Feindbilder – Psychologie der Dämonisierung - Haim Omer - E-Book

Feindbilder – Psychologie der Dämonisierung E-Book

Haim Omer

0,0

Beschreibung

Der Dalai Lama schreibt im Vorwort zu diesem Buch, dass jedes menschliche Wesen nach Glück verlangt und ein Recht darauf hat. Doch Disharmonie, Streit und Gewalt bringen dem Menschen immer wieder Leid. Unversehens geraten wir in Prozesse der Dämonisierung des Anderen, der anderen Gruppe, des anderen Volkes. Wir nehmen das Gegenüber nur noch in negativem Licht wahr, machen es zum Monster, das es mit aller Macht zu bekämpfen gilt.Die psychotherapeutisch tätigen Autoren erklären, wie es dazu kommt, und zeigen – auch anhand überzeugender Fallbeispiele – Wege der Deeskalation und Entdämonisierung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 356

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Haim Omer/Nahi Alon/Arist von Schlippe

Feindbilder – Psychologie der Dämonisierung

Mit einem Vorwort des Dalai Lama

4., unveränderte Auflage

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

ISBN 978-3-647-99577-9

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

© 2016, 2006 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.

www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort des Dalai Lama

Vorwort von Arist von Schlippe

Einführung

Vertrauen und dämonische Erfahrungen

Eine Geschichte von Nahi Alon

Metaperspektiven, Erwartungs-Erwartungen und Interaktionsmuster

Fallgeschichte 1: »Hattest du Sex mit einem anderen?«

Fallgeschichte 2: »Du warst nie eine gute Mutter!«

Fallgeschichte 3: Das Familienunternehmen

Dämonische und tragische Sicht

Prämissen einer dämonischen Sicht

1. Alles Leiden kommt vom Bösen

2. Der Andere ist ein fremdartiges und sich verstellendes Wesen

3. Das Glück ging verloren und kann wieder gefunden werden

4. Die Ursachen des Leidens sind tief verborgen

5. Das Aufdecken der verborgenen Kräfte bedarf einer besonderen Form von Wissen

6. Schuldeingeständnis und Beichte sind die Vorbedingungen für eine Heilung

7. Heilung besteht in der Ausrottung des verborgenen Übels

Prämissen einer tragischen Sicht

1. Leiden ist ein wesentlicher und unausweichlicher Teil des Lebens

2. Schlechte Handlungen können positiven Eigenschaften entstammen

3. Der Andere ist uns ähnlich

4. Es gibt keinen privilegierten Einblick in die Erfahrungswelt eines anderen

5. Radikale Lösungen vergrößern oft das Leiden

6. Die Allgegenwärtigkeit des Leidens erfordert Akzeptanz, Mitleiden und Trösten

Fallgeschichte 4: »Wer will ein Monster als Mutter haben?«

Entdämonisierende Dialoge

Reframing

Fallgeschichte 5: »Schlampige Vorspeise …«

Entdämonisierende Fragen

Fallgeschichte 6: Nachvollziehbare Wutausbrüche

Metaphern

Fallgeschichte 7: Bolzen und Mutter voneinander lösen

Das Modifizieren dämonischer Bewertungen

Die Einschätzung des Problems

Fallgeschichte 8: Dreißig Prozent – ein realistisches Ziel?

Selbsteinschätzung

Fallgeschichte 9: Schuld dahin, wo sie hingehört

Fallgeschichte 10: Die Verhandlung

Fortschritte erkennen lernen

Fallgeschichte 11: Der »explodierende Mann«

Nichtdämonische Ziele

Fallgeschichte 12: Schuld und Reue

Bescheidene Ziele setzen

Fallgeschichte 13: Die Augenoperation

Das Prinzip des Reifens

Fallgeschichte 14: Aktives Warten

Fallgeschichte 15: Das »wissenschaftliche Experiment«

Fallgeschichte 16: Ein Potpourri entdämonisierender Themen

Logiken der Eskalation

Die Annahmen destruktiven Kämpfens

Der Reiz des dämonischen Vorgehens beim Kämpfen

Konstruktive, nichtdämonische Kämpfe

Die Annahmen des konstruktiven Kämpfens

Die Macht des gewaltlosen Vorgehens

Nichtdämonisches Kämpfen in Aktion: Gewaltloser Widerstand durch Eltern gewalttätiger Kinder

Fallgeschichte 17: Die Sulkh-Zeremonie

Die tragische Weisheit des Trostes

Die tröstende Beziehung

Fallgeschichte 18: Legitime Trauer

Verlust, Erinnerung und Trost

Fallgeschichte 19: Der verschollene Freund

Hoffnung, Desillusionierung und Trost

Fallgeschichte 20: »Wieder ein Höhlenmensch …«

Fallgeschichte 21: Ein Paar in der Hölle

Literatur

Vorwort des Dalai Lama

Ich glaube, dass glücklich zu sein der Zweck des Lebens ist. Vom Augenblick der Geburt an verlangt jedes menschliche Wesen nach Glücklichsein und nicht nach Leiden. Deshalb ist es wichtig herauszufinden, was uns den höchsten Grad an Glücklichsein beschert.

Die Autoren dieses Buches sind Psychotherapeuten, die sich beruflich damit beschäftigen, Menschen zu helfen, seelischen Frieden und Zufriedenheit zu finden. Es ist ihnen ein Anliegen, ihre Arbeit effektiver zu gestalten. Einen der psychotherapeutischen Trends, den sie in Frage zu stellen versuchen, ist eine Tendenz, die sie Dämonisierung nennen – von Dingen oder Menschen. Normalerweise neigen wir dazu, unsere Probleme anderen oder äußeren Faktoren anzulasten. Außerdem suchen wir leicht nach einer einzelnen Ursache und versuchen dann, uns unserer Verantwortung zu entledigen. Es sieht so aus, als ob immer, wenn intensive Emotionen im Spiel sind, es eine Ungleichheit zwischen dem gibt, wie uns die Dinge erscheinen und wie sie wirklich sind. Wenn wir Menschen dämonisieren, sehen wir sie in einem sehr negativen Licht und geben vor, sie seien irgendwie völlig anders als wir.

Wir übersehen die Tatsache, dass alle menschlichen Wesen im Grunde gleich sind, woher immer wir stammen. Physisch mag es einige kleine Unterschiede geben, in der Form unserer Nasen, der Farbe unseres Haars und dergleichen, aber sie sind unwesentlich. Im Grunde sind wir dieselben. Wir alle haben das gleiche Potential, sowohl positive wie negative Erfahrungen zu machen. Mehr noch, wir haben das gleiche Potential, unsere Einstellungen zu verändern. Und das ist, glaube ich, wichtig: zu erkennen, dass wir uns alle in bessere, glücklichere Menschen verwandeln können. Nicht nur das, wir sollten auch Kraft aus dem Gedanken schöpfen, dass, wenn wir es können, auch unsere Rivalen, Gegner und Feinde sich ändern können.

Nach meiner eigenen, begrenzten Erfahrung habe ich entdeckt, dass der höchste Grad seelischen Friedens aus der Entwicklung von Liebe und Mitgefühl erwächst. Je mehr wir uns um das Glück anderer kümmern, desto größer wird unser eigenes Wohlbefinden. Wenn man ein nahes, warmherziges Gefühl für andere pflegt, wird man sich automatisch erleichtert fühlen. Das trägt dazu bei, Furcht und Unsicherheit zu beseitigen, und gibt uns die Stärke, mit jedweder Widrigkeit, die uns begegnet, fertig zu werden. Das ist der Grund, warum ich glaube, dies sei die wichtigste Quelle des Erfolgs im Leben.

In Tibet haben wir die Redensart: »Viele Krankheiten können durch die eine Medizin kuriert werden: Liebe und Mitgefühl.« Diese Eigenschaften sind die wichtigste Quelle menschlichen Glücks, und unser Bedürfnis für sie liegt im tiefsten Kern unseres Seins. Unglücklicherweise sind Liebe und Mitgefühl schon zu lange aus zu vielen Sphären gesellschaftlicher Interaktion herausgenommen worden. Sie sind auf die Familie und das Zuhause beschränkt, und ihre Ausübung im öffentlichen Leben wird als unpraktisch angesehen, sogar als naiv. Das ist tragisch. Meiner Ansicht nach ist das Ausüben von Mitgefühl keinesfalls ein Symptom von unrealistischem Idealismus, sondern die wirksamste Art, die besten Interessen anderer und von einem selbst zu verfolgen.

Was wir heute brauchen, und ich glaube, dass dieses Buch einen wertvollen Beitrag dazu liefert, ist eine Erziehung der Einzelnen und der Nationen, von kleinen Kindern bis zu politischen Führern, um die Idee einzupflanzen, dass Gewalt und die Dämonisierung unserer Opponenten kontraproduktiv sind, dass sie keine realistische Möglichkeiten sind, unsere Probleme zu lösen. Anstatt anderen Schuld zuzuweisen, ist es notwendig, dass wir selbst Verantwortung übernehmen und uns dafür engagieren, Lösungen im Geiste des Mitfühlens und der Demut zu suchen. Wahrer Friede und wahre Versöhnung, ob in Bezug auf uns selbst oder in Bezug auf andere, kommen durch ein verständnisvolles, respektvolles und gewaltloses Angehen unserer Probleme zustande.

Gez. DALAI LAMAim Februar 2005

Vorwort

Dieses ist das dritte Buch, das in einer mittlerweile bewährten Form der Kooperation zustande gekommen ist. Mein israelischer Freund und Kollege Haim Omer lud mich ein, nach unseren 2002 und 2004 in Deutschland gemeinsam verfassten Büchern nun auch das neueste Werk »Psychology of Demonization«, das 2005 von Nahi Alon und ihm auf Englisch erschienen ist, für die deutsche Publikation zu bearbeiten, das heißt, über die Einbeziehung deutscher Fachliteratur und eigener Fallbeispiele die Anschlussfähigkeit in diesem Sprachraum zu ermöglichen.

Wieder habe ich gern zugesagt, allerdings fiel mir die Bearbeitung diesmal schwerer als bei den beiden anderen Büchern. Die Suche nach den in unserem Denken, in unserer Sprachverwendung angelegten Voraussetzungen dafür, wie wir in Konflikten in mögliche Eskalationen hineingeraten, führt sehr direkt zu den Wurzeln einer Kultur, zu den zentralen Prämissen, die unseren Kulturstandards unterliegen. Kulturstandards haben den Charakter impliziter Theorien, sie steuern also in der Regel unbewusst das Verhalten der Mitglieder einer Kultur. Daher erforderten die feinen Unterschiede in den Beschreibungen von uns drei Autoren besondere Aufmerksamkeit – wie sich auch an heftigen Debatten zeigte, die ich mit meinen deutschen Kollegen und Kolleginnen etwa über die Begriffe »Dämonisierung« und »tragische Sicht« führte. Einer der offenkundigsten Unterschiede ist sicher die Dominanz sehr unterschiedlicher Traditionen der Psychotherapieausbildungen in Israel und Deutschland. In Deutschland sind meines Erachtens Therapieformen, die in ihren Modellvorstellungen weniger für Dämonisierung anfällig sind, viel stärker in der Fachwelt verankert. Eine ganze Reihe sehr psychotherapiekritischer Aussagen habe ich daher für dieses Buch nicht übernommen.

Axel Timner sorgte – wie bei den vorangegangenen Büchern – für eine ausgezeichnete Übersetzung, die es mir dankenswerterweise ermöglichte, die volle Konzentration auf die inhaltliche Bearbeitung zu richten. Fremdsprachige Zitate wurden ebenfalls jeweils durch uns übersetzt.

Eine Reihe guter Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen gaben mir hilfreiche Rückmeldungen zum deutschen Manuskript. Namentlich bedanken möchte ich mich hier bei Dipl.-Psych. Barbara Ollefs, Dr. Christian Hawellek, Dipl.-Psych. Wolfgang Loth, Dipl.-Psych. Markus Plate und mein Vater, Dr. Gunnar von Schlippe.

Einige Bemerkungen zu den Fallbeispielen: Wir unterscheiden kleinere Illustrationen, in kleinerer Schrift gesetzt, von größeren Fallgeschichten, die jeweils eine eigene Überschrift und Nummerierung erhalten. Alle Fallgeschichten zeigen den unterschiedlichen therapeutischen Stil von uns Autoren – vielleicht eine gute Veranschaulichung der Tatsache, dass wir hier keine neue Therapieform vorstellen, sondern anregen wollen, in jeder Form von Praxis, sei es Therapie, Beratung oder Mediation, sensibel für dämonisierende Beschreibungen zu sein und das eigene Handeln entsprechend zu gestalten.

Alle Fallbeispiele sind hinreichend verändert, um die Identität der Klienten zu schützen. Einige Fälle sind zusammengesetzte Geschichten und Erfahrungen mit verschiedenen Klienten und unterschiedlichen Therapien.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ebenso viele angeregte Diskussionen und ebenso viele Aha-Erlebnisse, wie ich sie bei der bearbeitenden Auseinandersetzung mit diesem spannenden Buch gehabt habe.

Arist von Schlippe

Einführung

In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die anderen in uns hineinsehen, Freund wie Feinde. Und umgekehrt. Auch wir sind die Verfasser der anderen; wir sind auf eine heimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen. […] Wir sind es, die dem Freunde, dessen Erstarrtsein uns bemüht, im Wege stehen, und zwar dadurch, dass unsere Meinung, er sei erstarrt, ein weiteres Glied in jener Kette ist, die fesselt und langsam erwürgt. Wir wünschen ihm so, dass er sich wandle, o ja, wir wünschen es ganzen Völkern! Aber darum sind wir noch lange nicht bereit, unsere Vorstellung von ihnen aufzugeben. Wir selber sind die letzten, die sie verwandeln. Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer.

Max Frisch (1964, S. 33f.)

Der Kernbegriff dieses Buches ist der der Dämonisierung. Gemeint ist damit eine Form der Beschreibung eines anderen Menschen, die diesen in einem zunehmend negativ gefärbten Licht wahrnimmt, bis der andere zu einem »Monster« wird, das es zu bekämpfen gilt, gegen das man sich mit aller Macht wehren muss. Unter Dämonisierung verstehen wir also die Haltung einer Person oder einer Gruppe gegenüber einer anderen Person oder Gruppe. Sie beginnt vielleicht mit Zweifel, setzt sich mit Verdächtigungen fort, endet mit einer scheinbaren Gewissheit über die grundlegende Schlechtigkeit des anderen, aus der eine entschlossene feindselige oder militante Aktion resultiert. Wenn Dämonisierung auf diese Weise in eine Beziehung einsickert, entsteht eine Schritt für Schritt negativer werdende Sicht des anderen und ein entsprechendes Verhalten, das im Gegenzug Gegenanschuldigungen nach sich ziehen kann. Auf diese Weise ergibt sich ein Teufelskreis von Misstrauen und Destruktivität, bei dem sich beide Seiten mehr und mehr in ihren negativen Einstellungen eingraben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!