den Jahren, aber gingen sie jemals wirklich weg? Hingen Mädchen nicht für immer an ihrer ersten großen Liebe? Ich hoffte nicht, weil es einfach zu wehtat, darüber nachzudenken, was ich verloren hatte.

»Ich habe ihn mehr geliebt als mein Leben«, erklärte Larimar mit fester Stimme, stand auf und kam zu mir. »Und ich weigere mich, es zu bereuen. Die Liebe ist etwas Wunderbares, und ich wünsche meinem Sohn nichts mehr, als dass er dieses Wunder ebenfalls erlebt. Aber manchmal ist Liebe eben falsch, sosehr wir uns auch wünschen, es wäre anders. Ich hätte alles dafür getan, dass Damian mich liebt. Ich hätte den Mond und die Sterne vom Himmel geholt. Ich habe mich selbst und meine Familie verraten für diese Liebe, und das ist das Einzige, was man auch für die Liebe nie tun sollte.«

Die Leidenschaft, mit der sie diese Worte aussprach, erschreckte mich fast.

»Er hat mir alles genommen«, setzte sie fort. »Du musst keine Angst haben, dass ich mit Damian noch unter einer Decke stecke. Ich werde ihn töten, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme. Oder er mich. Darüber mache ich mir keine Illusionen. Ich jage ihn seit Jahren, und das weiß er.«

Ich wollte noch etwas sagen, aber sie wiegelte mit einer Handbewegung ab. »Selbst wenn du deine Gedanken vor mir verbirgst, Eliza, ich sehe in deinem Gesicht, was du denkst, und es ist sehr klug von dir, misstrauisch zu sein. Wir werden ihn gemeinsam zur Strecke bringen, dafür müssen wir uns nicht mögen, wir müssen nur zusammen, Seite an Seite kämpfen. Bist du dazu bereit?«

Ich nickte, und ein selten offenes Lächeln breitete sich auf Larimars Gesicht aus. »Dann lass uns meinen Sohn befreien.«

»Und Solea«, erinnerte ich sie an meine Freundin.

Larimar nickte. »Natürlich. Auch die kleine, tapfere Faunin. Geht es dir dafür wirklich gut genug?«

Ich hob eine Augenbraue. Seit wann nahm sie darauf Rücksicht?

»Bestens«, bestimmte sie dann, ohne zu zögern. »Wir

haben keine Zeit mehr, noch länger zu warten. Eine Novizin wird dir etwas bringen, was dich stärkt, du scheinst mir noch ein bisschen wacklig auf den Beinen. Ihr Menschen braucht wirklich ewig, um zu heilen.«

»Noch einer unserer Makel«, gab ich zurück. »Für den ich mich nicht entschuldigen werde.«

Unsere Blicke trafen sich, und wir lächelten uns an. »Das musst du auch gar nicht. Wenn ihr Menschen euch für sämtliche eurer Fehler entschuldigen wolltet, würde es bis in alle Ewigkeit dauern.« Dieses Mal musste ich sogar richtig lachen, und es fühlte sich erstaunlich gut an.

»Ich möchte deinen Plan mit Kadir besprechen«, erklärte ich. »Ich will eine zweite Meinung.«

»Tu, was du nicht lassen kannst. Trink deine Medizin und schlaf noch ein bisschen, danach wirst du bereit sein.«

2. Kapitel

Am Nachmittag brachte Perikles mich zu Kadir. Wie Larimar prophezeit hatte, fühlte ich mich bereit. Von meinen Verletzungen, die mich zwei Wochen außer Gefecht gesetzt hatten, war nichts mehr zu spüren. Der Trank, den mir die Novizin verabreicht hatte, war zwar ekelhaft gewesen, hatte aber Wunder gewirkt. In meiner Welt hätte es vermutlich Wochen gedauert, bis ich wieder bei Kräften gewesen wäre. Wir durften nicht länger warten. Zwei Wochen erschienen mir wie eine Ewigkeit. Keiner von uns wusste, was Damian seinem Sohn und Solea in dieser Zeit angetan hatte.

Der Waldboden knirschte unter meinen Füßen. Es roch nach Harz und wilden Kräutern, und ich sog den Duft tief in meine Lungen, um den beißenden Geruch der Medizin zu vertreiben, der noch immer in meiner Nase saß. Schon von Weitem hörte ich das Klirren der Waffen. »Die Zentauren trainieren?«, fragte ich.

»Wir rüsten für den Krieg.« Perikles beobachtete aufmerksam die Umgebung. Rechnete er hier im Wald mit Feinden?

»So weit kommt es hoffentlich nicht. Wenn wir Damian gefangen genommen haben, werden seine Anhänger sich doch zerstreuen, oder?«

Perikles wich meinem Blick aus. Erst jetzt fiel mir auf, wie angespannt er wirkte. »Ich glaube nicht, dass es so einfach wird, aber ich will dich deiner Illusion auch nicht berauben. Vielleicht hast du recht. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.« Solche Floskeln hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

Wir traten zwischen den Bäumen hervor, und unter uns breitete sich das Tal der Einhörner aus. Mehrere Zentauren kämpften Mann gegen Mann. Ein paar übten Bogenschießen, und dann erblickte ich Cassian, der zwischen zwei Zentauren herumwirbelte. Er bewegte sich so schnell, dass ich ihm kaum folgen konnte. Nur die drei Schwerter der Kämpfenden erkannte ich überdeutlich. »Was tut er da?«

»Er trainiert«, seufzte Perikles. »Eigentlich hatte ich ihm gesagt, dass ich dich heute herbringe. Ich dachte, er wäre so vernünftig, eine Pause zu machen.«

»Wofür trainiert er?« Meine Stimme überschlug sich, als das Schwert eines der beiden Zentauren knapp seine Kehle verfehlte.

»Für den Krieg, in den er ziehen wird. Wie wir alle. Dachtest du, er bleibt am Herd hocken?« Perikles pfiff anerkennend durch die Zähne, als Cassian ein waghalsiges Manöver vollführte, das ihn auf die Rückseite seiner Angreifer beförderte. »Er war ziemlich eingerostet. Aber ich wusste, dass er nicht lange brauchen würde, um wieder in Form zu kommen. Wir kämpften das ein oder andere Mal gemeinsam gegen die Undinen, besser gesagt gegen die Männer, die von den Undinen besetzt waren. Er war Elisiens bester Krieger. Sie hat ihn nur sehr ungern aus der Armee entlassen.«

»Du darfst das trotzdem nicht erlauben«, presste ich hervor. »Keiner deiner Männer würde ihn ernstlich verletzen, aber bestimmt nimmt kein Magier Rücksicht auf seine Blindheit. Sie werden sich auf ihn stürzen. Er wird ein leichtes Opfer für sie sein.« Ich wollte nicht hinsehen, aber ich konnte nicht anders. Meine Fingernägel gruben sich in meine Handflächen, damit ich nicht jedes Mal aufstöhnte, wenn ihm eine Klinge zu nahe kam. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht und den nackten Oberkörper. Aber seine Arme zitterten kein bisschen. Irgendwann gab einer der Zentauren erschöpft auf, während der andere nur heftiger auf ihn eindrang.

»Sieh genau hin, Eliza«, forderte Perikles. »Niemand nimmt da unten Rücksicht auf ihn. Er kann sich sehr gut selbst verteidigen. Ich wäre lieber nicht der Magier, der ihm in die Quere kommt.«

Das interessierte mich nicht. »Es ist trotzdem nicht richtig«, murmelte ich. »Wie lange kämpft er denn da schon? Wenn er müde wird, verletzt ihn doch noch einer deiner Männer. Du musst ihnen sagen, dass er eine Pause braucht.«

Perikles lachte leise und setzte sich wieder in Bewegung. »Er wird nicht müde. Das ist ja das Faszinierende an diesem sturen Elfen. Seine Wut verleiht ihm schier unmögliche Kräfte. Er kämpft und kämpft und kämpft. Wir sollten Kadir nicht länger warten lassen.«

»Aber wie macht er das überhaupt? Ich meine, er ist blind.«

»Er ist in erster Linie ein Elf. Er sieht anders als wir. Ich frage mich nur, ob ihm das bisher bewusst war, oder ob er gerade erst anfängt, es zu begreifen.«

»Was meinst du damit?«

Perikles zerrupfte gedankenverloren ein Blatt. »Sehen tun wir immer nur die Oberfläche, nicht wahr? Immer nur das, was wir sehen wollen. Er hat seine Blindheit immer als Makel empfunden und sich nie wirklich damit arrangiert. Alles, was er tut, ist nur auf das Ziel ausgerichtet, sein Augenlicht wiederzubekommen.«

Das wusste ich nur allzu gut. Ich musste an Mums Lieblingsbuch denken. »Man sieht nur mit dem Herzen gut«, zitierte ich leise aus Der kleine Prinz. Diesen Spruch hatte ich bisher immer ziemlich flach gefunden, aber Mum liebte hohle Sinnsprüche. Cassians Herz hatte meine Liebe nicht genügt.

»So ist es«, bestätigte Perikles. »Aber es ist schwer, allein unserem Herzen zu vertrauen oder unserem Geist. Was, wenn er nie wieder sehen wird? Was, wenn er das irgendwann begreift?«

Die Antwort darauf wollte ich gar nicht wissen. Nur mit Mühe wandte ich mich ab. Cassian hatte sein Haar zu einem Zopf gebunden. Seine Haut war braun gebrannt und sein Körper deutlich muskulöser als noch vor ein paar Wochen. »Es geht ihm offenbar gut.« Ich versuchte, weder wütend noch traurig zu sein. Das hier war seine Welt, hier musste er leben.

»So gut es einem verstoßenen Elfen eben gehen kann. Ich denke, er vermisst Leylin.«

Leylin! Nicht mich. Ob er mit Perikles geredet hatte? Vermutlich nicht, die beiden waren nie Freunde gewesen. Sie akzeptierten einander eher widerwillig. Es ging mich nichts mehr an. Er ging mich nichts mehr an. Wenn ich mir das oft genug sagte, glaubte ich irgendwann daran. Das hier war mein Weg, meine Aufgabe. Cassian oder, besser gesagt, meine Liebe zu ihm durfte mich nicht davon abhalten, es gab zu viele, die ich schützen musste.

Wir fanden Kadir etwas abseits der Weide in ein Gespräch mit Larimar vertieft. »Es ist unsere einzige Möglichkeit«, hörte ich sie sagen. »Eliza weiß das.«

»Ich möchte trotzdem, dass Elisien in deinen Plan eingeweiht wird – und Merlin.«

»Was, wenn uns jemand verrät? Je mehr von unserem Plan wissen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Damian davon erfährt. Wird Eliza dann nicht erst recht in Gefahr sein?«

»Das Risiko müssen wir eingehen, denn wir brauchen mehr Krieger.«

»Ich weiß«, lenkte sie ein. »Ich befürchte nur …«

»Elisien wird Rubin nicht opfern«, meldete ich mich. »Sie wird verstehen, dass wir ihn retten müssen.« Ich mochte nicht immer mit der Königin einer Meinung sein, aber so rachsüchtig war sie nicht, dass sie Rubin seinem Vater überließ, um Larimar wehzutun.

»Ich hoffe, du behältst mit deiner Einschätzung recht. Wenn ich sie wäre …« Larimar brach ab, und ich wusste sofort, weshalb. Ich spürte Cassians Anwesenheit, kaum dass er zu uns herangetreten war.

»Kadir«, begrüßte er den Einhornkönig höflich. »Eliza.«

Meine Handflächen wurden feucht, ich zog meinen Gedankenvorhang fester und schloss für eine Sekunde die Augen. Ich schluckte und nickte, drehte mich jedoch nicht zu ihm um. Was albern war, weil er mich nicht sehen konnte. Wie lange würde es dauern, bis er wieder mit seinen Vorwürfen anfing und forderte, dass Larimar mich wegschickte? Wie sehr ich mir doch wünschte, wir wären einmal einer Meinung und würden uns Damian gemeinsam stellen.

Larimar reichte ihm dankenswerterweise ein Hemd. »Dann können wir mit der Besprechung beginnen«, sagte sie. »Ich habe Eliza unseren Plan bereits auseinandergesetzt, sie will weitere Meinungen hören. Kadir, möchtest du anfangen?«

Der König der Einhörner blickte mich aus seinen großen Augen mitleidig an. »Wir sollten nicht auf deine Hilfe angewiesen sein. Aber Merlin hat in den letzten beiden Wochen erfolglos versucht, das Dorf der Magier sichtbar zu machen. Wir wissen, dass Damian Rubin dort gefangen hält. Quirin hat Rubin dorthin begleitet und ist zurückgekommen, nachdem er zwei Tage auf seine Rückkehr gewartet hat. Sie hofften, dass Damian Solea im Tausch für Rubin gehen lässt. Das hat er allerdings nicht getan.«

»Und der Große Rat hüllt sich in Schweigen«, ergänzte Larimar. »Das habe ich dir ja schon erklärt. Wir haben mehrere Möglichkeiten diskutiert, aber die einzige, die uns noch bleibt, um die beiden zu befreien, ist, Druid Glen direkt anzugreifen.«

»Nur dafür müssen wir das Dorf sehen und Damian überraschen. Er darf nichts von unseren Plänen erfahren.«

»Warum schnappt ihr ihn euch nicht, wenn er in Avallach ist, während der Rat tagt?«, fragte ich und versuchte, nicht zu Cassian zu schauen, der neben Kadir stand und Larimars Ausführungen folgte. Ich wollte ihn berühren, um herauszufinden, ob da noch etwas war. Vielleicht hatte er längst eingesehen, dass wir beide wie Feuer und Wasser waren. Ich hatte seinen Stolz verletzt, als ich ihn fortgeschickt hatte. Ich würde nie wie eins dieser netten Elfenmädchen sein. Ich hatte alles falsch gemacht.

»Die Gefahr, Unschuldige in einen Kampf zu verwickeln, wäre zu groß. Außerdem könnte er ein Verfahren im Rat anstrengen, wenn wir ihn nicht besiegen – und das Recht wäre auf seiner Seite«, erklärte Kadir, und ich konzentrierte mich auf seine Worte. »Er könnte Merlin oder Elisien verhaften lassen. Das wäre eine Katastrophe.«

So weit war es schon gekommen. In nur wenigen Wochen hatte Damians Schreckensherrschaft es geschafft, die halbe Magische Welt zu paralysieren. »Wenn ich aber das Siegel hole und es in seine Hände fällt, wird er mächtiger sein als je zuvor.« Niemand würde sich ihm dann noch entgegenstellen.

»Des Risikos sind wir uns durchaus bewusst«, mischte Cassian sich ein. »Wir können dich nur bitten, die letzte Entscheidung liegt jedoch allein bei dir.«

Ich blinzelte verwirrt und sah dann Hilfe suchend zu Perikles. Hatte Cassian das gerade wirklich gesagt? Der Zentaur erwiderte meinen Blick mit einem Achselzucken.

»Wenn ich das Siegel nach Druid Glen bringe, werdet ihr die ganze Zeit bei mir sein?« Sie hatten bereits alles durchdacht und nur darauf gewartet, dass ich kräftig genug war, ihren Plan umzusetzen.

»Meine Männer werden dich mit ihrem Leben beschützen«, sagte Perikles ernster, als ich ihn je erlebt hatte. Cassians Miene blieb bei diesen Worten völlig ausdruckslos.

»Dann mache ich es«, erklärte ich. »Ich hole das Siegel.« Ich würde Rubin und Solea nie im Stich lassen, wenn es nur eine winzige Chance gab, dass wir sie retten konnten.

Larimar seufzte erleichtert, Perikles lächelte, und Cassian nickte, drehte sich um und ging ohne ein Wort des Abschieds zurück zur Weide. Kurz darauf donnerten seine Waffen auf die von drei Zentauren nieder. Konnte er sich keinen Schutzanzug anziehen oder wenigstens einen Helm aufsetzen? Immerhin trug er nun ein Hemd. Am Rand des Kampfplatzes hatten sich ein paar Zentaurinnen versammelt und gafften ihn an. Aus dem Stand schlug er einen Salto und landete auf dem Rücken eines seiner Gegner. Ein anderer riss ihn gleich wieder herunter und schlug ihm die Faust in den Magen. Cassian krümmte sich nicht mal, sondern entwaffnete den Angreifer mit seinem Stab. Der Mann galoppierte davon und machte den Platz für einen anderen Kämpfer frei. Ich konnte nicht mehr hinsehen.

»Ich würde gern vorher meine Familie besuchen. Geht das?«, wandte ich mich an Kadir. Bestimmt machten sie sich Sorgen, und ich musste wissen, ob es ihnen gut ging.

»Natürlich. Perikles bringt dich zu der Eiche und holt dich kurz vor Sonnenuntergang dort wieder ab. Du wirst heute noch zu Joel aufbrechen. Wir sollten nicht mehr allzu viel Zeit verlieren.«

Weder er noch Larimar sprach aus, was wir befürchteten. Es konnte für Rubin und Solea längst zu spät sein.

Noch nie war ich so erleichtert gewesen, wieder zu Hause zu sein. Als ich aus der Eiche trat, überlegte ich tatsächlich für einen Moment, nicht in den Ewigen Wald zurückzukehren. Einfach hierzubleiben, das erschien mir ungeheuer verlockend. Aber ich wusste schon jetzt, dass ich das nicht übers Herz bringen würde. Und außerdem wäre ich ohne den Schutz der Elfen und Zauberer nie vor Damian sicher.

Mum stand in der Küche und räumte auf, während Granny am Tisch saß und Zeitung las. »Da bist du ja, Schatz, kannst du deinem Vater bitte eine Tasse Tee bringen? Er hat sich mal wieder vollständig in seine Arbeit vergraben.«

»Natürlich.«

Granny musterte mich erleichtert. »Sky ist oben bei ihm.«

»In einer halben Stunde gibt es Essen«, ließ Mum mich wissen. »Sag bitte Grace und Fynn Bescheid, und vergiss nicht, vorher zu klopfen. Ich will nicht, dass du sie in einer kompromittierenden Situation erwischst.«

»Mum, kein Mensch benutzt solche Wörter.« Ich musste lachen und griff nach der Teetasse. Es war so schön, zu Hause zu sein. Wie hatte es eine Zeit geben können, in der ich das nicht zu schätzen gewusst hatte? Eine Zeit, in der ich nur fortgewollt und mich hier eingesperrt gefühlt hatte.

»Ich schon.« Mum lächelte und trocknete sich die Hände mit einem karierten Tuch ab. »Du bist blass«, sagte sie dann. »Ist irgendwas passiert? Ist es immer noch wegen Cassian?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin bloß müde. Mach dir keine Gedanken. Cassian ist bis zum Semesteranfang zu seiner Tante gefahren. Es ist besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen.« Das war ja nicht wirklich gelogen.

»Du kommst schon über ihn hinweg«, sagte Mum und strich mir über die Wange. »Die Zeit heilt alle Wunden.«

Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich bin über ihn hinweg, Mum. Mach dir keine Sorgen.«

»Ich werde mir immer Sorgen um dich und Fynn machen«, sagte sie. »Egal, wie alt ihr seid. Und nun geh nach oben, bevor der Tee kalt wird.«

Sky öffnete auf mein Klopfen die Tür zu Dads Arbeitszimmer und zog mich hinein. »Wie geht es dir? Bist du okay? Ich hatte solche Angst um dich. Ich wollte bei dir bleiben, aber Larimar meinte, es wäre besser, wenn ich zurückgehe.« Sie nahm mir die Tasse ab, stellte den Tee auf den Tisch, und wir fielen uns in die Arme. Ich weinte vor Erleichterung prompt los. »Mit mir ist alles in Ordnung, aber Damian hat Rubin und Solea in seiner Gewalt. Ich muss das Siegel der Wanguun zurückholen«, erklärte ich, während Dad aufstand und mich zu einem der kleinen Sessel vor seinem Schreibtisch schob. »Ich wollte euch noch mal sehen.« Das klang, als hätte ich mit meinem Leben schon abgeschlossen. Ich brauchte dringend etwas positive Energie.

Dad setzte sich mir gegenüber. »Sie wollen das Dorf wieder sichtbar machen?« Er wurde ein bisschen grün um die Nase. Bestimmt erinnerte er sich an sein eigenes Abenteuer im Gefängnis von Damian. Zwar hatte er immer so getan, als wären diese Erlebnisse lediglich spannend und aufregend gewesen, aber jetzt, wo ich Damian kannte und wusste, wozu er fähig war, konnte ich das nicht mehr so richtig glauben. Dad hatte uns keine Angst machen wollen.

»Du musst wirklich vorsichtig sein«, sagte er eindringlich, nachdem ich alles erzählt hatte, was nach Skys und meiner Flucht aus ihrem Haus passiert war. Vor Aufregung trank ich den Tee, der eigentlich für ihn bestimmt gewesen war. »Versprich mir, dass du das Dorf nicht betrittst. Wartet, bis Damian herauskommt. Innerhalb der Mauern ist er im Vorteil. Aber er will die Siegel, und er wird sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Du darfst ihn nicht unterschätzen. Sein Sohn ist ihm egal, seine Gefolgsleute sind ihm egal. Für ihn zählt nur seine Macht, und du bedrohst sie. Er wird nicht zögern, dich zu töten.«

»Äh … Dad. Geht es auch etwas weniger dramatisch?« Mir war ganz kalt, und ich presste Skys Hand so fest, dass es ihr bestimmt wehtat.

»Ich komme mit dir«, sagte sie. »Wenn ihr alle in diesen Krieg zieht, wer kümmert sich dann um Nadia?«

Darüber hatte ich nicht nachgedacht. »Es ist kein Krieg, sondern nur eine Schlacht. Wir wollen lediglich Rubin und Solea befreien. Danach überlassen wir die Sache den Elfen und Zauberern. Wenn wir es schaffen, zusätzlich den Stab des Nangur zu bekommen, kann er sich nicht mehr vor ihnen verstecken.«

»Lass mich mitkommen. Bitte«, bettelte Sky. »Ich werde bei Nadia bleiben. Ich will auch etwas tun. Ich bin schuld, dass der Zauber der Sigillen nicht mehr richtig funktioniert. Ich kann hier nicht herumsitzen.«

»Wie meinst du das?«, fragte ich meine Freundin.

»Das ist Unsinn«, wiegelte Dad gleichzeitig ab. »Merlin war hier und hat es uns erklärt. Frazer hat im Grunde gar keine eigene Sigille gezeichnet, er hat Skys Gestaltung übernommen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat sein Unterbewusstsein ihn dazu genötigt, den Schutz seiner Sigille auf Sky zu übertragen. Weißt du noch, wie Merlin sagte, Sigillen wären etwas eigen? Sie spüren, wenn ein Wunsch sich nicht völlig auf sie bezieht, und nachdem Frazer fort war, hat die Sigille entschieden, ihren Schutz weiter ihm zu schenken. Das schwächte unseren Schutz. Damians Magier schienen nur auf so etwas gewartet zu haben.«

Das war mir etwas zu hoch, aber Zauberei war für einen gewöhnlichen Menschen wie mich eben nicht leicht zu verstehen. Ich hatte mich zu sehr auf meine Sigille konzentriert und mich gefragt, weshalb Cassian keine zeichnete.

»Jedenfalls scheint Frazers Sigille es Sky sehr übel zu nehmen, dass sie ihn weggeschickt hat, wo er ihr praktisch seinen Schutz geopfert hat. Deshalb wurde der Kreis durchbrochen«, setzte Dad seine Erklärung fort.

»Also bin ich doch schuld«, behauptete Sky wieder. »Ich hätte wissen müssen, dass er es sich nicht ewig gefallen lässt, dass ich so mit ihm umspringe.«

»Hast du schon mit ihm gesprochen?«, fragte ich. »Weiß er, dass der Sigillenzauber verloren ist? Bestimmt kommt er sofort zurück, wenn er es erfährt.«

»Ich kann ihn nicht erreichen. Er geht nicht an sein Handy. Vielleicht versuchst besser du es. Offenbar will er nicht mit mir reden.« Eine Träne tropfte in ihren Schoß. »Ich war so grausam zu ihm. Oh Gott, wie konnte ich nur? Er war immer für mich da, hat immer auf mich aufgepasst und nie etwas gefordert. Ich kann ihm nicht mehr unter die Augen treten, aber ich will auch nicht, dass ihm etwas geschieht.«

Es war tatsächlich merkwürdig. Sky hatte in ihrem ganzen Leben noch nie jemandem wehgetan. Sie war immer die Verständnisvollere, die Mitfühlendere von uns beiden gewesen. Sie hatte in jedem Streit nachgegeben, und ausgerechnet sie verletzte nun den Jungen, der sie von ganzem Herzen liebte. Aber so schrecklich es sich anhörte, darum konnte ich mich gerade nicht kümmern. Zuerst musste ich mich darauf konzentrieren, Rubin und Solea zu befreien. Es ging um das Leben der beiden. »Ich rufe ihn an, wenn ich zurück bin. Versprochen.« Unterdessen verließ ich mich darauf, dass Merlin meine Familie irgendwie anders schützte.

Sky nickte. »Bestimmt meldet er sich ja doch noch«, sagte sie hoffnungsvoll und wischte sich die Tränen ab. »Sonst fahre ich ihm hinterher.«

»Das wirst du nicht tun«, bestimmte Dad. »Merlin hat gesagt, wir sollen in der Nähe des Hauses bleiben, bis er weiteren Schutz für uns organisiert hat. Wir sollten ihn nicht enttäuschen. Frazer wird schon zur Vernunft kommen. Er ist schließlich nicht der erste junge Mann, der nicht die Frau bekommt, die er liebt. Trotzdem ist er immer noch euer Freund.«

Sky und ich wechselten einen stummen Blick, und ich wusste genau, dass meine Freundin zum ersten Mal in ihrem Leben etwas Unvernünftiges tun würde. Wenn Frazer sich nicht bei ihr meldete, würde sie ihm hinterherfahren.

»Der Schutz der Sigillen hätte eigentlich besonders stark sein müssen«, erzählte Dad weiter. »Merlin hat es mir noch einmal erläutert. Wir waren sieben, die den Zauber schaffen sollten. Interessant, dass die Zahl Sieben auch in der Magischen Welt so eine starke Bedeutung hat. Sie ist die Zahl der Vollendung, die Addition von Drei und Vier, die Verbindung des Geistigen und des Materiellen.«

»Dad, bitte, jetzt keine Vorträge«, flehte ich. »Hat Merlin noch etwas Wichtiges gesagt?«

»Nur dass er froh war, als Cassian davon abgesehen hatte, auch eine Sigille zu zeichnen, weil eine achte unseren Schutz eher geschwächt als verstärkt hätte. Allerdings hätte eine eigene Sigille Cassian stärker an seine Welt gebunden, und dann hätte er nicht so unter der Verbannung gelitten. Keine Ahnung, ob ihm das bewusst war.« Dad stand auf und beachtete meine Verwirrung gar nicht.

Warum hatte Cassian das getan? Natürlich um mich zu schützen. Aber was war mit ihm? Ich wollte genauso wenig, dass ihm etwas zustieß. Er sollte nicht unnötig leiden.

»Wir dürfen deine Mutter nicht mit dem Essen warten lassen.« Dad legte mir einen Arm um die Schulter, als Sky das Zimmer verließ.

»Kannst du bitte Grace und Fynn Bescheid sagen?«, rief ich ihr hinterher, weil Dad mich noch mal zurückhielt.

»Du musst das alles nicht machen, Schatz. Das weißt du doch, oder? Du musst nichts beweisen, und du bist den Elfen nichts schuldig. Sie hätten dich nie darum bitten dürfen. Ich will meine Tochter nicht durch einen verrückten Magier verlieren.«

Dass ich solche Worte mal aus seinem Mund hören würde. »Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch eine Wahl habe. Ich kann Rubin und Solea schließlich nicht Damian überlassen.«

»Eine Wahl hast du immer. Ich gebe zu, dass diese Welt äußerst faszinierend für mich ist, aber deswegen möchte ich nicht, dass du dein Leben für sie opferst. Bleib hier bei uns. Sie werden einen anderen Weg finden müssen, um Rubin und Solea zu befreien.« Zum ersten Mal, seit Dad in Berührung mit der Magischen Welt gekommen war, klang er ängstlich.

»Bis ihnen etwas einfällt, kann es zu spät sein«, wandte ich ein. »Es kann jetzt schon zu spät sein.« Ich durfte diesen Gedanken gar nicht denken. Solea hatte sich für mich geopfert. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, selbst durch den Strauch zu gehen.

Dad zog mich an sich und umarmte mich. »Ich musste es wenigstens probieren, auch wenn ich von vornherein wusste, dass ich dich nicht umstimmen kann. Du musst mir versprechen, heil zurückzukommen.«

»Das mache ich doch immer.«

Er ließ mich los und strich mir übers Haar. »Ja, das tust du allerdings. Und daran soll sich auch nichts ändern.«

Mum hatte einen großen Tisch im Wintergarten gedeckt. Fynn fragte Sky leise nach Frazer, aber sie schüttelte nur den Kopf. Grace rieb ihr beruhigend über den Arm. »Er kommt schon zur Vernunft«, sagte sie. »Das hat Fynn schließlich auch getan.«

Mein Bruder verzog das Gesicht, verzichtete aber auf eine Erwiderung. Ich hoffte, Grace behielt recht.

Mum und Dad trugen dampfende Schüsseln mit Kürbispüree, Bohnensalat und sogar einen Braten, glasiert mit Orangenmarmelade, herein und stellten alles auf den Tisch. Da war Mum offenbar mal über ihren Schatten gesprungen, denn sonst kam ihr Fleisch nicht auf den Tisch. Mein Magen knurrte, und ich stürzte mich auf das Essen, als wäre es meine Henkersmahlzeit, und ein wenig fühlte es sich auch so an. Danach setzte ich mich mit einem Cappuccino und einem Teller Mince Pies zu Granny ins Wohnzimmer und erzählte auch ihr noch mal ganz genau, was passiert war.

»Du musst vorsichtig sein, Kind.« Selten hatte so viel Besorgnis in ihrer Stimme gelegen. »Ich bin mir nicht sicher, ob du den Elfen in jeder Situation trauen kannst. Schon gar nicht Larimar.« Granny mischte gedankenverloren die Karten. »Ob Larimar Eldorin geliebt hat?«, fragte sie nach einer Weile. »Ich wünsche mir wirklich, es wäre so gewesen. Er war ein Mann, der die Liebe verdiente. Solche Männer fand man in meiner Zeit nur sehr selten.«

Im Gegensatz zu ihr hatte der Elf Granny bestimmt nicht vergessen. Der Gedanke war schrecklich. Er hatte auf diese Liebe verzichtet, damit ich geboren werden konnte.

»Ich glaube nicht, dass die beiden unglücklich miteinander waren. Rubin hat gesagt, dass Eldorin sie mochte«, versuchte ich, sie zu trösten. Im Grunde taten mir Larimar und Granny beide leid. So ein Schicksal hatte keiner verdient.

»Legst du mir noch die Karten?«, fragte ich und sah auf die Uhr an der Wand. »Ich habe nur nicht mehr viel Zeit.«

»Zieh einfach eine Tageskarte. Das sollte genügen.«

Ich griff nach dem Stapel, fächerte ihn auf und zog eine der abgegriffenen Karten heraus.

Granny betrachtete sie eine Weile. »Das Schiff«, bemerkte sie dann. »Etwas verändert sich, und der Ausgang dieser Veränderung ist ungewiss. Du wirst entweder Dinge oder eine Person hinter dir lassen müssen, um neue Ufer zu erreichen.«

Das klang nicht sonderlich ermutigend. Ich biss in den letzten Pie. »Er hat nicht versucht, mich davon abzuhalten, das Siegel zu holen.« Wir wussten beide, wen ich mit Er meinte. »Denkst du, dass das gut oder schlecht ist?«

Granny lächelte. »Das musst du selbst herausfinden.«

»War ja klar.« Ich umarmte meine Großmutter und gab ihr einen Kuss. »Wünsch mir Glück.«

»Du kannst das schaffen, Eliza«, sagte sie zum Abschied. »Glück hat nur wenig damit zu tun. Es sind deine Tapferkeit und dein Glaube an dich selbst, die dein Schiff heil durch diesen Sturm führen werden. Du musst auf dich vertrauen.«

Glaube und Tapferkeit? Ich war nicht sicher, ob das ausreichte. Ein Freund an meiner Seite wäre gut.

»Ich komme mit«, erklärte Sky, als ich aus dem Haus trat. »Versuche gar nicht erst, mich davon abzubringen. Das schaffst du nicht. Ich werde bei Nadia bleiben, während du das Siegel holst, und auch dann, wenn ihr nach Druid Glen geht.«

Kaum war der eine Sturkopf verschwunden, entpuppte sich meine Freundin als noch viel störrischer. »Ehrlich, Sky. Fahr nach Edinburgh und versöhn dich mit Frazer. Du musst ihn ja nicht gleich lieben, aber er braucht dich als Freundin.«

Sie ließ den Kopf hängen. »Ich weiß. Ich hätte ihn nicht verletzen dürfen. Bitte nimm mich trotzdem mit. Ich habe viel zu lange Trübsal geblasen. Ich bin es Victor schuldig, für seine Schwester da zu sein und auch für Rubin.«

Es war immer noch Victor. An Frazers Stelle wäre ich längst gegangen. »Wenn es sein muss. Aber ich bin nicht sicher, ob das Larimar gefällt.«

Sky straffte die Schultern. »Die lass nur meine Sorge sein. Mit der komme ich schon klar.«

Daran hatte ich keinen Zweifel.

3. Kapitel

Ihr fliegt im Schutz der Dunkelheit«, erklärte Perikles und blickte zum Himmel, der sich im Glanz der untergehenden Sonne violett färbte. Sky war bei Nadia in der Hütte geblieben, und darüber war ich froh. Der Mantikor konnte jeden Moment erwachen. »Sionon fliegt dich zu der Insel, auf der die beiden sich versteckt haben, und wird dich und Jade beschützen, während Joel bei Calum ist.«

Eine Insel, das hätte ich mir denken können. Wie hatte Larimar das herausgefunden?

Das pechschwarze Einhorn, das hinter Perikles stand, nickte zur Bestätigung. Die breite Brust und die starken Beine machten einen ziemlich verlässlichen Eindruck auf mich, und diesem spitzen Horn wollte ich nicht zu nahe kommen.

Offenbar hatten Kadir, Larimar und Perikles an alles gedacht. »Ich beeile mich«, versprach ich niemand Bestimmtem. Wir wussten alle, dass jeder Tag, den Solea und Rubin in Damians Gewalt waren, ihr letzter sein konnte. Gerade Solea war ihm nur von Nutzen, wenn er mit ihr Rubin zwingen konnte, ihm zu folgen.

»Sei vorsichtig«, bat Kadir. »Es nützt nichts, wenn du dich in Gefahr bringst. Wir wissen nicht, ob Damian den Wald bewachen lässt.«

Das sagte er jetzt? Super?!

Perikles schüttelte unwillig den Kopf. »Wir haben keine Hinweise darauf gefunden. Aber wenn du zurück bist, werde ich dich im Schwertkampf unterrichten. Du musst lernen, dich zu verteidigen. Ich fasse es nicht, dass Cassian nicht längst daran gedacht hat. Und sag Joel, wenn er Jade nur ein Haar krümmt, bekommt er es mit mir zu tun.«

»Ich glaube nicht, dass er das tun würde.« War Perikles doch in sie verliebt gewesen, oder wollte er nur, dass seine Freundin nicht verletzt wurde?

»Eine Warnung kann trotzdem nicht schaden.«

»Du musst dich nicht um meine Schwester sorgen«, erklärte plötzlich Cassian und trat zwischen uns. »Das ist meine Aufgabe.«

Hatte er sich doch noch herbequemt? Ein bisschen hoffte ich, er würde mich bitten, nicht zu fliegen. Nicht dass ich auf ihn hören würde, aber ich hätte die Gewissheit, dass er sich noch um mich sorgte. Warum mussten Gefühle so unsinnig sein? Das war doch nicht normal, noch vor zwei Wochen hatte ich seine Bevormundung gehasst, und nun … Statt der erhofften Vorwürfe legte Cassian mir einen warmen Umhang um die Schultern und schloss ihn an meinem Hals sorgfältig. Als seine Finger meine Haut berührten, begann sie zu prickeln. »Es ist kalt da draußen«, erklärte er leise. »Versprich mir, dich nicht unnötig in Gefahr zu begeben.« Ohne auf meine Antwort zu warten, hob er mich auf den breiten Rücken des dunklen Hengstes. Ich klammerte mich an die Mähne, als Sionon seine Flügel ausbreitete. »Halt dich gut fest«, bat Cassian, bevor er sich umdrehte und ging. Erst sah ich fragend zu Larimar und dann zu Perikles.

»Ich hätte an einen Mantel denken müssen«, brummte der Zentaur. »Die Nächte sind eisig da draußen. Jetzt fliegt schon, bevor es dunkel wird und der Mantikor erwacht.«

Larimars Gesicht wirkte ausdruckslos angesichts dieser fürsorglichen Geste ihres Neffen.

»Lass mich bloß nicht fallen«, flüsterte ich Sionon ins Ohr, während er bereits abhob. Ich hatte einen Flug lang Zeit, darüber nachzudenken, was Cassians Auftritt zu bedeuten hatte. Aber eigentlich wusste ich das. Er liebte mich genauso, wie ich ihn liebte. Sanfte Flügelschläge trugen mich durch die Finsternis. Eine schmale Mondsichel stand am Himmel, und Tausende Sterne spiegelten sich in der Oberfläche des Meeres. Ich konnte kaum mehr etwas erkennen, und meine Lider wurden schwerer und schwerer. Tatsächlich pikste die Kälte in meinen Wangen, aber der Mantel, den Cassian mir gegeben hatte, wärmte mich auf eine ganz eigene Weise. Ich kämpfte gegen den Schlaf an und verlor und wachte erst wieder auf, als die Hufe des Einhorns in den weichen Sandboden sanken. Hellblaues Wasser schwappte an den Strand, und ein paar Vögel stoben vor Schreck auf. Am Horizont stieg die Sonne aus dem Meer.

»Wir sind da«, erklärte Sionon überflüssigerweise. In den Dünen entdeckte ich ein Haus, dessen Tür aufgeschoben wurde. Ich schirmte meine Augen gegen die orangen Strahlen der Sonne ab und sah Joel mit erhobenem Schwert heraustreten. Als ich ihm zuwinkte, kam er zu uns gelaufen und umarmte mich stürmisch.

»Geht es dir gut?« Er musterte mich aufmerksam, als er mich wieder losließ. Seine Aufmachung war reichlich ungewöhnlich für ein Mitglied von Ravens Wachmannschaft. Er trug nämlich lediglich eine Hose, und die war nicht mal richtig zugeknöpft. Der oberste Knopf stand offen. Alles in allem sah er aus wie ein Mann, der gerade aus einem Bett geklettert war. Nur wirkte er keineswegs verschlafen. Er grinste und schloss kein bisschen verlegen den Knopf, während Sionon hinter mir leise schnaubte.

Interessant. In Avallach war er immer eher distanziert und brummig gewesen, hier, so halb nackt und zerzaust, wirkte er völlig anders. Ich würde sagen: glücklich. Wenigstens schienen zwei meiner Freunde kein Problem mit ihrem Liebesleben zu haben.

»Mit mir ist alles in Ordnung«, behauptete ich.

»Also, was tust du hier? Wie hast du uns gefunden?« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, vermutlich, um es zu ordnen. Das war vergebliche Liebesmüh, Jade hatte ganze Arbeit geleistet. Wieso konnte ich mich mit Cassian nicht in einer einsamen Hütte verstecken?

»Larimar wusste, wo ihr euch versteckt habt«, sagte ich in dem Versuch, meine Gedanken zur Räson zu bringen und den aufkommenden Neid zu unterdrücken.

»Dann weiß Elisien es auch? Wir wollten längst zurückkommen«, stammelte er, was untypisch für ihn war. »Aber Jade … na ja.«

»Sie bekommt ein Baby?«, platzte ich heraus.

Ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus, und er nickte. »Ich musste sie vor Damian in Sicherheit bringen.«

Und vor Elisiens Zorn, schätzte ich mal, aber das war jetzt unwichtig. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte ich nur. »Du musst Calum eine Nachricht von mir überbringen.«

»Was ist passiert?« Das schlechte Gewissen sprang förmlich aus seinen Augen. »Ich habe sie zu nichts gezwungen.«

Als wenn ich das nicht gewusst hätte. Wenn überhaupt, dann hatte Jade es geschafft, Joel von seinen Pflichten abzubringen. In meiner Welt nannte man das wohl Fahnenflucht. Ich hoffte, dass die Strafe für dieses Vergehen in der Magischen Welt nicht zu hart war.

»Vielleicht bringst du mich rein, dann muss ich die Geschichte nicht zweimal erzählen.« Ich wies auf die Hütte, vor der nun Jade, nur in ein Laken gewickelt, herumhüpfte.

»Ich warte hier und behalte die Umgebung im Auge«, erklärte Sionon.

Ich lief Joel hinterher, der sich schon auf den Rückweg gemacht hatte. Als wir Jade erreichten, schlang sie die Arme um mich. »Wie geht es dir? Hat mein Bruder irgendwas angestellt? Du bist doch verbannt! Wie hast du uns gefunden?«

Joel schüttelte den Kopf. »Sie kann dir nicht antworten, wenn du sie nicht lässt.« Er legte einen Arm um die zierliche Elfe, deren Haar mindestens so zerzaust war wie seins, und schob sie durch die Tür. »Wir ziehen uns erst mal an, und dann frühstücken wir alle gemeinsam. Dabei kannst du in Ruhe erzählen, was passiert ist.«

Jade gab mir einen Kuss auf die Wange. »Wir sind gleich zurück«, zwitscherte sie. »Da ist die Küche. Ich bin sicher, Morgaine hat etwas Leckeres vorbereitet. Sie mästet mich.«

Morgaine war hier? Bei den beiden? Sie hatte die ganze Zeit gewusst, wo sie sich versteckt hielten?

Die Fee legte tatsächlich gerade ein paar Toastscheiben auf den Tisch. Außerdem entdeckte ich eine Schüssel mit dampfendem Porridge, Honig und Orangenmarmelade. »Komm rein, Kleine, und bediene dich. Ich habe gehört, die Novizinnen der Vibora ernähren sich ziemlich spartanisch.«

»In jedem Fall riechen ihre Speisen nicht so lecker.« Mein Magen knurrte laut und vernehmlich. »Was tust du hier?«

»Was denkst du? Ich konnte doch nicht zulassen, dass die beiden allein durchbrennen. Jemand muss sich um sie kümmern, sie sind selbst noch halbe Kinder. Quirin und ich wechseln uns ab, um nach dem Rechten zu sehen.«

War ja klar, dass Quirin auch mit in der Sache drinsteckte. Aber halbe Kinder? Mir war Joel immer ziemlich erwachsen vorgekommen, allerdings zeugte seine Aktion nicht gerade von viel Verstand. »Aber sie sind doch glücklich oder?«

Ein weicher Ausdruck glitt über Morgaines Gesicht. »Sehr«, antwortete sie. »Ich hätte nicht gedacht, dass Joel sich tatsächlich in Jade verlieben könnte, er hat sehr an Amelie gehangen, aber nun trägt er Jade auf Händen, während sie ihm jeden Wunsch von den Augen abliest.«

Wohl eher aus seinen Gedanken, dachte ich missmutig. Natürlich gönnte ich ihnen ihr Glück, aber es machte mich auch traurig. Joel war schon einmal verliebt gewesen, und es hatte ihm das Herz gebrochen, als Amelie die Beziehung beendet hatte. Nun hatte er Jade gefunden. Vermutlich passten die beiden viel besser zusammen. Schließlich stammte sie aus seiner Welt, wenn auch nicht aus seinem Volk. Was das für mich und Cassian bedeutete, war wohl glasklar.

»Setz dich«, forderte Morgaine und stellte eine Tasse Tee vor mir ab. Ich rutschte auf die Bank und musterte die Küche. Bunte Vorhänge wehten an dem offenen Fenster. Die Wände waren grob mit Lehm verputzt, und die Möbel waren aus hellem Holz. Der Duft des Meeres hing in dem Raum und vermischte sich mit dem von würzigen Kräutern. An die Wände hatte jemand ein paar Bleistiftzeichnungen gepinnt. Ich erkannte Calum und Emma. Dann war da noch ein Bild, auf dem ich, Sky und Jade im Gras hockten. Im Hintergrund waren die Zinnen von Avallach zu sehen. Ein Porträt von Elisien war darunter und eines von Perikles, der ziemlich finster guckte.

»Joel ist ein sehr guter Beobachter und ein noch besserer Zeichner«, erklärte Morgaine.