Felix und Felka - Hans Joachim Schädlich - E-Book

Felix und Felka E-Book

Hans Joachim Schädlich

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Beschreibung

Rom, an einem Nachmittag im Mai 1933. Ein tätlicher Angriff des Malers Hanns Hubertus Graf von Merveldt zwingt den deutsch-jüdischen Maler Felix Nussbaum, die Villa Massimo zu verlassen. Die Rückkehr nach Deutschland ist ihm und seiner Lebensgefährtin, der polnisch-jüdischen Malerin Felka Platek, angesichts der nazistischen Judenverfolgung unmöglich. Nach Aufenthalten an der italienischen Riviera, in Paris und Ostende finden sie schließlich eine Bleibe in Brüssel. Dem dringlichen Rat eines Freundes, sich nach Palästina zu retten, folgen sie nicht. Obwohl die Bedrohung durch die deutschen Besatzungsbehörden zunimmt, bleiben sie in Brüssel, verstecken sich in einer Mansarde. In «Felix und Felka» zeigt sich Hans Joachim Schädlich erneut als Meister der so kunst- wie eindrucksvollen Reduktion. Wohl noch nie ist ein Künstlerleben, das unter den Zwängen der rassistischen Verfolgung stand, derart verdichtet literarisch dargestellt worden. In unvergeßlichen Momentbildern gelingt es ihm, existentielle Ängste spürbar zu machen. Indem er das Künstlerpaar in seinem ganz privaten Umfeld zeigt, erfährt die Geschichte eine Kraft, die weit über das Einzelschicksal hinausreicht.

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Hans Joachim Schädlich

Felix und Felka

 

 

 

Über dieses Buch

Rom, an einem Nachmittag im Mai 1933. Ein tätlicher Angriff des Malers Hanns Hubertus Graf von Merveldt zwingt den deutsch-jüdischen Maler Felix Nussbaum, die Villa Massimo zu verlassen. Die Rückkehr nach Deutschland ist ihm und seiner Lebensgefährtin, der polnisch-jüdischen Malerin Felka Platek, angesichts der nazistischen Judenverfolgung unmöglich. Nach Aufenthalten an der italienischen Riviera, in Paris und Ostende finden sie schließlich eine Bleibe in Brüssel. Dem dringlichen Rat eines Freundes, sich nach Palästina zu retten, folgen sie nicht. Obwohl die Bedrohung durch die deutschen Besatzungsbehörden zunimmt, bleiben sie in Brüssel, verstecken sich in einer Mansarde.

In «Felix und Felka» zeigt sich Hans Joachim Schädlich erneut als Meister der so kunst- wie eindrucksvollen Reduktion. Wohl noch nie ist ein Künstlerleben, das unter den Zwängen der rassistischen Verfolgung stand, derart verdichtet literarisch dargestellt worden. In unvergeßlichen Momentbildern gelingt es ihm, existentielle Ängste spürbar zu machen. Indem er das Künstlerpaar in seinem ganz privaten Umfeld zeigt, erfährt die Geschichte eine Kraft, die weit über das Einzelschicksal hinausreicht.

Vita

Hans Joachim Schädlich, 1935 in Reichenbach im Vogtland geboren, arbeitete an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin, bevor er 1977 in die Bundesrepublik übersiedelte. Für sein Werk bekam er viele Auszeichnungen, u. a. den Heinrich-Böll-Preis, Hans-Sahl-Preis, Kleist-Preis, Schiller-Gedächtnispreis, Lessing-Preis, Bremer Literaturpreis, Berliner Literaturpreis und Joseph-Breitbach-Preis. 2014 erhielt er für seine schriftstellerische Leistung und sein politisches Engagement das Bundesverdienstkreuz. Hans Joachim Schädlich lebt in Berlin.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2018

Copyright © 2018 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Covergestaltung Frank Ortmann

Coverabbildung tomograf/Getty Images

ISBN 978-3-644-05091-4

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Krista Maria Schädlich gewidmet

Ein warmer Mai-Nachmittag.

Der Park ringsum in dunklem Grün.

Auf dem Platz vor der Villa, im Pinienschatten, stehen Felix und Felka.

Sie haben sich in der Galerie Bilder von Stipendiaten angesehen.

Felka sagt:

«Was hat dir gefallen?»

«Ich rede nicht gern über die Arbeiten von Kollegen.»

«Mir gefällt am besten dein Bild vom Atelier.

Die Winterstimmung im Raum.

Die Chianti-Flaschen auf dem Tisch.»

«Ach, Felka, du rührst mich.»

Unweit, in der Sonne, stehen Arno Breker, Ateliernachbar von Felix, und Joachim Karsch beieinander.

Am Haupteingang der Villa unterhält sich Professor Gericke mit Fritz Sonntag.

Wie aus dem Nichts taucht Hanns Hubertus von Merveldt auf und geht mit großen Schritten auf Felix und Felka zu.

Er bleibt dicht vor Felix stehen und schreit:

«Du hast meine Bildidee geklaut!»

Felka sagt laut:

«Lassen Sie ihn in Frieden!»

Merveldt sagt zu Felix:

«Sag deiner polnischen Schickse, sie soll sich da raushalten.»

Felix sagt:

«Ich habe Ihnen nichts gestohlen. Glauben Sie, Ihre Bildideen sind so einzigartig, daß es sich lohnt, sie zu stehlen?»

Merveldt holt aus und schlägt ihm ins Gesicht.

Felix hebt abwehrend den linken Arm.

Merveldt versetzt ihm einen Boxhieb an den Kopf.

Felix stürzt zu Boden.

Er blutet aus der Nase.

Felka ruft:

«Herr Gericke! Einen Arzt!»

Professor Gericke wendet sich von Fritz Sonntag ab und eilt in die Villa.

Merveldt tritt einen Schritt zurück, sagt:

«Selber schuld!»

Er geht in Richtung der Atelierhäuser davon.

Fritz Sonntag und Joachim Karsch laufen zu Felix und Felka.

Sie helfen ihm auf.

Felka gibt Felix ein Taschentuch, das er sich auf die Nase drückt.

Sonntag und Karsch nehmen ihn in die Mitte und führen ihn zur Villa.

Professor Gericke hat einen Arzt gerufen.

Er bittet Felix, sich auf eine Couch zu legen.

Felka setzt sich neben ihn und hält das Taschentuch unter seine Nase.

Felix hat unter dem rechten Auge einen Bluterguß.

Nach zwanzig Minuten erscheint der Arzt.

Das Nasenbluten hat aufgehört.

Der Arzt sagt:

«Es ist nichts Ernstes. Sie können unbesorgt sein.»

Felix steht auf.

Sonntag und Karsch verabschieden sich.

Felix bedankt sich bei ihnen, bei dem Arzt und bei

Professor Gericke.

Er geht an Felkas Arm aus der Villa.

Professor Gericke, seit 1928 Direktor der Villa Massimo, möchte nicht, daß die italienischen Behörden Wind von der Sache bekommen.

Er will den Streit durch einen Vergleich zwischen Felix und Merveldt beilegen und berichtet dem deutschen Botschafter Ulrich von Hassell.

Ulrich von Hassell formuliert einen Text, den Felix und Merveldt unterschreiben sollen:

Merveldt habe sich von Felix provoziert gefühlt und entschuldige sich. Auch Felix entschuldige sich für den Fall, daß er Merveldt beleidigt haben sollte.

Obwohl die Erklärung für Felix nicht gerade günstig klingt, ist er zur Unterschrift bereit.

Merveldt aber lehnt es ab, sich zu entschuldigen.

Professor Gericke bleibt nichts anderes übrig, als Merveldt und Felix zu entlassen.

Felix sagt zu Felka:

«Wir müssen fort. Spätestens morgen.»

«Ich könnte sowieso nicht länger bleiben. Warum hat dieser Merveldt das gemacht.»

«Ich weiß es.»

«Ich auch. Ich glaube, er mag keine Juden.»

Am 17. Mai 1933 reisen Felix und Felka aus Rom ab.

Felix läßt seine Bilder und Utensilien im Atelier zurück.

 

Zehn Tage nach der Abreise schreibt Felix an Professor Gericke, daß er vielleicht Frau Corinth treffen werde, die in Alassio lebe und ausstelle.

 

Professor Gericke bittet am 30. Mai in einem Telegramm an das Berliner Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung um seinen Abschied.

Zu diesem Telegramm, das er zunächst an Ulrich von Hassell schickt, schreibt er:

«Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, da ich sehe, daß der Indisziplin, dem Mißtrauen und der Ungezogenheit hier von mir allein nicht erfolgreich gegenübergetreten werden kann.»

Ulrich von Hassell bewegt Professor Gericke dazu, in der Villa zu bleiben.

Er leitet das Telegramm nicht an das Ministerium weiter.

Professor Gericke bleibt bis 1938 Direktor.

Felix sagt zu Felka:

«In Deutschland hat es längst angefangen.»

«Du meinst den ersten April: jüdische Geschäfte, Ärzte, Rechtsanwälte boykottiert.»

«Und nur noch eins Komma fünf Prozent jüdische Schüler und Studenten an jeder Schule und Fakultät.»

«Und die Bücherverbrennung am zehnten Mai.»

«Die Villa Massimo soll jetzt ‹judenfrei› werden.»

Felka sagt:

«Wohin sollen wir gehen?

Nach Deutschland können wir nicht zurück.»

«Das ist klar. Denk nur an den Artikel im ‹Stadt-Wächter› in Osnabrück. Das war Neunzehnhundertneunundzwanzig! ‹Das Gepinsel des Juden Nussbaum hat mit Kunst nichts zu tun›, haben die geschrieben.

Laß uns an die Riviera fahren, an die italienische. Nach Alassio.»

«Ein teures Pflaster.»

«Mein Vater hilft mir.»

«Ich habe auch noch etwas.»

Alassio. Begehrtes Seebad im Westen der italienischen Riviera. Einer der wenigen Orte dieser Region mit kilometerlangem natürlichen Sandstrand. Das Klima ist freundlich: im Januar nicht kälter als 10 Grad Celsius, im Juli höchstens 25 Grad Celsius.

Ein bevorzugter Ferienort der europäischen, besonders der englischen High-Society.

In Alassio können sich Felix und Felka wie Touristen fühlen, die ihre Leidenschaft, das Malen, leben.

Felka malt ‹Strand von Alassio mit malendem Felix›.

Felix malt ‹Fischerboote mit Insel›, die ‹Gasse zum Meer›, den ‹Strand von Alassio›, den ‹Blick auf das Meer›.

 

Mitte Juni bittet Felix Professor Gericke in einem Brief, die Bilder, die er in der Villa zurückgelassen habe, nach Alassio zu schicken, an seine Wohnadresse Vico Nazario Sauro 6.

«Das Malen geht mir leicht von der Hand. Kurzum! Ich bin vollen Mutes.»

Felix sagt:

«Goebbels war in Rom. Ende Mai.»

«Wir waren schon weg», sagt Felka.

«Am letzten Tag hat er die Villa Massimo besucht.»

«Wir waren zum Glück schon weg.»

«Stell dir das vor: ein kleiner Mann mit einem großen Mund.»

«Sag doch Maul.»

«Wir warten in der Galerie. Alle sind da. Elf Leutchen, Maler, Bildhauer, Architekten, mit Gericke zwölf.

Walter Jähn, Hans Oberländer, Karl Storch, Hanns Hubertus von Merveldt, Arno Breker, Erich Geisler, Joachim Karsch, Otto Land, Karl Säwert, Fritz Sonntag und ich.

Goebbels humpelt herein, an der Seite von Gericke.

Statt ‹Guten Tag› kommt ‹Heil Hitler›.

Alle murmeln etwas.

Gericke sagt, er freue sich, den Herrn Minister undsoweiter.

Man sieht, daß er sich nicht freut.

Gericke routiniert. Er hat schließlich schon den italienischen König empfangen. Neunzehnhundertzweiunddreißig.

Der Minister …»

«… für Propaganda und Volksverklärung …»

«Volksaufklärung.»

«Noch ein Witz.»

«Der Minister fängt zu reden an:

‹Die Deutsche Akademie Villa Massimo – ein Leuchtturm der deutschen Kultur … Die deutsche Kunst der nächsten Jahre wird heroisch, stählern, sachlich, national sein. Der neue Staat – seinen Gesetzen unterliegen alle. Die Künstler haben die Pflicht, sie zur Richtschnur ihres schöpferischen Handelns zu machen …›

Nach der Rede klatscht niemand, nicht einmal Breker oder Merveldt.

Gericke stellt uns einzeln vor, alphabetisch.

Als ersten Breker.

Goebbels sagt zu ihm:

‹Kommen Sie nach Deutschland zurück. Dort wartet eine große Zukunft auf Sie.›

Die Vorstellung dauert nicht lange.

Gericke nennt Namen und Profession.

Goebbels läßt sich nicht anmerken, was er bei meinem Namen denkt:

Ein Jude! Der noch hier?

Ich höre, daß er zu Gericke sagt:

‹Eine herrliche Lage hat die Villa. Da läßt sich leben.›»

Felka sagt:

«Konrad Wachsmann hat die Villa verlassen, als Hitler ans Ruder kam.»

Felix sagt:

«Er hatte erklärt: Ich kann mich nicht mit einem Staat identifizieren, der sich zur Barbarei bekennt.»

«Aber wir sind in der Villa geblieben», sagt Felka.

«Hör doch mal. Ich habe den Platz in der Villa Zweiunddreißig bekommen!

Empfohlen von der Akademie der Künste und akzeptiert vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.

Da war Liebermann noch Akademiepräsident, und

Grimme war Minister, oder Lammers.»

«Wachsmann hat den Platz auch Zweiunddreißig bekommen.

Und du hast um Verlängerung gebeten, da war dieser

Rust schon Minister, und Liebermann …»

«War immer noch Ehrenpräsident! Felka, die Massimo liegt hinter uns, wir sind in Alassio.»

Felix zu Felka:

«Ich habe im Traum Frau Corinth besucht. Sie wohnt in einer Villa am Meer. Das ist etwas anderes als unsere Bleibe in der Vico Nazario Sauro.

Überall an den Wänden Bilder von Corinth. Sie nannte ihn Luke.

‹Ende des Jahres, am einundzwanzigsten Dezember, eröffne ich hier im Haus eine Ausstellung mit fünfzig Bildern von mir. Kommen Sie zur Opening›, sagte sie.

‹Ich weiß nicht, ob ich dann noch in Alassio bin.›

‹Allmählich bemerke ich, daß ich heimisch werde in Italien›, sagte sie. ‹Kann man die Heimat vergessen? Luke war jemand, der sie nie vergessen konnte. Sein inneres Auge hat nie verloren, was es in erster Kindheit gesehen hatte.›»

«Warum gehst du nicht zu ihr», sagt Felka. «Du kannst ihr deine Bilder zeigen. Vielleicht veranstaltet sie in ihrem Haus eine Ausstellung für dich, und du kannst Bilder verkaufen.»

«Nein, das liegt mir nicht. Sie ist berühmt, und wer dagegen bin ich? Soll ich sie anbetteln?»

Es ist Herbst.

Felix sagt:

«Felka, was hältst du davon, den Winter in San Remo zu verbringen. Viele Sonnentage, selten Niederschläge. Die ‹Blumenstadt›. Das Klima dort ist milder als hier. Und es sind nur zwanzig Kilometer bis zur französischen Grenze. Ich möchte in die Provence und nach Paris fahren und mich umsehen, welche Möglichkeiten wir hätten.»

Felka hat nichts dagegen.

Dr. Fritz Steinfeld, Felix’ alter Schulfreund aus Osnabrück, ist in Monte Carlo.

Seit über einem Jahr haben sie sich nicht gesehen.

Felix sagt:

«Felka, wir besuchen Fritz in Monte Carlo.»

Felka sagt:

«Darauf freue ich mich.

Den Fritz habe ich von Anfang an gemocht.

Aber wo wohnen wir dort?

Monte Carlo ist teuer.»

Felix sagt:

«Es muß ja nicht das Hôtel de Paris sein. Wir verlassen uns auf Fritz.»

«Wie lange sind wir mit der Bahn unterwegs?»

«Eine reichliche Stunde.»

«Dann können wir am selben Tag zurückfahren und brauchen kein Hotel.»

Felix und Felka treffen sich mit Fritz Steinfeld in einer kleinen Pension, wo der Freund untergekommen ist.

«Ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, euch gesund wiederzusehen», ruft Fritz Steinfeld aus.

«So geht es mir mit dir», sagt Felix.

«Und mir», sagt Felka.

«Wie fühlt ihr euch. Seid ihr gesund?»

Felka sagt:

«Uns geht es gut. Gesundheitlich.»

«Und sonst?»

Felix sagt:

«Du weißt, wie es ist. Wir leben aus dem Koffer. Allerdings in anständigen Hotels.»

«Wie ich in der Schweiz. So ging es mir, in letzter Zeit.»

«Ging?»

«Ich mache mich auf den Weg. Aber sagt mir: Wovon lebt ihr?»

«Von den Eltern, immer noch. Sie sind seit Februar in der Schweiz.»

«Ich habe sie getroffen. Die Schweiz ist ihnen fremd geblieben. Sie haben Sehnsucht nach Osnabrück. Das verstehe ich.

Das herrliche Haus, das sich nicht scheute, seinen Reichtum zu zeigen. Als Kind war ich gefesselt von den Aquarellen deines Vaters, die die Treppenwand hinaufliefen, und das erste Automobil in Osnabrück fuhr er lange vor dem Krieg. Und deine Mutter, immer gradaus sprechend, energisch vergnügt. Sie hatte die Hosen an, aber ihr Regiment war freundlich und gut, nach ihren Maßstäben. Mit deiner Malerei konnte sie wenig anfangen.»

Felix sagt:

«Die Eltern wollen uns in Rapallo treffen.»

«Dich!» sagt Felka.

Fritz Steinfeld sagt:

«Immer noch das alte Lied?»

«Es ist seine Mutter», sagt Felka. «Sie ist nicht zufrieden mit mir. ‹Die arme häßliche Polin aus dem Warschauer Judenviertel.›

Sein Vater ist netter, aber im Grunde mag er mich auch nicht. Ich bin eben eine Ostjüdin.

Felix muß seine Eltern allein treffen. Ich fahre nicht mit nach Rapallo.»

«Sie auf der Flucht, du und Felix auf der Flucht.

Ihr habt die gleichen Feinde. Und seid untereinander zerstritten.

Ostjude, Westjude, das ist doch absurd.

Für die Nazis sind wir verfluchte Juden.

Felka, wie geht es deinen Eltern in Warschau?»

«Gut. Wir schreiben uns Postkarten.»

«Fritz», sagt Felix, «du willst nach Palästina.»