Fiona: Eine fremde Welt - Miamo Zesi - E-Book

Fiona: Eine fremde Welt E-Book

Miamo Zesi

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Beschreibung

Gezeichnet durch ein tragisches Ereignis kommt Fiona in die Privatklinik von Jonathan, einem Milliardär, am Genfer See. Jonathan ist ein guter Freund ihrer Brüder Steven und Peter. Er führt Fiona langsam und manchmal auch etwas ungeduldig zurück ins Leben. Er verheimlicht seine sexuellen Vorlieben nicht vor Fiona, will sie aber auch nicht damit überfordern. Jonathan bittet Fiona, sich mit SM auseinanderzusetzen und ihm ihr Vertrauen zu schenken. Das Vertrauen, das er benötigt, um sie in seine für sie fremde Welt einzuführen. Es ist aber auch die Geschichte von Emely und Milan, die ganz am Beginn ihrer jungen Liebe stehen.

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A STRANGE WORLD

Fiona

 

Ein Roman von Miamo Zesi

 

Copyright

 

 

 

© Rechte was Schrift, Wort und Bild angeht, liegen

Ausschließlich bei Miamo Zesi.

www.miamo-zesi.de

Obere Ghaustrasse 13

88433 Schemmerhofen

Namen und Handlungen sind alle fiktiv und haben mit keinen Personen oder Plätzen etwas gemeinsam.

Copyright

D-Design Cover Art

 

ISBN-E-Book: 978-3-947255-67-2

ISBN-Print: 978-3-947255-68-9

 

 

Miamo Zesi

2021

Widmung

 

 

Eine Liebe, die die Dunkelheit überwindet, ist eine Kraft, die nicht zu unterschätzen ist.

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Erpressung3

Jonathan5

Jonathan15

Fiona24

Am Genfer See32

Alannah42

Alannah59

Ankunft66

Therapiebeginn73

Thomas und Alannah82

Überwinden der Angst88

Jonathan95

Fiona105

Jonathan111

Hochzeit117

Weihnachten125

Jonathan133

Fiona140

Tanja149

Jonathan153

Tanja159

Marc177

Fiona181

Jonathan188

Fiona208

Der besondere Gast221

Jonathan235

Fiona238

Ereignisreicher Kurzbesuch243

Marc und Tanja257

Sonntag in Italien261

Milan264

Milan und Emely270

Fiona278

Milan280

Steven289

Milan293

Jonathan294

Milan298

In Genf am Morgen302

Jonathan304

Emely309

Session mit Marc311

Jonathan320

Fiona am anderen Morgen325

Loslassen und Vertrauen – Emely329

Freitagabend329

Fiona333

Peter337

Milan341

Die Verhaftung347

Jonathan350

Fiona354

Die Geier367

Fiona368

Fiona370

Zwei Jahre später372

Wie es mit Emely und Milan weitergeht ...375

Emely378

Milan379

Leseprobe:394

An einer einsamen Landstraße im nirgendwo394

Autorin

 

»Miamo Zesi« ist das Pseudonym einer Autorin aus dem schwäbischen Biberach. Dort lebt sie mit ihrem Mann, zwei erwachsenen Kindern und dem Hund Mex. Sie liebt lange Spaziergänge im Wald. Dabei fallen ihr die Geschichten zu ihren Büchern ein. Mit der Reihe „A Strange World“ einem BDSM-Roman, hat sie mit dem Schreiben begonnen und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Wer sie fragt, warum sie schreibt und gerade BDSM oder ihre Gay-Romane, meint sie nur: „Keine Ahnung – weil es Spaß macht.“

Sie wünscht viel Freude mit den Geschichten!

 

Hinweis:

Dieser Roman enthält ausgedachte, fiktive Sexszenen. Sie sind nicht für Minderjährige geeignet und keine Handlungsanleitung. Einen Rat allerdings sollte jeder beherzigen:

Sei safe, mach es mit Kondomen!

 

Anmerkung der Autorin

 

Dieses Buch ist ein fiktiver Roman. Entstanden aus meiner blühenden Fantasie und der Muse, die mir netterweise immer wieder solch tolle Geschichten zuflüstert.

Das Geschehen in dem Roman ist wie gesagt ausschließlich nur meiner Fantasie entsprungen und passt alleine für mich zur Geschichte und Dramatik.

Dieser Roman ist genau das. Eine Geschichte. Bitte nehmt nicht alles, was ich geschrieben habe, ernst. Vieles davon wird in der heutigen vernetzten und digitalen Zeit nicht funktionieren. Bücher laden zum Träumen ein und nicht alles, was geschrieben ist, kann oder wird jemals so geschehen. Lasst euch in meine Welt der Fantasie mitnehmen und begeistern!

Erpressung

»Hallo Herr … Sie dürfen nicht einfach so unangemeldet hineingehen! Warten Sie!« Ich lasse mich nicht aufhalten und drücke die Klinke nach unten, um zu Jonathan ins Büro zu gehen. Sie will mich zu Recht daran hindern, was ich absolut verstehe, aber ich bin verzweifelt. Bevor ich etwas sagen kann, ruft seine Sekretärin ihm zu: »Entschuldigen Sie, Doktor, er ist an mir vorbeigestürmt, ich habe bereits den Sicherheitsdienst benachrichtigt.« Entrüstet schaut sie auf mich, den ungehobelten Besucher. Wenn ich so aussehe, wie ich mich fühle, kann es nur schrecklich sein. Jonathan entschärft die Situation. Was mich zumindest für den Moment beruhigt.

»Es ist gut, Elena, ich komme zurecht. Sie können ihn abmelden, mir ist dieser stürmischen Gast bekannt.« Als sie nach draußen geht und die Türe sich schließt, steht Jonathan auf.

»Meine Güte, Steven, was ist passiert? Du siehst derart scheiße aus, dass ich es mit der Angst zu tun bekomme. Ist etwas mit Beth geschehen?!« Da ich mit den Nerven am Ende bin, lasse ich mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen und lege ihm eine schwarze Mappe auf den Tisch, begleitet mit den Worten: »Jonathan, ich benötige deine Hilfe, nochmals deine Unterstützung, und dieses Mal, ohne dass ich einen Bonus habe und sofort. Ehrlich, ich brauche deinen verdammten Beistand.«

Jonathan

Er bricht förmlich vor mir zusammen. Hält die Hände vor sein Gesicht. Wirkt auf mich verstört. Bevor ich etwas sage, schaue ich ihn mir genauer an, er ist schlecht gekleidet, blass, übermüdet, hatte längere Zeit keine Rasur, Sorgenfalten. Er sieht um Jahre älter aus. Hier stimmt etwas überhaupt nicht.

»Steven, was ist geschehen, und willst du etwas trinken? Du siehst mir aus, als ob du gleich vom Stuhl fällst.«

»Wenn du was Hochprozentiges hast, sage ich nicht Nein.« Während ich ihm einen alten Whiskey einschenke und ihm reiche, überlege ich, ob mit Peter alles in Ordnung ist. Wir sind regelmäßig in Kontakt. Allerdings die letzten Wochen nicht, fällt mir auf. Er hat zwei Termine abgesagt. Es wird doch hoffentlich nichts mit ihm sein?

»Steven, sag, was ist los? Ist mit Peter etwas geschehen?« Auch wenn ich neugierig bin, lasse ich die Akte noch liegen, will von Steven aufgeklärt werden. Mit seinen nächsten Worten allerdings habe ich nicht gerechnet.

»Wir wurden erpresst.« Ruckartig sehe ich zu ihm auf.

»Wen meinst du mit wir?«

»Peter, ich, unsere Familie.« Beklommen schaue ich auf die Akte und frage ihn mit einem unguten Gefühl im Bauch: »Mit was?« Stevens nächstes Wort ist geplagt von seiner Pein: »Fiona.« Ich blicke ruckartig auf. Mein Freund sieht mich mit einem derart gequälten Gesichtsausdruck an, dass mir schlecht wird. Leise, seine Hand hat das Glas krampfhaft umschlossen und das zeigt mir, wie sehr ihn dies belastet, sagt er: »Fiona ist Anfang Januar entführt und schwer misshandelt worden. Sie wollten Lösegeld, alles musste streng geheim bleiben. Keine Polizei. Wir haben das Geld, ohne überhaupt auch nur zu überlegen, in voller Höhe und zum geforderten Termin übergeben.« Er sieht mich nun an. »Aber sie haben Fiona trotzdem nicht sofort freigelassen. Sie war über vier Wochen in ihrer Gewalt.« Steven laufen die Tränen an den Wangen herunter. »Diese Schweine haben sie geschlagen, ihr Gewalt angetan, sie vergewaltigt. Sie liegt nun im Krankenhaus, in einer Spezialklinik für Traumapatienten. Aber Jonathan, das Erste, was sie getan hat, als sie zu sich gekommen ist, war … Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Zum Glück habe ich sie rechtzeitig gefunden. Sie ist, was ihre Verletzungen angeht, aus dem Gröbsten heraus. Sie musste von einem Gynäkologen operiert werden. Aber wird keine bleibenden Schäden haben. Die Prellungen, Striemen und Kratzer sind zum Teil noch zu sehen. Auch ihr Gesicht ist schrecklich geschwollen. Der Blutverlust, den sie durch den Selbstmordversuch erlitten hat, ist auch unter Kontrolle. Die Wunden wurden genäht und versorgt. Aber sonst, Jonathan, sie ist wie tot. Sie redet nicht, blickt in die Ferne, keiner kommt an sie heran. Sie reagiert auf niemanden. Mum ist außer sich vor Sorge, wir alle sind voller Furcht. Sie verweigert jegliches Essen, Trinken, Umarmung, Tabletten, einfach alles. Jonathan, wir wissen uns nicht mehr zu helfen. Bitte, hilf ihr. Sie ist meine Schwester, unsere Schwester. Peter ist völlig außer sich. Mein Vater und Großvater – noch nie habe ich diese Männer so verzweifelt weinen sehen, aber sie haben dies getan, als wir Fiona gefunden haben.« Ich bin erschüttert, mit vielem habe ich gerechnet, jedoch nicht damit. Fiona, dieser zarte Schmetterling. Ich mochte sie vom ersten Moment an. Sie ist blutjung. Ich dachte zu unerfahren für mich. Mein Plan war, dass ich ihr noch Zeit geben wollte. Doch der Dom in mir wusste sofort, dass sie perfekt ist. Dass ich sie haben muss. Nur jetzt … Ich nehme mir die Akte. Steven ist aufgestanden und tigert durch den Raum, er ist unheimlich unruhig. Als ich die Fotos betrachte, zieht sich alles in mir zusammen. Meine Güte, was haben diese Schweine mit ihr gemacht. Er muss mich gewiss niemals anflehen oder darum bitten. Angst haben, dass ich ihm absage. Seiner Schwester nicht helfe. Wie könnte ich ablehnen. Doch es wird zu meinen Bedingungen ablaufen, aber dies ist Steven, denke ich, klar.

»Selbstverständlich hole sie her zu mir, in die Klinik, ich lasse sofort ein Zimmer für sie herrichten. Steven, es muss dir und deiner Familie klar sein, dass wir nach meinen Regeln spielen. Ich werde auch nicht mit mir verhandeln lassen. Wenn ihr mir Fiona anvertraut, dann bedeutet es exakt dies. Ihr vertraut sie mir an. Sie wird euch nicht sehen wollen. Eventuell eine lange Zeit und das akzeptiere ich. Sie wird hier bestens versorgt werden, Steven.« Er atmet tief durch und ich höre nur ein leises »Danke«.

Er lehnt sich mit der Stirn an das Türblatt.

»Kann ich diese Akte behalten?«

»Deshalb habe ich sie mitgebracht.«

»Weiter benötige ich sämtliche Untersuchungsergebnisse, Blutwerte, wirklich alles, von mir aus Kurzberichte, aber ich will alle Unterlagen. Wenn es geht, auch den Polizeibericht. Zusammenfassungen können sich die Ärzte schenken.« Als er etwas zu tun bekommt, wacht Steven auf und hat in Sekunden sein Handy in der Hand und bellt die Befehle in dieses. Danach ruft er Peter an, der gefühlsmäßig nach dem ersten Klingeln rangeht.

»Er hilft ihr. Peter, ich bin so froh, er holt sie raus aus dem Klinikum.« Mir ist nicht klar, ob ihm bewusst ist, dass er weint. Die vergangenen Wochen sind auf jeden Fall an seine Substanz gegangen. Vermutlich nicht nur ihm. Fiona wird Hilfe benötigen, aber auch er. Doch ich denke, dass die größte Erleichterung für ihn ist, zu wissen, dass sie in guten Händen sein wird. Nur eine Stunde, nachdem Steven in mein Büro gestürmt ist, sitze ich mit Mike, meinem Chauffeur, im Auto. Auf der Fahrt nach Italien regle ich in der Klinik, in meinem Krankenhaus, alles. Rufe mein Team an.

»Meeting um zwanzig Uhr, wir bekommen einen neuen Gast. Sie ist mir zugeteilt, meine persönliche Patientin. Bereitet die Schmetterlingssuite vor. Sie mag Gelb und Grün, also entsprechend die Bettwäsche und die Blumen.« Danach rufe ich nochmals Steven an, der im Fahrzeug hinter mir sitzt. »Schick mir von Fiona eigene persönliche Dinge. Kissen, Stofftiere, lass das am besten Beth oder deine Mutter auswählen, sie wissen so was. Steven, schnüffelt nicht in ihren Sachen herum, nur das, was ihr im Zimmer liegen seht und ihr privat gehört, verstanden?«

»Es ist im Prinzip bereits erledigt.« Als ich in Italien im Krankenhaus ankomme, laufen mir Peter und ihre Eltern entgegen. Peter reicht mir die Hand und sagt nur: »Danke.« Und ihre Mutter nimmt mich in den Arm.

»Hilf meinem Mädchen. Steven und Peter sagen, dass du der Beste bist. Ich vertraue dir, denn du hast auch meinem Peter geholfen.« Ich vergesse alle um mich herum. Mein Fokus ist nun auf meine Patientin gerichtet. »Frau Miller, bitte fahren Sie nach Hause. Lassen Sie mich und Fiona alleine. Ich kümmere mich um Ihre Tochter. Ich sorge mich um Fiona. Aber, wie ich Steven bereits erklärt habe, nach meinen Regeln. Bitte gehen Sie jetzt. Sie will niemanden sehen, also wird sie das auch nicht müssen. Ich rufe Sie an und informiere Sie, wenn Fiona mir das erlaubt.« Ihr Vater nimmt seine Frau in den Arm. Nickt mir zu. Man sieht ihm an, dass ihm die Worte fehlen. Wie Steven gesagt hat, ist die Familie betroffen und besorgt. Ich betrete ihr Zimmer, und mein Herz zieht sich zusammen, als ich sie betrachte. Sie ist nur noch ein Schatten. Ihre Augen starren wie tot. Wie oft habe ich solche Blicke gesehen. Solchen Schmerz. Weiß um die Abgründe der Seele. Jedoch bei ihr tut es mir selber körperlich weh. Tief in mir spüre ich, dass diese Frau mein wichtigster Auftrag werden wird. Keine Ahnung weshalb, doch sie ist mir bereits vor Monaten unter die Haut gegangen und jetzt … das wird hart werden.

»Hallo Fiona, du siehst ziemlich angeschlagen aus. Dein Bruder Steven hat mich hergeholt und mir mitgeteilt, dass es dir im Moment nicht gut geht. Er ist der Ansicht, dass du meine Hilfe benötigst.« Ich rede weiter, weiß, dass dies die beste Methode ist, mir ist allerdings auch klar, dass ich keine Antwort bekommen werde, noch nicht.

»Ich möchte dir einen Vorschlag machen, Fiona. Du könntest hier in dieser Klinik bleiben, so traurig und leer in diesem Bett sitzen. Jegliche Hilfe verweigern und das mit dem Selbstmordversuch nochmals probieren und womöglich Erfolg haben, was ich fürchterlich finden würde. Oder du vertraust mir und fährst mit mir in die Schweiz. Ich werde dir helfen, deine Schuhe anzuziehen, der Bademantel, der über dem Stuhl hier liegt, reicht und wir zwei gehen langsam Schritt für Schritt nach draußen in mein Auto. Dort nimmst du eine Tablette, damit du schlafen kannst, bis wir in meinem Krankenhaus in Genf ankommen. Fiona, weit weg von hier, wirst du Erholung erlangen, niemand darf dich besuchen, wenn du das nicht möchtest. Es sind nur du, ein paar wenige Patienten und gute Ärzte, die sich um dich kümmern. Wir werden dich auf Herz und Nieren überprüfen, dich körperlich nochmals untersuchen müssen. Das wird so sorgfältig und so schnell gemacht werden, wie es geht, und wird dir keine Schmerzen bereiten. Es wird dich emotional mitnehmen. Doch das kannst du durchhalten, da bin ich mir sicher. Wenn dies gemacht wurde, lasse ich dich in Ruhe, du kannst dich ausruhen, zu dir kommen. Ich werde dich nicht überfordern, dich zu nichts drängen. Fiona! Hör mir gut zu, das Einzige, was du mir versprechen musst und mir zusichern wirst, ist, dass du nicht mehr versuchst, dich umzubringen. Bei mir gibt es keine Überwachung, keine elementaren Regeln. Wenn du um zwölf nichts essen willst, lass es sein und iss um fünfzehn Uhr, aber essen ist Pflicht. Du musst dir darüber im Klaren sein, wenn du zu mir kommst, dass du dafür Sorge zu tragen hast, dass es dir wieder besser geht, um den Rest kümmern ich und mein Ärzteteam uns. Fiona?« Ich reiche ihr die Hand, das ist jedes Mal der spannendste Moment. Wird der Patient so viel Vertrauen haben? Wird sie sich für eine Behandlung bei mir entscheiden?

»Bekomme ich deinen Handschlag?« Bitte lass sie reagieren. Sie schaut zögerlich auf meine Hand, wägt ab, überlegt, ihre Augen sehen nicht mehr wie tot aus. Heiser und leise trifft mich ihre Frage.

»Du hilfst mir? Niemand darf zu mir?«

»Niemand, versprochen und auch in diesem Moment ist keiner da, der dich mitleidig anschauen wird, wenn wir aus diesem Zimmer marschieren. Ich habe sie alle nach Hause geschickt.« Sie überlegt, dann jedoch spüre ich ihre eiskalten Finger in meiner Hand. Vorsichtig umfasse ich diese.

»Also abgemacht, Fiona?« Sie nickt mir zu.

»Gut, setz dich auf, ich helfe dir mit den Schuhen und dem Bademantel.« Wenig später sitzen wir im Auto und sie schluckt brav die Tablette, die ich ihr reiche. Eine halbe Stunde danach schläft sie tief und fest. Und ich habe Zeit, sie genau zu betrachten. Ich schaue sie an, ihre Verletzungen, die mir zum Teil erzählen, was sie durchgemacht hat. Ihre geschwollenen Wangen von den Schlägen. Ihre blauen Veilchen um die Augenränder. Die roten Augen vom vielen Weinen und die abheilenden, älteren Krusten an der Haut, die vermutlich vom Klebeband herrühren. Am Ende das völlig erschöpfte Gesicht. Mein Blick wandert weiter zu ihrem Hals, der von einem Seil oder Schal aufgeraut und rot ist. In mir zieht sich alles zusammen. Diese elenden Schweine. Ich kann blaue Flecke oder Schürfwunden von Fesselungen anschauen und durch meine SM-Neigung kenne ich mich mit diesen Verletzungen gut aus. Aber ich erkenne auch, welche Blessuren versorgt wurden und welche nicht. Unter welchen Bedingungen Wehwehchen Genuss bereitet haben und wann niemals. Beziehungsweise Wunden und derartige Dinge gehen gar nicht. Das ist nie in Ordnung, egal warum. Was sich hinter dem Bademantel und unter dem Nachthemd versteckt, kann ich mir denken, die Berichte lassen wenig aus. Mein Blick schaue in die Ferne auf die vorbeiziehende Landschaft. Ist das der Grund? Ist sie der Ansporn? Ich bin überwältigt. Sie zu heilen, wird meine schwierigste Aufgabe sein und meine wichtigste. Sie gehört zu mir, auch wenn sie das jetzt noch nicht weiß, aber Fiona gehört nur zu mir.

Jonathan

Getauft wurde ich auf den Namen Jonathan Edward Gregor McGregor III. Ein wahrhaft erhabener Name, wie meine Großmutter zu sagen pflegt. Für mich ist er das nicht, vielmehr eine Last. Meine Urahnen stammen, wie man am Nachnamen unschwer erkennen kann, aus Schottland. Allerdings ist dieser erste Vorfahre, den ich gerne kennengelernt hätte, nach Amerika ausgewandert. Böse Zungen sagen, dass er vor den Engländern geflüchtet ist. Er bei der Schlacht von Culloden gefehlt habe. Was nicht stimmt. Dass er den Engländern entflohen ist, wiederum entspricht der Wahrheit. Die Schotten wurden nach der Niederlage gejagt und eingesperrt, wenn sie den Engländern nicht die Treue geschworen, sich ergeben haben. Was mein Vorfahre im Leben niemals getan hätte. Lieber wäre er gestorben. So die Familiengeschichte, die gut aufgeschrieben wurde, denn seine Frau schrieb Tagebücher und sie gab diese Neigung oder diese Aufgabe den Töchtern und Schwiegertöchtern weiter. Dieses Archiv ist ein wahrer Schatz und wird von mir gut gehütet. Mein Vorfahre ist damals gemeinsam mit seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn auf ein Schiff und nach Amerika gesegelt mit nichts außer der Kraft seiner Hände und … etwas Schmuck. Mein Urahne hatte eine Menge Glück. Mehr als vermutlich Verstand. Aber das kann ich in keiner Weise beurteilen, ich kannte ihn nie. Auf jeden Fall hat er ein für ihn perfektes Grundstück gekauft. Oder besser gesagt, gleich mehrere. Dort baute er sich eine Ranch auf zusammen mit seinem Sohn. Weitere Kinder waren den beiden nicht vergönnt, doch sie erfreuten sich viele Jahre später an ihren Enkelsöhnen. Mein Urahne hatte nie eine Ahnung, auf was für einem Schatz er saß. Einige Generationen lang wurde die Ranch von der Familie betrieben und sie ernährte alle gut. Ermöglichte ihnen ein redliches Leben. Erst im neunzehnten Jahrhundert bauten sie einen weiteren größeren Stall in der Nähe des Flusses und stießen dabei auf eine Goldader. Der Beginn einer Geschichte, die bis heute anhält. Mein Ururgroßvater, der die Ader gefunden hat, war auch der Erbe der McGregors und ein eigenartiger Kauz. Er hat jahrelang das Gold selber ausgegraben und geschürft. Das Geld nicht in Angestellte oder Erleichterungen investiert, sondern in weitere Grundstücke. Überall verteilt in den USA und später auch in Schottland. Er muss einen guten Instinkt gehabt haben, denn nach kurzer Zeit wurde auf einem größeren Feld eine Ölquelle entdeckt. Die Familie hatte von nun an auf Generationen hinaus ausgesorgt. Sollte man meinen, doch meine Vorfahren hatten ihren eigenen Kopf und sie waren geizig. Schotten eben. Vererbt wurde immer nur an den ältesten Sohn. Was lange Zeit selten zu Problemen führte, da in meiner Familie nicht viele männliche Kinder geboren wurden und Frauen erbten zu jener Zeit nicht. Sie bekamen eine Mitgift. Ich war einer jener Nachkommen. Ich bin also vermögend, unverschämt reich. Das sind ja in der heutigen Zeit nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um normal zu werden. Dass dies bei mir passiert ist, habe ich einigen Umständen zu verdanken. Der erste ist, dass mein Vater früh verstorben ist. Eigentlich ein Drama und hätte zu meinen Ungunsten ausgehen können. Ein Fallschirmsprung beendete sein Leben. Allerdings nicht im Krieg für unser Land, sondern beim Freizeitvergnügen. Zurückgelassen hat er, meine mich über alles liebende Mum und mich. Als ich zehn Jahre alt wurde, hat diese Frau mich vor die Tür von Großmutter gestellt und ist weggefahren. Deshalb war dieses »liebevolle Mum« ironisch gemeint. Für mich war dies jedoch ein Glücksfall, das Beste, was mir passieren konnte. Meine Granny, wie ich sie liebevoll nenne, hat mich streng erzogen, aber nicht zu hart. Sie sagte immer: »Ich muss es besser machen als bei deinem Vater und Onkel, und das werde ich.« Hat sie auch geschafft. Bis auf ein paar jugendliche Aussetzer bin ich, finde ich, gut geraten. Sehr früh bemerkte ich, dass ich mich gut in Menschen hineinversetzen kann, Wesenszüge in ihnen sehe, die anderen nie und nimmer auffallen. Ich bin gut im Zuhören, habe ein sehr gutes Wahrnehmungsvermögen und scheinbar habe ich eine Aura, die es mir ermöglicht, dass Personen mir ihre Geheimnisse und Sorgen anvertrauen, oft ohne es zu wollen. Das fing in der Schule an, bei Freunden und Bekannten passierte dies und oft haben sie mich nicht nur einmal ziemlich befremdlich angesehen, als ob ich etwas dafür könnte, dass sie mir diese Dinge oder Geschehnisse ohne Grund so erzählt haben. Als Teenager war es mir eigentlich eher lästig, bis ich mal mit meiner Granny darüber gesprochen habe, sie hat mir das Ganze als Gabe verkauft. Geschickt schob sie mir Unterlagen und Bücher zu. Wenn ich daran zurückdenke, muss ich lächeln. Aber sie hatte recht. Ich habe Medizin studiert. Meinen Facharzt machte ich als Psychiater und jetzt kommt der Faktor Geld dazu. Ich hatte genügend Zeit, mich in allem, was es so gibt, weiterzubilden. Als ich dreißig wurde, war ich ein anerkannter Psychiater. Ich bin darin aufgegangen, allerdings nicht aufgegangen in der Art und Weise, wie traumatisierte Menschen in unserem Gesundheitssystem behandelt werden. Meine Vorstellungen oder Ansätze waren anders gelagert. Ich wollte es anders machen. Dinge austesten. In der Zeit im Krankenhaus wurde ich immer unruhiger. Mein damaliger Vorgesetzter oder Klinikchef hat mir jeden neuen Versuch einer Therapie oder Idee verboten und ausgeredet. Bis mir der Kragen geplatzt ist und ich gegangen bin. Dass es wie so üblich nicht bei diesem einen Schlag blieb, war klar. Meine Granny starb nur wenige Tage danach und hinterließ mir ein Vermögen von unvorstellbarem Wert und einer Verpflichtung, an der ich noch heute zu knabbern habe. Dass sie wie meine Ahnen schottisches Blut in sich trug, merkte man an ihrem Testament. Denn mit meinem Erbe übertrug sie diese Verpflichtung an mich, die mich zum größtmöglichen Arsch in unserer kompletten Familie machte. Denn ich darf das mir vererbte Geld nicht einfach nur so an die Verwandten verteilen, sondern nur, wenn sie Leistung erbringen. Auch dies wurde von ihr exakt benannt. Sie sollten einen Studienabschluss haben oder einer geregelten Arbeit nachgehen. Das muss von mir überprüft werden und von einem Notar. Erst dann darf ich sie unterstützen und ihnen Bares geben. Natürlich gibt es Möglichkeiten. Ich könnte ihnen aus meinem privaten Vermögen etwas geben, doch viele von ihnen haben mir so übel mitgespielt, dass auch ich auf stur stellte. Der Aufschrei damals war immens, selbst meine Mutter bekam nur einen minimalen Pflichtanteil. Den Grannys Anwalt so einberechnet hat, dass er wirklich klein ausfiel. Niemand erhielt etwas, da die Erbgesetze in den USA anders gelagert sind als in Deutschland, war dies auch in Ordnung. Der zweite Sohn meiner Großmutter hat mit allen Mitteln versucht, an das viele Geld zu kommen, mich der Erbschleicherei bezichtigt und einiges mehr. Er bekam ebenfalls einen Anteil, aber halt nicht so viel, dass er sorgenfrei ohne je einen Handschlag zu tätigen, davon leben könnte. Es sind massenweise böse, nicht wiedergutzumachende Worte in dieser Zeit gefallen. Dass ich dafür nichts kann, störte nie einen. Nach vielen Jahren des Kämpfens mit den Anwälten, Gerichten und was weiß ich wem noch wurde ich müde. Ich weiß bis heute noch nicht exakt, was mir alles gehört. Gut, das entspricht nicht der Wahrheit. Aber es ist eine große Menge, sehr viel, und ich müsste eines sicherlich nicht mehr tun, nämlich arbeiten. Als das Testament verlesen wurde und ich zum Alleinerben erklärt wurde, hat mich meine überschaubare Verwandtschaft in Amerika behandelt wie einen Aussätzigen. Als ihnen bewusst wurde, dass ich am Geldhahn sitze, haben sie sich auf wundersame Weise besonnen, um auf die andere Art zu versuchen, an das Geld zu kommen. Sie versuchten, sich einzuschleimen. Sind mir so auf die Pelle gerückt, dass ich mir die Mühe gemacht habe, mein Vermögen mit einem Anwalt zusammen durchzugehen, und mich komplett neu aufgestellt habe. In diesen Monaten habe ich mir die vielen Besitztümer, die mir gehören, angesehen und bin auf diese Villa mit Grundstück am Genfer See gestoßen. Von da an nahm alles seinen Lauf. Die Idee und das Geld ermöglichten es mir, meine eigene Klinik zu eröffnen. Ein Klinikum nach meinen Vorstellungen, meinen Therapieplänen. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass dies so gut läuft. Die Lage am Genfer See ist ideal. Dazu kommen das Klima, die Landschaft, man kommt zur Ruhe. Nach kompletter Renovierung und ausgestattet mit allem, was das Medizinerherz begehrt, und Sicherheitsbestimmungen und Sicherheitstechnik, damit sich die reichen und auch berühmten Patienten hier sicher fühlen, ist die Klinik eröffnet worden. Sicher vor allem vor Paparazzi und vor nicht angemeldeten oder gewünschten Gästen. Im oberen Bereich der Villa habe ich mir eine großzügige Penthousewohnung eingerichtet und in Genf ein weiteres Haus am See erworben. Dorthin oder in mein Penthouse dürfen nur meine Freunde. Ausgesuchte. Aber ich bin so gut erreichbar für meine Kollegen oder Patienten, sollte Dringendes anliegen. Meine Mitarbeiter habe ich sorgfältig ausgewählt. Sie sind meiner Meinung nach die besten Ärzte, die es im Moment gibt. Bald nach der Eröffnung waren alle Betten besetzt mit sehr reichen, traumatisierten Gästen. Ich kann meinen Erfolg immer noch nicht begreifen, aber bin stolz darauf. Da es mir jedoch so gut geht, ich so viel Geld habe, war es mir von Anfang an ein Bedürfnis, dass ich Menschen helfen möchte, Personen, die keine Chance auf eine solch spezielle private Behandlung haben. Deshalb sind in meiner Klinik vierzig Prozent der Patienten Leute, die die Betreuung hier nicht bezahlen. Mich macht es nicht zum Heiligen, denn das bin ich nicht. Im Gegenteil, ich bin sehr hart, streng und meine Mitarbeiter wissen dies, und auch meine bisherigen Partnerinnen. Denn ich bin seit Jahren in der SM-Szene unterwegs. Man könnte sagen, dass ich wie meine Vorfahren ein seltsamer Kauz bin. Muss in den Genen liegen. Von dieser Szene kenne ich auch Steven. Er hat mich mal vor Jahren vor einem sehr großen Fehler bewahrt, als ich ein junger Hüpfer war. Er war ein richtiger Frischling und trotzdem der Vernünftigere von uns zweien, hat mich an diesem Abend zusammengestaucht und nach Hause gefahren. Ich muss lächeln, wenn ich daran zurückdenke.

Er hatte einen Gefallen bei mir gut. Den er lange Zeit nicht eingelöst hat. Erst im letzten Jahr und nicht für sich, sondern für seinen Bruder Peter. Dieser ist nicht sein leiblicher Bruder, aber die beiden sind zusammen aufgewachsen beziehungsweise die drei. Fiona gehört ebenfalls zu dieser Familie. Mein Blick wandert auf die Frau neben mir. Und mir tut mein Herz weh. Sie hatte schwere Tage, und es liegen auch noch solche vor ihr. Die komplette Fahrt über grübele ich vor mich hin.

Fiona

Als sich die Tür öffnet und ein Mann hereintritt, ziehe ich mich in mein Schneckenhaus, in meine für mich momentane Sicherheit zurück. Doch auch wenn ich noch so verletzt und unter Schock stehe, kommt er mir bekannt vor. Während ich überlege, beginnt er zu reden und die Erinnerung, wo ich ihm begegnet bin, tritt in den Vordergrund. Es war auch im Krankenhaus, nur lag damals Mia in einem dieser Betten und Peter, mein Bruder, war außer sich vor Sorge. Er kümmerte sich um ihn. Seit dieser Zeit ist Peter nicht mehr wiederzuerkennen. Er lacht und strahlt eine innere Zufriedenheit aus. Das mag vor allem an Mia und Katy liegen allerdings bin ich mir sicher, dass auch dieser Jonathan eine große Rolle darin spielt. Auch wenn ich nicht reagiere und so tue, als ob ich ihn nicht verstehe, höre ich jedes Wort von ihm. Er will mir beistehen, helfen, damit ich wieder zu mir finde, verarbeiten kann, was geschehen ist. Doch werde ich das jemals können? Weshalb nur haben sie mich nicht gehen lassen. Der Schnitt hat nicht mal wehgetan, viel zu groß sind der Schmerz, die Scham in mir. Sie haben alles andere überdeckt. Vor wenigen Wochen noch war ich glücklich und dachte, nichts in der Welt könne daran jemals etwas ändern. Wie dumm ich war. Das Leben, es hängt an einem dünnen Faden und das Schicksal ist wankelmütig wie ein Fähnchen im Wind. Mit meinem Cabrio war ich unterwegs zum Fitnessstudio. Das war dringend nötig nach den Feiertagen, als es ein Festmahl nach dem anderen gab. Auf die Köstlichkeiten, die Mama Lou zubereitet hat, zu verzichten, das schafft nur jemand, der seinen Körper und sich selber wirklich nicht mag. Zudem ihrem Blick zu widerstehen, das funktioniert niemals. Normalerweise hätte ich mich mit Karen dort getroffen, aber sie hatte mir kurzfristig abgesagt, was mich nicht daran hinderte, trotzdem loszufahren. Warum nur? Weshalb nur bin ich ins Auto gestiegen? Meine Aufmerksamkeit wandert zu Jonathan zurück.

Er sagt, dass ich dort, wo er mich hinbringt, meine Ruhe haben werde, mich niemand besuchen kommen darf, wenn ich das nicht möchte. Ich die besorgten und mitleidigen Blicken meiner Familie nicht aushalten muss. Er ihnen klar gemacht hat, dass die Behandlung von mir nach seinen Regeln ablaufen wird. Meine Gedanken driften zurück zu jenem Tag. Als ich auf dem Privatweg vom Gutshaus zur Hauptstraße fuhr, fällt mir der schwarze Van auf. Seine Motorhaube stand offen, ich weiß noch, dass ich mir überlegte, was er auf unserer Privatstraße zu suchen hat. Touristen, die eine Panne haben? Ich wollte zum Telefon greifen, um Serjo, unseren Mann für alles, um Hilfe zu bitten. Als mir der Fahrer des Vans zugewunken hat und mir ein Zeichen gab, anzuhalten. Er lächelte freundlich. Wie dumm ich war. Als ich das Fenster runterkurbelte und er mich begrüßte, sein Lächeln plötzlich nicht mehr freundlich war, mir es kalt den Rücken unterlief, war er es zu spät. Er sagte: »Guten Tag, Lady. Hier ist Endstation.« Er hielt mir eine Pistole ins Gesicht. Plötzlich öffnete ein zweiter Mann die Fahrertür. Und ein weiterer meine Beifahrertür. Er meinte: »Schön ruhig bleiben, kleine Lady.« Und drückte mir ein Tuch auf die Nase. Erst in jenem Moment fing ich an, mich zu wehren, viel zu spät. Ich musste einatmen. Und mir wurde zügig schummrig und schwarz vor Augen. Als ich erwachte, lag ich in einem dunklen Raum, gefesselt. Mir war so kalt, ich zitterte vor Angst am kompletten Körper … und als sich die Tür öffnete, zog das Grauen in mein Leben ein.

Jonathan will mein Versprechen, dass ich mir nichts antun werde. Ich damit lebe, was sie mit mir getan haben. Tränen schießen in meine Augen, wie kann er das von mir verlangen? Er sieht mich nicht mitleidig an. Er bietet mir seine Hand, seine Hilfe an und bevor ich es mir anders überlege, greife ich zu. Sie ist warm und irgendwie beruhigend. Er hilft mir, mich anzukleiden, und bringt mich zum Ausgang. Als ich im Auto sitze, gibt er mir eine Tablette und ich werde wenig später müde und nicke in einen Dämmerschlaf. Träume von einer Zeit, in der alles so wundervoll und gut war. Damals habe ich dies vermutlich nicht wirklich zu schätzen gewusst. Vierundzwanzig Jahre lange wuchs ich behütet, geliebt und im Luxus auf. Dazu sehe ich auch noch gut aus. Zumindest ist das die einhellige Meinung der männlichen Homo sapiens, mit denen ich mich umgebe. Ich bin lebensfroh, lustig und vielleicht zu aufgedreht, aber so ist das, wenn man glücklich ist. Und das war ich. Die Gesellschaft, oder Leser von einschlägigen Magazinen, um die ich mich niemals kümmere, sagen, ich sei ein sogenanntes It-Girl. Vermutlich stimmt es bis zu einem gewissen Grad auch. Dadurch, dass meine Eltern vermögend sind, nehmen die meisten Außenstehenden an, dass ich zu nichts anderem als zum Partymachen zu gebrauchen bin. Selbstverständlich gehe ich auf Partys und habe Spaß, doch es stimmt nicht, dass ich zu sonst nichts tauge. Im Gegenteil. Meinen Eltern war es wichtig, dass ich zu Hause aufwachse. In eine stinknormale Schule gehe wie alle anderen Kinder auch. Keine Privatschule, kein Internat, sondern in das örtliche Gymnasium. Vater meinte immer, was solle daran schlechter sein. Du bist zu Hause bei uns und wir sind für dich da. Heute kann ich sagen, bin so froh darüber. Das Einzige, was nicht so toll war, ist die Tatsache, dass ich mit dem Rad fahren musste. Das Hin war nie ein Problem, aber zurück. Wir wohnen in den Weinbergen, also ist der Nachhauseweg bergauf gegangen. Es gab für mich nicht die vielen Privilegien, die sich viele vorstellen. Ich liebte es, wenn meine Brüder Semesterferien hatten. Sie waren oftmals gnädig und haben mich abgeholt. Als ich die Schule beendet hatte, da kam allerdings doch der Faktor Geld ins Spiel. Denn ich durfte studieren, was immer ich wollte. Ich brauchte nichts lernen, um damit meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn an Geld mangelte es mir nicht. Einen Bachelor-Abschluss darauf bestanden meine Eltern. Ich entschied mich für Literatur und Sprachen. Englisch, Deutsch und Italienisch. Es waren tolle Studiengänge, die mich erfüllten und mir unendliche Freude bereiteten. Damals habe ich im Stillen angefangen zu schreiben. Ohne dass es jemand wusste. Ich wollte niemals nur als ein Partygirl wahrgenommen werden. Das vom Vermögen der Eltern lebt, davon abhängig ist. Mir war es ein Bedürfnis, selber meinen Unterhalt zu verdienen. Unter dem Namen Sole Head habe ich erste Kurzgeschichten im Selbstverlag veröffentlicht. Sie sind angekommen, aber nicht so, dass ich meinen Lebensunterhalt damit bestreiten könnte. Es war mehr eine Art Hobby. Während des Studiums arbeitete ich allerdings ernsthaft und mit viel Herzblut an meinem ersten Roman. Obwohl ich das Manuskript ohne Agent bei einigen Verlagen eingereicht habe und ich mit Absagen rechnete, bekam ich ungefähr sechs Wochen später einen Anruf, dass man mich kennenlernen möchte. Es war ein Glücksfall. Eine Laune der Natur oder wie die Verlage sagen, hatte ich die Formel zu einem Bestseller gefunden. Der Roman hat eingeschlagen wie eine Bombe. Weitere Verlage rissen sich um Sole Head. Ich blieb aber treu. Mein Verlag hat mir, dem Neuling, eine Chance gegeben und diese gebe ich mit Treue wieder zurück. Als ich die ersten Tantiemen erhielt, wurde schnell klar, dass ich Hilfe brauchte. Nicht beim Schreiben, jedoch was das Finanzielle angeht. Da habe ich mich an Mia, meine Schwägerin, gewandt. Die Frau, die es geschafft hat, dass Herz meines Bruders Peter zu erobern. Die Verträge sende ich einem befreundeten Anwalt zu, den ich von der Uni her kenne. Beide mussten mir versprechen, nichts meiner Familie zu verraten. Diese hat immer noch keine Ahnung, obwohl mir Mia längst nahegelegt hat, es ihnen zu sagen. Ich hatte vor, es ihnen beim nächsten Familienfest zu erzählen. Ich hoffe so sehr, dass sie stolz auf mich sind. Einen festen Freund habe ich nicht. Zum Glück, denn ich könnte ihn nicht mehr ertragen. Mich schüttelt es und instinktiv spüre ich, dass mich Jonathan streichelt. Ich wache nicht auf, aber werde erneut ruhiger und träume weiter. Ich war noch nie ein Kind von Traurigkeit. Sex war für mich immer etwas Schönes. Mein Bestreben war es, einen Mann zu finden, der mich so liebt wie Steven und Peter ihre Frauen. Die Suche war nie Zwang, ich wusste immer, dass der Richtige, der Kerl, der mich interessiert und der sich für mich erwärmt, irgendwo da draußen ist. Bisher war da nie einer, der in mir etwas zum Klingen brachte. Bis auf, na ja, als Mia im letzten Jahr im Krankenhaus war, habe ich Jonathan kennengelernt. Nur kurz. Er ist einiges älter als ich, auch älter als Steven. Aber er hat mich irgendwie auf andere Weise angeschaut als die Männer bisher. Reifer, erwachsener und anders. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, denn er hat sich nie bei mir gemeldet. Wieder werde ich unruhig. Jetzt wird sich keiner mehr für mich interessieren und ich mich noch viel weniger. Berührungen zu ertragen, einem Mann zu erlauben, dass er in meinem Bett liegt. Der Gedanke daran lässt mich aufschrecken. Dass ich die Augen öffne und verwirrt in die von Jonathan sehe, wird mir nur bedingt bewusst.

»Schlaf weiter, Fiona. Wir sind noch nicht da.« Der Tonfall seiner Stimme beruhigt mich und ich drifte weg. Aus all diesen Gründen war mein Leben bisher perfekt. Um nicht zu sagen, wunderschön. Da ist eine liebe Familie, Brüder, in der Zwischenzeit auch Schwägerinnen und ich bin Patentante. Zudem habe ich Geld, selber verdientes Einkommen und liebe Freundinnen und das Weihnachtsfest stand vor der Tür. Was konnte mir also passieren? Der böse lächelnde Mann tritt zu mir.

»Na Süße ausgeschlafen? Jetzt werden wir zwei Spaß haben. Freu dich Schätzchen.« Ich kann nicht erklären, was er getan hat. Das schaffe ich nicht. Ich weiß nur, dass er mich gebrochen hat. Dass Fiona sich ganz tief an einen Ort zurückgezogen hat, an dem mich die Pein, die Schmach und all das, was Tag für Tag mit mir getan hat, nicht erreicht hat. Es war wie in einer Parallelwelt. Sobald diese Tür aufgegangen ist, versteckte sich Fiona und nahm nichts mehr wahr.

 

 

Am Genfer See

Die Fahrt zurück nach Genf kommt mir kürzer vor, denn jetzt ist Fiona in meiner Obhut, ich werde mich gut um sie kümmern. Mein Fahrer kutschiert uns durch das Tor, das sich unvermittelt hinter uns schließt, um den Paparazzi, die sich dauernd um das Gebäude herumtreiben, kein Foto zu erlauben. Vor dem Ambulanzeingang hält Mike an und dreht sich um.

»Soll ich eine Liege holen?« Ich sehe zu Fiona, sie schläft nicht tief, denn das Mittel, das ich ihr gegeben habe, erlaubt nur, dass sie ruhiger und entspannter wird. Vor sich hin dämmert, was sie getan hat. Immer wieder war sie für Momente wach. Wenn sie schlecht geträumt hat oder das Auto an einer Ampel kurz anhielt und die gleichmäßige Bewegung oder das Grummeln des Fahrzeuges sich verändert hat.

»Nein, geh nach draußen, wir folgen dir.« Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, wecke ich sie auf.

»Fiona, wir sind da, mach die Augen auf!« Sanft berühre ich sie an ihrer Schulter, um sie aufzuwecken. Sie öffnet ihre Augen, orientierungslos schaut sie mich an. Danach folgt die Panik. Sie zittert.

»Langsam, Fio, ich bin es, Jonathan. Du bist bei mir, weißt du noch?« Dass ich sie mit dem Namen anspreche, mit dem Peter sie immer liebevoll anspricht, auch wenn er von ihr spricht, beruhigt sie. In Zeitlupe kommt sie zu sich und nickt. Noch vorsichtig setzt sie sich gerade hin und blickt sich um.

»Lass uns aussteigen, Fiona, ich begleite dich auf dein Zimmer.« Ich steige aus, gehe um das Auto herum, um ihre Tür zu öffnen, reiche ihr die Hand, um ihr beim Verlassen des Autos behilflich zu sein. Als sie steht, halte ich sie am Arm, mit Blick auf sie.

»Darf ich?« Als sie nickt, helfe ich ihr die Treppe ins Gebäude hinauf. Mit dem Aufzug fahren wir in den zweiten Stock und ich zeige ihr den Weg zu der für sie vorbereiteten Suite. Sie schaut sich um, dreht sich zu mir und sieht mich fragend an.

»Alle Räume bei uns sehen so aus«, beantworte ich ihre unausgesprochene Frage. »Die Tür dort drüben führt in ein Badezimmer. Du hast auch einen kleinen Balkon mit einem Liegestuhl, hier drüben liegt eine warme Wolldecke, in die du dich, wenn du sonnenbaden möchtest, einwickeln kannst. Fiona, mir ist es wichtig, dass du dich hier sehr schnell wohlfühlst. Dass du zu dir findest, dich wieder spürst. Denn das tust du im Moment nicht, im Gegenteil, du kämpfst dagegen, willst dich nicht spüren. Denn du glaubst, dass dich der Schmerz niederringen wird, habe ich recht?« Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, spreche ich weiter. »Bevor ich dich hier alleine lasse, möchte ich dich nochmals an dein Versprechen mir gegenüber erinnern.« Sie schaut mich mit leerem Blick an. Und flüstert mir mit rauer Stimme zu: »Wenn du deines hältst.«

»Dass du niemanden sehen willst?« Sie nickt. »Dieses hast du. Fiona, ich spreche dich dauernd mit DU an, willst du das überhaupt?« Sie blickt mich wieder mit diesem Blick an, der mir durch und durch geht.

»Du hast Peter geholfen, Jonathan, er ist glücklich. Ich … ich kann das nie mehr werden, aber ich vertraue dir, weil du ihm beigestanden hast, und ja, ich bin Fiona.«

»Danke für das Lob. Fiona, ich mache dir nichts vor, die nächsten paar Stunden werden nochmals hart für dich werden. Ich kann und möchte dir das nicht ersparen, denn ich muss diese Dinge wissen. Ich verspreche dir, dass ich nicht von deiner Seite weichen werde und dass ich dich danach erst mal in Ruhe lasse. Du wirst dich erholen, ausruhen können. Deine oberflächlichen Wunden werden zuerst heilen, um dein Herz, dein Inneres kümmere ich mich, wenn ich der Meinung bin, dass du so weit bist. Kommst du mit mir? Jetzt gleich, damit du es hinter dir hast? Es ist alles vorbereitet. Später servieren wir dir Essen, wenn du etwas haben willst.« Fionas ist verängstigt, sie zittert am kompletten Körper, doch sie tritt zu mir.

»Ich habe Angst.«

»Du brauchst keine zu haben, doch, Fiona, ich verstehe dich. Möchtest du einen Rollstuhl oder schaffst du es, zu laufen?«

»Nein.« Sie folgt mir und ich führe sie sofort zu Paul. Diese Untersuchung wird für sie die unangenehmste sein, deshalb diese zuerst. Als sie den gynäkologischen Stuhl sieht, ist es mit ihrer Fassung vorbei. Sie will sich abwenden und wieder den Raum verlassen. Paul steht ruhig da. Ich spreche sie an. Nicht harsch oder mit scharfer Stimme, sondern einfühlsam, vertrauensvoll, hoffe darauf, zu ihr durchdringen zu können.

»Fiona, schau mich an, zu mir in meine Augen. Das ist Paul, er ist gut, er ist perfekt und er ist schnell. Aber er muss kontrollieren, ob die Wunde verheilt. Laut den Unterlagen aus der Klinik musstest du genäht werden. Ich will sicher sein, dass du dir keine Entzündung eingefangen hast. Fiona, ich verspreche dir, ich bleibe bei dir. Werde nicht von deiner Seite weichen. Mit dir reden und auch deine Hand halten. Paul und ich, wir möchten dich nicht betäuben, es wird sehr schnell gehen aber ist nötig. Auch wenn ich weiß, dass ich dir sehr viel zumute. Aber Fiona, du bist stark. Lass diese Schweine nicht gewinnen. Kämpfe und wenn diese Untersuchung ein Anfang ist, kannst du ihn schaffen. Ein kleiner Schritt in die Normalität.«

Sie atmet tief durch, kämpft mit sich, und mit Blick auf mich tritt sie Schritt für Schritt zum Stuhl und setzt sich darauf. Als sie ihre Beine in die Schalen legt, zieht sie sich in sich zurück, ich sehe es in ihrem Blick, irgendwo da drinnen ist ein fürchterlich verletztes Mädchen. Sie greift nach meiner Hand, als Paul zu ihr tritt, quetscht sie diese zusammen. Paul ist gründlich und flott. Wie immer. Er ist der Beste, erklärt ihr jeden Schritt laut, ob sie zuhört, weiß ich nicht. Aber er tut nichts, ohne es nicht anzukündigen. Auch hat er sie nicht aufgefordert, nochmals aufzustehen und ihren Slip auszuziehen, sondern er schneidet ihn mit einer Schere durch. Er ist wie ich froh darüber, dass sie es geschafft hat, sich darauf zu setzen, bei dem, was man ihr angetan hat, von dem wir im Moment ja nur das Offensichtliche wissen. Das, was wir uns aufgrund ihrer Verletzungen zusammenreimen können. Nach wenigen Minuten ist er fertig. Ich helfe Fiona, sich aufzusetzen. Paul reicht mir ein Einweghöschen, das ich ihr helfe anzuziehen. Sie zittert so sehr, dass sie es allein nicht schafft. Als sie sich wieder einigermaßen im Griff hat, gehe ich weiter zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Hier das Gleiche, er schaut nach den Verletzungen an ihren Stimmbändern. Danach gehen wir weiter zu meinem Orthopäden. Dort wird Fiona geröntgt, die Rippen nach Brüchen oder Quetschungen untersucht. Zwei wurden leicht angeknackst, das örtliche Krankenhaus hat dies übersehen. Thomas legt ihr einen straffen Verband an. Er erklärt auch ihr jeden Schritt. Zum Schluss gehen wir ins Labor. Danach kann sich Fiona fast nicht mehr auf den Beinen halten. Ich bringe sie in ihr Zimmer und helfe ihr in ihr Bett. »Schlaf, Fiona, schlaf lange und ausgiebig. Wenn du Hunger oder Durst hast, klingle, egal, welche Uhrzeit. Wenn du was benötigst, läute. Hast du mich verstanden?« Sie nickt, ist aber am Ende und schläft, noch bevor ich den Raum verlasse, augenblicklich ein. Kaum habe ich mein Büro betreten, klingelt mein Telefon. Meine Sekretärin kündigt mir einen Anruf von Mia an.

»Herr McGregor! Ein Telefonat für Sie. Frau Mia Mantello, sie sagt, es sei wichtig.«

»Stellen Sie durch. Hallo Mia!«

»Nicht schimpfen, Jonathan, Peter hat mir erzählt, dass du nicht möchtest, dass wir Fiona oder dich kontaktieren, du das tun wirst. Das ist mir klar und ich würde mich nicht melden, wenn es nicht fürchterlich wichtig wäre. Wir alle vertrauen dir, ich besonders. Niemand weiß, dass ich dich anrufe. Ich will gar nichts über Fiona wissen. Ich möchte dir etwas über Fiona sagen, etwas, das weder Peter oder Steven oder ihre Eltern wissen. Ich musste ihr versprechen, das für mich zu behalten. Doch ich bin der Meinung, dass du davon Kenntnis haben solltest.«

»Sprich, Mia.«

»Mach ich, aber Jonathan, du musst auch etwas für mich tun.«

»Mia!«

»Bitte Jonathan. Ich habe dir ein Formular gemailt. Das sollte Fiona unterschreiben, das ist dringend. Ich konnte mich seit … seit sie verschwunden war, nicht richtig um ihr Vermögen kümmern. Aber wenn sie zu sich kommt, gesundet ist, will sie sicher nicht, dass ich ihr Geld nicht richtig angelegt habe. Es ist ihr Geld und diese Unabhängigkeit ist ihr so heilig. Mir ist bewusst, dass ihr das im Moment egal ist. Doch später, da ist es wichtig. Bitte, Jonathan, erledigst du das für mich?«

»Mia, worüber muss ich über Fiona Kenntnis haben? Bevor ich irgendetwas mache, will ich erfahren, was los ist.«

»Fiona ist Sole Head. Das wissen echt nur ein paar wenige Personen. Sie wollte das bei der nächsten Familienfeier allen mitteilen, ihnen ihren neuen Roman schenken. Aber solange sollte niemand Bescheid wissen. Ihr Rechtsanwalt, der die Verträge macht, weiß es. Und ich, die ihre Finanzen regelt. Sowie der Verlag und ihre Lektorin. Sie rufen täglich bei mir an, was denn mit ihr los ist, doch ich habe ihnen nur mitgeteilt, dass sich Fiona auf einer Recherchereise befindet und nicht gestört werden möchte. Sie hat zum Glück das letzte Manuskript fertiggestellt, alles war fertig und das Buch ist seit ein paar Wochen in den Bestsellerlisten vertreten. Sie hat bestimmt viel Geld verdient, doch ich komme ohne diese Vollmacht an nichts heran. Ich kann auch die Presseanfragen einfach nichts tun ohne ihre Unterschrift. Verstehst du?«

»Ja, ich werde dir das Formular morgen zurückschicken. Mia, vermutlich hat sie einen Laptop und da sind ihre persönlichen Sachen drauf. Kannst du mir diesen besorgen? Bitte schnüffle nicht in ihrem Zimmer herum, sei so gut und rühre so wenig wie möglich an.«

»Klamotten?«

»Braucht sie nicht. Sie erhält hier alles, was sie möchte. Im Moment wird sie nichts, was sie an vorher erinnert, benötigen. Das tut ihr weh.«

»Aber den Laptop?«

»Den bringst du mir. Ich entscheide, wann sie ihn bekommt. Wann sie es braucht. Und vielleicht fragt sie nach ihm, in diesem Fall sollte er hier in Genf sein.«

»Kein Problem, wird morgen erledigt, und, Jonathan, danke, danke, was du für Peter tust, und ich danke dir, dass du dich um Fiona kümmerst.«

»Das mach ich gerne, Mia. Wie geht es Katy?« Ich sehe sie förmlich lächeln.

»Sie ist im Moment der einzige Lichtblick. Sie tröstet Fionas Eltern und uns alle. Demnächst wird sie ihre ersten Schritte machen. Ich bin stolz auf sie.«

»Gib ihr einen Schmatzer von mir.«

»Mach ich, bis bald, Jonathan.« Ich lege auf. Sole Head, wusste ich doch, dass an ihr mehr ist, als sie den anderen zeigt. Die E-Mail von Mia drucke ich aus und hefte sie in die Akte von Fiona. Das regeln wir morgen. Für heute ist es genug. Aber Mia hat recht. Das Leben danach ist wichtig und sollte geregelt sein, vor allem jetzt, da ich weiß, wie wichtig ihr diese Unabhängigkeit ist. Um zwanzig Uhr habe ich das Meeting angesetzt. Spät, doch wenn ein neuer Gast anreist, kann das passieren und sie werden alle hier sein. Ich gehe los, um pünktlich zu sein.

Nachdem jeder seinen Bericht vorgetragen hat, ist es kurz still. Das ist es jedes Mal, wenn die Fakten eines Patienten geballt auf dem Tisch liegen. Alle sind mit ihren Überlegungen bei dem Kranken. Dem, was er durchgemacht hat. Was auf ihn zukommen wird und auch, was auf uns zukommt. Wir reden noch ein paar Worte miteinander, danach jedoch verabschieden sich diejenigen, die Feierabend haben. Morgen wird ein weiteres Meeting für vierzehn Uhr angesetzt. Bis dahin hat jeder Einzelne Zeit, sich Gedanken über den Therapieplan zu machen. Wir diskutieren alles durch, alle Vorschläge werden angenommen, um danach zu entscheiden, was wir wann und wie anwenden. Das fängt mit sportlichen Therapien wie Schwimmen oder Gymnastik an oder auch Malkurse, alles, was wir so anbieten und auf sie zugeschnitten ist, werden wir besprechen und ihr langsam und behutsam vorstellen. Manches wird ihr nicht zusagen, anderes mehr. Diese Zeit ist ein Ausloten. Doch wir haben es bisher immer geschafft, unseren Gästen Lebensmut zurückzugeben. Ich selber ziehe mich nach einem kurzen Blick in Fionas Zimmer in meine Privaträume zurück. Fiona hat tief und fest geschlafen. Hoffentlich lassen sie ihre Träume heute Nacht in Ruhe.

Alannah

Müde und wenn ich ehrlich bin auch ausgelaugt, setze ich mich vor meinen offenen Kamin und blicke ins Feuer. Hier lasse ich gerne den Tag nochmals an mir vorbeiziehen. In Gedanken und nicht wirklich bewusst nehme ich mein Tablet zur Hand, das auf dem Tisch liegt, und checke meine privaten E-Mails. Ein Absender sticht mir augenblicklich ins Auge. Alannah McGregor. Nein, bitte heute keinen Bettelbrief, das halte ich nicht auch noch aus. Natürlich bin ich neugierig, wer dieses Mal von der lieben Verwandtschaft etwas von mir will. Ich frage mich wirklich, wie sie immer wieder an meine E-Mail-Adresse kommen. Der Name sagt mir überhaupt nichts.

 

Hallo Jonathan, keine Angst, ich benötige kein Geld. Ich dachte mir, das schreibe ich gleich zuerst, dann ist die Chance vermutlich etwas größer, dass du weiterliest.

Ich schmunzle, wie recht sie hat.

Ich bin Alannah, durch irgendeine verwandtschaftliche Verbindung, ich glaube deine Großmutter und meine Großmutter waren Schwestern oder Cousinen. Egal. Diese andere heiratete einen Iren namens MacDubh, daraus entstanden einige Töchter, wie meine Mutter. Diese heiratete wiederum einen McGregor. Deshalb derselbe Name. Und wie du siehst, bin ich eigentlich gar nicht mit dir verwandt. Willst du mich heiraten?

Ich schmunzle erneut, die E-Mail macht zur Abwechslung mal Spaß.

Ich hoffe, du hast nun ein Lächeln im Gesicht, was dir sicherlich hervorragend steht, du siehst auf den Fotos ziemlich gut aus. Jonathan, ich bin optimistisch. Darf ich eigentlich Du sagen? Natürlich schreibe ich dir nicht einfach nur so zum Spaß. Ich möchte bei dir meine Facharztausbildung zum Psychiater machen und ich will dich anflehen, dass du danach bitte mein Doktorvater wirst. Ich weiß, dass du das kategorisch ablehnst. Doch ich flehe dich wirklich an um diese eine Chance. Ich werde mich anstrengen und du wirst keine Fleißigere finden als mich. Ich habe dir meine Bewerbung und Zeugnisse, einfach alles, als Anlage mitgeschickt. Damit du siehst, dass ich nicht aus Spaß eine Gelegenheit erbetteln will. Bitte Jonathan, schau dir alles an und sag nicht sofort Nein. Vielleicht wirkt dieser winzige Tropfen gleichen Blutes ja doch etwas. Ich warte auf deine hoffentlich positive Antwort. Muss dir aber gleich sagen, ich würde sehr gerne persönlich bei dir vorbeischauen. Hätte ich auch schon getan, aber da kommt jetzt leider die Kohle ins Spiel. Ich und meine Eltern haben nicht so viel Geld, um einfach so eine Flugreise nach Genf zu buchen. Aber wenn es eine Chance gibt, dass du mich die Ausbildung bei dir machen lässt, würden mich meine Eltern unterstützen und mir das Geld für den Flug leihen. Ich möchte nicht betteln … Mist, doch will ich … Bitte, Jonathan, überleg es dir, bitte.

Alannah

Ich lehne mich zurück und öffne die Anlagen. Wow! Cleveres Mädchen. Ein Bild von ihr ist ebenfalls mit dabei. Rotblonde Haare, grüne Augen. Ein typisch irisches Mädel, doch in ihren Augen erkenne ich eine Ernsthaftigkeit, die dieses Alter meist missen lässt. Ich werde eine Nacht darüber schlafen. Sie will eine Chance. Im Prinzip ist das kein Problem. Es wäre kein Aufwand, im Endeffekt mit Sicherheit eine Entlastung für uns alle. Im Moment läuft alles gut und ein wenig mehr Arbeit sollte kein Ärgernis darstellen. Wenn da nicht Fiona wäre, sie steht für mich an erster Stelle. Allerdings müsste ich mich ja nicht immer um Alannah kümmern, Paul und Thomas würden das sicher gerne übernehmen. Zudem bin ich der Chef hier und darf Arbeit zuteilen.

Ich ändere meine Meinung, nehme mein Tablet erneut zur Hand und schreibe meiner Sekretärin eine Mail, sie möge ein Flugticket in Dublin hinterlegen lassen, auf den Namen Alannah McGregor. Ich bin gespannt auf sie. Danach schreibe ich meiner jungen Verwandten.

 

In Ordnung, Alannah, deine Mail ist frech und auch mutig. Das mag ich. Ich will dich kennenlernen. Du musst deine Eltern nicht um das Geld bitten, ich lasse dir ein Ticket auf deinen Namen reservieren. Komm zu mir und wir reden. Das ist noch keine Zusage, aber mehr, als alle anderen bisher erhalten haben.

Bis bald.

Es geht, kaum habe ich auf Senden gedrückt, eine weitere Mail in mein Postfach.

 

Danke, danke, danke!! Ich komme so gerne!

Alannah

Ein zweites Mal muss ich lachen. Wenigstens habe ich nun eine weitere gute Tat für den Tag erledigt. Jetzt aber nimmt die Müdigkeit überhand und ich gehe ins Schlafzimmer. Für heute ist aber jetzt endgültig Schluss.

 

Am anderen Morgen besuche ich zuerst Fiona, mache sie mit meiner Anwesenheit vertraut. Sie ist wach, wirkt wie abwesend.

»Guten Morgen, Fiona, ich habe dir gestern versprochen, dich ein paar Tage in Ruhe zu lassen, es ist jedoch eine Kleinigkeit dazwischen gekommen. Mia hat mich gestern angerufen. Sie hat mir erzählt, dass du ihr vertraust. Sie hat mich darum gebeten, dass ich dich für sie um etwas bitte.« Sie blickt mich immer noch mit leerem Blick an, nickt aber.

»Mia hat mich gebeten, dich dieses Formular unterschreiben zu lassen.« Ihr Blick wirkt wieder abwesend.

»Fiona, schau mich bitte an!« Ich sage es streng, will, dass sie aus dieser Starre erwacht, wenn auch erst mal nur für kurz.

»Mia bittet dich darum, dass du diese Vollmacht unterzeichnest. Um den Rest wird sie sich kümmern. Sie wird dich auch nicht mehr belästigen. Du wirst den Zeitpunkt entscheiden. Außerdem soll ich dir viele liebe Grüße von Katy ausrichten. Sie macht bald ihre ersten Schritte und freut sich darauf, dir das zu zeigen.« Ich lege das Blatt zusammen mit einem Stift vor sie hin.

»Fiona, unterschreibe das bitte.« Wie ein Roboter nimmt sie den Schreiber und notiert darauf ihre Unterschrift. Danach dreht sie sich Richtung Terrasse und schaut auf den See hinaus. Mir kommt es so vor, als ob sie völlig abwesend ist, doch ich täusche mich, denn sie spricht, sieht mich zwar nicht an, doch sie redet. »Es ist wunderschön hier, Jonathan.«

»Dieses Kompliment nehme ich gerne an, denn auch ich finde, dass dieser Platz etwas sehr Besonderes ist. Da es dir hier gefällt, wirst du dich hier auch bald wohlfühlen.«

»Das tue ich längst. Ich fühle mich hier bei dir sicher, aufgehoben. Nur mich selber spüre ich nicht.«

»Auch das wird wiederkommen, Fiona. Ich kann dir das versprechen. Es wird kein leichter Weg sein, aber er wird sich lohnen.« Sie dreht sich zu mir um, sieht mich an und es macht mich unendlich froh, dass ich einen Funken Leben in ihren Augen erkennen kann.

»Ich lass dich jetzt ruhen. Wenn ich dir das Haus oder den See oder irgendetwas zeigen soll, ruf mich an.« Entgegen allen meinen Prinzipien gebe ich ihr meine Handynummer.

»Du kannst mich immer über diesen Apparat erreichen, Fiona. Wenn du ein neues persönliches Handy haben möchtest, sag es mir, dann lass ich eines kommen.« Diese ersten Tage lasse ich Fiona wie versprochen ankommen und in Ruhe. Beth ist es, die meinen Tagesablauf durcheinanderwirbelt. Sie und auch Steven sind mir im letzten Jahr gute Freunde geworden, aus diesem Grund hat nicht nur Steven, sondern auch sie meine Rufnummer,

»Jonathan, ich habe die Sachen, die du wolltest für Fiona, Mia ist auch mit hier.«

»Hier?«

»Wir stehen vor deinem Tor, doch wir werden nicht hereingelassen. Das ist in Ordnung, aber wir können die Sachen ja schlecht irgendwo hinlegen.« Ich grinse vor mich hin.

»Beth, wartet einen Moment, ich lass euch zu mir bringen.« Ich lege auf und rufe Mike an.

»Mike, am Tor warten zwei nette junge Damen, Frau Miller und Frau Mantello, führe sie bitte in meine Wohnung, ich komme sofort.«

 

 

»Hallo, ihr zwei Hübschen!« Mit einem Küsschen begrüße ich beide, um danach aber gleich zu schimpfen: »Beth, du bist viel zu blass und zu dünn, du musst essen, das geht ja so gar nicht.« Sie grinst.

»Sag das mal dem kleinen Monster da drinnen«, und zeigt auf ihren Bauch. »Wenn ich das Wörtchen Nahrung nur höre, muss ich zur Toilette. Der Arzt meint, das dauert noch ein paar Wochen, danach wird es besser werden. Sein Wort in Gottes Ohr. Sollte er mich anlügen, bin ich mir nicht sicher, ob er die Geburt dieses Wesens erleben wird.«

»Nachwuchs, Mensch, Beth, ihr habt euch rar gemacht. Bin ja nicht mehr auf dem neuesten Stand und Peter war auch länger nicht hier, um mir den aktuellen Tratsch zu erzählen.« Als beide traurig zu mir sehen, muntere ich sie auf.

»Ich weiß, ihr hatte üble Wochen. Trotzdem freu ich mich für euch, neues Leben, das ist wunderbar, das wird deine Schwiegereltern aufmuntern, oder?«

»Tut es. Doch sie sind sehr in Sorge, wir alle. Nach der Aktion im Krankenhaus noch viel mehr. Fiona so verzweifelt und verletzt zu sehen, das hinterlässt Spuren.« Mia drängt sich vor und sie umarmt mich.

»Mia, Süße, gut siehst du aus. Prima, dass du vorbeikommst, ich habe noch, wie mit Peter ausgemacht, eine Rechnung für dich«, und schaue sie an. Wissend nickt sie mir zu und nimmt den Brief an sich.

»Danke, Jonathan.«

»Das ist in Ordnung.« Mia sieht mich an.

»Dürfen wir fragen, wie es ihr geht?«

»Natürlich. Sie hat die letzten Nächte tief und fest geschlafen, und auch etwas gegessen, wir lassen sie ein paar Tage zu sich kommen. Wir werden den Zeitpunkt wissen, wenn sie bereit zu mehr sein wird. Ab diesem Tag werden werde ich nach und nach mit ihr reden, mit ihr arbeiten. Das wird nicht von heute auf morgen besser werden. Da ich nicht weiß, wie stark sie, wie sehr sie eine Kämpferin ist, kann ich euch nicht sagen, wie lange das dauern wird. Doch wir geben ihr die Zeit, die sie benötigt. Es gibt Menschen, die sind stark und können ein solches Trauma gut verarbeiten, andere weniger. Auf jeden Fall werde ich alles dafür tun, dass sie die Kerle nicht gewinnen lässt. Habt ihr, was das angeht, Neuigkeiten? Hat man sie gefunden?«

»Nein«, antwortet Beth.

»Die Polizei will unbedingt von Fiona Anhaltspunkte wissen.

---ENDE DER LESEPROBE---