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Willkommen im bezaubernden Hazelwood - die New Adult-Entdeckung des Sommers!
Für Charlie ist die Schmetterlingsfarm ihrer Eltern in den Wäldern Tennessees der schönste Ort der Welt. Deshalb zerreißt es ihr das Herz, als die Farm vor dem Ruin steht. Notgedrungen bricht sie ihr geliebtes Studium ab und kehrt nach Hause ins malerische Hazelwood zurück. Aber als sie dort ankommt, trifft sie auf die neue Aushilfe, die ihr Vater engagiert hat: Der mürrische Nate ist vorbestraft und soll auf der Farm eine zweite Chance bekommen. Obwohl Charlie und Nate sich zunächst nicht ausstehen können, ist da dieses Prickeln zwischen ihnen. Doch je näher sich die beiden kommen, desto mehr stellt Nates düstere Vergangenheit Charlies Vertrauen auf eine harte Probe. Und während sie versucht, sich Nate aus dem Kopf zu schlagen, hat sich ihr Herz längst entschieden …
Für alle, die diese Tropes lieben:
Grumpy x Sunshine
Opposites Attract
Forbidden Love
Small Town
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Seitenzahl: 511
Veröffentlichungsjahr: 2025
Für Charlie ist die Schmetterlingsfarm ihrer Eltern in den Wäldern Tennessees der schönste Ort der Welt. Deshalb zerreißt es ihr das Herz, als die Farm vor dem Ruin steht. Notgedrungen bricht sie ihr geliebtes Studium ab und kehrt nach Hause ins malerische Hazelwood zurück. Aber als sie dort ankommt, trifft sie auf die neue Aushilfe, die ihr Vater engagiert hat: Der mürrische Nate ist vorbestraft und soll auf der Farm eine zweite Chance bekommen. Obwohl Charlie und Nate sich zunächst nicht ausstehen können, ist da dieses Prickeln zwischen ihnen. Doch je näher sich die beiden kommen, desto mehr stellt Nates düstere Vergangenheit Charlies Vertrauen auf eine harte Probe. Und während sie versucht, sich Nate aus dem Kopf zu schlagen, hat sich ihr Herz längst entschieden …
Weitere Informationen zu Ann-Kathrin Falkenberg
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Ann-Kathrin Falkenberg
Roman
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Originalausgabe März 2025
Copyright © 2025 by Ann-Kathrin Falkenberg
Copyright © dieser Ausgabe 2025
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Textbaby Medienagentur, www.textbaby.de.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Covermotiv: www.shutterstock.com / Shebeko / Purple _Mangoose / Phatthanit / Bilal0833 / kakteen
Gestaltung der Innenklappe: Ecem Üzüm @stories.by.blue
Redaktion: Beate De Salve
ES · Herstellung: ik
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-32746-0V001
www.goldmann-verlag.de
Für Mama, Papa & Opi
Und für Omi. Ich hoffe, da, wo du jetzt bist, weißt du, dass ich es geschafft habe.
»Da drüben kommt er.« Trevors Stimme durchschnitt die Stille wie ein scharfes Messer. »Denk daran: Wir haben nur ein Zeitfenster von fünf Minuten.«
So klar wie jetzt hatte ich ihn schon lange nicht mehr erlebt. Aber das musste er auch sein. Wenn das hier schiefging, waren wir dran. Diesmal endgültig.
Das Adrenalin pulsierte in meinen Adern, während wir im Halbdunkeln hinter einem Wagen kauerten, der schon seit dem vergangenen Abend auf dem Parkplatz stand. So wie jedes Mal empfand ich eine aufregende Mischung aus Spannung und Angst.
Von einer verlässlichen Quelle wusste Trevor, dass die Geldboten der Bank of Tennessee wöchentlich eine Lieferung von einer der größten Malls in der Stadt abholten. Das geschah um sieben Uhr abends, sodass der Transporter gegen acht Uhr wieder auf das Gelände der Bank fuhr. Jetzt war es zehn vor acht, was bedeutete, dass alles planmäßig verlief.
Wir hatten uns genau diesen Standort der Bank of Tennessee ausgesucht, da er sich in einer der ruhigeren Ecken der Stadt befand, in der abends wenig los war. Ein gewisses Risiko barg diese Aktion natürlich trotzdem. Schon allein, weil die Männer bewaffnet waren.
Unsichtbar in der Dunkelheit des Verstecks beobachteten wir, wie der Wagen auf den Parkplatz fuhr und auf die Hintertür zusteuerte, an der die Geldübergabe stattfand. Der Ablauf war stets der gleiche: Die uniformierten Geldboten waren zu zweit unterwegs und übergaben die Geldkassetten an den diensthabenden Bankmitarbeiter.
Es musste alles über die Bühne gehen, bevor die beiden bemerkten, dass etwas nicht stimmte. Noch wussten sie nicht, dass Trevor den zuständigen Bankmitarbeiter schon vor einer halben Stunde, nachdem die Filiale geschlossen hatte, überwältigt und gefesselt hatte. Er würde ihnen die Tür nicht aufmachen.
Zuerst stieg der Fahrer aus dem Transporter. Er sah sich auf dem verlassenen Parkplatz um, bevor er auf das Bankgebäude zusteuerte. Dann sprang der andere Uniformierte vom Beifahrersitz, öffnete die Schiebetür des Wagens und machte sich daran, die Geldkassetten im Innenraum vorzubereiten.
Trevor und ich wechselten einen kurzen Blick.
Jetzt!
Ich zog mir die Kapuze meines dunklen Pullovers ins Gesicht und griff nach der Waffe, die zwischen Gürtel und Hose klemmte. Trevor würde sich um den Kerl an der Tür kümmern, während ich mir seinen Partner am Wagen vorknöpfte.
Mit lautlosen Schritten schlich ich mich von hinten an den Uniformierten heran. Dann drückte ich ihm so schnell die Knarre gegen den Rücken, dass er nicht rechtzeitig reagieren konnte.
»Ein Wort und ich mach dich kalt!«
Der Mann versteifte sich, und ich erhöhte den Druck der Waffe. »Hinlegen! Hände hinter den Kopf!«
Dass etwas gewaltig schieflief, merkte ich erst, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie Trevor an uns vorbeisprintete.
»Lauf!«, brüllte er mir noch zu, aber da war es schon zu spät.
»Ich glaub’s nicht! Charlie!«, rief Helena Davis, die hinter mir an die Kasse geeilt kam.
Ich zuckte zusammen. War es nicht schon schlimm genug, dass mich auf dem Weg in den Supermarkt alle Einwohner von Hazelwood angestarrt hatten, als würden sie mich nicht schon mein ganzes Leben lang kennen? Nun waren auch noch die Augen aller umstehenden Supermarktbesucher auf mich gerichtet.
Sicher, in einer Kleinstadt wie Hazelwood sorgte jeder, der einmal weggezogen war und wieder zu Besuch kam, für Aufsehen. Aber irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass diesmal mehr hinter den neugierigen Blicken steckte.
»Was machst du denn hier?« Aufmerksam musterte Helena mich. Sie war eine stadtbekannte Klatschtante und ließ mir keine Zeit zu überlegen, wie ich sie abspeisen konnte, ohne unhöflich zu sein. »Deine Eltern haben gar nicht erwähnt, dass du nach Hause kommst. Was für eine schöne Überraschung. Es ist doch eine Überraschung?«
Innerlich stöhnte ich. Als Dad gesagt hatte, dass er und Mom meine Rückkehr »nicht an die große Glocke gehängt« hatten, hatte ich nicht erwartet, dass buchstäblich niemand davon wusste.
»Ja, sozusagen.«
»Wunderbar. Ed und Lucy lassen im Moment so wenig von sich hören, aber das ist ja kein Wunder, nachdem Caleb Hals über Kopf die Stadt verlassen hat. Eine fürchterliche Geschichte.«
Die Erwähnung meines Bruders versetzte mir einen Stich, und ich wünschte mir inständig, dass ich nach meiner Ankunft heute Morgen schon Zeit gehabt hätte, vernünftig mit meinen Eltern zu sprechen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Helena sich die Waschmittelflasche, die sie eben in der Hand gehalten hatte, an die Brust drückte und mich mit sorgenvoller Miene musterte. Es war keine aufrichtige Sorge. Bestimmt freute sie sich insgeheim darüber, dass es endlich wieder etwas gab, worüber sie sich das Maul zerreißen konnte.
»Jetzt frag das Kind doch nicht so aus«, forderte Barb, die an der Kasse saß. »Wenn es etwas Neues gibt, wirst du es sicher früh genug erfahren.«
Ich lächelte dankbar in ihre Richtung, woraufhin sie mir zuzwinkerte.
»Na, mein Schatz«, flötete Barb, während sie eine Tüte Chips scannte und anschließend in eine Papiertüte steckte. »Geht’s dir gut?«
»Na klar«, brachte ich mit einem Lächeln heraus. »Und dir?«
»Ach, du weißt ja, wie es ist. Irgendwelche Wehwehchen hat man immer. Zumindest, wenn man den ganzen Tag auf seinem dicken Hintern sitzt, so wie ich. Aber ich habe mich jetzt bei WeightWatchers angemeldet.« Sie klopfte sich mit einer Hand auf den Bauch, der sich unter ihrem T-Shirt abzeichnete. »Deine Mutter macht auch mit.«
Ich nickte, als wüsste ich das bereits, obwohl ich gerade zum ersten Mal davon hörte, dass Mom sich dort angemeldet hatte.
Als ich wenig später den Einkaufswagen mit den gefüllten Tüten auf den Ausgang zusteuerte, nahm ich neben mir eine Bewegung wahr, die mich innehalten ließ.
»Charlie, wie schön, dich zu sehen!«
Joe, der Ladenbesitzer und ein alter Freund meines Vaters, stand neben mir. Seine ohnehin schon runzelige Stirn lag in Falten, und die gräulichen Haare, die jedes Jahr weniger zu werden schienen, waren nach hinten gekämmt. Vermutlich, um die Halbglatze zu verdecken, die er unweigerlich bekam.
»Hi, Joe«, sagte ich, da schob er mich bereits am Arm ein Stück zur Seite.
»Habe deinen Vater länger nicht gesehen.« Er sah mir forschend in die Augen, als würde er dort Antworten auf Fragen finden, die er anscheinend hatte.
Weil ich seinem bohrenden Blick nicht mehr standhalten konnte, senkte ich meinen und betrachtete übertrieben genau die weiß lackierten Fußnägel, die in meinen braunen Sandalen steckten.
»Momentan ist viel zu tun.« Die Worte kamen wie von selbst über meine Lippen, obwohl ich gar nicht genau wusste, was bei meinen Eltern los war. Ich hatte gerade erst auf ihr Drängen die zweistündige Zugfahrt auf mich genommen, um von der Uni schnellstmöglich nach Hause zu kommen.
Joe seufzte und kratzte sich am Kinn. »Habe noch ein paar Dinge mit ihm zu besprechen, weißt du?«
Ich nickte stumm, während ich den Ring an meiner rechten Hand hin- und herdrehte. Dann trafen sich unsere Blicke.
»Tust du mir einen Gefallen und erinnerst ihn daran?«
Ich nickte ergeben, bevor ich mich in meinen Wagen setzte und nach Hause zum Mittagessen fuhr.
»Wir können es uns im Moment nicht leisten, dass du weiter studierst, Charlie.« Mein Vater warf mir einen flüchtigen Blick zu, bevor er wieder seine Gabel betrachtete, mit der er gerade eine Kartoffel aufspießte.
Mir war schon vor Minuten der Appetit vergangen, also legte ich mein Besteck mit vor Wut zitternden Fingern auf dem Teller ab. »Das ist der Grund, weshalb ich herkommen sollte?«
Dad seufzte. »Tut mir leid, Charlie.«
»Es tut dir leid?« Meine Stimme klang zwei Oktaven höher als normal. »Du zwingst mich, mitten im Semester mein Studium zu pausieren, auf das ich so lange hingearbeitet habe und in dem ich wirklich richtig gut bin, und das ist alles?«
»Vielleicht kriegen wir das bis zum nächsten Semester wieder hin.«
Meine Mutter lachte schrill auf. »Das glaubst du doch selbst nicht!«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu.
In scharfem Kontrast zu der düsteren Stimmung hier drinnen strahlte der Himmel draußen in einem tiefen Blau, und obwohl es erst Mai war, kratzte das Thermometer schon an der Dreißig-Grad-Marke. Die Tür zur Veranda war geöffnet, aber es wehte kein Lüftchen, und die stickige, warme Luft im Raum sorgte dafür, dass sich Schweißperlen auf meiner Oberlippe bildeten.
»Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn.« Ich strich mir eine blonde Strähne aus der Stirn, während mein Herz unangenehm schnell pochte. »Das Semester ist schon bezahlt, genauso wie mein Zimmer im Wohnheim.«
Mom räusperte sich, sah mich jedoch nicht an. Stattdessen richtete sie den Blick auf Dad. »Tja, Ed. Erzähl deiner Tochter doch mal die ganze Geschichte.«
Meine Augen huschten zu meinem Vater, der sich ein Stück in seinem Stuhl aufrichtete. Sein Kopf war rot angelaufen, ich war mir nur nicht ganz sicher, ob es wegen der Hitze oder Moms spitzer Bemerkung war. Dass zwischen meinen Eltern eine angespannte Atmosphäre herrschte, war zwar nichts Ungewöhnliches, aber heute war es schlimmer als sonst.
»Welche Geschichte meinst du?«, fragte ich irritiert.
»Die Schmetterlinge, das Restaurant … Wir schaffen das alles nicht mehr. Ich brauche dich hier, sonst geraten wir immer weiter ins Minus«, erklärte Dad, während er auf einen Punkt hinter mir starrte. »Und jetzt, wo Caleb weg ist …«
»Wieso ist er weg?«, wollte ich wissen.
Mein älterer Bruder hatte nach seinem Abschluss für eineinhalb Jahre bei Dad gearbeitet und hätte eigentlich zum Spring Semester sein Design-Studium beginnen sollen. Stattdessen hatte er mir im Januar eine kurze SMS geschickt, dass er nicht nach Knoxville ziehen würde und eine Weile Abstand bräuchte. In den letzten Monaten hatte ich ihn unzählige Male angerufen, aber er meldete sich nur in Form von kurzen Textnachrichten zurück.
»Die beiden hatten Streit. Du weißt doch, wie sie sind.« Meine Mutter rutschte unruhig auf ihrem Stuhl umher.
»Ja, aber sonst verschwindet Caleb nach einem Streit nicht spurlos, oder? Worum ging es denn?«
Mein Vater stand so ruckartig vom Tisch auf, dass das Geschirr darauf klapperte.
»Ed«, ermahnte Mom ihn.
»Das tut nichts zur Sache. Fakt ist, dass dein Bruder weg ist«, brummte er. »Und deshalb schaffen wir es nicht ohne dich. Ich musste Frank und Nora entlassen, weil wir uns die zusätzlichen Kosten nicht mehr leisten konnten. Also brauchen wir jemanden, der sich um die Schmetterlinge kümmert und die Führungen macht. Es wäre gut, wenn du das übernimmst. Außerdem benötigen wir Unterstützung im Restaurant, weshalb wir eine …«
Er machte eine Pause und warf meiner Mutter einen Blick zu, den ich nicht so recht deuten konnte.
»… eine Hilfskraft bekommen«, beendete er dann seinen Satz.
Mom lachte kurz, ehe sie ebenfalls aufstand und mit ihrem Teller den Tisch verließ. »Das ist eine Möglichkeit, es zu beschreiben.«
Irritiert sah ich von meinem Vater zu meiner Mutter und wieder zurück.
»Dein Vater holt uns einen Kriminellen ins Haus.«
Dad stöhnte und ging unruhig im Raum auf und ab. »Sei nicht so dramatisch, Lucy.«
Meine Augen weiteten sich. »Dad?«
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft wandte er sich mir wirklich zu und sah mich direkt an, ohne den Blick sofort wieder abzuwenden. »Er ist zwar ein junger Straftäter, nimmt aber an einem offiziellen Programm der Regierung teil. Er ist nicht gefährlich oder so.«
Dad hob beide Hände, bevor er wieder ein paar Schritte durch den Raum machte. Er wirkte gehetzt, aber wirkliches Mitleid konnte ich trotzdem nicht für ihn empfinden – dafür war ich viel zu schockiert.
»Hör zu«, fuhr er fort und drückte sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken. »Alan Miller hat auch schon jemanden aus diesem Projekt eingestellt.« Alan war ein alter Schulfreund meines Vaters, der in Nashville lebte. »Es geht darum, dass Menschen, die straffällig geworden sind, für einen gewissen Zeitraum in Firmen untergebracht werden.«
»Für sechs Monate«, warf Mom ein.
»Für sechs Monate«, echote Dad. »Anstelle von einem Gefängnisaufenthalt arbeiten sie die Strafe sozusagen ab. In einem Unternehmen, das die Hilfe gut gebrauchen kann. So wie unseres. Alan war jedenfalls begeistert von seinem … äh, Mitarbeiter.«
Es reichte wohl nicht, dass meine Eltern Geldprobleme hatten, von denen ich erst jetzt erfuhr und wegen derer ich aus meinem Studium gerissen wurde. Jetzt sollte ich auch noch mit einem Straftäter unter einem Dach wohnen? Das wurde ja immer besser!
»Was hat er verbrochen?«
»Tja … also …«, stammelte mein Vater. »Bewaffneter Raubüberfall. Sein Sozialarbeiter hat mir von dem Vorfall erzählt. Eigentlich wurde er zu dieser Sache nur angestiftet.«
»Ach, wenn’s weiter nichts ist …« Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du erwartest doch nicht ernsthaft von uns, dass wir mit diesem Typen in einem Haus schlafen, oder?«
Dad seufzte. »Er ist schließlich kein Mörder oder so.«
»Ach so, Dad. Das beruhigt mich vollkommen«, fauchte ich. »Dann müssen wir ja keine Angst haben, dass er nachts in unser Zimmer kommt und uns die Kehle aufschlitzt.«
Dad lachte leise, wich meinem Blick aber aus und kratzte sich am Hinterkopf. »Du übertreibst aber auch.«
»Außerdem«, erklang Moms Stimme, als sie sich wieder zu uns umdrehte, »habe ich schon dafür gesorgt, dass er dazu keine Gelegenheit hat.«
»Der kleine Wohnwagen, der draußen steht«, erklärte Dad und machte eine Handbewegung Richtung Haustür.
»Den Wagen haben wir uns von Barb geliehen. So muss dieser Mensch sich wenigstens nicht nachts hier drin aufhalten.« Mom schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, aber es erreichte ihre Augen nicht.
Dad räusperte sich. »Wir hängen das nicht an die große Glocke. Also behalt es bitte für dich, okay?«
»Und du meinst nicht, dass es den Leuten auffallen wird, wenn plötzlich ein Straftäter in der Stadt spazieren geht?«
»Er wird nicht im orangefarbenen Overall herumlaufen, Charlie.«
Ich schnaubte. »Aber er soll im Restaurant aushelfen, oder wie hast du dir das vorgestellt?«
»Dass er neu bei uns anfängt, ist ja kein Geheimnis. Er ist einfach ein entfernter Cousin aus Nashville, der mal ein bisschen Landluft schnuppern will.«
Ich schwieg, während vor meinem inneren Auge das Bild eines volltätowierten, muskulösen Mannes mit düsterem Blick und gefährlicher Ausstrahlung erschien. Wenn der Typ wirklich so aussah, wie ich ihn mir vorstellte, würde sich jeder hier denken können, dass er nicht mein Cousin war.
»Verstanden?«
Widerwillig nickte ich. Meinen besten Freunden Rile und Amy würde ich trotzdem davon erzählen, so viel stand fest.
»Ich fahre wieder ins Restaurant. Und nachher muss einiges vorbereitet werden«, verkündete Dad. »Für morgen.«
»Was ist morgen?«
»Morgen Nachmittag reist er an, der …« Mom machte eine Pause und malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. »… nette junge Mann.«
»Was? Morgen schon?«
Ohne etwas dazu zu sagen, verließ Dad den Raum und ließ uns allein in der Küche zurück.
»Das isst du wohl nicht mehr?« Mom stand plötzlich neben mir und wollte nach dem Teller vor mir greifen, auf dem immer noch der Großteil des Auflaufs lag. Doch ich umklammerte ihn mit beiden Händen und sah mit verengten Augen zu ihr hoch.
War das ihr Ernst? Wollte sie jetzt wirklich so tun, als wäre nichts gewesen?
Nun ja, es wäre nicht das erste Mal. Wie oft war es in den letzten Jahren vorgekommen, dass meine Eltern sich gestritten hatten und Dad für ein paar Stunden abgehauen war, während Mom so getan hatte, als sei alles in bester Ordnung?
Mein Vater war eher wortkarg und ging Konflikten aus dem Weg, während meine Mutter versuchte, Probleme zu überspielen. Ich kam wahrscheinlich nach Grandma, denn die hatte immer geradeheraus gesagt, was sie dachte.
»Also ist das wirklich in Ordnung für dich?«, wollte ich wissen.
»Was willst du von mir hören, Charlie?« Mom seufzte. »Dass es mir unangenehm ist, dass dein Vater die Rechnungen nicht bezahlen kann und sämtliche Leute in der Stadt es mitbekommen, weil er bei Joe, bei der Tankstelle und was-weiß-ich-wo anschreiben lässt?«
Eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, und fast bereute ich, gefragt zu haben. Fast.
»Oder dass ich mich schlecht fühle, weil dein Vater dich aus Nashville zurückgerufen hat? Denn das tue ich. Ich finde es auch schrecklich, dass wir gezwungen sind bei diesem …« Sie hielt kurz inne. »… Projekt mitzumachen. Aber wenn wir dadurch Hilfe bekommen und du früher zurück an die Uni kannst, dann soll es mir recht sein. Schlimm genug, dass …«
Ihre Stimme brach, und ich erhob mich wie auf Kommando von meinem Stuhl. Sie räusperte sich geräuschvoll.
»Schlimm genug, dass dein Bruder nicht ans Telefon geht, wenn ich ihn anrufe«, brachte sie ihren Satz dann zu Ende. »Und dass keiner von den beiden mit mir darüber spricht.«
»Ach, Mom.« Ich breitete die Arme aus und zog meine Mutter in eine feste Umarmung.
So standen wir für ein paar Sekunden regungslos in der Küche – beide in dem Wissen, dass die jeweils andere diese Nähe brauchte. Und tatsächlich: Obwohl ich schon seit heute Morgen in Hazelwood war, fühlte es sich erst jetzt, als mir ihr vertrauter Geruch nach Waschmittel und Lavendel in die Nase stieg, wirklich wie Nachhausekommen an.
Nachdem ich mich wieder von ihr gelöst hatte, grinste ich meine Mutter an. »Und du hast dich bei WeightWatchers angemeldet?«
Sie setzte ein schiefes Lächeln auf. »Na ja, wenn wir uns das jetzt noch leisten können …«
»Hi, hier ist Caleb. Entweder ich habe gerade keine Zeit oder keine Lust ranzugehen. Ihr kennt das Spiel – hinterlasst ’ne Nachricht.«
Beim Abhören von Calebs Voicemail-Ansage durchfuhr mich eine so ungeheure Wut, dass ich am liebsten den Blumenkübel vor mir umgetreten hätte. Was dachte er sich überhaupt? Er machte sich aus dem Staub, ließ alles zurück, und an seiner Stelle saß nun ich mit unseren Eltern fest.
Und nicht nur mit ihnen – bald würde sich ein Fast-Knacki dazugesellen. So etwas konnte man sich nicht mal ausdenken!
Für einen Moment wollte ich mich dem Bedürfnis hingeben, schon wieder eine wütende Nachricht an meinen Bruder zu tippen, doch dann ließ ich es sein. Bereits heute Morgen hatte ich ihm geschrieben, wie enttäuscht ich von ihm war, und nicht einmal daraufhin hatte er sich gemeldet.
Ich ging an einer Reihe Flammenblumen vorbei und ließ meinen Blick über die Pflanzen wandern. Hier und da saß ein Schmetterling auf einer der roten Blüten oder einem Blatt.
Schon immer war ich am liebsten ins Schmetterlingshaus gegangen, wenn ich nachdenken musste. Der anmutige Flügelschlag der Schmetterlinge und ihre faszinierenden Farben wirkten einfach beruhigend auf mich – besonders außerhalb der Öffnungszeiten, so wie jetzt, wenn abgesehen von mir keine Menschenseele hier war.
Als ich stehen blieb, fiel mir ein besonders schönes Exemplar auf: ein Himmelsfalter, der nur wenige Meter neben mir auf einem Blatt gelandet war. Langsam, ganz langsam, ging ich in die Hocke, um ihn nicht zu verschrecken.
»Hey, mein Kleiner«, murmelte ich und betrachtete seine blauen Flügel.
Als würde er mich ebenfalls begrüßen wollen, machte er einen Flügelschlag, bevor er wieder regungslos auf seinem Rastplatz verharrte.
Ich liebte Schmetterlinge. Schon als Kind war ich fast täglich hier gewesen, lange bevor mein Vater den Butterfly Garden von meinen Großeltern geerbt hatte. Als Grandpa ihn in den Siebzigern eröffnet hatte, war der Schmetterlingsgarten einer der ersten im ganzen Bundesstaat gewesen und hatte sich entsprechend innerhalb weniger Monate zur Touristenattraktion gemausert.
Heute hatten wir mit einhundertzwanzig unterschiedlichen Arten und über eintausend Schmetterlingen in verschiedenen Farben, Größen und Formen zwar mehr zu bieten als damals, aber leider war auch die Konkurrenz größer geworden. In Tennessee gab es mittlerweile eine Handvoll Schmetterlingsfarmen. Einige von ihnen beherbergten neben Schmetterlingen weitere Insekten, andere warben sogar mit exotischen Tieren.
Den Menschen reichte es heutzutage nicht, den Schmetterlingen nahe sein zu können und mehr über diese besonderen Tiere zu erfahren. Deshalb hatten Caleb und ich bereits im vergangenen Jahr versucht, unseren Vater davon zu überzeugen, dass wir uns weiterentwickeln mussten, doch Dad war der Meinung gewesen, dass das nicht notwendig sei …
Außer dem Schmetterlingsgarten am Rande der Stadt besaßen wir noch den Hazelwood Grill direkt an der Main Street, und damals war Dad noch davon überzeugt gewesen, dass beides zusammen genug Geld einbrachte. Offensichtlich hatte er nicht recht behalten.
»Dein Vater meint es gut, aber er ist nicht dazu geboren, ein Unternehmen zu führen«, hatte Grandma früher oft zu mir gesagt.
Jetzt erkannte ich, wie recht sie damit gehabt hatte.
Während ich einen tiefen Atemzug der feuchtwarmen Luft nahm, ließ ich meinen Blick über das bunte Blumenmeer aus Nektarpflanzen gleiten, das sich links und rechts vom Weg neben mir auftat. Dazwischen ragten vereinzelt große Palmen empor, die einem an einigen Stellen den Eindruck vermittelten, man würde sich wirklich in den Tropen aufhalten. Aber je weiter ich durch den Tropengarten schritt, desto weniger nahm ich meine Umgebung wahr. Tränen verschleierten mir die Sicht.
Wie automatisch wanderten meine Gedanken zu dem kostbarsten Gegenstand, den ich besaß. Nicht nur wegen seines tatsächlichen, sondern vielmehr wegen seines emotionalen Werts: meine Kamera. Eine Spiegelreflexkamera, die meine Großmutter mir in meinem letzten Highschool-Jahr geschenkt hatte, nachdem ihr klar geworden war, dass ich das mit dem Fotografie-Studium wirklich durchziehen würde. Ein Jahr, bevor sie an Krebs gestorben war.
Obwohl ich normalerweise einen großen Teil des Tages damit verbrachte, neue Fotoideen zu entwickeln und umzusetzen, stand die Kameratasche momentan unangetastet in meinem alten Kinderzimmer, denn anstelle der üblichen Euphorie spürte ich gerade nur Leere in mir. Wahrscheinlich sollte ich mich an dieses Gefühl gewöhnen, schließlich wusste niemand, wann ich zurück an die Uni konnte – oder ob es überhaupt jemals wieder möglich sein würde, weiterzustudieren.
Erst als meine Wangen sich feucht anfühlten, bemerkte ich, dass mir die Tränen mittlerweile das Gesicht herunterliefen. Es war ein stummes, verzweifeltes Weinen, bei dem kein Laut meinen Mund verließ.
Während ich über den unebenen Steinboden lief, der die Besucher vom Eingang des Butterfly Garden zu dessen Ausgang führte, versuchte ich zwei weitere Male, Caleb zu erreichen. Erfolglos.
Nach einer Weile hielt ich abrupt an, weil mir einfiel, warum ich hier war. Ich steckte das Handy in meine Hosentasche und wischte mir über das Gesicht, um die Reste der Tränen loszuwerden. Wenn ich schon in Hazelwood feststeckte, würde ich wenigstens das Beste daraus machen.
Ich kletterte über eine der Absperrungen, die den Weg von den Pflanzen trennte. Mit einem leisen Seufzen ging ich in die Knie und hockte mich zwischen zwei Farnen neben einen Baumstumpf. Dann holte ich die Dose mit den vier braunen Bananen und das Messer aus meiner Tasche, das ich von zu Hause mitgenommen hatte, bevor ich das Obst der Länge nach halbierte und die Hälften mit der Schale nach unten auf der unebenen Fläche platzierte.
Schmetterlinge liebten alles, was süß war, weshalb wir für die Tiere täglich überreifes Obst als Futter bereitstellten. Wenn Klassen mit jüngeren Schülerinnen und Schülern zu uns kamen, waren die Kinder immer fasziniert davon, dass Schmetterlinge sich nicht ausschließlich von Nektar ernährten, und beobachteten sie gebannt dabei, wie sie auf den fauligen Bananen hockten, um mit ihrem Saugrüssel den Saft zu trinken.
Besonders für die Kleinen war der Besuch des Butterfly Garden ein Highlight. Hier hatten sie nicht nur die Möglichkeit, die Schmetterlinge in der Halle zu beobachten, sondern konnten auch alle ihre Entwicklungsstadien sehen: von den Raupen in den Terrarien über die Puppen in unseren Raupenkästen bis hin zu den Schmetterlingen, die hier überall herumflatterten.
Während ich auf dem Boden kauerte und dabei zusah, wie die ersten Falter neben mir landeten, breitete sich eine angenehme Ruhe in mir aus. Wie immer hatte dieser Ort eine entspannende Wirkung auf mich – selbst nach dem aufwühlenden Gespräch mit meinen Eltern und allem, was ich dabei erfahren hatte.
Unzählige Male war ich früher mit Grandma hier gewesen, denn ich hatte unsere gemeinsame Zeit geliebt. Besonders die Geschichten, die sie mir erzählt hatte – über die Schmetterlinge und über das Leben. Wie oft hatte sie zu mir gesagt, dass Menschen genauso wie Schmetterlinge waren. Dass sie nicht sofort fliegen konnten, weil sie vorher eine Entwicklung durchlaufen mussten. Als ich dann nach Nashville gezogen war, um dort zu studieren, wusste ich, dass sie recht gehabt hatte, denn seitdem fühlte es sich für mich so an, als wären mir Flügel gewachsen.
Das Vibrieren des Handys riss mich aus meinen Gedanken. Das musste Caleb sein! So schnell ich konnte, zog ich das Telefon aus der Hosentasche.
Für ein paar Augenblicke starrte ich Riles Namen so intensiv an, als würde er sich irgendwann in »Caleb« verwandeln, wenn ich nur lange genug hinsah. Doch natürlich passierte das nicht.
Ich seufzte und überlegte, ob ich überhaupt rangehen sollte, denn wie ich meinen besten Freund kannte, würde er sich bestimmt nicht mit Halbwahrheiten abfertigen lassen. Doch dank der Nachricht, die ich ihm gestern Abend geschickt hatte, wusste er, dass ich hier war, und wenn ich ihn ignorierte, würde er mit Sicherheit noch heute vor der Tür stehen. Also drückte ich auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.
Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, brüllte er mir förmlich vom anderen Ende der Leitung entgegen. »Wo bist du?«
»Hallo, Rile! Freut mich auch, von dir zu hören.«
»Lass den Mist. Ich will sofort wissen, was passiert ist. Ist jemand verletzt?«
Gestern Abend hatte ich ihm und meiner besten Freundin Amy in zwei kurzen Sätzen mitgeteilt, dass ich wegen eines Notfalls zu Hause am nächsten Morgen den ersten Zug nach Hazelwood nehmen würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich selbst noch nicht genau gewusst, worum es ging.
»Ach, es ist halb so wild«, sagte ich, um einen lockeren Tonfall bemüht.
»Charlie, willst du mich verarschen? Ein Notfall, wegen dem du von einem Tag auf den anderen sofort nach Hause kommen musst, soll halb so wild sein?«
»Ich kann’s dir am Telefon nicht erklären. Aber …«
»Bist du zu Hause?«, unterbrach mich Rile. »Gib mir fünf Minuten, dann komme ich vorbei.«
»Nein«, sagte ich schnell.
Ich wusste nicht, warum, aber irgendwie war ich müde und hatte keine Lust, darüber zu reden. Nicht mal mit ihm. Vielleicht lag es daran, dass sich das Ganze irgendwie realer anfühlen würde, wenn ich es laut aussprach.
Außerdem hoffte ich insgeheim, meinen Eltern nachher weiter auf den Zahn fühlen zu können. Bei Dad war das gar nicht so einfach, denn er war generell ein schweigsamer Mensch – ganz besonders, wenn es um Gefühle ging.
Als Kind hatte ich immer geglaubt, dass alle Männer so waren: emotional unnahbar, wortkarg … Aber dann war Caleb zu einem sehr einfühlsamen Mann herangewachsen, und ich hatte festgestellt, dass es auch anders ging. Ebenso wie er war auch Rile, mit dem ich mich schon in der Schule angefreundet hatte, vollkommen anders als Dad.
»Charlie?«
»Äh, ich …«, stammelte ich. »Was hast du gesagt?«
»Ich habe gefragt, warum ich nicht vorbeikommen soll?«
»Lass uns das auf morgen verschieben, okay? Ich habe letzte Nacht nur wenig Schlaf bekommen, weil ich so früh losmusste. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Kurz herrschte Stille am anderen Ende.
»In Ordnung«, sagte Rile dann. »Aber morgen komme ich auf jeden Fall rüber, ja? Ich musste Amy versprechen, dass ich mich um dich kümmere, bis sie am Samstag nach Hause kommt.«
Ich nickte, obwohl ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte.
Amy war die Dritte in unserem Bunde. Schon seit der Schulzeit waren wir unzertrennlich und ein eingeschworenes Team. Viele von unseren ehemaligen Mitschülern hatten sich einen Job in Hazelwood und der näheren Umgebung gesucht, andere studierten in Nashville. Doch meine beste Freundin hatte sich für ein Studium in Businessadministration an der University of Tennessee in Knoxville entschieden und war außer mir eine der wenigen, die wirklich weggezogen waren. Obwohl es mit dem Auto über drei Stunden waren, kam sie am Wochenende oft zu ihren Eltern nach Hazelwood.
»Und melde dich, wenn du etwas brauchst«, fügte Rile hinzu.
»Mache ich! Danke, Rile.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, erhob ich mich. Das, was ich gerade am meisten brauchte, waren Antworten.
Ich hasste Kleinstädte. Hasste den Klatsch und Tratsch. Die gezwungene Freundlichkeit. Abgesehen davon, dass es absolut ätzend war, rein gar nichts unternehmen zu können.
Und trotzdem betrat ich gerade den Boden von Hazelwood. Diesem gottverlassenen Kaff, von dessen Existenz ich bis vor Kurzem nicht einmal gewusst hatte und in das ich gezwungenermaßen mit dem Zug gekommen war. Ein Fortbewegungsmittel, das ich im Übrigen genauso hasste wie diese Einöde. Denn alles, was ich sah, war … nichts. Zumindest nichts Interessantes. Das Einzige, das sich auf beiden Seiten hinter den Gleisen befand, waren Bäume – davon aber eine verfluchte Menge.
Die hügelige Landschaft, die sich dahinter erstreckte, bestätigte meine Befürchtung, hier in der absoluten Pampa festzuhängen. Mein Blick wanderte von dem sandigen Steinboden, auf dem ich stand, seitdem ich aus dem Zug gestiegen war, bis zu dem Bahnhofsgebäude zu meiner Rechten.
Dieser verdammte Zug, in dem ich zwei Stunden gesessen und mich totgeschwitzt hatte, weil es in dem beschissenen Ding keine Klimaanlage gab. Aber leider war mir keine andere Wahl geblieben, als auf diesem Weg herzukommen, denn mein Auto war weg, genauso wie alles andere.
Na ja, ganz stimmte das nicht. Mein Blick fiel auf den schwarzen Rucksack in meiner Hand, in dem sich mein gesamtes Hab und Gut befand. Das, was noch davon übrig geblieben war, also eigentlich nur eine Zahnbürste, ein dunkler Hoodie, ein paar T-Shirts und Boxershorts, eine Packung Zigaretten, ein Handy und der Haustürschlüssel zu Moms Wohnung.
Ich hievte den Rucksack, der sich für die paar Sachen viel zu schwer anfühlte, auf meine Schultern und stapfte den sandigen Bahnsteig entlang auf das Bahnhofsgebäude aus rotem Backstein zu – meine Gedanken so dunkel wie die Wolken, die sich gerade über der Stadt zusammenzogen.
Ich vermutete, dass es bald regnen würde, und war eigentlich ganz froh darüber, denn der strahlende Sonnenschein in Nashville hatte mich tierisch genervt. Es war mir so vorgekommen, als verhöhnte mich das Wetter.
Bevor ich die Bahnhofshalle betrat, spürte ich den Blick einer kleinen rothaarigen Frau auf mir, die mit einem Baby im Arm neben dem Eingang stand. Keine Ahnung, ob sie mich so anstarrte, weil außer mir nur ein älterer Mann mit Gehstock in Hazelwood ausgestiegen war oder weil ich hier nicht ins Bild passte. Vielleicht hatten diese Hinterwäldler noch nie jemanden mit Tattoos gesehen. Jedenfalls mochte ich es nicht, so angegafft zu werden, also zog ich mir die graue Cap der Tennessee Titans tiefer ins Gesicht.
Ein halbes Jahr. Ein verdammtes halbes Jahr.
Bei dem Gedanken daran, wie verflucht lange ich meine Zeit hier absitzen musste, pressten sich meine Lippen fast wie von selbst aufeinander. So fest, dass es wehtat.
Als ich durch die automatische Schiebetür ins Gebäude trat, blickte ich mich schnell nach allen Seiten um. An einem neuen Ort war es immer das Erste, das ich tat. Über die Jahre hatte mein Körper es sich angewöhnt, in ständiger Alarmbereitschaft zu sein.
Doch in Hazelwood war dieser Reflex natürlich total überflüssig. Wahrscheinlich war das hier das sicherste Fleckchen Erde in ganz Tennessee.
Der Ausgang des Bahnhofs befand sich auf der anderen Seite der Halle. Links von mir warb ein kleiner Laden für Zeitungen und Bücher. Auf der anderen Seite befand sich ungefähr zwanzig Meter weiter ein Bäcker, vor dem zwei Leute standen. Ansonsten herrschte hier gähnende Leere – was für eine Überraschung. Als ich am Bäcker vorbei auf den Ausgang zusteuerte, streifte mein Blick den Mann und die Frau davor, die mich unverhohlen musterten.
Kurzerhand beschleunigte ich meinen Schritt, und als ich schließlich ins Freie trat, stieß ich erleichtert die Luft aus. Mein schwarzes Shirt klebte unangenehm am Oberkörper, und ich hatte das Gefühl, dass ich nach Schweiß roch. Morgens hatte ich keine Gelegenheit für eine Dusche gehabt, und das bereute ich jetzt. Es war mir zwar egal, was die Kleinstädter, bei denen ich wohnen würde, von mir dachten, dennoch fühlte ich mich dadurch noch mieser. Bisher war der ganze Tag eine einzige Qual gewesen, und ich wusste genau, dass es nicht besser werden würde.
Ich lief bis zur Treppe vor dem Bahnhofsgebäude und sah mich um. Die Sorge meines »Gastvaters«, dass ich ihn nicht finden könnte, stellte sich spätestens jetzt als komplett unberechtigt heraus. Auf dem überschaubaren Parkplatz vor mir standen genau zwei Autos: ein schwarzer Chevy und ein ziemlich heruntergekommener roter Truck. Da Ed Rivers – das war sein Name – mir am Telefon erzählt hatte, dass er einen Truck fuhr, musste die Schrottkarre seine sein.
Er öffnete die Autotür und plumpste wenig elegant aus dem Wagen – spätestens da wusste ich, dass er es war. Der Mann, der nun ein paar Schritte in meine Richtung machte und langsam die Hand zum Gruß hob, sah genau so aus, wie ich mir einen Ed vorstellte. Den Schnitt der mittellangen braungrauen Haare konnte man nicht wirklich Frisur nennen, und unter dem schwarz-rot-karierten Hemd zeichnete sich deutlich ein Bierbauch ab. Er war die Art von Mann, dem wahrscheinlich gar nicht auffallen würde, dass ich heute noch keine Dusche von innen gesehen hatte.
Erst als mein Kiefer plötzlich wehtat, bemerkte ich, wie fest ich meine Zähne zusammengebissen hatte. Mit wenigen Schritten war ich bei Ed angekommen, der mich zunächst mit ausdrucksloser Miene ansah. Ich zwang mich, kurz meine Mundwinkel hochzuziehen, auch wenn mir gar nicht zum Lächeln zumute war.
»Ed?«, fragte ich, obwohl ich keine Sekunde daran zweifelte.
Er nickte und versuchte sich ebenfalls an einem Lächeln, das genauso verkrampft wirkte wie meins.
»Dann bist du Nate?«, schlussfolgerte er.
Ich nickte ebenfalls und kam mir angesichts dieser absolut lächerlichen Situation total bescheuert vor. Wie wir uns gegenüberstanden, beide unschlüssig, wie wir mit dem jeweils anderen umgehen sollten!
»Freut mich«, presste ich hervor, auch wenn es mich nicht weniger hätte freuen können.
Irgendwie hatte ich erwartet, er würde mir zur Begrüßung die Hand reichen, aber das tat er nicht. Vielleicht dachten die Leute hier ja, dass man sich mit Armut und Kriminalität anstecken konnte.
»Äh, ja, mich auch. Steig ein«, grummelte Ed und deutete mit dem Kopf in Richtung Beifahrertür.
Als wir nebeneinander in dem stickigen Wagen saßen, stieg mir ein leichter Schweißgeruch in die Nase, aber ich war mir nicht sicher, ob er von mir oder Ed kam. Hier drinnen waren es mindestens dreißig Grad, und ich spürte schon jetzt, wie mir eine Schweißperle die Schläfe herunterrann.
»Tennessee Titans, was?«, fragte Ed, nachdem er den Motor gestartet hatte und losgefahren war.
»Mhm.« Wahrscheinlich suchte er nach einem Gesprächsthema, aber ich wusste nicht wirklich, was ich dazu sagen sollte. Eigentlich war ich kein großer Football-Fan. Die Cap hatte ich vor Jahren von meinem Vater bekommen … sie war das Einzige, was ich von ihm besaß. Obwohl er ein Arschloch war, mit dem ich nichts zu tun haben wollte, hatte ich sie bisher nicht weggeschmissen.
Ed bog von der Landstraße in einen Schotterweg ein, der aussah, als führte er buchstäblich ans Ende der Welt. Nach einer Weile des schweigenden Nebeneinandersitzens spürte ich seinen Blick auf mir. Ich folgte ihm bis zu dem Tattoo auf meinem Unterarm, das den Kopf eines brüllenden Löwen zeigte.
Ed verzog kaum merklich den Mund. »Kannst du bei der Arbeit ein Hemd tragen? Könnte mir vorstellen, dass so was …« Er deutete mit einem Finger auf meinen Arm. »… bei den Leuten nicht so gut ankommt.«
»Würde ich. Leider habe ich keins dabei.«
»Du kriegst eins von mir.«
Oh, großartig. Also würde ich in naher Zukunft auch in diesen schicken karierten Hemden rumlaufen, die mir mit Sicherheit zwei Nummern zu groß waren. Ich konnte es kaum erwarten.
Mit ratterndem Motor fuhren wir einen holprigen Weg entlang, vorbei an grünen Wiesen und Feldern. Die meisten Menschen hätten diese Landschaft hier wohl als Idylle bezeichnet, doch für mich war »Einöde« das treffendere Wort.
Klack, klack, klack – das Vor- und Zurückrollen der Cola-Dose im Fußraum war neben dem ruckelnden Motor das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Ed schien kein Mann großer Worte zu sein – vielleicht wusste er aber auch einfach nicht, was er zu mir sagen sollte. Jedenfalls kam die nächsten fünf Minuten nichts von ihm. Ganz egal, woran es lag, ich war nur froh, dass er mir kein Gespräch aufdrängte.
Ich musste an Nashville denken. Die Stadt, in der ich geboren wurde und die ich freiwillig nie verlassen hätte. Ich liebte den Betondschungel, das Stimmengewirr, sogar den Dreck. Die Möglichkeit, zu jeder Uhrzeit etwas zu essen zu bekommen. Die Freiheit, mich nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, einfach wieder anzuziehen und rauszugehen. Irgendetwas war in dem Viertel, in dem ich wohnte, immer los.
Meine Mutter hatte früher oft gesagt, dass sie die Anonymität der Großstadt hasste, aber ich sah es genau andersherum – nirgendwo hatte man so viele Gelegenheiten, jemand anderem nahezukommen, wie dort. Man konnte auf der Straße zufällig neuen Leuten begegnen, die zu den besten Freunden wurden oder die man nie wiedersah. Alles war möglich. Und genau dadurch fühlte ich mich lebendig.
»Ganz schön heiß heute«, brummte Ed und fuhr das Fenster auf seiner Seite herunter.
Die einströmende Luft wirbelte seine Haare durcheinander, und auch ich musste meine Cap festhalten, damit der warme Sommerwind sie mir nicht vom Kopf wehte.
»Also, Junge.« Ed räusperte sich. Okay, jetzt kam die Standpauke, in der er mir einschärfte, dass ich mich bloß zusammenreißen sollte, solange ich hier war. »Meine Frau und meine Tochter fühlen sich etwas unwohl mit der Situation.«
Während er sprach, starrte ich auf das Loch in meiner schwarzen Jeans und versuchte mich daran zu erinnern, wie es da hereingekommen war. Wie so oft, nachdem ich mit Trevor feiern gewesen war, fehlte mir ein großer Teil der Erinnerungen. Genauso wenig wusste ich, woher der blaue Fleck an der Seite meines Bauchs kam, mit dem ich heute Morgen aufgewacht war. Aber egal, es war mein letzter Abend in Freiheit gewesen, also war es das allemal wert.
»Deshalb wäre es keine gute Idee, wenn du bei uns im Haus schläfst«, fuhr Ed fort, der natürlich nichts von meinen Gedanken ahnte. »Hat auch den Vorteil für dich, dass du mehr Privatsphäre hast.«
Ich nickte irritiert und wartete ab, was als Nächstes kam. Eigentlich hatte ich sowieso keine Lust, mit diesen Leuten unter einem Dach zu wohnen – immerhin hatten wir nichts gemeinsam, und sie würden mich eh nur nerven –, doch irgendwo würde ich ja schlafen müssen.
»Aber keine Sorge. Du musst natürlich nicht draußen schlafen.« Ed lachte auf, als hätte er einen wahnsinnig witzigen Spruch gebracht. Ein klassischer Dad-Joke, von denen ich in Zukunft wahrscheinlich viele zu hören bekommen würde.
Aber was wusste ich schon, schließlich hatte ich keinen Vater. Zumindest keinen richtigen.
»Vor dem Haus steht ein Wohnwagen, in dem du wohnen wirst. Ist ganz gemütlich da, es gibt sogar eine kleine Küche.«
»Cool.« Meine Stimme klang teilnahmslos, aber eigentlich fand ich das wirklich ganz gut. Wenn ich nicht mit ihm und seiner Familie in einem Haus lebte, konnte ich mein eigenes Ding durchziehen. Je weniger ich mit diesen Leuten zu tun hatte, desto besser. Reichte ja schon, dass ich ein halbes Jahr lang kostenlos für sie arbeiten musste.
Fast kostenlos. Tom, der Bewährungshelfer, der mich während des Projekts betreute, hatte erwähnt, dass Verpflegung und sonstige Dinge, die ich brauchen würde, auf die Kappe der Rivers gingen.
»Essen kannst du natürlich mit uns zusammen. Das heißt, wenn du möchtest.« Ed nahm eine Hand vom Steuer und rieb sich über die Bartstoppeln an seinem Kinn. »Hast du Hunger? Meine Frau Lucy macht einen Hackbraten. Sollte zum Mittagessen fertig sein.«
Zum Mittagessen? Es war gerade mal elf Uhr. Wahrscheinlich saß man hier um Punkt zwölf am Tisch. An diese geregelten Essenszeiten würde ich mich erst mal gewöhnen müssen.
Aber jetzt hatte ich tatsächlich Hunger, weil ich außer einem Stück Weißbrot heute Morgen bei Trevor noch nichts gegessen hatte. In seiner Wohnung hatte ich kaum etwas Essbares gefunden, weil er genauso pleite war wie ich.
Für den Notfall befand sich ein Zehn-Dollar-Schein in meiner Hosentasche. Alles andere hatte ich bei Mom gelassen, bevor ich nach Hazelwood aufgebrochen war. Sie konnte es besser gebrauchen als ich.
Feige, wie ich war, hatte ich ihr das Geld nicht persönlich gegeben, sondern einen Zeitpunkt abgepasst, von dem ich wusste, dass sie nicht da sein würde. Jeden Freitagmorgen hatte sie einen Termin beim Physiotherapeuten, also war ich um zehn Uhr in die Wohnung gegangen und hatte ein Bündel mit Geldscheinen auf den kleinen Couchtisch gelegt. Ich hätte ihr auch einen Zettel mit meiner neuen Nummer – Trevor hatte mir ein Prepaid-Handy besorgt – dalassen können, aber dann hätte sie mich angerufen und gefragt, was los war und wo ich steckte. Was hätte ich darauf antworten sollen?
Hey, Mom, ich weiß, dass du ganz andere Probleme hast. Aber weil du über die dreimonatige U-Haft noch nicht traurig genug warst, werde ich jetzt noch mal ein halbes Jahr weg sein, ohne dich besuchen oder mich um dich kümmern zu können.
Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, als ich ihr gesagt hatte, ich sei freigesprochen worden. Am Tag der Gerichtsverhandlung war sie mal wieder besonders angeschlagen gewesen und hatte so traurig ausgesehen, dass ich es einfach nicht über mich gebracht hatte, ihr reinen Wein einzuschenken.
Es war mir lieber, wenn sie dachte, ich sei ein egoistischer Sohn, der sich ein paar Wochen lang nicht bei seiner kranken Mutter meldet, als wenn ihre Schlafprobleme meinetwegen wieder schlimmer wurden. Aus Sorge um mich hatte sie schon viel zu oft nachts wach gelegen.
Bei dem Gedanken daran ballten sich meine Hände wie von selbst zu Fäusten, und ich schloss die Augen. Plötzlich überkam mich das Verlangen nach einer Zigarette. Nach dem beruhigenden Gefühl, das eintrat, wenn der Rauch meine Lunge füllte. Sehnsüchtig dachte ich an das Marlboro-Päckchen, das sich in meinem Rucksack befand. Aber Ed wäre vermutlich nicht sehr begeistert gewesen, wenn ich mir jetzt im Wagen eine Kippe angesteckt hätte.
Gerade überlegte ich, ob ich es nicht vielleicht doch riskieren sollte, da zog etwas in meinem Blickfeld meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein Zaun, der links und rechts hinter zwei großen Tulpenbäumen auftauchte und von dem bereits die weiße Farbe abblätterte.
»Wir sind da«, verkündete Ed im selben Augenblick, als ich mich ein Stück in meinem Sitz aufrichtete. Der Wagen ruckelte auf dem unebenen Weg hin und her, bis wir vor einem weißen Holzhaus zum Stehen kamen.
Das gesamte Anwesen kam mir vor wie ein Klischee: der grüne Rasen, der sich bis zum Zaun erstreckte, genauso wie das Haus, zu dem sogar eine Veranda gehörte, auf der zwar kein Schaukelstuhl, aber immerhin zwei Holzstühle standen. In meinem ganzen Leben hatte ich nie jemanden gekannt, der in einem Haus mit Veranda lebte. In Nashville gab es so was nicht, zumindest nicht in der Gegend, in der Mom und ich wohnten.
Auf beiden Seiten des Hauses befanden sich Beete mit bunten Blumen, deren Namen ich nicht kannte. Ich war so gebannt von dem Anblick, dass ich zusammenzuckte, als Ed plötzlich auf die Hupe drückte.
Mit einem Mal war mir die Lust aufs Rauchen vergangen. Stattdessen machte sich ein flaues Gefühl in meiner Magengegend breit.
Ich wusste nicht, wieso, aber irgendwie stellte ich mir Eds Frau ein bisschen so vor wie ihn. Vielleicht trug sie ein ähnliches Hemd und hatte auch graubraune Haare. Und die Tochter trug bestimmt eine Latzhose und würde gleich mit ihrem Pferd um die Ecke reiten, sobald wir ausgestiegen waren.
»Dann wollen wir mal«, sagte Ed leise. Ob das mehr an mich oder an sich selbst gerichtet war, konnte ich nicht sagen.
Ich öffnete die Beifahrertür und sprang aus dem Wagen. Sobald ich auf der steinigen Einfahrt stand, wurde mir klar, dass der Unterschied zur Stadt viel extremer war, als ich es mir vorgestellt hatte. Anstelle von Verkehrsgeräuschen, Stimmengewirr und Musik hörte ich das Zirpen von Grillen, Vogelgezwitscher und den Wind, der über das Grundstück und die Büsche neben dem Haus wehte.
Als ich in den Himmel schaute, waren dort immer noch dunkle Wolken zu sehen. Ed folgte meinem Blick und grummelte etwas davon, dass es bald regnen würde.
Während ich meinen Rucksack aus dem Fußraum des Wagens nahm, erklang ein lautes, aufgeregtes Bellen, und ich entdeckte einen Hund, der von der Veranda herunter in unsere Richtung lief. Es war ein weiß-brauner Beagle, der zuerst an Ed hochsprang und anschließend auf mich zukam.
»Hey«, sagte ich zu ihm, während ich den Rucksack auf meine Schultern schwang.
Der Hund blieb ungefähr einen Meter entfernt von mir stehen und bellte wieder. Als ich einen Schritt auf ihn zumachte, folgte ein Knurren.
»Trudy«, sagte Ed streng, und der Hund setzte sich hin.
Trudy? Der Hund hieß Trudy?
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wie absurd das war, hörte ich Schritte auf dem Holzboden der Veranda und wandte den Blick von der Hündin ab.
Eine kleine dunkelblonde Frau mittleren Alters kam geradewegs auf uns zu. Da war sie, die Latzhose. Auch wenn es nicht Eds Tochter war, die sie trug. Es sei denn, sie sah für ihr Alter ganz schön verbraucht aus.
Ich kannte einige Frauen, die schon im Teenageralter so viel gefeiert hatten, dass sie mit Mitte zwanzig aussahen, als wären sie zehn Jahre älter. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass es solche Frauen hier gab.
»Hi«, rief die Frau, kurz bevor sie bei uns angekommen war.
Während sie die letzten Meter bis zu mir zurücklegte, ließ sie mich nicht aus den Augen. Wachsam wanderte ihr Blick von meinem Gesicht über meinen Oberkörper bis hin zu meinen Füßen. Vielleicht versuchte sie abzuschätzen, inwieweit ich eine Gefahr für sie und ihre Familie darstellte. Aus der Nähe bemerkte ich, dass ihr dunkelblondes Haar bereits grau schimmerte.
»Ich bin Lucy«, stellte sie sich vor und überraschte mich, indem sie mir eine Hand entgegenstreckte.
Ich meinte, so etwas wie Argwohn in ihren Augen erkennen zu können – was kein Wunder war, in Anbetracht der Umstände. Als ich meine Hand ebenfalls ausstreckte und nach ihrer griff, war ihr Händedruck überraschend fest.
»Ich bin Nate.«
»Freut mich, Nate.« Sie zeigte über ihre Schulter, und als ich in die Richtung sah, in die sie deutete, entdeckte ich den kleinen weißen Wohnwagen, der ein Stück weiter neben dem Haus stand. »Dein neues Zuhause. Ich hab dir schon frische Handtücher auf das Bett gelegt, aber wir zeigen dir gleich alles.«
In diesem Augenblick tauchte eine weitere Gestalt auf der Veranda auf. Das Erste, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war das knappe knallgelbe T-Shirt, das sie zu einer weiten weißen Stoffhose trug. Sie war vielleicht etwas jünger als ich, und ein paar Strähnen blonder, welliger Haare wehten ihr ins Gesicht. Während sie auf uns zukam, reckte sie ihr Kinn ein Stück in die Höhe, und als sie uns erreichte, verzog sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln.
Na, das konnte ja heiter werden! Wenn ich mit einer Sorte Mensch nichts anfangen konnte, dann waren es naive Sonnenscheinchen, die nie verstehen würden, dass das Leben nicht nur aus Regenbögen und Zuckerwatte bestand.
»Tja, also …«, begann mein Vater, bevor er sich geräuschvoll räusperte und seine Hände in den Hosentaschen vergrub. »Das ist meine Tochter Charlotte.«
Ich hatte gute zehn Minuten vor dem Spiegel mein strahlendstes Lächeln geübt. Schließlich sollte der Knasti bloß nicht merken, wie sehr mich die ganze Situation aus der Bahn warf. Oder den Eindruck bekommen, dass er mich einschüchterte. Außerdem hatte ich beschlossen, dem Ganzen erst mal eine Chance zu geben.
Trotzdem erstarb besagtes Lächeln fast auf meinem Gesicht, als ich ihm jetzt gegenüberstand. Schon als ich die Verandatreppe heruntergekommen war und einen ersten Blick auf ihn erhascht hatte, war mir fast die Luft weggeblieben. Zu sagen, dass er nicht dem Bild entsprach, das ich im Kopf gehabt hatte, wäre eine maßlose Untertreibung. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er viel älter war als ich, mindestens dreißig. Außerdem war er in meiner Vorstellung irgendwie ungepflegt gewesen. Dass ich damit danebenlag, war nicht verwunderlich, immerhin hatte ich mein gesamtes Wissen über Straftäter aus Serien wie Prison Break.
Trotz der Schatten unter seinen Augen konnte Nate nur ein paar Jahre älter sein als ich, und mit den dunklen Haaren, die unter seiner Mütze herausragten, dem markanten Gesicht und den etwas zu langen Bartstoppeln war er erschreckend attraktiv. Auch wenn ihm der ernste Gesichtsausdruck und die Tattoos, die seine Arme zierten, eine düstere Ausstrahlung verliehen.
Bei Dads Worten huschte Nates Blick zu mir, und er verzog leicht den Mund – fast so, als wäre es eine Qual, mich ansehen zu müssen. Dann schien ihm bewusst zu werden, dass alle eine Reaktion von ihm erwarteten, denn für den Bruchteil einer Sekunde zog er seine Mundwinkel nach oben – der klägliche Versuch eines Lächelns –, bevor er wieder wegsah.
Wenn das jemand mitbekommen hätte, wäre ihm spätestens in dem Moment klar gewesen, dass Nate nicht aus der Gegend kam. Immerhin galt in Hazelwood jede Begrüßung, die weder ein warmes Lächeln noch aufgeregtes Rufen oder freundliche Worte beinhaltete, als unfreundlich.
»Nate«, kam es so schnell aus seinem Mund, dass ich nicht einmal mitbekam, wie seine Lippen sich beim Sprechen bewegten.
Er wirkte so desinteressiert, dass ich schlucken musste. Eigentlich hatte ich gar keine Lust, darauf zu reagieren, aber wir würden schließlich die nächsten sechs Monate zusammenarbeiten müssen.
»Hi, Nate«, sagte ich deshalb. Ich hoffte, mein Lächeln war noch nicht so verrutscht, wie es sich anfühlte.
Doch spätestens als mein Blick Nates dunklen Augen begegnete, erstarrte ich. Nicht weil er mich böse oder feindselig angesehen hätte, sondern weil der Ausdruck in seinen Augen dazu führte, dass sich die kleinen Härchen in meinem Nacken aufstellten. Denn obwohl er viele Jahrzehnte jünger war, erinnerten sie mich erschreckend stark an die von George, dem alten Vietnam-Veteranen, der früher in Hazelwood gelebt hatte.
Als Kind hatte ich George oft bei meinen Großeltern getroffen, und schon damals war mir aufgefallen, dass er anders war als die Menschen, die ich sonst kannte. Selbst wenn er mit Grandpa im Wohnzimmer zusammengesessen und fröhlich gewesen war, hatte es immer wieder Momente gegeben, in denen sein Blick so schmerzerfüllt gewirkt hatte, als wäre er gedanklich plötzlich ganz woanders. Obwohl George sich Mühe gegeben hatte, es zu verstecken, war immer wieder diese Tiefe in seine Augen zurückgekehrt, die einem verraten hatte, dass er im Gegensatz zu uns nicht nur eins, sondern schon viele Leben gelebt hatte.
Seit George weggezogen war, hatte ich diese Art von Schwere nie wieder gespürt. Bis jetzt.
»Charlie?«, riss mich die ungeduldige Stimme meines Vaters aus meinen Gedanken.
Erst jetzt bemerkte ich, wie tief ich in Nates Blick versunken gewesen war.
»Äh«, presste ich hervor und sah ertappt zu Dad rüber. »Ja?«
Weil ich immer noch etwas durch den Wind war und nicht wusste, wohin mit meinen Händen, strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und fummelte an dem Stecker meines Ohrrings herum. Das tat ich ständig, obwohl das verdammte Mistding dabei immer mal wieder abfiel.
»Deine Mutter hat gefragt, ob du Nate den Wohnwagen zeigen kannst.«
Abrupt hielt ich in der Bewegung inne. Wollten meine Eltern mich ernsthaft schon fünf Minuten nach Nates Ankunft mit ihm allein lassen? Aber was blieb mir anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen?
»Übernimm das bitte, damit ich mich um das Essen kümmern kann«, sagte meine Mutter. »Du hast doch Hunger, Nate?«
Mein Blick wanderte wieder zu Nate, der mittlerweile eine Hand in die Hosentasche gesteckt hatte und etwas verloren herumstand. Doch diesmal war ich schlauer und vermied es, ihm in die Augen zu sehen.
Als Antwort auf Moms Frage nickte er zögerlich.
»Dann richte dich mal ein. Heute Abend nehme ich dich mit in den Grill und zeige dir schon mal alles«, verkündete Dad.
Ich nahm die Hand von meinem Ohrstecker, straffte die Schultern und nickte in Richtung des Wohnwagens, der ungefähr dreißig Meter hinter uns, schräg gegenüber von der Veranda stand. »Tja, dann mal los.«
Ohne mir groß Beachtung zu schenken, schwang Nate den schwarzen Rucksack, den er dabeihatte, über die Schulter und schritt geradewegs an mir vorbei auf den Camper zu.
Ich beeilte mich, zu ihm aufzuschließen, den Blick auf den dunklen Eastpak geheftet, der an seinem Rücken baumelte. Sicher war der Rucksack auch schuld daran, dass mein Blick plötzlich weiterwanderte und ich verstohlen beobachtete, wie sich Nates Armmuskeln beim Gehen unter dem engen schwarzen Shirt abzeichneten.
Er machte einen ziemlich trainierten Eindruck. Nicht auf die Art wie die aufgepumpten Kerle im Fitnessstudio, sondern eher so, als würde er viel körperlich arbeiten.
Gott, war Dad sicher, dass Nate wegen eines Raubüberfalls verhaftet worden war und nicht etwa, weil er so verboten gut aussah?
Vor dem Wohnwagen blieb Nate abrupt stehen, und mir fiel es erstaunlich schwer, meinen Blick von seinem Bizeps zu lösen. Nate bemerkte es zum Glück nicht, sondern beäugte sein neues Zuhause.
Der in die Jahre gekommene Anhänger musste einmal weiß gewesen sein, hatte aber im Laufe der Zeit eine gelbliche Farbe angenommen. Nun stand er auf der Grünfläche vor zwei hochgewachsenen Tulpenbäumen, unweit von unserem Haus. Mom hatte einen der Holzstühle aus dem Garten neben die Wohnwagentür gestellt und eine Wolldecke darauf drapiert. Jetzt, wo ich hinter Nate zum Stehen kam und den Eingang betrachtete, sah es fast gemütlich aus, aber ich wagte zu bezweifeln, dass ihn so etwas interessierte.
»Nett«, murmelte er kurz darauf, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»Hey, du kannst ja doch mehr sagen als nur deinen Namen«, kam es wie von selbst aus meinem Mund.
Er wandte sich ein Stück zu mir um und zog erneut eine seiner dichten, dunklen Augenbrauen nach oben. Anstatt etwas zu erwidern, stieß er mit der Hand die Wohnwagentür auf und machte einen Schritt ins Innere.
Okay, anscheinend hatten wir nicht denselben Humor.
Ich folgte ihm, blieb jedoch ein Stück zurück und beobachtete ihn dabei, wie er sich umsah. Obwohl Mom gestern den ganzen Tag gelüftet hatte, roch es muffig im Inneren, fast wie auf unserem Dachboden.
Gegenüber der Tür befand sich eine kleine Küche, bestehend aus einem Ofen, einem Kochfeld und einer Spüle mit Unterschrank. Links davon stand ein schmales Holzbett, rechts eine Sitzbank mit ein paar Kissen darauf.
»Ist frisch bezogen.« Ich zeigte auf das Bett, auf dem zwei unterschiedlich große, zusammengefaltete Handtücher lagen. »Und Mom hat dir ein paar saubere Handtücher hingelegt. Duschen kannst du nachher im Haus.«
»Cool.«
»Hattest du eine angenehme Fahrt hierher?«, fragte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
Was sollte ich ihn auch sonst fragen? Und, bist du froh, dass du nicht ins Gefängnis musst? Schon den nächsten Überfall geplant?
Meine Frage kam offenbar trotzdem nicht so gut an, denn Nate drehte sich ein Stück in meine Richtung und sah aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen, vermied es aber, mich anzugucken.
»Angenehm kann man das nicht gerade nennen«, erwiderte er knapp.
Es war ihm deutlich anzumerken, dass er keine Lust auf ein Gespräch hatte, aber so leicht gab ich nicht auf. Schließlich würde er jetzt ein halbes Jahr lang hier wohnen. Da war ein freundlicher Umgang miteinander wohl nicht zu viel verlangt.
»Wahrscheinlich ziemlich heiß im Zug heute, hm?«
Diesmal drehte er sich komplett um und starrte mich an, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. »Hör zu, ich weiß, was du da versuchst, aber lass es, okay? Wir werden keine Freunde oder so.«
Beinah wäre mir die Kinnlade heruntergeklappt, so schockiert war ich über seine Schroffheit. Das konnte er doch nicht laut aussprechen!
»Ich wollte nur nett sein, keine Sorge«, sagte ich und konnte nicht verhindern, dass mir eine leichte Röte ins Gesicht stieg.
Was zur Hölle war sein Problem?
»Ich habe bemerkt, wie du mich angesehen hast.«
Meine Augen weiteten sich, und ich spürte, wie sich die leichte Röte in ein flammendes Inferno verwandelte. Am liebsten wäre ich sofort aus dem Wohnwagen gestürmt, in dem wir viel zu dicht beieinanderstanden. Wie konnte eine harmlose Situation so schnell so unangenehm werden?
Dabei half es nicht gerade, dass mir jetzt auch noch sein Geruch überdeutlich in die Nase stieg. Eine Mischung aus Waschmittel und Moschus.
»Ich habe kein Interesse daran, jemanden näher kennenzulernen, sondern will einfach nur die Zeit hier rumkriegen«, fuhr er fort, ohne meine Antwort abzuwarten. »Also: Ich lasse dich in Ruhe, du lässt mich in Ruhe. Deal?«
Ich konnte ihn nur anstarren. Klar, ich hatte eine Weile in Nashville gelebt und wusste, dass die Leute in der Großstadt anders drauf waren als in Hazelwood – gestresster und nicht immer hilfsbereit oder freundlich. Doch ich war noch nie jemandem begegnet, der mir eine dermaßen offensichtliche Ablehnung entgegengebracht hatte.
Nun, wenn er nichts mit mir zu tun haben wollte, umso besser. Dann konnte ich mein Fake-Lächeln endlich ablegen.
»Und Angst brauchst du vor mir auch nicht zu haben.«
»Ich habe …« Meine Stimme brach. »Ich habe keine Angst vor dir.«
Verdammt! Mein Gestammel ließ das Gegenteil vermuten, dabei fürchtete ich mich wirklich nicht vor ihm. Er brachte mich mit seiner direkten Ablehnung einfach aus dem Konzept, und sein gutes Aussehen machte mich zusätzlich nervös.
Aber nur weil ich keine Angst vor ihm hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich ihm vertraute, schließlich war er aus einem gewissen Grund hier. Da half ihm sein gutes Aussehen auch nicht weiter. Da ich ihm das aber ganz bestimmt nicht auf die Nase binden würde, reckte ich trotzig das Kinn.
Er seufzte. »Wie auch immer.«
Vollkommen unvermittelt machte er einen Schritt in Richtung Sitzecke, und ich zuckte zusammen.
Wow. Das selbstbewusste Auftreten hat ganze zwei Sekunden lang angehalten.
Er runzelte die Stirn und hielt den Rucksack demonstrativ ein Stück in die Höhe, bevor er ihn auf dem Sitzpolster abstellte.
Das Ganze hier war ein totales Desaster. Ich hatte keine Lust mehr, auch nur fünf Minuten länger zu bleiben, wenn meine Anwesenheit so offensichtlich unerwünscht war.
Was bildete er sich eigentlich ein? Ich versuchte, freundlich zu sein, und von ihm kam nichts als Ablehnung. Dabei war er doch derjenige, der sich anstrengen sollte, einen guten Eindruck zu machen.
»Ich muss los, wir sehen uns«, stieß ich wütend hervor, bevor ich fluchtartig aus der Tür stolperte.
Wir sehen uns? Was war das denn für eine bescheuerte Aussage? Natürlich würden wir uns sehen – so ungefähr in fünfzehn Minuten zum Essen.
Erst jetzt, wo ich wieder im Freien stand, bemerkte ich, wie zittrig ich auf den Beinen war. Ob vor Wut oder Nervosität, wusste ich selbst nicht.
Ich stützte mich mit einer Hand am Wohnwagen ab, um tief Luft zu holen. Dann schloss ich die Augen und stieß den Atem geräuschvoll wieder aus.
Viel besser!
»Keine Angst, hm?«
Ich erstarrte und riss die Augen auf. Nate stand im Türrahmen und steckte sich eine Zigarette in den Mund, die gleich darauf brannte. Genauso wie meine Wangen. Schon wieder.
Blitzschnell zog ich die Hand zurück und rappelte mich auf. Obwohl ich mich alles andere als selbstbewusst fühlte, streckte ich den Rücken durch und wandte mich von ihm ab, ohne zurückzuschauen.
»Bis gleich beim Essen.«
Ich spürte seinen durchdringenden Blick überdeutlich in meinem Rücken, als ich den Weg zurück zur Veranda ging. Lief ich deshalb so komisch, oder kam mir das nur so vor? Normalerweise achtete ich nicht darauf, aber gerade fühlte es sich merkwürdig an.
Komm schon, Charlie. Einen Schritt vor den anderen. Das machst du jeden Tag, so schwer ist das nicht.
