Firefight – Feuergefecht. Gnade hat ihren Preis. Zeit für Victor, zu zahlen. - Tom Wood - E-Book

Firefight – Feuergefecht. Gnade hat ihren Preis. Zeit für Victor, zu zahlen. E-Book

Tom Wood

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Beschreibung

Der neue Victor-Thriller – Kompromisslos. Brutal. Adrenalingeladen. Gnade hat ihren Preis. Zeit für Victor, zu zahlen. Ein tödlicher Auftrag in Bukarest – zwei Zielpersonen, gestohlene Geheimdaten, ein klarer Plan. Doch als Victor erkennt, wer sein zweites Ziel ist, gerät alles aus den Fugen: eine ehemalige Verbündete. Eine Frau, der er sein Leben verdankt. Und die er verschont. Doch so etwas bleibt nicht ohne Folgen. Um seine Schuld zu begleichen, übernimmt Victor eine Mission, die selbst für ihn fast unmöglich ist: Während einer internationalen Sicherheitskonferenz soll er einen Auftragsmörder wie sich selbst enttarnen – und eliminieren. Ohne Spuren. Ohne Fehler. Umgeben von Agenten, Diplomaten und modernster Überwachungstechnologie wird der Auftrag zum Tanz auf dem Drahtseil. Während Victor im Schatten jagt, wissen seine alten Feinde längst, wo er ist. Männer, deren Pläne er in Bukarest durchkreuzt hat. Männer, die jetzt nur noch ein Ziel kennen: seine Auslöschung. Ein Killer auf der Flucht. Ein Gegner, der alles weiß. Ein Showdown, in dem nur einer überlebt. Tom Wood entfesselt einen gnadenlosen Höllenritt durch ein Netz aus Verrat, Schuld und Rache. Victor kämpft gegen die Uhr, gegen seine Feinde und gegen sich selbst. Ein Thriller, der dich atemlos zurücklässt – kompromisslos, brutal, hochspannend! »Vollgepackt mit Action.« – Financial Times »Ein brandgefährlicher Nervenkitzel.« – HEAT

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Seitenzahl: 544

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Teil eins

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Teil zwei

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Teil drei

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Teil vier

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Teil fünf

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Danksagungen

Über den Autor

Die Tesseract-Reihe von Tom Wood

Die Orphan X-Reihe von Gregg Hurwitz

Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Inhaltsbeginn

Impressum

Firefight – Feuergefecht

Tom Wood

Aus dem Englischen von Helga Parmiter

Für Sonya

Teil eins

Kapitel 1

In Rotterdam eine Bar zu finden, die Victors Anforderungen entsprach, war schwer. Zu viel Betrieb, und es wäre schwierig, den Überblick darüber zu behalten, wer kam und ging. Zu ruhig, und ein Feind könnte versucht sein, sie als Angriffspunkt zu nutzen, durch den Eingang hereinzumarschieren und mit einer automatischen Waffe um sich zu schießen, oder durch ein Fenster im Vorbeifahren alles mit Kugeln zu durchsieben. Diese Bar war die goldene Mitte zwischen beiden Extremen. Sie lag in der Nähe eines Theaters, und zwei Drittel des Lokals waren eine Brasserie, die auf Abendessen vor und nach der Vorstellung spezialisiert war. Das verbleibende Drittel war eine separate Cocktailbar, in der viele am frühen Abend nach der Arbeit einen Drink nahmen. Kurz vor Sperrstunde war es in der Brasserie immer noch laut, weil die Gäste spät aßen und von den vielen Kellnern bedient wurden, während in der Bar genügend Tische und Nischen unbesetzt waren. Victor saß am Tresen, der im rechten Winkel zum Eingang verlief. Er konnte den Eingang von seinem Platz aus nicht sehen, da Innenwände die Bar von der Brasserie trennten. Im Spiegel hinter der Bar konnte er jedoch die Lücke in der Wand beobachten, die in den Trennflur der beiden Hälften des Geschäfts führte.

Er nippte mit genügend Pausen an einem Gin Tonic, um den Enzymen seiner Leber Zeit zu geben, den Alkoholgehalt abzubauen, bevor dieser seine kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen konnte. Und obwohl er nur in der schützenden Umgebung einer seiner sicheren Unterkünfte ein paar über den Durst trank, war es unerlässlich, seine Toleranz zu wahren. Ein Attentäter, der keinen Alkohol vertrug, war ein lebender Toter.

Durch seine Körpersprache gab es zu vielen Gelegenheiten genügend subtile Signale, sodass die meisten Leute ihn in Ruhe ließen. Manchmal waren diese Signale nicht deutlich genug, und er wurde von einer Person angesprochen, die zu unbefangen oder zu betrunken war, um zu erkennen, dass er sich nicht an dem Gespräch beteiligen wollte.

Von Zeit zu Zeit stellte er fest, dass er Gesellschaft wollte, und änderte sein Verhalten, um dem Vorschub zu leisten.

Victor sah, wie sie sich näherte, denn niemand drang jemals in seinen persönlichen Bereich ein, ohne dass er es bemerkte.

Vielleicht dreißig. In Bars mit schmeichelhaftem Licht und durch die Verbreitung nicht-invasiver kosmetischer Eingriffe wurde es für ihn immer schwieriger, das Alter einer Person zu bestimmen. Diese Frau hätte zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig sein können. Sie trug, genau wie er, einen Anzug, allerdings mit dezenten hellgrauen Nadelstreifen. Ihre Bluse war himmelblau, was ihre Augen betonte. Ihr mittelbraunes Haar war in zwei gleiche Hälften gescheitelt und hing glatt herunter, bevor es sich an den Enden knapp über den Schlüsselbeinen ein wenig kräuselte. Im Herzen der Stadt, mit den vielen Büros und Finanzinstituten, wirkte sie wie eine der vielen Geschäftsfrauen. Vielleicht eine Bankerin. Vielleicht eine Personalchefin. Sie wirkte entspannt und selbstbewusst, und es war keine Überraschung, als sie ein Gespräch begann.

»Meine Freunde trinken nur Rosé«‹, sagte sie mit einem Ton, in dem Geringschätzung, aber keine Bosheit schwang. Ihrem Akzent nach war sie Dänin. Sie sah noch nicht in seine Richtung, sondern fasste nur ihre Gedanken in Worte, die er hören konnte. »Aber ich brauche etwas, das ein wenig erwachsener ist.«

Auch wenn Höflichkeit nicht zu der Normalität passte, in die er sich zur Tarnung hüllte, war Victor gerne höflich, und so ging er mit einer Antwort darauf ein.

»Ich empfehle einen Gin Tonic.«

Manieren kosten nichts, hatte man ihm vor langer Zeit immer wieder eingebläut, und obwohl er diese Lektion damals nur beherzigt hatte, um der Strafe für Unhöflichkeit zu entgehen, tat er immer noch sein Bestes, um sich daran zu halten.

Sie warf ihm einen Blick zu. »Keine schlechte Idee. Einen bestimmten Gin?«

»Wie trinkfest sind Sie?«

»Eisern.«

»Dann fragen Sie nach Botanist.«

Sie drehte sich um, sah ihm zum ersten Mal in die Augen und sagte: »Das werde ich tun, danke.«

Als der Barkeeper ihre Bestellung aufnahm, bat sie um einen leichten Tonic dazu.

Der Barkeeper war ein großer, stämmiger Mann, der ohne den dünnen, gepflegten Ziegenbart zu jung ausgesehen hätte, um in einem solchen Lokal zu arbeiten. Er trug ein schwarzes, am Kragen zugeknöpftes Hemd, sowie farblich abgestimmte Hosen und Schuhe. Die Kellner in der Brasserie waren an ihren weißen Halbschürzen zu erkennen. Eine Hostess in einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug stand hinter einem hohen, messingbeschlagenen Pult und wies den Gästen je nach Wunsch und Reservierung den Weg in die Bar oder in die Brasserie.

»Ich bin Emilie«, sagte die Dänin und reichte Victor die Hand, nachdem der Barkeeper gegangen war, um ihr Getränk zuzubereiten.

Victor ergriff leicht ihre Hand und schüttelte sie. »Ich bin Ken.«

»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Ken.«

»Gleichfalls. Wie ist Ihr Abend?«

Sie warf einen Blick über die Schulter und wies mit einer Geste auf den Eingangsbereich. »Unser spätes Abendessen hat lange genug gedauert. Alle müssen den letzten Zug nach Hause nehmen und versuchen, ihre Partner davon zu überzeugen, dass sie nur einen Drink nehmen wollten, der Chef aber darauf bestanden hat, dass sie noch auf einen weiteren Drink bleiben.«

»Nette Arbeit, wenn man sie bekommen kann, schätze ich.«

»Tja, so ist das Bankgeschäft. Und was machen Sie beruflich, Ken?«

Er hatte eine Reihe von langweiligen Beschäftigungen, die er vorschützen konnte, wenn er sich an das Protokoll hielt. Manchmal jedoch machte es Victor Spaß, seine eigenen Regeln zu brechen.

Er sagte: »Ich bin professioneller Auftragsmörder.«

Sie zögerte einen Moment, zog die Augenbrauen zusammen und lächelte dann, als sie sich auf den wohl offensichtlichen Scherz einließ. »Oooh, aufregend. Ich dachte, Sie gehörten wie ich zu den typischen Angestellten in der Stadt, aber das ist auf jeden Fall wesentlich besser. Sind Sie gerade auf einer Mission?«

»Wir nennen das Aufträge. Aber nein, ich drehe Däumchen zwischen Jobs.«

»Faszinierend. Wie viele Menschen haben Sie getötet?«

»Ich würde es Ihnen sagen, aber ich möchte nicht, dass es als Prahlerei rüberkommt.«

»Sie sind also sehr produktiv«, sagte sie und lächelte immer noch. »Jemand Berühmtes umgebracht?«

»Definieren Sie ›berühmt‹.«

»Ich weiß nicht – Prominente, Filmstars ... Angehörige von Königshäusern.«

»Dann nicht«, sagte er. »Ich nehme normalerweise keine Aufträge mit hochkarätigen Zielen an.«

»Wie kommt’s?«

»Je weniger meine Arbeit bekannt wird, desto länger bleibe ich am Leben.«

»Sehr gerissen«, sagte sie. »Ist das Ihre Hauptbeschäftigung oder haben Sie noch einen anderen Job? Eine Art Doppelleben? Tagsüber Pharmazeut, nachts Killer?«

»Das ist alles, was ich tue«, antwortete er. »In diesem Beruf ist kein Platz für etwas anderes.«

Der Barkeeper kam mit ihrem Gin Tonic zurück. Der Gin wurde in einem geschliffenen Highball-Glas mit viel Eis und einer dicken Limettenspalte serviert. Sie bedankte sich, nahm einen kleinen Schluck, prüfte kurz den Geschmack und sah dann in Victors Richtung. »Nicht schlecht«, sagte sie. »Gar nicht schlecht.«

»Schön, dass er Ihnen schmeckt.«

»Wenn ich so darüber nachdenke«, begann sie, »bin ich mir nicht sicher, welcher Beruf eigentlich der moralisch korruptere ist: Banker oder jemand, der Anschläge verübt.«

»Ich bin kein Fan dieses Begriffs.«

»Wie kommt’s?«

»Ich mag keine Euphemismen, wenn es um meine Arbeit geht«, sagte er. »Das wirkt alles ein bisschen unreif. Ich töte, ich schlage nicht. Ich bin ein Killer.«

»Wie viel würden Sie verlangen, um mich zu töten?«

»Die Frage ist eher, ob Ihre Feinde genug bieten, damit ich in Erwägung ziehe, Sie zu töten.«

»Darauf kommt es also an? Geld?«

»Worauf denn sonst?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Sie könnten nur die bösen Menschen töten und nicht die guten.«

»Wer entscheidet in diesem Szenario, wer böse und wer gut ist? Ich?«

Sie dachte einen Moment darüber nach. »Ich denke schon.«

»Aber ich bin ein Mörder«, sagte er. »Wieso steht es mir zu, über andere zu urteilen?«

»Wenn Sie nur böse Menschen töten, dann tun Sie eigentlich etwas Gutes.«

»Wenn ich hier die höchste Instanz der Moral bin, aber gleichzeitig unmoralische Handlungen begehe, dann bin ich mir nicht sicher, ob das zulässig ist.«

Sie lachte. »Ich versuch’s ja, okay? Das ist das erste Mal, dass ich einen Auftragsmörder anbaggere.«

»Sie baggern mich an?«

Das Lächeln wurde etwas selbstironischer und schüchterner. »Das hatte ich vor, aber Sie haben mich mit Ihrem Scherz aus dem Konzept gebracht.«

»Dann entschuldige ich mich aufrichtig. Bitte baggern Sie mich weiter an, und ich werde versuchen, Sie nicht wieder aus der Fassung zu bringen.«

»Oh, ich glaube, dafür ist es jetzt zu spät. Ich glaube, Sie haben Ihre Chance vertan.« Sie nahm ihr Getränk von der Theke und prostete ihm damit zu. »War nett, mit Ihnen zu plaudern.«

»Mit Ihnen auch.«

»Ich glaube, Sie sind da an etwas dran, Sir«, sagte der Barkeeper, nachdem sie gegangen war.

Victor fragte: »Wie kommen Sie denn darauf?«

»Sie haben nicht hingesehen, aber sie hat sich umgedreht, bevor sie ging. Das ist immer ein Zeichen.«

»Jetzt ist es zu spät«, sagte Victor.

Der Barkeeper schürzte seine Lippen. »Sie wird zurückkommen, garantiert.«

Victor wollte antworten, spürte aber die Vibration seines neuesten Wegwerfhandys. Nur eine Person hatte die Durchwahl, also wusste er, dass Lambert der Anrufer mit der unbekannten Rufnummer war.

»Entschuldigen Sie mich«, sagte Victor zum Barkeeper und ging dann ans Telefon.

»Roman, mein Junge«, begann sein Mittelsmann. »Ich hoffe, das ist ein guter Zeitpunkt für ein Gespräch.«

»Passt schon.«

»Großartig«, fuhr Lambert fort, »denn die Einzelheiten für deinen nächsten Auftrag sind durchgekommen. Der Kunde braucht dich in Bukarest, das, wie ich höre, zu dieser Jahreszeit wunderschön ist.«

»Du hast richtig gehört. Nenn mir die wichtigsten Eckdaten.«

»Mach ich, aber zuerst: Gehts dir gut? Du klingst ein wenig müde.« In Lamberts Stimme schien echte Besorgnis zu liegen, was Victor unangenehm war, also sagte er: »Mir geht es prima.«

Obwohl sie sich noch nicht lange kannten, erkannte Lambert Ausweichmanöver, wenn er sie hörte. »Was ist in Belgien passiert?«

Kapitel 2

Gestern Abend

Der Attentäter griff mit schnellen, nach unten geführten Messerstichen in Richtung Kopf oder Hals an, holte dann weit aus und zielte unter die Rippen. Victor parierte die ankommenden Hiebe mit seinen Unterarmen, indem er von unten gegen den Ellbogen des Gegners oder seitlich vor dessen Handgelenk schlug. So verhinderte er, dass die Messerspitze ihr Ziel erreichte. Rückwärtsschritte schufen Abstand, sodass die nachfolgenden Angriffe zu kurz ausfielen. Doch sein Gegner war schnell, und der Übergang von den nach unten geführten Stichen zu den horizontalen Hieben war so fließend, dass die Klinge mehrmals in Victors Anzugsjacke und Hemd schnitt.

Der Attentäter spürte, dass gleich Blut fließen würde, und zwang Victor stetig zum Rückzug. Da sein Feind seitlich zu ihm stand, und die linke Hand außer Reichweite war, hatte Victor nur begrenzte Kontermöglichkeiten, bis er das Timing des Messerstechers verinnerlicht hatte.

»Wer hat dich geschickt?« Der Attentäter war verwirrt und konnte nicht begreifen, warum jemand versuchte, ihn zu töten – weshalb er diesmal auf der Empfängerseite eines Auftrags stand und nicht derjenige war, der ihn ausführte. »Sag es mir, und ich lasse dich vielleicht am Leben.«

Victor blieb stumm. Es hatte keinen Sinn, sich mit seiner Zielperson zu unterhalten. Er war hier, um einen Auftrag zu erledigen, nicht um zu plaudern.

Er war entwaffnet worden und seine Pistole – eine FN Five-Seven – lag irgendwo in der Nähe ungesehen in der Dunkelheit. Selbst wenn er wüsste, wo sie gelandet war – sie aufzuheben würde nur dazu führen, dass sich sechs Zentimeter Stahl durch seine Schädeldecke bohrten.

Das Licht der Straßenlaternen drang durch die weiß getünchten Fensterscheiben in diffusen orangefarbenen Schwaden herein und dort, wo die Farbe zerkratzt oder abgeblättert war, fielen dünne, intensive Strahlen hindurch. Die Fenster der stillgelegten Bäckerei, die im Souterrain lag, befanden sich hoch an einer Wand, nahe der Decke. Wo das Licht von draußen nicht hinkam, war der Rest des Raumes so gut wie schwarz.

In einer kleinen Stadt zwanzig Meilen außerhalb von Brüssel, lag die Bäckerei in einem Geschäftsviertel versteckt. Ein guter Ort, um nach einem Auftrag unterzutauchen, fand Victor. Wären ihre Rollen vertauscht, könnte er sich vorstellen, auch eine solche Umgebung zu wählen.

»Wer hat dich geschickt?«

Sie bewegten sich in der Dunkelheit, einige Angriffe fingen das Licht auf der Messerklinge in scharfen orangefarbenen Schimmern auf, andere waren nur verschwommene Flecken in den Schatten.

Obwohl die Strom- und Gaszufuhr des Hauses unterbrochen worden war, konnte Victor zwischen dem Scharren der Schritte und dem Zischen der Waffe des Attentäters einen tropfenden Wasserhahn hören.

Er ging rückwärts zwischen Backblechen, Schüsseln und Pfannen hindurch, die auf den Boden gefallen waren, als er mit dem Attentäter gerungen und beide den jeweils anderen in dem beengten Raum entwaffnet hatten, noch bevor eine der Pistolen zum Einsatz kommen konnte. Victor hatte die Waffe des Attentäters – eine 9 mm SIG Sauer P226 – auf den sechseckigen Fliesen herumwirbelnd und klappernd unter den Küchenutensilien verschwinden lassen. Er riskierte einen Blick, um zu sehen, wo sie gelandet war, konnte sie aber nicht erreichen, da der Attentäter ihm dicht auf den Fersen blieb. Die Anti-Rutsch-Beschichtung der Keramikfliesen auf dem Boden – die Verschütten und Arbeitsunfälle verhindern sollte – half Victor, aufrecht zu bleiben, während er blindlings rückwärts ging.

»Warum beschützen Sie Ihren Auftraggeber?«, fragte der Attentäter und schlich durch den von Victor freigemachten Weg vorwärts.

An der Wand gegenüber den Fenstern befanden sich drei Öfen in gleichem Abstand und ein robustes Porzellanwaschbecken. Davor stand in der Mitte des Raumes eine große Metallinsel. Victor umrundete die Insel, während sein Feind ihn mit seinen unerbittlichen Messerattacken verfolgte.

Im Moment war Victor damit zufrieden, den Mann sein Ding machen zu lassen. So gern Victor auch mit entschlossener Gewalt zuschlug, so hatte es doch auch Vorteile, sich zu verteidigen. Zum einen war es weniger anstrengend für seine Ausdauer, zum anderen bot es ihm die Möglichkeit, die Schnelligkeit und die Fähigkeiten seines Gegners zu testen, und verschaffte ihm gleichzeitig Einblick in die Denkweise des Gegners.

»Du hast nur eine Chance«, sagte der Attentäter selbstbewusst und beherrscht, »mir zu sagen, was ich wissen will.«

Der Angreifer wusste, dass sein Hauptvorteil seine Schnelligkeit war, und schöpfte dies aus, indem er in seinem tödlichen Rhythmus nicht nachließ.

Und das zu tun, war genau das Richtige.

Victor hatte keine Zeit, einen Gegenangriff zu planen. Er nutzte jedes Quäntchen seiner eigenen Geschwindigkeit und Erfahrung, um einer Klinge durch den Schädel auszuweichen, oder zu vermeiden, dass seine Eingeweide aus einem Schnitt in der Bauchdecke austraten.

Das Abblocken forderte jedoch seinen Tribut von seinem Gegner, auch wenn dieser es noch nicht merkte.

»Du wirst müde«, sagte der Attentäter zu ihm. »Dir läuft die Zeit davon.«

Victors Unterarme waren durch lebenslange körperliche Betätigung trainiert, seine Knochendichte nahm mit jedem Mal, das er gefrorene Wasserfälle und Berghänge in den Alpen bestieg, mit jedem intensiven Training, mit jeder Nahkampfkonfrontation, zu. Gelenke waren immer Schwachstellen, und der Ellbogen und das Handgelenk des Attentäters würden der kombinierten Kraft aus Victors starkem Block und seinen eigenen, nach unten gerichteten Schlägen niemals standhalten.

»Letzte Chance«, sagte der Attentäter. »Sag’s mir.«

Vielleicht hatte er eine hohe Schmerztoleranz, oder das Adrenalin, das ihn durchströmte, dämpfte das Empfindungsvermögen. Aber der Schaden war trotzdem angerichtet. Indem er sich unbeirrt auf seine Geschwindigkeit verließ, machte er Victor das Leben nur leichter.

Zunächst würden Haarrisse in den Knochen entstehen, die Belastungssteigerungen hervorriefen.

Dann – ein Bruch.

Die einzige Frage war, wo die Knochen zuerst versagen würden: im Handgelenk oder im Ellbogen.

Der Attentäter verzog das Gesicht, als Victors nächster Block seinen Ellbogen traf – den unvermeidlichen Haarriss oder die Haarrisse – und beantwortete so die Frage.

Victor wollte sichergehen, dass sein Feind seine Taktik nicht änderte, um seinen Ellbogen zu schützen, und ließ zu, dass der nächste schwungvolle Hieb die Haut seines Bauchs ritzte.

Beflügelt vom Anblick des Blutflecks auf Victors weißem Hemd und von dessen echter Grimasse, behielt der Attentäter seinen Rhythmus bei und wiederholte seine Angriffe, holte mit dem Messer weit nach oben aus und führte es dann zu einem Stich auf Victors Schädel nach unten.

Im Gegenzug schlug Victor von unten mit der Kante seines Unterarmes gegen den ankommenden Ellbogen.

Knack.

Kapitel 3

Gestern Abend

Endlich hielt der Attentäter den Mund.

Durch den Aufprall brach seine Elle am Ellenhaken, und durch diese plötzliche Freisetzung von Energie riss die Kollateralsehne, die die Elle am Oberarmknochen befestigt.

Der abwärts gerichtete Stich verlor jegliche Beschleunigung, und der darauffolgende schwungvolle Hieb blieb aus, weil der plötzliche Schmerz der Verletzung ihm die Koordination raubte.

Victor wich seitlich aus, um zu verhindern, dass der Attentäter gegen ihn fiel. Dann trat er ihm in die Kniekehle, sodass der verwirrte Mann geradewegs gegen die Edelstahltüren eines in der Wand eingelassenen Kühlschranks neben dem Eingang zur Speisekammer und den Lagerräumen krachte.

Das Metall verbeulte sich, als er davon abprallte. Er nutzte den Schwung für eine schnelle Drehung um die eigene Achse, während er das Messer aus dem Griff seines verletzten rechten Arms in die linke Hand wechselte.

Victor war auf den unvermeidlichen Rückhandschlag aus der Drehung heraus vorbereitet und schlug die Klinge mit einer gusseisernen Pfanne weg, die er von der nahe gelegenen Insel genommen hatte.

Das Gewicht der improvisierten Waffe ließ ihn nicht genug Schwung holen, um den Gegenschlag des Attentäters zu parieren. Victor ließ also die Pfanne los, packte das angreifende Handgelenk mit beiden Händen, drehte sich in den Oberkörper seines Feindes und schleuderte den Mann über seine Schulter hinweg auf die Insel. Er schlitterte über die glatte Metalloberfläche, und das Messer entglitt ihm, bevor er auf der andere Seite hinunterstürzte.

Da er seinen Sturz nur mit seinem unverletzten Arm abfangen konnte, blieb ihm nicht genug Zeit, um sich zu erholen, bevor Victor die Insel umrundet hatte und ihm auf den Rücken sprang. Er schlang seinen rechten Unterarm um die Kehle des Mannes, bis sie zwischen Bizeps und Unterarm eingeklemmt war, legte die rechte Hand in die linke und zog zu.

Da ein Arm unbrauchbar war, hatte der Attentäter keine Chance, vor dem Hirntod aus dem Schwitzkasten zu entkommen, es sei denn, Victor entschied sich, ihn loszulassen.

Was Victor auch tat, als er das verräterische Klicken eines sich öffnenden Schnappmessers hörte.

Er stolperte schnell weg, bevor das zweite Messer des Attentäters sich in seine ungeschützten Arme oder Beine graben konnte.

Ob die Waffe aus einer Tasche oder einer verdeckten Scheide gezogen wurde, spielte keine Rolle. Es spielte jedoch eine Rolle, dass der Attentäter mit seiner linken Hand nicht annähernd so treffsicher war wie mit seinem jetzt unbrauchbaren rechten Arm, der an seiner Seite herabhing.

Das verschaffte Victor die Zeit, ein Backblech vom Boden aufzusammeln, während er auf die Füße sprang. Er hielt es quer in beiden Händen, um es als Schild zu benutzen und die immer verzweifelteren Stiche und Hiebe seines Gegners abzuwehren, sobald auch dieser auf den Beinen war. Victor stieß das Backblech genau zur richtigen Zeit in die Flugbahn eines herankommenden Stichs. Die Klinge des Klappmessers drang mit einem knirschenden, hohen Kreischen direkt durch das Blech bis zur Parierstange.

Solange das Messer feststeckte, drehte Victor das Blech um neunzig Grad und verdrehte es zusammen mit dem ausgestreckten Arm des Attentäters, bis der Ellbogen nach oben zeigte und die Gliedmaße im Schultergelenk blockiert war.

Victor riss den Mann näher an sich heran, sodass er das Gleichgewicht verlor, und schleuderte ihn mit dem Gesicht voran in das schwere Waschbecken.

Blut verschmierte das Porzellan, und Zähne klapperten auf die Keramikfliesen.

Benommen verlor dieser das Schnappmesser aus den Fingern. Victor warf das aufgespießte Backblech beiseite, packte mit einer Hand das Haar des Attentäters und drehte mit der anderen einen Wasserhahn auf.

Er setzte den Abflussstöpsel ein, drückte den Kopf des halb bewusstlosen Mannes in das sich füllende Waschbecken und hielt ihn unter dem sich rötlich färbenden Wasser fest, bis er aufgehört hatte zu strampeln und die letzte Luftblase an der Oberfläche geplatzt war.

Kapitel 4

Gestern Abend

Victor drehte den Wasserhahn zu, ließ die Handvoll Haare los und trat einen Schritt zurück. Ohne jeglichen Halt rutschten Kopf und Schultern des toten Attentäters aus dem Waschbecken, und sein ganzer Körper sackte zu einem Haufen auf dem Boden zusammen.

Ein mit kaltem Wasser durchnässter Anzug war alles andere als ideal, aber Victor hielt dies für eine weitaus erträglichere Unannehmlichkeit als zu ertrinken. Die Leiche würde ihm bestimmt recht geben.

Wieder lauschte Victor in die Stille hinein.

Der tote Attentäter auf dem Boden gehörte zu einem dreiköpfigen Team, das die Bäckerei nach Erledigung seines letzten Auftrags im nahe gelegenen Brüssel als Unterschlupf nutzte. Anstatt sie alle gleichzeitig anzugreifen, hatte Victor geplant, den ersten unvorbereitet zu erwischen, während die beiden anderen sich aufmachten, um ihre Vorräte aufzufüllen, und sie dann bei ihrer Rückkehr aus dem Hinterhalt anzugreifen. Der ertrunkene Attentäter zu seinen Füßen war aufmerksamer gewesen, als er erwartet hatte, wie das übergelaufene Waschbecken, Victors aufgeschlitzter Bauch und die vielen verstreuten Gegenstände auf dem Boden der Bäckerei bewiesen.

Doch Marcus Lambert hatte Victor nicht in seine Organisation geholt, um einfache Verträge zu erfüllen. Fachleute wie er starben nicht so leicht.

Da er nichts hörte, nahm er die SIG des Attentäters an sich und hätte auch nach seiner eigenen Five-Seven gesucht, wäre da nicht das leise Knarren von Holz gewesen, das die Stille unterbrach.

Vom Vordereingang führte eine alte Treppe hinunter in den Verkaufsraum der Bäckerei, in dem früher die vielen Sorten Brot, Gebäck und Kuchen verkauft worden waren. Victor richtete die SIG auf die Schwingtüre, die die Küche mit dem anderen Raum verband. Es gab keine Sichtfenster darin, und es fiel nicht genug Licht durch die Schaufenster, um Schatten durch den Spalt zwischen der Unterseite der Türen und dem Boden zu werfen.

Victor war durch den Hintereingang gekommen und hatte das Schloss geknackt, um über einen kleinen Hof hinter dem Gebäude durch die Lagerräume und die Vorratskammer in die Küche zu gelangen.

Ein weiteres Knarren bestätigte, dass zumindest eins der beiden anderen Teammitglieder zurückgekehrt war und langsam und bedächtig die Eingangstreppe hinunterstieg.

Ihre Vorsicht zeigte ihm, dass sie wussten, dass etwas nicht stimmte. Entweder hatten sie gehört, wie Victor den ersten Attentäter ertränkte, oder sie hatten ihrem toten Mitstreiter eine Nachricht geschickt, um ihn über ihre bevorstehende Ankunft zu informieren, und hatten aus dem Ausbleiben einer Antwort die richtigen Schlüsse gezogen.

Es gab keinen Grund anzunehmen, dass nur einer zurückgekehrt war, also stellte Victor sich zwei Männer mit gezogenen Waffen vor, die den offenen Bereich des Ladens zwischen der Treppe und dem L-förmigen Tresen, der sich an zwei Wänden entlang im rechten Winkel erstreckte, durchquerten. Dann würden sie durch die Lücke im Tresen gehen und sich der Schwingtüre nähern.

Bei einer anderen Anordnung wäre er vielleicht losgestürmt, um sie zu überrumpeln, aber ohne ihre genauen Positionen zu kennen, war das Risiko zu groß. Wenn es ihm nicht gelänge, die beiden mit seinen ersten Schüssen auszuschalten, säße er bestenfalls hinter dem Tresen fest, während sie genug Bewegungsmöglichkeiten hätten, um ihn in die Zange zu nehmen.

Victor musste davon ausgehen, dass die beiden anderen mindestens genauso fähig waren wie der Tote auf dem Boden, also rechnete er sich bei einem direkten Schusswechsel zwei gegen einen keine großen Chancen aus.

Sollten sie stattdessen doch zu ihm kommen.

Wenn beide Attentäter gemeinsam schnell und entschlossen angriffen, war Victor sicher, dass er einen von ihnen ausschalten konnte – aber wäre er schnell genug, um neu zu zielen, zu schießen und einen weiteren tödlichen Treffer zu landen, bevor der zweite ihn zuerst anvisieren konnte?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, hievte er sich auf die zentrale Kücheninsel und kletterte langsam und bedächtig hinauf, um lautlos zu bleiben.

Er legte sich flach auf den Bauch, und die Schnittwunde in seinem Unterleib verursachte einen stechenden Schmerz, als er sich auf der Metallfläche ausstreckte. Seine Füße hingen über die hintere Kante hinunter, und er streckte beide Arme nach vorne und zielte mit der P226 auf die Mitte der Schwingtüre.

Durch seine ungewöhnliche Höhe befand er sich zum größten Teil außerhalb des Sichtwinkels einer normalen Person und wurde vom Lichtkegel der Straßenlaternen nicht erfasst. So lag Victor auf der Lauer.

Er hörte keine Schritte, also bewegten sie sich langsam und leise, bis sie in Position waren.

Da sein Puls durch den Kampf erhöht war, atmete Victor langsam und kontrolliert, um seine Herzfrequenz wieder zu senken und so seine Feinmotorik zu verbessern.

Die Schwingtüre bot genügend Platz für breite Tabletts und alles andere, was ein Bäcker zwischen Küche und Schaufenster transportieren mochte. Die beiden verbleibenden Attentäter könnten das ausnutzen, indem jeweils einer eine Türhälfte aufstieß oder -trat, damit beide gleichzeitig hereinkommen konnten. Wenn sie das taten, würde Victor beide verfehlen, wenn er auf die Mitte zielte, also verschob er sein Augenmerk ein wenig nach rechts. Diese Hälfte der Tür lag näher zum Durchgang im Tresen auf der anderen Seite. Sollte nur ein Attentäter zurückgekehrt sein, würde er diese Türhälfte aufstoßen. Und wenn beide gleichzeitig hereinkamen, würde trotzdem einer der beiden Feinde dort hindurchkommen.

Zweimal abdrücken, dachte Victor, bevor er sein Ziel nach links verlagern würde, um dort dasselbe zu tun. Danach Kopfschüsse.

Die mit kaltem Wasser getränkte Vorderseite seines Anzugs sorgte dafür, dass die Kälte Victor in die Knochen kroch, während er auf der Metallfläche lag. Die Umgebungstemperatur war bereits im einstelligen Bereich, und wenn sie noch länger warteten, würde er anfangen zu zittern. An die Stahlinsel gepresst, würde das unvermeidliche Klappern seiner Knie und Ellbogen auf dem Edelstahl, ganz zu schweigen von seiner Gürtelschnalle, seine Position verraten.

Sekunden verstrichen.

Sie mussten doch jetzt in Position sein.

Sie waren vorsichtig und geräuschlos, weil sie wussten, dass jenseits der Schwingtüre ein Hinterhalt auf sie wartete.

Er stellte sich vor, wie sie mit Handzeichen und Gesten kommunizierten.

Du gehst links, ich rechts. Bereit?

Bereit.

Aber wie lange würde es dauern, bis sie ...?

Die Türhälfte rechts von Victor krachte nach einem mächtigen Tritt nach innen, beschrieb einen schnellen Halbkreis und schlug gegen die angrenzende Wand, während eine dunkle Silhouette durch die Öffnung stürmte.

Victor drückte schnell zwei Mal nacheinander ab und jagte zwei 9 mm-Geschosse mitten in die dunkle Masse, wobei er im Halbdunkel nicht genau erkennen konnte, wo die Kugeln einschlugen.

Die linke Seite der Tür schwang nicht zur selben Zeit auf, sodass Victor nicht in diese Richtung zielen, sondern die SIG nur ein wenig anheben musste, um eine dritte Kugel in den Kopf zu schießen.

Vielleicht war nur einer der restlichen Attentäter zurückgekehrt ...

Oder der andere hatte das Gebäude auf demselben Weg betreten wie Victor ...

Und näherte sich ihm von hinten.

Kapitel 5

Gestern Abend

Mit einer schnellen Rolle seitwärts warf Victor sich auf den Rücken und riss die Hände herum, um auf den Eingang an der gegenüberliegenden Wand zu zielen. Derweil ließ er sich mit dem Schwung der Rolle von der Insel fallen, als eine Maschinenpistolensalve diese mit Kugeln eindeckte.

Unterschallgeschosse, die durch einen Schalldämpfer verschossen wurden, dämpften zwar den Mündungsknall, konnten aber nichts gegen das laute Donnern der Kugeln ausrichten, die Löcher in die Edelstahloberfläche der Insel schlugen, auf der Victor einen Sekundenbruchteil zuvor gelegen hatte.

Er erwiderte das Feuer – erst im Rollen, dann im Fallen – richtete die SIG auf die Silhouette in dem anderen Türrahmen und drückte mehrmals in rascher Folge ab, bevor er mit dem Rücken auf dem Boden aufschlug und sich abrollte, um die Energie des Aufpralls zu absorbieren.

Einige seiner Schüsse trafen ins Schwarze, aber der Bewaffnete stand immer noch, wenn auch taumelnd, und änderte sein Ziel, während das SMG weiter Kugeln spie und Löcher in die Insel und dann in die Küche stanzte, weil Victors Kugeln dessen Treffsicherheit beeinträchtigten.

Victor beendete seine Rolle wieder einmal auf dem Rücken. Metall klirrte und Mauerwerk zersplitterte. Er richtete die SIG wieder auf die Silhouette in der Tür, die ihrerseits Victors Bewegungen verfolgte, wobei die Kugeln nun in die Bodenfliesen rings um ihn herum einschlugen.

Keramiksplitter flogen ihm ins Gesicht, und Victor verschoss die restlichen Kugeln seiner Pistole. Dicke Staubschwaden hingen in der Luft, und die Dunkelheit wurde zur Schwärze.

Das Klappern eines ausgeworfenen Magazins auf dem Boden verriet ihm, dass auch dem Attentäter im selben Moment die Munition ausgegangen war.

Da die P226 nun leer war, sprang Victor auf die Füße, um den Schützen umzurennen, bevor dieser weitere Schüsse abgeben konnte. Doch als Victor aus der Staubwolke auftauchte, sah er, wie die Silhouette das SMG fallen ließ.

Die Gestalt blieb noch einen Moment stehen, bevor sie rücklings durch die offene Tür der Vorratskammer zusammenbrach.

Jetzt, da er erkennen konnte, wo seine Five-Seven gelandet war, hob Victor sie vom Boden auf und untersuchte die beiden Neuankömmlinge, um festzustellen, ob sie tot oder nur verwundet waren. Er fand den ersten Kerl zuckend auf dem Boden des Verkaufsraums auf der anderen Seite der Schwingtüre. Die Kugeln von dem Doppelschuss glitzerten in einem Lichtstreifen der Straßenlaternen. Sie steckten in einer gepanzerten Weste, die dem Attentäter das Leben gerettet hätte, wenn Victors anschließender Kopfschuss nicht beim Austritt einen großen Teil des Schädels weggerissen hätte.

Der dritte Mann war noch am Leben und lag auf dem Rücken, halb in der Küche, halb in der Vorratskammer. Eine böse Platzwunde der Kopfhaut rührte von einem Streifschuss her und färbte eine Seite seines Gesichts rot. Im Bauch- und Brustbereich seiner Panzerweste waren mehrere Löcher, aus denen – bis auf eins – abgefangene Geschosse herausragten.

Victor fand es interessant, dass diese beiden eine Schutzweste trugen, während der erste nicht gepanzert gewesen war. Sie mussten mit einem bevorstehenden Angriff gerechnet haben, doch der erste des Trios war wohl zu selbstsicher gewesen.

Obwohl ihn eine gepanzerte Weste auch nicht vor einer Lunge voll Wasser bewahrt hätte.

»Wer hat dich geschickt?«, keuchte der am Boden liegende Mann, und Blut sprudelte aus seinem Mund.

Ein Amerikaner. Der jüngste des Trios, aber deshalb nicht weniger kompetent. Sie hatten eine beeindruckende Erfolgsbilanz als Team, aber alles Gute musste einmal zu Ende gehen.

Mit ausgestrecktem Arm versuchte er, das Maschinengewehr zu erreichen, das ihm aus der Hand gefallen war, bevor er umgekippt war. Er würde den Kampf nicht aufgeben, auch wenn die Situation hoffnungslos war.

Victor hatte Respekt davor.

Wieder fragte der Amerikaner: »Wer?«

»Warum interessiert euch das so sehr?«, stellte Victor eine Gegenfrage und trat die heruntergefallene Waffe weg. »Es ändert nichts.«

Ein plötzlicher Schmerz ließ Victor zusammenzucken, und er rieb sich das Kreuz. Er spürte jetzt die Folgen der Landung auf einer der Backformen, nachdem er sich von der Insel gerollt hatte. Er wusste, dass er am nächsten Morgen eine heftige Prellung haben würde.

Der Amerikaner sagte: »Ich muss es wissen, Mann.«

»Du hast eine durchbohrte Lunge«, erklärte Victor ihm, »aber die Weste hat die Kugel so weit abgebremst, dass sie dein Herz nicht erreicht hat. Auch deine Kopfwunde ist nicht tödlich. Du könntest also überleben, wenn du schlau bist. Sag mir, wer euch angeheuert hat, und ich rufe dir einen Krankenwagen. Dein Auftraggeber ist mein eigentliches Ziel, also gibt es keinen Grund für dich, deinen Teamkollegen ins nächste Leben zu folgen, es sei denn, du willst es wirklich.«

Er beobachtete den jungen Mann einige Sekunden lang beim Nachdenken, bevor er sagte: »Abgemacht. Sag mir, wer dich geschickt hat, und ich sage dir ... wer mich geschickt hat.«

»Einverstanden«, stimmte Victor zu. »Aber du zuerst.«

»Ein Australier namens Ken Harvey ... Er arbeitet von London aus ... Einer der anderen Jungs kennt ihn von früher.«

»Du hast ihn sehr schnell verraten«, stellte Victor fest.

»Der Mistkerl hat versucht, sich vor der Bezahlung des Jobs zu drücken«, sagte der Amerikaner, bevor er noch mehr Blut hustete. »Ich wusste von Anfang an, dass dieser Nebenjob eine schlechte Idee war. Ich wusste es ... Ich habe es ihnen gesagt ...«

Victor benutzte sein aktuelles Wegwerfhandy, um Namen und Beruf des Kunden in eine Suchmaschine einzugeben. Er zeigte dem am Boden liegenden Mann die Ergebnisse.

»Ist das Harvey?«

»Das ist die arrogante australische Schlange.« Er verzog wieder das Gesicht. »Komm schon, Mann ... Halte deinen Teil der Abmachung ein. Wer hat dich geschickt? Es war Marcus Lambert ... nicht wahr?«

Es konnte nicht schaden, darauf zu antworten, also sagte Victor: »Stimmt.«

»Dann bist du ein Trottel«, entgegnete der Amerikaner. »Wir arbeiten auch für ihn.«

»Das weiß ich«, antwortete Victor. »Aber eure Schwarzarbeit für Harvey ist nicht besonders gut gelaufen. Ihr habt in Brüssel eine Sauerei hinterlassen. Ihr habt nicht nur eine Schießerei in einem Café veranstaltet, sondern auch Spuren hinterlassen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Behörden euch auf die Spur kommen würden. Wenn man bedenkt, dass ihr alle registrierte Auftragnehmer bei Lamberts seriösem Unternehmen seid, wäre das sehr schlecht für seinen Ruf.«

»So viel zum Thema Loyalität.«

»Ihr habt einen Fehler gemacht«, erinnerte Victor ihn. »Und ich fürchte, du bist im falschen Beruf, wenn du erwartest, dass dein Auftraggeber sich niemals gegen dich wenden wird. Glaub mir, das kannst du vergessen. Selbst bei einer perfekten Erfolgsbilanz ist die Frage immer nur wann.«

»Ich meinte dich«, zischte der Mann angewidert. »Wir arbeiten beide für Lambert, also sind wir auf derselben Seite. Was ist aus Einigkeit geworden, Mann? Was ist aus Brüderlichkeit geworden?«

»Du musst mich mit jemandem verwechseln.« Victor richtete seine Five-Seven auf ihn.

Der Amerikaner musterte die Pistole. »Ich sehe, der Krankenwagen, den du erwähntest ... hat Verspätung.«

»Du hast die Bedingungen unserer Vereinbarung geändert, erinnerst du dich?«

Aus der Grimasse wurde ein Grinsen. Bitter. Trotzig. »Fahr zur Hölle.«

»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Victor, bevor er den Abzug drückte.

Kapitel 6

Ein weiterer Grund, warum Victor diese Bar in Rotterdam ausgewählt hatte, war die entspannende Lounge-Musik, die dort lief. Laut genug, um dem Ort Atmosphäre zu verleihen, aber ohne Unterhaltungen zu stören. Außerdem ermöglichte sie Viktor – auch wenn er seine Worte mit professioneller Sorgfalt wählte – zu telefonieren, ohne belauscht zu werden.

»Ich kann Ihnen einen Arzt besorgen«, sagte Lambert, nachdem Victor seinen Bericht über die Ereignisse des vorigen Abends beendet hatte. »Jederzeit, wenn Sie einen brauchen. Sie können im Handumdrehen von jemandem zusammengeflickt werden, der weiß, was er tut.

»Ich weiß, was ich tue«, entgegnete Victor.

Er rieb sich den Bauch, wo ihn das Messer des Attentäters aufgeschlitzt hatte. Soweit es Victor betraf, war es eine oberflächliche Verletzung. Die Klinge hatte seine Haut und die winzige Schicht subkutanen Fetts gespalten, doch die Faszie darunter war intakt und die Bauchdecke unversehrt. Eine medizinische Klammerpistole, Gaze und ein Desinfektionsmittel waren einfach anzuwenden und nichts, was er nicht schon hundertmal gemacht hatte. Die Wunde heilte gut. Abgesehen von den ständigen Schmerzen war er nicht eingeschränkt. Der blaue Fleck in seinem Kreuz verursachte mehr Unbehagen.

»Aber ich weiß das Angebot zu schätzen«‹, fügte er hinzu.

»Haben Sie zufällig herausgefunden, für wen diese Verräter gearbeitet haben?«

»Ken Harvey.«

Lambert schnaubte. »War klar.«

»Sie kennen ihn?«

»Oh ja, er hat auch mal für mich gearbeitet. Er hat für viele Leute aus der Branche illegale Gelder verwaltet ... andere private Sicherheits- und Militärorganisationen und Söldnergruppen, Waffenhersteller, was auch immer. Na ja, jedenfalls war es gute Arbeit, den Namen herauszufinden. Der Kunde wird sehr froh sein, dass wir ihm geholfen haben, eine weitere Ratte in seinem Abwasserkanal zu identifizieren. Das Komische ist, dass ich hörte, Harvey wolle nur noch legal arbeiten, also ist das eine Überraschung. Aber es ergibt wohl Sinn, dass er sich an meine Organisation für Schützen wandte, als er sie brauchte. Er wusste, dass ich sie bereitstellen konnte. Er hätte mich anrufen sollen, anstatt mich zu hintergehen, um ein paar Cent zu sparen.«

»Ich nehme an, Sie wollen, dass ich ihm und dem Kunden einen Besuch abstatte?«

»Harvey kann vorerst warten«, begann Lambert. »Der Auftrag in Rumänien ist dringlicher. Der Kunde versucht zwar immer noch herauszufinden, wer ihm die Pläne für seine speziellen neuen HEL-Systeme gestohlen hat, aber er weiß, dass seine Pläne von einer privaten Geheimdienstlerin namens Marion Ysiv in Bukarest gekauft werden. Wir wissen noch nicht, wer ihr die Pläne verkauft; nur, dass die Person in der gleichen Branche tätig ist wie Ysiv. Doch da wir dem Kunden jetzt sagen können, dass Ken Harvey Teil der Verkaufskette der Pläne ist, bin ich mir sicher, dass man in kürzester Zeit zwei und zwei zusammenzählen wird. Wer auch immer dieser Verkäufer ist, der Kunde will, dass wir sicherstellen, dass weder er noch Ysiv dieses Treffen lebend verlassen.«

»Je mehr Kunden an einem Ort sind, desto komplizierter ist es, das Anliegen vorzubringen.«

»Das ist mir schon klar«, räumte Lambert ein, der verstand, dass Victor in einem öffentlichen Raum sprach und deshalb das, was er sagte, auf die gleiche Weise übersetzte, wie vorhin Victors Beschreibung der Ereignisse in der Bäckerei. »Aber Auftragsspione sind gerissen; offenbar haben sie schon eine Weile miteinander kommuniziert. Wenn man nur einen von ihnen tötet, wird der andere verschwinden, bevor man ihn erwischen kann. Der Auftraggeber besteht darauf, dass beide beseitigt werden müssen, und zwar gemeinsam. Es muss eine Exempel statuiert werden. HEL-Systemen gehört die Zukunft, und ausnahmsweise ist das Vereinigte Königreich auf diesem Gebiet führend.« Er gluckste. »Und Sie wissen genau, dass derjenige, der sich diese Abkürzung ausgedacht hat, eher ein Vermarkter als ein Wissenschaftler ist. Bestehen nicht alle Laser standardmäßig aus Hochenergie?«

»Wann werden sie sich treffen?«

»In etwa einer Woche«, antwortete Lambert. »Ich weiß, dass Sie lieber mehr Vorlauf hätten, aber Spione, ob private oder sonstige, versuchen, ihre Termine nicht bekanntzugeben. Der Auftraggeber zahlt einen hohen Preis für die Eile, und das ist niemand, dem ich einen Korb geben möchte, weil es sich um ein hohes Tier im Verteidigungsministerium handelt. Ein fetter Zahltag ist natürlich schön, aber bei dieser Reihe von Aufträgen geht es nur um Gefälligkeiten. Wenn ich die Lizenz für die Bereitstellung von Sicherheitspersonal für Botschaften in Afrika um fünf Jahre verlängern will, muss ich die Machtmakler bei Laune halten. Das Verteidigungsministerium würde schlecht dastehen, wenn herauskäme, dass jemand die Pläne für seine glänzenden neuen Spielzeuge geleakt hat, bevor sie überhaupt in Betrieb genommen wurden. Das wiederum würde bedeuten, dass Downing Street schlecht dasteht. Wenn wir das hier erledigen, festigen wir nicht nur bestehende Freundschaften, sondern wir schließen auch neue.«

»Als ich Ihnen in Tunesien sagte, dass mir das Warum egal ist«, erwiderte Victor, »habe ich das auch so gemeint.«

»Das sollte Sie aber interessieren«, erwiderte Lambert schnell. »Ihr letzter Job für diese russischen Mafiosi war eine schmutzige Angelegenheit.«

Einer der Gründe, warum er sich überhaupt dazu entschlossen hatte, für Lambert zu arbeiten, waren die Umstände unmittelbar vor Beginn ihrer Vereinbarung. Lambert war ein gut vernetzter Mann mit umfangreichen Verbindungen. Und obwohl Victor es immer vorgezogen hatte, allein zu arbeiten und so viel Abstand wie möglich zwischen sich und seinen Arbeitgebern zu halten, brachte dies über einen längeren Zeitraum hinweg ganz eigene Probleme mit sich. Er hatte festgestellt, dass diese Isolation unweigerlich dazu führte, dass seine Arbeit und die damit verbundenen Aktivitäten eine immer größere Spur hinterließen, gegen die er ohne Hilfe wenig ausrichten konnte.

»Das war kein Job.«

»Nur weil man das schmutzige Geschirr in der Spüle stehen lassen kann, heißt das noch lange nicht, dass jemand kommen und es sauber schrubben muss. Wir schließen diese Verträge ab, und jemand anderes wird sich freiwillig melden, um das Geschirr wieder in den Schrank zu räumen.«

»Ich komme nicht ganz mit«, sagte Victor. »Sind die Russen in dieser Metapher die Spüle oder sind sie der Schrank?«

Lambert zögerte. »Ähm ... Nun, ich denke, was ich sagen will, ist ...«

»Das war ein Scherz.«

»Gott, Sie sind so staubtrocken.«

»Keine Blasphemie.«

»Tut mir leid, tut mir leid, Gewohnheit. Apropos, stört HEL Sie?«

»Es ist eine Abkürzung, also nein.«

»Interessant«, sagte Lambert. »Wie dem auch sei, der Job ist für uns beide ein guter Schritt. Wenn Sie sich die Russen vom Hals halten wollen, ist das der beste Weg, das zu erreichen. Je mehr Freunde wir haben, desto sicherer werden Sie sein.«

»Zur Kenntnis genommen«, stimmte Victor zu. »Ich kann in ein paar Tagen in Bukarest sein.«

»Das Treffen findet nächste Woche statt. Wollen Sie nicht jetzt schon hin? Schön früh ankommen, um bereit zu sein?«

»Ich muss noch woanders hin.«

Lambert sagte: »Das gefällt mir nicht. Was immer es auch ist, es kann warten, bis Sie abgeliefert haben.«

»Das nicht«, erwiderte Victor und wiederholte: »Ich werde in ein paar Tagen in Bukarest sein oder gar nicht. Sie haben die Wahl.«

Ein Moment des Schweigens, in dem Victor sich vorstellte, wie Lambert die Augen verdrehte, bevor er einwilligte: »Na schön. Wenn das nötig ist, damit Sie zustimmen.«

»Das ist es. Wo werde ich das Anliegen vorbringen?«

»In einem Hotel. Sie haben ein Zimmer für das Treffen gebucht.«

»Meiner Erfahrung nach eignen sich Hotels nicht als Veranstaltungsort für eine Präsentation.«

»Wenn ich sie überzeugen könnte, sich in einem Bunker mitten im Nirgendwo zu treffen, würde ich das tun.«

»An einem solchen Ort wird es wahrscheinlich viel Aufmerksamkeit erregen, das Anliegen deutlich zu machen.«

»Der Kunde will es so«, erklärte Lambert. »Man will, dass jeder weiß, was passiert, wenn sie bestohlen werden, also machen Sie so viel Lärm und so viel Chaos wie Sie wollen.«

»Es gefällt mir nicht, die Nachricht eines anderen zu übermitteln«, entgegnete Victor. »Ich bin kein Kurier.«

»Man ist immer der, den der Kunde will.«

»Der Kunde möchte, dass ich sein Anliegen vortrage und gleichzeitig eine Botschaft übermittle. Ich hingegen möchte weggehen, nachdem der Mandant bekommen hat, was er will. Ich möchte nicht, dass diese Botschaft meinen Gang stört.«

»Wie bitte?«

»Ich will weggehen können«, stellte Victor klar. »Ich will nicht rennen müssen.«

»Ich habe Sie nie für einen Mann gehalten, der Angst davor hat, ins Schwitzen zu geraten.«

»Sie wissen genau, was ich meine.«

»Stimmt«, gab Lambert zu. »Aber ich finde es hilfreich, in dieser Angelegenheit ein wenig Humor einzubringen, wann immer es möglich ist. Ich empfehle Ihnen, dasselbe zu tun, um Ihres eigenen Verstandes willen.«

»Sie wollen, dass ich meinen Kunden Witze erzähle, bevor ich ihnen das Anliegen vortrage?«

»Na ja«, begann Lambert, »zu warten, bis man sie getötet hat, ist wahrscheinlich ein bisschen zu lange.«

Kapitel 7

Nachdem der Anruf beendet wurde, nahm Victor die SIM-Karte und den Akku aus dem Telefon und steckte die einzelnen Teile wieder in seine Tasche.

»Noch einen?«, fragte der Barkeeper, der sah, dass der Inhalt von Victors Glas überwiegend aus geschmolzenen Eiswürfeln bestand.

Er nickte. »Warum nicht?«

»Ich liebe es, recht zu haben«, flüsterte der Barkeeper und warf einen Blick über Victors Schulter.

In der Spiegelung hinter der Bar sah er Emilie zurückkommen, tat aber so, als würde er sie erst bemerken, als sie neben ihm stand. Sie bestellte einen zweiten Gin und Tonic.

»Einer reicht nicht«, sagte sie zu ihm. Nachdem der Barkeeper ihr den Drink gebracht hatte, fügte sie hinzu: »Glauben Sie nicht, dass ich zurückkomme, um Sie noch einmal anzubaggern.«

Er nickte. »Das würde mir im Traum nicht einfallen. Ich bin mir bewusst, dass ich meine Chance bereits vertan habe.«

»Ich bin froh, dass das zwischen uns klar ist.« Sie lächelte. »Ich bin zurückgekommen, um noch einmal mit Ihnen zu sprechen, weil ich Ihnen eine Frage stellen möchte, die mir vorhin nicht eingefallen ist und die mich seitdem nicht mehr losgelassen hat.«

»Schießen Sie los«, sagte Victor.

»Sie verüben Anschlä ... Sie sind ein Killer, wie wir bereits festgestellt haben. Sie nehmen keine hochkarätigen Aufträge an, weil Sie sich damit einem zu großen Risiko aussetzen. Liege ich da richtig?«

»Zwei Volltreffer.«

Sie lächelte noch breiter und hatte immer noch Spaß an dem Spiel. »Warum haben Sie es mir gegenüber dann zugegeben? Bringt Sie das nicht auch in Gefahr?«

Er nickte erneut. »Ich nehme an, man könnte sagen, dass ich eine Phase der Selbstreflexion durchmache. Es gibt Aspekte meines Lebens, mit denen ich mich schon lange nicht mehr auseinandergesetzt habe. Zu diesem Prozess gehört auch, ehrlicher darüber zu sein, wer ich bin und wer ich in der Vergangenheit war.«

»Also machen selbst Attentäter eine Midlife-Crisis durch?«

Er zog eine Augenbraue hoch.

Sie lachte über seine Reaktion. »Dann eben eine frühe Midlife-Crisis.«

»Das wäre zu schön, um wahr zu sein«, erwiderte er und dachte, dass er auf keinen Fall das Doppelte seines derzeitigen Alters erreichen würde.

An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass er zu viel von sich preisgegeben hatte, aber sie verstand den Unterton nicht, nur seinen plötzlichen Abstecher in die Ernsthaftigkeit und weg von dem Spiel, das sie spielten.

»Abgesehen davon, dass Sie zwischen Aufträgen Däumchen drehen«, sagte Emilie nach einem Moment und wollte sich den Spaß nicht nehmen lassen, »was machen Sie sonst noch gerne, wenn Sie nicht gerade Leute für Geld umbringen?«

»Ich angle gerne.«

»Mit ... dieser Antwort habe ich nicht gerechnet. Also, was reizt Sie am Angeln?«

»Ich finde es entspannend. Wann immer ich Zeit habe, versuche ich, einen Angelausflug einzuschieben. Deshalb bin ich ja auch jetzt hier.«

Sie warf ihm einen verwirrten Blick zu. »In einer Stadt? In Rotterdam?«

»Städte sind mit die besten Orte für einen Angelausflug.«

»Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Wenn wir uns besser kennen lernen, werden Sie es herausfinden.«

»Wenn«, wiederholte sie und fragte dann: »Wie angelt man am besten?«

»Wahrscheinlich mit Dynamit, aber das ist allgemein verpönt.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

»Aber ich bevorzuge die einfache, klassische Art zu angeln. Ich benutze einen Köder und schaue, was anbeißt.«

»Was für einen Köder? Sowas wie einen Wurm?«

»Wenn man einen kleinen Fisch möchte, nimmt man einen Wurm, ja. Wenn man einen größeren Fang machen will, sollte man die Art von Köder verwenden, die der beabsichtigte Fang unwiderstehlich findet.«

»Also«, sagte sie und beugte sich interessiert näher heran. »Was für einen Fang wollen Sie auf dieser Reise machen?«

»Die gefährlichste Art.«

»Wie einen Hai?«

»In gewisser Weise ja«, antwortete er und dachte an eine alte Bekanntschaft aus Bologna.

»Sagen Sie, was für einen Köder benutzen Sie, wenn Sie einen Hai fangen wollen?«

Ihr Lächeln war verspielt, und ihre Augen waren erwartungsvoll.

»Ist das nicht offensichtlich?«, sagte er. »Um einen Hai zu fangen, muss man einen Köder benutzen, auf den der Hai scharf ist.«

Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Lassen Sie mich hier nicht im Ungewissen. Ich brenne darauf, es zu erfahren.«

»Um einen Hai zu fangen, benutze ich das Einzige, was seinen Hunger stillen kann. Mich selbst.«

Sie brach in Gelächter aus. »Schmieren Sie sich auch mit Knoblauchbutter ein?«

»Fast«, sagte er. »Aber ich finde, ein Gin Tonic wirkt besser.«

Sie lächelte verwirrt und wartete auf eine genauere Erklärung von ihm. Als er nichts sagte, fiel ihr Blick auf das Highball-Glas vor ihm, auf ihr eigenes und dann trafen sich ihre Blicke wieder.

»Angeln«, sagte sie.

Er nickte.

»Und Sie benutzen sich selbst als Köder.«

Er nickte erneut.

Sie nahm einen dringend benötigten Schluck von ihrem Drink. Dann noch einen. Sie sah ihn an, und er erkannte anhand ihres Gesichtsausdrucks, was in ihr vorging. Er konnte sich nur nicht sicher sein, wie sie auf das reagieren würde, was ihr jetzt klar wurde. Seiner Meinung nach gab es zwei Möglichkeiten. Vielleicht würde sie ohne ein Wort weggehen. Vielleicht würde sie versuchen, so zu tun, als wäre es nicht genau das, von dem beide jetzt wussten, dass es so war.

»Sie haben mich dazu gebracht, mich an Sie zu hängen, richtig?«, fragte sie und wählte damit eine dritte Möglichkeit, die er nicht in Betracht gezogen hatte. »Deshalb haben Sie den ganzen Schmu erzählt und sich als Auftragskiller ausgegeben. Das hätte ich früher merken müssen.«

Er schüttelte den Kopf. »Der Schmu war genau das – ein bisschen Spaß, wie mein Vermittler es nennen würde. Und ich habe Sie zum ersten Mal gesehen, als Sie sich der Bar näherten. Sie sind sehr gut.«

Sie starrte in ihr Glas. »Nicht gut genug.«

»Machen Sie sich nicht zu viele Vorwürfe. Bei jedem anderen hätte es funktioniert.« Er macht eine einladende Geste. »Warum setzen Sie sich nicht?«

»Ist das wieder ein Scherz?«

Er schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Grund, warum wir nicht professionell mit unseren Differenzen umgehen können. Sie machen nur Ihren Job und sind zweifellos wegen meiner eigenen Arbeit hier. Ich finde diese Arbeit viel angenehmer, wenn ich diese unvermeidlichen Situationen nicht persönlich nehme. Ich empfehle Ihnen, das Gleiche zu tun.«

Sie sah ihn überrascht und verwirrt an, bevor sie den Kopf schüttelte und sich auf den Barhocker neben ihm setzte. »Sie sind zweifellos das ungewöhnlichste Ziel, das ich je hatte.«

»Ich fasse das als Kompliment auf.«

»Bitte, tun Sie das«, sagte sie. Sie nippte an ihrem Gin. »Ich frage nie, warum ... Ich finde, es ist einfacher, es nicht zu wissen, verstehen Sie? Aber jetzt, da ich Sie getroffen habe, bin ich neugierig. Was haben Sie denen getan, dass ich deswegen den Hörer abnehmen musste?«

»Wer sind ›sie‹ in diesem Fall?«, fragte Victor. »Ich fürchte, da müssen Sie schon etwas genauer werden.«

»Oh, ich verstehe«, antwortete sie. »Sie sind also ein gefragter Mann. Sie ist das russische organisierte Verbrechen, glaube ich. Ich meine, ich weiß, dass sie es sind, aber ich kann Ihnen keine Namen nennen. Können Sie mir sagen, warum die Sie tot sehen wollen? Wenn es Ihnen nichts ausmacht, meine ich. Wenn die Frage nicht zu aufdringlich ist.«

Victor schüttelte den Kopf, um deutlich zu machen, dass es ihm nichts ausmachte. »Sagen wir einfach, ich habe für sie gearbeitet, wenn auch nur kurz, und nicht jeder in dieser Organisation mochte mich oder die Art und Weise, wie wir auseinandergegangen sind.«

Emilie starrte in ihr Glas. »Damit bin ich wohl das Trennungs-Paket.«

»Darauf stoße ich an.«

Sie lächelte ihn an, während sie ihn noch überraschter und verwirrter musterte.

»Wie ich schon sagte, mein bisher ungewöhnlichstes Ziel.« Sie hielt inne, sah kurz weg und dann wieder zurück. »Mir ist in den Sinn gekommen, dass ich denen sagen könnte, ich hätte Sie nicht angetroffen. Sie würden nie etwas anderes erfahren. Die Zahlung erfolgt bei Lieferung, also fliegt mir nichts um die Ohren, wenn ich mich da rausziehe. Ich habe nur ein paar Spesen und etwas meiner Zeit vergeudet. Nicht genug, um wirklich wehzutun, also wie wäre es, wenn wir beide unsere Drinks austrinken und uns in freundschaftlichem Einvernehmen trennen?«

»Warum sollten Sie das tun?«

»Nennen Sie es berufliche Höflichkeit. Wie Sie schon sagten, es ist nichts Persönliches. Für mich ist es kein Beinbruch, wenn Sie fröhlich weiterziehen.«

»So habe ich den Verlauf dieses Gesprächs nicht vorausgesehen.«

»Tja, ich auch nicht«, sagte sie mit belustigtem Tonfall. »Bis vor fünf Minuten war ich fest entschlossen, noch ein paar Drinks mit Ihnen zu nehmen und Sie dann an einen ruhigen Ort zu bringen, wo wir allein sein können und ...« Sie vergewisserte sich kurz, dass niemand zusah, und fuhr sich mit dem Finger über die Kehle. »Aber hier sind wir nun, zwei langjährige Profis, die sich bei einem Gin Tonic näherkommen. Das habe ich vorhin nicht in meinem Horoskop gelesen.«

»Darauf wette ich.«

»Also«, sagte sie und beugte sich näher zu ihm, und er konnte die Limette in ihrem Atem riechen. »Was sagen Sie dazu? Schwamm drüber?«

»Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber es ist nicht nötig.«

Seine Antwort erwischte sie auf dem falschen Fuß, und einen Moment lang wusste sie nicht, was sie erwidern sollte. Dann sagte sie: »Wollen Sie mir sagen, Ihnen wäre es lieber, wenn ich mich nicht aus dem Staub mache? Wollen Sie mir sagen, es wäre Ihnen lieber, wenn ich Sie töte?«

»Das ist nicht ganz das, was ich gesagt habe.« Er erklärte: »Ich bin seit ein paar Tagen hier, damit jemand, der mich womöglich beschattet, die Möglichkeit hat, etwas zu unternehmen. Auf diese Weise kann ich der Bedrohung ein Ende setzen, denn ich unternehme eine Reise – das gehört zu der Selbstreflexion, über die wir vorhin gesprochen haben – und ich kann auch nicht das geringste Risko eingehen, einen Schatten mitzunehmen. Sie wiederum sind hier, um einen Vertrag zu erfüllen. Ich will damit sagen, dass wir uns an unsere jeweiligen Pläne halten sollten.«

»Aha«, sagte sie und konnte die Enttäuschung in ihrem Ton nicht unterdrücken. »Ich verstehe das nicht, aber es ist Ihre Entscheidung. Sagen Sie mir wenigstens, was ich falsch gemacht habe. Sie sagten, mein Ansatz hätte bei jedem anderen funktioniert, warum hat er bei Ihnen nicht funktioniert?«

Eine vernünftige Frage, dachte Victor, und es bringt keinen Nachteil, sie zu beantworten.

Er sagte: »Im Gegensatz zu allen anderen Killern, die Ausschau nach Bedrohungen halten, habe ich Sie sofort für einen Profi gehalten, weil ich davon ausgehe, dass mich jeder töten will, bis man mir das Gegenteil beweist.«

»Interessante Philosophie. Und warum habe ich Ihnen das Gegenteil nicht bewiesen?«

»Sie sind zurückgekommen.«

»Das kann es nicht sein«, sagte sie. »Nicht für sich genommen.«

»Sie haben mir Fragen gestellt und sich die Antworten angehört.«

Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine Furche. »Menschen, die mit Ihnen reden wollen, sind ein Beweis dafür, dass sie Ihnen schaden wollen? Vielleicht mögen sie Sie ja wirklich.«

»Es ist nicht unmöglich, dass mich jemand mag«, gab er zu. »Aber niemand mag mich jemals wirklich. Ich bin nicht so interessant.«

»Was ist, wenn Sie sich irren und der Person einfach nie eine Chance gegeben haben?« Sie beugte sich noch weiter vor, ihre Augen waren nur noch Zentimeter von seinen entfernt. »Was ist, wenn dies die einzige Gelegenheit wäre, dass sich Ihr ganzes Leben im Handumdrehen ändern könnte, wenn Sie es nur zulassen?«

»Veränderung wird überbewertet«, sagte Victor zu ihr. »Ich bevorzuge Routine.«

»Dies ist Routine?«

»Nicht das hier«, sagte er und bezog sich auf ihr Gespräch. »Aber das, was passiert, wenn wir hier zusammen weggehen, wird für mich der Inbegriff von Routine sein.«

Kapitel 8

Auf der Straße spiegelten sich die Lichter von Fenstern, Schildern und Laternen und gingen ineinander über. Jegliches Mondlicht ging im Dunst der nächtlichen Stadt unter, aber er beobachtete sie trotzdem. Hoch oben, seine silberne Gestalt durchbrochen von Wolkenfetzen, sah der Mond alles.

Ein kühler Abend. Auf den obersten Stufen der kurzen Treppe, die zum Eingang der Brasserie führte, schnallte Emilie den Gürtel ihres Mantels fest. Hinter ihnen schwang die Tür zu, und dahinter beschwerte sich ein Paar bei der Hostess, dass man ihnen trotz einer halben Stunde Verspätung noch einen Platz geben sollte.

»Wie wollen Sie es machen?«, fragte Emilie, nachdem sie mit ihrem Gürtel fertig war, und sah Victor neben sich an.

»Nicht hier«, antwortete er und blickte auf die belebte Straße im Stadtzentrum mit ihren vielen Fußgängern, Bars und Restaurants sowie Überwachungskameras.

»Was machen wir denn dann?« Ihr Tonfall war schroff und gereizt.

»Seien Sie nicht so ungeduldig. Erzählen Sie mir, was Ihr nächster Schritt wäre, wenn alles gelaufen wäre, wie Sie es geplant hatten?«

»Ich habe es Ihnen drinnen gesagt. Ich bringe Sie an einen ruhigen Ort, wo Sie nicht so sehr auf der Hut sein müssten.«

»Und wie genau wollten Sie das anstellen?«

Sie warf ihm einen angewiderten Blick zu. »Törnen Sie sich woanders an.«

»Das habe ich nicht gemeint«, stellte er klar. »Wo wollten Sie mich denn hinbringen? In ein Hotelzimmer? In eine dunkle Gasse?«

»In eine gemietete Wohnung. Ich habe eine schöne Flasche Champagner auf Eis, wenn Sie Lust auf einen Schlummertrunk haben.«

»Nett«, sagte er, und dann: »Wer ist noch da?«

Sie runzelte die Stirn. Verwirrung und Überraschung, oder eine gute Vortäuschung. »Ich bin allein.«

Er zog eine Augenbraue hoch.

»Wenn wir dort ankommen, werden Sie sehen, dass es dort für niemanden ein Versteck gibt. Es ist ein Bohème-Studio, ein einziger großer Raum mit nackten Ziegeln und raumhohen Fenstern. Die Küche am einen Ende, das Bett am anderen.«

Er sagte: »Okay.«

Sie lächelte ein wenig. »Überrascht Sie das?«

»Ein bisschen«, gab er zu.

»Glauben Sie, eine schwache Frau wie ich hätte zu viel Angst, um mit einem so furchterregenden Mann wie Ihnen allein zu sein?«

»Das habe ich nicht gemeint«, stellte er richtig. »Ich bin überrascht, dass meine ehemaligen russischen Freunde Ihnen und nur Ihnen mein Ableben anvertraut haben. Das ist nicht ihre Art.«

»Falls es Ihr angeschlagenes Ego beruhigt: Sie wollten mir Verstärkung geben. Ein ganzes Team slowakischer Söldner, um genau zu sein. Ich lehnte ab. So arbeite ich nicht. Ich bin kein roher Unmensch, ich bin Künstlerin. Ich arbeite allein. Allein bin ich besser.«

»Ich wette, Sie wünschten, Sie hätten jetzt ein Team.« Darauf sagte sie nichts.

»Wo haben Sie geparkt?«, fragte er.

»Wieso?«

»Weil Sie mich in Ihr angemietetes Bohème-Studio mitnehmen werden.«

»Was ist, wenn ich nein sage?«

»Das werden Sie nicht.«

»Was ist, wenn ich um Hilfe schreie und weglaufe?«

»Das werden Sie nicht«, sagte er erneut. »Sie haben immer noch die Chance, Ihren Vertrag zu erfüllen, vergessen Sie das nicht. Wie Sie schon sagten, Sie sind Künstlerin. Sie denken bereits darüber nach, wie Sie mich am Zielort überrumpeln können. Es hat keinen Sinn, so zu tun, als ob es nicht so wäre, also lassen Sie uns weitermachen, ja?«

Er beobachtete, wie sie einen Moment lang nachdachte und dann nickte. Ein Punkt für ihn.

»Hier entlang.«

Nach einem kurzen Spaziergang erreichten sie ihr Fahrzeug, einen schwarzen Suzuki Vitara, der in einer Parkbucht eines mehrstöckigen Parkhauses abgestellt war. Er gab ihr ein Zeichen, anzuhalten, und ließ sie neben der Karosserie stehen, während er sie abtastete.

»Ist das notwendig?«

Er antwortete nicht. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie unbewaffnet war, gab er ihr ein Zeichen, sich hinter das Steuer zu setzen.

Sie fragte: »Darf ich Sie auch auf Waffen untersuchen?«

»Nicht nötig«, sagte er. »Ich habe eine FN Five-Seven unter meiner linken Achselhöhle.«

Er klopfte durch seine Anzugsjacke auf die Waffe. Sie hing dort dank eines Gurtes, den er nur selten trug, und zwar dann, wenn er Ärger erwartete. Die Pistole gab ein unverwechselbares Geräusch von sich, als er darauf schlug, dumpf und starr, nicht so, wie Kleidung mit bloßem Fleisch darunter klingen würde.

»Warum fahre ich?«, fragte sie.

»Weil es Ihr Auto ist.«

Sie entriegelte das Fahrzeug mit einem Schlüsselanhänger und öffnete die Tür. Zur gleichen Zeit stieg Victor hinten ein und setzte sich direkt hinter Emilie auf die Rückbank.

»Sie machen mich nervös«, sagte sie.

»Ich werde Sie hier nicht umbringen«, versicherte er ihr. »Zu viele Kameras, zu viele Leute haben uns gemeinsam gehen sehen.«

»Beruhigend.«

Sie drückte mit dem Daumen auf den Startknopf, und das Armaturenbrett erwachte zum Leben. Dann griff sie nach dem Sicherheitsgurt.

»Lassen Sie ihn weg«, sagte Victor zu ihr. »So kommen Sie nicht in Versuchung, einen Unfall zu bauen.«

»Ich habe getrunken.«

»Dann müssen Sie eben vorsichtig fahren.«

Er legte seinen Sicherheitsgurt ebenfalls nicht an, damit der Gurt ihn nicht behinderte, und er auf alles reagieren konnte, was Emilie während der Fahrt versuchen könnte.

Nachdem sie ihre Spiegel überprüft hatte, setzte sie rückwärts aus der Parkbucht und folgte dem Einbahnsystem zum Ausgang, wo sie ihr Ticket in den Automaten steckte, um die Schranken zu öffnen.

»Wie weit?«, fragte Victor.

»Zehn bis fünfzehn Minuten. Je nach Verkehr, natürlich.«

Er sah ihr im Rückspiegel in die Augen und nickte ihr zu.

»Sie können Ihre Meinung noch ändern«, sagte Emilie.

»Warum sollte ich das tun?«

»Ich war vorhin aufrichtig«, fuhr sie fort. »Als ich in der Bar sagte, ich könnte gehen und ihnen sagen, dass ich Sie nicht angetroffen habe, habe ich das auch so gemeint.«

»Ich weiß.«

»Als ich Ihnen sagte, dass ich Sie mag, war das auch keine Lüge.«

»Im Moment würden Sie alles sagen«, sagte Victor.