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In diesem Buch geht es um das Einzige, was wir nach dem Tod mitnehmen: Unser Bewusstsein. Das Buch begleitet Sie mit vielen persönlichen Beispielen auf dem Weg, eine schubladisierte Denkweise zu verlassen und die Verantwortung komplett zu sich zurückzunehmen, dadurch freier zu werden und so die eigene Würde zu stärken. Susanne Hülsenbeck, Lektorin: "Dein Buch erscheint mir wichtig, und ich selbst hatte beim Lesen richtig interessante Gedanken, die mich über Tage beschäftigt haben. Fragen tauchten auf, ich fühlte mich in gleichen Teilen erkannt und provoziert. Eine gute Mischung also, und das macht ein spannendes, effektives Buch doch aus." Annemarie Keel: "Diese Weisheit und Inspiration, mit der du die LeserInnen an einem Punkt abholst, wo sie im Alltag strampeln und immer wieder reinfallen! Du zeigst die Lösung auf, neu und doch einfach, mit beiden Füssen auf dem Boden. Du stellst Fragen und gibst Erklärungen, die ich so noch nie gehört habe, und die etwas in mir auslösen."
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 281
Veröffentlichungsjahr: 2020
Willkommen zu dieser gemeinsamen Reise.
Mein besonderer Dank gilt
meiner wichtigsten Lebens- und Bewusstseinslehrerin
Ruth Huber.
Ebenfalls Ihnen, dass Sie sich auf die Inhalte dieses
Buches einlassen möchten.
Scharka Cernochova
Fit für einenAlltagin Würde
Wege zur Bewusstseins-Entfaltung
Erste Auflage 2020
Copyright 2020 Scharka Cernochova
www.bewusstseinsentfaltung.ch
https://www.facebook.com/scharka.cernochova.9
Vernetzungs- und Austauschgruppe:
https://www.facebook.com/groups/inwuerde
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Susanne Hülsenbeck
Umschlag: Scharka Cernochova Tredition-Software
Verwendete Bilder: shutterstock_314292659
Verlag: tredition.de
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
Hardcover ISBN 978-3-7497-9529-1
Paperback ISBN 978-3-7497-9528-4
e-Book ISBN 978-3-7497-9530-7
INHALT
Die Folgen unseres Denkens, Sprechens und Handelns
Launen weitergeben
Die Schwarze Fee
Kreisläufe durchbrechen
Womit sind Sie verführbar?
Klare Werte
Die Frage nach dem Sinn
Quelle/Einheit
Der Tagesbeginn
Weite in eine enge Sichtweise bringen
Opferbewusstsein
These – Antithese – Synthese
Die kleine Drama-Queen
Sich aus einer kleinen Welt befreien
Wie wir uns Paradies und Hölle erschaffen
Falsche Schlussfolgerungen
Sich die eigene Realität kreieren; «Was habe ich dazu beigetragen?»
Offene Angelegenheiten
Konstruktiv reagieren
ICH gebe den Dingen die Bedeutung
Dinge ansprechen
Kleiner Exkurs zu Glaubenssätzen
Sich selber ertappen und Korrektur einleiten
Nicht bestanden und Korrektur einleiten
Wie uns hohe Ansprüche das Leben verderben; Nichts ist selbstverständlich
Geistige Kommunikation, Telepathie
Für sich einstehen
Absagen
Sterben erlaubt – der Mut, weiterzuziehen
Wir kommen zum Ende dieses Buches
Die Autorin, Scharka Cernochova
Grüezi, lieber Leser, liebe Leserin!
Sie lesen in diesem Buch einmal die weibliche und einmal die männliche Form, also «die Mitbürgerinnen», dann «der Chef», «die Verkäuferin» und «der Leser». Dabei sind immer beide Geschlechter gemeint.
Ich erachte das Benutzen von beiden Formen als eine zeitgemässe und gleichzeitig sehr gut lesbare Lösung und bin überzeugt, dass sie Ihnen gefallen wird.
Deshalb: Fühlen Sie sich als Herr bitte ebenfalls angesprochen, wenn Sie die weibliche Form lesen, genauso, wie sich die Damen seit unbekannten Zeiten von männlichen Formen angesprochen fühlen.
Wenn Sie mögen, tauschen Sie sich mit anderen Lesern und Leserinnen aus:
https://www.facebook.com/groups/inwuerde
Die Folgen unseres Denkens, Sprechens und Handelns
Haben Sie schon einmal im Supermarkt an der Kasse gedacht: «Die ist aber ganz schön muffig, die Kassiererin. Sie müsste doch nett sein zu den Kunden» und dann relativ trocken und eher ungehalten mit ihr das Nötigste abgehandelt?
Wir lassen uns so schnell von den Launen anderer anstecken.
Es geht uns nach solch einem Kontakt schlechter statt besser. Unsere Laune steckt dann weitere Menschen an, die wiederum andere Menschen anstecken …
Ich mache mir richtiggehend einen Sport daraus, dieses Lauffeuer in eine bejahende, freundliche, schlicht positive Richtung zu lenken und würde Ihnen so gerne Lust darauf machen, es selbst auszuprobieren. Glauben Sie mir: Es macht Spass und fühlt sich viel richtiger und befriedigender an.
Sich würdevoll zu verhalten wird einfach, wenn wir bereit sind, durch die Augen des anderen zu sehen, genauso wie wir es uns ebenfalls wünschen, dass andere unsere Position verstehen. Unser verständnisvolle Beitrag an der besagten Supermarktkasse könnte dann so aussehen: «Danke, dass Sie für uns hier sind. Bestimmt ist das kein einfacher Job für Sie heute.» Es ist mir schon passiert, dass mir die Kassierin dann anvertraute, sie wäre schwanger, und es gehe ihr so miserabel im Moment.
Die Auswirkungen, die unser Denken, Sprechen, Fühlen und Handeln haben, mögen eine unvorstellbare Dimension haben. Irina Tweedie rüttelt in ihrem Buch «Daughter Of Fire» auf:
"Die Erkenntnis, dass jede unserer Handlungen, jedes unserer Worte und jeder unserer Gedanken nicht nur unsere Umgebung beeinflusst, sondern aus irgendeinem geheimnisvollen Grund einen integralen und bedeutsamen Bestandteil des Universums bildet, der in dem Moment, wo wir handeln oder sprechen oder auch nur denken, wie zwangsläufig auf das Ganze einwirkt – ist eine überwältigende und erschütternde Erfahrung.
Es ist wunderbar und erschreckend zugleich und bringt eine Verantwortung mit sich, die in ihrer Tiefe und ihrem Ausmaß ungeheuerlich und faszinierend ist.»
Wenn wir möchten, dass die Welt ein angenehmerer Ort wird und der Homo sapiens sich in eine – sagen wir mal – ethisch reifere Spezies hineinentwickelt, wir selber charakterlich wachsen und unser Bewusstsein sich entfaltet, dann ist es ein grosser Beitrag, ein Leben in einer leichten, heiteren, freundlichen Stimmung zu führen. Ich sage nicht, dass das immer einfach ist. Ich selbst bin damit immer wieder gefordert und nicht immer erfolgreich. Was uns ggf. im Weg steht, werden wir im Verlauf der gemeinsamen Reise immer besser verstehen. Freundlichkeit hat eine hohe Frequenz. Diese zu erreichen, sich so oft wie möglich auf dieser Frequenz aufzuhalten, ist von grosser Bedeutung. Sie spüren den Unterschied sofort, wenn Sie sich verschiedene Frequenzen, die durch folgende Bewusstseinszustände entstehen, vor Augen halten: jemanden beschuldigen, sich schuldig fühlen, grollen, sich schämen, wütend, vorwurfsvoll, verzweifelt, hoffnungslos, gleichgültig, fordernd, ungeduldig, neidisch, arrogant, verärgert, gelangweilt, selbsterniedrigend, apathisch sein. Das ist alles ziemlich dicht, schwer, grob, nicht wahr? Und wenn Sie sich nun stattdessen mit den folgenden Bewusstseinsfrequenzen einlassen, wie fühlt sich das an? Sie freuen sich, Sie lieben, Sie wertschätzen, Sie fühlen sich ruhig, ausgeglichen, klar, Sie tragen Selbstvertrauen in sich, sind heiter, interessiert, froh, freundlich, lebendig, Sie fühlen Frieden in sich, Sie sind glückselig …
Wie möchten Sie sich lieber fühlen? Was möchten Sie lieber mit der Welt teilen?
Wenn Sie jetzt eine Wahl treffen und die klare Absicht formulieren, dass Sie nach dem Lesen dieses Buches eine freundlichere, angenehmere Mitbürgerin sind, dass Sie weiter reifen und einen guten Beitrag für die Evolution leisten möchten, dass Sie für sich mehr Erfüllung durch Ihre neu gewonnenen Gewohnheiten und Erkenntnisse finden, und dass Sie den grösstmöglichen Nutzen ziehen möchten – wären Sie dafür bereit, den Ideen, Fragen und Vorschlägen, die ich als Autorin einbringe, eine Chance zu geben? Wenn ja, werden Sie Ihre Bewusstseinsfrequenz deutlich anheben können.
Dieses Buch ist für die Menschen, die bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen, als es üblich ist. Die Verantwortung dafür, ob sie die Welt mit ihren Launen verpesten oder mit ihrer Konstruktivität und Würde begeistern.
Wenn Sie möchten, können Sie sich schon jetzt, gerade jetzt, an diesem Ort zeigen, dass Sie sich selbst respektieren, indem Sie schriftlich eine kleine Absichtserklärung verfassen. Sie muss nicht so lang oder so sein wie meine Gedanken eben. Aber wenn Sie möchten, können Sie gerne auch Sätze von mir übernehmen. Wichtig ist nur, dass Sie ins Handeln kommen. Sie stossen jetzt sozusagen Ihre Frequenzwandlung, Ihre Bewusstseins-Entfaltung an. Gleich jetzt. Es macht Spass und tut gut. Ein Blatt Papier und ein Stift – schreiben Sie nieder, wer Sie nach dem Erarbeiten dieses Buches sein möchten, welchen Nutzen Sie aus diesem Buch ziehen wollen. Natürlich können Sie jetzt mit sich selbst eine Diskussion beginnen: «Ich weiss ja noch gar nicht, was kommt. Wie soll ich dann wissen …» Können Sie machen. Sie können auch jetzt schon gegen mich wettern. Oder Sie können ein Blatt Papier und einen Stift nehmen und sich über sich selbst freuen. Ihre Wahl. Unsere Wahl bestimmt unsere Lebensqualität. Ich gönne mir jetzt ein kleines Frühstück, bis Sie soweit sind. Gleich bin ich wieder bei Ihnen.
Ooookay, ich bin wieder da. Sind Sie ins Handeln gekommen? Wenn ja, grossartig. Es ist wirklich nicht selbstverständlich! Sie dürfen sich dafür echt wertschätzen. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, sich wegen ein paar Sätzen wertzuschätzen. Nein, es ist nicht übertrieben. Wir können alles wertschätzen und uns so selbst und die Welt auf eine höhere Frequenz, ein höheres Bewusstsein heben. Der schöne Nebeneffekt: Sie fühlen sich gestärkt und erfüllt. Freut mich sehr für Sie. Diesen Zustand haben Sie sich kreiert.
Vielleicht mögen Sie ja Ihre Absichtserklärung im Buch behalten und sie jeweils durchlesen, wenn Sie das Buch wieder zur Hand nehmen.
Sie haben nichts geschrieben? Wenn Sie wollen, können Sie sich dafür abwerten, schlechtes Gewissen haben, gleichgültig sein, sich selber erklären, Sie wären nicht der Typ dafür, oder Sie können es als o. k. und richtig erklären, entscheiden, dass Sie das bewusst nicht wollten und sich damit kraftvoll und richtig fühlen … Fühlen Sie den Unterschied der Frequenzen? Welche dieser Bedeutungen führt in die Aufwärts-, welche in die Abwärtsspirale? Sie treffen die Wahl. Sie gestalten Ihr Leben.
Übrigens spricht nichts dagegen, auch jetzt noch ein Blatt zur Hand zu nehmen und eine Absicht zu formulieren, nur wenn Sie möchten.
Gut. Ich bin gerade tief dankbar, dass Sie da sind. Das ist nicht selbstverständlich, und ich weiss es sehr zu schätzen. Wir haben eine spannende Reise vor uns.
Ich habe über eine lange Zeit viele Alltagssituationen gesammelt, Menschen und mich selbst beobachtet und mir immer wieder die Frage gestellt, wie die jeweilige Situation hätte «gerettet» werden können. Wie man sie hätte so gestalten können, dass die Bewusstseinsspirale aufwärts und nicht abwärts gehen würde. Gerne werde ich meine Beobachtungen mit Ihnen teilen in der Hoffnung, dass Sie Lust bekommen, ebenfalls zu beobachten. Lassen Sie uns die Hundertstelsekunde, die uns zwischen einer instinktiven und einer bewusst gewählten, reflektierten Reaktion bleibt, nutzen, um das Richtige zu tun. Für mich ist das ganz besonders dann wichtig, wenn ich nicht den besten Tag habe, müde oder gereizt bin. Wie leicht habe ich gerade dann meine Launen weitergegeben.
Launen weitergeben
In meinen 20ern unterrichtete ich Klavier für Kinder. Ich war damals überhaupt nicht dafür geschaffen, mit Kindern zu arbeiten, und hatte keine Geduld. Wenn ein Kind nicht geübt hatte oder es unbegabt war, gelang es mir nicht immer, meinen Frust, meine Ungeduld, meinen Ärger nicht in die nächste Stunde mit hineinzutragen. Das arme nächste Kind … Kennen Sie das?
Reifen bei diesem Thema bedeutete für mich, zu erkennen, dass mir der Anspruch, dass ein Schüler regelmässig übte oder begabt war, schlicht nicht zustand.
Ist der Anspruch und die damit verbundene Erwartung nicht existent, kann diese auch nicht enttäuscht werden und führt somit nicht zu Ärger.
Sehen wir es ganz nüchtern: Ich wurde dafür bezahlt, die Schülerinnen ab da zu begleiten, wo sie standen. Ich wusste genau, dass sie das gaben, was ihnen in diesem Moment möglich war, und das, was sie in diesem Moment geben wollten. Und das ist voll okay. Ist es nicht so, dass ein Schüler enormen Anforderungen in der Schule oder im Berufs- oder Familienleben genügen muss und deshalb nicht immer die Zeit, die Kraft, die Konzentration, die Lust zu üben übrigbleibt?
Das galt es zu respektieren. Ich hatte kein Recht, mir zu wünschen, dass das Klavierspiel für den Schüler wichtiger war als mit Freunden abzuhängen, Handball zu spielen oder sich die Lieblingsserie oder ein Computerspiel reinzuziehen. Allenfalls hätte darüber diskutiert werden können, ob es Sinn machte, weiter Klavierstunden zu besuchen.
Kehren wir zum Standpunkt der Klavierlehrerin zurück: Beim Ausüben des Berufes so oft frustriert, ungeduldig und ärgerlich zu sein, das ist wirklich nicht die Art und Weise, wie wir unser Berufsleben verbringen möchten! So blieb die wichtigste Frage, nämlich, ob ich meinen Beruf als Klavierlehrerin an den Nagel hängen sollte.
Aber es gibt einen anderen Weg: Ich kann meine Haltung ändern und zu einer freudvollen, lebensfreudigen, motivierenden, geduldigen und freundlichen Lehrerin werden, damit es den Schülern besser geht, damit es mir besser geht, damit es unserem Umfeld besser geht. Denn unser Umfeld wird mit unserer Stimmung konfrontiert.
Der Hirnforscher Prof. Gerald Hüther spricht von Objektifizierung eines Mitmenschen, wenn wir unsere Erwartungen an ihn heften, ihn so haben wollen, eben wie wir ihn haben wollen, statt ihn Subjekt sein zu lassen, sprich das, was er wirklich ist und sein will. Sehen wir einen Mitmenschen als Subjekt, wird sein freier Wille immer respektiert. Wir können ihn lediglich einladen, regelmässig Klavier zu üben und ihm den Benefit davon aufzeigen, aber er entscheidet, wie er sein Leben gestalten will.
Gerne zeige ich Ihnen noch ein weiteres Beispiel aus meinem Alltag, wie sehr unser Ärger uns in Beschlag nehmen und somit Menschen in unserem Umfeld in Mitleidenschaft ziehen kann, wenn wir nicht achtsam sind: Gerade heute Morgen habe ich die Geduld verloren, als ich umständlich und zeitraubend auf einer Webseite suchen musste, bis ich zum Ziel kam. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum die Macher das nicht benutzerfreundlicher hinkriegen, und war verärgert. Vorbildlich setzte ich mich hin, um zu meditieren. Aber Sie kennen das: Wenn Emotionen involviert sind, ist ans Meditieren nicht zu denken. Ich wetterte innerlich vor mich hin. Das ist wichtig! Das Zeug muss raus. Alles muss gesagt und gefühlt sein. Ansonsten schluckt man es hinunter und früher oder später platzt einem der Kragen. In der Regel genau dann und dort, wo Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden, wo es sehr unpassend ist, z. B. im Kontakt mit Kunden, Partnern, Kindern, Kolleginnen. Diese Menschen mögen sich dann fragen, was wohl mit mir los sei. Das ist für meine menschliche Glaubwürdigkeit sicher nicht förderlich. Und das Schlimme daran: Ich selber weiss nicht mehr, was mir widerfährt …
Doch zurück zum Beispiel: Also wetterte ich innerlich vor mich hin und beobachtete das gleichzeitig. Ein Teil von mir kommentierte: «Aha, da wettert und wettert sie vor sich hin.» Dieser innere Beobachter ist sehr wertvoll, denn genau er ist es, der merkt, wenn ich nur noch wettere, weil ich gerade am Wettern bin und Recht behalten will, obwohl eigentlich schon ausgewettert ist. Wir kommen im Kapitel über die Drama-Queens und Drama-Kings nochmals darauf zurück. Es zu merken, dass ich nur noch einen obendrauf setze obwohl es gar nicht mehr unbedingt sein müsste, ist von grosser Bedeutung. Hier kann ich innehalten, mich nun bewusst mit meinem Höheren Selbst verbinden, mich an meine Würde erinnern und zur Ruhe kommen.
Aus dieser Ruhe heraus fing ich an, all mein Wettern zu mir zurückzuholen, damit es da draussen keinen Schaden anrichtete und um mich wieder «ganz zu machen» und meine verpuffte Energie zurückzubekommen. Was für eine Erlösung, zumindest so zu 70 %. Ich setzte mich hin und schrieb eine E-Mail an die Webseitenbetreiber mit Fragen zum Auffinden von Inhalten. Ich tat das ein bisschen wegen mir, aber auch für die anderen User und vor allem für die Betreiber der Plattform. Die E-Mail hatte noch etwas Druck, aber ich achtete darauf, dass die Lesenden nicht abgewertet oder angegriffen wurden und auch Anerkennung Teil des Schreibens war.
Kann ich zur Formulierung einer Kritik voll stehen, muss ich mich vor der Antwortmail nicht fürchten. Kennen Sie das, dass Sie eine Antwort am liebsten gar nicht lesen möchten?
Ich ging dann zur Arbeit und ein Rest des Ärgers hing noch in meinem System. Ich traf auf meinen Kollegen und auf Kunden, und ja, ich musste mich etwa s zusammennehmen, um nicht leicht gereizt und ungehalten zu sein. Und ich bin stolz! Ich habe diesen Tag mit Würde bewältigt und mich nicht einfach gehen lassen. Mein Kollege und ich hätten keinen angenehmen Tag gehabt, hätte ich nicht die bewusste Wahl getroffen, freundlich zu sein, auch wenn mir nicht danach zumute war. Ja, kann sein, dass ich dann nicht ganz authentisch war. Man kann es so nennen, wenn man will. Das nehme ich in Kauf dafür, dass ich meine Launen nicht weitergegeben und meine Würde hochgehalten habe.
Die Schwarze Fee
Kennen Sie den Film «Die Schwarze Fee»? In ihm belegt die Schwarze Fee die neugeborene Prinzessin mit einem Fluch, um sich am König zu rächen. Erschüttert hat mich an diesem Film nicht etwa, dass die Fee rachsüchtig ist, sondern dass eine Person – hier ein Baby –, die gar nicht selber in einen Streit zwischen der Schwarzen Fee und dem König involviert ist, mit einem Fluch belegt wird.
Haben Sie eventuell schon Partei ergriffen? Ist die Schwarze Fee der Bösewicht? Wirklich?
Diese Frage ändert alles: Was ist der Schwarzen Fee denn angetan worden, dass sie so rachsüchtig wurde?
Tatsächlich hat ihr eben dieser König, um gekrönt zu werden, die Flügel gestohlen. Denn sein Vorgänger wollte denjenigen mit seiner Nachfolge belohnen, der die Fee zur Strecke bringt.
Aha und jetzt? Haben Sie eventuell die Partei gewechselt? Ist also der König der Bösewicht, weil er ihr die Flügel stahl? Oder doch der, der diese Grausamkeit in Auftrag gab?
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Was ist denn dem Mann angetan worden, dass er bereit war, für den Thron diese Gräueltat zu begehen?
Er war möglicherweise in einem früheren Leben sehr arm, weil der damalige König unbezahlbare Steuern eingeheimst hatte. Jetzt wollte er die Seiten wechseln und auch einmal ein fulminantes Leben leben. Das war in seinen Augen nur der gerechte Ausgleich. Verständlich.
Aha, dann war also der König aus dem früheren Leben daran schuld, dass die Prinzessin verflucht wurde?
Aber warum war denn der damalige König so geldhungrig, dass er bereit war, sein Volk so auszubeuten? Na ja, sein Vater hatte das schon gemacht. Schliesslich konnte nichts daran falsch sein, wenn sein Vater ihm das vorlebte.
Alles klar: Hätte also der Vater des Königs aus der früheren Inkarnation verantwortungsbewusst gehandelt, wäre die arme Prinzessin jetzt, Jahrhunderte später, nicht mit einem Fluch belegt worden.
Sich mit Schuldfragen auseinanderzusetzen ist also eine sehr delikate und obsolete Sache. Es geht darum, zu verstehen, dass die Menschen aus einem schlimmen Schmerz heraus unkontrolliert, kindisch, böse, gehässig etc. handeln.
Das entschuldigt ihre Taten in keiner Weise! Es erklärt sie nur und hilft uns, ins Mitgefühl zu kommen und uns von einer muffigen Kassiererin nicht mit ihrer Laune anstecken zu lassen.
Ich habe das hier anhand eines Fantasyfilms aufgezeigt. Aber dieser Mechanismus findet überall um uns herum statt. Erinnern Sie sich an den Mann der Flugsicherung in Überlingen, der den Absturz über den Bodensee nicht verhindern konnte? Er wurde umgebracht. Die Tat beging der Vater einer bei dem Flugunglück Verstorbenen, der seinen unbändigen Schmerz nicht kontrollieren konnte.
In einem Krimi schlägt eine Special Agentin in einer Bar einen Mann zusammen und wird verhaftet. Der Zusammengeschlagene ist der Mann, der sie in Afghanistan gefoltert hat. Ein Terrorist. Also mehr als verständlich, dass sie sich nicht beherrschen kann. Später, als er enthüllt ist, nimmt er auf seiner Flucht den Direktor des NCIS gleich mit als Geisel und flüstert ihm ins Ohr: «Sie [die USA] haben so viele meiner Brüder getötet.» Terrorist aus Schmerz, Schlägerin aus Schmerz.
Es ist schlicht ein Drama. Die Kette bis zum Ursprung des Leids oder der Boshaftigkeit geht oft endlos zurück und auch endlos in die Zukunft, wenn sie nicht durchbrochen wird. Und ja, das ist wirklich schwer. Wie könnte es gelingen?
Die Special Agentin hätte die aufsteigenden Emotionen so lange kontrollieren müssen, bis sie sich an einem Ort befunden hätte, wo sie mit dem Ausagieren niemandem schaden würde. Das wird sie kaum als erstrebenswert erachten, da der Mann in ihren Augen die Prügel mehr als verdient.
Es braucht also einen übergeordneten Blickwinkel: Er ist selber genauso Opfer wie sie, von tiefem Schmerz über den Tod seiner Brüder gezeichnet, nach Gerechtigkeit dürstend. Aus diesem Blickwinkel kann sich Mitgefühl entwickeln, Rachegefühle können – vielleicht, wahrscheinlich in diesem massiven Fall eher nicht – zumindest mit der Zeit abflauen. Und wenn das Mitgefühl da ist, schlägt man den Mann nicht zusammen und bringt ihn trotzdem hinter Schloss und Riegel, wo er hingehört.
Wenn ich von schwarzen Feen und Terroristen spreche, ist das vielleicht zu weit weg von dem, was uns selber angeht. Gut, ich hole den Alltag in die Nähe:
Kilian fühlt sich an seiner Arbeitsstelle von einer älteren Kollegin dominiert. Er muss sich sehr an der Nase nehmen, um diese Dominanz nicht später an eine jüngere Kollegin weiterzugeben.
Ebenso geben Eltern oftmals das, was ihnen widerfahren ist, an ihre Kinder weiter. Oder ganz bewusst das Gegenteil, welches meist genauso weit vom Optimalen entfernt ist.
So wurde eine meiner Bekannten als Kind oft allein gelassen. Die Eltern kamen erst lange nach ihr nach Hause, und sie litt sehr darunter. Das wollte sie ihren Kindern auf keinen Fall antun und gab ihnen keinen Hausschlüssel in der edlen Absicht, jeweils vor ihnen zu Hause zu sein. Natürlich schaffte sie das oft nicht und setzte sich selber sehr unter Druck. Ihre Kinder standen vor der Haustüre oder mussten zu Nachbarn ausweichen.
Das Pendel schwenkte von einem Extrem ins andere.
Ein weiteres Beispiel: Ich organisiere einen schönen Event. Eine Angemeldete meldet sich per E-Mail kurzfristig ab, obwohl ich auf der Einladung gebeten hatte, sich nur anzumelden, wer sich der Teilnahme ganz sicher ist. Aus organisatorischen Gründen, versteht sich. Ich mag kurzfristige Abmeldungen nicht und reagierte etwas verärgert, vielleicht auch enttäuscht. Ich könnte dieser Person nun trocken zurückschreiben, meine Stimmung durchsickern lassen und ihr noch eins auswischen, oder ich kann warten, bis ich mich eingerenkt habe und mich freundlich für die Abmeldung bedanken. Denn: In der Regel liegen ja gute Gründe vor, die Verständnis verdienen. Und wow, da kommt eine so erleichterte E-Mail mit lieben Wünschen für den Anlass zurück. Wir beide sind happy. Kleiner Krieg verhindert.
Nun folgt aber die Frage, weshalb mich eine kurzfristige Absage ärgert oder enttäuscht. Falls Sie dieses Thema auch betrifft, könnten Sie heute Abend einen Menschen fragen, ob er Ihnen drei Minuten schenkt. Er kann Ihnen die Frage stellen: «Was enttäuscht dich, was verärgert dich an dieser Absage?» Und dann soll er bitte nur zuhören. Nicht kommentieren, sich nicht auf Ihre Seite schlagen, nicht bemitleidend dreinschauen, nicht verständnisvoll wiederholen, Sie nicht belehren, nicht mit Ihnen darüber diskutieren, nur bestätigen, zum Beispiel mit einem «Aha», und dann die Frage wiederholen. Bevor Sie starten, können Sie einen Timer auf drei Minuten einstellen, denn vielleicht fällt Ihnen zwischendurch nichts mehr ein und Sie würden lieber abbrechen. Das macht nichts. Bleiben Sie im Kontakt mit der Frage. Die nächsttiefere Schicht wird gerade vorbereitet und bald sichtbar werden. Vielleicht folgt etwas, was Sie nicht wahrhaben möchten, wofür Sie sich schämen oder was schmerzt. Drücken Sie das nicht weg, wenn es auftaucht. Seien Sie mutig und sprechen Sie es aus. Es bringt Sie weiter.
Sie werden staunen, wie viele Gründe da an die Oberfläche kommen, und wie belanglos und oberflächlich die zuerst genannten waren. Pure Ausreden. Nach «Ich habe doch schon eingekauft, das hat Geld gekostet» und «Jetzt habe ich mir doch schon überlegt, wie ich die Stühle hinstelle» kommt dann «Ich habe mir so ein schönes Programm ausgedacht, mir so Mühe gegeben» und «Die Teilnehmerinnen kommen doch, um mit anderen zusammen zu sein und neue Menschen kennenzulernen, und jetzt ist die Gruppe so klein» … Zum Schluss kommt dann der ehrliche Grund zum Vorschein: «Mein Stolz ist verletzt.» Man könnte also all die Ausreden vorher auslassen und Klartext reden: «Ich bin verärgert und enttäuscht, weil mein Stolz verletzt ist.» Dann ist die Sache in der Wahrheit angekommen.
Ich habe die Verantwortung für meine Verärgerung und die Enttäuschung zu mir genommen, statt die Absagende zu beschuldigen. Ich bin aus dem Opferbewusstsein herausgewachsen, erwachsen geworden und in der Würde angelangt.
Nun kann ich also wieder ins Opferbewusstsein fallen, quengeln und es ganz fürchterlich finden, dass ich offenbar so stolz bin, dass mein Stolz verletzt sein kann – wir sind ja so erfinderisch –, oder ich kann mir zwinkernd zulächeln und sagen: «Aha, der Stolz, so ein Schlingel. Hallo du, ich hab’ dich ertappt.» Man nennt das Humor, und der macht die Welt auf jeden Fall zu einem besseren Ort!
Auch unsere Kassiererin vom Anfang erlebt möglicherweise, dass sie den wahren Grund ihres Muffig-Seins nicht wirklich wahrhaben will. Was kann dahinterstecken? Ihr Mann hört ihr nicht zu und sie leidet, weil sie so sehr gehört und wahrgenommen werden möchte. Weshalb hört er ihr nicht zu? Er ist bei der Arbeit unter Druck, kämpft mit seinem Selbstwert, was er sich und schon gar nicht seiner Frau eingestehen kann, und ist von Ängsten um die Zukunft eingenommen. Eigentlich möchte er sich nur in seine «Höhle» zurückziehen. Seine Frau nervt ihn mit ihrer Bedürftigkeit. Und warum will sie denn unbedingt gehört und wahrgenommen werden von ihm? Sie fühlt sich überfordert mit den Kindern, nicht wohl in der Beziehung zu ihrem Mann und weiss nicht weiter. Ausserdem hat sie Probleme mit ihrer Chefin, weil sie nicht freundlich ist zu den Kunden. Etwas Aufmerksamkeit von ihrem Mann würde ihr so guttun, und ihm würde es so guttun, wenn sie dafür Verständnis hätte, dass er seine Ruhe will.
So nebenbei zeigt sich hier, wie wir uns und unseren Mitmenschen gegenüber schlicht verpflichtet sind, in allererster Linie dafür zu sorgen, dass wir selber in einem guten Zustand sind. Ich hoffe, dass der weit verbreitete Mythos, für sich selbst zu sorgen wäre egoistisch, inzwischen der Vergangenheit angehört.
Erst wenn wir selber bei Kräften und ein Stück weit heil sind, haben wir Kapazitäten übrig, uns an andere zu verschenken. Aber nicht nur das: Erst dann werden wir überhaupt für unser Umfeld erträglich und angenehm.
Kreisläufe durchbrechen
Reife Menschen vermögen diese Kreisläufe, wie im Märchen mit der Schwarzen Fee, mit der Kassiererin und in weiteren Beispielen aufgezeigt, zu durchbrechen.
Sie fühlen Rachegefühle in sich aufsteigen und agieren sie für sich selber an einem sicheren Ort statt gegen andere oder sich selber aus.
Sie fühlen den brennenden Wunsch in sich, den «Thron» zu besteigen (z. B. Karriere zu machen), bleiben aber ihrem Wert treu, anderen damit nicht zu schaden. Sie sind sogar bereit, auf den «Thron» zu verzichten und andere Wege zu beschreiten, auch wenn es weh tut.
Sie fühlen den Wunsch in sich – in diesem Fall aufgrund der früheren Inkarnation, in welcher sie Armut erlebten und nun unbewusst nach Ausgleich streben – ein reiches, machtvolles Leben zu führen, würden dafür aber andere nicht schädigen, sondern einen redlichen Weg einschlagen.
Sie würden auch nicht unreflektiert die Handlungen ihrer Väter übernehmen, wie das unser König aus der früheren Inkarnation tat, sondern auswerten, sich eine eigene Meinung bilden und nach ihr handeln.
Womit sind Sie verführbar?
So zu handeln braucht wirklich viel Reife, denn genau an diesen Punkten sind wir verführbar oder verletzlich. Kennen Sie die Themen, mit denen Sie verführbar sind? Geld? Körperliche Nähe? Erfolg? Dazu gehören? Dass andere Sie toll finden? Ihre Kinder? Gesundheit (z. B. Corona-Krise!)? Hoher gesellschaftlicher Status? Nein? Was ist es dann bei Ihnen? Würden Sie für die Punkte, für die Sie eine Schwäche haben, «über Leichen» gehen, und was bedeutet das für Sie genau?
Sind unlautere Geschäfte okay, um an Geld zu kommen? Ach ja, oder eine kleine Verheimlichung der Versicherung gegenüber … ist ja nicht so schlimm, die haben Geld genug und ich zahle ja ständig ein … Dann hätten Sie sich mit Geld verführen lassen.
Oder lassen Sie sich mit quasi jedem ein, um körperliche Nähe zu erfahren, auch, wenn der Mensch Ihnen nicht wirklich entspricht und das dem Zusammensein die Würde nimmt?
Sind Sie bereit, Menschen in armen Produktionsländern auszubeuten, um erfolgreich in Ihrem Business zu sein?
Oder schwindeln Sie Ihre Bekannten an, was die Noten Ihrer Kinder anbelangt, um mit ihnen anzugeben?
Sind Sie zu Übertreibungen bereit, damit andere Sie toll finden?
Was tun Sie alles, damit Ihre Kinder sie lieben, obwohl es an der Zeit wäre, die Maske fallen zu lassen,
Schwächen einzugestehen, autoritär durchzugreifen oder sie sogar aus dem Haus zu schicken?
Oder haben Sie sich mit Ansehen verführen lassen, indem Sie einen Mann in guter Position geheiratet haben, obwohl Sie das Ansehen und nicht ihn liebten? Und jetzt beklagen Sie sich vielleicht, dass er zu wenig Zeit hat für Sie und die Kinder … Ist ja wohl klar, wenn er CEO oder Verwaltungsrat eines polarisierenden Grosskonzerns ist.
Marketingfachleute kennen die Bedürfnisse ganz genau, mit welchen sich eine grössere Masse von Menschen verführen lässt. Achten Sie, wenn Sie sich das nächste Mal Werbung anschauen, auf die emotionalen Komponenten, welche an die beworbene Sache geklebt werden. Wo hakt es bei Ihnen ein? Ein tolles Auto wird mit einer schönen Frau garniert. Auch wenn Sie das Auto dann ohne Frau kaufen, wird die Lust nach genau diesem Auto durch die schöne Frau gesteigert. Oder sind Sie etwa mit «schöner Frau» nicht verführbar?
Die Pasta wird an einem harmonischen Familientisch serviert. Die verbreitete Sehnsucht nach Harmonie, heiler Familie und Zugehörigkeit wird ausgenutzt. Mac macht meines Wissens aus dieser Sehnsucht vieler Menschen schon lange Kapital. Windows zieht jetzt nach, indem es schreibt: «Willkommen bei der Windows 10-Family» …
Die Anti-Aging-Crèmes … Sind Sie mit ewiger Schönheit verführbar? Was für ein Aufatmen würde durch die Gesellschaft gehen, wenn wir aufhörten uns mit Gleichaltrigen und Jüngeren zu vergleichen, und ein natürliches Altern zulassen könnten. Wer dieses Thema überwunden hat, ist sogar bereit, sein Aussehen bewusst nicht aufzubessern (z. B. mit Schminke), damit die anderen, die sich noch messen, schöner sein und sich somit gut fühlen können. Das ist ein echter Liebesdienst. Ganz nebenbei werden Sie feststellen, wie wunderschön Sie durch das Aufgeben dieses Kampfes geworden sind, denn Sie ruhen gelassen in sich. Gerade wollte ich schreiben, dass dieses In-sich-Ruhen von Ihren Mitmenschen als Schönheit wahrgenommen wird. Das mag zwar stimmen, aber hier spielt es für Sie schlicht keine Rolle mehr, ob die Mitmenschen Sie schön finden oder nicht.
Wenn Sie mögen – einige von Ihnen haben ja schon ein Blatt Papier in der Nähe – können Sie sich jetzt notieren, mit welchen Themen Sie verführbar sind. Wenn Sie in nächster Zeit im Alltag darauf achten mögen, können Sie die Liste laufend ergänzen.
Darum zu wissen, womit wir verführbar sind, gibt uns die Chance, in den entsprechenden Momenten die innere Alarmglocke losgehen zu lassen, die Vernunftdiesem emotionalen Ding voranzustellen und sich integer zu verhalten.
Wir kommen gleich im nächsten Kapitel zu den Werten. Einer meiner Werte ist es, weitgehend Bioqualität einzukaufen, und ich habe mich heute zu einem Nicht-Bio-Erdbeerkauf verführen lassen. Womit ist das dem Anbieter gelungen? Auf der Tafel stand: «Erdbeeren aus Ebmatingen». Ebmatingen ist ein Schweizer Dorf. Sogleich stellte ich mir eine Bauernfamilie vor, die froh ist, ihre Erdbeeren verkaufen zu können. Ich bin auf das Persönliche angesprungen. Wenn «regional» gestanden wäre, hätte das nichts mit mir gemacht. Ich habe die Erdbeeren also gekauft, um diese Familie zu unterstützen. Ich habe den Wert «Helfen und Unterstützen» dem Wert «weitgehend Bio einkaufen» vorangestellt. Oder anders gesagt: Man hat mich mit «Helfen können» verführt, einen Wert zu brechen. Oder wenn ich sanfter mit mir sein will: Ich habe die Prioritäten etwas angepasst … Fühlt sich gerade nicht so falsch an, gerade, weil mein Wert nicht «nur bio einkaufen» sondern «weitgehend bio einkaufen» heisst und «unterstützen» ebenfalls zu dem gehört, was mich in meinem Leben sehr bereichert und erfüllt.
Dann ist mir noch eine Wassermelone in die Augen gesprungen. Nicht bio. Ich hatte schon Bio-Nektarinen im Einkaufskorb, wollte sie zurücklegen und Nicht-Bio-Melone mitnehmen. Hier sprang diese Ausrede an: «Wassermelone gibt es nur eine kurze Zeit im Jahr und ist doch so fein». Das reichte aber nicht, mir untreu zu werden. Ich behielt die Bio-Nektarinen im Korb und ging an den Wassermelonen wertschätzend vorbei. Wertschätzend, denn auch da sind das Wunder der Natur und Menschen dahinter, die viel Arbeit für dieses wunderbare Lebensmittel getan haben.
In der Episode «Todessehnsucht» aus der TV-Serie Star Trek Raumschiff Voyager wird Captain Janeway mit einer Asylentscheidung konfrontiert. Der Widersacher «Q», der vor Gericht steht, kennt Janeways wunden Punkt und möchte sich das zunutze machen: Durch ihre auf klare Direktiven und Werte basierende, bewusst getroffene Entscheidung, ist das Raumschiff Voyager in einem weit entfernten Quadranten gestrandet. Die Nachhause-Reise wird Generationen dauern, wenn nicht eine Abkürzung gefunden wird. «Q» kann das Schiff mit einem Fingerschnippen nach Hause bringen und bietet das Janeway an, sofern sie das Gerichtsurteil zu seinen Gunsten fällt. Eine Janeway aber lässt sich auch an einem wunden Punkt nicht verführen. Ihre Werte Ethik und Integrität sind unumstösslich. Zugunsten eines fairen Urteils verzichtet sie auf «Q»s Angebot.
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Klare Werte
Klare Werte für sich aufgestellt zu haben und diese auch unabdingbar zu leben, schützt uns vor Taten, die wir bereuen könnten. Werte machen uns zu dem Menschen, der wir sein wollen. Ansonsten schlittern wir unbewusst durchs Leben und könnten auf dem Sterbebett oder nach dem Tod unseres Körpers bereuen, dass wir kein besseres Leben geführt haben. Dabei hätten wir unsere Entwicklung fördern und dadurch mithelfen können, die Evolution in eine für uns erstrebenswerte Richtung voranzutreiben. Das, was wir nach dem Tod mitnehmen, nämlich unser Bewusstsein, hätte wachsen, sich entfalten können durch unsere Integrität und all die damit verbundenen wertvollen Prozesse.
Um Werte einzuhalten, ist es notwendig, die Themen zu kennen, mit welchen wir verführbar sind. Gerade die Angst vor dem Verlust eines geliebten Menschen lässt manch eine und einen die Werte Ehrlichkeit und Offenheit über Bord werfen. Lieber fühlt man sich schlecht und verpasst die Chance, zu einer stabilen, wahrhaftigen, starken Basis in der Beziehung beizutragen, als das Risiko eines Verlustes einzugehen. Fraglich, ob es die Beziehung wirklich wert ist, wenn sie Ehrlichkeit und Offenheit nicht standhält. Und fraglich, ob der Partner die Reife hat, auf eine Beichte würdevoll zu reagieren, statt auszurasten. Auch wenn es weh tut, gilt es, Ehrlichkeit und Offenheit anzuerkennen. Besonders, wenn Sie diese Werte für die Beziehung als erstrebenswert erachten und diese von beiden Seiten mitgetragen werden. Bestimmt kennen Sie aus Ihrer Kindheit, dass Sie gelogen haben aus Angst vor der Reaktion Ihrer Mutter oder des Lehrers. Machen wir es besser?
Selbstdefinierte Werte zu leben macht unsere Integrität und unser Selbstverständnis aus. Viele Menschen übernehmen unbewusst Werte aus ihrem Elternhaus, von Menschen, mit denen sie viel Zeit verbringen, oder von der Gesellschaft. Es hilft, diese zu erkennen und zu hinterfragen, und sich dann quasi neu zu definieren, statt sich durch unbewusste Werte fremdsteuern zu lassen.
Lassen Sie es mich veranschaulichen: Ein Vater ist der Hochzeit seines Sohnes Michael ferngeblieben, weil es sein Wert war, dass ein Mann seine Familie zu ernähren hat. Der Sohn war noch im Studium und hatte kein Geld. Offensichtlich hat Michael den Wert «Ein Mann hat seine Familie zu ernähren» nicht vom Vater übernommen und war der Meinung, dass daran nichts falsch sei, wenn seine Frau, die berufstätig war, das frischvermählte Paar finanziell tragen würde, bis er sein Studium beenden und ins Berufsleben einsteigen würde.
Ob man «Ein Mann hat seine Familie zu ernähren» nun Wert, Prinzip, Meinung oder Glaubenssatz nennt, ist dabei nicht relevant. Alles stimmt.