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In einer Zeit, lange nach unserer Zeit, leben die Menschen wieder im Verbund mit der Natur. Die Menschen müssen sich allerdings der Natur anpassen, nicht umgekehrt. Die Moak leben als ein Stamm von Jägern und Sammlern im Hochgebirge und sie leben im Einklang mit der Natur, mit ihrer Umwelt und so können sie wachsen und gedeihen. Doch eines Tages verstößt einer ihres Stammes gegen das heiligste Tabu und tötet zwei tragende Hirsche, zwei Mütter der Herde. Die Strafe dafür ist grausam, denn die Moak werden als Stamm mit dem Jagdfluch belegt. Der Stamm droht zu sterben. Nur Mungo gibt nicht auf. Er zieht los und sucht eine Heimat und Zukunft für seinen Stamm und findet sie im Tiefland den Blauwassersee. Dort begegnet er Felida, der Jägerin aus der Dunkelwelt. Felida war auf der Flucht vor einem Artgenossen und geriet in eine alte Abwasserleitung. Sie wurde hinaus gespült aus der Dunkelwelt und landet nach einer wilden Talfahrt im Blauwassersee, wo Mungo sie vor dem Ertrinken rettet. Mungo und das Dunkelwesen freunden sich an und Felida hilft Mungo, seinen Stamm ins Tiefland und an den Blauwassersee zu führen. Wieder scheint alles gut zu werden, doch die Moak leben nicht allein am Blauwasser. Am südlichen Ufer leben die Lathan unter ihrem Häuptling Lathanal und dieser Stamm jagt nicht und sammelt nicht, die Lathan leben davon, bei ihren Nachbarn Geiseln zu nehmen und lebt so von erpressten Tributen. Auch die Moak sollen Tributpflichtig gemacht werden. Es kommt zu einem entscheidenden Kampf…. Altersempfehlung: ab 16 Jahren Altersempfehlung: ab 16 Jahren
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Seitenzahl: 521
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Rudolf Jedele, Autor
Geboren wurde ich 1948 im Schwabenland und dort war ich viele Jahre meines Lebens damit beschäftigt, für andere Menschen Häuser zu bauen, wobei mein Part in der Gestaltung der Technik in einem Gebäude war. Schon aus diesem Grund war ich stets mit den Themen Energieverbrauch und Umweltschutz besonders eng verbunden.
Darüber hinaus begann ich über die Reiterei und die dadurch entstandene große Nähe zur Natur, schon vor langer Zeit damit, immer mehr Gedanken an das zu verschwenden, was wir unserer Erde antun und damit auch, wie es sein könnte, wenn wir den Kollaps herbei geführt haben.
Wohin gehen die Menschen, wenn ein wie auch immer gearteter Super GAU oder ein vernichtender Krieg unser gewohntes Milieu zerstört?
Mein Bedürfnis ist es aber nicht trübsinnig und mit hoch erhobenem Zeigefinger zu belehren, sondern einfach durch – möglichst spannende - Unterhaltung das Nachdenken etwas anzuregen.
Wenn ich all meine Romane nicht selbst geschrieben hätte, ich glaube ich würde sie dennoch mögen und kaufen ….
Bücher von Rudolf Jedele: Sowohl als Print wie auch als eBook
Shandra el Guerrero
6 Romane aus der Zukunft unserer Erde.
L³ - Locker-Lässig-Losgelassen
Ein Tor zum Reiten
Reiten im Gleichgewicht und in Partnerschaft mit dem Pferd.
In Vorbereitung
Kaana
Fantasy in 3 Bänden über die Reiter der Steppe Kaana in einem Land auf einer Welt, die es vielleicht auch geben könnte
Königreich der Pferde
Eine Art Fortführung der Geschichte des Kriegers Shandra el Guerrero. In 4 Bänden erzähle ich die Geschichte von Moira na Perm und den Paesano.
Beli Wuk
Diese Geschichte ist eigentlich eine Sage aus der Bergwelt des Balkans. Ich habe aber einen Vater gehabt, dessen Phantasie nicht kleiner war als meine und was er aus Beli Wuk für mich gemacht hat, versuche ich aus meiner Erinnerung heraus wiederzugeben.
Sangreal
Mein Lieblingsprojekt, denn es verbindet sehr viele Erkenntnisse und Elemente aus meinem eigenen Leben mit den Figuren des Romans. Die Geschichte eines Pferdes von königlichem Blut, eben „Sang Real“
Mein Dank gilt ….
… meinem Vater, der mich schon in frühester Jugend mit der Faszination der lebendigen Erzählung vertraut gemacht hat.
… all denjenigen Menschen, die sich nicht voll Grausen abgewandt haben, wenn ich mich wieder einmal in meinem Lieblingsthema Pferde vertieft und kein Ende gefunden habe.
… all denjenigen Menschen, die mir zugeredet haben dieses und andere Bücher zu schreiben, auch wenn sie dabei vielleicht den Hintergedanken hatten, meinen boshaften Bemerkungen im Alltag aus dem Weg gehen zu können.
… ein besonderes Dankeschön gilt meinen „Lektorinnen“, die mir die letzten Zweifel genommen haben und mich glauben ließen, dass ich etwas produziere, das den Menschen Freude bereitet und des Lesens wert ist.
… und nicht zuletzt ein großer Dank im Voraus schon all denjenigen Menschen, die auf Grund meiner Bücher die eine oder andere Sorge im Leben vergessen können und sich und ihrer Seele durch Lesen ein wenig Erholung verschaffen.
Viel Freude am Buch wünscht Ihnen
Rudolf Jedele
Inhalt
Prolog
1. Dunkelwelt
2. Lichtwelt
3. Die Höhle der Bärin
4. Tiefland
5. Jägerin und Jäger
6. Die Rückkehr
7. Blauwasser
8. Pirogen
Epilog
Die Gesetze der Natur sind einfach und klar und lassen keinen Spielraum zur Interpretation.
Alles muss sich in einem stabilen Gleichgewicht befinden.
So sagt eines der wichtigsten Gesetze der Natur. Wenn aber dieses Gleichgewicht, wodurch auch immer gestört wird, so wird die Natur gemäß ihren eigenen Gesetzen bemüht sein, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen. Gelingt dies nicht, werden sich Veränderungen, Anpassungen einstellen.
Es wird niemals ein Energiefluss in einer anderen Richtung als der von oben nach unten stattfinden.
Es kann also keine Kältewanderung geben sondern immer nur einen Wärmefluss, denn je wärmer ein Körper ist, desto höher ist sein Potential an gespeicherter Energie und an Instabilität. Um den Ausgleich, das erforderliche Gleichgewicht herzustellen, wird die Energie deshalb stets und immer nur von einer warmen zu einer kalten Stelle fließen, niemals umgekehrt. Ebenso wie Wasser niemals aus eigener Kraft den Berg hinauf fließen kann.
Energie kann nicht aus Nichts gewonnen werden kann. Energie kann aber auch nicht vernichtet werden. Energie kann nur aus ihren verschiedenen Formen umgewandelt werden. Allerdings bringt jeder Unwandlungsprozess Energie ihrem Endstadium immer näher.
Das Ende jeder Energieumwandlungskette ist Wärme.
Fundamentales Wissen? Plattheiten ohne größere Bedeutung? Gesetze, über die Nachzudenken es gar nicht lohnt?
Man konnte den Eindruck nicht vermeiden, dass es so war, denn die Menschen hatten diese einfachen Gesetzte zu verdrängen versucht. Sich eigene Gesetze zu machen, die diesen und anderen fundamentalen Werten den Rang ablaufen sollten, das war es was sie wollten.
Sie schufen Philosophien und Religionen, die es ihnen – scheinbar – ermöglichte, sich über die Gesetze der Natur hinweg zu setzen.
Sie schufen die Philosophie des Herrschens um jeden Preis. Doch wer herrschen will, muss andere unterjochen und das wiederum geht zumeist nicht so reibungslos, wie die Herrschsüchtigen es gerne gehabt hätten.
Kriege wurden notwendig und Kriege bedeuten immer eine empfindliche Störung des natürlichen Gleichgewichtes und einen eigentlich unzulässig hohen Energieaufwand. Jeder Krieg bedeutet deshalb auch immer regionalen oder überregionalen Raubbau. Die Menschen nahmen den Raubbau billigend in Kauf.
Die Natur reagierte.
Schon sehr früh ließ die Natur erkennen, dass sie mit solchen Vorgängen wie Kriege sie sind, nicht einverstanden ist. Sie errichtete Mahnmale. Menetekel von enormer Aussagekraft. Die Menschen sahen diese Zeichen und Mahnmale doch die Menschen wollten sie nicht verstehen. Wo einstmals blühendes Land gewesen war, entstanden plötzlich gewaltige und vollkommen öde Wüsten, in denen nur noch ganz speziell angepasste Lebewesen existieren konnten. Allein die jahrhunderte langen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Karthago haben mehr Wüsten geschaffen, als es jede geologische Katastrophe fertig gebracht hätte.
Doch die Menschen machten weiter, immer weiter, Länder wurden geschaffen, wo nie zuvor Länder gewesen waren, Nationen gebildet, wo keine Nationen existieren konnten und gewachsene Strukturen zerstört, obwohl die Menschen in ihnen zufrieden gelebt hatten. Alles um den Trieb des Herrschens zu befriedigen. Irgendwann kam jedoch der Zeitpunkt, da man den Herrschern in ihren eigenen Ländern nicht mehr richtig abnahm, dass Herrschen um des Herrschens Willen Sinn machen könnte. Die Herrscher begannen deshalb nach etwas zu suchen, das ihren Herrschertrieb wieder glaubwürdiger machte und sie wurden fündig.
Sie schufen neue Philosophien.
Die Philosophie des Herrschens erhielt einen zusätzlichen Umhang und diesen Umhang nannte man Religion. Man predigte eine bestimmte Religion, einen bestimmten Glauben und die meisten Menschen nahmen dank ihrer Gutgläubigkeit, ihrer Unwissenheit und ihrer permanent vorhandenen Angst vor dem, was danach kommt, einen solchen Glauben an. Sie wurden dadurch sofort wieder leicht lenkbar. Natürlich bedienten sich nicht alle Herrscher desselben Glaubens. Sie entwickelten Varianten in den Religionen, die aber dennoch nur dem einen Zweck diente. Der Erhaltung der Macht der Herrschenden. Meist waren es nur Nuancen, die diese Glaubensmäntel von einander unterschied aber es gab auch größere Unterschiede, Jede Herrschergruppe bediente sich eines eigenen Mantels und – Macht lässt die Herrschenden hungrig werden – es blieb nicht aus, dass unter einem Mantel möglichst viele Anhänger versammelt werden mussten.
Manche Menschen jedoch wollten keinen neuen Mantel, sie waren mit dem zufrieden, unter dem sie lebten und wollten dass alles so blieb wie es war. So waren sie es gewohnt. Sie weigerten sich unter andere Mäntel zu schlüpfen. Zunächst jedenfalls, denn sofort griffen die Mentoren des anderen Glaubens auf die bewährten Mittel des Krieges zurück und dann hieß es einfach:
„Friss, Vögelchen oder stirb!“
Über kurz oder lang fraßen sie alle oder sie starben. Alle Religionen führten scheinbar den Gedanken des Friedens in ihren Bannern, doch in Wirklichkeit ging es weiterhin nur um den Erhalt und die ununterbrochene Vergrößerung der Machtansprüche weniger.
Menschen mussten dafür sterben.
Um aber Menschen zu töten, aus welchem Grund auch immer, musste man schon seit eh und je einen höheren Energieaufwand betreiben, als um irgend ein jagdbares Wild zu töten. Außerdem bedeuteten getötete Menschen immer und nicht diskutierbar, eine empfindlichere Störung des stabilen Gleichgewichtes der Erde, denn Menschen sind hochleistungsfähige Energiewandler. Die Natur reagierte und es kam zu einer Entwicklung, die in fatale Folgen für die Welt der Erde zeitigten.
Die Natur reagierte.
Je mehr Menschen durch widersinnige Kriege mit immer effektiveren Waffen getötet wurden, desto stärker vermehrten sie sich. Das war ein Naturgesetz, denn die Natur versuchte das Gleichgewicht zu erhalten. Es kam zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion.
Keine Spezies hat durch ihre bloße Existenz ein stabiles System derart aus der Balance gebracht, wie die Menschen in den vielleicht fünfzig oder sechzig Jahrtausenden ihres „denkenden“ Aufenthaltes auf der Erde.
Ihre Kriegsmaschinen wurden immer raffinierter und der Energiebedarf damit immer höher. Schon bald gab es keinen Ausgleich mehr zu dem weiter wuchernden Raubbau zu Kriegszwecken. Aber selbst der Tod unzähliger Menschen brachte den Energiehaushalt der Erde nicht wieder in ein stabiles Gleichgewicht zurück, denn die Geburtenrate stieg ins schier Unendliche.
Doch nicht allein die Kriege waren es, die das Gleichgewicht störten. Selbst das tägliche Leben der Menschen gestaltete sich mehr und mehr zum Energiefresser, ohne für einen entsprechenden Ausgleich sorgen zu können.
Die Menschen begannen Maschinen zu bauen.
Maschinen, die einerseits das tägliche Leben vereinfachen sollten, die aber zugleich dazu beitrugen, dass die Ansprüche der Menschen immer höher und höher geschraubt wurden. Um diesen steigenden Ansprüchen gerecht zu werden, wurden natürliche Energiespeicher die zuvor in Jahrmillionen entstanden waren, vernichtet und als Wärme in die Atmosphäre entlassen. Kohleablagerungen, Ölfelder und Methanvorkommen, die in Äonen gewachsen waren, wurden in kaum hundert Jahren nahezu vollständig und bis tief unter die Erdoberfläche abgebaut und nur wenige Menschen machten sich ernsthaft Gedanken darüber, ob und auf welche Art dieser gnadenlose Missbrauch von Energie gestoppt und zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden konnte.
Die Natur reagierte.
Das Klima veränderte sich. Gletscher begannen zu schmelzen. Unwetter wurden zum Normalfall. Doch die meisten Menschen kümmerten sich nicht um die Natur, sie benutzten sie, sie beuteten sie aus und lachten meistens sogar über die Warner und Mahner.
Wissenschaftler beschäftigten sich nicht mit Fragen des natürlichen Gleichgewichtes sondern mit der Schaffung von immer mehr Ungleichgewicht. Maschinelle Mobilität, immer weiter steigende Komfortansprüche, steigende Bevölkerungszahlen und dazu auch noch eine extrem gestiegene Lebenserwartung – in weniger als zweihundert Jahren verdoppelte sich die Anzahl der Lebensjahre, die ein Mensch in Friedenszeiten erwarten konnte – sorgten für eine Spirale, die sich immer schneller und immer enger drehte.
Es kam, wie es kommen musste. Das Ungleichgewicht war so groß geworden, dass die Natur reagieren musste. Sie tat es und sie warnte die Menschen, ihre liebsten Kinder, eindringlich vor ihren Maßnahmen.
Die die Warnsignale wurden einfach ignoriert.
Die Eisfelder der großen Gletscher in den Hochlagen der Gebirge schmolzen immer schneller weg, der Wasserspiegel auf der gesamten Erde stieg an. Auch die Eiskappen der Pole wurden in rasender Geschwindigkeit immer kleiner und ließen den Wasserspiegel weiter steigen.
Man bemerkte es, doch man wandte sich mit einem Schulterzucken anderen Dingen zu. Mehr noch, man qualifizierte diejenigen, welche sich die Mühe machten, auf die Probleme hinzuweisen, als Meckerer und Zweckpessimisten ab, denen nur wichtig war, jeden Fortschritt schlecht zu reden.
Die Probleme wurden natürlich nicht aus der Welt geschaffen, indem man die Mahner mundtot machte, im Gegenteil, sie wurden immer augenfälliger.
Die Wissenschaftler waren mittlerweile so klug, dass sie in der Lage waren, sogar die Veränderungen in der Neigung der Erdachse zu registrieren. Als sie bemerkten, dass diese sich veränderte und in welche Richtung, begannen manche Wissenschaftler nun ebenfalls zu warnen, doch wen interessierte es? Wen interessierte, dass immer größer Naturkatastrophen in immer kürzeren Abständen an vollkommen untypischen Orten die Erde überzogen? Wer fragte nach, weshalb die großen Tsunamis plötzlich im Nordatlantik auftraten und nicht mehr wie früher auf der südlichen Halbkugel der Erde? Wer kümmerte sich darum, dass in Gebieten, die seit Menschengedenken als Trockenzonen galten, plötzlich sintflutartige Niederschläge das Land überschwemmten und ungeheure Schäden anrichteten, während gleichzeitig gigantische Wasserflächen verschwanden? Aus dem einstmals riesigen Aralsee wurde binnen weniger Jahrzehnte eine ebenso riesige Wüste…
Niemand, der wirklich von Bedeutung war, kümmerte sich ernsthaft um diese Probleme.
Man sprach über das Ozonloch über der Antarktis und verbrannte ohne auch nur einen Augenblick einzuhalten, weiterhin Tag für Tag ungeheure Mengen an Erdöl, Erdgas, Braun- und Steinkohle, um den aberwitzig ansteigenden Energiebedarf der Bevölkerung zu decken. Abgase unvorstellbare Menge an technisch nicht mehr nutzbarer Wärme verschlimmerten die Situation ununterbrochen. Die Verschmelzung von Atomen wurde zu einem Art Allheilmittel ausgerufen, bis man lernen musste, welch ungeheure Gefahr man sich mit dieser Technik eingehandelt hatte. Unfälle in den Kernkraftwerken führten zu Folgeschäden, die das Gleichgewicht der Natur über Millionen von Jahren empfindlich störte und krankhafte Veränderungen – Mutationen – im Erbgut allen Lebens hervor rief.
Den größten Fehler aber begingen die Menschen, als sie ein von ihnen selbst geschaffene Energieform mehr und mehr missbrauchten. Im Laufe ihrer Entwicklung war eine Energieform entstanden, die man der Einfachheit halber Geld nannte. Dieses Geld stieg innerhalb unglaublich kurzer Zeit zur wertvollsten Form von Energie überhaupt auf, denn mit Geld konnte man unter Menschen nahezu alles erwerben, beschaffen.
Mit keiner Energieform wurde mehr Missbrauch getrieben als mit Geld. Es war künstlich, von Menschenhand geschaffen und die Menschen konnten es in unendlichen Mengen und ganz nach ihren Wünschen herstellen. Ohne Geld und ohne die Möglichkeit der Verschuldung wäre nahezu jede andere Art des Raubbaus und der Energieverschwendung unmöglich geworden. Allerdings unterlag auch dieses Geld vom ersten Augenblick seines Entstehens an, den Prinzipien des natürlichen Gleichgewichtes. Das war unvermeidlich, denn auch mit Geld konnte man lediglich Produkte erwerben, die aus der Natur stammten. Freude, Liebe, Zeit und vieles andere mehr war mit Geld nicht zu kaufen.
Die Verschwendung dieser Energieform – es wurde der Begriff der Verschuldung dafür geprägt – nahm exorbitante Ausmaße an. Vom einzelnen Individuum bis hin zu den höchsten Instanzen des menschlichen Zusammenlebens, den Staaten, wurden Schulden gemacht, die selbst in tausend Generationen nachfolgender Menschen nicht mehr zu bewältigen gewesen wären.
Die Natur reagierte immer heftiger.
Doch für menschliches Empfinden geschah dies sehr langsam. Zu langsam, um wirklich Ernst genommen zu werden. Doch die Natur hat nun mal eine andere Zeitrechnung als die Menschen. Viele Jahrtausende können vergehen, ehe eine Evolution wirksam wird, was spielt da ein knappes Jahrhundert für eine Rolle, die ein Mensch auf der Erde wandelt?
Auch auf Grund dieser unterschiedlichen Geschwindigkeitsempfindung waren die Menschen letztendlich der Reaktion der Natur hilflos ausgeliefert. Alles begann aber recht harmlos.
Der gestiegene Wasserspiegel veränderte das Rotationsverhalten der Erde, denn Flüssigkeiten reagieren anders, träger auf Bewegungen als dies eine feste Masse tut. Das stabile Gleichgewicht, diese fundamentalste Forderung der Naturgesetze geriet weiter in eine Schieflage und je schneller die Eismassen schmolzen, desto rascher veränderte sich die Erdrotation. Die Folgen waren unübersehbar, denn die Naturkatastrophen nahmen zu und wurden immer heftiger. Doch noch immer gab es kein entschiedenes Einhalten, niemand trat entschlossen auf die Bremsen.
Deshalb geschah, womit die Menschen niemals ernsthaft gerechnet hatten.
Die Natur, so konnten man den Eindruck gewinnen, zog Bilanz und stellte fest, dass die Summe der Fehlentwicklungen weit genug voran geschritten war. Sie bemerkte, dass viele ihrer Kinder – Tiere und Pflanzen – ohne Grund für immer ausgerottet worden waren und sie registrierte, dass sich im Verhalten der Menschen nichts ändern würde. Das Gleichgewicht würde immer weiter und weiter gestört werden, denn die Menschen – die Machthaber so gut wie die normalen, einfachen Menschen – waren unbelehrbar.
Da beschloss die Natur, etwas Endgültiges zu unternehmen. Sie schüttelte sich.
Die Erde begann sich urplötzlich und aus Gründen, die Menschen nicht nachvollziehen konnten, ein klein wenig schneller zu drehen. Zusammen mit dem veränderten Trägheitsverhalten der Ozeane entstand eine Art Unwucht in der Rotation. Die Erdachse neigte sich immer weiter und plötzlich war der kritische Punk erreicht. Die Erde kippte und drehte sich mit einer einzigen gigantischen Bewegung um hundertachtzig Grad.
Aus Nord wurde Süd.
Die Folgen für die Menschen und vor allem für die Menschen waren fatal. Am schlimmsten aber waren sie für die Maschinen, denn jede dieser Maschinen war so gebaut, dass sie die ursprüngliche Nord-Süd – Ausrichtung als Grundlage für ihre Funktion benötigte. Sie hörten von einem Augenblick zum nächsten auf zu arbeiten.
Ohne Maschinen aber war der allergrößte Teil der Menschen nicht mehr lebensfähig. Seuchen brachen aus, Energieanlagen explodierten, sämtliche Systeme brachen zusammen, es gab keinen Handel mit Informationen mehr und auch keinen Warenaustausch. Die Menschen starben wie die Fliegen. Innerhalb weniger Jahre starben auf der ganzen Welt sieben Milliarden Menschen, nur ein paar Millionen schafften es, sich den veränderten Bedingungen anzupassen und zu überleben.
Ein kleiner Anteil dieser Überlebenden zog es vor, künftig unter der Erde zu leben und sich den dort herrschenden Bedingungen anzupassen.
Der verbleibende Teil versuchte wieder zu lernen, wie das Leben gewesen war, wenn man nicht für jeden denkbaren Handgriff über eine mechanische Hilfe verfügt. Dieser Teil der Menschen wurde innerhalb weniger Jahrzehnte in eine längst überwunden geglaubte Vergangenheit zurück geworfen.
Niemand kann sagen, ob das, was wir als Natur bezeichnen, mit einem denkenden Wesen verglichen werden kann. Sicher ist aber, dass die Natur unglaublich lernfähig ist. Evolution, Weiterentwicklung, Anpassung, das ist es, was die Natur auszeichnet, wenn man ihr nicht ständig in die Quere kommt.
Zweitausend Jahre genügten der Natur, um nahezu alles Vergessen zu machen, was die Menschen ihr angetan hatten. Für die Ewigkeit errichtete Gebäude und Anlagen verschwanden einfach, lösten sich in ihre ursprünglichen Bestandteile auf und kehrten so in den Schoss der Erde zurück, das Gleichgewicht begann sich wieder einzustellen.
Doch die Bedingungen waren dauerhaft verändert und die Natur gab sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Evolution muss nicht zwingend in eine bestimmte Richtung führen, die von den Menschen mit dem Begriff „Weiter“ beschrieben wurde. Evolution ist Entwicklung und Entwicklung kann auch durchaus eine Richtungsumkehr bedeuten.
Für alle Spezies auf der Erde bedeutete die neue Situation eine Weiterentwicklung, nicht jedoch für die Menschen.
Die Menschen bildeten einen wesentlichen Teil ihres Gehirns zurück, sie verloren innerhalb weniger Generationen viele der Fähigkeiten, die sie zur unnatürlich überlegenen Spezies auf der Erde hatte werden lassen. Sie verloren zu einem großen Teil ihr komplexes Denkvermögen, ihre Fähigkeiten, Zusammenhänge zu erkennen und vor allem die unstillbare Sehnsucht, die Herrschaft über alles und jedes zu gewinnen. Diese wurde abgelöst von einem nahezu schon heiligen Respekt, von einer enormen Scheu vor allem, was mit technischen Entwicklungen zu tun hatte.
Tiere und bis zu einem gewissen Teil auch Pflanzen aber erwuchs ein gemeinsamer Zugriff auf die Wurzeln allen Seins. So standen fortan bedeutsame Ereignisse allen, in diesem Zugriff verbundenen Lebewesen als Information gleichermaßen zur Verfügung.
Allen Lebewesen, mit Ausnahme der meisten Menschen.
Aus diesem Informationsdefizit aber erwuchsen den Menschen derart schwierige Lebensbedingungen, dass sie nicht mehr in der Lage waren, sich so überproportional zu vermehren, wie dies in der tragischen Vergangenheit der Fall gewesen war.
Die Menschen auf der Erde wurden wieder zu einem sinnvollen Teil der Natur. Ihr Platz lag an der Seite der Raubtiere, sie waren mehr Jäger als Sammler und in dieser Rolle entwickelten sie sich.
Die Menschen unter der Erde aber entwickelten sich in eine ganz andere Richtung. Ihre Entscheidung unter die Erdoberfläche zu ziehen, in künstlich geschaffenen Höhlensystemen überleben zu wollen, stellte sich als fataler Fehler heraus. Ohne die ausgefallenen Maschinen waren die Lebensbedingungen unter der Erde mörderisch und das Fehlen von Licht und kosmischer Strahlung führte – zusammen mit künstlich geschaffenen Strahlungsverseuchungen zu genetischen Veränderungen ungeahnten Ausmaßes.
Eine neue Rasse entstand.
Aus den Asylen und Bunkern, die einige Menschen nach dem Chaos der Erdrotation unter der Erde gebaut und bezogen worden hatten, waren durch den Ausfall sämtlicher Maschinen und Aggregate sehr rasch eine Art Höhlenwelt geworden. Ohne künstliches Licht und ohne mechanische Belüftung wurde diese Höhlenwelt in kürzester Zeit ein eigentlich ungeeigneter Aufenthaltsort für menschliche Populationen. Viele der Menschen, die sich dort unten verkrochen hatten, starben an den Folgen der fehlenden Frischluft während andere kläglich verhungerten, als die eingelagerten Lebensmittel zu Ende gingen.
Nur wenige passten sich an diese unfreundliche Umwelt an und überlebten. Die Bedingungen um in der Dunkelheit überleben zu können, waren hart.
Lange Stollen verbanden die einzelnen Systeme untereinander und wer dort unten lebte, war in der Lage, nahezu unendlich lange Wanderungen zu unternehmen, ohne jemals auch nur in die Nähe der Erdoberfläche zu kommen. Die Dunkelheit war beinahe absolut, lediglich bestimmte Algenarten brachten ein schwaches Licht zustande, wenn sie über eine genügend phosphorhaltige Nahrungsgrundlage verfügten.
In dieser lichtlosen Welt lebten kaum Säugetiere. Einige Arten von Nagern waren in der Lage, sich zu halten, Maden und Larven, Insekten und Arachniden. Das Angebot an pflanzlichem Eiweiß und an Stärke war noch kleiner, als die Grundlage an tierischem Eiweiß und an Fetten.
Unter diesen Bedingungen entwickelten sich die wenigen der einstmals die Erde beherrschenden Rasse, die in den Dunkelwelten überlebt hatten in etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes.
Mutter und Kind hatten eine lange Wanderung hinter sich. Eine sehr lange Wanderung. Sie kamen aus einem der tief liegenden, armen Reviere, aus einem Teil der Dunkelwelt, der den dort lebenden Wesen besonders viel Härte abverlangte. Nur kleine und kleinste Beute war dort zu machen, keine echten Proteinbissen und praktisch kein Fett.
Sie waren hinauf gestiegen, hatten sich durch viele Ebenen gekämpft und nun befanden sie sich an einem vorläufigen Ziel. Hier oben, das erkannten sie mit all ihren in den unteren Regionen übermäßig geschärften Sinne, gab es weder Mangel an Nahrung noch an frischem Wasser. Die Luft war süß und frisch und voll belebender Kraft. Sie waren beinahe im Paradies angekommen. Sie hatten auch einen geeigneten Nestplatz gefunden, eine wundervolle Grotte, gut versteckt, mit einem nahezu ebenen, trockenen und sandigen Boden und einem ausgezeichnet getarnten Eingang. Dieses Versteck zu finden, war nicht einfach gewesen, aber Mutter und Kind hatten es geschafft, sie hatten gefunden, wonach insbesondere die Mutter gesucht hatte. Einen Platz an dem sie bleiben konnten und nicht mehr hungern mussten. Einen Platz, der nur einen winzigen Nachteil besaß:
Es gab bereits ein starkes, erwachsenes Weibchen, welches sich nun anschickte, ihr angestammtes Revier zu verteidigen.
Sie waren so eben dabei gewesen, die Grotte in Besitz zu nehmen. Die Mutter hatte ihre Duftmarken über die vorhandenen Markierungen gesetzt, während das Kind sich in die wundervoll ausgeformte Schlafkuhle gekuschelt und zugesehen hatte. Zuerst hatte das Kind der Mutter helfen und ebenfalls Duftmarken setzen wollen, doch damit war sie bei der Mutter auf wenig Begeisterung gestoßen. Im Gegenteil, zum ersten Mal im Leben hatte das Kind einen heftigen Rüffel einstecken müssen, der von einem blitzschnellen Hieb mit der rechten Hand von der Mutter noch verstärkt worden war. Allerdings waren die scharfen Krallen in ihren Futteralen geblieben, das Kind hatte keine tieferen Verletzungen davongetragen.
Nun hockte das Kind in der Schlafkuhle und beobachtete den Eingang zur Grotte und so wurde die Mutter rechtzeitig gewarnt.
Ein großes, kräftiges Weibchen schob sich durch den schmalen Eingang in die Grotte und ließ keinen Zweifel daran, dass sie mit der Übernahme ihres Reviers durch fremde Eindringlinge keinesfalls einverstanden war. Sie war bereit, um ihr Revier zu kämpfen.
Das Weibchen war größer als Mutter und ganz sicherlich auch schwerer, doch das Kind erkannte mit wenigen Blicken, dass Mutter den bevorstehenden Kampf dennoch gewinnen konnte. Das andere Weibchen war nicht mehr jung und die Gelenke an ihren Armen und Beinen leuchteten in einem satten Rot, sie waren geschwollen und vermutlich schmerzhaft entzündet. Auch darüber hinaus gab ihr Körper zuviel Wärme ab, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie vielleicht sogar schon über das gebärfähige Alter hinaus oder doch knapp an der Grenze dazu war.
Ja, Mutter konnte den Kampf gewinnen, aber leicht würde es ihr nicht gemacht werden. Das andere Weibchen sah sich in der Grotte um, sondierte die Lage und sah das Kind in die Nestkuhle gekuschelt liegen, während die Mutter noch außerhalb der Grotte damit beschäftigt war, ihre engsten Grenzen zu markieren.
Das Kind sandte ängstliche Signale aus und hoffte, dass die Mutter diese Signale rasch empfangen würde. Dann aber machte es sich bereit, sich nach Kräften zu verteidigen, falls das andere Weibchen zum Angriff überging. Das Kind war selbst ein schon fast erwachsenes Weibchen und nicht mehr lange, dann würde es paarungsbereit sein und vielleicht schon bald ein eigenes Revier besitzen. Doch noch war es nicht soweit. Noch war das Kind nicht stark genug, um gegen ein wirklich erwachsenes Weibchen im Kampf zu bestehen. Aber das andere Weibchen solange hinzuhalten, bis die Mutter zurück war, das traute sich das Kind allemal zu.
Das andere Weibchen schlich in geduckter Haltung langsam und im trockenen Sand fast unhörbar näher an die Nestkuhle heran. Die Arme waren kampfbereit vorgereckt, die Hände offen, die Finger leicht gekrümmt und aus den Fingerspitzen ragten die langen, schwarzen und unglaublich scharfen Krallen drohend hervor. Auch an den Zehen schoben sich die Krallen langsam heraus und schon war der optimale Abstand zwischen Beute und Jäger erreicht. Die Muskeln zogen sich zusammen und spannten sich, die Revierbesitzerin war sprungbereit und es war nur eine Frage von Augenblicken, dann würde sie springen und mit zwanzig scharfen Krallen und einem Rachen voller nadelspitzer Zähne erbarmungslos zupacken. Doch auch das Kind war bereit. Auch bei der Kleinen war jeder Muskel in höchster Spannung und bereit zur Flucht, doch die Flucht blieb ihr erspart. Vom Eingang her ertönte ein kaum hörbares, heiseres Fauchen und die Revierbesitzerin kreiselte herum, denn nun war ihre echte Gegnerin aufgetaucht.
Der Unterschied zwischen den beiden Weibchen war augenfällig.
Das Herz der Mutter schlug langsam und gleichmäßig und sie strahlte in einem sanften, weichen Rot. Es gab an ihrem Körper keine Stellen mit erhöhter Temperatur, keine Schmerzen, keine Entzündungen, keinen altersbedingten Verschleiß. Vital und stark und geschmeidig, so präsentierte sie sich ihrer Gegnerin und auch diese erkannte sofort, dass sie auf eine Gegnerin gestoßen war, gegen die sie nur mit allergrößter Mühe gewinnen konnte. Aber es ging um ihr Revier und dieses kampflos abzugeben, verstieß gegen ihre sämtlichen Instinkte. Sie nahm den Kampf auf und sprang das fremde Weibchen mit einem gewaltigen Satz an.
Sie kämpften lautlos und in aberwitziger Schnelligkeit. Ihre Körper waren wie die zweier Schlangen in einander verschlungen und jede war bemüht, der gefährlichsten Waffe der Feindin auszuweichen. Die ungeheuer langen und wahnwitzig scharfen Zehenkrallen waren mühelos in der Lage, den Schutz einer Panzerechse zu brechen und ihn in kürzester Zeit in kleinste Stücke zu zerfetzen. Gegen Angriffe mit diesen Zehenkrallen war nur eine Abwehr möglich, die Schnelligkeit des Ausweichens verbunden mit der Kraft des Blockierens.
Beide Weibchen waren hervorragende Kämpferinnen, doch die Revierbesitzerin hatte sich schon bald trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit und trotz ihres Alters kleine Vorteile verschafft. Sie war es, die um das blanke Überleben kämpfte, sie warf alles in die Waagschalen, was sie besaß. Erfahrung und in zahlreichen Kämpfen geschulte Reflexe. Den fast schon verzweifelten Willen zum Überleben aber auch das Wissen, dass die Zeit des jungen Weibchens, der Mutter, ein solch großes und ergiebiges Revier zu übernehmen, vielleicht doch noch nicht ganz gekommen war. Die Mutter blutete schon aus mehreren, teilweise recht tiefen Wunden und der Blutverlust musste sie über kurz oder lang so schwächen, dass die Alte sich aus der Umklammerung der Mutter befreien konnte. Dann aber, wenn das geschehen war, galt das Leben der Mutter nichts mehr.
Das Kind beobachtete den Kampf der beiden Weibchen ganz genau. Es war in höchster Alarmbereitschaft, denn es wusste nur zu genau, dass bei einer Niederlage der Mutter auch das eigene Leben in höchster Gefahr stand und so tat es, was notwenig war. Für einen winzigen Moment war der Rücken der Revierbesitzerin direkt vor ihr. Ungeschützt und verletzlich und das Kind nutzte die Gelegenheit kompromisslos. Ihre beiden Hände zuckten vor, die Krallen bohrten sich tief in die Rückenmuskeln der Alten und nun zog das Kind die Hände diagonal über den Rücken der Gegnerin, zerfetzten die Muskeln und lähmten die Alte für ein paar Augenblicke.
Ein heißeres, wütendes Fauchen, das erste bemerkenswerte Geräusch, seit der Kampf begonnen hatte, verriet, dass die Unterstützung durch das Kind genau im richtigen Moment gekommen war. Die Alte war eben im Begriff gewesen, die Abwehr der Mutter zu durchbrechen und ihre Zehenkrallen in die Weichteile der Mutter zu rammen. Stattdessen waren da die stechenden, brennenden Schmerzen am Rücken, die augenblicklich ein Zusammenbrechen der eigenen Abwehr zur Folge hatte und sofort drehte sich das Blatt, das Kampfglück verließ sie. Nun war es die Alte, die voller Entsetzen spüren musste, wie sich die langen Zehenkrallen der Gegnerin durch ihre Bauchmuskeln bohrten, wie sich sofort ein rasender Schmerz in ihren Eingeweiden ausbreitete und ihr ganzer Körper steif und unbeweglich wurde, dann war es auch schon vorbei. Leber und Nieren wurden zerstört, Därme zerschnitten und die Magenwandung durchtrennt. Halb wahnsinnig vor Schmerzen vergaß die Alte nun für einen winzigen Augenblick die Deckung ihrer Kehle und damit war ihre Niederlage endgültig besiegelt. Ein blitzschneller Biss, erbarmungsloses Zupacken und dann war der Kampf zu Ende.
Mit zerfetzten Eingeweiden und durchbissener Kehle lag die Alte auf dem Boden. Das Blut aus ihren Wunden tränkte den weichen Sand in der Grotte und die Mutter richtete sich aus ihrer Kampfhaltung auf, dehnte und streckte ihre verspannten Muskeln, ehe sie zupackte und der toten Gegnerin einen Arm ausriss, ihn dem Kind zu warf und sich selbst den anderen Arm als Beute und Nahrung nahm.
Sie hatten seit langem nichts vernünftiges mehr zu fressen gehabt, sie waren beide ausgehungert von der langen Wanderung und so war die tote Revierbesitzerin genau das Richtige für ihre leeren Mägen.
Sie fraßen sich zunächst satt.
Die Mutter saß mit dem Rücken an der Wand der Grotte gelehnt, die nun, nach einem harten Kampf ihr gehörte. Nun, da sie die Grotte gewonnen hatte, war auch die Zeit auf ihrer Seite, sie saß nur da und leckte ihre Wunden. Nur wenige Schritte von ihr entfernt lag die Leiche der Gegnerin in verkrampfter und erstarrter Haltung im Sand des Bodens und ein Gefühl der Zufriedenheit stieg in dem Weibchen auf, denn sie hatte nicht nur einen guten Platz gewonnen, sondern zugleich auch Nahrung für viele Tage. Für sich selbst und auch für ihr Kind.
Das Weibchen seufzte ein klein wenig und genoss die Anwesenheit ihres Kindes, das aus der Nestkuhle gesprungen war und sich nun ebenfalls um die Wunden der Mutter bemühte. Ein junges, starkes Weibchen, das den Fortbestand der Rasse sicherstellen konnte, wenn es die Zeit bis zur eigenen Geschlechtsreife überlebte. Der Zeitpunkt war nicht mehr weit entfernt, doch bis es soweit war, stellte das Kind auch weiterhin nicht mehr als schwer zu erbeutendes Futter für andere Weibchen und vor allem für die gefräßigen und immer hungrigen Männchen dar.
Mit sanfter Zunge leckte das Kind die teilweise tiefen Kratzer und Bisse sauber, die über den ganzen Körper der Mutter verteilt waren. Das Kind hatte den Kampf der beiden Weibchen genau beobachtet und sehr genau verstanden, dass ihre Mutter nur deshalb siegreich gewesen war, weil das Kind mit der notwendigen Entschlossenheit und Kompromisslosigkeit in den Kampf eingegriffen hatte. Das andere Weibchen war trotz ihres Alters und trotz der zerschlissenen Gelenke sehr stark gewesen. Sehr stark und in einem sehr guten Ernährungszustand. Sogar Fettreserven hatte die Gegnerin aufbauen können, so gut schien sie gelebt zu haben. Kein Wunder, wo doch zu der neuen Wohnstatt auch ein sehr gutes Jagdrevier mit genügend frischer Luft, gutem Wasser und reichlich lebender Beute gehörte.
Das Kind war in einer entscheidenden Phase des Wachstums und hatte praktisch ununterbrochen Hunger. Es war groß und hager, größer als es seinem Alter entsprechend hätte sein müssen, aber auch hagerer, als es zu seiner Größe passte. Doch durch Mutters Sieg war es durchaus wahrscheinlich, dass auch sie in nächster Zukunft genügend zu fressen bekommen würde, um wenigstens ab und zu satt zu sein.
In diesem Moment war das Kind satt, denn es hatte sich zusammen mit der Mutter am Kadaver des besiegten Weibchens gütlich getan. Einen ganzen Arm hatte die Mutter der toten Gegnerin ausgerissen und ihn dem Kind überlassen.
Eine Belohnung auch dafür, dass das Kind im richtigen Moment in den Kampf eingegriffen hatte?
Das Kind war auf jeden Fall satt und zufrieden und deshalb leckte es Mutters Wunden auch besonders sorgfältig und ausdauernd. Das Lecken der Wunden bewirkte nicht nur eine Desinfektion der Wunden, sonder stimulierte auch die Selbstheilungskräfte der Mutter. Die Voraussetzungen für eine rasche Heilung der Wunden waren perfekt. Es stand genügend energiereiche Nahrung zur Verfügung, ein sehr gut geschützter Rückzugsplatz und ein fast erwachsenes Kind, das zumindest phasenweise die Zuständigkeit für die unablässig notwendige Wachsamkeit übernehmen konnte. Die Wunden würden so schnell heilen, dass man die Heilung fast mit dem Auge beobachten konnte.
Die Mutter schob das Kind kurz zur Seite, erhob sich trotz ihrer Wunden erstaunlich schnell und geschmeidig und humpelte zu den Überresten ihrer Gegnerin hinüber. Mit blitzschnellem Griff und einem kraftvollen Ruck riss sie dem Kadaver ein Bein ab und nahm es mit hinüber zu ihrem Ruheplatz. Dort gab es im sandigen und trockenen Boden eine tiefe Kuhle, die auch von der vorigen Bewohnerin der Grotte schon als Nestplatz benutzt worden war. Sie schmiegte sich in diese Kuhle hinein, begann mit scharfen Zähnen das Fleisch von dem Beinknochen zu reißen und es nahezu unzerkaut hinunter zu schlingen. Dann, als sie das Bein fast vollständig abgenagt hatte, wurde sie müde und träge, denn nun begann ihr Körper seine Selbstheilung. Die Mutter hatte noch Zeit genug, dem Kind die Aufgabe der Bewachung zu übertragen, dann wurde ihr Körper weich und schlaff, ihre Muskeln entspannten sich, ihre Augen fielen zu und es war, als würde sie schlafen. Allerdings war ihr Zustand viel näher am Tod als am Schlaf. Der Herzschlag verlangsamte sich um weit mehr als neun Zehntel der gewohnten Pulsfrequenz und auch ihre Atmung wurde sehr, sehr langsam. Nur in diesem Zustand war ihr Gehirn in der Lage, die körpereigenen Energieströme so umzulenken, dass nahezu der gesamte Energiefluss der Wundheilung zur Verfügung stand. Sofort hörten sämtliche Wunden auf zu bluten oder zu nässen, die Ränder zogen sich zusammen und die teilweise tiefen Schnitte und Bisse wurden verschlossen und begannen von innen her zu heilen.
Das Kind beobachtete den Vorgang wie hypnotisiert.
Es war selbst nicht weniger gut in der Lage, diese Selbstheilung durchzuführen, wie die Mutter, doch es war immer wieder faszinierend bei jemand anderem zu zuschauen, wie der Körper sich selbst regenerierte. Es würden nur feine Narben zurück bleiben und die Leistungsfähigkeit der Mutter würde nicht im Mindestens eingeschränkt.
Obwohl die Augen des Kindes fest auf der Mutter ruhten, waren all ihre übrigen Sinne mit höchster Leistung auf die Überwachung der Umgebung ausgerichtet.
Das Kind saß am Rand der Kuhle und hatte die Beine unter den Körper gezogen. Aus dieser Stellung heraus war es in der Lage praktisch ohne Vorwarnung Sprünge von eminenter Rasanz und Weite zu vollführen. Die Zehenkrallen waren halb ausgefahren und würden im Gefahrenfall einen sicheren Halt für jeden Sprung bilden und auch die Krallen an den Fingern lugten ein wenig aus den weichen Taschen an der Spitze der schlanken Finger hervor, bereit jederzeit ganz auszufahren und entweder Werkzeug oder Waffe zu sein, ganz nach Bedürfnis. Alle Sinne mit Ausnahme der Augen waren in höchstem Alarmzustand, sie sog witternd und windend die Luft in die Nase, die dabei tanzte und zuckte und sie wusste genau zwischen all den Gerüchen in der Luft zu unterscheiden, Ihre seitlich am Schädel sitzenden, großen und spitz zulaufenden Ohren drehten und wendeten sich in alle Richtungen und ihr Gehirn sondierte die Geräusche, die ihre Ohren auffingen. Sie schickte in regelmäßigem Abstand winzige Sonartöne hinaus um auf diese Weise den Abstand zu einem eventuell vorhandenen anderen, sich annähernden Lebewesen heraus zu finden.
Der Zustand der Mutter stellte eine der gefährlichsten Situationen im Leben unter der Erde dar, denn wenn während des Vorgangs der Selbstheilung ein fremdes Weibchen oder ein Männchen an der Grotte auftauchte, war das Kind nicht in der Lage, allein die Verteidigung der Grotte zu übernehmen. Dazu reichten seine Kräfte bei weitem noch nicht aus.
Doch dieses mal ging alles gut, die Mutter kehrte aus ihrer Trance zurück, die Wunden waren so gut geschlossen, dass sie nicht einmal mehr einen Schorf zeigten und die Beweglichkeit und Schnellkraft der Mutter war kaum mehr eingeschränkt. Nicht mehr lange und sie würde wieder in der Lage sein, die Verteidigung der Grotte und ihres Kindes auch gegen starke Gegner aufzunehmen.
Wieder stand die Mutter auf und glitt zum Kadaver der Gegnerin hinüber. Diesmal nahm sie den anderen Unterschenkel, denn die Selbstheilung hatte viel Kraft gekostet und die Mutter hatte bereits wieder Hunger.
Während die Mutter ihren Hunger stillte, legte sich das Kind in die Schlafkuhle, rollte sich zusammen und war einen Augenblick später eingeschlafen. Die Mutter war wieder gesund und so konnte das Kind sich wieder entspannt schlafen legen. Der Schlaf war ohnehin ein Privileg der weiblichen Kinder, denn nur die jungen Weibchen durften längere Zeit mit ihren Müttern zusammen leben und kamen so in den Genuss eines bewachten Schlafes. Allerdings auch nur so lange, bis die nächste Paarung vollzogen war und ein neues Kind in der Mutter heran wuchs. Dann musste das letzte Kind verschwinden, einerlei wie alt oder wie kräftig es war. Die Gefahr für das Neugeborene wäre durch die Schwester viel zu groß gewesen. War ein solches Kind noch sehr jung und schwach, wurde es zumeist in kurzer Zeit Opfer eines Männchens oder eines anderen, jagenden Weibchens.
Männliche Nachkommen kamen niemals zu solchen Privilegien.
Sie blieben bei der Mutter, so lange sie säugten und mussten dann zusehen, wie sie selbst zu Recht kamen. Auf diese Weise überlebte kaum eines von zehn neugeborenen Männchen den ersten Lebensabschnitt. Doch wenn ein Männchen erst einmal die Geschlechtsreife erreicht hatte, standen auch seine Chancen besser. Dann brauchte es nur noch die stärkeren Männchen zu fürchten, denn ein Weibchen versuchte niemals, ein geschlechtsreifes Männchen zu jagen.
Das Kind hatte bislang Glück gehabt. Nur ganz selten gelang es einem Kind so lange bei der Mutter zu bleiben, bis es beinahe schon selbst die Zeit der ersten Fruchtbarkeit erreicht hatte. Damit waren seine Überlebenschancen schon beinahe ins Unermessliche gestiegen. Das Glück bestand darin, dass niemals zur richtigen Zeit ein Männchen aufgetaucht war und Mutter sich so noch nicht wieder hatte paaren können.
Der Kadaver der besiegten Gegnerin machte es möglich, dass Mutter und Kind das neue Nest für geraume Zeit nicht verlassen mussten. Erst als wirklich nur noch blank genagte Knochen übrig geblieben waren, mussten sie sich wieder auf die Jagd nach Essbarem machen. Gemeinsam strichen sie durch ihr neues Revier, die Mutter markierte an allen Stellen, an denen sie Marken der alten Revierherrin fand. Sie markiert über diese hinweg und ließ damit jeden Besucher wissen, dass sie die neue Herrin war und dass sie ihre Vorgängerin im Kampf besiegt und gefressen hatte.
Ihr neues Revier lag ungewöhnlich dicht an der Erdoberfläche. Aus diesem Grund war die Luft mit mehr Sauerstoff gesättigt, als in den tiefer liegenden Revieren, es war auch nicht ganz so finster, denn es gab viel mehr leuchtende Algen, als weiter unten. Außerdem, dies machte das neue Revier beinahe zum Paradies, lag es in einer Tiefe, die von den oberirdisch lebenden Nagern noch mit ihren Bauten erreicht wurden. So setzte sich ihr Speiseplan schon bald aus einer ungewöhnlich protein- und vor allem fettreichen Nahrung zusammen. Große Steppenratten, Kaninchen, Murmeltiere und fette Hamster. Große Maulwürfe und zahlreiche im Boden brütende Insekten, all das waren sie beide nicht gewohnt. Wenn man mit den Krallen nur so durch den sandigen Boden der Gänge und Kammern streifte, fand man dabei ganz sicher eine Handvoll fetter Maden und Würmer und so wurden die beiden ziemlich rasch glatt und rund und sehr stark.
Das Kind wuchs in geradezu beängstigenden Tempo und hatte schon beinahe die Größe eines erwachsenen Weibchens erreicht, die Mutter dagegen verspürte mehr und mehr den dringenden Wunsch, sich erneut fortzupflanzen. Ihr Körper reagierte auf ganz natürliche Art auf das überreichliche Nahrungsangebot.
Schon bald registrierte das Kind, dass der Geruch der Mutter sich verändert hatte. Sie roch nun so stark, dass die feinen Nasen der Männchen ihren Duft über gewaltige Entfernungen feststellen mussten und dann ganz sicher auftauchen würden, um sich der Natur zu stellen.
So wurde das Kind nun doch mehr und mehr darauf vorbereitet, dass sich die Zeit des behüteten Schlafs ihrem Ende zu neigte. Es begann sich innerlich darauf vorzubereiten und sich mehr und mehr von der Mutter zu lösen. Immer häufiger unternahm es Jagdzüge auf eigene Verantwortung hin. Das Kind erkundete das Revier und ebenso die angrenzenden Reviere und fand heraus, dass es vier starke Weibchen gab, deren Reviere an das der Mutter angrenzten. Keines dieser Weibchen war tragend und keines dieser Weibchen hatte ein Kind bei sich, nur ihre Mutter!
Es kam, wie es den Gesetzen der Natur entsprechend kommen musste.
Der Geruch eines paarungsbereiten Weibchens zog sich durch die Dunkelwelt und erreichte ein Männchen. Ein ausgesprochen starkes Männchen, stark genug um die Reviere der fünf oder sechs Weibchen in seinem Einzugsgebiet gegen jedes andere Männchen verteidigen zu können.
Es gab eine ganze Reihe anderer Männchen, denen der Duft des Weibchens derart verlockend in die Nüstern stieg, dass sie unruhig und vor Anspannung zitternd in ihren Grotten und Höhlen hockten und sich dennoch nicht trauten, dem Duft zu folgen.
Die Präsenz des starken Männchens war übermächtig.
Die Mutter und das Männchen trafen sich auf einer Jagd ganz in der Nähe der Stelle, wo das Revier der Mutter eine gemeinsame Grenze mit dem Revier zweier anderer Weibchen bildete. Das Kind war an der Seite der Mutter und so wurde es zum ersten Mal in seinem Leben mit einem Dunkelwesen des anderen Geschlechts konfrontiert.
Das beherrschende Gefühl war Furcht.
Dieses Wesen, dieses Männchen strahlte eine alles beherrschende Dominanz aus, der sich ein paarungsbereites Weibchen niemals würde entziehen können. Diese Dominanz bildete auch zugleich den Schutzschild, der andere Männchen daran hinderte, in den Dunstkreis dieses Revierfürsten einzudringen. Es sei denn, ein anderes Männchen fühlte sich plötzlich stark genug, das dominante Männchen herauszufordern.
Ein solcher Konkurrent war nirgendwo in Sicht und schon aus diesem Grund war das Auftreten des Männchens noch eindrucksvoller. Er war der Alleinherrscher und wusste es.
Seine Aura war von tiefem Rot, mit einem Stich ins Violette, er strahlte eine ungeheure Kraft aus. Ganz sicher war er um einen Kopf größer als die Mutter und fast doppelt so breit. Seine Muskeln arbeiteten mit absoluter Präzision und geringstem Energieaufwand und seine Bewegungen waren so fließend wie Wasser und so geschmeidig wie die einer großen Schlange.
Das Männchen war aus der Dunkelheit eines der vielen Stollen aufgetaucht, die an dieser Stelle in eine kleine Halle mündeten. Im Zentrum dieser Halle befand sich eine Quelle mit frischem Wasser, an der die Mutter mit ihrem Kind regelmäßig ihren Durst stillte. Das Männchen bewegte sich absolut lautlos, doch die Überlebensinstinkte des Kindes waren geschärft und so erfolgte seine Annäherung nicht heimlich sondern wurde ganz genau von zwei Augenpaaren beobachtet.
Die Mutter fixierte das Männchen, erkannte seine herrschsüchtige Dominanz, seine überragende Kraft und sofort verstärkte sich ihr Duft in einem Maße, der sich fast wie eine Betäubung über alle anderen Gerüche legte und bei dem Männchen für kurze Zeit selbst die Fressgier dämpfte und ihm die Lust am Töten nahm. Zeit genug, damit sich das Kind in Sicherheit bringen konnte. Zeit genug um wegzulaufen oder zumindest einen ausreichend großen Abstand zwischen sich selbst und das Männchen zu bringen.
So hätte das Kind reagieren müssen, so war es in seinem Instinkt verankert.
Dummerweise aber hatte das ergiebige Nahrungsangebot im Revier nicht nur das Wachstum des Kindes beschleunigt, sondern auch die Entwicklung zur eigenen Geschlechtsreife vorangetrieben. Das Kind war nur noch einen Fingerbreit davon entfernt, selbst Weibchen zu sein und es verspürte bereits das brennende Ziehen zwischen den Beinen, das der ersten Blutung und der ersten Fruchtbarkeit voraus ging. Das Kind lief nicht weg. Sein Interesse an dem Männchen war mehr als übergroß, doch leider war sein Körper eben doch noch nicht reif genug, um ebenfalls den Duft der Paarungsbereitschaft zu erzeugen und so einen gewissen Schutz über das Kind zu legen.
Das Männchen blieb kaum zehn Schritte entfernt von Mutter und Kind stehen, es stützte sich mit seinen langen Armen und den Knöcheln seiner Finger leicht auf dem Boden ab, sein Kopf drehte sich ein wenig hin und her und seine Augen beobachteten Mutter und Kind in höchster Aufmerksamkeit.
Ein klein wenig war das Männchen verunsichert, denn das Kind war noch nicht zur Paarung bereit und hätte eigentlich blitzartig die Flucht ergreifen müssen. Nun musste sich das Männchen entscheiden, ob es sich zuerst auf das Kind stürzen, es töten und später fressen sollte, oder ob es nicht richtiger war, sich gleich um die hochgradig erregte und empfangsbereite Mutter zu kümmern und später auf die Jagd nach dem Kind zu gehen.
Die Mutter nahm dem Männchen die Entscheidung ab.
Was immer es war, in Dunkelwelt spielte sich normalerweise alles nahezu vollkommen lautlos ab. Doch diese Störung des Paarungsrituals durch das fast erwachsene Kind ließ die Mutter unüblich wütend werden.
Sie fuhr herum, riss das mit scharfen Zähnen gespickte Maul weit auf, stieß ein heißeres Fauchen aus und ihre rechte Hand zuckte mit weit ausgefahrenen Krallen auf den Hals des Kindes zu.
Ein lebensbedrohlicher Angriff der Mutter!
Nur ein blitzschneller Fluchtsprung zurück rettete dem Kind das Leben, doch noch während des Sprungs begriff es, was dieser Angriff zu bedeuten hatte.
Ihre Zeit im Schutz der Mutter war zu Ende.
Ein Männchen war aufgetaucht und würde sich nun so lange wieder und immer wieder mit der Mutter paaren, bis deren Befruchtung absolut sicher gestellt war. Und danach würde alles anders sein, als es bisher gewesen war. Das Kind begriff, dass es soeben zum letzten Mal neben der Mutter an der Quelle gekauert hatte und es begriff, dass die Mutter es nicht nur aus ihrem Revier verjagen würde, sondern künftig nicht die geringsten Hemmungen zeigen würde, das eigene Kind zu töten und zu fressen.
Das Kind gab ängstliche Sonartöne von sich, er lockte die Mutter mit den zarten Lauten eines kleinen Kindes, das gesäugt werden wollte und es versuchte sich vorsichtig wieder näher an die Mutter heran zu pirschen.
Das Ergebnis war fatal.
Nur mit Glück und den unglaublichsten Reflexen gelang es dem Kind, sich der wütenden Attacke der Mutter zu entziehen. Nur eine Winzigkeit trennte das Kind noch vom Tod und davor, der Mutter und dem Männchen nach vollzogener Paarung als Nahrung zu dienen.
Ein eindeutigeres Signal gab es nicht.
Das Kind wandte sich ab und verschwand lautlos in der Dunkelheit eines der Stollen, während die Mutter sich dem Männchen zuwandte, um der Natur gehorchend die Paarung zu beginnen.
Das Kind lief zunächst planlos durch die Stollen, doch schon bald musste es feststellen, dass es in Dunkelwelt ein Meldesystem zu geben schien, das alle anderen Wesen vom geänderten Status des Kindes informierte. Bislang war ein starkes Weibchen, begleitet von ihrem fast ausgewachsenen, weiblichen Kind durch die Stollen gehuscht und niemand hatte sich getraut, auf das Kind Jagd zu machen. Jetzt aber war das starke Weibchen dabei, sich wieder zu paaren und damit war der Schutz über das vorherige Kind aufgehoben. Sofort begannen die Weibchen der angrenzenden Reviere auf das Kind Jagd zu machen.
Es ging dabei nicht einmal so sehr um die Nahrungsbeschaffung, sondern vielmehr darum, sich eine junge Konkurrentin bei der Jagd und – schon bald – auch bei der Fortpflanzung vom Hals zu schaffen. Niemals würde ein Weibchen sein Revier freiwillig mit einem anderen, fremden Weibchen teilen, also musste das Kind gejagt und am besten auch zur Strecke gebracht werden.
Zwei Angriffe überstand das Kind nur mit sehr viel Glück, danach wurde es vorsichtig. Auf die danach folgenden Angriffe war das Kind vorbereitet und verstand es sich diesen entweder durch schnelle Flucht zu entziehen oder sich in eine geeignete Verteidigungsstellung zurück zu ziehen und so den Angriff zu überstehen. Auf Grund seiner Größe und der Tatsache, dass das Kind keinerlei Revieransprüche geltend machen wollte, verzichteten die anderen Weibchen auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang und begnügten sich damit, das Kind zu verjagen. Doch das weitaus größere Problem als die Weibchen waren die mörderischen Männchen.
Da der Pascha noch immer mit der Mutter des Kindes beschäftigt war, nahmen sich die weniger dominanten Männchen die Freiheit, in seinem Revier ein wenig zu wildern. Sie versuchten sich als Verführer an den Weibchen des Reviers und sie jagten sein Wild. Das Kind gehörte zu letzterem.
So kam es, dass sich das Kind schon bald wieder in derselben Situation befand, wie sie gewesen war, bevor es mit der Mutter hatte nach oben steigen können. Ihre Fluchten führten sie immer tiefer in den Bauch der Erde hinein, dorthin, wo die Luft wieder dünn und die Nahrung mager war. Die aufgebauten Fettreserven schwanden dahin und durch die ununterbrochene Flucht und die ständig erforderliche Wachsamkeit wurde das Kind wieder zu dem nervös reagierenden, hyperaktiven Dunkelwesen, das es zuvor schon einmal gewesen war.
Unstet wanderte es durch die Stollen, immer auf der Suche nach Wasser und Nahrung und nach einem Platz, an dem es sich wenigsten für kurze Zeit ein wenig ausruhen und entspannen konnte. Jede fette Made, die sie fand, wurde gierig verschlungen, die wenigen Mäuse und Ratten, die sich so tief hinab noch verirrten wurden zum Festmahl für sie und ein winziges Loch, durch das sie sich mit Mühe und Not zwängen konnte, bedeutete häufig, dass dahinter ein halbwegs sicherer Platz zum Ausruhen lag.
Irgendwann hatten die anderen Dunkelwesen das Kind soweit nach unten gedrängt, dass es den tiefsten Grund der Stollensysteme und Hallen erreicht hatte. Hier nun fand das Kind endlich ein wenig Ruhe, denn in dieser Tiefe hielt sich kein Dunkelwesen freiwillig und lange auf.
Die Luft war so dünn, der Sauerstoffgehalt so niedrig, dass das Kind aus dem Schlaf kaum mehr herausfand. Es hatte sich durch einen schmalen Spalt in eine Nische gezwängt und war sich sehr sicher, dass ihr durch diesen Spalt kein jagendes Dunkelwesen folgen konnte. Dort lag es nun, wimmerte fast lautlos in sich hinein und fühlte sich unsagbar einsam. Das Kind begann zu überlegen.
„Weshalb müssen Dunkelwesen einsam leben? Wieso musste Mutter mich verjagen und wieso konnte ich nicht oben, in den guten Revieren weiter leben? Ich hätte Mutters neuem Kind ganz sicher nie etwas angetan und die oberen Reviere bieten Nahrung genug, um auch mich noch auszuhalten. Wäre Mutter nicht besser dran, wenn ich bei ihr geblieben wäre? Was, wenn ein anderes, noch stärkeres Weibchen ihr das Revier streitig macht? Sie hätte das Revier vielleicht gar nicht gewonnen, wenn das Kind nicht dabei gewesen wäre und eingegriffen hätte. Hatte die Mutter das gar nicht bemerkt?“
Dunkelwesen dachten für gewöhnlich über solche Dinge nicht nach. Sie verhielten sich entsprechend ihrer Traditionen und entsprechend den Gesetzen des Stärkeren. Das Kind wäre bestimmt auch nie zum Nachdenken gekommen, wäre seiner Mutter zu einem früheren Zeitpunkt während der Paarungsbereitschaft ein Männchen begegnet. Nur die lange Zeit des beinahe sorgenfreien Heranwachsens hatten solche Gedankengänge ermöglicht und gefördert. Doch nun, da es in der hungrigen Einsamkeit der tiefsten Ebene von Dunkelwelt lag und mit seinem Schicksal haderte, waren solche Gedanken kaum vermeidbar.
Es verging einige Zeit, in der das Kind mangels Nahrung, Wasser und Sauerstoff immer mehr in Lethargie versank und das winzige Versteck nur noch ganz selten verließ. Dann aber ergab sich etwas, das alles veränderte.
Das Kind war aus der engen Spalte geschlüpft und hatte so ganz beiläufig festgestellt, wie einfach dies gewesen war, weil wirklich kein noch so kleines Fettpölsterchen mehr auf seinem Körper existierte. Jetzt machte es sich auf den Weg zu der winzigen Quelle am Ende eines der Stollen und dann, wenn der brennende Durst gestillt war, hoffte das Kind wenigsten einmal wieder eine Made oder zwei aus dem Boden wühlen zu können um den gröbsten Hunger ein wenig zu stillen. Aber als das Kind den Stollen verlassen wollte, vernahmen seine feinen Ohren plötzlich das Tappen mehrerer weicher, kleiner Füße und als das Kind genauer lauschte, erkannte es die Bewegungen mehrer Ratten, die sich in diese Tiefe herunter verirrt haben mussten. Sofort war der Jagdinstinkt des Kindes da, sofort stellten sich alle seine Wahrnehmungssysteme auf die Beute ein, das Kind lief los, flitzte durch die Stollen, nahm immer stärker die Witterung der Beute auf und schon waren die Ratten in greifbarer Nähe.
Dem Kind lief der Speichel im Rachen zusammen, denn es sah sechs wohl genährte, fette Ratten vor sich und die Tiere schienen völlig arglos zu sein, So tief unter der Erde rechneten selbst Ratten nicht mehr mit Jägern. Ein perfekter Sprung brachte das Kind mitten hinein in die Rattenfamilie, die Hände zuckten hin und her und die scharfen Krallen verrichteten ihre blutige Arbeit.
Sechs Ratten füllten den Bauch des Kindes fast bis zum Platzen. Träge lag es in seinem Versteck, fühlte wie die Nahrung sich in seinem Bauch aufzulösen begann, wie die Verdauungssäfte des Magens die Beute verarbeiteten und Energie in den Körper des Kindes zurück brachten.
Wieder begann das Kind nachzudenken und dann beschloss es spontan, nicht hier unten, auf der tiefsten Ebene von Dunkelwelt zu bleiben. Frisches Fleisch, warmes Blut, blitzschnelles Angreifen und lautloses Töten, das war es, was ihr Leben ausmachte. Das und nicht das untätige Herumlungern in einem engen Versteck, das Fangen von kümmerlichen Maden und das angstvolle Herumschleichen.
Sie war eine Jägerin und die Mutter hatte ihr alles gezeigt, was eine gute Jägerin ausmachte.
Das Kind beschloss, die Situation zu nutzen und unter dem Einfluss der frisch gewonnen Energie wieder hinauf zu steigen und sich dort oben einen Platz zu erkämpfen. Das Kind war in der Einsamkeit der tiefsten Ebene endgültig erwachsen geworden.
Sofort begann sie, ihren Plan in die Tat umzusetzen und einen geeigneten Weg nach oben zu suchen. Sie fand einen Weg, aber es war ein anderer Weg als derjenige, auf welchem sie herunter gestiegen war. Ein steiler und mühsamer Aufstieg, den die junge Jägerin nur zur Nahrungssuche und um ihren Durst zu stillen unterbrach.
Wieder erlebte sie, dass ihr der Aufstieg immer leichter fiel, je höher sie stieg und ebenso, dass die Jagd im selben Maße einfacher wurde. Allerdings führte der Weg sie immer wieder in fremde Reviere hinein und mehrfach gelang es ihr nur durch schnelle Flucht einen Kampf zu vermeiden. Sie wollte nicht kämpfen. Noch nicht jedenfalls. Erst wenn sie auf ein Revier stieß, für das es sich zu kämpfen lohnte, dann würde sie auch kämpfen.
Die junge Jägerin erreichte irgendwann eine Markierung, an die sie sich erinnerte. Ja, das Weibchen, das hier lebte, war einmal in einer engen Beziehung zu ihr selbst gestanden.
Die Mutter?
Vielleicht, schon möglich, doch das war lange her und nicht mehr von Bedeutung. Vielmehr war von Bedeutung, dass es in diesem Revier nicht mehr viel Beute zu machen gab. Es war ziemlich leer gejagt und sie fragte sich, was der Grund dafür sein mochte. Dann kam sie an den Platz mit der Quelle und erinnerte sich schattenhaft daran, dass hier die Trennung von der Mutter stattgefunden hatte. Sie beugte sich zum Wasser hinunter und begann vorsichtig und leise zu trinken, während sie ihre Ohren steil aufgerichtet und nach hinten gedreht trug um auch das kleinste Geräusch einzufangen, welches eine Gefahr signalisierte.
Das Schicksal meinte es gut mit ihr, denn sie war längst fertig mit trinken und gerade im Begriff, die Quelle wieder zu verlassen, als sie die leisen und dennoch schweren Tritte eines besonders großen Dunkelwesens zu hören glaubte. Rasch ortete sie die Richtung der Geräusche, um sich dann genau in entgegen gesetzter Richtung in die Dunkelheit eines Stollens zu verziehen. Eines Stollens, von dem sie ziemlich sicher war, dass er nicht abwärts sondern aufwärts führte. Seit ihrer erfolgreichen Rattenjagd, seit es ihr gelungen war, aus ihrer Lethargie zurück in die Aktivität zu finden hatte sie sich nie mehr abwärts jagen lassen. Ein paar Mal hatte das dazu geführt, dass sie stehen bleiben und sich stellen musste und dabei war ihr etwas bewusst geworden, dass sie zuvor nicht empfunden hatte.
Die anderen Weibchen respektierten sie, ja manchmal schien es sogar, als würde sie gefürchtet. Dann begriff sie, dass sie größer war als jedes andere Weibchen und dass man ihr möglicherweise ansehen konnte, unter welch harten Bedingungen sie in jüngster Vergangenheit hatte leben müssen.
Die junge Jägerin war immer noch nicht bereit, ein Revier zu übernehmen, doch wenn sie es gewollt hätte, wäre es ihr ein paar Ebenen tiefer nicht schwer gefallen. Jetzt aber kauerte sie in der Dunkelheit und wartete auf das Wesen, dessen Tritte sie gehört hatte.
Ein Männchen.
Ein Männchen? Nein, das war ein Gigant unter den Dunkelwesen!
Nie zuvor hatte sie ein Männchen dieser Größe gesehen. Dieses Männchen war neu auf dieser Ebene, denn die junge Jägerin kannte weder sein Wärmebild noch seine Sonarstimme und auch sein Geruch war ihr völlig fremd. Vor allem aber hätte sie sich an ein Männchen dieser Größe doch erinnert.
Das Männchen kam genau aus dem Stollen, aus dem auch die junge Jägerin zuvor an die Quelle gekommen war. Es bewegte sich nun ebenfalls zur Quelle und beugte sich zum Trinken hinunter und zwar eigenartiger Weise auch genau an derselben Stelle, an der die Jägerin zuvor getrunken hatte. Das Männchen trank nur wenig, dann begann es den Boden abzusuchen um gleich darauf aufzuschauen und die Luft witternd durch seine Nüstern zu saugen.
In diesem Moment begriff die Jägerin.
Nicht sie war auf der Jagd, sie wurde selbst gejagt und zwar von diesem riesigen Männchen!
Panik stieg in ihr auf und alle ihre Instinkte verlangten, dass sie sofort und in wilder Flucht davon rannte und zwar so lange, bis sie mindestens zehn Ebenen tiefer angelangt war. Erst dort würde sie dem riesigen Männchen gegenüber im Vorteil sein. Erst dort würde sie sich gegen eine Attacke so zur Wehr setzen können, dass auch Aussicht auf Erfolg bestand.
Sie kämpfte die Panik nieder. Sie rief sich in Erinnerung, was sie sich so fest vorgenommen hatte:
Nie mehr hinunter, nur noch hinauf!
Sie bezwang ihre Panik, sie schaffte es auch, nicht in wilder Flucht wegzurennen, sondern sich langsam und praktisch geräuschlos davon zu stehlen.
Immerhin, einen Versuch war es wert gewesen. Sie hatte noch keine drei Schritte in den Stollen hinein getan, als sie draußen an der Quelle ein leises, aber sehr zufrieden klingendes Schnaufen hörte, was ihr sagte, dass das Männchen sie gehört hatte,
Genau so war es.
Noch ehe die Jägerin zu laufen begonnen hatte, war das riesige Männchen am Eingang ihres Stollens aufgetaucht und nun begann eine wilde Verfolgungsjagd.
Das Männchen war ungeheuer schnell, doch die Jägerin kannte dieses Revier immer noch wie die Hautfalten unter ihren Augen. Sie war unter der Obhut ihrer Mutter eine ganze Zeitlang hier herum gestreift und jetzt, in der Not erinnerte sie sich an jeden Fluchtpunkt, an jeden Engpass und an jedes Hindernis. Außerdem war sie selbst geradezu abartig schnell und unglaublich wendig. Die zahllosen Verfolgungsjagden, die sie überstanden hatte, zahlten sich jetzt aus. Sie fegte durch die Gänge wie ein wild gewordener Schatten, sie nutzte jede Richtungsänderung zu einer neuen Finte, sprang ohne Geschwindigkeitsverlust durch engste Spalten, Ritze und Löcher und schöpfte schon Hoffnung, sie habe das Männchen abgehängt, als dieses plötzlich nicht hinter ihr oder seitlich auftauchte, sondern vor ihr.
Dieses riesige Wesen hatte eine neue Abkürzung gekannt und die Jägerin war ihm voll in die Falle gegangen. Nun standen sie sich Angesicht zu Angesicht gegenüber und das Männchen strahlte Siegesgewissheit und Fresslust aus, während die Jägerin wieder kurz davor war, alle Hoffnung zu verlieren. Kaum zehn Schritte betrug der Abstand zwischen ihr und dem Männchen und, ohne sich auch nur der leisesten Selbsttäuschung hinzugeben, wusste sie, dass eine solche Distanz für ein jagendes Männchen allenfalls eine Bagatelle darstellte. Zehn Schritte würde ein Männchen auch dann überspringen, wenn ihm nur ein Bein für den Absprung zur Verfügung stand.
Was tun?
Aufgeben? Sich fressen lassen? Alle Träume von einem besseren Leben beenden? Oder nach einer letzten Chance suchen und diese nutzen, auch wenn sie noch so kleinen war?
Die Jägerin entschied sich für die letzte Chance. Sie sah, wie das Männchen sich zum Sprung duckte, sie sah die Muskeln sich spannen und die Krallen an Zehen und Händen heraus gleiten und sie machte sich selbst zum Sprung bereit. Die Spannung in ihrem Körper war enorm, alles kam auf einen einzigen Moment an, ihr ganzes Leben hing an einem einzelnen Faden eines Spinnennetzes.