Fernsehjournalismus - Martin Ordolff - E-Book

Fernsehjournalismus E-Book

Martin Ordolff

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Beschreibung

'Fernsehen' findet heute nicht mehr nur auf den etablierten TV-Stationen und Sendeanstalten statt. Filme, Videos, Spots und Clips laufen auf YouTube, Vimeo und Co. Günstige Produktionstechniken und leichte Zugänge zum Publikum schaffen neue Chancen für Publizisten. Das Risiko: Die Aufgaben von Journalisten, zu recherchieren, auszuwählen, zu gewichten und vor allem ausgewogen, verständlich und informativ zu berichten, könnten an Relevanz verlieren. Dieser Herausforderung stellt sich das Buch 'Fernsehjournalismus' in seiner 2., völlig überarbeiteten Auflage. Es vermittelt grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten für die journalistische Arbeit im Fernsehen oder in anderen Medien, die bewegte Bilder als Kommunikationsmittel nutzen. Dabei vermeiden es die Autoren, den Fernsehjournalismus zu einem Handwerk zu degradieren, das in wenigen Schritten erlernbar ist. Vielmehr verfolgen sie ein ganzheitliches Verständnis für den kreativen und gestalterischen Prozess der Fernsehberichterstattung. Das Buch richtet sich an alle, die sich für die Arbeit von Fernsehjournalisten interessieren: Praktikanten, Volontäre, Studenten, Berufsanfänger, Quereinsteiger. Es bietet aber auch erfahrenen Reportern und Redakteuren Anregungen in den verschiedensten Bereichen. Beispiele, Tipps und Checklisten machen es zu einem hilfreichen Begleiter der täglichen Arbeit.

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Daniel Moj produziert als Fernsehjournalist und Filmemacher für das Fernsehen und berät Unternehmen zum Thema Corporate Storytelling und bei der Umsetzung von Bewegtbildstrategien. Er ist Dozent und Trainer für Fernseh- und Videojournalismus sowie für Präsentation, freie Rede und die Moderation vor Publikum und Medien.

Martin Ordolff ist Autor und Redakteur beim ZDF in Mainz. Er war dort u. a. Reporter und Schlussredakteur im »heute-journal«. Seit einigen Jahren dreht er überwiegend Reportagen und Dokumentationen. Ordolff ist Dozent und Lehrbeauftragter zu diversen Themen des Fernsehjournalismus sowie Autor des Buches »Texten für TV« (gemeinsam mit Stefan Wachtel).

Praktischer Journalismus

Band 62

Bildnachweis:

Alle Abbildungen im Buch stammen von Daniel Moj, Köln.

Die Grafiken auf den Seiten →–→ und → sind von Jana Schiefer, Köln.

Inhalt

Einleitung

Storytelling

2.1 Filmisches Erzählen – das Rückgrat des Fernsehjournalismus

2.2 Dramaturgie des Filmes

2.3 Bild, Ton und Text – Mittel des Erzählens

Fernsehen startet am Schreibtisch – erste Schritte, Entwicklung und Planung

3.1 Ziele der Recherche

3.2 Ideen und Fakten – Recherche für Fernsehbeiträge

3.3 Mit dem roten Faden zum Dreh – Exposé und Storyboard

Arbeiten mit Format – journalistische Darstellungsformen

4.1 Nachrichten im Fernsehen

4.2 Bericht

4.3 Magazinbeitrag

4.4 Reportage

4.5 Dokumentation

4.6 Feature

4.7 Doku-Soap

4.8 Exkurs: Dokumentarfilm

4.9 Glosse

Im On – der Journalist vor der Kamera

5.1 Moderation

5.2 Aufbau und Inhalt von Moderationen

5.3 Moderationstypen

5.4 Abmoderationen und Überleitungen

5.5 Aufsager

5.6 Schaltgespräch

5.7 Kommentar

5.8 Teleprompter oder Stichworte

Die Jagd nach Bild und Ton – Dreharbeiten

6.1 Arbeit mit Kamerateams

6.2 Briefing des Teams

6.3 Der Autor und der Inhalt

6.4 Dreharbeiten

6.5 Die Rolle des Tons

Filme entstehen am Schnittplatz – Montage und Postproduktion

7.1 Schnittrhythmus

7.2 Kontinuität

7.3 Kontinuitätskriterien

7.4 Bildmontage

7.5 Der Journalist am Schnittplatz

7.6 Bildeffekte

7.7 Tonschnitt

7.8 Grafiken und Animationen

7.9 Regeln für den Schnitt

Texten und Sprachaufnahme

8.1 Schreiben für das Hören

8.2 Der richtige Zeitpunkt zum Texten

8.3 Schreiben

8.4 Tipps für das Texten

8.5 Vertonung von Beiträgen

8.6 Sprechzeichen helfen

Chancen und und Grenzen für Fernsehjournalisten

9.1 Unterwegs als »Einzelkämpfer« – Videojournalismus

9.2 Zwischen den Welten – Onlinejournalismus mit bewegten Bildern

9.3 Medienrecht für (Fernseh-) Journalisten

(Joachim Pohl)

9.4 Aus- und Weiterbildung

Anhang

Aussprache von Wörtern mit »ch«

Aussprache von Wörtern mit »ig«

Juristische Fachbegriffe

Grundausrüstung für Videojournalisten

Literatur

Index

Einleitung

Der Fernsehjournalismus hat in den vergangenen Jahren das enge Korsett der TV-Stationen und Sendeanstalten verlassen. »Fernsehen« findet heute nicht mehr nur auf den etablierten Kanälen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der privaten Sender statt. Filme, Videos, Spots und Clips laufen auf YOUTUBE, VIMEO und Co. Günstige Produktionstechniken und leichte Zugänge zum Publikum schaffen neue Chancen für Publizisten. Das Risiko: Die Aufgaben des Journalisten, zu recherchieren, zu sortieren, zu gewichten und vor allem ausgewogen, verständlich, informativ und glaubwürdig zu präsentieren, könnten an Relevanz verlieren.

Dieser Herausforderung stellt sich das Buch »Fernsehjournalismus« in seiner zweiten, überarbeiteten Auflage. Das Buch vermittelt fundierte und professionelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die journalistische Arbeit im Fernsehen oder in anderen Medien, die bewegte Bilder als Kommunikationsmittel nutzen, und verbindet sie mit praxisnahen und anschaulichen Beispielen und Checklisten. Dabei vermeiden es die Autoren, den Fernsehjournalismus zu einem Handwerk zu degradieren, das in wenigen Schritten erlernbar ist. Vielmehr vermittelt das Buch ein ganzheitliches Verständnis für einen kreativen und gestalterischen Prozess der Fernsehberichterstattung.

Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über die Arbeit des Fernsehjournalisten. Die Grundlagen in den verschiedenen Bereichen werden vermittelt. »Fernsehjournalismus« beginnt mit dem filmischen Erzählen und einer passenden Dramaturgie. Als Rohstoffe und Werkzeuge hat der Fernsehjournalist das bewegte Bild, den Ton und seinen Text zur Verfügung. Sie greifen ineinander, ergänzen sich – ohne sich gegenseitig zu dominieren. Diese Balance verlangt Fingerspitzengefühl, das in diesem Buch vermittelt wird. Angefangen bei der Idee über die Recherche, die Drehplanung, die Dreharbeiten bis zur Montage am Schnittplatz und der Tonmischung – das Buch erläutert den gesamten gestalterischen Prozess der Filmproduktion im TV. Dabei geht es auch um einen wichtigen Punkt: rechtliche Fragen. Die gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Fernsehjournalist wird tagtäglich mit ihnen konfrontiert. Die Skepsis von Protagonisten, Interviewpartnern oder auch nur Passanten gegenüber Fernsehjournalisten wächst. Und nicht selten verhindern einstweilige Verfügungen, Klagen oder Schadensersatzforderungen eine termingerechte Ausstrahlung eines Filmes.

Aber was muss ein Fernsehjournalist beherrschen, wenn er sein »Produkt« auf dem Bildschirm platzieren will? Wie spricht er das Publikum an? Wie kann er den Zuschauer fesseln? Darum geht es im Kern.

Dafür werden auch die journalistischen Darstellungsformen intensiv analysiert. Nachricht, Bericht, Magazinbeitrag, Reportage, Porträt, Dokumentation, Doku-Soap und Doku-Drama – alle Formen verlangen nach einer eigenen Bildsprache und unterschiedlichen Herangehensweisen. Sie wirken sich auf die Dreharbeiten und die Montage des Filmes im Schnitt aus. Und die Form entscheidet über den Stil des Textes bis hin zur Vertonung von journalistischen Filmen. Der Text spielt dabei eine wichtige Rolle. Er sorgt für Orientierung, gibt zusätzliche Informationen und verbindet einzelne Sequenzen im Film. Daher befasst sich dieses Buch auch ausführlich mit dem Texten für TV und gibt Hinweise zur Vertonung von journalistischen Filmen.

Zweifelsfrei ist der Fernsehjournalist Manager eines arbeitsteiligen Prozesses. Er entwickelt Themenideen, setzt sie in Redaktionen durch, recherchiert, führt sein Produktionsteam, organisiert Drehorte sowie Interviews und führt Regie am Schnittplatz. In einem Mediengeschäft mit wachsendem Kostendruck und erhöhtem Bedarf finden auch Allrounder und Generalisten ihren Platz.

Der Videojournalismus hat sich im Regional- und Lokal-TV etabliert und ist auch in den nationalen Fernsehsendern angekommen. Doch die Anforderungen an Videojournalisten werden oft unterschätzt. Er muss den arbeitsteiligen Produktionsablauf in einer Person vereinen. Als Producer, Autor, Kameramann, Tonassistent, Cutter, Sprecher arbeitet der Videojournalist oft an der Grenze des Machbaren – mit Chancen und zugleich großen Risiken für die journalistische Qualität.

Auch darauf geht dieses Buch ein und richtet sich damit an alle, die sich für die Arbeit des Fernsehjournalisten interessieren, vom Studenten und dem Praktikanten bis hin zum Volontär, Berufsanfänger und Jungredakteur. Es bietet aber auch erfahrenen Reportern und Redakteuren Anregungen in den verschiedensten Bereichen. Aufbau und Inhalt machen es zu einem Nachschlagewerk und Handbuch für Grundsätzliches. Es gibt Tipps für die tägliche Arbeit. Das Buch ist so aufgebaut, dass man es nicht chronologisch lesen muss. Deshalb kann man sich auch ganz gezielt einzelnen Kapiteln widmen, ohne dass die Verständlichkeit darunter leidet.

Beispiele sind im Buch mit einer Büroklammer gekennzeichnet.

Tipps werden mit einem Doppelpfeil hervorgehoben.

Die leichtere Lesbarkeit ist der Grund, warum wir im Fließtext die männliche Form für beide Geschlechter verwenden. Zweifelsfrei arbeiten in allen Bereichen des Fernsehjournalismus auch Frauen, die ihren Job genauso gut machen wir ihre männlichen Kollegen.

2 Storytelling

2.1 Filmisches Erzählen – das Rückgrat des Fernsehjournalismus

Mit bewegten Bildern ermöglichen Fernsehmacher Einblicke in faszinierende, unbekannte Welten. Musik und atmosphärische Töne ermöglichen emotionale Momente, dramaturgische Höhepunkte und transportieren Stimmungen. Der Text des Autors ordnet ein und vermittelt wichtige Sachverhalte, Hintergründe oder harte Fakten.

Kurz: Informationen, objektive Erkenntnisse, aber auch Erlebnisse, Erfahrungen und Schlussfolgerungen müssen aufbereitet und dem Publikum in ansprechender Form präsentiert werden. Ziel des Journalisten muss es sein, den Zuschauer zu fesseln, seine begrenzte Aufmerksamkeit für die Dauer des Filmes zu binden und ihn für das Thema zu gewinnen.

Dem Fernsehjournalisten steht dazu als zentrales Instrument das Storytelling zur Verfügung. Filmisches Erzählen ist die treibende Kraft des Bewegtbildes. Und es ist das abgrenzende Kriterium des Fernsehjournalismus zu allen anderen Berufsfeldern des Journalismus.

Während sich z. B. Printjournalisten auf ihre Notizen und Beobachtungen verlassen und daraus einen Artikel entwickeln können, der Bilder in den Köpfen der Leser erzeugt, benötigen Fernsehjournalisten immer und ausnahmslos den audiovisuellen Beleg. Ohne den bildlichen Nachweis kann keine Geschichte erzählt, keine Information bewiesen und keine Expertenaussage belegt werden. Hier gilt der merkwürdige und sicher nicht ganz ernst zu nehmende Spruch unter Fernsehmachern: Was nicht gedreht wurde, ist auch nicht passiert!

Unsere journalistischen Produkte sind also Erzählungen, die abhängig von verfügbarem Film- oder Videomaterial bzw. den Möglichkeiten für Dreharbeiten sind.

DasErzählenist das wesentliche Merkmal eines Filmes. Im Gegensatz zum Foto zeigt ein Film immer einen Ablauf – ganz gleich, wie kurz oder lang er ist. Er ist eine Folge von Bildern und Tönen, aus denen die Zuschauer Schlüsse ziehen!

Aus einer einfachen filmischen Sequenz mit zwei Einstellungen konstruieren wir bereits eine Geschichte.

Die erste Einstellung zeigt einen gut gekleideten Herrn, der einsam am Tresen einer Hotelbar sitzt. Für die zweite Einstellung stehen zwei Optionen zur Verfügung. In der ersten Variante betritt eine Frau im Abendkleid die Bar und präsentiert sich selbstsicher am Eingang. Die zweite Variante zeigt dieselbe Frau. Diesmal schaut sie sich aber zunächst im Raum um.

Ohne weitere Hintergründe über die beiden Protagonisten zu kennen, wird ein Zuschauer sofort einen Zusammenhang, eine Motivation, also eine Geschichte unterstellen. Diese gedanklichen Konstruktionen unterscheiden sich, je nachdem welche Variante des Auftrittes der Frau im Abendkleid gewählt worden ist.

Um im Fernsehen filmisch zu erzählen, stehen den Autoren verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung. Dazu gehören bewegte oder stehende Bilder (Film, Video, Foto, Zeichnungen usw.), die später im Schnitt bearbeitet werden. Und Interviews mit Experten, Betroffenen oder Menschen auf der Straße sind wichtige Gestaltungsmittel. Zudem helfen der Text, die Töne bzw. Geräusche vom Drehort, aus dem Klangarchiv oder von Sound-Datenbanken aus dem Internet sowie Animationen, Grafiken und Musik.

Aus der Verknüpfung dieser Elemente entsteht ein Fernsehbeitrag. Natürlich sind nicht immer alle Komponenten gleichermaßen daran beteiligt. Das hängt von der Art und der Länge des Filmes ab. Eine klassische Reportage z. B. kommt ohne Grafiken, Animationen und oft auch ohne Musik aus der »Konserve« aus. Ein Beitrag von drei Minuten Länge braucht nicht unbedingt einen Text, wenn die Interviewpassagen stark genug sind – beispielsweise bei einem Porträt.

Welche Gestaltungsmittel eingesetzt werden, ist also von Fall zu Fall verschieden. Eines ist jedoch für das filmische Erzählen unerlässlich: Der Autor muss sich vor Beginn der Dreharbeiten darüber im Klaren sein, was er mit seinem Film bzw. seinem journalistischen Beitrag ausdrücken will. Der Kameramann und Buchautor Peter Kerstan spricht hier vom Aussagewunsch.

»Der Begriff Aussagewunsch ist nicht nur die Bezeichnung für eine Vorstellung, sondern er repräsentiert einen Arbeitsschritt der Filmgestaltung. Der Aussagewunsch ist einmal eine Hypothese für die Verständlichkeit und gleichzeitig ein Kriterium für den Einsatz meiner Gestaltungsmittel. Bei jeder Einstellung, jeder Sequenz, jedem Satz des Textes kann ich mich fragen: Entspricht dieses eigentlich meinem Aussagewunsch?«

Ein klar formulierter Aussagewunsch erleichtert das Zusammenspiel von Journalist und Kamerateam ungemein. Wenn der Autor vor der ersten Aufzeichnung dem Kameramann unmissverständlich seine Idee näherbringt, kann zielgerichteter und ökonomischer gedreht werden. Der Kameramann kann dann leichter die wichtigen visuellen Belege finden, nach passenden Einstellungen suchen und optische Geschlossenheit über die gesamte Dauer der Dreharbeiten schaffen.

In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Journalisten, denen die Aussage ihres Beitrags nicht klar ist, lassen gerne Bilder »zur Sicherheit« drehen. Unter Kameraleuten wird das spöttisch »Jagen und Sammeln« genannt. Später im Schnitt haben diese Autoren dann viel zu viel Material. Zudem wird es wesentlich schwieriger, eine klare Struktur für den Beitrag zu finden. Nur wenn der Aussagewunsch feststeht, ist für Autoren, aber auch für die Kamerateams die technische und gestalterische Arbeit zielgerichtet möglich. Sind Schwenks oder Zooms für die »Story« sinnvoll oder störend? Unterstützt eine bewegte Kamera die Aussage des Films oder sind eher ruhige Bilder vom Stativ gefragt? Welche Rolle nimmt der Autor in dem Beitrag ein?

Diese Rollen des Journalisten beeinflussen den Stil des filmischen Erzählens. Grundsätzlich kann zwischen der Innen- und der Außenperspektive unterschieden werden. Nutzt der Autor die Innenperspektive, greift er zu einer gestalterischen Technik, die es ermöglicht, die Geschichte aus einer sehr persönlichen Sichtweise zu erzählen. Der Journalist kann entweder im On auftauchen – also selbst durch die Geschichte führen –, oder er nimmt die Innenperspektive durch entsprechende Formulierungen im Text ein, wie z. B.: »Wir reisen in das Katastrophengebiet«, »Der Informant gibt uns einen Hinweis«. In jedem Fall bekommt die visuelle Gestaltung wie auch die Erzählung eine besondere Nähe. Der Zuschauer hat das Gefühl des Miterlebens. Ihm wird die Rolle des Protagonisten bzw. des Reporters »angeboten«. Die »subjektive Kamera« ist ein charakteristisches filmisches Mittel der Innenperspektive. Sie zeigt dem Zuschauer den Blick des Protagonisten bzw. des Reporters.

Bei der Außenperspektive wahrt der Autor die Rolle des »neutralen« Beobachters. Auch die Kamera nimmt eine beobachtende Haltung ein. Die Bilder wirken stärker gestaltet – manchmal konstruiert. Die direkte Erlebniswelt der Protagonisten ist für den Zuschauer dadurch weiter entfernt. Aber so können die gedrehten Bilder eine ganz besondere gestalterische Kraft entfalten, und der Protagonist rückt ins Zentrum der Geschichte.

Ein Autor bekommt den Auftrag, einen Bericht über eine Lebensmittelmesse zu machen. Er bucht sein Kamerateam für zwei Drehtage auf der Messe. Am ersten Drehtag steht das Team auf dem Messegelände und dreht Bilder von Ständen, Menschengedränge, Verkostungen, den Hallen, Präsentationen und jeder Menge Konservendosen, Süßigkeiten und Tütensuppen. Am Ende des Drehtages sichtet der Autor das Drehmaterial und findet keinen passenden Ansatz für seinen Bericht. Trotz unzähliger Einstellungen und vieler Minuten Bildmaterial lässt sich kein roter Faden finden, der dem Bericht eine klare Aussage gibt.

Am zweiten Drehtag entwickelt der Autor eine inhaltliche Idee und formuliert seinen Aussagewunsch. Er möchte in seinem Bericht herausarbeiten, ob die Ernährung mit biologisch kontrolliert angebauten Lebensmitteln tatsächlich gesundheitsförderlich für die Verbraucher ist. Jetzt dreht das Team am Stand eines großen Biolebensmittelproduzenten. Alles wird vom Stativ gedreht. Und der Autor bittet den Kameramann immer wieder, Bilder von Produkten zu drehen. Zudem führt der Autor Interviews mit Ernährungsexperten und Biobauern. Und es kann ein Produzent von konventionell hergestellten Lebensmitteln für ein Statement gewonnen werden. Zu guter Letzt macht ein Besucher vor laufender Kamera einen Geschmackstest zwischen Bioeiern und Eiern aus einer Legebatterie. Alle Interviews werden mit dem passenden Hintergrund in Szene gesetzt. Der Autor entscheidet sich für die Außenperspektive und bietet dem Zuschauer eine Beobachtung an.

Am Ende des zweiten Drehtages hat der Autor weit weniger Material als am ersten Drehtag. Mit dem Verbrauchertest kann er in seinen Beitrag einsteigen, und die Experteninterviews und Bilder von den Messeständen schaffen sehr schnell einen strukturierten Bericht, in dem der Aussagewunsch des Autors erkennbar wird.

Das Beispiel zeigt, dass ein inhaltliches Konzept die zwingende Voraussetzung für das Gelingen eines journalistischen Fernsehbeitrags ist. Allem voran steht der Aussagewunsch des Autors. Er sollte unvoreingenommen, aber mit einem klaren Ansatz entwickelt werden.

Dann empfiehlt es sich, die zentrale Botschaft des Films in einzelne kleine Elemente zu zerlegen. Stellen Sie sich Ihren Beitrag als ein Puzzlespiel vor. Das zusammengesetzte Bild – also die Vermittlung des Aussagewunsches – wirkt nur, wenn alle Puzzleteile harmonisch ineinandergreifen.

Angenommen, ein Journalist möchte einen Film über ein Pferderennen produzieren. Er will sich vor allem auf den Konflikt zwischen sportlicher Herausforderung für Tier und Jockey und den wirtschaftlichen Interessen der Pferdehalter konzentrieren. Daher begleitet er einen Hengst und seinen Jockey, die als Favoriten für das Rennen gelten. Zudem dreht der Autor mit dem Besitzer des Pferdes. Da der Film die Härte des Sports zeigen und zugleich die Ästhetik der Pferde transportieren soll, entscheiden sich der Autor und der Kameramann für eine weitestgehend handgeführte Kamera. Zwischendurch sollen aber auch immer wieder Interviews und Bilder vom Stativ Zäsuren im Film schaffen.

Im nächsten Schritt sucht das Team nach den passenden Puzzles, mit denen die filmische Botschaft belegt werden können. Bei den Dreharbeiten am Renntag bieten sich unterschiedliche Puzzleteile an, wie z. B. die Vorbereitungen des Jockeys in der Pferdebox, die Begleitung des Tierarztes, die Wetthalle, die Anspannung auf der Besuchertribüne, die Gespräche der Pferdebesitzer im VIP-Bereich, die Spannung vor dem Start, das Rennen, der Zieleinlauf und vieles mehr.

Jedes einzelne Puzzleteil sollte einem einfachen dramaturgischen Prinzip folgen. Mit einem Spannungsanstieg, einem Höhepunkt und einer Entspannungsphase erhalten wir uns die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Dafür braucht es einen oder mehrere Protagonisten und Antagonisten, z. B. den tierliebenden Jockey, der gegen die Profitgier des Pferdebesitzers kämpft. Fast immer geht es um das Aufzeigen eines Problems und dessen Lösung. Dabei ist der Hauptkonflikt von entscheidender Bedeutung. Aber auch Nebenschauplätze und Nebencharaktere sind wichtig, weil sie für Abwechslung sorgen und damit die Dramaturgie eines Filmes positiv beeinflussen. Beispielsweise könnte die Arbeit des Tierarztes ein spannender Nebenschauplatz sein. Das filmische Erzählen funktioniert vor allem dann, wenn es dem Autor gelingt, unvorhersehbare Situationen und Entwicklungen in seine Geschichte zu integrieren.

Insbesondere für Reportagen oder Dokumentationen sind die dramaturgischen Mittel von großer Bedeutung, da der Zuschauer über einen längeren Zeitraum angesprochen werden soll. Doch auch für kurze Beiträge sind sie wichtig, da sie den Hauptaussagewunsch unterstützen. Dabei sollte der Kameramann nicht nur auf die Handlung selbst achten, sondern auch auf die Reaktion, die eine erneute Handlung hervorruft.

Der Aussagewunsch des Beitrags lässt sich einfach herausarbeiten, wenn er durch unterschiedliche inhaltliche Komplexe (Puzzleteile) belegt wird. Jeder inhaltliche Komplex setzt sich aus einzelnen bildlichen Sequenzen zusammen. Deren Bausteine sind die Kameraeinstellungen. In der Praxis bedeutet das in letzter Konsequenz, dass bei jedem gedrehten Bild auf den Aussagewunsch geachtet werden muss.

Sicherlich ist das nicht immer möglich, anzustreben ist es aber auf jeden Fall. Denn nur die konsequente Umsetzung der dramaturgischen Idee und des Aussagewunsches des Autors garantieren, dass ein fernsehjournalistischer Beitrag das Potenzial erreicht, den Zuschauer an den Bildschirm zu binden. Dieses Paradigma gewinnt vor allem mit Blick auf die Verbreitungswege im Internet an Bedeutung. Der Zuschauer ist mit der Maus oder dem Touchpad des Computers noch viel schneller als mit der Fernbedienung des Fernsehers. Das unendliche Angebot an Informationen und Bewegtbildinhalten im Netz zwingt die Nutzer innerhalb der ersten Sekunden eines fernsehjournalistischen Beitrags zu entscheiden, den Stream laufen zu lassen oder mit einem Klick die vermeintlich bessere Information zu suchen. Gerade weil im Internet das journalistische Produkt permanent mit fiktionalen Filmen, werblichen Spots und privaten Videos (User Generated Content) konkurriert, ist es wichtig, dramaturgische Grundsätze zu beachten.

2.2 Dramaturgie des Filmes

Die gesamte Recherche, jede noch so detaillierte Vorbereitung, die exklusivsten Informationen und spannendsten Protagonisten sind wertlos, wenn der Fernsehjournalist keine klare Vorstellung von seinem Beitrag hat. Wie sehen die ersten Bilder aus? Womit kann Spannung aufgebaut werden? Welche Aspekte können überraschen oder sind unerwartet? Wie endet der Film? Das Konzept des Fernsehjournalisten entscheidet über die Qualität eines Beitrags. Daher muss er schon vor den Dreharbeiten eine dramaturgische Idee entwickelt haben.

Vor den Dreharbeiten muss der Autor die Idealvorstellung seines ersten und seines letzten Bildes vor Augen haben. Er sollte zudem davon »träumen«, dass er die optimalen Handlungsverläufe, die besten Interviewaussagen und spannendsten Bildmomente einfangen wird. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, tatsächlich diese Bilder drehen zu können, wird der Autor intuitiv und permanent darum ringen, sein dramaturgisches Konzept Stück für Stück zu verbessern.

Die Wurzel des Storytellings liegt im Aussagewunsch. Ist der Aussagewunsch klar definiert, dann lassen sich die audiovisuellen Belege leichter identifizieren. Und diese sind unabdingbare Voraussetzungen für den journalistischen Film. Eine weitere zentrale Idee ist, den Film in einzelne inhaltliche Komplexe – sogenannte Bausteine – zu zerlegen. Dieses Konzept hilft auch in der Entwicklung der Dramaturgie eines Filmes.

Vor dem Dreh die Blöcke des Beitrags strukturieren!

Es ist sinnvoll, vor dem Beginn der Dreharbeiten genau darüber nachzudenken, wie die Struktur des Beitrags aussehen könnte. Dafür eignet sich ein ganz einfaches »Baukasten-Prinzip«.

Baukasten-Prinzip der Dramaturgie

In der vorstehenden Abbildung werden einzelne Blöcke dargestellt, die sich in der Regel während der Recherche oder auch erst während der Dreharbeiten ergeben. Diese Blöcke entstehen sowohl aus inhaltlichen Gründen oder werden durch die unterschiedlichen Drehorte bzw. Handlungen definiert. Sie können unterschiedlich lang sein und müssen nicht unbedingt in einer zeitlichen oder räumlichen Kontinuität miteinander verknüpft sein. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Autor auch an mögliche Übergänge denken muss.

Eine Redaktion möchte einen Beitrag produzieren, der Großküchen in den Fokus nimmt. Auch ohne Recherche bzw. Suche von Drehorten lassen sich sehr schnell einzelne Blöcke planen. Nähert sich der Autor aus der inhaltlichen Sicht dem Thema an, dann wird er vielleicht folgende Blöcke planen: Hygiene in der Großküche, Qualität der Produkte und Zutaten, Betriebskosten usw. Zudem lassen sich aufgrund des Drehortes bzw. der Handlung weitere Blöcke definieren. Das eignet sich vor allem dann, wenn z. B. nur sehr wenige Drehorte besucht werden können. Als Blöcke eignen sich dann vielleicht die Küche, der Kühlraum, das Lager, die Essenausgabe, der Gästebereich usw. Diese Aufzählung kann nahezu endlos fortgesetzt werden. Und natürlich verschmelzen inhaltliche Blöcke mit Blöcken, die aufgrund von Drehorten entwickelt werden. Entscheidend ist nur, dass jeder Block auch Handlungen anbietet, die in einzelne Bausteine zerlegt und filmisch erzählt werden können. Sie stärken dadurch den Aussagewunsch.

Über diese Technik zerlegt der Autor die zur Verfügung stehende Zeit für den Bericht in unterschiedliche Sequenzblöcke. Diese Blöcke lassen sich in der Regel sehr flexibel anordnen. Häufig ist beispielsweise nicht der Einstieg der Beste, der in der Realität als Erstes passiert. Vielmehr sollte der Block am Beginn des Beitrags stehen, der einen originellen Einstieg ermöglicht. Was könnte der Mittelbau des Berichtes sein? Welche Bilder eignen sich für den Schluss? So kann sehr pragmatisch vorgegangen werden, um den Bericht möglichst optimal und in kurzer Zeit zu produzieren.

Doch Vorsicht: Nicht immer gestaltet sich die Wirklichkeit so, wie es vorab in den Blöcken geplant wurde. Deshalb ist es zwingend notwendig, Veränderungen zuzulassen. Oft stellt sich während der Dreharbeiten oder im Schnitt heraus, dass der geplante Block 2 besser im hinteren Drittel steht. Es kann auch passieren, dass Block 3 sich als nicht umsetzbar erweist. Dann wird er aus der dramaturgischen Planung gestrichen. Meist ergibt sich am Drehort auch eine spannende Situation, die nicht planbar war. Diese fließt dann als eigener Block in den Beitrag mit ein.

Die Blöcke des Baukastens sollten immer flexibel sein. Sie sind Knetmasse, die Stück für Stück in die optimale Richtung geformt werden kann. Sie helfen, den roten Faden des gesamten Berichtes nicht aus den Augen zu verlieren.

Handlungsbogen

In der vorstehenden Abbildung sind die einzelnen Sequenzblöcke als kleine Dreiecke dargestellt, die wiederum von einem großen Dreieck umschlossen werden. Dieses große Dreieck symbolisiert den Gesamthandlungsbogen des Beitrags. Er ergibt sich aus den kürzeren dramaturgischen Elementen der kleinen Dreiecke. Um die Erzählstruktur des Beitrags möglichst konsequent und spannend zu gestalten, ist es sinnvoll, sowohl dem großen Handlungsbogen als auch den kleineren Sequenzblöcken eine innere Dramaturgie zu verleihen. Vielfach bietet sich dafür ein weit verbreitetes und einfaches Prinzip an.

Jeder Film kann nach dem dramaturgischen Grundmuster Exposition, Konfliktaufbau, Höhepunkt und Schluss gestaltet werden.

Dramaturgisches Grundmuster

Die Exposition führt in die Handlung oder die Sequenz ein. Ungewöhnliches und Überraschendes hilft in der Exposition, den Zuschauer zu binden, Fragen aufzuwerfen oder Erstaunen zu wecken. Die Exposition stellt die handelnden Personen vor und charakterisiert sie. Das Problem wird thematisiert.

Ein Beitrag über ein Pferderennen könnte mit einer Szene starten, die die Vorbereitung der Pferde in der Box zeigt. Die Zuschauer lernen die Tiere und die Jockeys kennen, und vielleicht sehen sie sich den Film weiter an. Die Chancen werden steigen, wenn der Film z. B. mit einem Bild vom Start des Rennens beginnt. Die Startboxen klappen auf, schnaubende Rosse preschen hervor, die Jockeys peitschen ihre Pferde nach vorn. Mit dieser Szene lernt der Zuschauer die »Darsteller« kennen. Zugleich versucht der Autor, seine Zuschauer mit starken Bildern zu binden.

Der Konfliktaufbau entwickelt die Problemstellung der Sequenz oder des gesamten Beitrags. In dieser Phase sollte die Relevanz des Themas für den Beitrag oder für den jeweiligen Sequenzblock herausgearbeitet werden. Pro- und Contra-Positionen werden herangezogen. Protagonisten und Antagonisten treffen aufeinander. Dadurch steigt der Spannungsbogen innerhalb der Sequenz. Aber Achtung: Mit dem Begriff Konflikt ist nicht zwangsläufig eine Situation gemeint, die kurz vor der Eskalation steht. Oft reicht es schon aus, wenn es dem Autor gelingt, eine leichte Fallhöhe aufzuzeigen. Dazu reichen vielleicht schon kleine Probleme oder Schwierigkeiten aus dem Alltag des Protagonisten.

Mehrere Monate hat sich ein Sportler auf das Radrennen vorbereitet. Nur noch Minuten bis zum Start. Letzter Check der Luft in den Reifen. Es muss noch mehr Druck auf die Schläuche. Nur die Luftpumpe kann der Sportler nicht finden. Und die Uhr tickt …

Im Höhepunkt kumuliert die aufgebaute Spannung. Das kann auch ein Wendepunkt im Film sein. Je nach gewählter Darstellungsform eröffnet der Beitrag das Ergebnis der vorangestellten Diskussion oder den Erfolg bzw. das Scheitern der Protagonisten. Der Höhepunkt beantwortet häufig die Frage der Exposition.

Der Schluss dient der »Abkühlung«. Der Zuschauer soll nicht abrupt in die folgende Sequenz oder den Abspann bzw. den nächsten Beitrag entlassen werden. Der Schluss kann zusammenfassen, Resümee ziehen, Ausblick geben oder eine neue, vielleicht subtile Frage aufwerfen. Wichtig ist nur, dass der Beitrag mit dem Schluss nicht ins Triviale abstürzt und damit die Dramaturgie des Vorangegangenen geschwächt wird.

Dieses kleine Konzept der Baukastendramaturgie funktioniert vor allem für den Gesamthandlungsbogen. Es kann auch für die Sequenzblöcke innerhalb eines längeren Beitrags genutzt werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die einzelnen Handlungsbögen der Blöcke ineinander übergreifen. Ein Handlungsbogen darf nicht enden, bevor der nächste begonnen hat. Dieses Prinzip ist vergleichbar mit einer Kette, jedes einzelne Glied ist in sich stark und geschlossen. Dennoch greifen die Glieder fließend ineinander.

Die treibenden Kräfte

Um diesen Fluss im Verlauf des Beitrags beizubehalten, sollte schon während der Planung auf folgende Elemente geachtet werden, die sich als treibende Kräfte für die Exposition, den Konfliktaufbau, den Höhepunkt und den Schluss eignen:

Kontraste und Paradoxien sind besonders geeignet, um spannende Einstiege zu gestalten.

Ein Schornsteinfeger, der Angst vor der Höhe hat; ein Bodybuilder arbeitet als Friseur usw.

Überraschende Handlungsumschwünge brechen die Erwartungen der Zuschauer und schaffen neue Aufmerksamkeit. Beispiel: Der Bauer steht bei blauem Himmel vor dem erntereifen Feld. Im nächsten Moment erkennt er, wie sich am Horizont schwere Gewitterwolken auftürmen.

Die Neugierde der Zuschauer wecken: Damit steigen die Spannung und die Aufmerksamkeit. Beispiel: Unter einem Dorf gibt es unerforschte Höhlensysteme. Nur ein Expertenteam hatte bisher Zugang.

Die Retardierung – Hinauszögerung – eines Handlungsbogens durch weitere Parallelhandlungen steigert die Spannung. Dabei kann das Warten der Zuschauer auf den Höhepunkt fast unerträglich werden.

Kurz vor der Razzia in einem italienischen Restaurant in der Duisburger Innenstadt springt der Film nach Neapel zu einem Treffen der »Bosse«.

Empörung, Aufregung, Erregung und Humor packen den Zuschauer emotional. In allen dramaturgischen Phasen können diese Elemente wichtige Hilfsmittel sein, um die Geschichte weiterzuentwickeln.

Zwei junge Boxer steigen Hand in Hand aus dem Ring.

Die dramaturgischen Überlegungen sind oft das Ergebnis einer langwierigen und aufwendigen Recherchearbeit. Das Konzept der Bildung von Sequenzblöcken und die Orientierung an einer inneren Dramaturgie für jeden einzelnen Block und die gesamte Handlung verhindern aber, dass der Film seinen roten Faden verliert und orientierungslos wird.

2.3 Bild, Ton und Text – Mittel des Erzählens

Bild, Ton, Schnitt, Text, Musik, Effekte, Grafiken und Stimme sind die Quellen des Fernsehjournalisten. Das Zusammenspiel dieser gestalterischen Mittel bietet Chancen, aber schafft auch Abhängigkeiten und Zwänge bei der Produktion von journalistischen Filmen.

Jede fernsehjournalistische Darstellungsform lebt von audiovisuellen Reizen, angefangen bei einem kurzen Nachrichtenfilm bis hin zur Dokumentation. Alle Fernsehschaffenden kämpfen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Und die wird in erster Linie mit starken, emotionalen oder exklusiven Bildern und Tönen gewonnen.

Der audiovisuelle Beleg – also der bildliche und akustische Beweis – ist zwingende Voraussetzung für Fernsehjournalisten.

Bilder sind das Fundament für einen Fernsehbeitrag und entstehen zumeist bei Dreharbeiten mit einer Video- oder Filmkamera. Technisch gesehen besteht eine Sekunde Fernsehen in der Regel aus 25 einzelnen Standbildern. Die Trägheit des Auges erweckt den Eindruck, dass wir die Veränderung der einzelnen Standbilder als eine gleitende Bewegung wahrnehmen. Aktuelle Aufzeichnungsformate arbeiten daher bereits mit bis zu 50 Bildern pro Sekunde. Damit sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Standbildern noch geringer. Beim Abspielen der Bilder nimmt der Zuschauer eine höhere Bewegungsschärfe wahr. Der Bildeindruck wird realistischer.

Wenn unsere Fernsehbeiträge also eine Aneinanderreihung von Einzelbildern sind, dann beschränkt sich die Gewinnung des Rohstoffes Bild nicht zwangsläufig nur auf die Beobachtung einer real ablaufenden Szene mit der Videokamera. Fernsehjournalisten können aus unterschiedlichen Quellen schöpfen:

Videokamerabilder,

Fotos oder Fotofolgen,

Grafiken,

Texteinblendungen,

Animationen.

Die Wahl der Bildquellen sollte im besten Fall ausschließlich vom definierten Aussagewunsch und von der gewählten Darstellungsform abhängen. Oft spielt hingegen die Verfügbarkeit von Bildmaterial die ausschlaggebende Rolle. Dieser Zwang zum bildlichen Beleg führt daher manchmal zu Unsicherheiten in der Erzählstruktur. Kann der Autor dieses Dilemma auf der bildlichen Ebene nicht lösen, bleibt ihm der Ton als weiteres Element.

Der Ton ist das Schleifmittel für den Fernsehjournalisten. Mit Tönen schaffen Autoren Atmosphäre, wecken Emotionen und glätten Bildübergänge oder -brüche. Daher muss schon bei den Dreharbeiten der Aufzeichnung des Tons die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden wie den Bildern. Ohne die hörbare Atmosphäre vom Drehort wirken die schönsten Bilder kalt und unecht. Und ein technisch unsauberer Ton macht das spektakulärste Interview unbrauchbar.

Die Tonaufzeichnung bei Dreharbeiten ist ein technischer Vorgang, bei dem akustische Schwingungen, die auf ein Mikrofon treffen, in elektrische Signale gewandelt werden. Dabei wird die Schwingung des Schalls (Schalldruckänderung) als eine Amplitude aufgezeichnet. In der Regel wird diese Tonaufzeichnung zeitgleich – also synchron – mit der Bildaufzeichnung auf der Videokamera gespeichert.

Grundsätzlich stehen dem Fernsehjournalisten folgende Tonquellen zur Verfügung:

atmosphärischer Ton von den Dreharbeiten (Raumatmosphäre, Musik usw.),

Interviewton (O-Ton) von Gesprächen mit Protagonisten und Experten,

vorgepegelter Ton von Beschallungsanlagen, z. B. bei Pressekonferenzen,

Musik aus »Konserven« (CD, Musikarchiv usw.),

Soundeffekte und Soundbits, die elektronisch erzeugt wurden,

Sprachaufnahme.

Der Text ist der Leim für den Autor eines Fernsehbeitrags. Mit dem Text kann der Journalist wichtige Informationen transportieren, die vom Bild nicht vermittelt werden. Der Text schafft Übergänge, verbindet bildliche Brüche von Zeit und Raum, baut Spannung auf, gibt zusätzliche Informationen und unterhält den Zuschauer. Der Einsatz von Text darf nicht dem Selbstzweck dienen. Er sollte das filmische Erzählen nicht dominieren. Vielmehr ist es sinnvoll, dass die einzelnen Textelemente als dramaturgische Unterstützung betrachtet werden. Sie erfüllen folgende Funktionen: Bilder unterstützen,

Aspekte des Bildes aufzeigen,

präzise Fakten nennen,

örtliche und zeitliche Orientierungshilfe geben,

Hintergründe erklären,

Entstehung der Bilder aufzeigen.

Das filmische Erzählen ist das wesentliche Merkmal des Fernsehjournalismus. Und diese Erzählstruktur eines Beitrags wird durch den Aussagewunsch des Journalisten getragen. Daher muss der Aussagewunsch möglichst vor Drehbeginn klar definiert sein. Zudem sollte der Autor die Produktion seines Beitrags bereits mit einer dramaturgischen Idee beginnen. In der Vorbereitung bietet es sich daher an, die folgende Checkliste zu überprüfen:

Checkliste: Filmisches Erzählen

Ist der Aussagewunsch des Autors/der Redaktion klar definiert?Gibt es einen visuellen Stil für den Beitrag?Bietet sich das Thema an, um audiovisuelle Belege zu finden und zu drehen?Sind während der Recherche Sequenzblöcke identifiziert worden?Gibt es eine dramaturgische Idee für den Beitrag?Bieten die einzelnen Sequenzblöcke das Potenzial für eine innere Dramaturgie?Sind die Quellen (Bild, Ton, Text) festgelegt, die den Aussagewunsch des Beitrags transportieren sollen?

3 Fernsehen startet am Schreibtisch – erste Schritte, Entwicklung und Planung

3.1 Ziele der Recherche

Mit der Recherche beginnt die Arbeit eines Journalisten am Film. Sie zielt darauf ab, zu bestimmten Sachverhalten möglichst viele Fakten und Zusammenhänge zu ermitteln. Darüber hinaus geht es darum, bestimmte Aussagen von Personen zu erhalten und öffentlich zu machen, die ohne das beharrliche Nachfragen nicht gemacht worden wären. Recherchieren bedeutet, sich auf die Suche zu machen und dabei strategisch, stringent, aber auch intuitiv vorzugehen. Erst wenn das geschehen ist, können Fernsehjournalisten zu Recht davon sprechen, dass sie sich bemüht haben, ihre Berichte glaubwürdig zu machen.

Für die wichtige »Recherche« ist in der heutigen Fernsehwelt häufig immer weniger Zeit. Verschiedene Untersuchungen ergaben, dass sich gerade aktuelle Beiträge häufig auf nur eine einzige Quelle stützen. Nicht selten sind es Informationen aus Pressekonferenzen oder PR-Mitteilungen. Dabei spielen die immer knapper werdende Produktionszeit und der Kostendruck eine immense Rolle. Umso wichtiger ist es, dass die Recherche für Fernsehbeiträge genau auf den Punkt ausgerichtet ist.

Zielgerichtetes Recherchieren ist mehr als ein Handwerk. Fernsehjournalisten müssen neugierig, offen, unvoreingenommen und vor allem sensibel für Geschichten sein.

Die Ziele der Recherche im Überblick (vgl. Schneider u. Raue):

ein Gespür für ein Thema entwickeln,

die Relevanz des Themas einschätzen,

das Einkreisen eines Themas durch hartnäckiges Fragen,

das Jagen und Sammeln von Fakten,

das Aufspüren und die Pflege von Informanten,

der Schutz der Quellen,

die Suche nach kontroversen Meinungen,

das Führen von vielen Gesprächen zur Überprüfung der Fakten,

eigene Beobachtungen und Rückschlüsse ziehen.

Fernsehredakteure sollten mit der Recherche ein umfassendes Verständnis über ein Thema erlangen. Selbst Fachjournalisten werden bei einer Spurensuche immer wieder auf unbekannte Aspekte stoßen, Unerwartetes aufdecken und Neues lernen. Sie stöbern in der Recherche nach Fakten, die auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar sein müssen. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto dichter wird das Bild, das sich der Autor über das Thema macht. Fast immer wird er dabei auch auf Ansprechpartner und Informanten stoßen. Gelegentlich können diese Personen im weiteren Verlauf der Arbeit an einem Film zu Protagonisten werden. Auch das ist ein Ziel der Recherche.

3.2 Ideen und Fakten – Recherche für Fernsehbeiträge

Die Recherche zu einem Thema beginnt oft mit einem banalen Auslöser: ein flüchtiger Blick auf eine Pressemitteilung, ein kurzer Eintrag in einem Blog oder ein Gespräch mit einem Bekannten. Alles kann ein Grund sein, sich ein Thema näher anzusehen.

Nicht selten steht am Beginn einer Recherche eine einfache Beobachtung, z. B. hat sich ein Kind im Krankenhaus eine schwere Infektion zugezogen. Aber auch eine allgemeine Annahme kann der Ausgangspunkt einer Recherche sein. Vielleicht beschreibt eine aktuelle Statistik, dass viele Rentner unter Altersarmut leiden.

Das Einzelschicksal des Kindes kann der Ausgangspunkt für eine Recherche mit einem induktiven Ansatz sein. Der Autor tastet sich vom konkreten Fall zu einer allgemeingültigen These vor. Er sucht nach den Ursachen der Infektion: Gibt es noch mehr Erkrankungen? Ist es ein Problem des Krankenhauses? Sind andere Patienten betroffen? Die Statistik über Altersarmut hingegen verlangt vom Journalisten ein eher deduktives Vorgehen. Er wird zunächst Belege für die statistische Aussage prüfen: Gibt es tatsächlich Rentner, die in Armut leben? Wie viel Rente steht ihnen zur Verfügung? Wie überleben diese Menschen? Erst dann sucht er nach geeigneten Einzelschicksalen, um diese Thesen in seinem Beitrag zu belegen. Neben der inhaltlichen Recherche – der sogenannten Themenrecherche – muss sich der Fernsehjournalist auch mit der Suche nach Bildern und Drehorten beschäftigen. Und schließlich kommen zur Bildrecherche auch noch planerische Aufgaben auf den Autor zu. Die Organisationsrecherche beginnt bei der Disposition von Produktionszeiten über die Buchung des Teams bis hin zur Reisevorbereitung oder der Buchung von Unterkünften.

Themenrecherche. Der Einstieg in die Recherche beginnt im Allgemeinen damit, dass sich der Redakteur einen ersten Überblick über das Thema verschafft. In dieser Phase geht die Recherche meist »in die Breite«. Unzählige Fakten, Ansatzpunkte, Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern werden gesammelt. Oft müssen Fernsehjournalisten erkennen, dass die Informationen kaum noch zu überblicken sind. Aus einem recherchierten Thema entwickeln sich oft sehr viele Geschichten. Erzählt werden kann meist nur eine oder einige wenige. Sämtliche Ergebnisse oder Aspekte einer Recherche unterzubringen, ist fast nicht möglich, ohne den Beitrag inhaltlich zu überfrachten. Es besteht sonst die Gefahr, dass der Zuschauer den Film nicht versteht. Am Ende seiner Faktensuche muss der Redakteur eine Auswahl der wichtigsten Inhalte vornehmen, die in einen Beitrag einfließen können.

Quellen der Recherche. Zur Recherche stehen den Redakteuren verschiedene Quellen zur Verfügung. Oft bieten sich zunächst die großen Nachrichtenagenturen an: Deutsche Presse Agentur (dpa), Reuters, Agence France-Presse (AFP), Associated Press (AP) und viele mehr. Eine umfangreiche und aktuelle Übersicht liefert beispielsweise die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nachrichtenagenturen. Nachrichtenagenturen agieren weltweit und liefern täglich mehrere Tausend Meldungen. Und viele bieten mittlerweile auch Ton-, Bild-, Grafik-, Video- und Multimediainhalte an, die von den Abonnenten genutzt werden können.

Soziale Netzwerke, Blogs oder Sharing-Plattformen sind sehr aktuelle und schnelle Quellen für die Recherche.

TWITTER, FACEBOOK, YOUTUBE und andere Netzwerke haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung für die journalistische Berichterstattung gewonnen. Selbst Nachrichtenmagazine wie das »heute journal« (ZDF) oder die »tagesthemen« (ARD) nutzen Informationsquellen und Videomaterial aus dem Internet. Die große Schwierigkeit für Journalisten ist es, angebotene Inhalte im Netz zu lokalisieren, zu filtern und vor allem zu überprüfen. Oft ist es gar nicht möglich, den Wahrheitsgehalt der Inhalte im Web zu überprüfen.

Dennoch bieten die sozialen Netzwerke insbesondere dann eine unverzichtbare Informationsquelle, wenn die klassischen Medien keinen oder nur einen sehr begrenzten Zugang zu den Ereignissen haben.

Die Berichterstattung über den Bürgerkrieg in Syrien basierte zu großen Teilen auf Informationen von Internetaktivisten, Bloggern, Amateurfilmern und vor allem der verschiedenen Kriegsparteien. Nur sehr wenige ausländische Journalisten haben oder hatten die Möglichkeit, nach Syrien zu reisen und direkt über den Konflikt zu berichten. Dennoch bleibt die wichtige Aufgabe, die vorhandenen Informationen zu selektieren, deren Glaubwürdigkeit einzuschätzen und die vorhandenen Bilder in einem objektiven Kontext zu präsentieren.

Die Recherche in sozialen Netzwerken ist zunächst einmal die Suche in Profilen, nach Usern, Bloggern oder Twitterern. Das Internet hilft. Die meisten Portale sammeln Informationen ihrer Nutzer und fassen veröffentlichte Inhalte der Social Media Community zusammen. Das erleichtert das Auffinden von Relevantem.

Suchoptionen ausgewählter sozialer Netzwerke:

TWITTERDie Suche nach Schlagworten erfolgt über die Hashtag-Funktion. Ein Hashtag ist ein Wort oder eine Zeichenkette mit vorangestelltem Doppelkreuz #. twitter nutzt diese Angaben, um die Suche nach Veröffentlichungen zu einem Thema zu ermöglichen.FACEBOOKfacebook arbeitet mit einer sehr gezielten und konkreten Suche. Diese Suche mit Social Graph kann sehr individuelle Ergebnisse zu einem Thema oder einem Ort anbieten, die auf Grundlage sämtlicher Posts und Verlinkungen der facebook-Community extrahiert werden.YOUTUBEyoutube bietet über eine erweiterte Suchfunktion an, Videoinhalte nach Schlagworten, Veröffentlichungszeiträumen, Videoqualität oder Relevanz einzugrenzen.BLOGSBlogsuchmaschinen und Blogverzeichnisse, wie z. B. GOOGLE BLOGS (www.google.de/blogsearch)

oder bloggerei.de (http://www.bloggerei.de) helfen dabei, Blogs mit relevanten Inhalten zu identifizieren.

LINKEDINlinkedin ist ein Beispiel für Internetportale, die den Fokus auf Vernetzung von Menschen legen, welche in der Regel ein berufliches oder wirtschaftliches Interesse verfolgen. Die Online-Profile verschaffen einen Überblick über die Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten der User. Über eine erweiterte Suche können beispielsweise Experten, Interviewpartner und Protagonisten gefunden werden.

Weit über die Suche in sozialen Netzwerken hinaus gehören zur Themenrecherche auch die Informationen aus dem Internet oder aus Datenbanken. Diverse Suchmaschinen wie GOOGLE, LYCOS, YAHOO, METAGER usw. bieten vielfältige Möglichkeiten der Informationsbeschaffung. Die Internetseite www.klug-suchen.de sammelt z. B. Links zu Suchmaschinen in deutscher Sprache.

Nicht immer sind die Quellen aus dem Internet seriös. Die Anbieter von Suchmaschinen überprüfen die Angaben nicht auf Richtigkeit.

Dies gilt insbesondere für die Internetseiten und Veröffentlichungen von Unternehmen. Sie arbeiten meist mit ihren Kommunikationsabteilungen oder Agenturen an einer angepassten Außenwirkung. Diese Selbstdarstellung vermeidet es in der Regel, kritisch mit sich selbst zu sein. Daher sind Publikationen und Einträge über ein Unternehmen, wie z. B. in der freien Enzyklopädie WIKIPEDIA, vorsichtig zu bewerten. Gleiches gilt auch für Pressemitteilungen oder sogenannte »Waschzettel« von Organisationen, Parteien, Verbänden und anderen. Waschzettel sind eine kurze und knappe Faktensammlung mit Informationen zu einem Produkt oder dem Unternehmen.

Und schließlich haben auch die klassischen Quellen weiterhin Bedeutung. Die Onlineportale oder gedruckten Ausgaben der verschiedenen Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Magazine und Illustrierten können Informationen für Recherche liefern. Auch in Archiven und Bibliotheken finden Journalisten Hintergründe oder manchmal sogar bisher Unentdecktes. Alle diese Quellen können wertvolle Informationen liefern. Und dennoch gilt: Es ist immer wichtig, diese Informationen zu hinterfragen. Der Grund ist einfach: Fast alle Informationen, die eine Redaktion oder einen Journalisten erreichen, unterlagen bereits einer Vorauswahl. Verbreitet wird nur das, was die Verfasser und Absender in Agenturen, Zeitungsredaktionen und sozialen Netzen veröffentlichen wollten. Das deckt sich jedoch nicht immer mit dem tatsächlichen Geschehen und dem, was für einen Fernsehbeitrag von Interesse ist. Informationen aus erster Hand sind immer besser, weil der Reporter dann selbst die uneingeschränkten Möglichkeiten der Auswahl hat. Zudem finden keine Vereinfachungen, Unkorrektheiten oder Verfälschungen von Sachverhalten statt. Der Effekt der »stillen Post« beim Weitererzählen wird vermieden. Keine Agentur und keine Suchmaschine ersetzt das persönliche Hintergrundgespräch mit einem Informanten, Experten oder Zeitzeugen. Das Gegenchecken von Informationen ist eine Pflicht des Fernsehredakteurs. Das ist meist nicht nur zeitaufwendig und mühsam, sondern auch mit Kosten verbunden.

Quellen für die Themenrecherche

Nachrichtenagenturensoziale Netzwerke, Blogs und VideoplattformenInternet und DatenbankenBibliotheken und ArchiveZeitungen, Magazine und IllustriertePressestellen und PressemappenInformanten, Experten und InsiderTelefonBekannte, Freunde und Familie

Wichtig ist, dass die Recherche sachgerecht und pragmatisch angegangen wird und sich auf die wesentlichen Punkte konzentriert.

Das bedeutet, dass der Redakteur auch den Mut haben muss, verschiedene Aspekte außen vor zu lassen, die nicht zu seinem originären Thema gehören. Das Kriterium sollte sein, ob die Informationen für den Beitrag bedeutend sind. Und um nicht schon in der Anfangsphase der Themenrecherche hilflos in Fakten zu versinken, ist es sinnvoll, die Recherchearbeit zu dokumentieren.

Ein Journalist stolpert beim Einkaufen über die Werbung eines Jeansherstellers, der mit besonders ökologisch verträglichen Produktionsmethoden wirbt. Der erste Blick ins Internet weckt bereits erste Zweifel. Die Jeansproduktion belastet die Umwelt erheblich. Er findet einen Experten. Das erste Telefonat verschafft weitere Einblicke und mehrere Adressen von Firmen in Indien, die Jeansstoffe produzieren. Zunächst kontaktiert der Autor aber die Firma, unter deren Label die Jeans verkauft wird. Keine Auskunft. Er setzt in Indien an und bekommt Namen von Mitarbeitern aus Deutschland. Spätestens in dieser Phase der Recherche gehen ohne eine überschaubare Dokumentation der Recherche wichtige Ergebnisse verloren.

Die Ergebnisse einer Recherche, gewonnene Erkenntnisse, Daten von Kontaktpersonen und Informanten, interessante Drehorte, vorhandene Drehgenehmigungen und mehr sollten in einem Rechercheprotokoll festgehalten werden.

Nur sehr selten reicht ein loses Stück Papier aus, um alle Informationen zu strukturieren. Oft werden Rechercheprotokolle zu mehrseitigen Dokumenten oder Textdateien. Je nach Vorliebe und vor allem Disziplin des Redakteurs können einzelne Abschnitte eingeführt, Tabellen erstellt oder Übersichtsgrafiken gezeichnet werden. Ein Protokoll kann u. a. folgende Punkte aufnehmen:

allgemeine Informationen oder besondere Beobachtungen,

Überblick über das Thema,

Kontakte und Anmerkungen zu Informanten und Protagonisten,

mögliche Quellen und Hinweise, wie valide und zuverlässig die Informationen sind,

Beweise, Dokumente und Akten usw.,

Gesprächsprotokolle von Rechercheinterviews,

Drehorte, Handlungen und Bilder, die berücksichtigt werden sollen,

Ergebnisse von Drehortbesichtigungen,

die grundsätzlichen Hypothesen und den eigenen Aussagewunsch,

die erste Struktur des Beitrags,

Anmerkungen zu Besonderheiten für die Dreharbeiten, z. B. Einreisebeschränkungen oder Unterwasseraufnahmen,

die Drehdisposition.

Das Rechercheprotokoll