Femme fatale - Jirí Kratochvil - E-Book

Femme fatale E-Book

Jirí Kratochvil

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Beschreibung

Katka hat sich der Literatur verschrieben: Sich selbst mit Haut und Haaren und im wahrsten Sinne des Wortes. Die umjubelte junge Schriftstellerin steht im Zentrum eines Reigens aus Exzessen, Grausamkeit, Schmerz und Macht. Ein Leben als Mittel zum Zweck, als Stoff für Literatur, die in Kratochvils grandiosem jüngsten Roman alles andere beherrscht. Typisch für Tschechiens brillantesten Erzähler und wie schon in seinem von der Kritik hochgelobten Roman "Das Versprechen des Architekten" entführt der Autor Leserinnen und Leser auch in Femme fatale in einen Balanceakt zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, Bewusstem und Unbewusstem. Kratochvils Brünn ist eine fantastische, surreale Welt, in der einem urplötzlich und mit hinterlistigem Charme der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann; zu seinem Handwerkszeug zählen neben seiner meisterlichen Fabulierkunst unzählige Anspielungen und Querverbindungen zu anderen Autoren. Femme fatale ist ein ungewöhnlicher, unterhaltsamer Roman über die schöpferische Freiheit und ihre Grenzen. Was im ersten Teil als Beziehungsgeschichte im Brünn der 1990er-Jahre beginnt und als spektakulärer Erotik-Thriller endet, entpuppt sich im zweiten als raffinierte und symbolhaft verrätselte Allegorie über die Besessenheit vom Schreiben, auch um den Preis, von den eigenen Geschichten verschlungen zu werden, dem eigenen Selbst abhanden zu kommen.

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Seitenzahl: 302

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Jiří Kratochvil

Femme fatale

Roman

Jiří Kratochvil

Femme fatale

Roman

Aus dem Tschechischenvon Julia Hansen-Löveund Christa Rothmeier

braumüller

Der Verlag dankt dem Ministerium für Kultur der Tschechischen Republik für die Förderung dieser Übersetzung.

Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel Femme fatale bei Druhé město, Brünn. Übersetzung aus dem Tschechischen von Julia Hansen-Löve und Christa Rothmeier.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2011© 2011 by Braumüller GmbHServitengasse 5, A-1090 Wienhttp://www.braumueller.at

Coverfoto: Shanika KörberISBN der Printausgabe: 978-3-99200-050-0

E-Book-Ausgabe © 2012ISBN 978-3-99200-068-5

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse und Personen sind frei erfunden, und sollte sich jemand an etwas ihm Bekanntes erinnert fühlen, handelt es sich um eine rein zufällige Ähnlichkeit. Und was die Ansichten der einzelnen Figuren betrifft, den auktorialen Erzähler mit eingeschlossen, halte ich es für unerlässlich darauf hinzuweisen, dass sie nicht mit den Ansichten des Autors identisch sind.

Zwischen uns und dem Himmel, der Hölle oder dem Nichts liegt nur das Leben mit seiner außerordentlichen Gebrechlichkeit.

Blaise Pascal

1. TEILDIE NÄCHTLICHE SONNE

KAPITEL EINS

Wir sitzen auf allem, was hier aufzutreiben war, auf Bänken, Stühlen, Kisten, zusammengepfercht in dem Raum, in dem im Haus der Kunst immer das Theater an der Schnur spielt. Soeben spricht über die Situation in Prag so eine kleine Person mit einem Pflaster auf der Wange und mit zerzausten schwarzen Haaren und jemand richtet einen Bühnenscheinwerfer auf sie. Dann streiten wir, schreien wild durcheinander, stellen Vermutungen an, ob die nicht alles wieder rückgängig machen wollen und ob sie dazu überhaupt imstande wären. „Das würden sie gerne, mit der Armee, den Arbeitermilizen, aber sie haben nicht mehr den Mut dazu, das ist nicht mehr aufzuhalten!“ „Aber Vorsicht, aufgepasst, Ratten haben einen Wahnsinnsmut, wenn man sie in die Ecke treibt …“ Das kleine schwarzhaarige Mädchen fuchtelt mit den Händen, will noch was sagen, was in dem Geschrei jedoch untergeht, und so setzt sie sich.

Wir gehen sehr spät auseinander, kurz vor Mitternacht. Irgendwer vom Personal, der sich auch an der Versammlung beteiligt und auch seine Stimme erhoben und auch gestikuliert hat, lässt uns jetzt in die kalte Nacht hinaus. Auf dem Platz vor dem Haus der Kunst fahren die Autos los, aber eines, bemerke ich, wartet auf mich. Jetzt sehe ich bereits, dass es ein ehemaliger Klassenkamerad ist, ein Zahnarzt aus Tišnov. Dass er ebenfalls dort war, war mir in dem Gedränge gar nicht aufgefallen.

„Aber du fährst doch in die andere Richtung, oder nicht?“

„Quatsch, ich bring dich zum Mendel, das ist ein Katzensprung für mich.“

Aber da holt uns schon das kleine Mädchen ein. „Jungs, nehmt mich mit.“

„Und wo willst du hin?“, fragt Mirek. „Wir fahren jetzt zum Mendel.“

Das Mädchen nickt, dort wolle sie auch hin. Das wundert uns gar nicht in diesem Moment. Es ist das Mädchen, das uns die neuesten Nachrichten aus Prag mitgebracht hatte und das bei der Demonstration dort verprügelt worden war, und wir empfinden beide unermessliche Sympathie für sie und mehr interessiert uns jetzt nicht. Mirek stellt die Heizung an, und kaum rollt das Auto los und verlässt den Malinowskiplatz, setzen wir unsere wilden Vermutungen, was als nächstes und übernächstes kommen würde, schon wieder fort. Keiner von uns hatte so etwas bisher erlebt und wird es auch nie mehr erleben, dieses unbezwingbare Bedürfnis, die geradezu leidenschaftliche Gier, alles sofort und auf einmal auszusprechen und aus sich hervorsprudeln zu lassen, und in einem gewissen Augenblick wird uns bewusst, dass wir sogar in diesem Auto genauso schreien wie dort in dem großen Ausstellungssaal und dass wir hier genauso plötzlich verstummen, damit einer von uns mit langsamer und ruhiger Stimme zu einer Art Zusammenfassung ansetzen kann, ohne damit allerdings weit zu kommen, kurz darauf schreien wir alle drei schon wieder. Und einmal bleiben wir sogar stehen und Mirek stützt sich mit dem Ellbogen aufs Volant und dreht den Kopf zu uns, zu meinem Kopf und dem Kopf dieses kleinen Mädchens, das sich mit dem Kinn abstützt auf dem Sitz hinter mir. Und wir sprechen jetzt dermaßen grundlegende Dinge aus, dass man auf ihrem Fundament ein neues Gebäude der Organisation der Vereinten Nationen oder wenigstens ein Terrarium zur Alligatorenzucht errichten könnte. Dann setzen wir die Fahrt durch die finstere, nasskalte Spätnovembernacht wieder fort, ohne dass dies der Leidenschaftlichkeit unserer Reden Abbruch getan hätte. Als aber Mirek für mich am unteren Ende der Úvoz-Straße anhielt, in der Nähe des riesigen, nun bereits nächtlichen Schattens der gotischen Kathedrale, sagte das kleine Mädchen, auch sie würde hier aussteigen.

Mirek jedoch bot ihr sofort an, er könne sie bis zum Bahnhof mitnehmen, das läge ohnehin auf seiner Strecke. Das kleine Mädchen aber sagte, sie würde nicht nach Prag zurückkehren. Und beide legten wir das so aus, dass sie, wenn sie hier, am Mendel aussteigen möchte, selbstverständlich ihre Gründe dafür hat, die uns nicht zu interessieren haben. Und daher ließ Mirek die Rücklichter aufblinken und empfahl sich in den Smog und ich drückte diesem Mädchen die Hand und lächelte sie an und ging auf das hässliche Mietshaus in der Mitte des wenig geglückt planierten Mendelplatzes zu. Aber das kleine Mädchen wich nicht von meiner Seite.

Noch im Auto hatten wir uns alle geduzt, nun jedoch kam mir das unpassend vor. Ich fragte: „Also Sie haben hier wen? Am Mendel?“

„Ich hab hier niemanden“, sagte sie und verkroch sich noch mehr in ihren roten Manchestermantel mit Kapuze und begann vor Kälte zu zittern. „Ich war hier noch nie.“

„Mirek hätte Sie zu einem Hotel fahren können. Aber wissen Sie was“, schlug ich vor, „ich bring Sie gern zu einem.“

„Ich hab kein Geld für ein Hotel. Und ich will in kein Hotel.“

„Aha“, sagte ich, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich blieb stehen und schaute sie an. Wie sie da stand, eine große schwarze Tasche über die Schulter gehängt. Ihr einziges Gepäck.

KAPITEL ZWEI

Katkas Fallstricke waren, obwohl es sich bloß um ein Erstlingswerk handelte, schon längst ausverkauft. Im Jahr 1990 kam eine zweite, diesmal bereits sechzigtausend Stück hohe Auflage dieser Erzählungen heraus und bereits im März unterschrieb der Verlag Pfeffer und Salz für die Autorin – die sich gerade in New York aufhielt – einen Vertrag über neun weitere ausländische Ausgaben. Jene, die was davon wussten oder was zu wissen glaubten, stimmten darin überein, dass die Fallstricke eines der typischen Länder des einstigen sozialistischen Blocks beim Eintritt in die kapitalistische Welt darstellten und dass dies in einer Mischung aus brutal realistischen und magisch traumhaften Bildern geschähe. In meinen Augen ist das allerdings eine ziemlich simple Charakterisierung. Meiner persönlichen Meinung nach handeln die Fallstricke von Jungs und Mädchen, die sich von der Kette losgerissen hatten und sich jetzt so wild wie eine Herde asiatischer Wildziegen gebärdeten. Katka hatte das Glück, ihr Werk vorausblickend noch vor dem Fall der Berliner Mauer abgeschlossen zu haben, und dass der jetzt noch hungrige Buchmarkt es sofort nach der Wende verschlang. Und nach der Erzählung Du begehrst deines Nächsten Haus hatte man in einer französisch-tschechischen Koproduktion schon im Juli einen Film zu drehen begonnen.

Im September kam Katka von einem sechsmonatigen New Yorker Literaturstipendium zurück. Dozent Kvaš war extra nach Prag gefahren, um sie vom Flughafen abzuholen. Aber kaum hatte sie bei ihm zu Hause vorbeigeschaut, rannte sie gleich am nächsten Tag schon in die Pension Jenewein. Dort bestaunte ich dann ihre glatt rasierte Möse.

„Das ist dort jetzt ein Modetrend. Keine Angst, bald wirst du das daheim auch haben.“

„Hast du den Roman geschrieben?“

„Verdammt, was geht dich das an? Zum Kümmern hab ich einen Ehemann. Und wo hast du gehört, dass man bei einem Stipendium in New York einen Roman schreiben kann?“

„Und was ist mit Aids?“

„Ich bin doch nicht verrückt. Sämtliche New Yorker Lover hab ich mir vorher gründlich durchgekadert.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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