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Gefühlvolle Football-Romance mit He Falls First-Trope
Ein Jahr lang soll Robin die Michigan Wolverines, das Footballteam des Colleges, das ihr Dad trainiert, als Physiotherapeutin betreuen. Dabei wollte sie mit Football nichts mehr zu tun haben. Als sie ausgerechnet den ehrgeizigen Runningback Tyler aus einer misslichen Lage rettet, gehen sie spontan miteinander essen. Tyler ist fasziniert von der schlagfertigen Robin, doch Beziehungen zwischen Staff und Spielern sind absolut tabu. Auch Robin fühlt sich zu ihm hingezogen, kann ihre Gefühle nur nicht in Worte fassen. Haben Tyler und Robin eine Chance, obwohl er seine Karriere riskiert und sie ihre Gefühle nicht versteht?
Intensiv und zum Mitfiebern. New Adult Sports Romance mit He-Falls-First-Trope und einer Prise Spice.
"Feeling Nothing" von Ann-Kathrin Karschnick ist ein in sich abgeschlossener Romance-Einzelband. Perfekt für Fans von Elle Kennedy und Bal Khabra.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Ein Jahr lang soll Robin die Michigan Wolverines, das Footballteam des Colleges, das ihr Dad trainiert, als Physiotherapeutin betreuen. Dabei wollte sie mit Football nichts mehr zu tun haben. Als sie ausgerechnet den ehrgeizigen Runningback Tyler aus einer misslichen Lage rettet, gehen sie spontan miteinander essen. Tyler ist fasziniert von der schlagfertigen Robin, doch Beziehungen zwischen Staff und Spielern sind absolut tabu. Auch Robin fühlt sich zu ihm hingezogen, kann ihre Gefühle nur nicht in Worte fassen. Haben Tyler und Robin eine Chance, obwohl er seine Karriere riskiert und sie ihre Gefühle nicht versteht?
© privat
Ann-Kathrin Karschnick stammt aus dem beschaulichen Schleswig-Holstein und lebt dort mit ihrer Familie. Seit ihr Mann angefangen hat, American Football zu spielen, interessiert sie sich sehr für den Sport und baut ihn immer wieder in ihre zahlreichen Romane ein. Ihr Markenzeichen ist das grüne Kleid, das sie auf jeder Messe und Lesung trägt.
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Viel Spaß beim Lesen!
Ann-Kathrin Karschnick
Planet!
Liebe Leser:innen,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte.
Auf der letzten Seite findest du eine Themenübersicht,
die Spoiler für die Geschichte beinhaltet.
Obwohl die Liste nach bestem Wissen angelegt wurde, erhebt sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da Auslöser und deren Wahrnehmung vielfältig sein können.
Wir wünschen dir das bestmögliche Leseerlebnis!
Ann-Kathrin Karschnick und das Planet!-Team
Robin
»Deswegen muss ich Sie leider bitten, Ihren Praxisraum zu räumen. Es tut mir sehr leid, Robin.«
Die Worte meiner Chefin klangen mir auch zwei Tage nach meiner Kündigung noch in den Ohren. Zu wenig Aufträge in der Praxis, ein paar negative Bewertungen, und ich war die Angestellte, die am kürzesten dabei war. Alles gute Gründe, um mich rauszuschmeißen. Ich konnte es sogar verstehen. Nur die Konsequenzen machten mir Sorgen. Ich stand von der grün-weiß gemusterten Couch auf und ging zum Kühlschrank unserer Detroiter WG. Ratlos starrte ich hinein. Als ob mir der Couscousauflauf von letzter Woche einen Tipp geben könnte, wie mein Leben jetzt weitergehen sollte.
Wenn ich mir den grünen Flaum in der rechten Ecke des Auflaufs so ansah, würde er wohl wirklich bald antworten. Ich griff nach der Form. Wenn ich die Reste entsorgte, hatte ich wenigstens etwas zu tun.
»Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass du in den Kühlschrank guckst«, sagte Hunter, der sich von hinten angeschlichen hatte. »Was glaubst du denn, darin zu finden, was vorhin noch nicht da war?«
Betont langsam drehte ich mich um und hielt ihm den schimmligen Auflauf hin. »Ein bombastisches Essen«, erklärte ich staubtrocken.
»Sag Bescheid, wenn der Einschlag auf dem Klo erfolgt, dann verlasse ich fluchtartig die Wohnung.« Hunter schnaubte und schob mich beiseite, um sich ein Bier aus dem Seitenfach zu nehmen.
»Keine Sorge, ich werde das nur endlich mal entsorgen, wenn es sonst niemand tut«, rief ich laut genug, dass Mary es auch im Nebenzimmer hören konnte.
Seit meinem Studium lebte ich mit den beiden zusammen und wir hatten in den letzten vier Jahren viel miteinander durchgemacht. Hunters erfolglose Suche nach einer Beziehung, Marys Schritt in die Selbstständigkeit, mein Studienabschluss. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie ich in den nächsten Monaten die Miete zahlen sollte. Reserven hatte ich keine, weil ich jeden übrig gebliebenen Cent in meinen Studienkredit oder streunende, bedürftige Tiere gesteckt hatte. Und die zwei konnten mich nicht mitfinanzieren, da sie selbst schon Schwierigkeiten hatten, ihren Teil aufzubringen.
Während ich die Auflaufform säuberte, warf Hunter sich auf meinen Platz auf der Couch und Mary kam mit ihrem Laptop dazu. Der hochgewachsene IT-Student mit der Keanu-Reeves-Gedächtnisfrisur und die Brettspieleentwicklerin mit der großen weißen Brille, die perfekt zu ihrer rötlichbraunen Haut passte, waren zwar kein Paar, aber sie tanzten, seit ich sie kannte, umeinander herum. Sie wollten keine Beziehung riskieren, um die perfekte WG nicht zu zerstören. Es war nervig und am liebsten würde ich sie so lange in ihrem Zimmer einsperren, bis sie endlich miteinander geschlafen hatten. Aber es war ihre Entscheidung und nicht meine. Außerdem konnte ich von ihrem Ringelreihen wenigstens lernen, wie man flirtete, ohne dass es aussah wie Flirten.
Mary setzte sich wie jeden Abend neben Hunter und legte ihre Füße auf seinen Schoß. Wie aus einem Reflex heraus nahm er sein Bier in die linke Hand und begann mit der rechten zu massieren. Wenn ich mir die beiden so ansah, fragte ich mich, ob ich mir auch so eine Beziehung wünschen würde. Eine, in der der andere genau wusste, was ich wollte. Kurz schnaubte ich und wischte die letzten Krümel aus der Auflaufform, ehe ich sie auf das Abtropfgitter stellte. Dazu müsste ich erst mal selbst wissen, was ich wollte.
»Und wie war dein Tag heute, Robin?« Mary breitete mehrere Zettel auf ihren Oberschenkeln und der Rückenlehne neben sich aus. »Wo bleiben die täglichen Nörgelstorys über deine Kundschaft?«
Ich war mir nicht sicher, ob ich schon bereit war, ihnen die Wahrheit zu sagen. Schließlich wussten sie um meine finanzielle Lage. Wie würden sie wohl reagieren, wenn ich ihnen gestand, dass ich heute den ganzen Tag Praxen in der Umgebung abgeklappert hatte, um nach Jobs zu fragen? Ohne Erfolg, wohlgemerkt. Ich versuchte, mir die Situation vorzustellen, aber in meinem Kopf herrschte gähnende Unsicherheit. Obwohl ich sie so lange kannte, war ich mir nicht sicher, was sie dazu sagen würden. Also zuckte ich mit den Schultern und beschloss, es vorerst für mich zu behalten. »Wie immer, ganz normal.«
Mary ließ die Mundwinkel herabhängen, was bei ihr meistens bedeutete, dass sie enttäuscht war. »Dabei hatte ich mich so auf eine ordentliche Lästerei gefreut.«
»Tut mir leid.« Ich trocknete meine Hände und griff mir mein Handy vom Küchentresen. »Will noch jemand was von Feng?«
Hunter hob seine Bierhand, ohne Marys Fuß loszulassen. »Einmal die 17, bitte. Aber diesmal ohne Wasabi. Der verträgt sich nicht mit dem Bier.«
»Für mich ein Dutzend kleine Frühlingsrollen.« Mary sortierte weiter ihre Kärtchen.
»In Ordnung. See you later, Alligator«, rief ich im Hinausgehen und zog hastig die Tür zu, damit Hunter nicht reagieren konnte.
Doch noch bevor ich im Treppenhaus unten ankam, vibrierte mein Handy.
Hunter. Ciao, Kakao. Natürlich konnte er es nicht auf sich sitzen lassen. Dieses Spiel zwischen uns hatte sich über die Jahre etabliert. Das würde ich definitiv vermissen, wenn ich ausziehen musste. Wer wusste schon, wo ich dann landete.
Ich betrat die Straße und sofort empfing mich der Bienenstock, der Detroit war. Wild rasende Lieferanten auf Fahrrädern, die ohne Rücksicht auf Verluste den Bürgersteig runterbretterten, weil auf der Hauptstraße mal wieder alles verstopft war. Es war ein windstiller Apriltag und erstaunlich schwül. Ich kam keine zehn Schritte weit, da klebte mein Shirt bereits an meinem Rücken.
»Ey, haste mal 'nen Dollar?«, fragte mich eine junge Frau, die den abgetragenen Klamotten und den fettigen Haaren nach zu urteilen keine gute Zeit hinter sich hatte.
»Nee, sorry, bin selbst gerade gekündigt worden«, erwiderte ich und winkte ab. »Aber viel Glück dir«, schob ich nach.
»Ähm«, sagte sie nur, aber da ich schon weiterlief, hörte ich den Rest nicht mehr.
Ich seufzte, während ich zwischen hupenden Autos die Straße überquerte. Eigentlich hatte ich mir geschworen, nach dem Studium endlich auf eigenen Füßen zu stehen. Raus aus dem Elternhaus und rein in die Welt der Erwachsenen. Aber die mickrige Summe auf meinem Konto reichte gerade mal für diesen Monat. Danach war ich pleite as fuck.
Fengs Laden lag in der ersten Querstraße, versteckt zwischen einem Blumenladen mit viel zu weit auf dem Bürgersteig stehenden Blumentöpfen und einem Tattoostudio, dessen Neonbeleuchtung sogar am Tage die Umgebung erhellte. Hierher verirrten sich keine Touristen. Fengs Fenster war abgeklebt und erlaubte keinen Blick ins Innere. Abgesehen von einem unscheinbaren Schild mit chinesischen Schriftzeichen deutete nichts darauf hin, dass es hier Essen to go gab.
»Ah, Robin, das Übliche?«, begrüßte mich die alte Besitzerin, die ihre Kundschaft stets mit Namen ansprach.
»Mary möchte diesmal nur ein Dutzend Frühlingsrollen, sonst wie immer«, erwiderte ich und setzte mich an den Tisch neben dem Tresen, wo ein paar Wasabinüsse und Modezeitschriften lagen, die ich lustlos durchblätterte. Nichts daraus würde ich mir jemals leisten können.
Es sei denn, ich frage Dad um Hilfe.
Auf keinen Fall, antwortete ich mir selbst. Wir waren beide froh gewesen, als ich ausgezogen war. Der Abstand tat uns gut. Und so kamen wir viel besser miteinander aus.
Zumindest hatte sich unser Verhältnis in den letzten vier Jahren entspannt. Während meiner Highschoolzeit, nachdem Mom gegangen war, hatten wir zu oft gestritten. Wir waren beide Dickschädel und wollten unseren Willen durchsetzen. Ich wusste genau, woher ich meine Hartnäckigkeit hatte, was es nicht leichter gemacht hatte, unsere unterschiedlichen Vorstellungen von einem gemeinsamen Leben miteinander zu vereinbaren.
»Deine Bestellung ist fertig, Robin«, rief die Besitzerin und reichte mir die weiße Plastiktüte über den Tresen. Ich zahlte rasch und rechnete im Kopf mit, wie viel mir noch blieb. Hunter gab mir das Geld für sein Essen bestimmt wieder, aber Mary war ein Freigeist und hatte es nicht so mit banalen Dingen wie Geld. Sie würde ich also daran erinnern müssen.
»Danke. Bis zum nächsten Mal«, verabschiedete ich mich und trat auf die Straße. Während ich den Weg zurückmarschierte, wog ich meine verbliebenen Optionen ab. Zurück zu Dad ziehen, um Geld zu sparen, sollte hoffentlich die letzte sein. Mir einen anderen Job suchen? Auch wenn ich gerne über meinen Berufsalltag und die Kundschaft lästerte, liebte ich meinen Job als Physiotherapeutin. Den Kontakt mit den ungewöhnlichen Menschen, denen ich helfen konnte. Den Dank, sobald sie eine Therapie erfolgreich beendet hatten und endlich ihr Leben wieder normal angehen konnten. Dafür hatte ich studiert. Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen. Aber scheinbar hatte mein Leben jetzt andere Pläne für mich.
Ob es bei Feng einen Platz für mich gab? Zumindest hatte ich mich am Anfang durch die gesamte Karte gefressen, um herauszufinden, was das Beste ist, und kannte sie in- und auswendig.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und schaute mich nach Jobangeboten in den Schaufenstern um. Quasi keinen Arbeitsweg zu haben, stellte ich mir auch sehr entspannt vor. Allerdings gab es da nur den Blumenladen und das Tattoostudio, und auch da wurde keine Unterstützung gesucht.
Meine Schultern sackten herunter, während meine Motivation in den Keller rauschte. Ich senkte den Blick zu Boden. Dort lagen jede Menge Zigarettenstummel im Rinnstein der Straße, eine alte Cokedose und ein Schildkrötenpanzer.
Hatte der Panzer sich gerade bewegt? Ich stoppte abrupt. Das konnte doch nicht sein. Eine kleine Schildkröte hatte hier draußen nichts zu suchen.
Ich ging in die Hocke und betrachtete den Panzer und die ledrige Haut. Es war eine echte Schildkröte und nicht nur ein Spielzeug. Verwirrt sah ich mich um, entdeckte jedoch niemanden, der nach seinem Haustier rief. Kaum wandte ich mich der Schildkröte wieder zu, fiel mir ein kleiner Riss an ihrer linken vorderen Flosse auf. Sie schien kraftlos zu sein, da sie nicht einmal Anstalten machte, auf den Gehweg zu gelangen. Sie saß einfach nur da, als ob sie vom letzten Regenguss vor zwei Tagen dort hingespült worden wäre.
»Du armes Ding«, murmelte ich und nahm sie langsam und vorsichtig hoch. Sie hatte den Kopf eingezogen und sah mich erwartungsvoll mit diesen großen schwarzen Augen an. Entweder war sie wirklich erschöpft oder sie war an Menschen gewöhnt, denn sie versuchte gar nicht erst, nach mir zu schnappen. Ihr Panzer passte gerade so in meine Handfläche.
»Brauchst du vielleicht ein bisschen Salat?«, fragte ich sie und behielt sie in der Hand, während ich die letzten Schritte nach Hause ging. »Keine Sorge, ich kümmere mich um dich, in Ordnung?«
Mit der Tüte im Mund schloss ich die Tür auf, damit ich die kleine Schildkröte nicht absetzen musste.
»Hast du so viel Hunger, dass du die Tüte ...«, begann Mary. »Oh nein, nicht schon wieder.«
»Was hat sie diesmal mitgebracht?«, fragte Hunter, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
»Eine Schildkröte. Sie lag im Rinnstein und sieht so aus, als könnte sie Hilfe gebrauchen«, erwiderte ich und stellte die Tüte auf dem Tisch neben mir ab, damit ich zunächst die Tür schließen und den Schlüssel wegpacken konnte.
»Sie brauchen alle Hilfe, wenn du sie mitbringst. Aber wenigstens ist es diesmal kein Streifenhörnchen. Die Kratzspuren an meinem Schrank werden mich für immer an die gruseligen Momente erinnern, als es aus dem Käfig ausgebüxt und in mein Zimmer eingebrochen ist.«
»Es war ein Streifenhörnchen, kein Horror-Clown, der dir nach dem Leben getrachtet hat«, sagte ich mit einem Schnauben. »Außerdem hast du Mr Muggels geliebt. Ich habe genau gesehen, wie du ihm heimlich ein paar Extranüsse in sein Futter gemischt hast.«
Mary lachte. »Erwischt, aber Mr Muggels hatte wenigstens ein flauschiges Fell. Eine Schildkröte ist schon ein bisschen kantiger.«
»Aber nicht weniger liebenswert«, sagte ich und ging zum Waschbecken in der Küche, um den Panzer zu reinigen und ihr aus dem Kühlschrank ein einzelnes Salatblatt zu holen. »Sag mal, hast du noch einen von deinen alten Schuhkartons, Hunter?«
»Klar, in meinem Schrank hinter der Tür.«
Mit einem Ächzen warf ich mich einige Minuten später neben Hunter auf die Couch und stellte Murphys neues Zuhause, wie ich die Schildkröte getauft hatte, und die Tüte mit dem Essen auf den Tisch.
»Was für eine Luft da draußen«, kommentierte ich und fischte bereits mein Curryhühnchen mit Reis heraus.
»Pass auf, da liegen noch deine Zeichnungen drunter.« Hunter ließ Marys Fuß vermutlich das erste Mal seit einer halben Stunde los und hob rasch die Tüte an, bevor die süßsaure Soße zu Marys Frühlingsrollen über den Bildern auslaufen konnte.
»Ach, die sind eh nicht so gut geworden.« Ich öffnete die Reisbox. Dampf stieg mir entgegen und mit ihm dieser erste Schwall angestauten Dufts.
Hunter zögerte, ehe er mit einer Hand den Skizzenblock beiseiteschob und die Tüte dann wieder abstellte. »Dich muss man nicht verstehen. Gestern hast du noch rumgetönt, dass du diese Mangabildchen brauchst. Und jetzt sind sie dir egal?«
Ich zuckte nur mit den Schultern und zog die zweite Box hervor, um meine Stäbchen im Inneren zu versenken. »Die kann ich bestimmt noch besser hinbekommen. Es waren nur Skizzen. Die richtigen Chibis male ich auf dem Grafiktablet.«
Gerade biss ich in ein Stück Curryhühnchen, da vibrierte mein Telefon. Ich ignorierte es. Essen. Nichts ging über Essen.
Hunter lehnte sich vor und goss mir Wein in ein bereitstehendes Glas. »Das ist dein Dad.«
Ich wedelte mit der Hand vor dem Mund, weil ich mir meine Zunge an dem Hühnchen verbrannt hatte. »Wenn es wichtig ist, ruft er noch mal an.«
Genau zwei Minuten später klingelte es erneut. Ich runzelte die Stirn, überlegte kurz, ob ich wirklich rangehen sollte – mein Hunger war ziemlich groß. Aber Mary sah mich mit ihren großen Rehaugen erwartungsvoll an und Hunter wirkte, als wollte er selbst gleich rangehen, also nahm ich den Anruf an und stellte auf Lautsprecher.
»Hi Dad«, sagte ich mit vollem Mund. »Du bist auf laut.«
»Störe ich gerade, Äffchen?«
»So heiße ich schon lange nicht mehr«, kommentierte ich trocken, während Hunter sich feixend die Faust vor die Lippen hielt. Ob er den Spitznamen aus Kindertagen gegen mich verwenden würde? Sofort stellte ich wieder leise und nahm das Handy ans Ohr. Wer wusste schon, was Dad als Nächstes ausplaudern würde.
»Was ist denn?«
Ich schob mir einen ordentlichen Schwung Reis in den Mund und kaute genüsslich. Es knisterte in der Leitung. Dad musste das Handy zwischen Schulter und Kopf eingeklemmt haben. Vermutlich war er um diese Zeit noch auf dem Platz und bereitete das Training nach.
»Ich habe ein Angebot für dich.« Er kam direkt zum Punkt. Das mochte ich an ihm. Kein Drumherumreden. Und gleichzeitig hatte ich mir in meiner Kindheit gewünscht, auch mal über Nichtigkeiten mit ihm zu sprechen. Sein einziges Thema war immer Football gewesen. Und meine schulischen Leistungen. Egal bei welchem der beiden Themen: Wenn es schlecht gelaufen war, hatte er schlechte Laune gehabt.
Jetzt aber hatte er mich neugierig gemacht. Normalerweise telefonierten wir sonntags. Dann konnte er mir vom Spiel seiner Michigan Wolverines erzählen und ich ihm von meiner Woche. Wenn Mary unsere Telefonate mithörte, schüttelte sie jedes Mal den Kopf und bezeichnete uns als Roboter. Sie fand es komisch, dass wir lediglich Fakten austauschten und nicht über unsere Gefühle redeten. Als sie merkte, dass es mir mit der Bezeichnung nicht gut ging, hatte sie es nie wieder erwähnt und schüttelte stattdessen nur noch kurz den Kopf, wenn Dad und ich telefonierten. So wusste ich wenigstens immer, wie ich nach außen wirkte, auch wenn ich mich jedes Mal fragte, ob wirklich ich das Problem war, ob mit mir etwas nicht stimmte.
»Hau raus«, ermunterte ich ihn, da er kein weiteres Wort gesagt hatte. Ich nahm einen Schluck von dem Wein.
»Willst du ein Jahr lang als Physiotherapeutin für mein Team arbeiten?«
Ich verschluckte mich und spuckte prustend den Wein wieder ins Glas. Hustend stellte ich es ab. Hunter klopfte mir sofort auf den Rücken, bis ich abwinkte. Mary nahm mein Telefon und stellte es erneut auf Lautsprecher.
»Äffchen?« Mein Vater klang verwirrt, aber mein Hals brannte noch so, dass ich ihm nicht antworten konnte.
»Mr Landry, hier ist Mary«, übernahm meine Freundin für mich. »Robin hat sich gerade verschluckt. Wie geht es Ihnen?«
»Es läuft alles gut, besonders die Saisonvorbereitungen, wir haben Chancen, dieses Jahr um den Rose Bowl zu spielen.«
»Das klingt gut, aber wie geht es Ihnen?«
Mein Dad schwieg für einen Moment und ich konnte sein knautschiges Gesicht förmlich vor mir sehen, während er um eine Antwort rang, die Mary zufriedenstellen würde. »Alles gesund, danke.«
Ich hustete noch einmal, ehe ich mühsam herausbrachte: »Habe ich das richtig verstanden? Du willst, dass ich für dich arbeite?«
»Für ein Jahr. Hank macht ein Sabbatjahr oder so einen Scheiß. Er hat es mir erklärt, aber weißt du, in meinen Ohren klang er nur wie ein Waschlappen, dem die Arbeit zu viel geworden ist.«
Typisch Dad. Wenn er mal einen Tag lang nicht arbeiten konnte, wurde er ganz hibbelig und fing an, das Playbook seiner Mannschaft zu überarbeiten. Oder sich Videos von Highschool-Spielen anzuschauen, um selbst zu scouten, obwohl die Uni dafür extra Leute angeheuert hatte.
»Warum ich? Hank hat doch zwei Assistentinnen. Beförder eine von ihnen.«
Mein Dad nuschelte etwas.
»Wie bitte?«
»Du bist kompetenter als die beiden zusammen.«
»Oh.« Mit dieser Begründung hatte ich nicht gerechnet.
»Und jetzt, da du deinen Job verloren hast, dachte ich ...«
Hastig griff ich nach meinem Handy, um den Lautsprecher auszustellen, doch es war zu spät.
»Was meint er damit?«, fragten Mary und Hunter wie aus einem Mund.
»Nichts. Wir reden später darüber.« Ich sprang auf und verließ das Wohnzimmer durch den schmalen Flur, der zu meinem Zimmer führte.
Erst als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, redete ich weiter. »Woher weißt du das?«
»Hank hat einen Bekannten in deiner Praxis.«
»Hast du mich etwa ausspionieren lassen?«, rief ich lauter als beabsichtigt.
»Blödsinn. Hank hat mir gestern davon erzählt, weil er es von seinem Kumpel gehört hat.«
Ich lief zum Fenster, vorbei an meinem Bett und wieder zur Tür. Mein Kopf blieb allerdings leer. Etwas in mir rumorte. Ich konnte es nie genau benennen und dann angemessen reagieren. Hätte mich jetzt jemand gefragt, was ich fühlte, hätte ich ihm nur ein frustriertes Keine Ahnung entgegenschleudern können.
»Ich hatte es Mary und Hunter noch nicht erzählt«, sagte ich schließlich, weil das Schweigen sonst unangenehm geworden wäre.
»Na, dann wissen sie es eben jetzt. Vor Freunden sollte man sowieso keine Geheimnisse haben, sonst sind es keine Freunde.«
»Lebensweisheit von Coach Landry?« Ich schnaubte. »Das hilft mir nicht wirklich weiter.«
Kurz schwiegen wir, ehe es laut raschelte und dann still wurde. »Also, was sagst du? Willst du hier arbeiten?«
Was sollte ich darauf antworten? Teufel ja, weil ich den Job brauchte? Teufel, Nein, weil ich nie für meinen Vater arbeiten und auch sonst nichts mit seinem Lieblingssport zu tun haben wollte? Der Football hatte meine Kindheit bestimmt, die Ehe meiner Eltern beendet und war allgegenwärtiger als Gott in unserer Familie.
»Wann würde es losgehen?«
»In zwei Wochen, wenn du noch eine Einarbeitung von Hank brauchst.«
»Und bis wann muss ich mich entscheiden?«
»Was gibt es da zu überlegen?«, fragte Dad verwirrt. »Du brauchst einen Job, ich habe einen Job.«
»Aber vielleicht will ich nichts mit Football zu tun haben«, erwiderte ich trocken. »Wäre doch logisch, oder etwa nicht?«
Bevor unser Telefonat in einem unserer üblichen Streitgespräche eskalieren konnte, schloss ich die Augen und sagte: »Lass mich eine Nacht drüber schlafen und dann sag ich dir Bescheid, okay?«
»Vor dem Morgentraining, damit ich planen kann.«
»Klar, warum nicht.« Ich legte auf und warf mich aufs Bett. Der Appetit war mir auf einmal vergangen. Vor allem, weil ich mich vor der Reaktion meiner Freunde fürchtete. Würden sie wütend sein oder mich bedauern?
Ich wusste doch nicht mal, was ich selbst fühlte, wie sollte ich da einschätzen, was in ihnen vorging? Geschweige denn, wie ich mit den Gefühlen von anderen umgehen sollte.
Es klopfte. Der Moment der Wahrheit war gekommen.
»Herein«, murmelte ich in mein Kissen und presste es auf mein Gesicht.
»Okay, Äffchen.«
Sofort schleuderte ich Hunter das Kissen entgegen. Er musste damit gerechnet haben, denn er fing es auf und gab es mir direkt zurück.
»Was ist passiert?« Mary hielt den Schuhkarton mit Murphy in der Hand, kam behutsam auf mich zu und setzte sich an den Rand meines Bettes. Ihre weiche Stimme lullte mich ein.
»Die Praxis musste jemanden entlassen, weil wir zu wenig Kundschaft haben. Und ich war am kürzesten da.«
»Wie geht es dir damit?«, hakte sie nach und legte eine Hand auf meinen Knöchel.
»Keine Ahnung.« Ich warf die Arme in die Luft und ließ sie auf die Bettdecke fallen. »Woher soll ich das wissen?«
»Sicher bist du enttäuscht«, schlug Hunter vor und quetschte sich auf die andere Seite neben mich.
Mary stellte Murphy neben sich auf meinen Nachtschrank, tätschelte mein Bein leicht, während sie Hunter mit Blicken abstrafte. »Lass dir nichts einreden. Nur du allein weißt, wie es in dir aussieht.«
»Und du weißt, dass ich das eben nicht richtig weiß.« Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Ich will hier wohnen bleiben, aber habe keinen Job, um die Miete zu bezahlen. Als Kellnerin kann ich schlecht arbeiten und als Physiotherapeutin so schnell einen neuen Job zu finden, ist auch schwer.«
»Und was ist mit dem Angebot von deinem Dad?«, merkte Hunter an. »Klingt wie die Lösung für dein Problem.«
»Manchmal frage ich mich, ob nicht du es bist, der Alexithymie hat«, erklärte Mary und schlug Hunter so fest gegen die Brust, dass er vor Schmerzen das Gesicht verzog.
»Was denn?«
»Wie oft hat Robin uns schon erzählt, wie schwierig sie es fand, mit ihrem Dad zusammenzuleben?« Mary schüttelte den Kopf und wandte sich mir wieder zu. »Ehrlich, selbst ein Neandertaler hätte mehr Einfühlungsvermögen als er.«
»Sie müsste doch nicht gleich dort hinziehen. Sie kann hier wohnen bleiben und an der Uni arbeiten.«
Ich lauschte den beiden, die quasi meine Gedanken aussprachen, ohne dass ich etwas dafür tun musste. Sie waren wie das Engelchen und das Teufelchen auf meiner Schulter und ich musste nur zuhören, um irgendwann eine Entscheidung zu treffen.
»Das ist doch viel zu weit, um jeden Tag zu pendeln«, erklärte Mary und holte tief Luft. »Wenn, müsste sie in ihr Elternhaus zurückziehen oder sich eine kleine Wohnung auf dem Campus mieten.«
Hunter grinste. »Gibt Schlimmeres, als das Collegeleben noch einmal mitzumachen.«
Ich lachte leise. »So hab ich das noch gar nicht betrachtet.«
»Du denkst also echt darüber nach?« Mary hob ihre Augenbrauen.
»Welche Wahl habe ich denn?« Ich stand auf und marschierte in meinem Zimmer auf und ab. »Entweder ich ziehe hier aus«, ich zeigte auf mich, »Pleitegeier. Oder ich liege euch so lange auf der Tasche, bis ich einen neuen Job gefunden habe.« Ich hob meine Hände, als Mary den Mund öffnete. »Was ich nicht will. Ich war nie eine Schmarotzerin und habe nicht vor, das jetzt zu ändern. Ein steiniger Weg im Leben muss halt auch erklommen werden oder so was.«
Ich deutete auf die Mangazeichnungen, die überall an meinen Wänden, den Schränken und sogar an meinem Spiegel hingen. Seit ich von meiner Gefühlsblindheit wusste, hatte ich mich am Zeichnen von Gesichtsausdrücken versucht, die mich an emotionale Situationen erinnern sollten. Während Mary ihre Vorstellungen in ihren Brettspielskizzen wunderbar visualisieren konnte, herrschte bei mir eine Dunkelheit, in der es nur ganz selten lichte Momente gab, in denen ich mir eine Stimmung oder ein Gefühl so vorzustellen vermochte, dass ich es zu Papier bringen konnte. Normalerweise zeichnete ich die digital und speicherte sie online in meiner Cloud, um sie jederzeit auf dem Handy abrufen zu können, aber einige wenige hatte ich auf Papier gezeichnet.
Im Studium hatte mich meine Tutorin auf meine Schwierigkeiten, Emotionen bei meinen Mitmenschen zu erkennen, angesprochen. Zuerst wollte ich davon nichts hören. Immerhin war es keine anerkannte Krankheit in der Psychologie, wie mir eine rasche Google-Suche verraten hatte. Es wurde als Persönlichkeitsmerkmal eingestuft. Aber je mehr ich zu dem Thema las, desto neugieriger wurde ich. Denn es erklärte so viel in meinem Leben. Warum ich so häufig Streit mit Dad hatte, wieso ich oft angeeckt war während meiner Schulzeit. Vor einem Jahr war ich dann zu einem Psychologen gegangen und der hatte die Alexithymie bestätigt. Das hat mir zwar nicht geholfen, die Beziehung zu meinem Dad zu verbessern, denn der hielt diesen Psychoscheiß, wie er es immer nannte, für ausgemachten Humbug. Aber ich hatte wenigstens für mich eine Erklärung gefunden und ging seitdem unregelmäßig zu einer Gruppentherapie, in der wir an uns arbeiteten. So gut es eben mit meinem Job vereinbar gewesen war. Das würde ich auch nicht mehr schaffen, wenn ich nach Ann Arbor zog.
Seit ich zu diesen Therapiesitzungen gegangen war, versuchte ich mich im Zeichnen von Gefühlen, um zu lernen, mit meiner Schwäche umzugehen. Denn nichts anderes war es. Eine Schwäche, für die ich eine Lösung finden würde. Und jede Schwäche konnte in eine Stärke umgewandelt werden, wenn man sich mit den richtigen Menschen umgab. Es war viel einfacher, dieses Merkmal meiner Persönlichkeit als Stärke zu sehen, weil ich dann nicht das Gefühl hatte, kaputt zu sein.
Mary nickte. »In Ordnung, Robin. Dann tu es.«
»Was?« Hunter riss erschrocken die Augen auf und griff nach meiner Hand. »Du willst wirklich umziehen?«
Ich schluckte den Kloß herunter, der sich in meinem Hals ausbreitete. »Ja. Ich muss.«
Mary legte ihre Finger über meine und Hunters. »Es ist ja nur für ein Jahr. Und für danach kannst du dir einen neuen Job hier in Detroit suchen.«
»Und ihr?« Ihre Nähe zu spüren, beruhigte mich und ich atmete deutlich entspannter. »Wie kommt ihr klar?«
Mary winkte mit ihrer freien Hand ab. »Wir haben ein Zimmer in einer Großstadt zu vermieten. Wenn ich die Anzeige jetzt einstelle, zieht in zehn Minuten jemand ein.«
Ich lachte erleichtert auf. Meine Sorge, dass die beiden die Miete ohne mich nicht zahlen könnten, war anscheinend unbegründet. Ich lehnte mich zurück, ließ jedoch ihre Hände nicht los. »Ich versuch, es positiv zu sehen. Vielleicht werden die Footballspieler besser mit meiner Direktheit klarkommen als meine bisherige Kundschaft.«
»Genau, die harten Jungs, die selbst nicht mit ihren Gefühlen umgehen können«, kommentierte Hunter. »Du und deine Vorurteile. Nicht alle Footballer sind gefühllose Affen. Sieh mich an.«
Amüsiert zog ich die Augenbrauen hoch. »Du warst der Ersatzkicker in deinem Highschool-Team.«
»Sag das nicht so abfällig. Mehr als einmal war meine Leistung entscheidend für den Ausgang eines Spiels.« Hunter warf sich divenhaft nach hinten und federte auf meinem Bett nach.
»Und trotzdem bist du lieber in die IT gegangen.« Ich seufzte und starrte auf den Deckenventilator, der leider nur für wenig frischen Wind sorgte. Wer hätte gedacht, dass mir ausgerechnet mein Dad eine Lösung für mein Dilemma bieten würde. Ich packte den Schuhkarton mit Murphy, holte tief Luft und atmete sie langsam aus meinen aufgeblasenen Wangen aus. »Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, Murphy: Wir ziehen wohl wieder nach Hause.«
Tyler
»Down.« Mein Blick klebte an dem Football, der zwischen den Beinen des Centers auf dem Boden lag. Jede Faser meines Körpers war zum Zerreißen gespannt und wartete auf die zwei Wörter, die die Fesseln sprengten, die mich an Ort und Stelle hielten. Ich atmete tief ein und aus, blendete alles um mich herum aus. Die Cheerleader, die am Spielfeldrand ihre Choreografie einübten. Meine Teamkameraden, die an der Sideline Konditionstraining machten, weil sie bei dem aktuellen Spielzug, den wir trainierten, nicht mit auf dem Feld standen. Für mich zählten nur dieser Ball und die Stimme des Quarterbacks.
»Set! Hut!«
Zwei Wörter, die wie der Startschuss bei einem 100-Meter-Sprint waren. Sofort rannte ich los, beschleunigte, so schnell ich konnte, und zog hinter dem Quarterback vorbei. Er täuschte einen langen Pass an.
Jetzt kam mein Einsatz. Ich musste den Ball übernehmen, um meine Route zu laufen. Der Quarterback holte wie üblich aus, aber statt den Football loszulassen, hielt er ihn fest und drehte den Arm so weit hinter den Rücken, dass ich nur zupacken musste.
Nicht danebengreifen!
Meine Finger schlossen sich um das braune Leder, und ich zog die Ellbogen hastig an den Körper, klemmte den Football in meine Ellenbeuge. Das alles passierte in nicht mal drei Sekunden.
Die Defense hatte sich nach links verschoben. Der Weg war frei. Ich musste nur laufen.
Los, los, los!, feuerte ich mich selbst an, richtete meinen Blick nach vorn auf die Goal Line. Niemand stand mir im Weg. Ich konnte es schaffen. Mein Verstand schaltete ab und ich sprintete los.
Der Stoß von links kam unerwartet und riss mich von den Beinen. Ich schlug hart auf dem Rasen auf, ein Fleischberg über mir, der nur einen Moment später auf mir landete. Die Luft wurde mir aus der Lunge gedrückt und ich keuchte, als wir über den Boden rutschten.
»Das war zu einfach, Rookie!«, schnaubte Vernon Rivera und drückte sein Gesichtsgitter auf meines, wodurch mein Kopf noch weiter nach unten gepresst wurde. Speichel spritzte mir entgegen, als wäre er ein tollwütiger Hund, der gerade seine Beute gestellt hatte.
Shit, dachte ich und schob Vernon von mir runter, um aufzustehen. Das Play hatte ich verkackt. Warum hatte ich den Safety nicht bemerkt?
Der Coach winkte uns zu sich in den Huddle. Ich sprintete zu ihm, während Vernon gemütlich joggte. »Was hat Rattler falsch gemacht?« Coach Landry deutete auf mich. Mein Herz hämmerte, nicht vom Lauf, sondern vor Ärger über meinen Fehler. Ich fiel negativ auf. Wenn ich dieses Jahr in die Startaufstellung wollte, musste ich besser werden. Mir bleiben nur noch dreieinhalb Monate bis zum ersten Spiel, und ich wollte unbedingt zum Team dazugehören.
»Er hat seine Umgebung aus den Augen verloren.« Vernon trabte neben mich und klopfte mir mit seiner Pranke auf die Schulter. »So konnte ich seinen kleinen Sophomorearsch in den Boden rammen!«
Wildes Gejohle brach aus. Die meisten aus dem Team feierten Vernon dafür. Chat Mulder, der Quarterback der Michigan Wolverines, der Wide Receiver Julian Corral und der Star des Teams, Tight End Desmond McCain, schmunzelten nur, hielten sich sonst zurück.
»Bildliche Beschreibungen kannst du mir überlassen, Rivera!«, schnauzte der Coach meinen Widersacher an. »Aber du hast recht. Rattler, du hast dein Feld aus den Augen verloren. Mehr Konzentration beim zweiten Versuch. Genau das Gleiche noch einmal. Los!« Der Pfiff dröhnte in meinen Ohren.
»Danke, Coach«, rief ich und stellte mich sofort wieder auf meine Position.
Ich zog meinen Zahnschutz vom Gitter und steckte ihn in den Mund, bereit für eine nächste Runde. Diesmal würde mich niemand erwischen.
»Down!«, brüllte Chat und ging in die Hocke, um den Ball vom Center vor sich entgegenzunehmen.
»Set! Hut!«
Mein ganzer Körper schepperte, als der Defensive End durchbrach und mich einige Yards nach hinten schob. Wenigstens blieb mir die Erniedrigung erspart, erneut in den Boden gerammt zu werden.
Das restliche Training verlief ähnlich für mich.
»Rattler!« Die harte Stimme des Coachs schallte über das Feld.
»Ja, Coach?« Ich hatte meine Ausrüstung bereits abgelegt und stand oben ohne vor ihm.
Coach Landry fixierte mich unter seinen buschigen Augenbrauen mit einem undurchdringlichen Blick. »Du willst in das Team, oder?«
»Unbedingt, Coach!«, sagte ich, vielleicht ein wenig zu schnell. Es war mein Traum, eines Tages in der NFL zu spielen. Und dafür musste ich mich hier im College beweisen, um eine Chance auf den Draft und damit die Spitzenliga des American Footballs zu bekommen.
»Dann streng dich an.«
Der Coach schlug mir auf die Schulter und ließ mich dann einfach so stehen. Meinte er, ich hätte eine Chance, wenn ich mich anstrengte? Oder wollte er mir nur sagen, dass ich meinen Arsch hochbekommen sollte? Verwirrt starrte ich dem schlanken, hochgewachsenen Mann mit den grauen Augenbrauen und der Glatze unter der Wolverines-Cap nach.
»Hey, Tyler, bist du nachher bei der Phi-Gamma-Party dabei?«, fragte Chat und stopfte seinen Helm, den er heute beim Training gar nicht gebraucht hatte, in sein Schulterpad. Der Quarterback durfte nicht angegangen werden – die goldene Regel, egal, in welchem Team man spielte. Wer dagegen verstieß, flog raus und verlor eventuell sogar seinen Platz im Team. Je nach Laune des Coachs.
»Wahrscheinlich nicht. Ich werde mir die Spielzüge für das große Training noch mal anschauen.« Ich sagte es beiläufig, aber das Training, bei dem die endgültige Entscheidung über die Stammspieler getroffen wurde, war mir aktuell beinahe wichtiger als mein Studium.
»Komm schon, Mann, du kannst nicht immer nur lernen.« Chat lehnte sich zu mir rüber. »Die Mädchen aus der Verbindung stehen auf Footballspieler. Ein bisschen Ablenkung könnte dir nicht schaden.«
Ich winkte ab und deutete zur Kabine. »Lass mal, Chat, Ablenkungen kann ich gerade nicht gebrauchen.«
Der Quarterback zuckte mit den Schultern und wurde gleich darauf von zwei weiteren Spielern mitgezogen. »Dein Pech, Rookie.«
Kurz zögerte ich. Einen Abend den Kopf freizubekommen, wäre sicher mal wieder schön. Vielleicht nur für eine Stunde. Danach könnte ich immer noch lernen.
Ich griff meine Sachen und ging zur Umkleide. Auf dem Weg zurück zum Wohnheim klingelte mein Smartphone. Tyron. Ich schloss die Augen und seufzte. Dass er um diese Uhrzeit anrief, konnte nur eines bedeuten.
»Wie viel brauchst du diesmal?«, fragte ich ohne Begrüßung.
»Tyler, Bro«, hörte ich die verwaschene Stimme meines Bruders, der offenbar noch nicht ganz ausgenüchtert war. »Was geht?«
»Wie viel?«, wiederholte ich, da ich gleich von den anderen Spielern überholt werden würde. Sie sollten nicht mitbekommen, wie es in meiner Familie aussah. Wir waren nicht arm, aber Mom war mit vier Kindern allein zu Hause immer überfordert gewesen. Als Ältester hatte ich auf meine Geschwister aufgepasst, wenn sie und Dad arbeiten waren. Vor allem, da mein Dad nur alle paar Monate mal von der Bohrinsel nach Hause kam. Jetzt versuchte ich mich, so gut es ging, vom College aus zu kümmern, um sie zu entlasten.
»Nur zweihundert, um die Miete zu bezahlen. Bro, ich schwöre, ich besorg mir einen Job und zahle es dir zurück.«
Ich nahm das Handy ein Stück vom Ohr und presste die Lippen zusammen. Das Geld, das ich für den Sommertrip nach Florida mit Jackson, meinem Zimmergenossen, und Adam aus meinem Studiengang gespart hatte, würde dabei draufgehen. Um das auszugleichen, würde ich einige Extraschichten im Wolves schieben müssen. Zeit, die mir zum Lernen und Trainieren fehlen wird.
»Schon gut. Ich schick es dir nachher. Und Tyron«, schob ich leise hinterher, »mach keine krummen Sachen, um mir das Geld zurückzuzahlen. Irgendwann wird das schon werden.«
»Klar, Bro. Du bist der Beste!« Er legte auf, bevor meine Teamkameraden mich erreichten. Ich öffnete die Chat-Gruppe des Wolves.
Kann ich für irgendwen in nächster Zeit Schichten übernehmen?
Dann schob ich das Handy wieder zurück in meine Hosentasche und verließ das Trainingsstadion. Der Bus brauchte nur ein paar Minuten bis zum nördlichen Campusgelände, wo sich mein Wohnheim befand, und er wartete immer auf die Spieler des College-Football-Teams. Ich suchte mir einen Platz, schleuderte meinen Rucksack auf den Sitz neben mich und zog mein vibrierendes Smartphone hervor.
Ich könnte heute Abend einen Ersatz gebrauchen.
Meine Kollegin hatte noch einen Zwinkersmiley hinterhergeschickt. Vermutlich wollte sie auf die Phi-Gamma-Party gehen.
Gekauft
Aus dem hinteren Fach meines Rucksacks zog ich ein dünnes Heft und öffnete es bei dem Lesebändchen.
»Bro, wenn ich dich nicht damals mit Jolene im Keller erwischt hätte, würde ich denken, du bist schwul«, kommentierte Jacob mein selbst gestaltetes Bulletjournal. Er war groß genug, um über meine Schulter auf meine Beine zu sehen, wo ich das Journal ausgebreitet hatte.
»Einen Kalender zu pflegen, macht also Männer homosexuell?«, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue nach.
»Nur, wenn er SO aussieht.« Er deutete auf meine von Hand gezeichneten Kästchen, die jeweils genug Platz für die Termine des Tages boten und dazu noch Raum für kleine Fotos oder Erinnerungen ließen. Ich hatte Kritzelbilder daneben gemalt und sie mit Farben und Washitape akzentuiert, damit es nicht so trist aussah. »Bro, das ist so unmännlich.«
»Mir egal, solange ich pünktlich zu meinen Kursen und Trainings komme«, erwiderte ich und wandte mich wieder ab.
»Wenn’s hilft«, schnaubte Jacob und steckte sich In-Ears in die Ohren, ehe er sich zurücklehnte und aus dem Fenster starrte.
Wenigstens ließ er mich in Ruhe die Daten eintragen und korrigieren. Aus dem Plan, am Abend zu lernen, war jetzt eine Abendschicht im Wolves geworden. Der Rest der Woche war auch schon voll mit Kursen und Trainingseinheiten. Für das Studium des Playbooks blieb nur eine Nachtschicht. Entschieden trug ich diese für morgen nach meinem morgendlichen Lauftraining am Barton Pond ein.
Zufrieden schloss ich das Bulletjournal und verstaute es ordentlich im Rucksack. Es war nicht leicht, alles unter einen Hut zu bekommen, aber ich hatte ein Ziel und war entschlossen, es zu erreichen.
Ich knallte den Shaker auf den Tresen und klopfte noch zwei Mal darauf, ehe ich den Deckel abnahm und den Frauen vor mir ihre Piña Coladas einschenkte. »Bitte sehr, Ladys, genießen Sie Ihre Drinks.«
»Vielen Dank, Süßer«, sagte die Frau, die ich auf Anfang vierzig schätzte. Sie war mir im Club nie aufgefallen, vermutlich eine Ehemalige von Phi-Gamma, die sich nachher als Ehrengast auf der Party zeigen wollte. Sie zwinkerte mir zu und schob mir ihre Karte zu. Ihre Privatnummer stand darauf.
Bevor ich antworten konnte, winkte jemand am anderen Ende der zehn Meter langen Theke. »Sorry, Ladys. Bis später.«
»Das hoffe ich doch sehr«, rief sie mir hinterher.
Die Karte steckte ich in meine Hosentasche, nur um sie später unauffällig in den Müll zu werfen.
»Wieder ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst?« Samuel, der die Frühstückszeiten im Wolves betreute und manchmal abends aus reinem Vergnügen hier saß, sprach in bester Marlon-Brando-Manier mit mir.
»Ich kann ja nichts dafür, wenn die Frauen dem hier«, ich deutete an mir herunter, »nicht widerstehen können. Egal, welche Altersklasse.«
»Willst du nicht irgendwann mal darauf eingehen? Ich meine, schaden kann es nicht.«
»Nein.« Meine schlichte Antwort schien ihn nicht zufriedenzustellen, denn er sah mich weiterhin erwartungsvoll an. »Das ist einfach nicht mein Typ Frau.«
»Auf alten Schiffen lernt man segeln.« Sam zwinkerte mir zu.
»Danke, ich weiß, wie man ein Boot steuert«, entgegnete ich ruhig.
»Dein Ruder liegt aber schon länger auf dem Trockenen. Pass bloß auf, dass es nicht blockiert.« Sam studierte Literatur und konnte stundenlang in solchen Metaphern reden. Irgendwann wurde es mir meistens zu komplex, weil ich seinen Bildern nicht mehr folgen konnte, oder sie mir schlicht zu blöd oder sexistisch wurden. Also winkte ich ab und deutete auf den Tresen.
»Willst du was trinken oder über mein Sexleben reden?«
»Warum nicht beides? Ja, schon gut. Einen Strawberry Sparkles, bitte.«
»Kommt sofort.«
»Bringst du ihn mir an den Tisch? Meine Freunde sind gerade eingetroffen.« Sam winkte seinen Kumpels und verabschiedete sich an seinen üblichen Tisch. Solange kein VIP kam, belegte er dauerhaft die ruhigste Ecke mit Blick auf die Tanzfläche.
»Klar. Soll ich ihre Drinks auch direkt fertig machen?«
Sam nickte und schlängelte sich gleich darauf durch die Menge, die sich vor der Theke drängte, sodass man den grünen Boden, der an das Footballfeld im Stadion erinnern sollte, kaum mehr sah.
Das Wolves war ein Campus-Club, der durchgehend von morgens um neun bis nachts um vier geöffnet hatte. In den Stunden dazwischen wurde gereinigt. Ich klopfte auf den Tresen aus durchsichtigem Epoxidharz, in dem Repliken der Wolverine-Trophäen eingefasst waren, und ging zu der Mix-Station direkt neben der Bierzapfanlage.
Gedämpfte Musik drang aus den versteckten Lautsprechern, sodass man sich unterhalten konnte, ohne auf die Hintergrundbeschallung verzichten zu müssen. Ich bereitete die Drinks für Samuel und seine Freunde vor. Einen Strawberry Sparkles, einen Whiskey on the Rocks und ein Bier. Mit den drei Getränken in der Hand machte ich mich auf den Weg zu ihrem Tisch in der Ecke.
Da fiel mir eine junge Frau auf, die mit ihren Turnschuhen und dem offenen Flanellhemd, unter dem sie ein einfaches weißes Shirt und eine verwaschene Jeansshorts trug, nicht so recht in diesen Club passte. Auch wenn es keinen Dresscode gab, richteten sich die meisten Gäste doch her, um einen fantastischen Abend zu erleben.
Den Blick auf das Smartphone in der Hand gerichtet, marschierte sie direkt auf mich zu und prallte gegen mich, bevor ich ausweichen konnte.
Die Hälfte des knallroten, mit Crushed Eis gekühlten Strawberry Sparkles landete auf meinem schwarzen Shirt.
»Hey, pass doch auf!«, rief die Frau und zog die Augenbrauen zusammen. Ihre vollen Lippen kräuselten sich genervt und sie wischte mit einer Hand über ihre runde Brust, die ein paar Glitzerstreusel abgekriegt hatten. An irgendwen erinnerte sie mich, aber ich konnte nicht sagen, an wen.
»Wie bitte?«, fragte ich nach. »Du bist doch in mich hineingelaufen.« Die Kälte des Eises drang langsam durch mein Shirt auf meine Haut, doch ich konnte es nicht anheben, weil meine Hände damit beschäftigt waren, das Bier und die zwei Cocktails zu jonglieren. Wenigstens hatte ich kein Tablett genommen. In dem gut gefüllten Club stieß man viel zu häufig mit jemandem zusammen.
»Du arbeitest hier, da solltest du wissen, wo man langläuft«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf, als ob ich derjenige wäre, der einen Fehler gemacht hatte.
»Ja, schon gut, Karen«, sagte ich und schnaubte, ehe ich mich verbeugte und ihr den Weg frei machte.
»Das ist nicht mein Name.« Verwirrt sah sie mich an, ehe sie schließlich weiterging und sich allein am Tresen anstellte. Sollte sie in meinem Bedienbereich sein, würde ich sie extralange warten lassen.
Die Kälte an meinem Bauch sorgte für eine Gänsehaut, weswegen ich die Getränke abstellte und schnell in den Personalraum neben der Theke schlüpfte. Wie gut, dass ich immer auf alles vorbereitet war. Ich riss mir das nasse Shirt vom Körper und kramte in meinem Rucksack nach dem Ersatzoberteil. Hastig zog ich es über und kehrte hinter den Tresen zurück. Sofort suchte ich nach der Frau, die in mich reingelaufen war. Sie stand zwei Meter von mir entfernt und starrte auf ihr Handy. Diesmal musterte ich sie länger. Ihre hellbraunen Haare fielen in natürlichen Locken über ihre Schulter. Sie trug zwei dieser Retro-Freundschaftsarmbänder um ihr Handgelenk geflochten, eines in Regenbogenfarben, das andere in Schwarz. Sie war attraktiv, auch wenn sie sicher nicht dem Schönheitsideal eines Vernon entsprach. Für meinen Teamkameraden musste eine Frau schlank, blond und – wenn ich mir seine bisherigen Eroberungen so anschaute – ein bisschen anstrengend sein. Alles Attribute, die mir egal waren, solange es mit meiner Partnerin nicht langweilig wurde. Einer der Gründe, warum mein Boot tatsächlich schon eine Weile auf dem Trockenen lag, wie Sam es so bildlich beschrieben hatte. Die meisten Frauen, die ich traf, redeten mir einfach nach dem Mund, weil ich vielleicht bald Kontakte ins Team hatte und sie durch mich die Stars der Wolverines kennenlernen wollten.
Sie hingegen hatte weibliche Rundungen, trug schlichte, bequeme Klamotten und war recht dezent geschminkt für einen Abend im Club. Sie sah nicht gerade danach aus, als wäre sie im Wolves, um einen Quarterback aufzureißen.
»Tyler, komm schon. Die Drinks mixen sich nicht von allein!«, rief meine Kollegin und winkte mich zu sich.
Ich nickte ihr zu und wandte mich von der Fremden ab.
Robin
Die alte Treppe knarrte unter meinen Schritten, als ich nach meiner ersten Nacht im Haus meines Vaters nach unten stapfte. Murphy hatte die halbe Nacht mit dem Panzer gegen das improvisierte Terrarium geschlagen, weil er sich noch nicht an die Enge gewöhnt hatte. Bis seine Wunde an der Flosse verheilt war und ich ihn wieder aussetzen konnte, musste er sich damit leider arrangieren. Danach würde er im Barton Pond, draußen im Westen von Ann Arbor, ein neues Zuhause finden.
Verschlafen rieb ich mir die Augen und starrte auf die Uhr im Wohnzimmer. Halb neun. So lange hatte ich schon ewig nicht mehr geschlafen. Lag das jetzt daran, dass ich gestern Abend noch bis beinahe Mitternacht mit Amy, meiner Freundin aus Kindertagen, im Wolves über die alten Zeiten geplaudert hatte? Oder wollte mir mein Körper damit signalisieren, dass ich mich hier, trotz allem, wohlfühlte?