Feuermohn - Astrid Martini - E-Book

Feuermohn E-Book

Astrid Martini

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Beschreibung

Der Journalistin Anna ist nichts mehr zuwider als reiche Jet-Set-Machos, die mit dem goldenen Löffel im Mund geboren werden und vom ererbten Geld auf der Suche nach Sex und Partys um die Welt jetten. Regelmäßig lässt sie sich in ihrer Kolumne über diesen Männertypus aus. Ihr bevorzugtes Läster-Opfer heißt Aaron Vanderberg, Erbe einer Juwelier-Dynastie. Aaron ist berüchtigt für seine Verführungskünste, seine sexuelle Anziehungskraft und seine ausschweifenden Partys. Aaron, dem Annas Kolumne schon lange ein Dorn im Auge ist, lockt Anna auf sein luxuriöses Anwesen, wo er sie Unterwerfung lehrt und in die Abgründe sexueller Lust führt ... "Astrid Martini gehört zu den Frauen, die uns Mut machen in die unendlichen Welten unserer sexuellen Fantasien einzutauchen, uns einfach mal fallen zu lassen. Frauen lieben Geschichten rund um Erotik, und Astrid Martini gibt sie uns mit viel Herz, Gefühl und wunderschön nachlebbaren Orgasmen." Irina von Bentheim - Schauspielerin, Radiomoderatorin und Synchronsprecherin (die deutsche Stimme der Carrie aus "Sex and the City")

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Seitenzahl: 370

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Astrid Martini

FEUERMOHN

Erotischer Roman

© 2008 Plaisir d’Amour Verlag, Lautertal

www.plaisirdamourbooks.com

[email protected]

Plaisir d’Amour Verlag

Postfach 11 68

D-64684 Lautertal

© Coverfoto: Sabine Schönberger

Cover-Layout: Dody Klein

ISBN eBook: 978-3-86495-043-8

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Der Mohn

Wie dort, gewiegt von Westen, des Mohnes Blüte glänzt! Die Blume, die am besten des Traumgotts Schläfe kränzt; Bald purpurhell, als spiele der Abendröte Schein,

bald weiß und bleich, als fiele des Mondes Schimmer ein.

Zur Warnung hört’ ich sagen, daß, der im Mohne schlief, hinunter ward getragen in Träume schwer und tief; dem Wachen selbst geblieben sei irren Wahnes Spur, die Nahen und die Lieben halt' er für Schemen nur.

In meiner Tage Morgen, da lag auch ich einmal,

von Blumen ganz verborgen, in einem schönen Tal. Sie dufteten so milde, da ward, ich fühlt es kaum, das Leben mir zum Bilde, das Wirkliche zum Traum.

Seitdem ist mir beständig, als wär es nur so recht,

mein Bild der Welt lebendig, mein Traum nur wahr und echt; die Schatten, die ich sehe, sie sind wie Sterne klar. O Mohn der Dichtung, wehe ums Haupt mir immerdar!

Kapitel Eins

Es gab Tage, an denen Anna den Wunsch verspürte, sich in ein anderes Leben beamen oder wenigstens fliegen zu können. Einem unbekannten Ziel entgegen – in den Sonnenuntergang, in die Nacht oder in den auftauenden Morgen hinein.

Frei von jeglichem Ärger, von Missstimmungen. Frei von Kämpfen und Karrierefrust, um endlich anzukommen!

Anzukommen und zu spüren, dass sich alles richtig anfühlte – ohne den Wunsch, jemals weiterfliegen zu wollen.

Heute war einer dieser Tage.

Sie saß im Büro hinter ihrem Schreibtisch, starrte aus dem Fenster und war wütend. So wütend, dass ihr das Blut in den Schläfen pochte, und ihre Finger unablässig auf die Tischplatte trommelten. Nicht einmal die brennende Duftkerze half, obwohl das Aroma sie in hektischen Zeiten oder während drohender Krisen sonst immer beruhigte.

Anna war so wütend, dass sie sich nicht einmal mehr auf ihre Arbeit konzentrieren konnte - was ihr selten passierte. Der Tag hatte schon negativ begonnen. Sie hatte verschlafen, war auf dem Weg zur Arbeit in einen Stau geraten, und zur Krönung hatte ihr der Chefredakteur des Magazins, für das sie arbeitete, verkündet, dass die von ihr sorgfältig vorbereitete Reportage über „Karrierefrauen mit Doppelleben“auf einen späteren Zeitpunkt verschoben würde. Auf einen Zeitpunkt, der unabsehbar war, denn andere Themen hatten seiner Ansicht nach in den nächsten Monaten Vorrang.

Die gesamte Ladung an negativen Gefühlen, die in Anna brodelte, bekam der Stapel an Papieren zu spüren, der bis dahin noch fein säuberlich geordnet vor ihr auf dem Schreibtisch gelegen hatte und nun durch eine einzige Handbewegung in hohem Bogen quer durch den Raum flog.

„Nova“ war ein elegantes, angesehenes und auflagenstarkes Magazin. Neben Geschichten über die Reichen, Berühmten und Schönen wurden Artikel von bekannten Psychologen und Journalisten gedruckt, ebenso Interviews mit Politikern und Stars. Die Fotografien waren erstklassig, die Textbeiträge gründlich recherchiert und prägnant geschrieben. ‚Nova‘ war in der hart konkurrierenden Zeitschriftenlandschaft eines der führenden Magazine.

Seit fünf Jahren war Anna ein fester Bestandteil des Teams. Mit ihrem eigentümlichen Schreibstil faszinierte sie ihre Leser. Sie besaß ein besonderes Gefühl für Worte, gestaltete daraus Geschichten und Kurzstories voller Farbe und Klarheit, die den Leser von der ersten Zeile an fesselten. Besonderes Highlight war ihre wöchentliche Kolumne, in der sie mit Wortwitz und messerscharfem Verstand sogenannte Promis aufs Korn nahm. Die Verkaufszahlen stiegen, Fanpost aus dem ganzen Land erreichte sie.

Anna liebte ihren Job – er war Berufung, füllte sie aus.

Mit besonderer Hingabe widmete sie sich der aktuellen Reportage. Einer Hingabe, die fast schon an Besessenheit grenzte. In den letzten Tagen hatte sie insgesamt vielleicht 20 Stunden Schlaf gefunden. Ein überhäufter Schreibtisch, durchwachte Nächte und ausgelassene Mittagspausen waren ihre ständigen Begleiter. Wie unter Strom stehend hatte sie an dieser Reportage gearbeitet. Einem Thema, das sie dem Magazin vorschlagen hatte, als sie bei Recherchen im Internet zufällig auf das Online Tagebuch von Ella gestolpert war.

Und nun das.

Anna fluchte leise.

Der Blick aus dem Fenster versöhnte sie für den Moment. Träge lagen die Häuser hinter Holzzäunen und Vorgärten. Die Alleen waren menschenleer, nur ein paar Autos glitten beinahe lautlos durch die Straßen. Diese Aussicht hatte stets etwas Beruhigendes für sie. Lullte sie behaglich ein, erdete sie, wenn sie in trüben Stimmungen versank, vermittelte ihr ein „alles wird gut“ Gefühl. Und das konnte sie brauchen.

Ihr Blick kehrte zum Monitor zurück. Geheimnisvoll lockten dort Ellas Zeilen. Die Ärztin berichtete hier anonym über ihr Doppelleben.

Ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend vertrieb Annas Ärger, breitete sich von dort in jede Zelle ihres Körpers aus. Anna schloss für einen winzigen Moment die Augen.

Dieses Tagebuch hatte sich schleichend und zunehmend zum Mittelpunkt ihres Denkens und Fühlens gemausert – einen Stellenwert erklommen, der ihr erst in diesem Moment bewusst wurde. Es berührte sie, und das nicht nur im journalistischen Sinne.

Es weckte geheime Sehnsüchte. Durchblutete ihr Dasein, ihre Gedanken und ihre Gefühlswelt. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass hier der Kern für ihren sturen Wunsch lag, an dieser Reportage festzuhalten.

Sie atmete tief aus. Es war ungewöhnlich für sie, über so wenig innere Flexibilität zu verfügen. Denn schließlich war es nicht das erste Mal, das sie kurzfristig auf ein anderes Thema umschwenken musste, weil es von „oben“ so gewünscht wurde.

In diesem Fall jedoch wurde ihr durch die redaktionelle Änderung eine Alibifunktion genommen. Ein triftiger Grund, weiterhin bei Ella einzutauchen.

Will ich das überhaupt? Weiterhin eintauchen?

Klar willst du!

Es war ihre innere Stimme, die sich meldete.

Und du willst noch viel mehr. Du ersehnst, alles über diese dunkle Welt zu erfahren, möchtest die Abgründe kennenlernen, die darin ruhen, mit ALLEN Sinnen eintauchen – nicht nur als Leser. Du wünschst pures Erleben, und dieses am liebsten sofort.

Sehnsucht legte unbarmherzige Fesseln um ihre Seele. Ein Gefühl, so intensiv und überraschend, dass es sie fast zerbarst.

Ihr Blick glitt gierig über die aktuellen Zeilen von Ella:

„Du wirst lernen, mir ohne Widerspruch zu gehorchen“, zerriss seine Stimme die bis dahin unüberbrückbare Stille. Dann griff er in mein Haar und zwang mich mit festem Griff zu Boden.

„Auf die Knie!“

Ich gehorchte.

Seine Hände schoben meine Schenkel auseinander, legten sich auf meinen nackten Hintern. Er konnte alles sehen. Beide Öffnungen, alles …

Der Gedanke daran erregt mich auch jetzt, wo ich diese Zeilen niederschreibe.

Sein Finger fuhr den Verlauf meiner Wirbelsäule nach bis zum Steißbein, dann weiter hinab zwischen meine Schenkel, bohrte sich in mich hinein.

„Was bist du?“, unterbrach seine Stimme die wohlige Stille des Genusses, die mich bis dahin umfangen gehalten hatte.

Ich wusste, was er hören wollte. Schwieg allerdings in freudiger Erwartung seiner Strafe, Macht und Überheblichkeit.

Doch darauf wartete ich vergeblich. Harrte aus, wartend, hoffend …

Er hatte längst, was er wollte.

Eine Frau, die täglich Fesseln trug und in Dessous mit Halsband und Brustnippeln Abend für Abend auf ihn wartete. Die wie ein Hund nach jedem Stück Zuneigung schnappte. Ein devotes Etwas, das sich sein Dasein ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte.

Sein Griff in meine Haare war der einzige Halt, den ich verspürte, als ich ihn auf allen vieren zu meiner Wohnungstür begleitete, die alsbald hinter ihm ins Schloss fiel und eine unsagbare Leere in mir hinterließ. Eine unstillbare Gier – nach ihm. Mit dem Bewusstsein, dass dies eine Strafe war, schmerzhafter als alle Peitschenhiebe dieser Welt …

Anna spürte, wie sich ihre Brustwarzen verhärteten. Ihr Puls beschleunigte sich, in ihrem Kopf herrschte Schwerelosigkeit.

Sündige Gedanken und Fantasien bewohnten ihr Inneres.

Fordernde Hände, brennender Blick, nackte Haut – ihre Haut! Ein seidiger Schal, der ihr das Licht nahm. Ein Mann wie ein Raubtier, der sie umkreiste, nicht aus den Augen ließ, ihre Grenzen auslotete und eisern überschritt.

Ein Kaffee. Sie brauchte einen Kaffee.

Die Espressomaschine ratterte, pumpte und rauschte. Bereitete einen doppelt starken Kaffee zu, dessen feines Aroma den Weg zu Annas Geruchsnerven fand und hoffentlich dazu führte, ihren unsteten Gedanken wieder eine Linie einzuhauchen, eine ruhige Linie, Bodenhaftung und Gelassenheit.

Immer, wenn sie nervös war, knetete sie ihre Oberlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. So auch jetzt. Zu der Nervosität mischte sich Unruhe. Ihr wurde bewusst, dass sie sich gerade vor sich selbst outete. Dass sie zum ersten Mal begann, sich diese merkwürdigen Stimmungen, die sie jedes Mal überkamen, wenn sie bei Ella las, einzugestehen.

Und nun? Was sollte sie tun? Ihre devoten Fantasien, die immer stärker an die Oberfläche drängten, ignorieren? Oder lieber mit jemandem darüber reden? Mit ihrer Freundin, die alles von ihr wusste, und deren Gedanken ihr sicherlich gut tun würden?

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Fünf vor vier. Sie würde Feierabend machen. Es war zwar noch früh, und es gab noch eine Menge zu tun, aber allein in den letzen zwei Monaten hatte sie genügend Überstunden gemacht, um mindestens vierzehn Tage zu Hause bleiben zu können. Sie schaltete den Rechner aus, sorgte für Ordnung und pustete die Duftkerze aus.

Schluss für heute.

Noch ein Anruf bei ihrer Freundin, die sich über die spontane Verabredung freute, und schon griff Anna zu Blazer und Tasche.

„Na, was denn? Erst sechzehn Uhr und schon Schluss für heute?“ Ein Kollege, den sie im Flur traf, wies deutliche Spuren von Erstaunen auf.

„Draußen scheint die Sonne, und ich denke, der Verlag wird einmal ein paar Stunden ohne mich zurechtkommen.“

„Sicher! Ich bin nur etwas irritiert, wo du doch sonst mit deinem Schreibtisch verheiratet scheinst.“ Er zwinkerte ihr zu. „Mach dir einen schönen Nachmittag!“

Anna war bekannt dafür, dass sie bis weit in die Abendstunden hinein arbeitete. Oft saß sie noch bis Mitternacht am Schreibtisch. Sie liebte ihren Job. Und sie liebte das Magazin, als wäre sie die Herausgeberin. Jede einzelne Seite darin sollte erstklassig sein. Und für einen exzellenten Artikel strengte sie sich an, legte sich ins Zeug und machte Überstunden, ohne jemals nach einem Freizeitausgleich zu fragen. Jeder hier im Verlag wusste das – ihre Kollegen, die Putzfrauen, die abends artig an die Tür klopften und fragten, ob sie schon stören und den Teppich saugen dürften und natürlich der Chef höchstpersönlich.

Aber für heute war Feierabend.

Eine halbe Stunde später saß Anna gemeinsam mit ihrer Freundin Caroline in einem Straßencafé, in dem sie auf ihre Eisbecher warteten.

Caroline war eine schöne, schlanke, hochgewachsene Frau mit tiefschwarzem Haar und eisblauen Augen. Eine äußerst elegante Erscheinung in ihrem taubenblauen Kostüm. Anna hingegen war nicht besonders groß, hatte ein paar Pfund zu viel auf den Hüften und konnte mit der modischen Raffinesse ihrer Freundin nicht mithalten. Jedoch wohnte in ihren Augen eine Lebendigkeit, die dies wieder ausglich. Ihr kastanienbraunes Haar trug sie zu einem lockeren Knoten gebunden. Ihre Kleidung war leger, denn sie bevorzugte es praktisch. Auch im Wesen unterschieden sie sich gravierend. Während Caroline besonnen, ruhig und diplomatisch war – immer darauf bedacht, für Harmonie zu sorgen und die Wogen zu glätten – war Anna ein Ausbund an Temperament. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, sagte unverblümt, was sie dachte, ohne sich auch nur einen Funken darum zu scheren, was andere dachten. Ihr impulsives Wesen und ihre spitze Zunge waren ebenso gefürchtet wie ihr messerscharfer Verstand und ihre Schlagfertigkeit.

So sehr sich die beiden auch unterschieden, seelisch und mental standen sie sich nah. Sie waren Seelenfreundinnen – nichts und niemand konnte sie entzweien. Sie hatten schon unzählige Nächte hindurch geplaudert, gelacht, geweint, bis der Morgen graute, und die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigten. Sie wussten alles voneinander, es gab keine Geheimnisse. Dennoch war Anna mit einem Mal unwohl bei dem Gedanken, der Freundin von den geheimen Sehnsüchten zu erzählen, die sich unbemerkt in ihr Leben geschlichen hatten.

Es war ungewöhnlich warm, so warm, dass es die Menschen geradezu magisch in die Stadt zog. Sie bummelten an den Schaufenstern entlang, genossen relaxte Momente in Cafés oder saßen einfach nur entspannt auf einer der sauber gestrichenen Bänke, die das Stadtbild zierten. Die wenigen Straßencafés waren überfüllt, dennoch gelang es den Freundinnen, in ihrem Lieblingscafé einen freien Tisch zu ergattern.

Und noch während Caroline sich eine Zigarette anzündete, erzählte Anna ihr von den aktuellen Plänen der Redaktion und davon, wie sehr sie sich geärgert hatte.

Caroline blies Zigarettenrauch in die Luft, schnippte Asche in einen Aschenbecher und hörte aufmerksam zu. Sie war nicht nur Annas beste, sondern auch ihre einzige Freundin. Eine erfolgreiche Diplom-Psychologin, die in eigener Praxis Depressionen und Neurosen therapierte. Caroline war es gewohnt, die Handlungen, Gedanken und Gefühle ihrer Klienten zu analysieren. Und manchmal machte sie auch vor der Freundin nicht Halt.

„Du wirkst fahrig. So, als würde dich noch etwas ganz anderes beunruhigen. Schieß los!“ Caroline schob den Aschenbecher zur Seite, damit der Kellner die Eisbecher vor sie hinstellen konnte.

Anna hob ihre Augenbrauen. „Hey, du hast Feierabend. Ich übrigens auch. Bitte keine Analysen, ja?“ Ihr schneidender Ton ließ Caroline aufhorchen. Aber sie sagte nichts. Sie spürte instinktiv, dass es in diesem Fall besser war, nicht weiter zu bohren.

In Anna kämpften währenddessen zwei Seiten. Sollte sie? Oder besser doch nicht?!

Einerseits wünschte sie sich, darüber zu reden. Andererseits hatte Carolines analytischer Blick sie abgeschreckt. Außerdem sah die Welt jetzt, wo sie in der Sonne saß, ihr Eis genoss und der Computer weit weg war, ganz anders aus. Sie beschloss, alles tief in sich einzuschließen, Ellas Tagebuch aus ihren PC-Favoriten, ebenso ihre Gedanken zu löschen und zur Tagesordnung zurückzukehren. Ja, das würde sie tun.

Kapitel Zwei

Aaron Vanderberg schritt in Gedanken versunken durch die verwinkelten und gewundenen Pfade des weitläufigen Gartens, der sein Anwesen umgab. Seine Schritte durchbrachen die Stille, die ihn wie ein dunkler Komplize umhüllte. Ziellos durchstreifte er den Garten in der Hoffnung, seine düsteren Gedanken zu zerstreuen.

Das silberne Glitzern des Mondes erhellte die Schichten von Schwarz, die er durchschritt. Aaron schlängelte sich zwischen Holunderbüschen, Ginstersträuchern und zu vielen Gedanken hindurch, rastlos mit geschmeidigen Bewegungen.

Stufen führten durch ein wild gewachsenes Blumenmeer hinab zu einem weißen Pavillon, der von Dornen wilder Heckenrosen umrankt war. Dort hielt er einen Moment inne und lehnte sich an die Mauersteine.

Diese Mondnacht sah geradezu zauberhaft aus. Ein ewiges, tiefdunkles Blau, das im Schwarz versank. Der Mond, eine noch nicht ganz vollendete Kugel mit silbrig glimmendem Schein, und zwischen den Zweigen der Büsche ein geheimnisvolles Wispern, ein raschelnder Dialog der Blüten und Blätter, gebettet in die zart silbrigen Strahlen des Mondes. Wundervoll.

Eine Nacht, wie gemacht für sinnliche Stunden.

Doch Aaron hatte keinen Blick dafür. Träge flossen die Minuten an ihm vorüber. Wie seine Gedanken, die sich nicht zerstreuen ließen. Hartnäckig raubten sie ihm seine innere Ruhe. Rumorten in ihm, begehrten unablässig Aufmerksamkeit.

Er beschloss, zu seinen Gästen ins Haus zurückzukehren.

Vor ihm huschte ein Schatten über die Stufen und verschwand seitlich ins Gebüsch. Tauchte wieder auf, überquerte die Stufen erneut. Beim Näherkommen erkannte er einen Marder. Kurz blickten die im Mondlicht aufblitzenden Augen des Tieres ihn an, dann verschwand das Tier. Es raschelte im Gestrüpp. Ein Käuzchen schrie.

Aarons Lippen verzogen sich für einen winzigen Moment zu einem Lächeln. Er mochte die Natur, Pflanzen und Tiere. Das Geräusch des davoneilenden Marders verlor sich in der Nacht. Ein süßer Duft von Flieder und Rosen hing in der Luft, als Aaron die Stufen mit dem Vorsatz emporstieg, den restlichen Abend so gut es ging zu genießen.

Ohne Erfolg, denn eine Stunde später stand er in Gedanken versunken und genauso rastlos wie vorher an der weit geöffneten Flügeltür, die den Weg zu einer breiten Terrasse freigab. Er starrte hinaus. Vor den Fenstern zog die Nacht dahin. Dichte Wolken umspielten den Mond, diktierten Phasen der Helligkeit und der Dunkelheit.Die Party war in vollem Gange. Seine Gäste waren ausgelassen wie immer, doch im Gegensatz zu sonst wollte in ihm keinerlei Stimmung aufkommen.

Aus dem Garten klang das Zirpen der Grillen, vom Teich her hörte man das Abendkonzert der Frösche und das leise Plätschern des Springbrunnens.

Jeder Versuch, sich am Partygeschehen zu beteiligen, misslang kläglich.

Er spürte die Blicke der Gäste in seinem Rücken. Sie brannten, und er wünschte sie alle zum Henker. Dabei liebte er Partys. Besonders, wenn eine Vielzahl schöner Frauen anwesend war, so wie heute.

Eine junge Frau tauchte an seiner Seite auf, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er erwiderte ihr Lächeln. Zwar nicht mit dem gewohnten Charme, aber es gelang ihm, seine dunklen Gedanken für einen Moment zu verscheuchen. Er forderte die blonde Frau, die mit hingebungsvollen Blicken zu ihm aufsah, zum Tanz auf und schwang sie kurze Zeit später in seinen Armen über das Parkett. Er wurde ruhiger, gelassener, fand zu alter Form zurück – zumindest ansatzweise.

Immer wieder füllte er die Gläser nach, genoss die Bewunderung der weiblichen Gäste, mixte neue Cocktails, für die er zahlreiche Komplimente einheimste. Alles war wie immer. Die Ausgelassenheit nahm zu, die Anwesenden wurden übermütiger, und schon bald sah man die ersten wild knutschenden Paare. Zielsicher führte Aaron seine Tänzerin durch das Gedränge zur Veranda hinaus, setzte sich mit ihr für eine Weile ab.

Die Nacht schritt voran, doch seine Wut ließ sich nicht dauerhaft verdrängen. Immer wieder kroch sie tröpfchenweise in ihm hoch. Und bald begann sie erneut wie ein wilder Strom an die Oberfläche zu streben. Diese Wut schrie nach Entladung, ersehnte Vergeltung. Dabei hatte der Tag so gut angefangen.

Nach einem amüsant-sündigen Wochenende in diversen Bars hatten er und sein Bruder Alexander es sich am Vormittag auf der Terrasse gemütlich gemacht.

Doch diese träge Idylle hatte schon bald ihr Ende gefunden – zumindest für Aaron.

Und zwar genau ab dem Zeitpunkt, als Alexander ihm dieses verdammte Magazin vorgelegt hatte. Es enthielt eine halbseitige Kolumne, in der sich jemand ohne Tabus über ihn – Aaron Vanderberg – ausließ und zwar schonungslos, gehässig und voller Sarkasmus. Er schleuderte das Magazin weit von sich.

Aaron war nur anderthalb Jahre jünger als sein Bruder Alexander und sah ihm zum Verwechseln ähnlich. So identisch ihre Erscheinung auch war, in ihrem Wesen unterschieden sie sich maßgeblich. Alexander war nachgiebiger und gefühlvoller, ihm fehlte die Arroganz, die Aaron immer mal wieder an den Tag legte. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er aufrichtig auf der Suche nach der Frau fürs Leben. Was ihn jedoch nicht davon abhielt, aus dem Vollen zu schöpfen, und die sich ihm zahlreich anbietenden erotischen Abenteuer mitzunehmen.

Beide waren Erben der berühmten Juwelierdynastie Vanderberg, hielten nichts von Konventionen, sondern lebten nach dem Lustprinzip. Während Alexander dabei war, sich als Fotograf einen Namen zu machen, lebte Aaron in den Tag hinein. Nebenbei kümmerten sie sich abwechselnd als Geschäftsführer um den Familienbetrieb, der ein Selbstläufer war, nach wie vor expandierte, florierte und ein Dutzend Filialen in ganz Deutschland sein eigen nannte.

Mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, hatten beide eine Kindheit genossen, in der es ihnen an materiellen Dingen in keiner Weise gefehlt hatte; und als gutaussehende Jungen aus reichem Elternhaus waren sie früh Anziehungspunkt für das weibliche Geschlecht. Mädchen und Frauen rissen sich um ihre Aufmerksamkeit, stellten alles Mögliche an, um für einen Moment in ihrer Gunst zu stehen.

Während Alexander sich in jungen Jahren ernsthaft verliebt hatte – jedoch enttäuscht worden war – war Aaron das Gefühl von Liebe vollkommen fremd. Er bekam, was er wollte, musste nie um die Gunst einer Frau kämpfen. Er war eine Frohnatur, ein Hans Dampf in allen Gassen, der mitnahm, was sich ihm bot. Und das war reichlich. Jedoch musste man ihm zugute halten, dass er seine Gespielinnen niemals über seine Absichten im Unklaren ließ. Sie wussten von vornherein, woran sie bei ihm waren, und dass es nicht von Dauer sein würde.

Mit der ihm angeborenen Leichtigkeit war es zu diesem Zeitpunkt allerdings vorbei.

„Anna Lindten!“ Aaron spie den Namen förmlich aus. „Diese Frau ist die Pest! Die Worte Lust und Hingabe kann sie sicherlich nicht einmal richtig buchstabieren. Sie hat ihren Meister noch nicht gefunden.“

„Und du willst das ändern?“ Alexander suchte den Blick seines Bruders.

„Wenn es sein muss.“ Ein gefährlicher Glanz trat in Aarons Augen.

„Was hast du vor?“

„Mir wird schon das Passende einfallen.“

… Aaron tauchte aus seinen Gedanken auf, nippte an seinem Cocktail. Das Passende war ihm bisher nicht eingefallen und es gelang ihm nicht, diese Episode auszublenden. Er ersehnte Vergeltung, wollte es dieser Person heimzahlen. Erst dann würde er zur Ruhe kommen.

Die Minuten verstrichen.

Mit einem Mal erhellten sich seine Gesichtszüge. Er hatte eine Idee.

Der Mohnball! Bald war es wieder soweit. Dieser Anlass war perfekt! Sie würde anbeißen, seinen Köder schlucken. Da war er sicher.

Er würde Madame Lindten an die Grenzen ihrer Lust führen, sie Demut lehren. Und wenn er sie dort hatte, wo er sie haben wollte, würde er sie wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Ihre Kollegen von der Konkurrenz würden an diesem ‚leidvollen Ende‘ natürlich teilhaben, und schon hatte er seine Revanche.

Nie wieder würde sie ihn als hirnlosen Gigolo und die Damen, die sich mit ihm einließen, als naive Dummchen bezeichnen.

Genüsslich begann er sich seinen Rachefeldzug in den schillerndsten Farben auszumalen. Er rief sich ihr Pressefoto ins Gedächtnis. Sie war eine Frau, die ganz und gar nicht in sein Beuteschema passte. Dennoch hatte sie etwas, das ihn reizte. Es würde das reinste Vergnügen werden, ihr diesen Denkzettel zu verpassen.

Seine Wut wandelte sich in Schaden- und Vorfreude. Wie von Zauberhand verschwand seine missmutige Stimmung – Partylaune kam auf.

Er rieb sich die Hände und wandte sich einer dunkelhaarigen Schönheit zu, die schon eine ganze Weile kokettierend um seine Aufmerksamkeit buhlte.

Kapitel Drei

Blitze zuckten hinter dem Hügel hervor, lauter Donner grollte. Grauschwarze Wolken verdüsterten die Sicht auf den Horizont, waren mit Düsterkeit beladen und drückten schwer auf das Firmament.

Vor nicht einmal einer Stunde hatte dies noch ganz anders ausgesehen. Blauer Himmel, wohin man auch schaute, strahlender Sonnenschein, der schon in den frühen Vormittagsstunden einen trägen Sommertag versprach, eine Luft, die vor Hitze flirrte.

Und nun, wie aus dem Nichts, dieses graue Etwas, das sich wie ein Schatten durch die Landschaft zog, Bäume, Himmel und Sträucher mit einer matten Schicht belegte und dabei feuchte Schwüle und einen gewaltigen Regenschauer hinter sich herzog.

Elegant schob sich der Wagen die schmale Straße hinauf, die sich entlang an Hügeln und schönen Wäldern emporschlängelte. Regen prasselte unaufhörlich und mit solcher Wucht gegen die Scheiben, dass die Scheibenwischer die Wasserfluten kaum bewältigen konnten.

Als ein weiterer Blitz über den Himmel zuckte, presste Anna ihre Hände in den Schoß, kauerte sich tiefer in den weichen Ledersitz. Normalerweise liebte sie ein ordentliches Unwetter, zog es jedoch vor, eine derartige Naturgewalt in häuslicher Sicherheit bei einem guten Glas Wein zu bewundern.

Sie warf einen unauffälligen Seitenblick auf den überaus schweigsamen Taxifahrer neben sich. Er wirkte konzentriert, schien keine Mühe zu haben, sich einen Weg durch dieses Unwetter zu bahnen, was sie etwas ruhiger werden ließ.

Sie war froh, sich nicht mit ihrem geliebten, aber doch sehr betagten Mazda durch diese Regenmassen zum Anwesen von Aaron Vanderberg kämpfen zu müssen. Schaudernd blickte sie zum Himmel. Die Welt schien wie elektrisiert, es herrschte eine beunruhigende Atmosphäre. Große glitzernde Tropfen taumelten von den grauen Wolkengebilden herab, legten sich wie ein Film auf Bäume, Sträucher und den Asphalt, während das ungnädige Donnergrollen seinen Höhepunkt erreichte. Das düstere Bild wurde von bedrohlich anmutenden Blitzen heimgesucht, die den Horizont in zwei Hälften zu teilen schienen. Weltuntergangsstimmung.

Als das Donnergrollen endlich an Lautstärke abnahm, atmete Anna erleichtert auf. Sie begann sich zu entspannen und dachte an ihren Auftrag: ein exklusives Interview mit Aaron Vanderberg – Erbe einer Juwelier-Dynastie und Playboy durch und durch. Ein Bonbon, das ihrer Reportage einen besonderen Glanz verleihen würde.

In Zeitungs- und Medien-Kreisen war er gefürchtet. Es war immens schwer, einen Termin für ein Interview zu bekommen. Umso erstaunlicher, dass er eingewilligt hatte. Außerdem durfte sie exklusiv als Zugabe über den alljährlichen Mohnball berichten, weil er ein angeblicher Bewunderer ihrer Kolumne war.

Spott glomm in Anna auf. Welch eine Farce! Herr Vanderberg als Bewunderer ihrer Kolumne? Lachhaft! Mehr als einmal hatte sie sich in negativer Hinsicht über ihn ausgelassen, sich regelrecht über ihn lustig gemacht. Sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, wie wenig sie von Machos seiner Art hielt. Playboys, die nichts Besseres zu tun hatten, als vom ererbten Geld auf der Suche nach Sex und Partys um die Welt zu jetten.

Aber gut. Wenn er so dumm war, durch diese Einladung zum Ball eine weitere Plattform für ihren Spott zu bieten, ihr sollte es recht sein.

Sie lachte leise auf.

Aaron Vanderberg, Ladykiller, Casanova, Herzensbrecher und Traum aller Frauen – sofern sie einen IQ unter 80 hatten.

Schön dumm, wenn man auf einen derartigen Mann hereinfiel, denn hinter seiner attraktiven Fassade steckte ein hemmungsloser Playboy, der von einer Frau nicht mehr erwartete als gutes Aussehen und ein immerwährendes Lächeln. Natürlich sollte die jeweilige Dame ihn auch angemessen anhimmeln und ihm artig auf Wunsch zur Verfügung stehen.

Zugegeben, dieser Mann war attraktiv, eine Tatsache, die Anna nicht leugnen konnte.

Er gehörte zu der männlichen Spezies auf diesem Planeten, die auch ihr schlaflose Nächte bereiten konnten. Als moderner Casanova betörte er fast jedes weibliche Herz. Seine erotischen Liebeskünste waren legendär, seine Eroberungen in aller Munde. Oberflächlich gesehen war er ein Bild von einem Mann. Eine Tatsache, die sie allerdings mit aller Macht zu verdrängen versuchte, denn schließlich war sie Profi und kein Backfisch. Es wäre doch gelacht, wenn sie seine erotische Präsenz nicht ausblenden und mit gewohntem Geschick ihre Arbeit verrichten könnte.

Ihre Lippen verzogen sich. Aaron Vanderberg – eine schöne Hülle ohne Substanz. Es war eine Schande, dass in einem dermaßen begnadeten Körper ein so niederes Hirn steckte.

Wie von Geisterhand begannen sich die dunklen Wolken zu teilen. Gleißendes Sonnenlicht schob sich mehr und mehr dazwischen, ließ den Regenguss versiegen und das Gewitter weiterziehen. Ein für einen Moment aufblinkender Regenbogen zauberte ein wunderschönes Farbenspiel an den Horizont und ein kleines Lächeln in Annas Mundwinkel. Vielleicht würde der Tag ja besser werden, als es ihr Bauchgefühl seit Stunden signalisierte.

Die schmale Straße begann sich zu gabeln. Zur Rechten ging der Weg weiter bis zur nächsten Ortschaft. Zur Linken führte er zwischen zwei riesigen Steinsäulen hindurch durch ein kleines Waldstück, das sie schließlich zu der Lichtung brachte, auf der Aaron Vanderbergs berühmt-berüchtigtes Anwesen lag. Hier würde noch an diesem Abend der alljährliche Mohnball stattfinden.

Das riesige schmiedeeiserne Tor war geschlossen. Mit einem seltsamen Flattern in der Magengegend verließ Anna das Taxi und fühlte sich, als es davonfuhr, mit einem Mal furchtbar allein gelassen. Ein neues, ganz und gar nicht willkommenes Gefühl.

Die flirrende Hitze, die sich diesen Junitag zurückerobert hatte, legte sich wie ein Käfig erbarmungslos und schwer um ihren Körper. Sie wollte diese Last abschütteln, ersehnte den Schutz eines mächtigen Baumes, der seine laubbehangenen Äste majestätisch über ihr Haupt ausbreitete und kühlen Schatten spendete.

Zögerlich hob Anna ihre Hand, betätigte den grün-goldenen Klingelknopf und atmete tief.

Ein leises Surren, und schon wurde ihr Gesicht von der winzigen Kamera erfasst. Das Tor glitt lautlos zur Seite. Anna zuckte zusammen, als es hinter ihr sofort wieder ins Schloss fiel.

Gefangen, dachte sie für einen winzigen Moment.

Es gelang ihr, dieses ungute Gefühl zu unterdrücken. Entschlossen setzte sie einen Fuß vor den anderen.

Inmitten eines riesigen, von Laternen gesäumten Mohnfeldes führte ein Weg fünfzig Meter weiter zum imposanten Anwesen von Aaron Vanderberg.

Am liebsten hätte sie ihre Schuhe von den Füßen gestreift und wäre barfuß durch diese feuerrote Pracht gelaufen, hätte sich hineingeworfen, leise seufzend die Augen geschlossen und sich von einem leichten Sommerwind streicheln lassen. Doch dafür blieb keine Zeit. Außerdem blies kein Sommerwind. Die Luft, warm und duftgeschwängert, war regungslos.

Die Leuchtkraft des Mohnsunddie Zartheit seiner BlüteerinnerteAnna anSchmetterlingsflügel. Sie liebte Mohnblumen. Hatten sich nicht die Tränen der Aphrodite in Mohnblüten verwandelt, als sie um ihren geliebten Adonis weinte?

Mohn – Blume der Träume. Sie war Morpheus, dem Gott der Träumeund des Schlafes geweiht … Morpheus, der diese Blumegeschaffen hatte.

Die riesige Villa mit ihren Erkern und der schneeweißen Fassade wirkte aus dieser Entfernung märchenhaft, fast wie ein verwunschenes Schloss.

Annas entzücktes Staunen wuchs, je näher sie kam. Das Anwesen war von einem weitläufigen Garten mit alten Bäumen, Rosenbüschen, Blumenrabatten, Holundersträuchern, Rasenflächen und verwunschenen Wegen umgeben. Manche Ecken waren auch hier über und über mit Mohnblumen bestückt. Der Garten gefiel ihr. Es war einer dieser wunderbaren alten Gärten, in denen alles wild, aber dennoch gepflegt wuchs, und in denen man unter Holunderbüschen zerbrochene steinerne Gartenfiguren entdecken konnte. Linden und Buchen gaben sich die Hand mit wilden Heckenrosen. Überall führten schmale Wege zwischen Heckengängen hinter das Haus und in die Tiefe des Gartens, und dort, wo man durchblicken konnte, sah man Lauben, Blumenoasen, Terrassen mit säulengestützten Balustraden, gewundene Treppen, rotlackierte Gartenbänke, steinerne Vasen und Amphoren. Die Sonne legte einen orangefarbenen Schimmer auf dieses Bild, ließ die Blätter der nassen Bäume und Sträucher aufblitzen, und die Blumen leuchten.

Es war zu verlockend. Deswegen beschloss Anna, nicht sofort zum Portal zu gehen, sondern die wundersame Schönheit des Gartens auf sich wirken zu lassen. Zumindest für ein Weilchen.

Mit angehaltenem Atem schlenderte sie durch einen der Heckengänge. Alles wirkte verwunschen, zu trägen Träumen anregend, die in der Wirklichkeit zwar keinen Bestand haben konnten, aber dennoch Labsal für die Sinne waren.

Ein Meer an Blumen gab es hier. Leuchtende Nelken, hohe orangefarbene Tigerlilien, violette Iris, die rings um einen hübsch angelegten Teich wuchsen. Magnolienbäume blühten mit den wilden Heckenrosen und dem Flieder um die Wette. Sie rochen so berauschend süß, dass Anna sich am liebsten wie eine Biene in die Blütenkelche gestürzt hätte, um in dem Duft zu baden.

Verzückt schloss sie die Augen, legte den Kopf in den Nacken und drehte sich träumerisch im Kreis. Auf einer verborgenen Bank in der Nähe eines Holunderbusches ließ sie sich schließlich nieder. Das leise Plätschern eines Brunnens, der auf einem Podest stand und die Form einer griechischen Sphinx – bis zur Brust eine schöne Frau und hinten Löwin – hatte, lullte sie ein. Die Sphinx trug ein paar Flügel auf den Schultern, aus ihrem geöffneten Mund rann klares, herrlich sprudelndes Wasser.

Gerade wollte Anna aufstehen, um sich ein wenig an dem kühlen Nass zu erfrischen, als sie leises Lachen und näher kommende Stimmen hörte.

Eilig versteckte sie sich hinter dem Busch. Durch das Blätterwerk hindurch sah sie, wie ein hochgewachsener Mann zwischen den Blumenrabatten entlangschlenderte, geradewegs an ihr vorbei. Sie duckte sich noch ein Stückchen tiefer, schloss für einen Moment die Augen und setzte ihre Beobachtung fort.

In jedem Arm hielt er eine leicht bekleidete, schlanke Schönheit. Abwechselnd knabberte er an ihren Ohrläppchen, begann heiße Küsse auf ihre Nacken zu setzen, während seine Hände in den großzügigen Ausschnitten ihrer dünnen, kurzen Sommerkleider wühlten. Die Pobacken der Frauen waren kaum bedeckt, wippten bei jedem Schritt einladend mit, und Anna bemerkte, dass beide kein Höschen trugen.

Ihre üppigen Brüste schwangen auf und ab, legten sich dabei immer wieder schwer in die gierig zupackenden Hände des Mannes und waren durch den halbtransparenten Stoff nur teilweise bedeckt. Steil aufgerichtete Brustwarzen, lüsternes Kichern, freigelegte Schenkel, schlanke Männerhände, die immer wieder sinnlich zugriffen. Das alles war ein Potpourri, welches Anna zu ihrem eigen Erstaunen erhitzte.

Als sie jedoch den Mann erkannte, der nicht weit von ihr entfernt im Begriff war, zwei Damen gleichzeitig zu beglücken, zuckte sie zusammen. Ernüchterung trat ein, sämtliche Hitze schwand, machte einem unnatürlichen Kälteschauer Platz. Ihr Herz begann unregelmäßig zu schlagen, das Blut stockte in ihren Adern. Ausgerechnet er, der Mann, der sie zum Interview geladen hatte, und den sie aus tiefstem Herzen verachtete – Aaron Vanderberg.

In gekauerter Stellung machte sie ein paar Schritte rückwärts. Sie musste hier weg, konnte sich wahrlich angenehmeres vorstellen, als diesen Kerl beim Liebespiel zu beobachten. Doch wie sollte sie ungesehen wegkommen? Und welche Blamage, sollte er sie entdecken! Im Schutz des Busches machte sie schnell ein paar kleine Schritte rückwärts, trat hörbar auf einen trockenen Zweig und verfluchte sich.

Sie huschte, so schnell sie konnte, seitwärts aus der Deckung heraus hinter den nächsten Strauch und von dort auf einen Heckengang zu, der sie nach vorne zum Portal brachte.

Aaron hörte ein Knistern, wandte den Blick und sah für den Bruchteil einer Sekunde eine Frau, die sich eilig hinter einen Busch duckte. Eine Voyeurin? Ein amüsiertes Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. Ihm sollte es recht sein – erhöhte dies den Reiz seines Stelldicheins doch um ein Vielfaches.

Mit einem Ruck riss er die Drückknöpfe des Kleides der brünetten Dame zu seiner Linken auseinander, so dass ihre großen weichen Brüste komplett frei lagen. Die Schwarzhaarige zu seiner Rechten warf ihm laszive Blicke zu, schob sich die Träger ihres Kleides von den Schultern und ließ es bis zu den Hüften rutschen. Dann klammerte sie sich an seinen Hals und zog ihn mit sich hinab in das noch etwas feuchte Gras. Ihre Lippen, die von einer fordernden Lüsternheit, einer weichen Fülle waren, näherten sich seinem Hals. Gierige Schenkel umschlangen seine schmalen Hüften, ließen von ihnen ab, nur um sie dann erneut mit Beschlag zu erobern. Sein Gesicht verschwand im Tal ihrer üppigen Brüste, während sie sich an seiner Hose zu schaffen machte.

Die andere sank zu ihnen nieder, ließ ihre rotlackierten Finger über ihre Taille nach oben wandern, umfasste ihre Brüste und drückte sie stolz nach oben. Mit den Fingerspitzen strich sie sich genüsslich über die harten Spitzen und lächelte befriedigt, als Aaron sich ihr zuwandte und sie zu sich zog. Er warf sie auf den Rücken, spreizte ihre Beine, liebkoste den Venushügel und schob zwei Finger in ihre feuchte Spalte. Er kniete, die Jeans bis zu den Kniekehlen hinuntergeschoben, zwischen ihren gespreizten Schenkeln, während seine Finger in ihr rührten. Sein hoch aufgerichteter Schwanz präsentierte sich ihr dabei in voller Länge, verlangte ebenso dringend nach Befriedigung wie ihr hungriger Schoß.

Mit langsamen Bewegungen, bei denen sie jede Sekunde zu genießen schien, erkundete sie seinen Schwanz. Er fühlte sich hart und doch seidenweich an, die Hoden waren prall gefüllt, und sie glitt mit dem Zeigefinger über die feuchte Öffnung seiner Eichel.

Währenddessen wurde der Blick der Schwarzhaarigen ganz offensichtlich wie magisch von dem perfekten Schwung der vollen, schneeweißen Brüste ihrer Nebenbuhlerin angezogen, die sich lüstern im Gras rekelte und nicht genug von Aarons praller Männlichkeit bekommen konnte. Die rosafarbenen Brustwarzen standen steil ab, sahen aus wie reife Beeren, die gekostet werden wollten. Genüsslich fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. Sie labte sich am erotischen Anblick dieser Schönheit und starrte wie gebannt auf die bebenden Brüste der anderen. Langsam streckte sie ihre Hände aus, umfuhr mit ihnen immer wieder die Konturen der schneeweißen Hügel.

Der verschlagene Blick, den sie Aaron dabei zuwarf, ließ sie einer Raubkatze gleichen.

Sie beugte sich weiter vor, setzte eine Spur heißer Küsse auf die weiche Haut. Ihre gierige Zunge bahnte sich einen Weg zu den harten Nippeln. Dabei ließ sie Aaron keinen Augenblick aus den Augen.

Spielerisch tippte ihre Zunge erst die eine, dann die andere rosige Spitze an. Sie stöhnte auf, als Aaron sich hinter sie kniete und ihre Hüften umfasste. Sie saugte sanft, ließ ihre Zungenspitze um die Nippel kreisen und ergötzte sich daran, dass Aarons Zunge in Wellenlinien über ihren Rücken und ihre Gesäßbacken tanzte.

Seine Hände hoben ihr Gesäß an, und mit einem kräftigen Stoß drang er in sie ein. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und schrie lustvoll auf, drückte ihre Arme durch, bog ihren Rücken zum Hohlkreuz und ließ ihre Hüften im Gleichklang zu Aarons harten Stößen kreisen. Während Aaron sie bis zum Anschlag ausfüllte, erkundete ihre Zunge die Schamlippen der anderen – sämtliche Falten und Winkel ihres Schoßes. Sie neckte die inmitten der Feuchtigkeit aufgerichtete Klitoris, die inneren Lippen und die einladende Spalte. Die moschusartig duftende Nässe betörte sie. Voller Hingabe strich sie mit der Zunge über das feuchte seidige Gewebe, leckte und naschte wie eine Katze die Milch.

Genüsslich saugend schloss sie ihre Lippen um den Kopf der Klitoris, lutschte daran und ließ ihre Zungenspitze einen sinnlichen Tanz um die empfindsame Perle vollführen.

Die Brünette rekelte sich wohlig, gab leise Laute von sich und hob ihr Becken ein wenig an, so dass die Zunge intensiveren Zugang bekam.

Aarons Stöße wurden energischer. Seine im Stoß zusammengepressten Gesäßbacken ruckten vor und zurück. Hart umfasste er die zuckenden Hüften, stieß seine Gespielin zu einem gewaltigen Höhepunkt, der ihren Körper erbeben ließ. Das Gesicht im Schoß der anderen vergraben, zuckte ihr Hinterteil wild hin und her. Sie leckte so lange, bis deren Lustschreie sich mit ihrem eigenen Stöhnen vermischten.

Kapitel Vier

Beeindruckend! Als Anna dem Butler, der ihr die Tür geöffnet hatte, in das weitläufige Gebäude folgte, stieß sie einen anerkennenden Pfiff aus. Der luxuriöse Windfang führte sie durch eine zweite Tür in eine überwältigend prächtige Halle, die von einem Kronleuchter aus Kristall beleuchtet war. Eine Steintreppe schwang sich in sanftem Bogen in den ersten Stock, deren Stufen mit einem weichen granatroten Läufer belegt waren. Der Mosaikboden wies in regelmäßigen Abständen kleine Abbildungen auf. Anna hätte sie am liebsten genau studiert, sich gerne hingehockt, um jedes noch so kleine Detail dieser filigranen Abbildungen in sich aufzunehmen.

Als sie die wertvollen Gemälde sah, die die champagnerfarbenen Wände schmückten, entwich ihr ein begeisterter Ausruf. Sie waren allesamt von klobigen Goldrahmen ummantelt, handelten, wie die Miniaturen im Fußboden, von Nymphen, Sirenen, schönen Frauen, Liebe, Lust und Leid – jedes einzelne aus der Hand des Malers John William Waterhouse. Das Gemälde „Lady of Shalott“zog Anna mit besonders eindrucksvoller Kraft in seinen Bann. Es hatte etwas Verzweifeltes, aber auch Entschlossenes, Starkes und Bewundernswertes.

Sie folgte dem Butler zum Büro. Schon der erste flüchtige Blick in diesen Raum ließ sie staunen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Liebevoll gepflegte Antiquitäten, deren Oberflächen wie Spiegel glänzten, weiche bordeauxrote Teppiche, die jeden Schritt zu verschlingen schienen, eindrucksvolle Brokatvorhänge in ähnlichen Farbtönen, Skulpturen, Gemälde, Kissen, ein riesiger antiker Schreibtisch. Und ein Kamin, dessen Verzierungen allesamt aus weißem Stein geschnitten waren: zahlreiche Ornamente und, als besonderen Blickfang, zwei schlanke Nymphen, die an den Seiten hervorlugten und Körbchen mit Granatäpfeln in den Händen hielten. Ihre Augen waren aus Malachit, ihr Haar mit feinen Goldfäden durchzogen.

Ein Bogen führte in den hinteren Teil des Raumes, der mit einem Klavier, einem Ohrensessel und einem antiken Bücherregal ausgefüllt war. Bei dem Anblick der in Leder gebundenen dicken Wälzer machte Annas Herz einen freudigen Hüpfer. Sie liebte alte Bücher. Gerne hätte sie einen dieser dicken Wälzer in die Hände genommen, ihn ehrfurchtsvoll durchgeblättert.

Aaron Vanderberg, nach seinem Liebesspiel im Park wieder die Lässigkeit in Person, saß in einem riesigen Sessel, die Füße auf dem Schreibtisch, blätterte in einem Magazin und beobachtete Anna.

„Sind Sie hier, um meine Räumlichkeiten zu bestaunen oder wollten Sie zu mir?“

Sie zuckte leicht zusammen. Seine Stimme war wohlklingend, weich und dennoch hart. Sie hoffte, dass sie nicht allzu lange mit vor Staunen offenem Mund dagestanden hatte.

Anna war nicht leicht zu verunsichern, aber die Art, wie er da saß, die pure Verkörperung von Macht, berührte sie eigentümlich. Sein Blick war eindringlich, signalisierte ungebrochene Willensstärke, Selbstbeherrschung. Der Zug um seinen Mund stand im verwirrend konträren Kontrast dazu, denn um seine Mundwinkel zuckte es amüsiert.

Die Art, wie er das Magazin beiseite legte, sich dann wieder zurücklehnte, hatte etwas Zeremonielles, Edles, gleichzeitig Animalisches. Wie ein Raubtier auf der Lauer. Das außergewöhnliche Charisma dieses Mannes überrumpelte Anna. Seine Aura schien jede Faser ihres Körpers zu durchdringen. Sie hatte einen aalglatten Schönling ohne Profil erwartet. Hier aber saß ein Mann mit dem gewissen Etwas. Eine Tatsache, die auch ohne seine schöne Hülle für ausreichend Wirkung gesorgt hätte. Augen, in denen der Schalk tanzte, aber auch alles Wissen dieser Welt zu liegen schien. Der Blick seiner grauen Augen, umrahmt von einem Kranz seidiger schwarzer Wimpern, zog sie wie magisch an. Fein geschwungene Brauen, eine gerade schmale Nase und sinnlich weiche Lippen gesellten sich dazu, gaben ihm neben seinem Charisma eine äußere Attraktivität, die Frauen in den Bann zog. Seine Gesichtszüge waren markant, aber nicht hart.

Dieser Mann wusste, wo es langging. Das spürte Anna auf den ersten Blick.

Und sie spürte noch etwas ganz anderes.

Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie seine Hand in langes Haar griff, den Kopf zu Boden drückte, und seine Stimme Gehorsam befahl … wie seine Hand inIHR Haar griff.

Sie sah sich – nackt und auf allen vieren – gezwungen, das Gesicht in ein Kissen zu drücken. Eine starke Hand im Nacken, das Gesäß dargeboten, durch diese Haltung seinen Blicken gnadenlos freigegeben und schutzlos jedem seiner Zugriffe ausgeliefert.

Ihr wurde heiß. Er weckte, was sie tief in sich vergraben wollte.

Nur mit Mühe gelang es ihr, diese inneren Bilder zu unterdrücken. Sie bemühte sich um Haltung. „Guten Tag, Herr Vanderberg. Mein Name ist Anna Lindten. Ich …“

Weiter kann sie nicht, denn er unterbrach sie mit einer kurzen Handbewegung, einem unmerklichen Nicken. „Ich weiß, wer Sie sind. Setzen Sie sich doch.“

Sie nahm Platz, versank dabei in den Augen dieses Mannes.

Atemlos zwang sie sich an ihm vorbeizusehen. Nahm sein dichtes blondes Haar wahr, seine steingrauen Augen, in denen ein eigentümliches Funkeln lag – das gewisse Etwas. Er war groß, schlank, sexy, geheimnisvoll. Seine Ausstrahlung und sein Lächeln hauten sie im wahrsten Sinne des Wortes um.

„Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt.“ Er schenkte ihr, ganz Gentleman, ein Glas Wasser aus einem bauchigen Glaskelch ein und reichte es ihr.

Sie nickte, entzog sich dieser verdammten Anziehungskraft, indem sie den kleinen Rekorder, den sie zu solchen Anlässen immer bei sich hatte, aus ihrer Tasche nahm. „Es stört Sie doch nicht, wenn ich unser Gespräch aufzeichne?“

„Sie wollen mit mir plaudern?“ Sein Ton hatte etwas Anzügliches. Das Wort „plaudern“ betonte er, als würden sämtliche sündigen Ufer dieser Welt in diesen acht Buchstaben stecken. Seine Worte beinhalteten gleichzeitig aber auch eine gewisse Härte, waren fordernd.

Unruhe glomm in Anna auf. Wiederholt spürte sie, dass er etwas hatte, was ihre devoten Fantasien an die Oberfläche ihres Bewusstseins trieb. Sie hielt seinem Blick trotzig stand, auch wenn sie ihre Lider am liebsten gesenkt hätte.

Wo war ihre Selbstsicherheit? Ihre Abneigung?

Er lächelte kurz amüsiert, ganz so, als wisse er von ihrem inneren Tumult, dann zogen sich seine Lippen wieder zusammen. „Kann es sein, dass wir uns vorhin im Garten begegnet sind?“ Sein sarkastischer und eindringlich abschätzender Blick brannte Löcher in ihre Selbstsicherheit. Ihre Souveränität bröckelte mehr und mehr.

„Im Garten? Mit Sicherheit nicht!“ Ihre Stimme klang brüchig. Sonst ganz Profi, keimte erneut Unsicherheit in ihr auf. Massive Unsicherheit, die sie fast lähmte und ihr das Gefühl gab, nicht mehr Herrin der Lage zu sein.

Eine Kristallkaraffe mit Brandy stand zusammen mit zarten Schwenkern auf einem kleinen braunen Tisch in unmittelbarer Nähe. Sie war versucht hinüberzueilen, das elegante Gefäß zu packen, einen der kristallenen Schwenker zu füllen und das Glas bis auf den letzten Tropfen zu leeren.

„Ich hätte schwören können, Sie gesehen zu haben.“ Sein Ton klang anzüglich amüsiert. Seine Augen funkelten spöttisch.

Anna umging seine Anspielungen und legte das Abspielgerät auf dem Schreibtisch ab. „Können wir beginnen? Sie haben sicher mit dem Chefredakteur gesprochen, so dass Ihnen der Ablauf der Reportage geläufig sein dürfte.“

Es klopfte, der Butler brachte ein Tablett mit einer Kanne und zwei Tassen, stellte sie auf den Tisch und verschwand lautlos.

„Sie trinken doch Kaffee?“

„Ja, gerne, mit Milch und ohne Zucker. Darf ich mit ein paar persönlichen Fragen beginnen?“, nutze Anna die unverfängliche Atmosphäre, die durch das Auftauchen des Butlers entstanden war.

„Waren Sie im Garten oder nicht?“

Amüsiert registrierte Aaron ihren erschrocken-sprachlosen Blick.

Minutenlanges Schweigen füllte den Raum. Anna hatte das Gefühl, langsam aber sicher daran zu ersticken. Endlich brach er die Stille.

„Sonst sind Sie es, die distanzlose Fragen stellt, nicht wahr?“ Seine Augen funkelten. „Drehen wir den Spieß doch einfach mal um.“

„Ich …“, Anna blieben die Worte im Hals stecken. Sie machte sich innerlich auf die Suche nach ihren Gedanken, nach den passenden Worten, die sich wie von Geisterhand aus ihrem Kopf verabschiedet und eine klaffende Leere hinterlassen hatten.

Aaron musterte sie von oben bis unten. Ihr herzförmiges Gesicht, ihre Gestalt, die sanft rundlichen Hüften und ihr Outfit.