Fegoria - Dunkle Stunden - Annika Kastner - E-Book

Fegoria - Dunkle Stunden E-Book

Annika Kastner

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Beschreibung

"Du bist alles, was ich will." Der Kampf um die Krone beginnt! Crispin schafft es, Alice aus den Fängen Castiells zu befreien. Doch nicht nur er hat sich verändert, auch Alice ist keineswegs mehr die junge Dame, die Fegoria einst betreten hat. Obwohl ihre Liebe stärker denn je ist und sie zusammen unbesiegbar scheinen, müssen sie nun einen steinigen Weg beschreiten - der wichtigste Weg, den sie nur erreichen werden, wenn sie an ihrem Glauben an eine bessere Zukunft festhalten. Vorerst heißt es jedoch, sich in der neuen Heimat einzuleben, die dunklen Stunden zu überstehen, und sich auf den Tag der letzten Schlacht vorzubereiten. Im Hinterhalt werden finstere Pläne geschmiedet und neue Allianzen geschlossen. Es liegt einzig an Crispin, sein Schicksal und die Prophezeiung zu erfüllen, um Alice und sich mit dem gemeinsamen Leben zu beschenken, welches er sich sehnlichst wünscht. Auch wenn die Zukunft ungewiss ist, wissen sie eines sicher: Dieser Kampf entscheidet alles! Wird Crispin, mit Alice an seiner Seite, den Thron besteigen oder wird es bitterliche Verluste unter den Freunden geben?

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Seitenzahl: 299

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Fegoria

Dunkle Stunden

Roman

Annika Kastner

Erstausgabe im Februar 2021

Alle Rechte liegen beim Verlag

Copyright © Februar 2021

Booklounge Verlag

Johann-Boye-Str. 5

23923 Schönberg

Coverbild: @ konradbak – Can Stock Photo Inc.

Inhalt

Helden

Willkommen

Widmung

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Alice

Crispin

Ein paar Worte ...

Personen & Orte

Playlist

Helden

Willkommen

Hal­lo mein lie­ber Le­ser und ein herz­li­ches Will­kom­men zurück in Fe­go­ria.

Wenn du die­sen Band in den Hän­den hältst, heißt das, dass wir ge­mein­sam schon ein gro­ßes Aben­teu­er bis hier­her er­lebt ha­ben. Hast du mit Ali­ce ge­weint, mit Cri­spin ge­lit­ten oder dich um To­pas ge­sorgt? Schlägt dein Herz für No­am und Ci­an?

Dan­ke, dass du die­ses Aben­teu­er mit mir zu­sam­men er­lebst. Ali­ce und Cri­spin brau­chen je­de Un­ter­stüt­zung, die sie be­kom­men kön­nen, denn der Tag des letz­ten Kamp­fes naht un­wei­ger­lich.

 

Dei­ne An­ni­ka

Widmung

Oh, fast hät­te ich es ver­ges­sen: Du weißt doch, wie sehr ich Wid­mun­gen lie­be. Ich wid­me die­ses Buch je­dem, der sich schon ein­mal ge­wünscht hat, das Wun­der­land zu se­hen und nie auf­ge­hört hat, zu träu­men. Außer­dem mei­nem wun­der­vol­len Mann Phi­lipp und mei­nem Sohn Jos­hua – mein per­sön­li­ches Hap­py End. Mei­nen be­sten Freun­din­nen Syl­via, Co­si­ma und An­drea. Egal, wann oder wie spät es ist, immer seid ihr da und ich ha­be euch wahn­sin­nig lieb.

Alice

Kal­te Gischt spritzt mir ins Ge­sicht. Müh­sam öff­ne ich mei­ne Augen, die durch das Salz­was­ser ver­klebt sind, und schaue mich blin­zelnd um. Mein ge­sam­ter Körper fühlt sich zer­schla­gen und bleisch­wer an, als hät­te mich ein Bus bei vol­ler Fahrt er­wischt und an­schlie­ßend ge­wen­det, nur um si­cher zu ge­hen, dass ich auch tat­säch­lich platt bin. Müh­sam un­ter­drü­cke ich ein Stöh­nen, als ich mich schließ­lich vor­sich­tig be­we­ge. Es ist ein Wun­der, dass ich über­haupt ein­ge­schla­fen bin, doch die Er­eig­nis­se ha­ben ih­ren Tri­but ge­for­dert und mei­nen Körper in den Ru­he­zu­stand ver­setzt – die Hei­lung braucht Kraft und Zeit. Bei­des Din­ge, die mir ge­ra­de ziem­lich feh­len. Wä­re ich noch ein Mensch, da­ran he­ge ich kei­nen Zwei­fel, wä­re ich dort ge­stor­ben. Ich er­in­ne­re mich an alles, was ge­sche­hen ist, je­des Detail, was da­zu ge­führt hat, wie ich hier auf die­sem rau­en Fel­sen mit­ten im Meer ge­lan­det bin. Die Rück­bli­cke sind nicht grau­sa­mer als je­nes, was mir wi­der­fah­ren ist. Er­in­ne­rung an den El­ben­prin­zen, der sein Le­ben ris­kiert hat, um mich aber­mals in sei­ne Ge­walt zu brin­gen, was sich je­doch am En­de die­ses We­ges gar nicht als Ent­füh­rung, son­dern als Ret­tung ent­puppt hat. So viele Lü­gen, so viel Leid … so viel, was ich erst jetzt ver­ste­he. Er, von dem ich bis vor kur­zem ge­dacht ha­be, dass er mein Feind wä­re und in des­sen Arm ich end­lich wie­der Ru­he fin­de. Oh, wie falsch ich doch vor ein paar Stun­den noch ge­le­gen ha­be, mit tö­rich­ter Blind­heit ge­schla­gen. Scham durch­flu­tet mich, heiß und lo­dernd. Ich er­in­ne­re mich deut­lich an den Hass, ach was, die blan­ke Wut, die ich emp­fun­den ha­be, als ich ihn auf dem Fest Au­ge in Au­ge ge­gen­über­ge­stan­den ha­be. Der zün­geln­de Zorn, den ich ver­spürt ha­be, den Wunsch, ihn auf der Stel­le zu tö­ten. Bei un­se­rem Kampf in den Höh­len hät­te ich es ge­tan, wenn ich es ge­konnt hät­te. Ganz be­stimmt! Und die­ses Wis­sen raubt mir fast den Ver­stand. Gut, dass ich kei­nen Er­folg ge­habt ha­be und das Schi­cksal mir gnä­dig ge­we­sen ist. Wir ge­hö­ren zu­sam­men, un­ser Schi­cksal ist eins, das spü­re ich bis in Mark und Bein. Jetzt, wo es bei­nahe zu spät ist und die Wir­kung der fau­len Zau­be­rei nach­lässt, se­he ich kla­rer. Sein Weg, ist mein Weg. Wie ha­be ich dies ver­ges­sen kön­nen, ihn ver­ges­sen? Wie soll ich da­mit le­ben, was ich ge­tan ha­be? Aus­ge­rech­net ihm, den ich über alles lie­be? Ich er­in­ne­re mich an die Be­stien, die dort oben, weit über uns, in den Fel­sen hau­sen, und mei­nen Rü­cken im un­er­bitt­li­chen Kampf bis auf die Mus­keln auf­ge­ris­sen ha­ben – je­den­falls fühlt es sich im Mo­ment so an. Es ist mir ein Rät­sel, wie ich mich auf den Bei­nen hab hal­ten kön­nen. Oh­ne Cri­spin wä­re ich dort zu­grun­de ge­gan­gen. Nur ihm ist es zu ver­dan­ken, dass ich noch at­me. Er, die­ser stu­re Prinz, der bis zum letz­ten Atem­zug für uns kämp­fen wür­de.

Das Salz­was­ser brennt wie Feu­er auf mei­ner ver­letz­ten Haut, doch ich hei­ße den Schmerz will­kom­men, er lenkt mich von mei­ner in­ne­ren Qual ab. Wa­rum ist es nur so­weit kom­men? Ha­ben wir nicht et­was Glück ver­dient? Seit ich in die­sem Land le­be, ha­be ich mehr Ge­walt er­fah­ren, als ein Mensch er­fah­ren soll­te. Aber … ich bin kein Mensch. Es lie­gen noch Jahr­hun­der­te vor mir und ich be­te zu den Göt­tern, dass die­se den Schmerz und die Scham fort­spü­len wie die Wel­len mein Blut von die­sem Fel­sen un­ter mir. Ich drü­cke mich fes­ter an Cri­spins war­men Körper, su­che Trost. Mich in Si­cher­heit zu wie­gen, da er hier bei mir ist, hilft mir un­ge­mein. Cri­spin ist ge­kom­men – für mich. Mein Seelen­ge­fähr­te, mein Schi­cksal. Sei­ne Ar­me schlie­ßen sich en­ger, be­sitz­ergrei­fen­der um mei­nen Rumpf. Mein Herz pocht wild in mei­ner Brust. Wie kann er mich nach all dem noch lie­ben? Er ist der Stär­ke­re von uns bei­den, schon immer ge­we­sen, und ich ler­ne lang­sam, die­se Welt aus sei­nen Augen zu se­hen. Mei­ne al­te Welt ver­blasst stünd­lich mehr, denn mein Le­ben hier ist so völ­lig fern von dem, was ich ken­ne. Hart und gna­den­los, zu­dem vol­ler Wun­der. Dort drau­ßen auf dem Was­ser hät­te ich bei­nahe auf­ge­ge­ben. Ja, ich ha­be ge­nug ge­habt, das ge­be ich zu. Die­ses Wis­sen macht mich nicht stolz, aber es ist ein Mo­ment der Schwäche ge­we­sen. Ich bin be­reit ge­we­sen, zu ge­hen, all das hin­ter mir zu las­sen, da­mit er sich hät­te ret­ten kön­nen. Nein, er ist es, der uns am Le­ben hält, der uns nicht auf­gibt und da­für bin ich ihm un­end­lich dank­bar. Mein Weg ist noch nicht zu En­de. As­ta hat das, was wir ha­ben und je­nes, was uns ver­bin­det, zers­tö­ren wol­len, doch Cri­spin ist durch­aus mäch­ti­ger oder ein­fach nur di­ckköp­fi­ger – es trifft letzt­lich bei­des auf mei­nen Ge­fähr­ten zu … Die­sen ar­ro­gan­ten, selbst­herr­li­chen und doch lie­be­vol­len, für­sor­gli­chen El­ben­prin­zen, der vor Wi­der­sprü­chen nur so trotzt. Er hat sein Ver­spre­chen ge­hal­ten, ist für mich bis ans En­de der Welt ge­gan­gen, hat sich un­se­ren Wi­der­sach­ern allei­ne ge­stellt, nur um mich zurück­zu­for­dern. Ich wer­de schüt­zen, was mein ist, und du bist die mei­ne, Ali­ce. Das sind einst sei­ne Wor­te an mich ge­we­sen. Nein, der Prinz der El­ben ist nicht mein Feind. Es ist, als hat das Was­ser ei­ne hei­len­de Wir­kung ge­habt und mein Blut­ver­lust da­zu beige­tra­gen, den Trank zu ver­nich­ten. Alles wird plötz­lich viel kla­rer, er­gibt ei­nen Sinn. Er­in­ne­run­gen durch­flu­ten mich. Er ist so viel mehr, das spü­re ich tief in mir. Die Lie­be mei­nes Lebens. Wir sind ver­bun­den, wir sind eins. Seit Ta­gen füh­le ich mich das er­ste Mal als ein Gan­zes. Als wä­re ein wich­ti­ges Puz­zle­teil, wel­ches ge­fehlt hat, nun wie­der an sei­nen Platz ge­rückt. Zu­sam­men er­ge­ben wir ein Bild­nis. Ich ver­traue ihm. Seit der Ring fort ist, se­he ich kla­rer, bin gleich­zei­tig wü­tend auf mich selbst, dass sie mich so ha­ben täu­schen kön­nen. Aber ich weiß auch, dass ich kei­ne Chan­ce ge­gen As­ta und Cas­tiell ge­habt ha­be. Gott weiß, wie ich mich ge­wehrt, den­noch kläg­lich ver­sagt ha­be, und da­mit nicht nur mich, son­dern eben­falls Cri­spin in Ge­fahr ge­bracht ha­be. Das wird mir kein zwei­tes Mal pas­sie­ren. Ab jetzt bin ich wachs­amer.

Cri­spin zieht mich en­ger an sich und ver­sucht, mich vor den Trop­fen des to­sen­den Was­sers mit sei­nem Körper zu schüt­zen, doch dies ist un­mög­lich, egal wie sehr er sich be­müht. Das Meer wü­tet um uns he­rum und er wei­gert sich, oh­ne mich an Land zu schwim­men. Er ist so stur wie ein al­ter Och­se. Es macht mich wü­tend und glü­cklich zu­gleich. Ich möch­te nicht von ihm ge­trennt sein, will je­doch, dass er sich ret­tet. Nur er allein hät­te ei­ne rea­le Chan­ce zu über­le­ben. Aber nein, nun sit­zen wir bei­de hier fest, denn mei­ne Ver­let­zung hin­dert mich da­ran, durch das auf­ge­wühl­te Meer an Land zu kom­men. Er wird kei­nes­wegs pa­cken, mich bis da­hin mit­zu­neh­men, völ­lig gleich, was er be­haup­tet. Ich er­zit­te­re. Sein Körper schafft es nicht, mich zu wär­men, der kal­te Wind und das Meer sind ei­ne un­er­bitt­li­che Kom­bi­na­tion, die ge­gen ihn ar­bei­tet. Vor al­lem da ihm nicht mal ein Hemd ge­blie­ben ist, weil ich es tra­ge. Nicht, dass es et­was nützt, im Ge­gen­teil, es ist so­gar trie­fend nass.

Gna­den­los sorgt die raue See da­für, dass wir nicht wirk­lich trock­nen. Das Salz fühlt sich un­an­ge­nehm auf mei­ner Haut an. Der Kampf mit der Chi­mä­re, oben im Schloss, hat uns bis an un­se­re Gren­zen ge­bracht. Auch ihm mer­ke ich die Stra­pa­zen deut­lich an. Er ist nicht we­ni­ger zer­schun­den als ich. Sein Bein, bis auf die Mus­keln auf­ge­trennt, heilt eben­so dürf­tig wie mein Rü­cken, doch er be­schwert sich un­ter kei­nen Um­stän­den. Nie. Seit Stun­den ver­har­ren wir hier. Je­den­falls ge­he ich von Stun­den aus, ei­ne Uhr gibt es nicht. Zeit hat hier ei­ne an­de­re Be­deu­tung. Die Son­ne steht hoch am Himmel, die Nacht ist längst vor­bei, doch die Ge­fahr nicht, sie ist greif­bar. Ei­ne Uhr … In ganz Fe­go­ria kennt man sie nicht, aber ich er­in­ne­re mich wie­der an ei­ne Welt, in der es Uhren gibt, de­ren Zei­ger uns un­er­bitt­lich ja­gen, un­se­re Ta­ge pla­nen und für ei­nen geord­ne­ten Ab­lauf sor­gen. Das fehlt mir. Doch hier, in die­ser frem­den Welt, läuft es an­ders. Ich er­in­ne­re mich nicht an alles aus die­ser Welt, doch es wird immer mehr. Cri­spin sagt, es lä­ge an ei­nem Trank, den sie mir ver­ab­reicht ha­ben. Die Wir­kung wird gänz­lich ver­schwin­den, so­bald mein Körper sich re­ge­ne­riert hat. Bald – ei­ni­ge Stun­den, viel­leicht Ta­ge, dann wer­de ich wie­der alles wis­sen. Sein Wort in Got­tes Ohr.

Wenn ich die letz­ten Stun­de Re­vue pas­sie­ren las­se, ist es ein Wun­der, dass wir bei­de über­haupt noch le­ben. Da­raus kann ich nur schlie­ßen, dass er recht be­hält und die Göt­ter Plä­ne mit uns ha­ben. Ob sie so gut sind, wa­ge ich nicht, zu ur­tei­len. Aber wie heißt es so schön, die Hoff­nung stirbt zu­letzt, oder? Mei­ne Ge­dan­ken schwei­fen um­her. Tief zie­he ich die sal­zi­ge Luft in mei­ne Lun­gen. Mein Le­ben hat sich so sehr ver­än­dert. Es ist wie ein fer­ner, un­wirk­li­cher Traum und manch­mal ha­be ich Angst, dass ich ein­fach er­wa­che. Ich lie­ge in den Ar­men ei­nes El­ben, ei­nem ech­ten We­sen mit spit­zen Oh­ren und ei­nem un­ster­bli­chen Le­ben. Ich bin ei­ne Al­bin. Herr Gott, da­zu der Feind der El­ben und doch lie­ben wir uns. Ich bin kein Mensch mehr. Ver­fluch­te Schei­ße. Ich bin ei­ne Al­bin, wie­der­ho­le ich für mich selbst noch­mal. Mei­ne Oh­ren sind eben­falls spitz. Spit­ze Oh­ren!!! Das ist … nicht ver­rück­ter als alles an­de­re, was ich hier er­le­be. Nie wie­der wer­de ich in ei­nem Café sit­zen, ei­nen Muf­fin mit Scho­kog­la­sur be­stel­len oder ei­nen Ki­no­film se­hen. Da­für das Schwert schwin­gen und hof­fen, dass sie ei­nes Tages ei­ne Du­sche er­fin­den. Oh, noch bes­ser ei­ne Toi­let­te. Was für ei­ne Traum­vor­stel­lung. Cri­spins Na­se reibt über mei­nen Na­cken, lenkt mich ab. Ich spü­re sei­ne war­men Lip­pen, die ei­nen leich­ten Kuss auf mei­ne küh­le Haut hau­chen. Tausend Schmet­ter­lin­ge fan­gen in mei­nem Bauch an, zu tan­zen. Das wil­de hei­ße Feu­er in mir, ist in sei­ner Ge­gen­wart ei­ne war­me fried­li­che Flam­me, wie ein Dra­che, der sich zur Ru­he ge­legt hat. Es fühlt sich rich­tig an, als soll­te ich ge­nau hier sein, bei ihm. Der Ring an mei­ner Hand, den As­ta mir ge­ge­ben hat, weil er an­ge­blich den Zau­ber der El­ben un­ter­bin­det, ist fort. Mit ihm die Lü­gen. Er ist in den Höh­len ge­blie­ben oder ins Meer ge­spült wor­den, ich weiß es nicht. Tat­säch­lich hat die­ses klei­ne Me­tall­teil mei­ne Er­in­ne­run­gen zu­sam­men mit dem ver­fluch­ten Trank blo­ckiert. Sie ha­ben mich und alles, was mich aus­macht, zers­tö­ren wol­len. Das macht mir schre­ckli­che Angst, denn sie hät­ten si­cher­lich Er­folg ge­habt. Sie ha­ben mich rein­ge­legt. Mit Ge­walt, wie ich jetzt weiß, aber den­noch ist mir be­wusst ge­wor­den, dass auch ei­ne dunk­le Sei­te in mir wohnt. Ei­ne, wä­re mein Weg ein an­de­rer ge­we­sen, mein Ich hät­te sein kön­nen. Mir wird schlecht bei dem Ge­dan­ken, was Grimm heu­te Nacht mit mir vor­ge­habt hat. Hart schlucke ich und ver­bie­te mir, die­sen Ge­dan­ken weiter­zu­füh­ren. Cri­spin ist recht­zei­tig bei mir ge­we­sen, das ist alles, was zählt. Er hat es ver­hin­dert. Sei­ne Küs­se wer­den all das fort­spü­len, was Grimm hin­ter­las­sen hat. Die Käl­te, die Ver­zweif­lung … Ich weiß aus ei­ge­ner Er­fah­rung, wie hart und bru­tal er und sein Vater sein kön­nen. Zahl­rei­che blaue Fle­cke auf mei­nem Körper spre­chen Bän­de. Ich er­in­ne­re mich wie­der, wie ich ge­gen sie ge­kämpft ha­be, doch ich bin zu schwach ge­we­sen. Ein­zig mit ei­nem Stab aus Holz ha­be ich mich ih­nen ge­gen­über­ge­stellt. Glü­hend und lo­dernd bro­delt der Hass in mir, wenn ich an As­ta den­ke. Hass ist ein star­kes Ge­fühl. Mäch­tig. Er ver­dient schlim­me­res als den Tod.

Mein Blick wan­dert hin­auf. Ich blinz­le ei­ni­ge Ma­le. Nach dem Sprung von den Fel­sen, auf der Flucht vor der Chi­mä­re ins auf­ge­wühl­te Meer, har­ren wir al­so weiter aus, bis Cri­spin Ver­nunft an­nimmt oder ein Wun­der ge­schieht. Bei­des soll mir recht sein, ob­wohl ich das Wun­der be­vor­zu­ge. Wir ha­ben so viel ge­schafft, es wä­re un­fair, wenn es jetzt en­det. Nicht so. Aber uns läuft die Zeit da­von. »Cri­spin?« Mei­ne Stim­me klingt hei­ser. Ich un­ter­drü­cke ein wei­te­res schmerz­vol­les Stöh­nen.

»Ja, klei­ner Schmet­ter­ling?« So­fort rich­tet er sich auf, win­kelt sei­ne Ar­me an, wirkt sehr be­sorgt, wäh­rend ich mich ihm zu­dre­he. Er ist so stark. Ich has­se es, Angst in sei­ner Stim­me zu er­ken­nen. Durch mich hat er die­ses Ge­fühl erst ken­nen­ge­lernt. Je­mand wie er hat kei­ne Angst. Nicht so, wie er sie aus­ste­hen hat müs­sen. Er hat nie ei­ne Ge­fähr­tin ge­wollt, weil es sei­ne Schwach­stel­le wä­re, und selbst da­mit be­hält er recht. Hier bin ich und all das zeigt, dass sei­ne Be­fürch­tung wahr ge­wor­den ist. Ich schwäche ihn, und ge­nau das wer­den sich sei­ne Geg­ner zu­nut­ze ma­chen. Ei­ne feuch­te Sträh­ne fällt ihm in sein mar­kan­tes Ge­sicht, auf des­sen Wan­gen sich ein dunk­ler Bart­schat­ten ge­bil­det hat und von Krat­zern über­sät ist. Es ver­leiht ihm et­was Ge­fähr­li­ches und Har­tes, was mein Herz noch ein we­nig mehr klop­fen lässt. Trotz mei­ner Schmer­zen kann ich nicht um­her, fest­zu­stel­len, wie at­trak­tiv er ist. Er hat sei­ne Tu­ni­ka, so gut es geht, um mei­nen Rumpf ge­bun­den, um die Blu­tung zu stop­pen. Wenn ich ihm Glau­ben schen­ken darf, hat die Hei­lung be­reits be­gon­nen. Es fühlt sich nicht so an, aber mein Ver­trauen hat er. Al­be und El­ben hei­len schnel­ler, dem Himmel sei Dank. Ein dün­nes, ro­tes Rinn­sal treibt trotz­dem noch vom Fel­sen ins Meer. Bei mei­nem Glück wim­melt es gleich vor Hai­en. Mör­de­ri­sche Fe­go­ria-Mons­ter­haie. Ich bin si­cher, so et­was gibt es hier. Die Kral­len der Chi­mä­re ha­ben mich schwer er­wischt, doch immer­hin ha­ben wir eben­falls ei­nes die­ser Bies­ter in die ewi­gen Jagd­grün­de schi­cken kön­nen. Ich bin zwar ein ech­ter Tier­freund, doch bei die­sem Vieh hört es wirk­lich auf.

»Du musst ge­hen und mich zurück­las­sen, das muss dir be­wusst sein, Cri­spin. Wenn wir bei­de blei­ben, ster­ben wir. Noch schlim­mer: Grimm oder die Chi­mä­re ent­de­cken uns«, flüs­te­re ich, schaue ihm direkt ins Ge­sicht … Wo­bei mir ein schnel­ler Tod durch die Chi­mä­re lie­ber wä­re als ei­ne Ewig­keit mit Grimm. Cri­spin presst mür­risch die Lip­pen auf­ein­an­der, sei­ne Mie­ne nimmt ei­nen stör­ri­schen Aus­druck an. Er wird nicht nach­ge­ben, das weiß ich, und je­nes Wis­sen macht mich ver­rückt. Will er hier mit mir ster­ben? Ja, die Ant­wort liegt auf der Hand. Mir ist be­wusst, dass Dis­kuss­io­nen zwi­schen uns noch nie leicht ge­we­sen sind. Wir sind bei­de di­ckköp­fig und stur, nicht ge­ra­de un­se­re be­sten Eigen­schaf­ten.

»Nie­mals. Vor­her ster­be ich mit dir hier drau­ßen, Ali­ce. Ver­lan­ge alles, nur nicht das. Ich schaf­fe es nicht mehr und bin am En­de mei­ner Kräf­te, was das an­geht. Nichts und nie­mand wird uns tren­nen. Ge­nug ist ge­nug. Schau dich und mich an, uns be­kommt es nicht, wenn wir dies ver­su­chen. Und oh­ne dich ha­be ich kei­nen Grund mehr, weiter zu ma­chen. Wo­für soll­te ich noch kämp­fen? Gehst du von die­ser in die näch­ste Welt, wer­de ich dir fol­gen. Dann soll es so sein. Ich bin all das leid. Die­se Sor­ge, die Äng­ste und die Schmer­zen, die du er­dul­den musst. Es ist mir gleich, was mit mir ge­schieht, Ali­ce, aber ich kann es nicht er­tra­gen, dich ge­pei­nigt zu se­hen. Sie fü­gen mir kei­ne körper­li­chen Schmer­zen zu, doch wenn ich weiß, dass du lei­dest, ver­letzt es mich an an­de­rer Stel­le.« Er zeigt auf sein Herz. Mein Mund ist nur noch ei­ne har­te Li­nie. Ich sa­ge ja, er wird nicht nach­ge­ben.

»Ge­nau, wir wer­den auch ster­ben, wenn du nicht zur Ver­nunft kommst. Wir bei­de, Cri­spin. Du kannst es schaf­fen, ich nicht. Sei doch mal ei­ne Se­kun­de rea­lis­tisch. Dein Volk braucht dich. Mein Rü­cken … Ich glau­be, das Vieh hat et­was Wich­ti­ges ka­putt­ge­macht. Mei­ne Mus­keln …«

»Das wird hei­len, Ali­ce. Du bist ei­ne Al­bin. Das bringt dich nicht um. Es re­ge­ne­riert be­reits, das ha­be ich dir längst mit­ge­teilt. Gib dir noch et­was mehr Zeit. Wir ha­ben es so weit ge­bracht. Reiß dich zu­sam­men, ver­flucht. Du bist ei­ne Krie­ge­rin, du bist stark. Ja, mein Volk zählt auf mich, aber was brau­che ich? Ich ken­ne die Ant­wort und des­we­gen bin ich hier, nicht bei mei­nem Volk, al­so be­las­se es da­bei. Du bist ro­bust, das wis­sen wir bei­de. Dein Über­le­ben ist re­le­vant für mich und un­se­re Zu­kunft. Für die Zu­kunft Fe­go­ri­as. Auf­ge­ben kommt für je­man­den wie dich nicht in­fra­ge. Ent­täu­sche mich nicht.«

Ich la­che auf. »Und so lan­ge willst du hier aus­har­ren? Ta­ge? Wir ha­ben die­se Zeit nicht, du Stur­kopf. Ach was, ein Esel bist du. Du kannst noch so sehr drauf be­har­ren, dies­mal bist du im Un­recht, was du eigent­lich weißt, du willst es nur kei­nes­falls zu­ge­ben. Die­sen Kampf wirst du nicht ge­win­nen. Die­ses Mal nicht. Lass mich zurück und ret­te dich. Meinst du nicht, sie wer­den uns frü­her oder spä­ter auch hier su­chen? So viel Zeit kann Elil uns kaum ver­schaf­fen.« Cri­spins Augen schei­nen Blit­ze zu ver­sprü­hen. Er beißt die Zäh­ne fest auf­ein­an­der, mahlt sie ge­ra­de­zu. Mu­tig stre­cke ich mei­ne Hand aus und strei­che dem Mann, den ich vor Stun­den noch für mei­nen Wi­der­sa­cher ge­hal­ten ha­be, die wi­der­spens­ti­ge Sträh­ne aus dem Ge­sicht. Alles in mir schreit da­nach, ihn zu küs­sen, ihm die­sen stör­ri­schen Aus­druck vom Ge­sicht zu wi­schen. Mein Körper ver­zerrt sich nach ihm.

»Es ist nicht an der Zeit, uns vo­nei­nan­der zu ver­ab­schie­den, Ali­ce. Egal, was du sagst, es wird mei­ne Mei­nung nicht än­dern. Dann ster­ben wir hier, ge­mein­sam.«

Es fühlt sich ver­traut an, ihn zu be­rüh­ren. Ich möch­te nichts lie­ber, als für immer in sei­nen Ar­men lie­gen. Sei­ne Brust hebt und senkt sich schnell. Er ist ver­är­gert. Sau­er auf mich, er­bost auf die Welt und ver­mut­lich da­rauf, dass ich recht ha­be. Ver­steht er denn nicht, dass ich nicht auf­ge­ben, son­dern ihn ret­ten will, so wie er mich stets ret­tet? Wa­rum räumt er sich die­ses Recht ein und ver­wehrt es mir? An ihm se­he ich eben­so Spu­ren des Kamp­fes: sei­ne zer­ris­se­ne Ho­se, die mit rost­ro­ten Fle­cken über­sät ist, sei­ne auf­ge­platz­te Lip­pe, das blau un­ter­lau­fe­ne Au­ge, wel­ches je­dem Preis­boxer Eh­re ma­chen wür­de. All die Bles­su­ren und Krat­zer, ver­teilt auf sei­nem mus­ku­lö­sen Körper, den ein Bild­hau­er nicht bes­ser hät­te er­schaf­fen kön­nen, und doch wirkt er stark und un­er­schüt­ter­lich. Lei­der auch wild ent­schlos­sen. Grimm, die­ser ver­fluch­te … Was wä­re pas­siert, wä­re ich län­ger dort­ge­blie­ben? Wä­re aus mir eben­so ein Mons­ter ge­wor­den, wie er ei­nes ist? Wä­re ich ver­lo­ren ge­we­sen? Mit mir all das, wo­für wir kämp­fen wol­len? Ich emp­fin­de Scham, wie ich mit den zwei Al­ben ge­spro­chen ha­be, die zu mei­ner Fa­mi­lie ge­hö­ren. Fa­mi­lie. Ich ha­be hier An­ge­hö­ri­ge mei­nes Blu­tes. Ich bin nicht allein. Was re­de ich, je­nes bin ich so­wie­so nicht. Cri­spin, Ci­an, No­am. Sie sind eben­so mei­ne Fa­mi­lie wie All­ia­ria und Elil. Die Er­in­ne­run­gen schmer­zen. Je­de, die wie­der­kehrt, ist ein Dolch­stoß in mein Herz.

Ich schaue dem Mann in die Augen, zu dem ich mich so hin­ge­zo­gen füh­le und der mich mo­men­tan schre­cklich wü­tend macht, weil er nicht hö­ren will. Ge­ra­de, als er et­was er­wi­dern will, lässt uns ei­ne Stim­me zu­sam­men­zu­cken. »Stö­re ich?« Ei­ne weib­li­che Stim­me, die verg­nügt klingt, er­tönt. Ich fah­re er­schro­cken he­rum. Vio­let­te Augen fun­keln mich an, ge­hö­ren zu ei­ner bild­schö­nen grün­haa­ri­gen Frau, die sich mit den El­len­bogen auf dem Fel­sen ab­stützt. Ob­wohl die Wel­len un­ge­bän­digt peit­schen, wirkt es bei ihr, als hät­te sie nicht an­satz­wei­se Schwie­rig­kei­ten, sich dort zu hal­ten. Ele­gant streckt sie ih­re lan­gen Ar­me von sich, ehe sie ih­ren Kopf in die Hand­flä­chen legt und uns da­bei lie­blich zu­blin­zelt.

Ih­re ro­ten Lip­pen öff­nen sich zu ei­nem Lä­cheln, ent­blö­ßen spit­ze Zäh­ne, die mich er­schau­dern las­sen. Ich rücke von ihr ab. Ei­ne Ni­xe oder täu­sche ich mich? Mei­ne Mutter ist wie sie ge­we­sen und doch frös­telt es mich bei ih­rem An­blick. Un­will­kür­lich glei­te ich mit mei­ner Zun­ge an mei­nen Zäh­nen ent­lang. Gott sei Dank er­tas­te ich nichts Spit­zes. Wo kommt sie plötz­lich her? Wer ist sie? Ei­ne Flos­se lugt hin­ter ihr aus dem Was­ser. Mei­ne Augen wei­ten sich über­rascht. Ja, ich ha­be recht, ei­ne Ni­xe. Dun­kel er­in­ne­re ich mich an die Schlacht in Escher und an Hän­de, die Orks ins Was­ser ge­zo­gen ha­ben. Es schüt­telt mich aber­mals. Ni­xen sind ge­fähr­lich. Das sind Ke­la­lans Wor­te ge­we­sen, als er mir die We­sen Fe­go­ri­as er­klärt hat. Mei­ne Mutter ist nicht ge­fähr­lich ge­we­sen, oder? Wo­bei, hier in Fe­go­ria ist je­der ein po­ten­ziel­ler Feind.

»Ich ge­ste­he, euch zu­zu­se­hen, ist ir­gend­wie er­otisch und be­schä­mend zu­gleich. Ihr wirkt so ver­zwei­felt, wollt euch für den an­de­ren auf­opfern und den­noch sind die Bli­cke zwi­schen euch glü­hend. Was ge­schieht nun? Paart ihr euch? Ich ha­be nicht so recht ge­wusst, wann ich in eu­ren Kampf ge­gen das Er­trin­ken ein­grei­fen soll. Das Be­ob­ach­ten hat mich amü­siert, wenn ich ehr­lich bin. Ich lie­be es, da­bei zu­zu­se­hen, wie ei­nem We­sen die Luft aus­geht, das Herz all­mäh­lich auf­hört zu schla­gen, und sie lang­sam un­ter­ge­hen, um den Meeres­tie­ren Nah­rung zu bie­ten. Ein wun­der­ba­res Schau­spiel. Es er­quickt mich je­des Mal. Eu­re dün­nen schwa­chen Bein­chen, wie sie ge­zap­pelt ha­ben … Ihr seid so hil­flos im Was­ser.« Sie blickt mich aus ova­len Augen an. »Von dir ha­be ich mehr er­war­te, Tochter des Meeres. Immer­hin tei­len wir uns glei­ches Blut. Wie auch immer, ihr habt es ja ge­meis­tert, ob­wohl ich mir et­was mehr Zeit als nö­tig ge­las­sen ha­be.« Lan­ge schlan­ke Fin­ger mit kral­le­nar­ti­gen Nä­geln krat­zen vor mir klei­ne Stei­ne vom Fel­sen und ver­ur­sa­chen da­bei ein Ge­räusch, wel­ches mich noch nä­her an Cri­spin he­ran rut­schen lässt.

Crispin

Mei­ne Ar­me schlie­ßen sich fes­ter um Ali­ce‘ zier­li­chen Körper. Es fühlt sich be­frie­di­gend an, wie sie sich nä­her an mich drückt, wäh­rend ich Triel nicht aus den Augen las­se. Die­se mus­tert Ali­ce ein­dring­lich, ehe sie sich mir zu­wen­det. Sie leckt sich über die spit­zen Zäh­ne, mus­tert mei­nen Körper un­ge­niert von Kopf bis Fuß. Mich lässt dies zwar kalt, aber Ali­ce ver­spannt sich merk­lich. »Oh, was für ein schö­ner Mann du bist. Nackt noch schö­ner als in Rüs­tung ver­hüllt. All die­se har­ten Mus­kel­strän­ge … Äu­ßerst ap­pe­tit­lich und viel­ver­spre­chend. Da hat sich das War­ten ge­lohnt, du Le­cker­bis­sen. Dein Glück, dass dei­ne Ge­fähr­tin da­bei ist, denn wir Ni­xen kön­nen im Lie­bes­spiel sehr über­zeu­gend sein. Das ver­gisst kein Mann so schnell. Was müss­te ich tun, da­mit ich den Rest von dir se­hen darf? Die läs­ti­ge Ho­se ist oh­ne­hin nur noch ein Lum­pen. Fort da­mit, Prinz, amü­sie­re mich. Mir steht der Sinn nach ei­ner Un­ter­hal­tung der an­de­ren Art.«

»Wie kann sie es wagen?«, murrt Ali­ce lei­se, mehr zu sich selbst als zu mir. Was mich eben­falls be­ru­higt: Sie wi­der­spricht Triel nicht. Auch wenn in den letz­ten Stun­den viele ih­rer Er­in­ne­run­gen zurück­ge­kom­men sind, weiß ich nicht ge­nau, wo wir ste­hen oder was sie fühlt. Gib nie et­was vor den Ni­xen preis, sie wür­den es ge­gen dich ver­wen­den, den­ke ich. Mir ge­fällt es, dass Ali­ce be­dacht han­delt, da­zu­ge­lernt hat – an­ders als vor Mo­na­ten. Sie schaut die Ni­xe vor sich so fins­ter an, als wür­de sie mit dem Ge­dan­ken spie­len, ihr für ih­re Wor­te die Haut ab­zu­zie­hen. Mitt­ler­wei­le wür­de ich ihr dies so­gar zu­trauen. Die­se Welt hat sie ver­än­dert. Das Wis­sen, dass sie eifer­süch­tig ist, im­po­niert mir, schmei­chelt mei­nem Her­zen und mei­nem Selbst­wert­ge­fühl. Dass Ali­ce sich er­in­nert und auf­ge­hört hat, ge­gen mich an­zu­kämp­fen, lin­dert den Schmerz in mir. Ich klam­me­re mich an das Wis­sen, dass alles so wird wie vor­her. Ich spü­re, wie sie sich mir wie­der öff­net, mei­ne Nä­he sucht und ih­re Bli­cke vol­ler Lie­be, aber auch vol­ler Trau­er und Scham sind. Der Trank lässt nach. Ich ver­mu­te, die Ver­let­zun­gen tra­gen ih­ren Teil da­zu bei, der Blut­ver­lust spült es fort – ihr Körper muss sich schnel­ler re­ge­ne­rie­ren, da­durch wird zu­dem der Trank zü­gi­ger ab­ge­baut.

»Sprich dich aus, Schwes­ter des Meeres.« Durch­aus in­te­res­siert hebt Triel die Augen­brau­en. Sie ist ge­fähr­lich, man darf sie nicht un­ter­schät­zen. Mein gan­zer Körper ist wach­sam und an­ge­spannt.

»Lass dei­ne Spiel­chen, Triel. Sie ist ge­ra­de nicht sie selbst und ge­schwächt. Sie ist durch ei­nen Trank ge­blen­det, ein fau­ler Zau­ber. Sie ist die mei­ne, ich der ih­re. Es be­steht kei­ne Hoff­nung für dich, sich mit uns zu paa­ren. Heu­te nicht und an kei­nem an­de­ren Tag.«

»Lang­wei­li­ger Elb!« Sie schmollt, je­doch nicht lan­ge. »Be­schrei­be den Trank!«

Ich schie­be Ali­ce hin­ter mich, schüt­ze sie mit mei­nem Körper. Auch wenn ich Triel ken­ne, Ni­xen sind nie harm­los und ihr neu­gie­ri­ger Blick be­hagt mir nicht. Ich bin vor ge­rau­mer Zeit da­bei ge­we­sen, als sie ih­ren Opfern die Haut vom Körper ge­ris­sen ha­ben, mit ih­ren Zäh­nen bei le­ben­di­gem Leib. An ih­ren Fin­gern klebt mehr Blut als an mei­nem Schwert. Sie tö­tet aus pu­rem Ver­gnü­gen, das un­ter­schei­det uns. »Er blo­ckier­te Tei­le ih­rer Er­in­ne­rung, lässt hin­ge­gen be­reits nach. Wie du siehst, es gibt nichts für dich zu ho­len«, er­läu­te­re ich sach­lich. »Was machst du hier, Triel, außer dich an un­se­rem Leid zu la­ben?«

»So un­freund­lich? Tsss … Spitz­ohr­prinz … Ler­ne, dich zu be­herr­schen, oder ich las­se dich zurück und ret­te nur sie. Es wä­re zwar ei­ne Ver­schwen­dung, aber … Ich zie­he es in Er­wä­gung.«

»Du willst uns ret­ten? Zu wel­chem Preis?« Ich bin äu­ßerst acht­sam, Ni­xen leis­ten kei­ne Ge­fäl­lig­kei­ten. Nie­mals! Sie sind ein­zig auf ihr ei­ge­nes Wohl aus.

»Wir ha­ben Ali­ce ein An­ge­bot zu ma­chen, es wür­de selbst dich aus die­ser miss­li­chen La­ge be­frei­en.«

»Wie lau­tet das An­ge­bot?« Oh­ne zu er­fah­ren, wie hoch der Preis für die­se Ret­tung ist, wer­den wir dem Han­del nicht zu­stim­men. Ich be­ob­ach­te mein Ge­gen­über ge­nau, je­de noch so klei­ne Re­gung ih­res Ge­sich­tes.

»Das, mein lie­ber Prinz, wird euch Ja­de er­klä­ren, denn sie war­tet auf dich und dei­ne klei­ne Halb­ni­xe.« Wie­der lä­chelt sie Ali­ce an. Aller­dings wirkt die­ses Lä­cheln nicht echt, son­dern auf­ge­setzt. Es ver­ur­sacht mir ei­ne Gän­se­haut. Nein, Triel hat Plä­ne und hier läuft et­was im Hin­ter­grund. Wir dürf­ten die­sem Han­del nicht ak­zep­tie­ren, das weiß ich ganz si­cher. »Aber vor­her will ich dir hel­fen, statt mich an dei­nem Leid zu er­freu­en, Prinz der El­ben. Ich ha­be heu­te ei­nen groß­zü­gi­gen Tag.«

Ali­ce greift nach mei­ner Hand, als Triel sich aus dem Was­ser hebt, die lan­ge Flos­se wird da­bei zu zwei lan­gen schlan­ken Bei­nen. Das Was­ser perlt an ih­nen ab, tropft vor ih­ren Bei­nen auf den Stein. Ich ste­he eben­falls auf, über­ra­ge da­bei die Ni­xe um mehr als ei­nen gu­ten Kopf, wie ich be­frie­di­gend fests­tel­le und ei­sig auf sie hin­ab­bli­cke. »Du kannst die Flos­sen ein­fach ge­gen Bei­ne tau­schen und lau­fen? Ich ha­be immer ge­dacht, es nimmt ei­ne ge­wis­se Zeit in An­spruch, um dies zu kön­nen.« Ich bin bei­lei­be über­rascht. Das zeigt aber­mals, wie lis­tig sie sind.

Sie legt den Fin­ger auf ih­ren Lip­pen. »Psst … Es gibt Din­ge, über die soll­te man nicht spre­chen. Ge­heim­nis­se gibt man nicht preis. Tar­nung, Täu­schung – auch du kennst das, Ho­heit. Al­so schwei­ge, sonst muss ich dich tö­ten. Es bie­tet uns Schutz. Wir wer­den oft un­ter­schätzt, da man denkt, wir sind nur im Was­ser ge­fähr­lich. Da­bei kön­nen wir oh­ne Pro­ble­me des Nachts euch die Keh­le durch­schnei­den, wenn uns da­nach be­liebt. Ver­giss das nie, wenn du an ei­nem Ge­wäs­ser ra­stest. Ich of­fen­ba­re mich auch nicht dir, Prinz, son­dern ihr, mei­ner Schwes­ter. Sie ist ein Teil von uns. Ihr steht es zu, dies zu wis­sen, ehe sie ei­ne Wahl trifft.« Ei­ne Wahl? Wo­von re­det sie? Mei­ne Augen ver­en­gen sich zu Schlit­zen. Sie schrei­tet auf Ali­ce zu, reicht ihr die Hand. »Ste­he auf, Tochter des Meeres! Ich wer­de dir hel­fen.«

»Ich …«, zö­gert Ali­ce, schaut mich an. Sie traut Triel eben­so we­nig wie ich. Un­si­cher­heit blitzt in ih­ren Augen auf.

»Was hast du vor Triel? Was wird es uns kos­ten?«, ver­lan­ge ich noch­mals, zu er­fah­ren. Ali­ce steht mit zit­tri­gen Bei­nen auf, ich stüt­ze sie acht­sam. Sie muss sich aus­ru­hen, hei­len. Das alles ist zu viel für ih­ren ge­schwäch­ten Körper.

»Schweig, Elb! Dies geht nur uns Schwes­tern et­was an.« Sie legt den Kopf schief. In ih­ren nas­sen Haaren klim­pern Mu­scheln, die dort ein­ge­ar­bei­tet sind.

»Hü­te dei­ne Zun­ge, Ni­xe«, mah­ne ich sie, wo­rauf­hin sie er­bost in mei­ne Rich­tung faucht, ehe sie den Blick zu Ali­ce rich­tet. Ali­ce streicht sich ihr Haar aus dem Ge­sicht, wäh­rend ich mich hin­ter sie stel­le und mei­ne Hand auf ihr Kreuz le­ge, da­mit sie weiß, dass ich da bin. Und nicht nur das, ich bin be­reit, je­der­zeit ein­zu­schrei­ten.

»Ich wer­de ih­ren Körper rei­ni­gen. Sie muss bei vol­lem Ver­stand sein, wenn sie sich für uns ent­schei­det«, teilt Triel mir kryp­tisch mit, was mir nicht ge­fällt, da­her runz­le ich Stirn pro­vo­ka­tiv.

»Kei­ne fal­schen Spiel­chen, mein Schwert funk­tio­niert ein­wand­frei«, las­se ich Triel tro­cken wis­sen, was sie mit ei­nem Zi­schen und ge­fletsch­ten Zäh­nen kom­men­tiert. Soll mir dies Angst ma­chen? Wenn ja, hat sie kei­nen Er­folg. Ihr Kopf wür­de schnel­ler auf dem Grund des Meeres lan­den, als sie bis drei zäh­len kann.