Finding Love & Finding Secret - Olivia Anderson - E-Book
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Finding Love & Finding Secret E-Book

Olivia Anderson

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Beschreibung

Die ersten zwei Bände der großen Alaska Reihe von der »Maple Creek«–Autorin Olivia Anderson in einem Bundle! Finding Love. Als Prozessoptimiererin Loreley mit ihrer lebenslustigen Assistentin Mia für vier Monate zu einem neuen Projekt nach Glacy City in Alaska aufbricht, sieht sie die Reise als Geschenk des Himmels. In Seattle erinnert sie noch immer alles zu sehr an ihren Exfreund William. Was Loreley in Alaska erwartet, ist jedoch nicht die erträumte Idylle, sondern schlammige Straßen, schiefe Häuser und spleenige Einwohner. Aber nicht nur die völlig falsche Kleidung und ein großangelegter Holz–Diebstahl halten Loreley auf Trab. Da ist auch der wortkarge, aber gutaussehende Logan Finnley, der ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Doch kann sie ihm vertrauen oder sind die Betrugsvorwürfe gegen ihn berechtigt? Finding Secret. Loreleys Plan, endlich ihre Gefühle für Logan Finnley während seines Aufenthalts in Seattle zu ergründen, ist mit einem Schlag zunichte, als sie überraschend nach Glacy City in Alaska reisen muss. Mit im Team ist der smarte Nachhaltigkeitsmanager Aiden Lovecraft, der sich Hals über Kopf in Loreley verliebt. Aiden wäre perfekt – wenn Loreley nur nicht ständig an Logan denken müsste. Aber auch Aiden verbirgt etwas und bald weiß Loreley nicht mehr, wem ihr Herz gehören soll. Indessen sorgt ihre Assistentin Mia dafür, dass sich Pilot Mat mit dem mysteriösen Unfall seiner Eltern auseinandersetzt. Dabei stößt er auf ein ungeheuerliches Geheimnis, das alles durcheinanderwirbelt …

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Seitenzahl: 578

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Finding Love.

Als Prozessoptimiererin Loreley mit ihrer lebenslustigen Assistentin Mia für vier Monate zu einem neuen Projekt nach Glacy City in Alaska aufbricht, sieht sie die Reise als Geschenk des Himmels. In Seattle erinnert sie noch immer alles zu sehr an ihren Exfreund William.

Was Loreley in Alaska erwartet, ist jedoch nicht die erträumte Idylle, sondern schlammige Straßen, schiefe Häuser und spleenige Einwohner. Aber nicht nur die völlig falsche Kleidung und ein großangelegter Holz–Diebstahl halten Loreley auf Trab. Da ist auch der wortkarge, aber gutaussehende Logan Finnley, der ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Doch kann sie ihm vertrauen oder sind die Betrugsvorwürfe gegen ihn berechtigt?

Finding Secret.

Loreleys Plan, endlich ihre Gefühle für Logan Finnley während seines Aufenthalts in Seattle zu ergründen, ist mit einem Schlag zunichte, als sie überraschend nach Glacy City in Alaska reisen muss. Mit im Team ist der smarte Nachhaltigkeitsmanager Aiden Lovecraft, der sich Hals über Kopf in Loreley verliebt. Aiden wäre perfekt – wenn Loreley nur nicht ständig an Logan denken müsste. Aber auch Aiden verbirgt etwas und bald weiß Loreley nicht mehr, wem ihr Herz gehören soll.

Indessen sorgt ihre Assistentin Mia dafür, dass sich Pilot Mat mit dem mysteriösen Unfall seiner Eltern auseinandersetzt. Dabei stößt er auf ein ungeheuerliches Geheimnis, das alles durcheinanderwirbelt …

Über Olivia Anderson

Unter dem Pseudonym Olivia Anderson vereint die deutsch-österreichische Bestsellerautorin Gerlinde Friewald ihre Passion für Geschichten über Liebe und Freundschaft sowie ferne Länder, die ihr durch einen besonderen Bezug ans Herz gewachsen sind. Gerlinde Friewald ist in verschiedenen Genres der Unterhaltungsliteratur beheimatet und fasziniert mit spannungsgeladenen Inhalten, facettenreichen Figuren und einer feingezeichneten Sprache. Ihre Leidenschaft und ihr Wissen gibt sie als Dozentin für Kreatives Schreiben weiter. Mit ihrer Familie lebt sie im Süden Wiens in Österreich.

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Olivia Anderson

Finding Love & Finding Secret

Die ersten zwei Bände der großen Alaska Reihe von der »Maple Creek«–Autorin Olivia Anderson in einem Bundle!

Orientierungsmarken

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Inhaltsverzeichnis

Copyright-Seite

Inhaltsverzeichnis

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Finding Love

Grußwort

Kapitel 1:  Loreley

Kapitel 2:  Loreley

Kapitel 3:  Logan

Kapitel 4:  Loreley

Kapitel 5:  Logan

Kapitel 6:  Loreley

Kapitel 7:  Loreley

Kapitel 8:  Annabell

Kapitel 9:  Loreley

Kapitel 10:  Logan

Kapitel 11:  Loreley

Kapitel 12:  Loreley

Kapitel 13:  Loreley

Kapitel 14:  Logan

Kapitel 15:  Loreley

Kapitel 16:  Mia

Kapitel 17:  Loreley

Kapitel 18:  Frank

Kapitel 19:  Loreley

Kapitel 20:  Mia

Kapitel 21:  Loreley

Kapitel 22:  Mat

Kapitel 23:  Loreley

Kapitel 24:  Logan

Kapitel 25:  April

Kapitel 26:  Logan

Kapitel 27:  Loreley

Kapitel 28:  Mia

Kapitel 29:  Loreley

Kapitel 30:  Loreley

Kapitel 31:  Loreley

Kapitel 32:  Loreley

Kapitel 33:  Mia

Kapitel 34:  Loreley

Kapitel 35:  Loreley

Finding Secret

Grußwort

Kapitel 1:  Loreley

Kapitel 2:  Logan

Kapitel 3:  Loreley

Kapitel 4:  Loreley

Kapitel 5:  Loreley

Kapitel 6:  Logan

Kapitel 7:  Loreley

Kapitel 8:  Aiden

Kapitel 9:  Mia

Kapitel 10:  Mat

Kapitel 11:  Loreley

Kapitel 12:  Loreley

Kapitel 13:  Aiden

Kapitel 14:  Loreley

Kapitel 15:  Mia

Kapitel 16:  Loreley

Kapitel 17:  Loreley

Kapitel 18:  Loreley

Kapitel 19:  Mia

Kapitel 20:  Loreley

Kapitel 21:  Logan

Kapitel 22:  Aiden

Kapitel 23:  Loreley

Kapitel 24:  Loreley

Kapitel 25:  Loreley

Kapitel 26:  Loreley

Kapitel 27:  Loreley

Kapitel 28:  Loreley

Kapitel 29:  Loreley

Kapitel 30:  Logan

Kapitel 31:  Mat

Kapitel 32:  Logan

Kapitel 33:  Loreley

Impressum

Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Olivia Anderson

Finding Love

Kapitel 1

Loreley

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen lief ich den Flur des Großraumbüros entlang. Während ich mit der linken Hand wie ein Star bei seinem Weg über den roten Teppich winkte, hielt ich mit der rechten das Handy umklammert und starrte zur Tarnung wie gebannt auf das Display.

»Weltklasse, Loreley!«

»Du hast es gerockt.«

»Topleistung!«

Normalerweise hätte ich mich über den Beifall gefreut und den Erfolg ausgekostet, im Moment wollte ich jedoch nichts weiter, als mein Büro erreichen und allein sein. Ich war keine Schauspielerin, und gekünstelt zu lächeln, strengte mich an.

»Sorry, ich habe es eilig. Später reden wir«, rief ich zurück und hob demonstrativ das Handy hoch.

Als ich endlich in meiner Schutzzone anlangte, schloss ich schnell die Tür, umrundete den Schreibtisch und ließ mich in den Stuhl fallen.

Eigentlich hatte ich gehofft, bei der Arbeit zumindest einen Teil des Kummers abzulegen, doch der hehre Wunsch war nahezu auf der Stelle verpufft.

Ich war am Boden zerstört, und nicht einmal mein heiß geliebter Job als Prozessoptimiererin, der mich noch immer aus kleinen Tiefs herausgerettet hatte, änderte etwas daran. Wie sollte er auch? Dies war kein kleines Tief, und selbst die gute Fee aus Cinderella könnte mit dem leidenschaftlichsten »Bibbidi-Bobbidi-Boo« nichts ausrichten. Zu meiner Stimmung passte eher die grausame Originalversion, in der sich die Schwestern Zehen und Fersen abschnitten, um ihre Füße dem gläsernen Schuh anzugleichen.

Bei mir war zwar kein Blut im Schuh, dafür im Herzen.

Durch die Milchglaswand, die die Singleräume vom Großraumbüro trennte, gewahrte ich die charakteristische Silhouette meiner Assistentin Mia. Alles an ihr war rund, nicht zu verwechseln mit dick – die Form des Körpers, das Gesicht, die Locken ihres langen Haars und sogar ihre Persönlichkeit. Ich kannte keinen runderen Menschen als sie.

Abgesehen von meiner besten Freundin Cathy kam Mia trotz – oder wegen – unseres Arbeitsverhältnisses einer Vertrauten wohl am nächsten. Ex-beste-Freundin, dachte ich und spürte den Schauer allzu deutlich, der über meinen Rücken lief.

Würde ich es je schaffen, die Bilder zu verbannen, die sich wie verächtlich grinsende Mahnmale in meinem Kopf festgesetzt hatten?

Mia öffnete die Tür und trat ein. In der Hand hielt sie zwei Kaffeetassen. Sie setzte sich auf den mittleren der drei Stühle vor meinem Schreibtisch und schob mir eine Tasse zu. »Die Heldin des Tages! Hugh möchte dich um zehn Uhr sehen. Ich bin gespannt, ob er einen fetten Bonus für dich bereithält.« Sie musterte mich. »Du müsstest strahlen und herumhüpfen. Nicht wie Tom Cruise auf einer Couch, dafür bist du viel zu kultiviert und dezent. Ein Minihopser aus dem Stand wäre jedoch angebracht. Was ist los?«

Zwar war ich dank des dreimonatigen Florida-Aufenthalts braun gebrannt und hatte die Schatten auf meinem Antlitz sorgfältig mit Make‑up abgedeckt, die rot geweinten Augen ließen sich allerdings durch kein Beautymittel der Welt kaschieren. Mit dem Vorwand, ich hätte eine Allergie, punktete ich bei Mia nicht. Sie wusste, dass ich auf keine Substanz reagierte.

Bis jetzt hatte ich niemandem von meinem Unglück erzählt – weder meinen Eltern noch Personen aus meinem Bekanntenkreis und auch nicht den Nachbarn. Zu eng waren sie auf unterschiedliche Weise mit William, Cathy und mir verknüpft. Außerdem würde ich den mitleidigen oder kritischen Blicken nicht standhalten. Dazu fehlte mir die Distanz. Hieß es nicht, die Zeit würde alle Wunden heilen? Darauf setzte ich meine ganze Hoffnung.

Ich seufzte und winkte ab.

»Das Seufzen bestätigt meine Vermutung, dass etwas nicht stimmt, hilft mir aber keinen Deut weiter«, erwiderte Mia sofort.

Mia war nicht nur fröhlich und herzlich, zu ihren Charakterzügen gehörten ebenso ein unverblümtes Vorgehen und Hartnäckigkeit. Ich brauchte also erst gar nicht zu versuchen, mich herauszuwinden.

»Ich habe mich von William getrennt«, flüsterte ich.

Bis auf ein leises Zucken der Mundwinkel blieb Mias Mimik neutral. »Wow. Das nenne ich eine Riesenneuigkeit. Es tut mir sehr leid, Loreley.« Nach einer kurzen Pause ergänzte sie: »Ist William zu bedauern, oder ärgern wir uns über ihn?«

Trotz Mias angestammter Beharrlichkeit besaß sie genug Empathie, nicht nachzubohren, würde ich jetzt stoppen. Sollte ich das? Es wäre gut, mir alles von der Seele zu reden.

Verstohlen sah ich auf meine Armbanduhr. Es war zehn Minuten nach neun. Bis zu dem Termin mit meinem Chef Hugh hatte ich fast eine Stunde, um die Geschichte in ihrem gesamten schrecklichen Ausmaß darzulegen. Aber war ich schon bereit?

»Wir ärgern uns«, sagte ich. »Wobei das Wort ›ärgern‹ nicht passt.«

Trauer, Entsetzen und das Gefühl des Verlusts trafen meinen Zustand besser. Dazu mengte sich die Empfindung, erniedrigt und hintergangen worden zu sein. Letzteres war vielleicht das Schlimmste von allen.

»Daraus werde ich genauso wenig schlau.« Mia streckte den Arm aus und tätschelte über den Schreibtisch hinweg meine Hand. »Mir ist klar, dass du bereits lang und breit mit Cathy gesprochen hast, doch eine zweite Perspektive schadet nie.«

Ich ahnte, worauf Mia abzielte. Natürlich kannte sie Cathy und verstand sich mit ihr. Als Beraterin in Liebesdingen hielt Mia sie allerdings zweifellos für ungeeignet. Ein Fakt, den ich nicht abstritt.

Cathy und ich hatten uns in Berkeley kennengelernt, wo ich Ingenieurwesen studiert und anschließend den MBA für Führungskräfte absolviert hatte. Von Beginn an waren wir unzertrennlich gewesen und hatten einige Abenteuer zu bestehen gehabt. Mit Cathys Spontanität und unbekümmerter Daseinsfreude hatte ich es jedoch nie aufnehmen können. Dabei bin ich weder ein Mauerblümchen noch ein Nerd.

»Mit Cathy wechsle ich nie wieder ein Wort, aber sie kennt die Umstände«, entgegnete ich.

Mia runzelte die Stirn, dann zog sie die Brauen hoch. »Sag bloß, sie hält zu William.«

Ich blinzelte eine Träne weg. Hatte ich in den vergangenen Tagen nicht schon genug geweint? »Ach, Mia. Die Wahrheit mit allen Folgeerscheinungen ist viel schlimmer, als du sie dir gerade ausmalst.«

Tatsächlich zog das Ereignis einen Rattenschwanz an Problemen nach sich, der mir das Leben zusätzlich schwer machte. Allein der Spießrutenlauf, wenn ich meine Wohnung verließ oder nach Hause kam, war enorm belastend. Doch nahm ich ihn auf mich, um Cathy keinesfalls zu begegnen.

Dabei war ich damals so glücklich gewesen, als sie nach einem Jahr in Südkalifornien nicht nur ein Jobangebot in Seattle erhalten hatte, sondern auch den Zuschlag für die Wohnung direkt über meiner.

Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. Ich war noch nicht so weit, das Geschehene zu offenbaren. Der Schmerz war zu präsent und riss mich selbst beim geringsten Aufblitzen in die Tiefe. Mit gestreckten Fingern rieb ich die Handinnenflächen aneinander und stellte mir vor, mein Leid zu zermahlen. »Widmen wir uns der Arbeit, für die werden wir schließlich bezahlt«, sagte ich entschieden.

Kapitel 2

Loreley

Hugh Hoffner, mein Chef und stets Gehänselter wegen seines Namens, musterte mich über den Rand seiner Hornbrille hinweg. »Deine Leistung in Florida war beispielhaft. Und das in der Mindestanforderungszeit! Was rede ich? Du bist fast vier Wochen früher fertig geworden, als es der Plan vorsah. Das hat bis jetzt kein PO geschafft.«

Ich setzte jenes Lächeln auf, das ich bereits beim Betreten des Großraumbüros zur Schau gestellt hatte, und unterdrückte ein Stöhnen.

Vordergründig war das Unglück nämlich nur über mich hereingebrochen, weil ich den Auftrag verfrüht finalisiert hatte. Welch eine Ironie doch darin lag.

»Die Lorbeeren teile ich mit den Mitarbeitern der Myers Sun Corporation«, erwiderte ich. »Selten habe ich ein dermaßen motiviertes und produktives Team erlebt. Du weißt, wie wir Prozessoptimierer normalerweise empfangen werden. Von Ablehnung über Skepsis bis Angst ist alles dabei. In diesem Fall hat man allerdings schon sehnsüchtig auf mich gewartet. Im Sunshine State scheinen die Menschen wirklich den Tick positiver zu denken und von Grund auf fröhlicher zu sein.«

Die Erinnerung an Florida schenkte mir ein echtes Lächeln – der klägliche Rest eines Sonnenstrahls aus den Südstaaten, als meine Welt noch in Ordnung gewesen war.

»Tja, nun …« Hugh strich sich über das Kinn. »Du weißt, wie akribisch ich darauf achte, dass zwischen zwei Außeneinsätzen zumindest vier Monate liegen. Auf meinem Schreibtisch ist jedoch ein neues Projekt gelandet, das ich ungern einem anderen als dir anvertraue.« Er hüstelte. »Würdest du ausnahmsweise gleich wieder auf Tour gehen?«

Seit ich für WWS Industries tätig war, fielen mir nur zwei derartige Fälle ein. Beide Male hatte es sich um krankheitsbedingte Sondereinsätze gehandelt.

»Erzähl mir mehr«, sagte ich.

Hugh öffnete die Hände. »WWS Industries hat einen großen Holzfäller-Betrieb mit angeschlossenem Sägewerk gekauft. An die hundert feste Mitarbeiter plus externe Holzfällertrupps, die pro Saison angeheuert werden. Die Übernahme des Unternehmens erfolgte rascher als üblich. Wir alle kennen die Marktsituation. Holz ist ein begehrtes Gut. Demzufolge hat WWS auf der Stelle zugegriffen, als Hofstetter Wood am Markt angeboten wurde. Haarscharf kamen wir vor Weller Construction zum Zug.« Er zog eine Schreibtischschublade auf, entnahm eine Akte und reichte sie mir. »Leider gibt es einen Wermutstropfen. Durch den prompten Kauf wurde das übliche Prozedere nicht in vollem Umfang durchlaufen. Erst danach bemerkten unsere Buchprüfer gewisse Unstimmigkeiten in den Details, speziell in den Wareneingängen.«

»Warum treten wir nicht vom Kauf zurück?«, erkundigte ich mich.

»Hofstetter Wood fährt hohe Gewinne ein. Die abweichenden Zahlen fallen nicht maßgeblich ins Gewicht, aber natürlich müssen die Urheber des Betrugs gefunden werden. Unsere Firmenphilosophie gestattet keinerlei Abweichungen.« Hugh kratzte sich hinter dem Ohr. »Zudem würde Weller Construction sofort wieder auf der Bildfläche erscheinen. Unserem größten Konkurrenten überlassen wir freiwillig nicht einmal eine One-Man-Show-Firma, geschweige denn ein potentes Unternehmen wie Hofstetter Wood.«

Ich presste die Lippen aufeinander. Die Operation in Florida hatte mich entkräftet und ausgelaugt.

Jeder Einsatz, unabhängig vom Erfolgsgrad, forderte höchste Aufmerksamkeit und zehrte an den Energien eines Prozessoptimierers. Allein der Zeitaufwand war enorm. Durchschnittlich arbeitete man am jeweiligen Ort oft über Monate hinweg zehn bis zwölf Stunden täglich. Ein echtes Privatleben gab es nicht.

Die Phasen zwischen den Projekten – die von Hugh erwähnten vier Monate – dienten prinzipiell der Erholung, wobei man selbstverständlich auch im Headquarter seinen Aufgaben nachging. In diesen Abschnitten beschäftigte ich mich mit der Optimierung bestehender Systeme und der Erstellung neuer Konzepte. Gelegentlich hielt ich außerdem firmeninterne Schulungen ab.

Wollte ich das jetzt tun? Hier an meinem Schreibtisch sitzen, planen und skizzieren, referieren, mich alltäglich vor Cathy verstecken und hoffen, William nicht zu begegnen? In Wahrheit brauchte ich nichts dringender als körperlichen und geistigen Abstand zu meiner momentanen Misere.

Was überlegte ich also lange?

Der Schwierigkeitsgrad des Auftrags schreckte mich jedenfalls nicht ab – im Gegenteil. Je komplexer sich die Sachlage gestaltete, umso mehr musste ich mich konzentrieren und vergaß darüber hoffentlich mein Leid.

»Okay, ich bin dabei«, sagte ich und versuchte, angemessenen Enthusiasmus in meine Stimme zu legen.

Hugh lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Großartig! Ich bin wirklich erleichtert.« Er nickte versonnen. »Gern würde ich dir jemanden zur Seite stellen, schließlich handelt es sich um einen heiklen Sonderfall. Du verrichtest nicht nur die üblichen Standardaufgaben und prüfst die Eignung des amtierenden Geschäftsführers, sondern suchst zugleich nach einem Betrüger. An Prozessoptimierern stünden Samantha und Alexander zur Verfügung. Um etwaige Probleme zu vermeiden, definiere ich klar, dass du die Leitung innehast und dir zugearbeitet wird.«

Mir war bewusst, worauf Hugh mit seinem letzten Satz abzielte. Samantha war eine junge Kollegin, Alexander allerdings ein alter Hase, der sich nicht ohne Weiteres herumkommandieren ließ – Unerfahrenheit versus Routine und Wissen. Wofür sollte ich mich entscheiden?

Unvermittelt kam mir ein Gedanke. Grundsätzlich benötigte ich weder eine PO in Ausbildung noch einen Mitspieler, der jede meiner Entscheidungen hinterfragte und Begründungen wünschte.

»Wie du das Projekt beschreibst, brauche ich vielmehr eine gute Assistentin, die mit meinen Gewohnheiten vertraut ist. Ich würde Mia mitnehmen. Sie hat mich bereits einmal vor Ort unterstützt. Damals, bei dem Windpark in Oregon.«

Die Aussicht, einen nahen Menschen auf die Reise mitzunehmen, fühlte sich abgesehen von der Entfernung, die ich zwischen mich und Seattle brachte, wie das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels an.

Hugh hob den Zeigefinger. »Oregon war eine Nachkontrolle. Ihr seid nur drei Wochen dort gewesen. Hofstetter Wood erstreckt sich über mindestens vier Monate. Mias Stellenbeschreibung schließt keine derartig langen Außeneinsätze ein. Sie müsste explizit zustimmen. Dann würde die Personalabteilung einen beschränkten Sondervertrag ausfertigen. Mia erhielte für die Zeit auch ein höheres Gehalt.«

Er drückte eine Taste seiner Telefonanlage und sagte: »Mary, holst du mir bitte Mia Thompson ins Büro? Und lass im Anschluss die gesamten Hofstetter-Unterlagen in Loreleys Büro bringen. Die Übersichtsakte hat sie schon. Danke.«

Nachdem er den Druckknopf des Apparats losgelassen hatte, wies er auf den Ordner, den er mir vorhin ausgehändigt hatte. »Ethan Hofstetter war der Besitzer des Betriebs. Der Verkauf erfolgte alters- sowie krankheitsbedingt. Offenbar gibt es keine Nachfahren, die das Unternehmen weiterführen wollten. Seit der Übergabe hat Hofstetters ehemals rechte Hand die Leitung inne. Ein gewisser Logan Finnley. Wie ich erwähnte, versteht es sich von selbst, dass du ihn gesondert unter die Lupe nimmst. Zum einen könnte er durchaus der Initiator des Betrugs sein, andererseits gilt es zu erfahren, ob er sich langfristig für die Position des Geschäftsführers eignet. Einen Ersatz zu finden, wäre unter den gegebenen Umständen nicht das leichteste Unterfangen. Hat er sich nichts vorzuwerfen, wäre es besser, ihn einzuweisen als zu entfernen.«

Ich horchte auf. »Was meinst du mit ›gegebenen Umständen‹?« Da Hugh nicht sofort antwortete, schlug ich die Mappe auf und las das Titelblatt:

Hofstetter Wood

Glacy City

Bundesstaat Alaska

»Was? Alaska?«

In diesem Moment streckte Mia ihren Lockenkopf durch die Tür. »Ihr wollt mich sprechen? Was ist mit … Alaska?«

Sie musste meinen erstaunten Ausruf aufgeschnappt haben.

»Komm herein und setz dich, Mia«, sagte Hugh.

Sie nickte, nahm neben mir Platz und sah erst Hugh, daraufhin mich fragend an.

Demzufolge übernahm ich die Erklärung. »Ausnahmsweise starte ich ohne die gewohnte Pause in ein neues Projekt. Es ist umfangreich und beinhaltet heikle Aufgaben. Aus diesem Grund benötige ich eine zweite Person. Du bist mein Vorschlag.«

»Über die gesamte Spanne?«

»Jedenfalls bis Dezember«, entgegnete ich und beeilte mich, hinzuzufügen: »Sollte sich der Auftrag über Neujahr hinweg erstrecken, würden wir den üblichen Urlaub natürlich antreten und nach Seattle zurückfliegen.«

Unsere Abteilung arbeitete das ganze Jahr unter Hochdruck, aufgabenbedingt gestaltete sich die Weihnachtszeit jedoch ruhig. Deshalb schlossen sich unsere Türen vom vierundzwanzigsten Dezember bis nach Silvester.

»Bin ich denn die Richtige dafür?«, erkundigte sich Mia zaghaft.

So hatte ich meine Assistentin noch nie erlebt. Mia wirkte verwirrt und unsicher. Lag es an der für sie neuartigen Herausforderung?

»Ich habe selbst erst von dem Fall gehört und muss mich in die Details einlesen«, erwiderte ich. »De facto brauche ich jemanden an meiner Seite, dem ich blind vertraue, der Sensibilität besitzt sowie Menschen gut einschätzt und – last not least – ein Ass in Rechnungswesen und Buchprüfung ist.«

»Lass dir Zeit, Mia, und teile uns morgen deine Entscheidung mit«, sagte Hugh. »Lange Außeneinsätze liegen schließlich nicht in deinem Aufgabenbereich. Es wäre eine große Umstellung für dich.«

Mia schüttelte den Kopf. »Vielen Dank für die Frist, sie ist aber nicht notwendig. Ich bin an Bord. Wann geht es los?«

Der glückliche Ausdruck auf Mias Gesicht ließ mich aufatmen. Ich hatte sie spontan vorgeschlagen und dabei nur an mich gedacht. Dass ich sie womöglich in Verlegenheit hätte bringen können, war mir nicht in den Sinn gekommen.

Mein Blick schwenkte zu Hugh. »Wie sieht der Ablaufplan aus?«

Er seufzte. »Nun, es ist Eile geboten. In zwei Wochen erfolgt der Startschuss.«

Ich meinte, mich verhört zu haben. Die Vorbereitungsphase betrug für gewöhnlich mindestens einen Monat.

Wider Erwarten verspürte ich in meinem Inneren ein hoffnungsvolles Gefühl aufsteigen. Ich hatte die richtige Wahl getroffen. Um das Arbeitspensum zu erfüllen, würde ich mich von früh bis spät in den Job vertiefen müssen und ab sofort keine Zeit haben, über mein Dilemma zu sinnieren.

Hugh beugte sich vor. »Ihr werdet die Situation fest im Griff haben. Und aus der Ferne stehe ich euch bei.«

Mia hob die Hand und formte mit Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen. »Nun, dann auf nach … Alaska ist unser Ziel, oder?«

Alaska! Es handelte sich nicht nur um mein erstes Projekt in diesem Bundesstaat, sondern auch um das erste Unternehmen, das WWS Industries dort gekauft hatte. Demnach konnte ich auf keinen Erfahrungsbericht eines anderen Prozessoptimierers zurückgreifen.

Was wusste ich überhaupt über Alaska?

Auf der Stelle blockierte mein Gehirn sämtliche kritischen Orientierungspunkte, und die Phantasie formte verträumt wildromantische Bilder. Eine verschneite Landschaft, darin eingebettet das hübsche Kleinstädtchen Glacy City, Wälder und schier grenzenlose Weiten, prasselndes Kaminfeuer, ein zugefrorener See, auf dem Kinder Schlittschuh liefen. Freiheit und gesunde Luft, die tief in die Lunge vordrang und Kraft spendete.

Die frische Brise heizte das Flämmchen der Zuversicht in mir an und schaffte es, einen Hauch von Wärme herbeizuzaubern. Dieser Auftrag war ein Geschenk, das mir unvermutet überreicht worden war – und ich würde es nutzen, um mich wiederzufinden.

Kapitel 3

Logan

Logan Finnley schreckte hoch und stieß einen Unmutston aus. »Herrje, Julia! Musst du die Tür aufreißen wie ein wütender Grizzly? Hast du noch nie etwas von Anklopfen gehört?«

»Die Macht der alten Gewohnheit. Früher hast du meine stürmische Art sehr geschätzt. Ich wäre nicht abgeneigt, sie dir von Neuem zu demonstrieren.«

»Das Thema haben wir längst abgehakt. Erinnerst du dich an unsere zahlreichen Gespräche?«

Julia ließ sich in den Stuhl vor Logans Schreibtisch fallen. »Wie könnte ich die je vergessen! Aber mir ist langweilig, und du bist der einzige Mann in Glacy, der es mit mir aufnimmt. Die anderen Frauen hast du alle durch. Wie ich von Mat hörte, sogar den zweiten Townsend-Zwilling. Willst du nicht einsam sterben, bleibt dir nichts anderes übrig, als die Runde noch mal zu drehen – beginnend mit mir. Eventuell nistest du dich ja endlich ein.«

»Lass Suzy und Mary aus dem Spiel. Die beiden sind deine wie meine Freundinnen. Außerdem war das nicht so mit Suzy, doch das geht dich nichts an.«

Warum hatte Mat seiner Schwester von der Geschichte mit Suzy erzählt? Normalerweise war er so verschwiegen wie das sprichwörtliche Grab.

»Du fragst dich gerade, warum Mat geplaudert hat, nicht wahr?« Julia grinste breit. »Ich habe dich kürzlich mit ihr im Auto gesehen und war neugierig. Mat hat die Klappe gehalten, aber ich lese aus seiner Mimik, als würde er reden.« Sie legte den Zeigefinger auf ihren Mund. »Verrate ihm das bloß nicht.«

»Keine Sorge. Sobald du weg bist, habe ich alles wieder vergessen. Was möchtest du eigentlich hier? Sonst kommst du nie in den Betrieb.«

»Flugplancheck und Eigennutz. Mat sagte mir, du hast vor, jemanden aus Anchorage herüberzufliegen. Wann und wen? Ist er im richtigen Alter, und wie sieht er aus?« Julia zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wäre er etwas für mich, wenn du dich weiterhin verweigerst.«

Logans Blick wanderte über die Papierstapel auf dem Schreibtisch. An seinem Notizblock verharrte er. »Freitag um dreizehn Uhr zwanzig landet das Flugzeug aus Seattle. Und es handelt sich um keinen Mann, sondern um zwei Frauen. Loreley Creed und Mia Thompson von WWS Industries.«

»Oh, wie enttäuschend!« Julia schob die Unterlippe vor. »Dann soll Mat sie abholen. Gibt es bereits einen Rückflugtermin?«

»Nein. Die beiden bleiben mindestens vier Monate«, entgegnete Logan. »Sie passen Hofstetter Wood an die Konzernstruktur an. Das benötigt seine Zeit.«

Julia verdrehte die Augen. »Warum hat der alte Idiot die Firma verkauft? Um da oben in der kleinen Holzhütte mitten im Wald zu leben? Niemand braucht irgendwelche schnöseligen Fremden hier, schon gar keine Weibsbilder. Die bringen Glacy nur durcheinander.«

Logan zog die Brauen zusammen. Zwar wusste er, dass Julia den alten Idioten nicht wörtlich meinte, dennoch ärgerte ihn die Bezeichnung. Ethan Hofstetter hatte es – selbst wenn seine schlimmsten Befürchtungen zutrafen – nicht verdient, dermaßen abfällig benannt zu werden.

»Ethan ist achtundsechzig Jahre alt und seit dem Herzinfarkt nicht mehr fit. Er wollte und konnte nicht weiterarbeiten«, wies er Julia zurecht.

»Das ist allgemein bekannt, und es war auch bloß eine rhetorische Frage.« Sie klimperte mit den Wimpern. »He, nun komm schon. Es tut mir leid, Logan. Du kennst mich doch. Ich plappere ständig drauflos. Ethan ist ein toller Kerl, und ich habe ihn genauso gern wie du.« Sie beugte sich vor und musterte die Papiere, Mappen und Ordner, die Logans Schreibtisch einnahmen. »Bereitest du dich auf diese Konzern-Prinzessinnen vor?«

»Ja, und deshalb solltest du jetzt schleunigst verschwinden und mich in Ruhe lassen.« Logan zwinkerte ihr zu und zeigte Julia damit an, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war. »Oder hast du Lust, mir zu helfen?«

Abrupt sprang sie auf. »Spinnst du? Vorher zerlege ich ein Flugzeug und baue es Teil für Teil wieder zusammen – mit auf den Rücken gebundener linker Hand, wohlgemerkt.«

Logan wartete, bis Julia das Büro verlassen hatte, dann lehnte er sich zurück und schloss kurz die Augen. Den Unbekümmerten zu spielen, wobei er am liebsten auf eine Wand einschlagen würde, zerrte an den Nerven.

Tatsächlich wühlte er in den Papierbergen, um für die bevorstehende Inspektion gerüstet zu sein. Die Arbeit strengte an, doch war sie nicht der Grund für seine Verzweiflung. Durch einen puren Zufall hatte er etwas aufgespürt, das ihm selbst heute noch – Tage nach der Entdeckung – die Kehle zuschnürte.

Wegen eines unklaren Schwunds im Sägewerk hatte er sich die handgeschriebenen Rodungslisten, die von den Leitern der Holzfällertrupps geführt und jeden Abend im Büro abgegeben wurden, sowie die daraus generierten Computerlisten vorgenommen. Zwar deckten sich die in das EDV-System eingepflegten Daten mit dem Holz, das hier in der Zentrale anlangte, aber nicht mit den faktisch gefällten Stämmen.

Dabei handelte es sich nicht etwa um ein, zwei Flüchtigkeitsfehler, sondern um das regelmäßige und bewusste Verfälschen der Zahlen. Einzeln betrachtet waren die Differenzen gering und kaum zu eruieren, unter dem Strich machten sie allerdings eine bedeutende Summe aus.

Weder Ethan noch er hatten es sich je angetan, die Aufzeichnungen zu vergleichen. Wozu auch? Für die laufende Planung der Schlagkonzepte wurden stets die ordentlich aufbereiteten Unterlagen herangezogen, und eine Kontrolle aus Misstrauen gegenüber dem Mitarbeiter wäre ihnen nie in den Sinn gekommen.

Logan ballte die Hände zu Fäusten. Wenigstens war er nicht der einzige Idiot. Wenngleich es den Prüfern bei WWS Industries sicherlich nicht an grundsätzlichem Argwohn mangelte, hatten sie die knittrigen handgeschriebenen Listen, die damals von den Damen im Hofstetter-Büro mühevoll kopiert worden waren, wohl ebenfalls ignoriert und wussten somit nichts von den Ungereimtheiten. Insofern war er ihnen einen Schritt voraus.

Unter Hochdruck hatte er es geschafft, die vergangenen sechs Jahre zu durchforsten, und war auf den Beginn der fingierten Einträge gestoßen. Sie tauchten zum ersten Mal vor knapp zwei Jahren auf – jene Phase, in der im Betrieb Chaos geherrscht und sich letztlich alles verändert hatte.

Betrug! Diebstahl! Wie ein höhnendes Monster hatten sich diese Worte in Logans Kopf festgesetzt und seinen Glauben an ein ehrliches Miteinander über den Haufen geworfen. Dabei baute das System von Hofstetter Wood doch genau darauf auf. Eine Gepflogenheit, die in Alaska nicht allein im Geschäft gebräuchlich war. Ohne gegenseitige Hilfe und Unterstützung bestand man in dieser rauen Gegend sogar im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht. Technische Errungenschaften erleichterten den Menschen vieles, trotzdem blieben genug Hürden übrig, die es gemeinsam zu nehmen galt.

Unwillkürlich stöhnte Logan auf. Er hatte unten angefangen, und körperlich schwere Tätigkeiten im Sägewerk und in den Camps waren ihm nicht fremd. Schon als Teenager und später während des Studiums in Anchorage hatte er jede freie Minute in der Firma gearbeitet und war nach seinem Abschluss erst Ethans Schüler, dann sein Stellvertreter geworden.

Als sein Mentor vor zweieinhalb Jahren einen Herzinfarkt erlitten hatte, waren sie gezwungen gewesen, umzuorganisieren. Ethan hatte fortan nur noch einige organisatorische Bereiche betreut, ihm selbst war die Leitung sämtlicher operativer Angelegenheiten übertragen worden. Schlagartig war dadurch eine Flut an neuen Pflichten über ihn hereingebrochen, die in Ethans endgültigem Rückzug und dem damit verbundenen Verkauf gipfelten.

Seitdem jonglierte Logan ohne Unterlass mit der Zeit, um alle Aufgaben zu bewältigen. Das Unternehmen war an der Spitze schlank – um nicht zu sagen: spindeldürr – aufgebaut und der Verlust eines Mannes kaum zu kompensieren.

Handelte es sich um einen Zufall, dass exakt in der Umbildung begonnen worden war, Holz zu stehlen?

Neben den ursächlichen Nachforschungen hatte Logan eine geheime Liste angefertigt, wer alles in das Verbrechen verwickelt sein könnte. Folgte er seinem inständigen Wunschdenken, standen die beiden größten saisonalen Holzfällertrupps unter der Leitung Brian de Corts und Frank Smith’ an erster Stelle – Frank vor Brian. Frank war eine zwielichtige Gestalt, deren Personalakte gähnende Leere aufwies.

Warum Ethan ausgerechnet mit diesem Mann vor zwei Jahren einen Vertrag abgeschlossen hatte, war Logan bis heute schleierhaft geblieben. Nun würde das Unterfangen allerdings einen Sinn ergeben.

Es führte ihn auf der Verdächtigenliste direkt zu Ethan Hofstetter selbst, und damit langte er unweigerlich auch bei den im Betrieb beschäftigten Glaciern an – den fest angestellten Holzfällern und Sägewerksarbeitern bis hinauf zum Leiter des Sägewerks, Robert Bley, dem Chef der hiesigen Holzfäller, Charly Carven, und den beiden Damen im Office: Hilary Montgomery und April Fitzgerald.

Logan spürte, wie sich seine Fingernägel durch die Muskelanspannung in die Haut gruben, und lockerte die geballten Hände. Eine dieser Personen stand nicht bloß unter Verdacht. April Fitzgeralds Name prangte auf der sonst noch leeren Liste der fest an dem Diebstahl Beteiligten. Sie erhielt die Rodungslisten und gab die Daten in den Computer ein. Sie betreute die Buchhaltung. Sie kannte den gesamten Bereich inklusive aller Zusammenhänge.

Vertrauen durfte Logan nun jedenfalls niemandem mehr und musste die Kenntnis um die Abweichungen vorerst eisern für sich behalten.

Die Anwesenheit Loreley Creeds und ihrer Assistentin Mia Thompson von WWS Industries würde ihm demzufolge eigentlich als Lichtblick erscheinen, läge die Schlinge nicht auch um seinen eigenen Hals. Seine Reputation basierte auf nichts als dem eigenen Wort, nicht in die Straftat involviert zu sein.

Prompt konnte die Angelegenheit auf ihn zurückfallen, tätigte er einen einzigen falschen Schritt. Die Gefahr schlich sich nämlich zu allem Übel sogar auf zwei Ebenen an.

Glaubte Loreley Creed ihm, nichts mit dem Diebstahl zu tun zu haben, gerieten auf der Stelle seine Versäumnisse als Geschäftsführer in den Fokus. Dass er unverschuldet in dieser Situation gelandet war und trotz der Umstände Großartiges leistete, zählte – wenn überhaupt – bloß peripher. Unter seiner Führung geschah schließlich ein Verbrechen.

Noch schlimmere Probleme ergaben sich für ihn aus der anderen Variante: Loreley Creed zweifelte an, dass er nichts von dem Betrug wusste. An die daraus resultierenden Schwierigkeiten durfte Logan erst gar nicht denken.

Zum wiederholten Mal formte sich in seinem Kopf die zermürbende Gretchenfrage, wie er weiter vorgehen sollte. Verschwieg er die Probleme und suchte auf eigene Faust nach ihrer Herkunft, oder legte er sie von Beginn an offen dar?

Großkonzerne wie WWS Industries achteten nicht auf Einzelschicksale und Hintergründe. Fakten und Zahlen gaben den Ausschlag. Ohne Rücksicht auf Schuld oder Unschuld würden sie in einer Sache wie dieser zuallererst die Führung – also ihn – austauschen und jemanden von WWS auf den Stuhl setzen. Dessen war er sich gewiss.

Mit einem Seufzer strich sich Logan über die Stirn. Hätte er nur mehr Zeit zur Verfügung, könnte er ohne Einschränkung ermitteln. Loreley Creed klopfte jedoch bereits an die Tür und würde ihn mit ihrer Anwesenheit so oder so in arge Bedrängnis bringen.

Er verfluchte diese Frau schon jetzt.

Kapitel 4

Loreley

Ich zog den neuen Kaschmirmantel enger um den Körper und dankte mir im Stillen für die Entscheidung, ihn nicht in den Koffer gepackt zu haben. Zwar hatten sich der Mantel und die – ebenfalls neuen – Wildlederstiefel bei der milden Temperatur und Sonnenschein in Seattle seltsam angefühlt, erwiesen sich hier allerdings als gute Dienstleister.

Es war kalt, der Himmel präsentierte sich grau in grau, zudem blies ein eisiger Wind.

Mia, die neben mir stand, schien es nicht anders zu ergehen. Dabei hatte sie sich sogar für eine Herbstdaunenjacke sowie knöchelhohe Lammfellboots entschieden – und das mitten im September.

Ein Mann trat aus dem gelben Containerhaus und schlenderte auf uns zu.

»Ms. Creed, Ms. Thompson?«

»Ja, ich bin Loreley Creed. Das ist meine Kollegin, Mia Thompson.« Ich streckte ihm die Hand entgegen und starrte einen Moment zu lang in seine Augen. Hatte ich jemals zuvor ein dermaßen intensives Blau gesehen? Der Baumwollpullover im gleichen Ton, den der Mann trug, brachte die Farbe noch intensiver zum Strahlen.

Ehe ich mich in diesem tiefen Bergsee verlor, kam mir ein zweiter Gedanke: Jeans, nur ein dünner Pulli – war ihm nicht kalt?

»Ich bin Mat Hennings, Ihr Pilot, und fliege Sie nach Glacy City.« Er musterte mich mit einem abwägenden Blick. »Sie frieren. Beeilen wir uns zum Flugzeug. Es hat eine Heizung.« Dann wandte er sich Mia zu und schenkte ihr ein Lächeln, das selbst mich als Beobachterin verzauberte.

Trotz des Unglückskokons, in dem ich mich befand, schlugen meine Sensoren an. Wenigstens war ich wegen William nicht blind geworden und erkannte, wenn es zwischen zwei Menschen knisterte – das tat es bei Mia und diesem Mat Hennings jedenfalls.

»Welches ist Ihr Flugzeug?«, fragte ich.

»Keines von denen. Wir müssen dorthin.« Mat zeigte auf das Meer, wo drei Flugzeuge neben einem Steg in den Wellen schaukelten. »Glacy City hat keine eigene Landebahn, aber es liegt direkt am Timbersee.« Wie selbstverständlich nahm er meinen und Mias Koffer und setzte sich in Bewegung. »Glacy lebte schon immer von der Holzfällerei«, erklärte er. »Früher wurden die Stämme mit Lastkähnen über den See zum Verarbeiten auf die andere Seite transportiert. Deshalb heißt er Timbersee. Ethan Hofstetters Urgroßvater hat den Überfahrten ein Ende bereitet, indem er in Glacy ein Sägewerk baute. Jede Generation hat es vergrößert. Nun ist es von Ihrer Firma gekauft worden.«

Seine Stimme klang freundlich und beschwingt, ohne bitteren Unterton.

»Sie kennen die Geschichte der Gegend und des Betriebs, Mr. Hennings«, antwortete ich. »Sind Sie in Glacy City aufgewachsen?«

»Mat, bitte. Und ja, bin ich.« Er betrachtete mich von der Seite. »Ihre Kleidung ist hübsch und elegant, Sie werden jedoch andere benötigen.«

Auch in diesem Satz entdeckte ich keine negativen Schwingungen. Mat war bloß höflich und – für mein Empfinden – eine Spur zu unverblümt.

»Ich habe einen Daunen-Parka eingepackt«, entgegnete ich knapp.

»Ob der ausreichen wird? Ich habe gehört, Sie würden einige Monate bei uns bleiben. Bald wird es richtig ungemütlich. Unsere Jacken sind vielleicht nicht so schön wie Ihre, aber wärmer, vermute ich mal.« Mat zeigte auf meine Stiefel. »Und mit denen brechen Sie sich schneller einen Fuß, als Sie bis drei zählen. Sobald es regnet oder schneit, brauchen Sie ordentliches Schuhwerk. Nur wenige Straßen in Glacy sind asphaltiert.« Sein Blick schwenkte zu Mias Boots. »Die sind für jetzt okay. Später fällt Ihnen oben der Schnee rein.«

Mia schien Mats Begutachtung ihrer Schuhe nicht zu stören. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie seine Aufmerksamkeit genoss. Sein eingängiges Lächeln hatte wohl wahrlich jeden Bann gebrochen.

Mit einem Schmunzeln erwiderte sie: »Wir sind keine Weichlinge. Ein bisschen Kälte und Nässe erschüttert uns nicht.«

Er präsentierte eine gekünstelt ernste Miene. »Warten Sie es ab, Mia.«

Indessen hatten wir den Steg erreicht und hielten vor einem roten Flugzeug. Gewandt sprang Mat mit unseren beiden riesigen Koffern vom Steg auf die lang gestreckte Vorrichtung, auf der das Flugzeug schwamm, und stampfte zweimal mit dem Fuß auf. »Die Dinger nennt man floats. Sie sorgen nicht allein dafür, dass das Flugzeug auf den Wellen treibt. Bei Beschleunigung lassen sie uns durchs Wasser gleiten und aufsteigen.« Er drehte sich um, öffnete die Tür und verstaute die Koffer im Inneren des Flugzeugs, dann streckte er den Arm aus. »Kommen Sie, Loreley. Ich helfe Ihnen.«

Wie schon zuvor Mia nannte er nun auch mich mit aller Selbstverständlichkeit beim Vornamen. Und wozu sollte ich Hilfe benötigen? Es war nur ein einziger weiter Schritt vom Steg auf das Flugzeug.

Weil ich jedoch nicht abweisend reagieren wollte, ergriff ich seine Hand, streckte das rechte Bein aus und suchte Halt.

Obwohl ich durch die feine Sohle der Stiefel den gerippten Boden der Plattform spürte, rutschte ich ungehindert ab. Bevor ich überhaupt richtig begriff, in welche Lage ich mich gebracht hatte – ein Fuß auf dem Steg, der andere auf dem float –, zog mich Mat mit einem Ruck zu sich.

»Auch dafür sind diese Stiefel ungeeignet. Kein Grip und Absätze, eine schlechte Kombi«, sagte er. »Schauen Sie doch in den nächsten Tagen bei Tara Springfield vorbei und statten Sie sich angemessen aus.«

Noch während er sprach, schob mich Mat mit sanftem Druck in die Flugzeugkabine und dirigierte mich zu einem Platz. Ich schluckte das peinliche Gefühl hinunter, den mein Beinahe-Unfall hervorrief, legte den Bauchgurt an und beugte mich vor, um zu sehen, wie Mia es schaffen würde, an Bord zu kommen.

Sie stellte sich weitaus geschickter an als ich.

»Ist Tara Springfield das hiesige Damenmodengeschäft?«, erkundigte ich mich, nachdem Mat ebenfalls Platz genommen hatte.

»Tara ist unsere Frisörin und Kosmetikerin. Darüber hinaus hat sie eine Massage-Ausbildung, macht den Ladys die Nägel und veranstaltet sporadisch Yoga-Kurse. Sie führt allen möglichen Allzweckkram und Alaska-konforme Kleidung.« Er zwinkerte uns zu, dann wandte er sich ab und setzte die Kopfhörer auf.

Ich drehte mich zur Seite und blickte auf das graublaue Wasser hinaus. Gern hätte ich mich weiter mit Mat unterhalten und ihm Fragen gestellt. Fast nur unbefestigte Straßen und ein Laden mit Allzweckkram, dessen Inhaberin ein Beauty-Allroundgenie zu sein schien? Wie groß – oder klein – war Glacy City?

Meine Gedanken glitten zu der kurzen Vision zurück, die ich in Hughs Büro gehabt hatte. War ich mit der Vorstellung der Kleinstadtidylle im Schnee zu weit gegangen?

Wie vorherzusehen gewesen war, hatten Mia und ich von früh bis spät mit den Vorbereitungen zu tun gehabt und keine Minute geopfert, um uns explizit mit dem Thema Alaska zu beschäftigen. Demnach beschränkten sich meine Weisheiten auf Erinnerungen aus der Schule und allgemeine Informationen, die jeder interessierte Bürger kannte.

Alaska war der nördlichste Bundesstaat der USA und grenzte an den Arktischen Ozean, der Polarkreis führte hindurch, die Winter waren kalt und dunkel. Bei vergangenen Wahlen hatten die Einwohner Donald Trump vorgezogen und Barack Obama seinerzeit verschmäht. Obama befand sich damit in guter Gesellschaft mit Bill Clinton, Jimmy Carter und JFK.

Mein Vater, Lehrer für Literatur und Geschichte, hatte es sich nicht nehmen lassen, mir beim Abschiedsbesuch den Kauf Alaskas von Russland näherzubringen. Bereits beim Übergabedatum – 6. Oktober 1867 nach dem julianischen Kalender, und 18. Oktober 1867 nach dem gregorianischen Kalender – war er jedoch hängen geblieben und zu seinem Lieblingsthema geschwenkt: der europäischen Geschichte. Jetzt wusste ich zwar alles über Julius Caesars Bestrebungen, einen sinnvollen Kalender für das Römische Reich zu erstellen, allerdings keinen Deut mehr über Alaska – das wirkliche Alaska. Nun, in Kürze würde ich ohnehin live in das Leben hier eintauchen.

Ich ließ den Kopf kreisen, um die plötzliche Verspannung in meinem Nacken zu lösen. An ihr trug nicht mein Vater mit seinen Kalender-Ausschweifungen Schuld, sondern das darauffolgende Gespräch mit meiner Mutter.

Kaum war Dad nach dem Mittagessen in seinem Studierzimmer verschwunden gewesen, hatte sie versucht, mich über William auszuhorchen, und ein wahres Gefühlspotpourri über mir ausgegossen.

Was hatte ich anderes erwartet, nachdem ich mit einem einzigen Satz notgedrungen die Trennung von William erwähnt hatte?

Von jeher war meine Mutter ein emotionaler Mensch, deren Empfindungen sich ohne allzu große Empathie für ihr Gegenüber Luft verschafften. Nach einem Dreh von Entrüstung zu Mitleid war sie rasch bei einem ihrer bevorzugten Themen gelandet: meinem Beruf. Ihres Erachtens war er nicht mit einer funktionierenden Beziehung in Einklang zu bringen. Ich würde diesen Umstand verdrängen und damit das traditionelle System der Familie zum Tode verurteilen. In ihrer blumigen Sprache verwendete sie manchmal sogar Ausdrücke wie »zum Schafott führen« oder »am Galgen baumeln lassen«.

Meine Mutter irrte sich. Weder schob ich etwas beiseite, noch stellte ich meine Tätigkeit höher als Liebe, Partnerschaft und später Kinder.

Natürlich verlief ihr Alltag mit Dad anders, als es meiner mit William getan hatte. Sowohl William als auch ich verfolgten unsere Karrieren und waren zeitweise voneinander getrennt gewesen – William unternahm nicht seltener Geschäftsreisen als ich. Meine waren bloß am Stück länger.

Was ich allerdings durchaus verdrängen wollte, war der Grund für das Ende. Hätte es nur an meinem Job gelegen! Dann würde ich auf eine sachliche Ebene zurückkehren können und meine Position hinterfragen dürfen. So aber steckte ich inmitten einer unfassbaren Situation fest und war verwirrt – furchtbar verwirrt.

Automatisch zogen sich meine Brauen zusammen. Oberstes Gebot war, mich nicht ständig in der Abwärtsspirale meines momentanen Zustands zu verfangen und die Arbeit weiterhin strikt von meinem Privatleben zu separieren. Es handelte sich um zwei Paar Schuhe, die nicht zueinanderpassten.

Schuhe!, schoss es mir durch den Kopf. Warum sollte ich mir bei dieser Tara neue Schuhe und eine geeignetere Jacke kaufen? Was bildete sich dieser Mat eigentlich ein? Es stand ihm nicht zu, mir das vorzuschlagen.

Abgestimmt auf die geografische Lage und das jeweilige Zielunternehmen kümmerte ich mich stets um eine adäquate Garderobe. Für Florida etwa hatte ich selbstverständlich sommerliche Kleidung gewählt, war jedoch auch nicht in Hotpants, bauchfreien Trägershirts und Flipflops herumgelaufen. Schließlich repräsentierte ich WWS Industries und hatte für ein angemessenes Gesamtbild zu sorgen. Wegen Alaska würde ich von meiner Vorgehensweise nicht abrücken. Wintergewand ja, Polarexpedition-Style nein.

Abrupt richtete ich mich in meinem Sitz auf. Was dachte ich da gerade? Mat Hennings hatte seine Meinung vielleicht zu unverhohlen dargebracht, darüber hinaus war nichts Verwerfliches in ihr zu finden gewesen. Warum ärgerte ich mich also über ihn?

Mat war unser Pilot und hatte nicht ursächlich mit unserem Auftrag zu tun, doch er gehörte zum Kreis meines aktuellen Umfelds.

Trenne die Arbeit von deiner privaten Misere!, ermahnte ich mich abermals.

Kapitel 5

Logan

»Schau dir das an!« Julia wischte sich die öligen Finger an ihrem blauen Overall ab und stieß einen geringschätzigen Laut aus. »Hat die große Blonde ein Hüftleiden oder sonst irgendeine Behinderung? Noch nie habe ich gesehen, dass Mat jemanden vom float auf den Steg hebt. Ist mein Bruder geistesgestört?«

»Womöglich ist Mat über Nacht zum Galan geworden«, sagte Logan schmunzelnd und fügte hinzu: »Oder er will nicht, dass sie mit ihren Stiefelchen ausrutscht und im Wasser landet. Er müsste hinterherspringen.«

»Bullshit. Mein geliebter Bruder baut vor, weil er sie später in die Waagrechte befördern möchte. Hast du keine Augen in deinem Schädel? Sie ist heiß.«

»Heiß oder nicht, die Kleinere mit dem kreisrunden Engelface ist mehr sein Typ.« Logan rümpfte die Nase.

Welche von ihnen wohl Loreley Creed war?

Wenngleich er sich eigentlich bereits entschieden hatte, über die von ihm entdeckten Unstimmigkeiten in den Büchern vorläufig zu schweigen, hatte er sich eine letzte Chance zur Umkehr gegeben. Eindruck und Intuition sollten entscheiden.

Nun kamen die beiden Frauen direkt auf ihn zu, und er war ratloser als zuvor. Allein auf Basis der Berufsbezeichnung – Prozessoptimierer – hatte er ein Bild erschaffen, das von der Realität so weit entfernt lag wie ein sonniger Sommertag von der dunkelsten Winternacht.

Julia hatte die eine Frau als heiß bezeichnet. Der Begriff traf die Wahrheit nicht annähernd. Auf Anhieb fielen Logan bessere Charakterisierungen ein: bezaubernd, anmutig, elegant. Doch allemal registrierte er auch die Kehrseite. Das lange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz im Nacken gebunden, Mantel, Handtasche und Stiefel im exakt gleichen Beigeton: städtisch und steif. Wie sie nur über den Steg trippelte, offensichtlich darauf bedacht, mit den Stöckeln nicht in eine Ritze zu geraten.

Wenigstens wirkte die andere Frau, das Engelface, wie ein netter, normaler Mensch – den Mund sichtlich bereit zum Lächeln, freundliche, runde Augen. Mit ihr würde er eventuell reden.

Warum – verdammt nochmal – habe ich mir kein ordentliches Hemd für den Empfang angezogen? Ich bin der Geschäftsführer Hofstetter Woods und präsentiere mich im Wandertour-Outfit, dachte Logan unvermittelt und setzte dem entgegenhaltend eine selbstsichere Miene auf, als die beiden Frauen bei ihm anlangten.

»Willkommen in Glacy City. Ich bin Logan Finnley.« Er streckte die Hand aus und begrüßte die beiden.

»Und ich Julia Hennings«, sagte Julia so rasch, dass keine etwas erwidern konnte. »Mechanikerin, Pilotin und die Schwester dieses Rüpels.« Sie wies auf Mat und grinste breit. »Meine Hand schütteln Sie besser nicht. Sie ist ölig, weil ich gerade unter unserem zweiten Flieger gelegen habe.«

Mat schickte Julia einen warnenden Blick. »Entschuldigen Sie meine Schwester. Zurückhaltung ist nicht ihr Ding. Logan, darf ich vorstellen? Loreley Creed und ihre Assistentin Mia Thompson.«

»Wir freuen uns, hier zu sein. Sehr angenehm«, antwortete Loreley.

Waren die Gesichtsmuskeln dieser Frau gelähmt, oder besaß sie keine Mimik? Sich über etwas zu freuen, sah wahrlich anders aus. Logan unterdrückte ein Seufzen. Warum konnte nicht die andere die Chefin sein? Das kurze, hoffnungsvolle Aufwallen, sich vielleicht doch zu offenbaren, erlosch damit jäh.

Er hüstelte. »Ich bringe Sie jetzt in Ihr Quartier. Auf dem Weg zeige ich Ihnen die wichtigsten Plätze der Stadt.« Schnell machte er einen Schritt nach vorn und nahm die beiden Koffer.

»Soll ich euch begleiten?«, fragte Mat.

Logan musterte seinen Freund. Julia hatte vermutlich tatsächlich recht. Zumindest eine der beiden ließ ihn in gewissen Zukunftsvisionen schwelgen. Verwirrungen dieser Art fehlten ihm gerade noch.

»Nein, danke. Ich komme allein klar.« Abrupt wandte er sich ab und ging zu seinem Auto.

Während er das Gepäck im Kofferraum verstaute, hörte er Mat sagen: »Logans Jeep ist für unwegsames Gelände umgebaut, deshalb die riesigen Reifen. Die Trittbretter fehlen. Warten Sie …«

Durch die Scheiben beobachtete Logan, wie Mat erst Loreley und dann Mia abermals hochhob und ihnen in den Wagen half.

Um der albernen Don-Juan-Demonstration ein Ende zu bereiten, eilte Logan zur Fahrerseite und stieg ein.

»Zeig den Damen Taras Shop!«, rief Mat ihm zu und winkte.

Logan reagierte nicht, startete den Motor und fuhr los. Obwohl sich der Hauch eines schlechten Gewissens gegenüber Mat regte, blieb er missmutig und ärgerte sich über seinen Freund.

Loreley Creed und Mia Thompson waren keine Feriengäste, die sich an der Natur ergötzen und wandern gehen wollten oder eine Affäre in der Wildnis Alaskas suchten. Sie waren nach Glacy gereist, um den Betrieb zu inspizieren und letztlich alles umzukrempeln. Höflich zu sein, stand außer Frage, doch musste man ihnen nicht mit überbordender Herzlichkeit entgegentreten – und schon gar nicht sollte man danach trachten, sie ins Bett zu kriegen.

Nachdem Logan das Hennings-Gelände hinter sich gebracht hatte, sagte er: »Wenn Sie gleich zum Friseur möchten, setze ich Sie direkt bei Tara ab.«

»Oh nein, danke. Das ist ein Missverständnis«, erwiderte Loreley. »Mat hat mir nur empfohlen, meine Garderobe an die hiesigen Wetterverhältnisse anzupassen. Ich denke jedoch, ordentlich ausgerüstet zu sein.«

»Wie Sie meinen.« Logan schwieg, bis er das angrenzende Waldstück passiert hatte, und zeigte auf einen Berg in einiger Entfernung. »Dort ist unser aktuell größtes Rodungscamp stationiert. Dahinter verläuft die Gletscherzunge. Es handelt sich um einen kleinen Gletscher, dennoch ist er beeindruckend und einen Ausflug wert.« Er nahm die Hand vom Lenkrad und drehte die Innenfläche nach oben. »Natürlich nichts gegen den Malaspina, der liegt unten an der Pazifikküste und ist, soweit ich weiß, der größte Gebirgsgletscher der Welt, zumindest außerhalb der polaren Zone.«

»Stammt daher der Name Ihrer Stadt: Glacy City?«, fragte Mia.

An ihrer Stimmlage erkannte Logan Mias ehrliches Interesse. Sie erkundigte sich nicht der Höflichkeit halber. In diesem Fall antwortete er gern. »Ganz genau. Vor Generationen hieß der Ort noch Glacier City, aber irgendwann wurde daraus Glacy City oder einfach Glacy. Haben Sie jedoch keine falschen Vorstellungen. ›City‹ ist deutlich zu hoch gegriffen. Und hier ist sie auch schon, die Stadt in der Nähe des Gletschers.«

Logan bog in eine Straße ein, und nach einigen Bäumen tauchten die ersten Gebäude auf. »Das ist bereits die Hauptstraße. Hier befinden sich die wichtigsten Einrichtungen Glacys: der Lebensmittelladen, da vorne Taras Salon. Das zweistöckige Gebäude ein Stück weiter ist das Lokal und am Ende des Ortskerns Doktor Montgomerys Klinik. Die meisten Wohnhäuser sind links dahinter über den Hügel verteilt – wir haben viel Platz. Zum See hin gibt es weniger Wohneinheiten, da man vor Witterungseinflüssen nicht so gut geschützt ist – kaum Bäume, und das Gelände läuft eben aus. Einige Häuser, vornehmlich der Holzfäller und ihrer Familien, stehen zwischen dem Sägewerk und dem Zentrum.«

»Und das hier ist also das Zentrum?«

Kurz nahm Logan den Blick von der Straße und musterte Loreley. Sie sah starr geradeaus.

»Ja, so ist es«, entgegnete er. »Zum Sägewerk fährt man einfach durch. Eine zweite Straße, wir nennen sie Truck-Pfad, führt außerhalb Glacys vorbei. Sonst müssten die Transporter ständig durch den Ort.«

Noch nie hatte er darüber nachgedacht, wie Glacy auf Fremde aus einer großen Stadt wirkte. Was ging im Kopf Loreley Creeds vor, wenn sie die zumeist schlichten, vornehmlich aus Holz gezimmerten Häuser betrachtete?

Nicht alle waren während des Sommers frisch gestrichen und den sonstigen alljährlich notwendigen Renovierungen unterzogen worden. So mancher Holzbalken stand schief. Die Schrift auf dem Schild des Lebensmittelladens war nicht zu entziffern. Bei einigen Gebäuden blätterte die Farbe sogar großflächig ab und zeigte das dunkle, verwitterte Holz.

»Verlaufen werden Sie sich nicht«, murmelte er.

»Sind wirklich alle Straßen hier … so?«, fragte Loreley weiter. Sichtlich bemühte sie sich um einen neutralen Tonfall.

»Naturbelassen, aus gestampfter Erde?« Logan nickte. »Fast alle. Das letzte Stück zum Sägewerk und der Truck-Pfad ist asphaltiert.« Er hielt vor dem Lokal an und stellte den Motor ab.

Loreley drehte sich ihm zu. »Sagten Sie nicht vorhin, es handle sich hierbei um ein Restaurant? Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, doch wäre es mir lieber, zuerst das Quartier zu beziehen. Essen können wir später.«

Logan benötigte einen Moment, um zu begreifen, was sie meinte. Loreley Creed erwartete offensichtlich ein imposantes Hotel mit Rezeption, Concierge und einem Lift, der sie zu den Zimmern brachte. »Ich sagte ›Lokal‹ – Restaurant, Café, Bar und Hotel mit full service in einem. Namen hat es keinen, aber einen Billard-Tisch, Darts und einen Extraraum zum Pokerspielen.«

»Ach, schade!«, rief Mia aus dem Fond. »Vor zwei Monaten habe ich mir einen neuen Queue gekauft und ihn bisher kaum verwendet. Den hätte ich mitgenommen.«

Logan lächelte. »Wer einen Queue besitzt, spielt im Regelfall gut Billard. Ich werde Sie herausfordern, Ms. Thompson.«

»Wunderbar. Natürlich nehme ich gerne an. Machen Sie sich auf was gefasst.«

»Ich freue mich.« Logan öffnete die Wagentür und stieg aus.

Ob Loreley Creed sitzen bleiben und warten würde, bis er ihr aus dem Auto half? Bewusst ging er zuerst zum Kofferraum und entlud das Gepäck.

Als er hinter dem Wagen hervortrat, standen Mia und Loreley bereits auf der Straße. Er ergriff die Henkel der Koffer und hob sie hoch. Die Rollen waren auf dem unebenen Boden nutzlos.

Noch ehe er den Eingang erreichte, wurde die Tür aufgezogen, und im Rahmen erschien Annabell.

Logans Blick schwenkte zu Loreley. Er war gespannt, wie sie auf die Inhaberin des Lokals reagieren würde.

Annabell war nicht nur groß und kräftig, sie trug zudem eine ungebändigte Lockenmähne, die im Vergleich zu Mia Thompsons hübschen Kringellöckchen wie Medusas züngelnde Schlangen wirkten. Eine volltönige Stimme und resolutes Gebaren rundeten ihr imposantes Aussehen ab.

Annabell zeterte sofort los. »Herrgott, ich warte schon auf euch! Wo hast du dich bloß mit den Damen herumgetrieben, Logan? Die Armen haben fast vier Stunden im Flugzeug gesessen, mussten zum Wassertaxi-Airport fahren und waren daraufhin in einer fliegenden Nussschale gefangen. Sie brauchen eine Dusche und etwas Ruhe. Ihr Mannsbilder seid wirklich dümmer als ein geiler Elch. Ach was! Das wäre eine Beleidigung für jeden Elchbullen.«

Logan zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich habe sie direkt hierhergebracht.«

»Also hat Mat getrödelt. Einer wie der andere.« Annabell machte einen Schritt zurück und gab die Tür frei. »Mein Name ist Annabell Fitzgerald. Nennen Sie mich Annabell, nie Anna, Ann oder Bella.«

Zu Logans Erstaunen nickte Loreley nahezu ehrerbietig und betrat, ohne zu zögern, den Schankraum. »Ich bin Loreley Creed.«

Kurz starrte Annabell Loreley sichtlich entgeistert an, dann lachte sie laut auf. »Eine ›Gilmore‹! Meine Träume werden wahr.«

Auch jetzt benötigte Logan einige Sekunden, bis er verstand. »Oh my gosh!« An Loreley gewandt sagte er: »Sie kennen bestimmt die Serie Gilmore Girls?«

»Nein.«

Mia räusperte sich. »Eine TV‑Serie über eine Frau namens Lorelai und ihre Tochter, die gleich heißt, aber Rory gerufen wird«, erklärte sie. »Liebe, Arbeit, Schule und das Leben in einer Kleinstadt. Ich habe seinerzeit einige Folgen gesehen, die Serie ist schon ein bisschen älter. Auf Netflix läuft ein vierteiliges Serienspecial in Spielfilmlänge.« Sie drehte sich Annabell Fitzgerald zu. »Bedauerlicherweise schreibt sich unsere Loreley mit ›ey‹. Mein Name ist übrigens Mia Thompson.«

»Nun, liebe Mia Thompson, die kleine Abweichung dürfen wir getrost ignorieren.« Annabell rieb sich die Hände. »Sie liefern die Loreley und ich den Logan. Der da sieht dem jungen Mr. Huntzberger aus der Serie sogar ähnlich. Leider ist unserer sicherlich um mindestens sieben oder acht Zoll größer.«

Abwehrend hob Logan die Arme. »Mich haltet bitte raus. Ich bin weder ein Fan der Gilmore Girls, noch möchte ich mit einem Schauspieler verglichen werden.«

»Hat sich irgendwer nach deinen Wünschen erkundigt, Logan?« Annabell zwinkerte Mia zu, dann zeigte sie auf eine Tür am Ende des lang gestreckten Tresens.

»Ich bringe Sie jetzt auf Ihre Zimmer. Beim Abendessen können wir weiter über die Gilmore Girls, und was sonst so ansteht, plaudern.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Unfassbar, dass jemand die Serie nicht kennt. Das werden wir schleunigst ändern. Ich habe alle Staffeln auf DVD.«

Kapitel 6

Loreley

Sobald Annabell Fitzgerald die Tür meines Zimmers hinter sich zugezogen hatte, ließ ich mich auf das Bett fallen. Ihre Stimme klang in meinen Ohren nach, und mein Kopf schien einen Bienenstock zu beherbergen – es summte und brummte wie zur Hochsaison. Diese Flut an widersprüchlichen Eindrücken und Gefühlen kostete mich in meinem momentanen Zustand immense Kraft.

Die Arbeit hatte mich bereits an einige fremdartige Orte und zu Menschen geführt, die nicht in das übliche Business-Schema passten.

In Florida hatte der Geschäftsführer des Sonnenenergie-Unternehmens im Büro kurze Hosen und ärmellose Shirts getragen. Bei einem Exkurs in die Gegend von New Orleans war während des ganzen Tages Jazz und Blues im Office gespielt worden, und an der Grenze zu Kanada hatte ich eine Eishockeymanie miterlebt. Hitze in Arizona, Schnee in Minnesota, Cowboyhüte kombiniert mit Anzügen und Stiefeln in Texas, Coolness im Umfeld New Yorks – noch nie allerdings hatte ich ein Projekt in einem Dorf mit Straßen aus platt gewalzter Erde und barackenähnlichen Häusern zu absolvieren gehabt. Alaska bescherte mir wahrlich eine neue Dimension.

Und wie waren die ersten Menschen, die ich hier kennengelernt hatte? Eine hemdsärmelige, schmutzige Mechanikerin mit den gleichen leuchtend blauen Augen wie ihr Bruder, der mit uns gesprochen hatte, als wären wir alte Kumpels. Annabell Fitzgerald, die vom Stand weg für jeden Wikingerfilm als wehrhafte Matrone gecastet werden würde und mich mit einer Serienfigur verglich. Logan Finnley, dessen gesamtes Gehabe Skepsis und Ablehnung ausstrahlte, auch wenn er es hinter Höflichkeit und gutem Benehmen zu verstecken versuchte.

Während ich die Frauen ein wenig skurril und durchaus interessant fand – in Annabells Gegenwart hatte ich mich erstaunlicherweise darüber hinaus auf Anhieb wohl- und behütet gefühlt –, verspürte ich bei Mat und Logan unangenehme Schwingungen. Der eine nahm sich heraus, mir ungefragt Ratschläge zu erteilen, der andere behandelte mich unterschwellig wie eine lästige Fliege, die von seinem gesüßten Milchkaffee naschen wollte.

Ich stöhnte auf. Was tat ich da – schon wieder? Hatte mich Williams Vorgehen dermaßen verbittert, dass ich so übertrieben auf das Verhalten von Männern reagierte? Der Kampf, Job und Privatleben nicht plötzlich miteinander zu verknüpfen, war Herausforderung genug. Ich durfte nicht auch noch zwischen den Geschlechtern unterschiedlich werten.

Mat hatte mir einen Tipp gegeben, nichts weiter – man nannte es simpel Höflichkeit. Und Logans Misstrauen zielte nicht auf meine Person ab, sondern auf das, was ich im Auftrag von WWS Industries verkörperte.

Im Gegensatz zu mir hatte Mia völlig richtig gehandelt und uns damit vor einem desaströsen Einstieg gerettet. Sie war Mann wie Frau offenherzig begegnet und hatte sich auf der Stelle mühelos integriert. Genau so gehörte es sich. Zwar ging ich üblicherweise anders vor, als Mia es vorhin getan hatte, doch das war allein unseren unterschiedlichen Charakteren geschuldet.

Abermals entglitt mir ein Stöhnen. Im Vergleich zu ihr musste ich gewirkt haben, als hätte ich einen Besenstiel verschluckt.

Abrupt setzte ich mich auf und schwang die Beine über den Bettrand. Die Reise war lang gewesen, und zuletzt hatte ich am Morgen gegessen – zwei Bagels nebst Kaffee. Nach einer ausgiebigen Dusche und dem Abendessen fühlte ich mich sicherlich wieder besser. Dann würde ich auch mein Umfeld und die Menschen in einem freundlicheren Licht betrachten. Annabell Fitzgerald hatte schon recht gehabt, dass wir etwas Ruhe benötigten.

Ich stand auf, zog die Vorhänge zu und lief ins Badezimmer. Dieses Mal schaffte ich es, den Klagelaut zu unterdrücken. War in meinem Quartier alles rosafarben? Die Tapete, die Vorhänge, der kleine Zierteppich, die Bettdecke und nun der Waschtisch, die Toilette und die Duschwanne. Rosa passte doch überhaupt nicht zu einer Frau wie Annabell, zumindest nicht, wie ich sie kennengelernt hatte.

Warum brachte mich die Farbe der Einrichtung derart aus dem Konzept? Wäre ich mit trostlosem Braun glücklicher?

Auf einmal war ich den Tränen nah. Wenigstens würde Braun meine Stimmung eins zu eins widerspiegeln – Rosa hingegen verspottete mich förmlich. Ja, ich hatte aus Seattle flüchten wollen, und das kurzfristige Projekt war mir wie ein Geschenk erschienen. Wohin hatte mich meine spontane Zusage allerdings geführt? Mitten ins Nirgendwo, hinein in einen lieblich anmutenden Barbie-Raum und zu einer extrem schwierigen Aufgabe.

Um die Misere zu komplettieren, fehlte jetzt nur noch, dass die Brause tröpfchenweise eiskaltes Wasser spendete. Im Grunde rechnete ich sogar fest damit. Murphys Gesetz – alles, was schiefgehen kann, geht schief – hielt mich umklammert und drückte die langen, spitzen Nägel in meine Haut.

Ich entkleidete mich, blieb sicherheitshalber vor der Dusche stehen und drehte von außen den Wasserhahn auf. Augenblicklich prasselte ein dichter, weicher Schwall auf meinen Unterarm. Erst war das Wasser kalt, doch nach einigen Sekunden wurde es wohlig warm. Ich stieg in die Kabine und legte den Kopf in den Nacken.

Das Wasser spülte die Sorgen und Probleme zwar nicht fort, dessen ungeachtet beschwichtigte es sie und gab mir ein wenig Hoffnung.

Vielleicht befand ich mich am Ende der mir bekannten Welt und würde monatelang in dieser mädchenhaften Barbie-Welt leben, aber das Zimmer war penibel sauber und geräumig. Die Art der Menschen war gewöhnungsbedürftig, bis auf Logan Finnley steckte jedoch nichts Ablehnendes in ihrem Verhalten. Und mein Auftrag? Er beinhaltete schwierige Zusätze, allerdings hatte ich bereits andere Hürden gemeistert und war erfolgreich nach Seattle zurückgekehrt. Warum sollte es mir hier nicht ebenfalls gelingen, Resultate zu erzielen? Meine Erfahrung und Mia standen mir zur Seite.

Ich brauchte mich bloß auf die Gegebenheiten einzustellen und durfte keinen Millimeter von meinem professionellen Vorgehen abweichen. Vor allem galt es, William aus meinen Gedanken zu verbannen.

Nun löste sich doch eine Träne aus dem Augenwinkel und rann über mein Gesicht. Das Wasser wusch sie weg und nahm das salzige Tröpfchen wie eine symbolische Geste mit in den Abfluss.

Als ich schließlich den Hahn zudrehte und aus der Dusche stieg, fühlte ich mich tatsächlich deutlich besser.

Ich schlang ein großes – rosafarbenes – Badetuch um meinen Körper und taxierte mich im Spiegel. Die dunklen Schatten unter den Wangenknochen traten stärker hervor als am Morgen. Es musste an der Reise liegen oder an dem hellen Licht, das mich von der Decke beleuchtete.

Normalerweise zählte zu meinen ersten Handlungen an einem neuen Ort, auszupacken und mich häuslich einzurichten. Im Laufe meiner Reisen war dies zu einem Ritual geworden, das ich heute allerdings durchbrechen würde.

Weder war ich zu faul noch zu hungrig – es lag an den Fotos. Drei aus der gerahmten Bildersammlung, die ich stets mitnahm, weil sie mir Heimeligkeit vermittelten, fehlten. Ein Porträt von William, William und ich im Abendrot an einem Sandstrand, Cathy mit mir am Unicampus auf einer Parkbank sitzend.

Ich verließ das Badezimmer, öffnete den Koffer, zog die Toilettentasche heraus und ging zurück. Erst föhnte ich mir das Haar, dann legte ich ein dezentes Freizeit-Make‑up auf. In Seattle schminkte ich mich auf diese Weise für sportliche Aktivitäten, hier erschien es mir genau richtig – weniger ist in manchen Fällen mehr. Abgerundet mit Jeans, einem schwarzen Pulli und Turnschuhen fiel ich in der Gaststube bestimmt nicht auf. Wahrscheinlich besuchten ohnehin kaum Menschen das Lokal – es war Montag. Wer traf sich am Wochenanfang, wenn er keine Verpflichtung hatte?

Gerade als ich nach dem Handy griff, um Mia anzurufen, klopfte es an der Tür. Entweder Annabell Fitzgerald holte uns zum Abendessen ab, oder Mia war meinem Telefonat zuvorgekommen.

Ich öffnete und empfing eine strahlende Mia in einem roten Wollkleid, das ihre Rundungen betonte. Neben ihr sah ich aus wie eine graue Maus.