Flauschnacht Rauschnacht - Hellmuth Opitz - E-Book

Flauschnacht Rauschnacht E-Book

Hellmuth Opitz

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Beschreibung

Hauptsache, die Laserpointer der Glühwürmchen leuchten dir heim. Es war die Zeit, als die Termine aus den Kalendern verschwanden, als wären sie mit Tinte geschrieben, die wie von Zauberhand auf einmal unsichtbar wird. Erzählerischer sind sie geworden, die neuen ­Gedichte, ­gegenwartsnäher, schärfer und ­pointierter. Aber ­gleichzeitig kombinieren sie das Hellwache mit traumwandlerischer Sprachmagie und der scheinbaren Mühelosigkeit schwereloser Bilder.

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Hellmuth Opitz

Flauschnacht Rauschnacht

Gedichte

Inhalt

Durch diese Flauschnacht

Hohelieder aus den Zeiten des hohen C

Replay

Jedes Mädchen hat ein Gedicht verdient

Die Queen jenes Sommers

Vorschlag zur Güte

Hohelied in Zeiten des hohen C

Die Gastgeberin

Aufheller. Abglanz

Im Nachglühen

Federn lassen

Vier vorbei und das Licht kippt

Funkenflug

Ohren Zeugen

Der alte Gepard

Prélude für Ursina Lardi

Im Stillstand rast die Veränderung

März. Und alles, was danach kam

Allein: Ich

Neigungsfragen

Gegengift

Das Heft des Handelns

Hoffnung, eine Hüpfburg für die Müden

Jetzt mal im Ernst

Im Stillstand rast die Veränderung

Die inneren Rohstoffe

Im Tristen das Trösten

Stiff Upper Lip

Die Industrialisierung der Singvögel

Sich solange es noch geht einmal diese Überdosis geben

Wann kam die erste Nachtigall darauf

Wir hatten schon fast alles gesehen

Als wäre ich von einem Hauch von Wissen

Eines Tages sah der brasilianische Multimedia-Künstler

Unser Käfer hatte sein Weinrot in den Abendhimmel

Ich weiß nicht mehr genau – war’s der Hafen

April, das Morgenlicht serviert schon Kännchen

Stockrosenaufstand an der Hauswand

Zu wissen, fast alle Bäume

Great Whites

Nur mal kurz anstupsen

Aufgeblasener Gummihandschuh

Bad Ass Shark

Tintenblau das Wasser

Colossus springt

Zurück von der Zeit- und Raumpatrouille

Ellerbrocksfeld

Die Wela-Frau

Seewetterbericht

Funeral Train, 8. Juni 1968, 12.30 Uhr

Summen

Prachtbauten

Trailer für einen fast perfekten Tag

Brest meine Fresse

Langsames Löschen der Lichter

Letzte Gäste

Die Unbedachten

All die Zertanzten

Sprachnachrichten aus der Mittelklasse

Sätze ohne Ehrgeiz

Aus einem Handbuch für Industrie-Stahltüren

Rolls Rois

Wie Lana del Rey mich mal kurz von Zweifeln erlöste

Hüsteln

Das Hinauszögern beim Möblieren eines neuen Gedankens

Kannste knicken I-III

Erster Erster Zwanzig Zwanzig

Mayday im Januar

Troyer

Schneekönig hat abgedankt

Nach der Schmelze

Werkstatt-Protokoll

Kühle Frühe Ende März

Weniger wichtige Wahrnehmung

Durch diese Flauschnacht taumeln, diese Rauschnacht, flatterhaftes Nachtpfauenauge Du, trunken vom Nektar der Augustinerblumen, traumwandlerisch sicher, weichst Du den Trümmerteilen aus, den glühenden Blüten, die noch immer herabregnen, seit der Frühling mit aufgedrehten Triebwerken in den Parks, den Gärten zerschellte. Taumler, Du Träumer weißt: Heut ist es anders, heut kachelt St. Johannis den Himmel, heut Nacht hagelts Sterne und Du kaufst jede Schnuppe, während Du die Milchstraße entlang läufst, vorbei am Supermarkt, sieh doch: die Strahler, wie sie den Parkplatz erhellen, die Einkaufswagen in ihren Buchten, Gittertiere, die sich ducken in ihren Sammelställen. Du kaufst das alles, weil Du weißt: Morgen wird’s vergessen sein, all die Lichtjahre und nichts wird bleiben, nur das Hämmern auf dem Amboss im Innern deines Kopfes. Einstweilen aber ist es Dir gleich, Hauptsache, die Laserpointer der Glühwürmchen leuchten Dir heim.

Hohelieder aus den Zeiten des hohen C

Wer die Schönheit angeschaut mit Augenist dem Tode schon anheimgegeben.

August von Platen

Replay

Es hätte besser laufen können

beim allerersten Mal an jenem

Nachmittag in deinem Zimmer.

Wir steckten fest im Nesteln

unterm Pappschnee der Bettdecke.

Nicht mal der Tonarm hob ab

von der Platte, die Nadel hakte

störrisch in der Auslaufrille des

Joni-Mitchell-Albums, obwohl

es in deinem Lieblingssong

doch ums Abheben ging.

Da standst du auf, liefst nackt

zum Plattenspieler, drehtest dich

um mit diesem unverschämten

Grinsen, das sagte: Ich drück mal

auf Repeat, kamst dann zurück:

mit dem wunderbar wippenden

Gang, der mir heute noch nachgeht,

wenn ich diesen Nachmittag

auflege und der Tonarm knisternd

das Erinnern berührt: Es hätte

besser nicht laufen können.

Jedes Mädchen hat ein Gedicht verdient,

eins, das nur ihm gehört, zugesteckt wie ein Kassiber,

ein klein gefalteter Zettel mit Kästchen, darauf

ein Gedicht, das ihm auf Anhieb peinlich war,

die ungelenke Schrift, die unbeholfenen Komplimente,

der ungeheure Mut, es ihm zu geben auf dem Hof,

wo es stand, inmitten eines Pulks von Freundinnen,

kichernd in der großen Pause, einen Herzaussetzer

lang Stille und natürlich wollten es dann alle lesen.

Das Mädchen aber zeigte es den anderen nicht,

weil es an etwas rührte und noch heute treibt es ihm

die Röte ins Gesicht, oben auf dem Dachboden,

fünfzig Jahre später, wo es in einer Kiste wühlt,

auf diesen Zettel stößt und wo zur gleichen Zeit

in einem anderen Leben der Schreiber sich durch

einen Ordner seiner frühen Werke blättert und

vor Scham versinken möchte in der Erkenntnis:

Nicht jedes Gedicht hat ein Mädchen verdient.

Die Queen jenes Sommers

Ihre Schulterblätter sind das, was mir noch vor Augen steht

aus diesen hechelnden Hundstagen im unteren Jura der Jugend,

ihre blassen Schulterblätter, auf denen ein später Juli

viele Sommersprossen ausgesät hatte.

Ich sah den Wassertropfen zu, die sich dazwischen

entlang schlängelten, gespeist aus einem wilden Rotschopf,

wie sie Tempo aufnahmen, wenn sie die Schultern bewegte,

und ihren Rücken weiter hinunter liefen.

Mein Blick lief ihnen nach bis zum Rand der Bikinizone,

während wir hier lagen zum Trocknen auf den

sonnenwarmen Planken dieses Stegs am See, ihr riesiges

Handtuch mit dem Union Jack, fast hätte ich salutiert

vor dieser Queen aus Swindon.

Wie überlegen sie mir war, einen halben Kopf größer,

vom Größenunterschied im Kopf gar nicht zu reden.

Sie war gut in Physik, ich nur in Physis, ihr Thema:

Energie und wie sie verschwendet wird.

Könnte man mit der Kraft, die notwendig ist, um eine

Brandschutztür aus Stahl zu öffnen, nicht gleichzeitig

ein paar Orangen auspressen, fragte sie. Was da

verloren geht! Ich hatte keinen blassen Schimmer,

ganz im Gegensatz zum See.

Ich hatte nur Augen für ihren Mund, aus dem

diese Versuchsanordnungen nur so sprudelten,

ihre rauen, rissigen Lippen, die nach Zimt schmeckten

oder Holunder, da verschwimmt die Erinnerung.

Später, als wir aufstanden, blieb ihr Blick an meiner

Badehose hängen. Abklingbecken, sagte sie, grinste

und ich weiß bis heute nicht, woher sie die Vokabel hatte.

Nur den Klang habe ich noch im Ohr, den weichen

Wiltshire-Akzent einer Austauschschülerin.

Damals aber verstand ich nicht mal, was sie meinte.

Wochen später, als sie längst weg war, ging es mir auf,

in einer Physikstunde, als es um Kraftwerke ging:

Sie war die Energie, ich die Verschwendung.

Vorschlag zur Güte

Nur eine kleine Windanwandlung,

die dir übers Gesicht geht wie eine

nachlässige, zärtlich gemeinte Geste

und schon dein erstes Wort macht

der Wirklichkeit einen Vorschlag zur Güte.

Die hört sich das an, neigt den Kopf leicht,

lächelt abwesend, lässt den Nachmittag

einfach gewähren, seine Sonne, die mit

dem Textmarker ein paar Häuserzeilen

anstreicht in leuchtendem Gelb.

Die Welt ist heute großzügig zu dir, lässt

einen kirschroten Lippenstift springen,

vielleicht, weil das Glück in deinen Sätzen

oft im Plusquamperfekt steht, weil sie um

die Dunkelheit weiß zwischen deinen Zeilen.

Hohelied in Zeiten des hohen C

Als das Draußen sich nach innen stülpte

wie der Ärmel einer Jacke, als es uns alle