Filmgewitter - Rudolf Stratz - E-Book

Filmgewitter E-Book

Rudolf Stratz

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Beschreibung

Spannender Roman aus der Zeit der Jahrhundertwende. Filmregisseur Götz Billing hat es satt, immer den gleichen Kitsch zu drehen. Als ein alter Bekannter ihm anbietet, für einen anonymen Auftraggeber einen neuen Film zu drehen, lehnt er daher nicht ab. Vor allem das sagenhafte Budget, das dem Regisseur zur Verfügung steht, ist verlockend. Doch das Projekt scheint unter keinem guten Stern zu stehen: Beinahe-Unfälle, mysteriöse Anrufe und Erpressungen versetzen schon bald die gesamte Filmcrew in Angst und Schrecken. Irgendjemand scheint den Film unbedingt verhindern zu wollen. Nur wer oder was steckt da hinter?-

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Rudolf Stratz

Filmgewitter

Saga

FilmgewitterCover Bild: Shutterstock Copyright © 1926, 2019 Rudolf Stratz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711507247

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

I

Die märzfeuchte, menschenwimmelnde Berliner Strasse zitterte von einem gellenden gleichzeitigen dutzendfachen Aufschrei. Zu spät! Es war schon geschehen! Das Auto hielt. Der Chauffeur sass versteinert. Ein Menschenbündel lag zwischen den Gummirädern: Blutiges, graues Künstlerhaar unter einem schäbigen Filz . . . löcherige Stiefelsohlen . . . .

„Herr Schupo . . . Sie haben glücklich wieder einen überfahren . . .“

„Wat denn, Mensch? Herr Schupo: Der olle Mann is direktemang in das Auto rinjetapert!“

„Lititi war er!“ schrie ein Ladenmädel. „Ich hab’ ihn doch über die Strasse kranewanken seh’n . . .“

„Ich bin Arzt!“ sagte ein Herr. „Helfen Sie mir, den Verletzten in das Haus da tragen!“

Er kniete in der Torwölbung der düsteren Mietskaserne in Berlin O. neben dem stillen Mann nieder . . untersuchte ihn, erhob sich.

„Tot!“ versetzte er achselzuckend: „Schnapsgeruch! Potator!“

„So musste det ’mal kommen!“ Der Hauswart, ein greiser Schuster in grünem Schurzfell und grünen Pantoffeln, stand neben dem Doktor. „In der Früh’ schon eenen nach ’m anderen uff die Lampe . . . .“

„Sie kennen den Berunglückten?“

„Er is jeden Morgen hier anjetreten . . vier Treppen hoch . . . zum Herrn Billing . . . der hat ihn ejal photographiert. Für’n Film! Ik weiss nich, wat an so ’nem ollen Mann noch zu photographieren is . .“

Oben, im Filmraum unter dem Dach, durchmass Götz Billing, wie ein Leu im Käfig, den kahlen, windgeschüttelten Glaskasten, ein behelfsmässig zum Filmen eingerichtetes, dürftiges photographisches Atelier. Er hatte in dem kraftschulterigen Körperbau, den grimmig geblähten Nasenflügeln etwas vom Wüstenkönig. Sein blonder Vollbart wallte. Er schüttelte mit einer ungeduldigen Kopfbewegung die gelbe Mähne aus der Stirn. Er grollte:

„Wo bleibt er denn wieder — diese Spottgeburt von Dreck und Feuer — Schmerold, du versoffenes Wunder?“

„Ich zieh’ Punkt zehn Uhr Leine!“ verkündete drüben ein Geschöpf mit Knabenkörper und Mädchenstimme, das, als Page in, verschossenem, schwarzem Wams und Höschen, auf einem löcherigen Strohstuhl kauerte.

„Gefühllose Kröte!“

„Heut’ abend hops’ ich in Kottbus!“

„Ich versteh’ immer Kottbus!“

„Ich muss auf die Dörfer!“ Der Page hielt eine Zigarette schief im Mund. „Hier in Berlin treten wir einander ja schon auf die Hühneraugen! In der Provinz — da kann ich noch Menkenken machen!“

„Und das nennen sie Kunst! . .“ Der Riese reckte die gewaltigen Fäuste zu dem niederen, regenüberspülten Glasdach. „Die höhe — die heilige Kunst . . .“

„Die geht eklig nach Brot!“ Die Tänzerin sprang mit einem Satz vom Stuhl und federnd wie ein Gummiball auf die Fussspitzen. „Von den paar Märkern, Herr Billing, die Sie in der ollen Glaslaterne hier pro Tag und Nase berappen . . .“

„Ich hab’ doch nicht mehr . . .“

„Warum filmen Sie dann auf eigene Rechnung . . . mit Armut und Edelsinn? Sie — ’n Regisseur, um den sich die Direktoren reissen? Lassen Sie doch andere Leute pleite gehn!“

„Meschugge . .“, sprach im Hintergrund philosophisch das Faktotum, ein langer, sorgenvoller Berliner in weissem Kittel, in dem er wie ein Krankenwärter aussah.

„Krause . .“ seien Sie still! Warum ich mit meinen paar ersparten Kröten — und Schulden dazu — auf eigene Faust zu produzieren versuche? Weil ich — Kind, verzeihen Sie das harte Wort — ein Idealist bin . .“

„Wenn einer verrückt wird, wird er’s meist zuerst im Kopp!“ bestätigte hinten August Krause.

„. . . weil ich es dick habe, immer denselben Kitsch zu inszenieren! Das ist ja der Fluch der Zeit: Wir erfinden alles wie die Götter und missbrauchen es wie die Wilden! Auch den Film!“

„Sie werden den Film ooch nich anders machen, Herr Doktor!“ sprach der Berliner heiser.

„Ich werde ihn ändern.“ Die staubigen Dielen krachten unter dem wuchtigen Schritt. Die zugigen, grossen Scheiben klirrten: „Ich werde den Film hinauf ins Ewigmenschliche erheben . . . .“

„Mit dem ollen Bummler — dem Schmerold?“

„Er ist ein lebender Leichnam — ja! Aber immer noch ein Genie! Früher, in seiner Glanzzeit, hätt’ ich das göttliche Luder ja auch gar nicht zahlen können! Vorwärts! Sei spielbereit, Trude, wenn das alte Laster endlich kommt!“ Götz Billing schob den gähnenden Pagen in die Mitte des Raums. „Die Situation ist genau wie gestern: Du bist seine junge Frau. Er sieht in dir einen Engel! Optische Täuschung natürlich! In Wirklichkeit bist du ’n treuloses, kleines Biest — eine leichtsinnige Krabbe — kurz . . du bist eben ein Frauenzimmer . .“

„Sie“ — sagte der bleiche, schwarze Page langsam — „Sie müssen’s ja wissen . .“

„Wieso?“

„Na. Sie sind doch auch von Ihrer Frau geschieden . .“

Götz Billing ging ein paar Mal schweigend durch den Raum.

„Ganz richtig“, sagte er dann gelassen, mit veränderter Stimme. „Ich bin von meiner Frau geschieden. Aber das gehört nicht hierher! . . Also Sie haben sich heimlich als Page für den Maskenball angezogen, Fräulein! Ihr Mann sieht es . . Sie stehen erschrocken . . Vier Meter Spiel: Telleraugen . . Wogende Brust . . .“

„Womit soll sie denn wogen?“ frug wehmütig von hinten Krause, mit einem kopfschüttelnden Blick auf das heringsdünne Geschöpf.

„Die rechte Hand mehr zurück . . . Dein kleiner Finger gefällt mir nicht . .So . . Salzsäule . . Ich möchte nur wissen, wo der Papa Schmerold wieder steckt . . . . Trudchen — drüben stehn die Zigaretten! Warť ein bisschen! Fix, Krause! Wir wollen inzwischen ’mal die letzten Bilder begucken!“

In dem fensterlosen, winzigen Vorführungsraum standen drei alte, schwarzgestrichene Schulbänke hintereinander, in schwachem, elektrischem Deckenlicht, vor dem grossen, leeren Leinwandviereck an der Rückwand. Götz Billing zwängte den mächtigen Körper auf die vorderste Kinderbank. Er hörte hinter sich von oben das trockene Berlinisch des Faktotums:

„Können wir uns ins Vergnügen stürzen?“

„Frag’ nicht, Drehwurm! Los!“

Es wurde mit einem Schlag stockfinster. Geisterhaft hell stand die mattleuchtende Leinwandfläche. Man hörte nur das leise, gleichmässige Summen der Kurbel . . . Und da . . . Der blonde Recke auf der Schulbank atmete auf: Da bist du, Bogumil Schmerold — wenigstens im Lichtbild von gestern auf der Leinwand von heute . . Da stehst du — du Menschenwrack . . . Bravo, Schmerold — Eine Grossaufnahme blendet auf — nur, riesenhaft, das verwüstete Antlitz . . . Mein Gott — was kann der alte Schnapsbruder noch . .! Aber zu lang das Bild . . So lang darf man Schmerold überlebensgross nicht zeigen — dann legt sich gespenstig ein Spinnweb von Tod — von Verwesung über die Züge . . . Ein hastiger Griff im Dunkeln nach der winzigen elektrischen Stehlampe auf dem Pult. Ein Glühwürmchen blinkt. In seinem tassengrossen Lichtkreis eine Notiz ins Drehbuch . . . „Akt II. Bild 15 . . zwei Meter weg! . .“ Wieder Finsternis . . Der Regisseur schaute auf . . Ah. . Da lief die Trude, die nebenan Zigaretten rauchte, ins Bild — nicht als Page, sondern als scheinheiliges Hausmütterchen vom Land — dem Schmerold entsgegen — die Jugend . . die Eva . . . ewige Eva . . . Los, Schmerold . . . Du wirst jung . . . Umfasse dein Glück . . . Ringel – Reigen - Rosenkranz . . Ich tanz’ mit meiner Frau . . . . . Schneller drehen, Krause! Sonst kommen die Beine doppelt . . . Tanze, Papa Schmerold . . . Weiss Gott . . . Das alte Gestell walzt als Evas Spielzeug mit einer müden Grazie . . . in herbstlicher Anmut . . . So sollte man den Totentanz malen — mit einem lachenden, jungen Weibsstück — nicht mit einem klappernden Skelett . . . . Herrgott . . . Warum wird’s denn auf einmal taghell? Trude! Was fällt dir ein, die Türe aufzureissen?“

Auf der Schwelle stand der schwarze Page. Hinter ihm der greise Schuster im grünen Schurzfell. Die Tänzerin streckte, mit starren Augen und offenem Mund, die Hände aus.

„Aufhören . . .“, lallte sie. „Aufhören . .“

„Kindchen — spar’ dir das Theater für Kottbus auf! Mang die Berliner zieht das nicht . .“

„Da tanz’ ich ja . . . Das ist ja grässlich . . .“

„Natürlich tanzst du! Dazu hat dich der liebe Gott ja eigens geschaffen!“

„Huh . .“ Der Page schlug hysterisch wimmernd die Hände vor die Augen und taumelte mit knickenden Knien gegen den Türrahmen. „Aufhören . . Ich werd’ ja verrückt . . .“

„Bist du ja schon . . scheint’s . .“

,Aufhören . . . Aufhören . . .“ Sie kreischte auf. „Der nimmt mich ja mit . . Ich muss sterben . . .“ Plötzlich brach sie in ein nervöses Gelächter aus . . „Da tanz’ ich ja mit einem Toten!“

„Was?“

Die Leinwand erlosch. Ein graues Nichts. Die Kurbel stand still. Die Trude keuchte nach Luft. Sie wies mit dem Zeigefinger vor sich hinunter auf den Boden. Sie flüsterte:

„Im Portierkeller unten liegt er . . . mausetot . . .“

„Schmerold?“

„Vom Auto überfahren . . . vorm Haus . . .“ Sie fiel ächzend auf einen Stuhl. Sie greinte: . .

„Und dabei soll der Mensch in Kottbus tanzen! Ich verfehľ heilig den grossen Sprung und lande im Orchester — mit beiden Beinen in der grossen Pauke . . Doktor . .! Helfen Sie mir . . . Wo sind Sie denn?“

Sie schaute wirr um sich und merkte jetzt erst, dass sie allein in dem Atelier sass. Götz Billing war die Treppen hinabgestürzt und stand wortlos unten, in der Pförtnerstube, vor dem Leichnam.

Das Antlitz des alten Mannes war jetzt, in seiner Leblosigkeit, feierlich-starr — viel wissend, was Menschen nicht wussten. Der verfallene Schauspielermund streng gefchlossen, als dürfte er ein grosses Geheimnis nicht verraten. In der tiefen Stille umher ruhten auf ihm die warmen blauen Augen seines Regisseurs: Wo weilst du in dieser Minute schon, Bogumil Schmerold? Dies hier — dies spiritusdünstende Bündel Lumpen und Knochen bist du nicht! Wo flohst du hin — du Flamme? Ich habe in dir noch einmal dein Göttliches entdeckt. Es erlosch . . . . Gute Nacht, Papa Schmerold! Du hast das verrückte Ding überstanden, das man Leben nennt . . . du hast’s gut . . . .“

Schuhsohlen wie von Blei . . so schwer schleppten einen die Füsse wieder die vier Treppen der Hühnerstiege bis zum Atelier empor. Diese niedere, von grauem Märzlicht durchfröstelte Laterne mit ihren winddurchpfiffenen, regenüberschwemmten schrägen Glasscheiben schien jetzt auf einmal besonders plunderig, schofel, voll Spinnweb, Staub und Dalles. Mitten in der Schiffbruchstimmung der vier kahlen Wände sass Krause, der Mann für alles, mit seiner langen, wehmütigen Nase:

„Det jiebt ’ne schöne Leiche, Herr Doktor!“ sagte er gedankenvoll.

„Los!“ Götz Billing reckte den Zeigefinger nach der Dunkelkammer. „Die Leiche lebt!“

„Ik soll jetzt die Mangel drehn?“

„— da, wo wir vorhin aufgehört haben . . .“

„— Wo Schmeroldens Name heuť abend im Polizeibericht steht? Herr Doktor . . Wenn einer tot is, kann er nicht mehr loofen . . .“

,,Doch! Er kann! . . . Was können wir nicht . . . heutzutage? Wir sind verfluchte Kerle . . . Wir machen auch die Toten kreuzlebendig.“ . . Götz Billing lachte und warf sich im Vorführungsraum auf die vorderste schwarze Schulbank. „Ich hab’ jetzt so ’nen Galgenhumor in mir! Fix, Krausel . . . Lass’ mir ’mal den toten Schmerold auf ’nen Sprung heraufkommen . . Ich will von dem fabelhaften, alten Kerl Abschied nehmen — nicht von seinem Kadaver, sondern von seinem Geist . . .“

Tiefe Finsternis. Das geheimnisvolle Viereck der Leinwand leuchtet auf. Die Leinwand lügt: Da ist Schmerold. Und liegt doch bei Portiers im Souterrain kalt und steif. . Nein . . . die Leinwand lebt: . . . Da läuft der Leichnam, der dort ruht . . . Da lacht er . . . Da geistert er geschäftig. . hüpft . . buhlt und balzt wie ein verliebter Auerhahn mit der Trude . . macht ihr schelmische Äuglein . . . küsst sie . . . —Gott sei Dank — das wirkliche Trudchen hat sich schon umgezogen und ist davongerannt — zum Zug — nach Kottbus . . . Donnerwetter . . . Schmerold . . Diesem inbrünstigen Schmatz merkt man deine dreiundsechzig Lenze nicht an . . . Schmerold: Noch ’nen Augenblick hiergeblieben . . . in diesem irdischen Paradies! . . . Ich befehle es! Solang’ wir kurbeln, bleibst du . .! Wir sind Tausendsassas — wir Kerle des zwanzigsten Jahrhunderts . . . Wir können alles . . . Bloss, wir können nichts . . . Wir sind arme Deubel . . Wir tun bloss so dicke mit unserer schwarzen Kunst . . . Wir lassen heuť die Toten tanzen und wissen nicht, wovon wir selber morgen leben sollen . . .

Der Regisseur sass schweratmend in dem Kellerdunkel. Allmählich begriff er, dass er ruiniert war . . . einfach ruiniert . . . Aus dem schwachen, bläulich flimmernden Lichtkegel über seinem Haupt hörte er, vom Projektionsapparat hinten, Krauses nüchternes Berlinisch:

„Herr Doktor — lang lass’ ich Schmerolden selig nich mehr an der Strippe tanzen! Mir jrault zusehends — mit ’ner Jänsehaut jesetzten Alters . . . .“

„Ruhe!“

„Nu kommt der Streifen, wo der Schmerold immer jrösser wird und nach vorn aus dem Bild heraustritt . . .“

„Alter Esel . . . Er kann doch nicht aus der Leinwand . .“

Die Leinwand lügt. Nein. Die Leinwand lebt. Die Leinwand lacht: — Es gibt nicht Tod noch Leben . . Es gibt nur Menschenschatten, die kommen und schwinden, bis die Knochenhand abblendet . . ., Bogumil Schmerold, auf der Leinwand, lachte laut. Man glaubte ihn lachen zu hören. Aber es war nur ein mephistophelisches Grinsen. Bogumil Schmerold wankte, rasch immer grösser werdend, auf der Leinwand nach vorn. Bogumil Schmerold, der Komödiant, wuchs zu einem fürchterlichen Riesen. Er hob dräuend die Hand: Was stört ihr meine Ruhe? . . Er stand mit dem einen zerrissenen, gigantischen Stiefel scheinbar schon draussen im Vorführungsraum, auf dem Pult der Schulbank . . .

„Ick mach’ Schluss!“ sagte Krause. Die Bildfläche schwand in Schwarz. Das Kurbelsurren stoppte. Er schlurfte, etwas bleich um die hageren Stoppelwangen, in das Atelier. Er zerrte achtlos hinter sich eine dünne, raschelnde, dreissig Meter lange Schlange des aus der Kapsel gerissenen Filmstreifens über den Staub der Diele und wickelte sich, während er sich setzte und die Beine übereinanderschlug, nachdenklich das eine Ende um den Zeigefinger . . . lauter briefmarkengrosse, zusammenhängende Bildchen . . Schmerold — Dutzende von Malen hintereinander Schmerold — scheinbar immer in der gleichen Stellung. Man hätte genau mit der Lupe prüfen müssen, um die veränderte Bewegung von einer Aufnahme zur anderen zu unterscheiden.

„Den Film können wir uns nu sauer kochen lassen, Herr Doktor!“ sprach er.

Götz Billing antwortete nicht gleich. Er sass da, blondbärtig, ein Mann zu Mitte der Dreissig, mit versonnenen blauen Augen.

„Sehr richtig!“ sagte er langsam. „Mitten in den Aufnahmen stirbt uns der Schmerold weg. Ersatzmann gibt’s beim Film nicht. Also Schluss! Krause! Schmeissen Sie die ganzen Schmonzes, die wir gedreht haben, im Hof in ’n Müllkasten! Das Zeug ist keine Bohne mehr wert!“

„Na — so pleite — so pleite!“ sagte Krause.

„Bin ich! Im Lauf von einer Sekunde . . .“

„Wären Sie auf alle Fälle jeworden, Herr Doktor!“ tröstete der Berliner. „Det Ding hätt’ ja ’nen Reinfall von Schaffhausen jejeben! Nu darf man’s ja sagen! — Herr Doktor: Wat soll der Idealismus beim Film?“

„Ihn veredeln . . .“

„Verekeln! . . Mit dem höhern Wuppdich jraulen Sie bloss den kleinen Mann aus ’m Kientopp! Darüber sind sich die Jelehrten einig . .“

„Gut!“ Götz Billing stützte das blonde Löwenhaupt in die Fäuste. „Ich bin der deutsche Michel! Ich bin ein grosses Kind! Die Litanei hab’ ich nun schon bis zur Erschlaffung gehört! Die Leute haben total recht: Ich bin ein Esel. . . .“

„I Gott bewahre, Herr Doktor! Wenn einer als Regisseur seinen Mann steht, dann sind Sie’s! Sie wollen bloss nich . . . det is es!“

„. . . ein Esel, der, statt sich dem Meistbietenden auf Tage, Wochen und Monate zu vermieten, den Vogel hat, der Kunst zu dienen — der wirklichen Kunst . . . und mit so einem Sauhieb, wie eben, dankt einem das Ideal . .! Alles, was ich hab’, perdutto! Mehr! Es laufen auch noch so verfluchte Wechsel von mir, Krause.“

„Na — denen wünsch’ ich vergnügte Beene!“

„Hol’ der Teufel den Idealismus!“ Der blonde Recke sprang dröhnend auf die Beine. „Ich hab’ es dick, mich ewig vom Schicksal hohnepiepeln zu lassen! Ich mach’ jetzt jeden Unfug mit, der sich mir bietet! Ich inszeniere, was mir vor die Finger kommt! ,Karlchen geht heiraten’ und ,Das Auto in der Dachrinne’ und ,Die Bluthunde von Wildwest’! Je gehirnerweichter, desto besser! Mir höllisch Wurst!“ Götz Billing schüttelte grimmig die mächtigen Fäuste zum durchsichtigen Atelierdach empor. „Himmel — lass dich erweichen! Schick mir zehn Pfund Bockmist, dass ich ihn verfilme!“

„Können Sie geniessen!“ sprach eine weinerliche Stimme von der Türe. Der Hausherr schaute flüchtig auf den dürftigen kleinen Mann.

„Gott, Turkowitz . . .“, sagte er. Weiter nichts. Der Gast setzte sich unaufgefordert, den Hut im Genick, den nassen Regenschirm zwischen den Knien. Unter der Filzkrempe klebten ihm schwarzgeölte. Haarsträhne in das gelbliche Gesicht unbestimmten Alters. Über dem schwarzgefärbten Schnurrbärtchen liefen zwei gerissene, kohlschwarze Augen rastlos hin und her wie die Wiesel im Käfig. Turkowitz stiess beim Sprechen etwas mit der Zunge an. Er hob die Schultern.

„Nu — was is? Sie haben Pech gehabt! Machen Sie sich nix daraus! Immer wenn ich Sie treff’, haben Sie gerad’ Pech! Vor vier Jahren, wie ich Sie kennengelernt hab’, waren Sie eben von Ihrer Frau geschieden . . .“

„Was geht denn das Sie an?“ Götz Billing schritt wuchtig im Atelier auf und nieder. „Jeder kommt mir heute und redet mir von meiner früheren Frau . .“

„Ich hab’ sie nicht gekannt!“ sagte Ted Turkowitz. „Und wenn ich sie gekannt hätte — hätť ich ihr geraten: Lassen Sie sich nix scheiden! . . Denn Sie werden noch ’n gewaltiger Mann, Herr Doktor! An Ihnen werden wir noch ’was erleben! Das sag’ ich Ihnen als Freund! Meine Freunde haben alle ’ne Zukunft!“

„Wer sind denn Ihre Freunde?“

„Nu — die, die ’ne Zukunft haben! Sie sind ein Schlemihl, Doktor! Sie machen nix aus sich — mit all Ihrem Talent! Gut — mach’ ich Sie! . . Sehen Sie: Da hätt’ ich was für Sie! . . .“

Der kleine Mann sah sich scheu um. „Is Ihr Faktotum aus ’m Zimmer? Ja! . . Hören Sie: Ich dreh’ ’n Film, Doktor . . . . Auf eigene Rechnung.“

„Also auch verrückt geworden?“ sagte Götz Billing. „Schön! Geben Sie mir die Hand!

„Nu trifft sich das so glücklich, dass wir heute den Tod von Schmerold zu begrüssen haben! Denn nu sind Sie frei. Ich will nämlich Sie als Regisseur — und keinen anderen . . Warum drehen Sie denn die Hosentaschen um? . .“

„Tun Sie’s nur auch! Dann brauchen wir nicht erst zu schmusen! Sie haben nicht und ich ’n bissken weniger!“

„Werd’ ich Ihnen ’mal was zeigen!“ Der kleine Mann aus Tarnopol schob lauernd die Unterlippe vor. Er legte mit einem freundlichen und pfiffigen Schmunzeln das schwarze Köpfchen auf die Schulter. Er fingerte die Fächer einer dicken Brieftasche auseinander. Unter seinen zehn schwarzen Nagelrändern bauschten sich Stösse von deutschen und ausländischen Banknoten.

„Bitte — bedienen Sie sich!“ sprach Ted Turkowitz, als böte er als Hausherr eine Auswahl von Zigarren an. — „Wissen Sie, ich steck’ mir immer ’n bisschen Kleingeid ein — aus den grossen ganzen Paketen in meinem Kassenschrank — eh’ ich auf die Strasse geh’ . .“

,,Donnerwetter — muss das eine Arbeit gewesen sein . .“ sagte Götz Billing.

„Arbeit?“

„Na — die Scheine da alle nachzumachen!“

„Die Blüten sind echt!“ sprach Turkowitz ohne falsche Empfindlichkeit. „Greifen Sie zu, Doktor . . . Devisen . . Märker . . . was Sie wollen . . zehntausend . . . zwanzigtausend Emmchen . . . bitte . . Kleiner Vorschuss . . . Brauchen Sie natürlich . .“

„Turkowitz . . . Woher haben Sie das Geld . .?“

„Das nennt der arme Mann Geld . .“ Ted Turkowitz seufzte nachsichtig. Er hob zwischen den beiden Händen em entfaltetes Papier. Die schwarzen Augen funkelten wie Kohlen über den Rand. „Lesen Sie ’mal . . . Diesen Kontokorrent-Auszug von der Deutschen Bank . . auf meinen Namen . . .“

Der vor ihm sprang jäh empor und stiess den Stuhl zurück.

„Turkowitz!“ sagte er langsam . . „Das geht nicht mit rechten Dingen zu! . . Von wem stammt denn dieser polizeiwidrige Mammon?“

„Nu — von feinen Leuten . . . Was reden wir viel? . . . Was kümmert das Sie? . . Ich mach’ ’n Film . . und Sie sollen ihn drehen!“

Götz Billing ging unruhig auf und ab. Er schwieg. Er blieb stehen und schaute, die Hände in den Hosentaschen, auf den Sohn Tarnopols hinunter, und der, schlangenschlau lächelnd, zu ihm in die Höhe.

„Wie ich ’reinkam — da sehnten Sie sich doch gerade nach ’nem rechten, gesunden Kitsch! Ich hab’ da ein Manuskript — so ’was Schlechtes haben Sie schon lange nicht gesehen! . . Zu dem Ding hab’ ich ’n Zutrauen! Das Ding will ich in den Handel bringen! Mit Ihnen als Aufnahmeleiter! . . Da . . Das ist es!“

Der Regisseur öffnete das blaue Heft. Er wiederholte halblaut, stirnrunzelnd den Schreibmaschinen-Titel: „Die Geheimnisse von Stambul“ oder „Die Gouvernante im Harem.“ ,,Grosses Filmdrama in fünf Akten und einem Vorspiel.“ Er liess das Manuskript sinken.

„Das scheint allerdings ein ausgewachsener Kohl zu sein!“ sagte er . . „Wer hat denn das verbrochen?“

„Fragen Sie nix! Der Mann wünscht nicht genannt zu werden.“

„Das kann ich ihm nachfühlen!“ Götz Billing überflog das Personenverzeichnis: „Der Pascha — Gülnare, eine Odaliske — Pia Kardas, geprüfte Gouvernante — Jenö Pelikan, ein anatolischer Stationsbeamter . . . nette Menagerie! . . . Die arme Mali, eine Wiener Baroness — Fatme, Zuleika, zwei Sklavinnen . .“ Der blonde Hüne sandte einen stummen Blick zum Himmel. Er durchblätterte rasch, mit geübter Hand, die Seiten und überlas im Flug einzelne Stichproben.

„Machen kann man’s!“ entschied er. „Es ist technisch richtig! Von irgendeinem geübten Filmschreiber verfasst. Aber was wollen Sie denn mit dem Zeug?“

,,Gott! Die Leute freut’s!“

„Welche Leute? Turkowitz . . Wir sind doch beide aus den Windeln ’raus! . . Sie wissen genau so gut wie ich: Das Ding ist sauschlecht!“

„Deswegen wird es ja gerad’ ’n Geschäft! Aus Ihrem Film mit dem Schmerold selig da unten — was wär’ daraus geworden? Nix wär’ daraus geworden! . . Aber hier riecht’s nach Geld!“

„Es ist schade um Ihr schönes Geld!“

„Zerbrechen Sie sich doch nicht mei’ ausgeruhtes Köppchen, Doktor! Ich hab’ nu ’mal Meinung für die Sach’!“

„Da haben Sie womöglich schon die Darsteller engagiert?“

„Bleibt alles Ihnen überlassen! Nur da . .“ Turkowitz deutete, mit dem Zeigefinger auf die zweite Seite. „Für die Rolle des Pelikan — da möchť ich den Dimitrij Senestry haben.“

„Der filmt ja augenblicklich unter Gruithusen bei der ,Stella’ . .“

„Wird aber heute fertig! Wir fahren jetzt gleich hin!“

„Nehmen Sie sich nur gleich ’ne Stange Gold für den grossen Mann mit!“

„Geld spielt keine Rolle! Ihnen zahl’ ich auch Ihren ganzen totgeborenen Film mit dem Schmerold! Reden Sie nix! Schon erledigt! Sie sollen keine Geldsorgen im Kopf haben, wenn Sie mir meinen Film drehen! Ach ja . . e Kleinigkeit . . sehen Sie da, Doktor . . bloss, eh’ ich’s vergess’. . . die Rolle da . . ,Die arme Mali’ . . .“

„Die arme Mali — eine Wiener Baroness . .“

„. . die möchť ich gern mit einer bestimmten Dame besetzen . . . Sie gönnen mir den Spass . .? Nu?“

Götz Billing lächelte. Er glaubte jetzt zu verstehen, um was es sich bei der ganzen Geschichte handelte.

„Ich habe Ihnen als Regisseur überhaupt keine Vorschriften zu machen“, sagte er. „Ich habe mit dem Manuskript und dem Darstellermaterial zu arbeiten, das Sie mir anvertrauen! Ich werde mir alle Mühe geben, aus der betreffenden Dame, für die Sie sich interessieren, das Beste herauszuholen. Richten Sie ihr, bitte, das aus!“

„Nu — sagen Sie’s ihr selbst! Ich weiss . . Sie ist augenblicklich auch in der , Stella’! Kommen Sie! Ich hab’ unten ’n Auto zu warten! Kommen Sie, Doktor . . . Kommen Sie. Ich hab’s eilig . . . mit den Geheimnissen von Stambuľ . . .“

II

Der Taxameter stoppte, mitten in Nüchternheit und Nebel Berlins. Rechts von der Toreinfahrt, deren grosse Eisengitter offen standen, prangte an dem bröckeligen Hausverputz in goldenen Lettern ein Rattenkönig von Filmindustrie — „Rühlke und Sohn“, eigentlich eine eingetragene Fouragefirma der Berliner Produktenbörse, der das Glashaus hinten im Hof, ursprünglich ein Tattersall, gehörte. Die Geschäftsräume der ,,Stella“-Film G. m. b. H., die eben darin arbeitete. Die mit ihr verschwisterte „Californian Moving Pictures Company“. Die „Two Worlds Comp. Ltd.“, die Verbindungsschleuse zwischen Berlin und New York über den Ozean für die Springflut des amerikanischen Imports. Tochtergesellschaften heckten dazwischen wie die Kaninchen — der „Linda Sabbadini-Film“ mit italienischem Einschlag, der „Bewiliw“, der Berlin-Wiener Lichtspiel-Verleih, das Büro Dimitrij Senestrys, des grossen Kino-Divus, im zweiten Hinterhaus das Kontor des. „Kosmos“, Spezialgeschäft für Plania, Chromo, Motor- und Dynamokohlen, und das Atelier Knille für Reklame-Diapositive. Es roch nach Dollars, nach Übersee. Man hörte den Wellenschlag des Stillen Ozeans an der Küste von Los Angeles branden, man sah im Geist draussen in der Welt Nigger und Malayen, Rothäute und gelbe Männer vor der zappelnden Leinwand kauern.

Ein Häuflein Menschen stand wie immer am Toreingang und lugte neugierig in den Hof. Es lagen da Schutthaufen von zerschlagenen goldenen Ornamenten in den Wasserpfützen, tiefgrün und himmelblau bemalte Holzgestelle wurden auf Leiterwagen geschichtet, ein Thronsessel mit vergilbtem, purpurnem Baldachin lehnte einsam im Regen neben einem altrömischen Zirkuswagen, davor hielten reihenweise innen im Hof die wartenden Privatautos der drinnen tätigen Filmprominenten, von der Limousine bis zum offenen Ford-Schnauferl.

Der Pförtner kannte Götz Billing und den kleinen Turkowitz und legte zwei Finger an den roten Mützenrand.

„Heuť is drinnen Irosskampftag, meine Herren!“ . . meldete er leutselig. „Na — Sie da . .“ Er fasste einen blassen, bärtigen, kleinen Mann am Zipfel des Radmantels. „Wat schlängeln Sie sich denn schon vom Tor ab hinter den beiden Herren her? Jehören Sie zu ihnen? Na — also . . marsch retour, Männeken! . . Hier is kein Kientopp! Dat Ilashaus is hermetisch jesperrt!“

Haushohe, mit grauer Leinwand bespannte Balkengerüste verdunkelten den Eingangsraum. Die beiden Filmmänner arbeiteten sich, an den Wirrwarr des Ateliers gewöhnt, durch einen Urwald beiseite geschleppter byzantinischer Gipssäulen, Sänften, Sessel, geschnäbelter Barken, künstlicher Palmen, an einem Käfig mit ein paar lebendigen, grossen, braunen Brummbären vorbei, zwischen Leitern und Farbkübeln, Holzsägen, Hämmern, Gewindebohrern, Latten auf den staubigen Bodendielen. Immer noch sperrte die verschlissene, graue Rückwand der Dekoration die Aussicht. Es leuchtete ein goldiges Mittelmeergeflimmer durch die Ritzen, als glühe dahinter die Sonne des Südens. Ein hundertfaches, undeutliches Stimmengewirr drang aus dem Innenraum, ein Stimmen von Instrumenten, wie während der Theaterpause in der Oper.

„Krauchen Sie ’mal da unten durch, Doktor!“ sagte Turkowitz, einen schweren, hinten mit Segeltuch gefütterten Altarvorhang aufhebend, und hielt sich die Hand vor die Augen. „Uff! Da sind wir . .“

Licht . . Licht . . Licht . . Licht von allen Seiten. Ströme von Licht. Dutzende von künstlichen Sonnen. Rollende, hohe Bretterwände mit einem ganzen Sternhimmel blendender Jupiterlampen. Mächtige, wie Backofen glühende Reflektoren warfen aus den Ecken von den Galerien lange, leuchtende Strahlenkegel in den Farbenrausch des Hofes von Byzanz, in das Gewimmel von weisser Menschenhaut, purpurnen, meerblauen, nilgrünen, goldgestickten Gewändern und kostbarem, schimmerndem alten Samt, silbernen Harnischen, hochgetürmten blonden und schwarzen Perücken, hunderten von rosig geschminkten, schönen Gesichtern von Männern und Frauen. Berlin lag draussen, am Vormittag, plötzlich fern, in wesenloser, grauer Regennacht — ein Nebelheim — ein Schattenreich. Hier badete sich die Welt in goldenem Licht und allen Regenbogenfarben. Hier war man am Marmara-Meer, im sechsten Jahrhundert, im Palast der Kaiserin Theodora von Byzanz, der gekrönten Zirkusdirne, des Bärenwärters Tochter. Dort oben, auf dem Thron, sass sie in unwahrscheinlicher Schönheit, das Diadem auf dem bleichen Rabenhaupt, und biss in ein Schinkenbrot.

„Nicht so laut — während der Spielpause!“ donnerte eine Männerstimme wie das jüngste Gericht über das farbige Gewühl. „Wenn einer hier brüllt — dann bin ich’s!“

Das war also der Regisseur. Götz Billing und Ted Turkowitz steuerten, durch Haufen von Hetären, Gladiatoren, Priestern, Wagenlenkern, dem Ort des Getöses zu. Da stand Jan Gruithusen, der Regisseur zweiter Weltteile, in Hemdsärmeln und aufgesträubtem Grauhaar, breitschulterig, mit dem bartlosen Antlitz eines gut gelaunten Preisboxers. Er schubste einige byzantinische Prinzessinnen beiseite — „Platz, Kinder!“ — und quetschte wuchtig Götz Billings Hand.

„Sie beehren mich post festum, Kollege! Ich mach’ heuť Schluss! Ich lass’ eben die letzten Aufnahmen entwickeln. Nun sehen Sie ’mal den Staub in der Luft — da müssen die Photographien ja säuisch ausfallen! Los . . . Wasserzerstäuber! . . So. . .“ Die Handspritze feuchtete mit feinem Dunst das Geflimmer der Sonnenstäubchen in den Lichtbahnen der elektrischen Lampen. „Sind die Platten noch nicht aus ’m Bad? . . Na — dann wollen wir ’mal ’n bisschen tanzen.“ Der Gewaltmensch klatschte befehlend in die Hände. „Leben in die Schatulle! Ich seh’ da lauter so langweilige Gesichter . . . steife Beine . . . Go on!“

Die Musik spielte einen Foxtrott. Die bunte Palette der Komparserie wogte. Wüstenheilige und Buhlerinnen, Zirkuskutscher und Prinzessinnen, Sterndeuter und Blumenmädchen schoben sich und verschränkten im Takt die sandalenbeschuhten Füsse. Jan Gruithusen warf einen Feldherrnblick über den Reigen und wandte sich wieder zu Götz Billing. Ted Turkowitz war inzwischen still wie ein schnürender Fuchs hinter dem tanzenden Hofstaat zu einem Beobachtungswinkel in der Ecke geschlichen und betrachtete von da funkeläugig das vielhundertköpfige Gewoge.

„Was macht denn Ihr Film, alter Billing? Wie? Schmerold unter den Rädern? Mensch — haben Sie ein unverschämtes Glück! . . Mit dem Schmarren hätten Sie sich nämlich um Ehre und Reputation gebracht!“

„Das habe ich heute schon mehrmals gehört!“

„Wird Ihnen hinterher jeder clevere Mann sagen! . . Da . . old boy . . Betrachten Sie diesen Floh-Zirkus! Sehen will der Mensch — das grosse Kind — im Kino! Die Augen wollen leben! . . Das sogenannte Gehirn — das strapezieren wir uns schon ausserhalb vom Kientopp genug!“

„Ich drehe jetzt auch etwas Neues!“ sagte Götz Billing. „Für Turkowitz . .“

„Für Turkowitz? Werd’ ich Ihnen einen zugkräftigen Titel empfehlen: Der Mann ohne Geld!“

„Geld wie Heu . .“

„Wo hat der Turkowitz denn das gest . . . gestern frühestens bekommen.?“

„Geheimnis! Und der Titel steht schon fest!“ Götz Billing schlug sich mit der mächtigen Pranke auf die Brustseite, wo er das Drehbuch in der Innentasche eingeknöpft trug . . . „. . ,Die Gouvernante im Harem’ . .“

„Die Gouv . . . Das ist scherzhaft . . .“

„Nicht wahr? Und nun erlauben Sie mir ’mal, dass ich ein paar Worte mit Senestry rede! Sie brauchen ihn nicht mehr?“

„Von morgen ab: nee! . . . Die Gouv . . . Na . . Armund Beinbruch zu dem Film, Kollege!“

Alle diese massenhaft herumwimmelnden Hohenpriester, Höflinge und Herren von Byzanz trugen die langsträhnigen Apostelscheitel und gelockten Keilbärte ihrer Zeit. Es war eine harte Nuss, auch für den Kundigen, unter der Fülle künstlichen Haars und der Fettschicht der Schminke, gerade dasjenige glattrasierte Schauspielerantlitz herauszuahnen, das er suchte. Aber da wehte der feine, würzige Duft einer russischen Zigarette! Diese Feuersgefahr konnte sich, der Hausordnung zum Hohn, nur ein ganz Grosser erlauben! Richtig — da lehnte an einer Marmorwand aus getünchtem Gips des Byzantinerkaisers Majestät in höchst eigener Person, stiess den Qualm einer Papyros durch die Nasenlöcher und studierte, den Zwicker über ihnen, die Sportnachrichten im Morgenblatt, ohne sich um die eindringlichen Volksreden des Feuerwehrmannes vor ihm mehr zu kümmern als um das Gehämmer und Geklopfe ringsum — diese stete, alltäglich von früh bis spät an den Wänden widerdröhnende Begleitmusik des Glashauses. Hinter dem Wächter im Löschhelm tanzte angstvoll ein Hilfsregisseur hin und her und zischelte:

„Minimax! . . Reizen Sie um Gottes willen Herrn Senestry nicht! . . Wenn er aus der Stimmung kommt, schmeisst er uns die Schlussaufnahme! Der heutige Tag mit vierhundert Statisten kostet uns zehntausend Goldmärker auf den Tisch des Hauses!“

Der Kaiser Justinian liess den Bericht über den Boxerabend im Sportpalast sinken und schaute den Regisseur Billing schweigend an. Um die Lippen zuckte ihm noch, unter dem aufgeklebten, rötlichen Bocksbart, der Geist seiner Rolle — das grausam-fromme, tückisch-schmeichelnde Lächeln von Byzanz. Die Perücke und auf ihr die vergoldete Messingkrone verbargen die edle, schmale Kopfform. Nur die Augen in dem länglichen Antlitz waren echt. Sie erinnerten Götz Billing immer, wenn er den Mimen Senestry wieder sah, an die grossen, runden, geisterhaften Augen eines Nachtvogels, so verschleiert, geheimnisvoll, lagen sie tief in ihren Höhlen und spiegelten sich gespenstig auf der Leinwand.

„Nun — Meister — wie geht’s?“

Der Divus entschloss sich, den glimmenden Zigarettenstummel unter den argwöhnischen Blicken des Feuerwächters am Boden mit dem goldenen Schuh zu zertreten. Er antwortete nicht auf die banale Frage.

„Sind Sie zufrieden?“

„Zufrieden?“ wiederholte Dimitrij Senestry mechanisch. Er sprach sehr gut Deutsch. Er war eigentlich ganz waschechter Norddeutscher. Er machte nur seit ein paar Jahren die Russenmode im Film mit, die jetzt in der amerikanischen Sintflut ertrank.

„Ein Schauspieler soll zufrieden sein?“ sagte er leise und besorgt, „Schauspieler sind harmlose Irrsinnige. Man muss sie tagsüber nicht reizen. Dann sind sie nur abends zwischen acht und elf Uhr gemeingefährlich!“

„Aber hier stehen Sie doch als Filmstar!“

„Filmschauspieler sind noch viel krassere Prügelknaben der Schöpfung!“ Der geheimnisvolle Mensch wurde plötzlich lebhaft. Er tippte dem andern mit dem Zeigefinger, an dem ein seltsam geschnittener Kabbalastein funkelte, vor die Brust. „Ihr seid Schufte . . Ihr im Glashaus! Ihr seid Seelenverkäufer! Ihr macht aus mir einen umgekehrten Schlemihl — nicht einen Menschen ohne Schatten, sondern den Schatten von einem Menschen!“

„Es kommt auf die Rolle an . .“

„Es ist alles bei euch Teufelsdreck und blauer Dunst!“ Nervöser Groll umwölkte die leidenden Mitternachtsaugen des Kaisers Justinian. Um den geistreichen Mund haftete das sardonische Lächeln zwischen Altar und Arena. „Wo bleibt denn in dieser Räuberhöhle hier meine warme, wohltönende Menschenstimme? Wo bleibt der Glanz meines Purpurs? Auf dem Wege von der Lebendigkeit zur Leinwand verliere ich nicht nur die Farbe und die Sprache — ich verliere auch ein Drittel meines leiblichen Ich — die ganze schöne dritte Dimension. Ich behalte nur noch zwei! Ich werde grau und stumm und flach wie dies Stück Pappe hier . . . . Sehen Sie: darum fliehe ich in die vierte Dimension . . . zum Ausgleich für die dritte.“

Die geschminkte Majestät dämpfte ihre Stimme geheimnisvoll. „Ich habe seit voriger Woche wieder Klopf-Phänomene erlebt . . . Blumen-Apporte . . . Mein neues Medium ist grossartig . . Übrigens ’ne Wachtmeisterswitwe aus der Verlängerten Hedemannstrasse . .“

„Haben Ihnen Ihre Spirits auch schon verraten, was Ihnen morgen bevorsteht, Herr Senestry?“

„Morgen? . .“ Der Grossherr von Byzanz fingerte unter dem Kaiserornat nach der Zigarettendose und liess die gespenstig durchgeistigte Hand, auf einen verzweifelten Blick des Minimax hin, gottergeben wieder sinken. „Morgen bin ich aus dem Saustall hier heraus und autle auf meine Hühnerfarm in der Mark . . Verstehen Sie was von Zuchtrassen? Ich habe da jetzt eine einfach fabelhafte Kreuzung zwischen Hamburger Silberlack und den hundsgemeinen rebhuhnfarbenen Italienern! Sie müssen ’mal . . .“

„Ihre Geister haben Sie falsch unterrichtet, Herr Senestry! Sie werden nämlich von morgen ab wieder, mit Ihrer ganzen nachtwandelnden Genialität, bei uns vor dem Kurbelkasten stehn.“

„Kurbelt des Teufels Grossmutter!“ Der Cäsar spuckte aus. „Ich war heute zum letztenmal in eurem Kasperl-Theater hier!“

„Das sagen Sie im Theater nach jedem Bombenerfolg in der Première, und das sagen Sie im Glashaus regelmässig am Schluss der Aufnahmen! Aber diesmal rufen Ihnen Ihre Geister und Ihre Hühner umsonst! Ich bin von Herrn Turkowitz beauftragt, Sie um jeden Preis zu engagieren!“

„Turkowitz?“

„Er ist hier im Glashaus . .“

„Welcher leichtsinnige Mensch hat ihm denn das Strassenbahngeld geliehen?“

„Er muss Sie haben! . . Also kurz, Herr Senestry, was kosten Sie augenblicklich?“

Der Kaiser von Byzanz lächelte neronisch und ironisch. Er gähnte nervös. „Schön!“ sagte er dann belustigt . . „Fünfhundert Dollars täglich!“

„Abgemacht!“

,,Au!“ schrie ein Blumenmädchen von Byzanz. Der grosse Mime war ihr, während er völlig baff einen Schritt zurücktrat, achtlos auf die blossen Zehen getreten. Er fasste sich und versetzte leise und vertraulich:

„Sie müssen bald etwas dagegen tun, Herr Billing! . . Das sind krankhafte Zwangsvorstellungen bei Ihnen: Turkowitz und Geld! . . .“

„Das ganze Geld für einen Monat wird heute nachmittag noch notariell für Sie deponiert! Vorauszahlung nach Ihrem Belieben!“

„Was spiele ich denn?“

„Soweit ich das Manuskript eben im Auto durchflogen habe, einen mit allen Hunden gehetzten Balkan-Abenteurer! . .“

„Solche Rollen liegen mir!“ Der Kaiser Justinian riss zornig an seinem Prunkgewand . . „Diese historischen Bandwürmer . . . Alles Kaff . . . Längst überholt . . . Aber ein Stoff aus der lebendigen Gegenwart . . . Also . . Da habt ihr mich, Kinder! Ich darf mich neuen Aufgaben nicht entziehen! Ich bin das meinem Talent schuldig . . . und schliesslich dem Publikum auch, das mich nun einmal sehen will . . . Fünfhundert Greenbacks — sagten Sie?“

„Pro Tag . .“

„Sei’s denn . . Ich bin ein schwacher Mensch . . Nur weil ich unter Ihnen arbeiten darf . .“

„Mit mir!“

„Wo ist denn der Turkowitz?“

„Er pintschert hier irgendwo ’rum und sucht die Darstellerin für die Divarolle . .“

„Mit welcher Dame spiele ich?“

„Das ist Turkowitz sein Geheimnis . . Dort drüben schleicht er . . Jetzt bleibt er stehen. Er betrachtet irgend etwas, das er in der Hand hält . .“

„Das Bild seiner Geliebten!“ schmunzelte der Kaiser Justinian. Ihm wurde warm von den Dollars. Er war in rosigster Laune. Der Regisseur schüttelte den Kopf:

„Komisch: Er müsste doch seine Diva auch ohne Steckbrief kennen — der smarte Ted . . .“

„Ted! Ted! . .“ Die byzantinische Majestät feixte düster. ,,Tarnopol liegt doch nicht in den Vereinigten Staaten!“

„Aber Turkowitz hat ’mal in Amerika als Manager einer Wiener Operettengesellschaft gleich in den ersten Wochen umgeschmissen! Seitdem fühlt er sich halb als Yankee . .“

Drüben, am andern Ende der mächtigen Halle, vertrat sich der kleine Turkowitz die Beine. Er hatte die rastlos rollenden Schwarzkirschen von Augen scheinbar schläfrig zugekniffen. Er schlenderte, die Hände in den Hosentaschen, als ein Schlachtenbummler des Glashauses. Niemand achtete viel auf den olivgelben kleinen Mann mit dem pechfarbigen Haar. Jetzt blieb er stehen und hielt ein aufgeklapptes Notizbuch dicht vor die Augen, so dass man die darin steckende Photographie nicht sah. Die wenigen Herren im Alltagsgewand, die barhaupt zwischen dem buntgekleideten Filmvolk herumliefen — Regisseure, Inspizienten, Architekten, Kostümzeichner, Dramaturgen, Geschäftsführer —, hatten alle, mit Ausnahme der Operateure, irgendein Heft oder Aktenstück in der Hand. Es fiel nicht auf, dass der Kiebitz in der Ecke über den Rand hinweg rasch noch einmal irgend jemanden in der Nähe mit dem Bild innen verglich.

Dicht vor Turkowitz kauerte, auf einem Stapel staubiger Bretter, malerisch ein Schwarm byzantinischer Zirkushetären — lauter schöne Geschöpfe, blond, braun, brünett in höchst durchsichtigem und knappem Flor —, ein Blumenflor im Farbengegaukel von Zimmet- und Orangebis zu Lachs- und Pfirsich-, Elfenbein-, Perlmutter- und Bordeauxtönung. Einer der bunten Schmetterlinge führte das grosse Wort. Sie sass ganz oben auf dem Holzstoss, baumelte mit den blossen, dünnen Beinen und schwatzte in sprudelnder Suada, während ihre schlanken zehn Finger ebenso flink an einem himmelblauen Jumper strickten und die blanken Blauaugen im Saal herumliefen. Sie trug einen hochfrisierten, künstlichen Haarturm von venezianischem Rotgold. Darunter sah ihr grossäugiges, schmales und lebendiges Gesicht blendend hübsch aus — mit der naseweisen, zierlichen Nase und dem etwas grossen, spitzbübischen Mund. Der lief wie ein Mühlbach . .

„Nee — als Schwester im Feld erlebt man tolle Sachen . .“ sagte sie, heftig die Jumpermaschen auf die Nadeln reihend. Vor Ted Turkowitz raunte eine der ihm den Rücken drehenden Phrynen ihrer Nachbarin zu:

„Nun erzählt sie wieder ihre Räubergeschichten aus der Wasserpolackei . . .“

„Also an den Rokitnosümpfen — da war es gegen den Schluss hin dreckig“, berichtete das Zirkusmädchen eifrig aus seiner Höhe. „Läuse . . . nichts zu futtern . . Malaria — und alle Lazarette knüppelvoll . . Man musste ’mal ’raus . . Ich sag’ zu dem kleinen Leutnant: ,Seien Sie ’mal nett und nehmen Sie mich mit in den Schützengraben . .!’ Und weiss Gott . . er hat’s getan!“

„Nanu?“

„Ehrenwort!“ Die Märchenerzählerin stiess sich beteuernd die stumpfe Spitze der Stricknadel gegen die weisse Brust. Ihre blossen, weissen Arme leuchteten über dem halbfertigen Jumper. Sie trug zu dem goldroten Kunsthaar ein seidenpapierdünnes, klassisch kurzes Röckchen von dem pfaublauen, goldig wechselnden Schmelz des Mittelmeers und einen Kranz von weissen Rosen um die Stirne und hatte, als Blumenverkäuferin in der Arena, einen Korb mit papiernen Rosen neben sich stehen. Sie wirkte, von der blendenden Flut der elektrischen Sonnen von allen Seiten her golden-überflimmert, wie ein Hirtenbild aus Hellas, wie eine lebendig gewordene Tanagrafigur, und hatte dabei doch ein ganz modernes, nervöses, rein deutsches Gesicht.

„Ja . . . Das war noch ’ne Zeit damals . . . Gott . . ’s ist ja auch schon Jahre her — damals war ich ein blutjunger Affe . .“ Die Märchenprinzessin liess das Strickzeug sinken. „Da sitzt man nun hier als Flimmerjule siebter Güte! . . Und von morgen ab ist’s auch damit Essig — und man kann wieder daheimhocken und Tintenwischer fabrizieren . . immer ein Dutzend . . für die Fabrik . . Wie? . . ja . . . Tintenwischer . . lauter so Rumpelstilzchen. Und Dachauer Bäuerinnen in dicken Röcken als Nadelkissen . . Und dann kann man noch froh sein, dass man wenigstens das gelernt hat . .“

„Wo denn?“

„Gott . . Im Anfang meiner Karriere . . . als Kunstgewerblerin in München . . Man kommt ja zu nichts . . In dem Affenkasten hier erst recht nicht . . Wenn man erst ’mal in die Edel-Komparserie eingepfarrt ist, dann ist Schluss! Dann kann man sich die Halbgötter drüben aus der Entfernung bekieken!“

Mitten im Glashaus — um sie eine ehrfurchtsvolle Leere — standen die Prominenten mit den Direktoren, Regisseuren und ein paar von auswärts, von der Theaterprobe oder aus einem anderen Atelier gekommenen Kollegen und Kolleginnen in Zivil. Unter ihnen Dimitrij Senestry als Kaiser Justinian, Linda Sabbadini, die Italienerin, von Theodoras Thron gestiegen, der bärtige Feldherr Belisar in Helm und Harnisch, seine Gattin Antonina, die Seelenfreundin der Kaiserin — die schöne, blasse, schlanke Barbe Rank — eine kühle Blonde mit feuchten grauen Meerfrauen-Augen. Kammerfrauen mit kostbaren Pelzen über den Armen, Schneiderinnen, Coiffeusen, der Kellner aus der Kantine reihten sich im Hintergrund, der Befehle der grossen Emporgekommenen gewärtig. Hunderte von neugierigen Augenpaaren aus dem ganzen Saal hafteten auf den Erfolgreichen. Auf den Galerien standen Dutzende von Menschen, die, Gott weiss wie, wieder in das Glashaus gelangt waren, und starrten andächtig in die Tiefe. Auch die leichtsinnigen Hetären auf dem Holzstoss gafften stumm und i neidisch hinüber. Das meerblau bekränzte Blumenmädchen ganz oben zuckte wegwerfend die schmalen Schultern.

„Bloss Dusel! . . Was die können, kann ich auch . . Wenn man mich bloss mal liesse . . . Ihr fühlt einem das nicht nach! Ihr habt keinen Ehrgeiz . .“

Nein. Die um sie waren leichte Fliegen. Abends Statistinnen in den Revuen oder Tänzerinnen in den zahllosen Varietés und Kabaretts oder einfach mit dem Freund in der Luxusdiele. Die Sprecherin seufzte:

„Man ist eben ’n armes Luder . .“

„Haben Sie auch keine Eltern mehr?“

„Heftig hab’ ich noch welche! . . Aber bei Vatern vermuffeln? Nee!“

„Was ist er denn?“

„Mittlerer Postschwede . . . unten am Rhein . . Im besetzten Gebiet . . Ich bin Rheinländerin . . Merken Sie das nicht schon an meinem Sprechanismus? Jü . . Wer tippt einem da von hinten auf die blanke Schulter . . . Sie erschrecken einen ja . .“

„Verzeihen Sie . .“, sprach der kleine Mann aus Tarnopol hinter ihr. Er stiess mit der Zunge an, wenn er innerlich erregt war. „Kennen Sie mich? Nein? Werden Sie mich kennen lernen! . . Ted Turkowitz heiss ich . .“

„Hallo! . . Fauler Kopp!“ brummte unten warnend eine der Hetären. Das Blumenmädchen von Byzanz verstand. Sie äugte den Fremdling froschkalt über die Schulter an und versetzte kurz:

„Na — wenn schon . .“

“Ich habe doch das Vergnügen, mit Fräulein Hansine Peternell . .“

,,Wenn Ihnen das Vergnügen macht . . .“

„Endlich erwisch’ ich Sie, Fräulein Peternell! Ich suche Sie wie eine Stecknadel!“

„Sind Sie vom Kriminal? Wollen Sie mich einstecken? Weswegen? Ich war’s nicht! Das sag’ ich gleich . .“

„Engagieren will ich Sie, mein liebes Fräulein, — von morgen ab!“

„Hm . . Schön . .“, sagte die Blumenverkäuferin sinnend. „Ich will sehen, dass ich meine anderweitigen Verpflichtungen verschieben kann . . . Wieviel? . . . Tarif? . .“

„Vorsicht mit der Pinke-pinke . . .“, flüsterte es von unten.

„Tarif . . .“ Ted Turkowitz wiegte mitleidig das glänzend schwarzgeölte Köpfchen . . . „Spass: Tarif . . .“

„Den Tarif müssen Sie doch kennen? . . Sie sind doch Hilfsregisseur?“

„Ich bin der Generaldirektor der neugegründeten Memoria-Film-Gesellschaft’, die heute noch in das Handelsregister eingetragen wird. Wir drehen als erstes Bild unserer Produktion von morgen ab in Berlin und im Orient den Monumental-Film: ,Die Geheimnisse von Stambul!’ Für die männliche Hauptrolle wurde soeben Herr Dimitrij Senestry verpflichtet.“

Plötzlich hielt alles den Atem an. Achtungsvolle Blicke trafen den kleinen Mann. Hansine Peternell hatte ihren Jumper neben den Rosenkorb gelegt. Sie verschränkte im Sitzen die Hände über den hochgezogenen Knien und fragte burschikos — in tiefstem Misstrauen:

„Wenn Sie wirklich Generaldirektor sind — warum bemühen Sie sich denn dann persönlich zu ’ner Nutte wie mir?“

„Nu — warum . .?“ Turkowitz lispelte wieder heftig: „. . weil Sie, zusammen mit dem Senestry, die weibliche Hauptrolle spielen sollen!“

Hansine Peternell biss die Lippen zusammen und stand langsam auf. Sie mass den Manager schweigend von der kleinen Glatze bis zur Lackschuhkappe. Allmählich gefroren ihre fidelen blauen Augen in feindseliger Kälte. Ihr spärlich bekleideter Körper begann unter dem meerblauen, kniefreien Kittelchen heftig zu atmen.

„Kommen Sie ’mal ein bisschen beiseite . .“, sagte sie, elastisch vom Bretterstapel auf die biegsamen Sandalen springend, und zwei Schritte weiter, halblaut, sehr böse: „Also . . Herr Türkenbusch oder wie Sie sich schreiben . . Turkowitz? Is ja total piepe . . Also ich verbitte mir, dass Sie mir solchen faulen Zauber mit ’ner Hauptrolle vormachen! Ich bin kein Brustkind mehr! Ich fall’ darauf nicht ’rein!“

,,Aber liebe Peternell . . .“

„Ich bin nicht Ihre Peternell! . . Ich hab’ nicht mit Ihnen in irgendeiner Nachtbar Schmollis getrunken! . .“

„Gnädiges Fräulein . . .“

„Wenn Sie Anschluss suchen, dann wählen Sie sich unter meinen Kolleginnen drüben ein Schlachtopfer aus! Da finden Sie schon irgendwo Gegenliebe! Aber lassen Sie mich in Frieden — ja?“

„Sie verstehen mich ja miss . .“ Turkowitz, schnalzte verzweifelt mit der Zunge.

„Miss? . . Mies wird einem! Nun merken Sie sich gefälligst: Ich bin eine absolut anständige Person! . . . Jawoll! . . Kommt vor! . . Ich arbeite wie ein Neger um mein Leben! . . Ich filme eben, um ’was zu verdienen! . . Still! . . Ich hab’ schon Schweres im Leben durchgemacht! . . Ich red’ bloss nicht davon! Niemand sieht mir das an, wie ich hier stehe. Aber ich halt’ trotzdem die Ohren steif. Also Schluss, Herr Türkensohn! Bei mir verfangen Ihre Zicken nicht! Ich hab’ schon ganz andere Leute als Sie abblitzen lassen! Morjen!“

„So sollen Sie filmen!“ sprach Turkowitz befriedigt. „Temperament! . . Ist die Hauptsache beim Geschäft! Wird schon gehen . . . mit Ihnen . . . Nur Courage!“

„Fangen Sie noch einmal an?“ Die Peternell blieb unruhig stehen.

„Nu — soll ich aufhören? . . Machen wir gleich nachher den Kontrakt . . . rechtsverbindlich . . . Alle Kostüme frei . . . Freie Station auf Reisen . . . Eisenbahn erster Klasse . . . mit Schlafwagen nach Konstantinopel und Kleinasien und wo sonst noch hin . . Zwanzig Dollars Bewegungsgelder in Landesmünze täglich im Ausland . .“

„Ich glaube, dem piekt’s!“ sagte das Blumenmädchen von Byzanz zu den anderen, atemlos horchenden Zirkusbuhlerinnen. Aber der Rosenkorb an ihrem Ellbogen schaukelte leise vom unwillkürlichen, nervösen Zittern ihres Körpers.

„Nu — und dann der Hauptpunkt: die Gage . . .“

„Gage auch noch?“

„Was werden Sie nehmen? Es ist Ihre erste Hauptrolle in einem Weltfilm! Sie dürfen die ,Memoria-Gesellschaft’ nicht gleich ruinieren. Sagen wir fünfzehntausend Mark für ’nen Monat!“

„Ist kein Arzt im Haus?“ fragte Hansine Peternell besorgt und leise die umsitzenden Hetären.

,,Wo mag der Kunde entsprungen sein? . .“

„Man muss nach Dalldorf telephonieren!“

„Also zwanzigtausend! . . Sollen Sie haben, meine Gnädigste!“ lispelte Turkowitz.

„. . In ’nem Kellerwechsel auf irgend ’nen faulen Onkel, der aus ’m Handjelenk manifestiert, wenn Sie ihm den Wisch unter die Neese halten . . .“, warnte unten eine kundige Thebanerin. Das Rosenmädchen nickte. Sie hatte jetzt wieder ihr kühles Blut. Sie verschränkte die blossen, weissen Arme über der Brust und sah den Versucher fest und herausfordernd an.

„Zwanzigtausend Mark? Wann? — Wo? — Wie?“

„Gleich. Hier. Bar.“ Ted Turkowitz entwickelte seine Brieftasche, die von den Edelvaluten aller Goldländer gedunsen war wie die Boa nach dem Frass. „Greifen Sie munter zu, mein Fräulein!. . Sie sehen: Es ist bei mir nicht wie bei armen Leuten!“ Er stopfte ihr geschäftig ein paar dicke Bündel Banknoten in die Hände. „Den Rest hinterlegen wir für Sie . . . pupillarisch sicher . . . wo Sie wollen . . ja . . nu lacht sie . . das liebe Kind . . .“

Nein. Die hübsche, kupferhaarige Byzantinerin lachte nicht. Sie stand ganz verdattert — mit offenem Mund —, die beiden Augen eine einzige grosse blaue Frage: Träum’ ich oder wach’ ich? Sie umkrampfte mit beiden Fäusten die Geldpakete und guckte an sich hernieder.

„Wo soll ich denn das Zeug hinstecken?“ fragte sie auf einmal kläglich und völlig fassungslos. „Ich hab’ ja fast nichts an.“

Aber dann bemerkte sie hinter dem verbotenen Eingang einer seitlichen Glastüre ein älteres Fräulein, das, mit der sachlichen Nüchternheit einer Gouvernante, einen Haufen Kontorpapiere in der Hand, im Vorbeigehen einen flüchtigen Geschäftsblick auf den Feuer- und Farbenzauber im Glashaus warf. Die Peternell flitzte mit einem flüchtigen Satz über die gipsernen Reste des abgebauten prunkvollen Marmorbades der Kaiserin Theodora am Boden und fegte, in flatterndem, kurzem Röckchen, wie ein Wirbelwind auf ihre Freundin aus einem der Filmbüros im Vorderhaus zu.

„Frieda . . sei so gut und heb’ mir das Kleingeld auf! Ja — da staunt der Laie . .“ Sie war ausser Atem. „Wen ich umgebracht hab’? Es ist ein Verrückter im Glashaus . . Dort die schwarze, kleine Kröte . . . der teilt Geld aus . . Du — ich glaub’, ich bin übergeschnappt.“ Sie stand, die Hände vor der Brust gefaltet, blauflackernd die Augen, vor dem strengen Fräulein mit der Brille und dem schlichten Grauscheitel. „Ich werd’ ’ne Diva . . Ich krieg’ ’ne Bombenrolle . . Ich werde gross . .!“

„Herr Plänkner . .“ Die ältliche Filmsekretärin riss sie zur Seite. „Wo brennt’s denn? Sie rennen einen ja um!“

Der Chef-Operateur kam, mit wehendem Künstlergelock, wie aus der Pistole aus der Dunkelkammer nebenan geschossen. Zwei, drei Gehilfen in fliegenden weissen Mänteln, mit erhobenen Armen wie die Geisterbeschwörer, hinterher.

„Ich erdrossele diesen Massenmörder!“ Der Aufnahmeleiter und seine Magier keilten sich atemlos durch das Volk von Byzanz bis zu dem breitschulterigen, hemdsärmeligen Herrn des Glashauses, Jan Gruithusen, dem Regisseur, der sie ohne jede Neugier, mit der satten Ruhe eines Boxer-Champions, grausam anlächelte:

„Na — wie ist die Photographie?“

„Alles grossartig gelungen! Und nun sehen Sie bitte diese Schweinerei!“

Jan Gruithusen nahm den nassen Rohabzug aus der Hand des Schwarzkünstlers und hielt ihn gähnend vor die Augen. Stille rings vor dem Taifun . . . Er lachte aus vollem Hals und wandte sich zu dem heimlichen Napoleon des Schlachtfeldes, dem kleinen, wie ein Bankier aussehenden Generaldirektor William Piper, durch dessen Hände die Gelder gingen, und zu dessen mahnendem Gewissen, dem dicken Justizrat Lebes, Vorsitzendem des Aufsichtsrats, der die Verwendung der Hunderttausende beaufsichtigte.

„Ausgezeichnet!“ sagte er in unverwüstlicher guter Laune. „Hat der eine räudige Hund von Gladiator ganz vorn bei allen Aufnahmen die Armbanduhr anbehalten! An die Luft mit dem lieben Mann! Alles futsch! Keine Leichenreden! Die ganze Geschichte noch einmal!“

Er klatschte in die Hände.

„Linda! Avanti, Signora! . . Marsch auf den Thron! Legen Sie doch um Gottes willen Ihre Zigarette weg, Justinian! . . . Barbe . . Zum zehnten Male: Sie sollen halb hinter der Sabbadini stehen . . . Das ist doch die Kaiserin und Sie nur ’ne Generalin! . . Da kommt der Belisar endlich mit vollen Backen aus der Kantine. Aber es sind immer dieselben, auf die man warten muss!“

„Herr Gruithusen!“ Ein ängstliches Zupfen am Ärmel. „Madame Sabbadini hat ihr Morphium noch nicht!“

„Dann soll sie jetzt schnell in Kuckucksnamen pieken!“ Der Generalgewaltige kletterte, auf den Tisch. Er streckte Ruhe gebietend die Fäuste über das Gewoge von Helmen, Perrücken, Bischofsmützen und goldenen Stirnreifen. Seine Stimme hallte wie eine Posaune:

„Das war eben so schön, dass wir’s noch ’mal machen. Auf die Pfeife kommt ihr aufrührerisch hereingewimmelt — so wie’s an den Litfasssäulen heisst: ,Genossen, erscheint in Massen!’ Na — putschen könnt ihr doch! . . Das verstehen wir doch in Berlin . . Die Palastwache — die Sipo — verstanden? — wird niedergemacht! Blutwürstig — bitt’ ich mir aus . . die Regisseure drauf achten, dass die Toten ’ne Weile noch mit den Beinen zappeln und nicht gleich, für ihre zehn Märker täglich, blöd daliegen wie die Mehlsäcke! Sturm auf die Tore . . Die Zirkuskutscher — was jetzt die grossen Kanonen aus dem Sechstage-Rennen sind — und die Buhlerinnen ganz vorn!“

Jan Gruithusen reckte den Zeigefinger nach der Front der Komparserie.

„Der künstliche Mohr da — der lange Laban . . . Sie reissen die Rosenverkäuferin neben sich auf Ihre muskulösen Arme und tragen sie im Triumph als jauchzende und strampelnde Siegesgöttin des Aufruhrs voraus . . ja . . die da . . die Lange, Hübsche mein’ ich — ganz richtig: Die mit der roten Tolle . . Haben Sie’s kapiert, Kindchen?“

„Wird gemacht, Herr Regisseur!“ antwortete hinten Hansines helle Stimme.

„Und nun denkt, ihr demonstriert im Lustgarten! Wie ihr da alle ,Nieda! Nieda!’ schreit, so brüllt ihr jetzt ,Nika! . . . Nika!’ Das ist griechisch! Das heisst ,Siege!’“ Der Gewaltmensch wischte sich den Schweiss von der Stirn und wandte sich zu den Stars. „Sind die Herrschaften so weit?“

Linda Sabbadini hatte von ihrer Kammerfrau, die eigentlich ihre Mutter war, unauffällig, so als wollte ihr jene etwas am Gewand richten, eine Spritze Morphium oberhalb des Knies bekommen, wo man auch bei der verwegensten Decolletage den blauen Nadelpunkt nicht sah. Nun sass sie geistesabwesend, mit leeren, starren Mandelaugen des Südens, wie eine schöne Leiche auf dem Thron. Jan Gruithusen beugte sich zu ihr nieder. Er flüsterte ihr in kochender Energie ins Ohr. Er lud das stumme Frauenbild aus fernen Landen mit Elektrizität wie eine Leydener Flasche. Die schöne deutsche Barbe Rank sprang die Stufen zu dem Lattentisch hinab, wo Sekt in Gläsern für die Solokräfte bereitstand, kippte sich einen Kelch in die Kehle und lief mit — der Schminke wegen — unabgewischten Lippen auf ihren Platz zurück. Das Orchester spielte einen Sturmmarsch, um die Nerven des Glashauses aufzupeitschen. Es wurde plötzlich so überirdisch hell — von allen Seiten her — als sei das Lichtmeer bisher eine Dämmerung gewesen. Am Drahtseil segelte ein Holzgestell langsam hoch über den Köpfen durch die Luft. Bäuchlings lagen auf ihm die nach unten photographierenden Operateure. Breitbeinig stand über ihnen, zwischen Himmel und Erde, wild fuchtelnd ein Regisseur. Schwarze Kurbelkasten auf dreibeinigen Gestellen und weisskittelige Männer an drei, vier anderen Orten. Glühend die Luft. Flimmernd vor Erwartung.

Jan Gruithusen warf einen Blick auf die Stars. Barbe Rank stand bereit. Sie zitterte nervös, mit geblähten Nüstern, wie eine Vollblutstute am Start. Nun reckte sich auch die Sabbadini leidenschaftlich in die Höhe. Sie duckte sich, die weissen Zähne zeigend, gegen den Feind. Zwei sprungbereite Tigerinnen die beiden schlanken Frauen — die blonde und die schwarze . . .

„Jetzt hab’ ich dich!“ rief der Seelenfänger in Hemdsärmeln triumphierend seiner Puppe zu. „Los!“ Seine Stimme, erschütterte wie Donner das Glashaus. „Nika! Nika!“

„Nika! . . Nika! . .“ dröhnte der Massenschrei des heranbrausenden Volks von Byzanz. „Nika! Nika!“ jauchzte ganz vorn Hansine Peternell hoch oben auf dem Arm des Negers, der sie trug. Sie schwenkte fanatisch die dünnen, blossen, weissen Arme. „Hurra! . . Hurra!“

„Fräulein . . Sie sollen doch ,Nika!’ rufen!“ mahnte unten der schwarz angestrichene, stellungslose Bierfahrer.

„Hurra! Nieda! Nieda! Ich wird’ ’ne Diva! . . Ich krieg’ ’ne Rolle! . . Zwicken Sie mich nicht, gefälligst — Sie da unten! . . Abbau Linda! . . Abbau Rank! . . Jetzt komm’ ich!“

Die Rank reichte, in atemlosem Spiel nach dem regelnden Pfeifengetriller des Regisseurs, der Kaiserin den Krönungsmantel. Damit stürzte die Sabbadini wie eine Rachegöttin hinter dem als bocksbärtiger Bettler flüchtenden Justinian her. Sie schleuderte ihm den Ornat um die Schultern. Sie zerrte den Gatten auf den Thron zurück . .

„Der Purpur ist das Sterbekleid der Könige!“ donnerte der Regisseur. Signalpfeife: „Los! Belisar!“

Der Stratege stürzte sich geschwungenen Schwerts mit seiner Handvoll Getreuen wider die Blauen und Grünen. Staub wirbelte auf . . .

„Gemetzel!“ kommandierte Gruithusen mit vor der Brust verschlungenen Hemdsärmeln hoch vom Tisch. „Tempo! Tempo! Alles drunter und drüber! . . Oberbayrische Kirchweih! Feste, Kinders! . . So! . . Belisar siegt . . . . Wie meinen Sie, Herr Direktor? Ja — noch höchstens zehn Meter . . . . Gut! . . Flucht . . Flucht . . . Halt . . . .“

„Halt! . . . . . Halt.“ Die Pfeifen schrillten. „Licht aus!“ Trichterförmige Papprohre gellten es durch die Halle: „Licht aus! Plötzliches trübes Kellergrau überall. Ein Stimmengewirr. Ein Auseinanderströmen. Das letzte Bild des Mammut-Films „Theodora“ war gekurbelt.