Flavorama - Arielle Johnson - E-Book

Flavorama E-Book

Arielle Johnson

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Beschreibung

»Arielle Johnson hat mein Denken über Geschmack verändert.« René Redzepi, Küchenchef des NOMA  Die promovierte Geschmackswissenschaftlerin Arielle Johnson lüftet in Flavorama alle Geheimnisse rund um dieses faszinierende Thema. Sie schildert ihr gesamtes kulinarisches Wissen und destilliert es in grundlegende Gesetze und Muster, die ebenso einfach zu erlernen wie wirkungsvoll zu nutzen sind. Mit fast einhundert Rezepten - darunter Crash-Kurse in Kräutersaucen und unterschätzten Gewürzen, die Fermentierung von Kürbiskern-Miso, eine vierhundert Jahre alte Komposition für das Dressing eines Salats und vieles mehr - ist Flavorama eine erhellende Gebrauchsanweisung für die wunderbare Welt des Geschmacks. 

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dr. Arielle Johnson, berät einige der besten Köche und Restaurants der Welt. Sie ist Mitbegründerin des Fermentationslabors im NOMA von René Redzepi in Kopenhagen und wissenschaftliche Leiterin aller NOMA-Projekte. An der Harvard University hält sie Vorträge über Lebensmittel und Wissenschaft, und ihre Artikel zu diesem Thema erscheinen u.a. in der Los Angeles Times und Lucky Peach. Johnson lebt in New York City.

www.ariellejohnson.com

»Arielle Johnson hat mein Denken über Geschmack verändert.«René Redzepi, Küchenchef NOMA

Geschmack geht weit über »lecker« oder »nicht lecker« hinaus. Er ist eine Empfindung, eine Chemie, ein Gefühl, eine Kunst. Und wer versteht, wie Geschmack funktioniert, kann besser, kreativer und selbstbewusster Gerichte zubereiten – und für neue Geschmackserlebnisse sorgen!

Die promovierte Geschmackswissenschaftlerin Arielle Johnson lüftet in Flavorama alle Geheimnisse rund um dieses faszinierende Thema. Sie verrät ihr gesamtes kulinarisches Wissen und destilliert es in grundlegende Gesetze und Muster, die ebenso einfach zu erlernen wie wirkungsvoll zu nutzen sind.

Mit 99 Rezepten – eine erhellende Gebrauchsanweisung für die wunderbare Welt des Geschmacks.

Arielle Johnson

Flavorama

Die fabelhafte Wissenschaft vom Geschmack – und wie wir sie im Alltag nutzen können

Mit einem Vorwort von René Redzepi

Aus dem Amerikanischen von Corinna Rodewald

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2024 unter dem Titel

Flavorama. A Guide to Unlocking the Art and Science of Flavor

bei Harvest, an imprint of William Morrow, HarperCollins Publishers, New York.

© 2024 by Arielle Johnson

© 2024 der deutschen Ausgabe:

Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin

Covergestaltung: zero-media.net, München, nach einem Entwurf von Owen Corrigan für HarperCollins Publishers, New York

Alle Rechte vorbehalten.

Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected]

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

ISBN 978-3-8437-3278-9

Für Tom – für alles

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort von René Redzepi

Einleitung: Die grenzenlose Wissenschaft des Geschmacks

Teil 1: Das erste Geschmacksgesetz: Zum Geschmack gehört der Geruch

Kapitel 1: Schmecken

Kapitel 2: Riechen

Kapitel 3: Aroma voraus

Teil 2: Das zweite Geschmacksgesetz: Geschmack folgt vorhersehbaren Mustern

Kapitel 4: Muster in die Tat umsetzen

Kapitel 5: Die (ungefähr) fünf Geschmacksrichtungen

Salzig

Sauer

Süß

Umami

Bitter

Scharf

Kapitel 6: Geruch

Fruchtig

Pflanzlich

Aromen der Intensität und Abwehr

Würzig

Kräuterig

Fleischig

Teil 3: Das dritte Geschmacksgesetz: Geschmack lässt sich konzentrieren, extrahieren und verteilen

Kapitel 7: Geschmack konzentrieren

Entsaften und Auspressen

Geschmack konzentrieren, indem man Wasser entzieht

Geschmack durch Trocknen konzentrieren

Kapitel 8: Geschmack extrahieren und verteilen

Moleküle gezielt verschieben

Gleiches löst sich in Gleichem auf: Einfache molekulare Regeln für Extraktion und Infusion

Wasser wässrig und Öl ölig machen: Polarität

Geruchsmoleküle fetthaltig umarmen: Extraktion und Infusion mit Fetten

Konzentrierte fetthaltige Extraktionen

Extrahieren und Aromatisieren mit Wasser

Zwischen polaren Gegensätzen: Essig, Alkohol und mehr

Ganz nebenbei: Kochen mit Aromatisierung im Kopf

Teil 4: Das vierte Geschmacksgesetz: Geschmack lässt sich erschaffen und umwandeln

Kapitel 9: Aroma durch Hitze

Flüssiges Gold: Karamellisierung

Die Hitze aufdrehen: Aromen durch Anbrennen, Verkohlen und Rauch

Hier wird gebräunt: Die Maillard-Reaktion

Kapitel 10: Aroma durch Fermentation

Essig herstellen: Beißend saure Aromen aus Alkohol

Milchsäuregärung: Säuerliche Aromen aus Zucker

So wird es umami: Fermentieren mit Schimmelpilzen

Dank

Bibliografie (Auswahl)

Vorwort

Von René Redzepi

Geschmack ist das, was jede Köchin und jeden Koch antreibt. Schmeckt das Essen nicht, haben wir in unserem Job versagt, und all die harte Arbeit war für die Katz (oder?).

Genau damit setzen wir uns in unserem Restaurant Noma in Kopenhagen jeden Tag aufs Neue auseinander. Ganz am Anfang, vor zwanzig Jahren, stellten wir ein paar Regeln auf: Wir wollten eine Küche anbieten, die lokale Zutaten nicht nur hervorhebt, sondern diese auch fast ausschließlich verwendet. Im Laufe der Jahre wandelte sich dieses Konzept, da ich die albanische und türkische Seite meiner kulinarischen Herkunft mit einbringen und auch die Höhepunkte unserer Reisen einfließen lassen wollte. Inzwischen verwenden wir regelmäßig Kombu aus Japan und Chilis aus Mexiko. Dennoch bemühen wir uns jeden Tag darum, uns von der Saisonalität bei uns im Norden leiten zu lassen.

Im Frühling und im Sommer, wenn die Tage lang sind und wir den köstlichsten weißen Spargel, Erdbeeren und unzählige Wildkräuter in die Hände bekommen, fällt uns das leicht. Im Winter, wenn unsere Landwirte uns nichts als Rote Bete, Karotten und Kartoffeln aus ihren Kellern anbieten können, ist es eine erhebliche Einschränkung. Schon früh wurde uns klar, dass wir eine Entscheidung treffen mussten: Entweder wir luden uns diese Einschränkung als Bürde auf, oder wir nutzten sie als Antreiber für Kreativität.

So zu kochen, wie ich es gelernt hatte – französisch, formell, mit Zutaten wie Gänseleber und Olivenöl –, war in den ersten Jahren im Noma keine Option. Wir mussten also einen Schritt zurücktreten und neue Wege zum Genuss finden. Langsam, aber sicher kamen wir so zum Einmachen, Extrahieren, Fermentieren, Sammeln und zum kulinarischen Potenzial von Dingen, die wir vorher nicht als lecker oder überhaupt essbar eingestuft hatten: seltsame, knifflige und »verloren gegangene« Gemüsesorten, Meeresalgen, Wildkräuter, Blumen, Moose und sogar Insekten.

Damals fragten wir uns: Braucht ein Gericht wirklich eine Zitrone, oder fehlt einfach nur eine bestimmte Art von saurem Geschmack? Könnten es auch Sauerkleeblätter, dicke Waldameisen, Sanddornbeeren oder Pflaumen sein, die wir wie Sauerkraut fermentierten? Diese Art Frage lässt sich für jede Zutat wiederholen, von der du glaubst, dass sie unbedingt in ein Gericht gehört.

So hatte keiner von uns zu kochen gelernt. Wir mussten uns die Erfahrung und das Wissen selbst aneignen, und unser Streben danach, Geschmack besser zu verstehen, brachte uns dazu, viele lächerliche und unpraktische Dinge zu tun. Wenn wir heute zurückblicken, erscheint es uns verrückt, dass wir all diese Stunden damit verbrachten, Ameisen zu sammeln oder Moos zu putzen. Aber wir mussten es tun. Das war unser Weg.

Es war 2012, mitten in diesen Recherchen, als ich Arielle Johnson kennenlernte. Sie würde jetzt einwenden, sie sei keine Köchin. Tatsächlich studierte sie Lebensmittelchemie, aber anstatt sich über den Sommer einen gut bezahlten Job bei Nestlé oder einem vergleichbaren Unternehmen zu sichern, beschloss sie, ihre Zeit sinnvoller zu nutzen und mit einem Haufen Köche in einem Labor zu forschen, das von einem Restaurant betrieben wurde.

Warum eine Wissenschaftlerin als Mitarbeiterin? Ich erzähle euch etwas: Wir hatten gerade angefangen, uns für essbare Insekten zu interessieren, und Lars Williams, damals Leiter unseres Gemeinschaftsprojekts Nordic Food Lab, erforschte, wie Ameisen mithilfe von Pheromonen kommunizieren. Es war Arielle, die uns mit einem kurzen Blick auf deren chemische Strukturen erklärte, dass diese Pheromone auch Aromamoleküle waren. Dass sie bestimmte Geschmacksrichtungen hatten, die sie uns vorhersagen konnte, ohne sie probieren zu müssen, wie zum Beispiel Grapefruit, Zitronengras und Lavendel. Aromen, die wir jetzt in die Küche einbringen konnten, ohne tatsächlich Grapefruit, Zitronengras oder Lavendel verwenden zu müssen.

Gutes Kochen ist organisiertes Chaos, und ein Koch reagiert stündlich auf wechselnde Bedingungen und Zutaten. Nehmen wir zum Beispiel Erbsen, die gerade Saison haben: Wurden sie geerntet und noch nicht gekühlt und sind deswegen noch warm von der Sonne? Oder haben sie schon ein oder zwei Tage im Kühlschrank gelegen? So etwas kann dazu führen, dass ein und dieselbe Zutat ganz anders schmeckt – die eine Erbse kann stärkehaltig und bitter sein, während die andere so zart und süß schmeckt wie eine geschälte Weintraube. Wie kann es sein, dass der Geschmack von Meerrettich, einer scharfen, unterirdisch wachsenden Wurzel, von einem Tag auf den anderen so stark variiert? Wir wissen zwar, dass Anbaumethoden und Wetter einen großen Einfluss auf diese Dinge haben, aber je besser wir verstehen, dass die Variabilität bis auf die molekulare Ebene reicht – und wie genau –, umso besser können wir unseren Geschmack und unsere Intuition beim Kochen einsetzen.

Geschmack von Grund auf und in all seinen Facetten verstehen zu wollen ist natürlich ein hochgestecktes Ziel. Wir hatten das Glück, jemand so eifrigen wie Arielle an unserer Seite zu haben, die eine Verbindung herstellen konnte zwischen dem, was wir durch Intuition und Schmecken entdeckt hatten, und dem, was sie durch Wissenschaft und jahrelanges Studium gelernt hatte. Nach ihrem Abschluss kam Arielle als Dr. Arielle Johnson für eine Vollzeitstelle ins Noma, wo sie und Lars unser ursprüngliches Fermentationslabor komplett neu aufbauten (buchstäblich aus Schiffscontainern) und so einen Ort erschufen, der dieser Art von Forschung gewidmet war. Im Laufe der Jahre hat das Fermentationslabor mehrere Phasen durchlaufen und ist zur treibenden Kraft unserer Arbeit geworden.

Arielle an Bord zu haben ist wie ein Geheimrezept für eine Sauce, die alles ein bisschen klarer und einfacher macht. Sie ist ausgebildete Wissenschaftlerin, denkt aber wie eine Köchin. Sie bricht all ihr Wissen auf genau das herunter, was du brauchst, um bewusster wahrzunehmen, wie etwas schmeckt, woher der Geschmack kommt und wie du ihn erschaffen und kontrollieren kannst – egal, ob du in einem Restaurant oder zu Hause kochst.

Flavorama ist ein Buch, das jede Köchin und jeder Koch, egal, wie erfahren oder wissenschaftlich bewandert sie sein mögen, in der Küche braucht, geschrieben von einer Person, die mehr über dieses Thema weiß als jeder andere, den ich kenne. Arielle hat mein Denken über Geschmack verändert – hätte ich dieses Buch gehabt, als wir uns vor zwanzig Jahren im Noma auf die Suche gemacht haben, hätte uns das viel Zeit und Ärger erspart. Aber zum Glück liest du es ja gerade, und auf den folgenden Seiten wird Arielle das Gleiche für dich tun.

Einleitung

Die grenzenlose Wissenschaft des Geschmacks

Und was sie für dich tun kann

Dies ist ein Buch über Geschmack.

Du weißt schon, die Sache, die uns dazu bringt, Unsummen für alte Tomatensorten auszugeben.

Wenn etwas richtig gut riecht oder schmeckt – eine vollkommene, süß-säuerlich duftende Nektarine, ein unglaublich mineralisches und fleischiges Steak vom Rind aus Weidehaltung, ein paar überwältigend aromatische, frisch zerstoßene Gewürze –, bekomme ich davon Gänsehaut. Wahrscheinlich geht es dir ähnlich, schließlich hast du dieses Buch aufgeschlagen. Es ist zu einer (beinahe) allgemein anerkannten Wahrheit geworden, dass Kochen eine Naturwissenschaft ist – und doch habe ich mich schon lange nach mehr Fokus, mehr Wissen über den wichtigsten Aspekt daran gesehnt: wie Essen tatsächlich schmeckt und wie und warum es dazu kommt. Damit meine ich nicht, wie der objektiv betrachtet »perfekte« Cookie auszusehen hat, und auch keine fünfzehn Hacks, wie man Spargel im Februar so hinbekommt, dass er weniger nach Februar schmeckt, oder die Technik, die hinter Doritos-Tortilla-Chips mit der Geschmacksrichtung »Cool Ranch« steckt. Ich will alles darüber erfahren, was echtes, leckeres Essen so echt und lecker macht – und dann herausfinden, wie ich dieses Wissen einsetzen kann, um es noch besser zu machen.

Mir hat es nie gereicht, einfach tolle Geschmackserlebnisse zu haben – ich muss auch erforschen, wie sie entstanden sind, welche Mechanismen ihnen zugrunde liegen. Ich bin so besessen davon, Geschmack zu verstehen, dass ich meinen Doktor in dem Fach gemacht und Geschmack anhand von analytischer Chemie untersucht habe (genau genommen bin ich Dr. Johnson, in akademischen Kreisen – und für meine Mutter). Dabei fand ich heraus, dass es da draußen einen ganzen Kosmos von Wissen über Geschmack gibt, sowohl in der Chemie als auch in der Mikrobiologie, Psychologie, Ökologie, den Neurowissenschaften, der Ethnobotanik, selbst in den Wirtschaftswissenschaften und der Geschichte. Und in jedem großartigen Croissant, jedem traditionellen Barbacoa und jeder Bio-Blaubeere findet um Längen mehr faszinierende Geschmackswissenschaft statt als in den meisten geschmacksoptimiert hergestellten abgepackten Nahrungsmitteln.

Manche Köche und Köchinnen hören »Wissenschaft« und denken sofort: »Zwangsjacke«. Na toll, irgendjemand nennt sich objektive Instanz und will mir und meinem Essen mit einem Haufen Regeln die Kreativität austreiben und die Seele rauben.

Das fände ich genauso fade wie du. Es wäre auch gelogen, würde ich behaupten, dass es einen wissenschaftlichen Weg gibt, mit dem man jegliche Schwierigkeiten beim Kochen umgehen kann. (Tut mir leid.)

Glücklicherweise ist die Wissenschaft erstaunlich nützlich für etwas viel Besseres: Wenn es schon Spaß macht, zu wissen, was man beim Kochen tut, ist es geradezu beschwingend, zu wissen, warum man es tut – und wie man es noch geschickter angehen kann. Nicht nur sicher zu sein, dass ein bestimmtes Rezept, sofern korrekt befolgt, das gewünschte Ergebnis erzielt, sondern die zugrunde liegenden Mechanismen gut genug zu verstehen, um voraussagen zu können, wie die angewandte Technik oder die nächste Aktion den Geschmack der Zutaten beeinflussen wird, und dies im Handumdrehen anzupassen. Deswegen habe ich so viel in Restaurants gearbeitet und meine wissenschaftlichen Kenntnisse eingesetzt, um der Köstlichkeit hinterherzujagen anstatt der Gleichförmigkeit. Geschmackswissenschaft als ein Werkzeugkasten, der freie Improvisation möglich macht.

Wo ich dabei gern anfange? Bei den Molekülen. Vertrau mir einfach …

Geschmack gleich Moleküle

Jeder unserer Sinne ist auf eine Art von Information spezialisiert, die uns einen wichtigen Aspekt der Welt veranschaulicht. Sehen eröffnet uns die physischen Einzelheiten unserer Umgebung durch reflektiertes Licht. Mit dem Hörsinn erfassen wir das, was wir zwar nicht sehen können, was aber mechanische Vibrationen in der Luft verursacht, die wir als Geräusche wahrnehmen. Der Geschmack ist kein eigenständiger Sinn, sondern eine Kombination aus Schmecken und Riechen, den beiden Sinnen, die Moleküle unmittelbar wahrnehmen können. Dabei ist der Geschmackssinn auf die Moleküle spezialisiert, die die Zunge berühren, und der Geruchssinn auf Moleküle, die sich durch die Luft bewegen.

Geschmack ist etwas Persönliches, Emotionales (deswegen gibt es auch gar keinen »perfekten« Cookie; es ist subjektiv) – und trotzdem fängt alles damit an, dass wir echte, physische Moleküle wahrnehmen. Alles andere folgt aus den mechanischen Prozessen, die Moleküle eben durchlaufen.

»Geschmack gleich Moleküle« bedeutet, dass wir einige unserer häufigsten Fragen aus der Küche mit Chemie beantworten können. Warum schmeckt Zitronensaft so viel weniger sauer, wenn ich ihn nicht erst ganz am Ende dazugebe? Warum ist eine Prise Meersalz etwas anderes als eine Prise Tafelsalz? Warum ist frischer Ingwer so viel schärfer als gekochter? Wie kommt es eigentlich, dass es länger dauert, Zwiebeln zu karamellisieren als Zucker? Warum unterscheidet sich die Schärfe von Chiliöl, scharfer Sauce und frischen Chilischoten so sehr voneinander? Was verleiht dem köstlichen saftigen Pfirsich den vollmundigen Geschmack, den ein ganz normaler nicht hat?

Die Mechanismen, die dahinterstecken, sind weder besonders rätselhaft noch geheim. Es gibt bereits Unmengen wissenschaftlicher Abhandlungen zu jedem vorstellbaren Aspekt von Geschmack, doch wird all das Material nie an einer Stelle zusammengeführt und schon gar nicht in Verbindung mit Kochen gebracht oder überhaupt an Köchinnen oder Köche herangetragen.

Also habe ich mich genau darauf spezialisiert und helfe Köchen dabei, zu verstehen, was unter der Geschmackshaube vor sich geht, damit sie noch intuitiver an ihre Sache herangehen können und ihre Speisen noch leckerer werden. Mir werden viele Fragen zu Geschmack gestellt, und für ihre Beantwortung wühle ich mich durch die Tiefen der wissenschaftlichen Quellen und suche anschließend einen Weg, um meine Erkenntnisse in eine Sprache zu übersetzen, mit der Köche tatsächlich arbeiten können. Irgendwann ertappte ich mich zum gefühlt tausendsten Mal dabei, wie ich sagte: »Ach, ich wünschte wirklich, ich könnte dir eine Art Handbuch empfehlen, das all das zusammenfasst.« Und genau das ist dieses Buch: eine komprimierte Version all unseres unglaublichen Wissens darüber, wie Geschmack funktioniert und wie wir ihn maximieren können.

Auch wenn ich nicht behaupten kann, hier absolut alles abzudecken, was Geschmack betrifft (das würde etwa eine Million Seiten umfassen), kann ich dreierlei versprechen: ein solides Fundament der wissenschaftlichen Mechanismen von Geschmack; Weisheiten aus der Wissenschaft, die ich aus den Archiven ausgegraben habe und die an anderen Stellen in der Regel nur flüchtig abgehandelt werden; und ein Fokus darauf, wie all diese Wissenschaft genutzt wird, und zwar jetzt, in der echten Welt – um Muster zu erkennen, die Intuition beim Kochen zu fördern und der Kreativität mehr Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Alles in diesem Buch, angefangen bei seinem Aufbau bis hin zu den einzelnen Rezepten, ist davon geprägt, wie ich die Wissenschaft des Geschmacks beim Kochen tatsächlich eingesetzt habe – und auch davon, wie wirklich großartige Köchinnen das tun. Daher der Titel. Stell es dir als einen Panoramablick auf alles vor, was mit Geschmack zu tun hat.

Die Gliederung von Flavorama orientiert sich an fünf zentralen Gesetzen. Es handelt sich um vorhersehbare Eigenschaften, die sich immer wieder bewahrheiten, die Grundregeln für Geschmack.

0. Geschmack gleich Moleküle.

1. Zum Geschmack gehört der Geruch.

2. Geschmack folgt vorhersehbaren Mustern.

3. Geschmack lässt sich konzentrieren, extrahieren und verteilen.

4. Geschmack lässt sich erschaffen und umwandeln.

Wie bei anderen Phänomenen, die Naturgesetzen folgen (Thermodynamik, schwarze Löcher), ist eines dieser Gesetze so grundlegend, dass alle anderen Gesetze darauf aufbauen. Aus diesem Grund wird es unter der Nummer »0« aufgeführt, denn es ist sogar noch wichtiger als die 1. Was Geschmack betrifft, haben wir das nullte Gesetz bereits angesprochen: Geschmack gleich Moleküle.

Geschmack besteht nicht einfach aus Schwingungen, die sich nicht beschreiben lassen, und es ist auch keine abstrakte Eigenschaft, die eine Zitrone mit zitronigem Geschmack durchtränkt. Absolut alles, was dazu führt, dass in deinem Gehirn die wunderbare Wahrnehmung von Geschmack erlebbar wird, ist in der Speise enthalten, die du isst, und zwar in der Form von Molekülen. Genau wie du und alles andere um dich herum setzen sich auch Nahrungsmittel aus Molekülen zusammen. Manche Moleküle sind für die Festigkeit und Konsistenz zuständig, andere für Feuchtigkeit und Elastizität, wieder andere für den Geschmack.

Chemie ist das umfassende Unterfangen, durch das sich all diese Moleküle aufspüren und beschreiben lassen. Wir wissen, wie schnell sie sich verflüchtigen (nützlich, wenn du sie in einem Gericht festhalten willst), ob sie bei Hitze oder zusammen mit Säure zerfallen (nützlich, wenn du eine Brühe, eine Sauce, einen Tee oder einen Cocktail zubereiten oder Butter aufpeppen willst) und was passiert, wenn man sie fermentiert (nützlich, wenn du Kimchi, Sauerkraut oder Miso machen willst). Wer sich mit Chemie richtig gut auskennt, kann das, indem er oder sie sich anschaut, wie die Atome eines Moleküls angeordnet sind, ähnlich einer Wahrsagerin, die dir die Hand liest und vorhersagt, wann du heiraten wirst – nur eben, dass es tatsächlich zutrifft.

Die gute Nachricht: All das folgt Mustern und Tendenzen. Wenn etwas sauer ist, dann kommt das immer von Säure, und wie Säure sich verhält, ist berechenbar. Alle Aromen sind flüchtig, was bedeutet, dass sie verfliegen, sobald man sie erhitzt. Aromatisierst du etwas, weißt du schon vorher, wie es sich unterscheidet, je nachdem, ob du Fett oder Wasser verwendest. Du musst keine langen Tabellen präziser Werte auswendig lernen, um dich der Geschmackswissenschaft zu bedienen – du musst lediglich ein bisschen darauf achten, ob du Muster erkennst. Es soll eine Anreicherung deiner Sinne und deiner Intuition beim Kochen und Essen sein, kein Ersatz für sie.

Die Tatsache, dass Geschmack aus Molekülen besteht, untermauert das gesamte Buch: woher die jeweiligen Moleküle stammen, wie sie gebildet wurden und wie wir sie dazu kriegen, das zu tun, was wir wollen. Diese Moleküle sind das, was wir spüren, wenn wir Geschmack wahrnehmen; durch sie können wir Geschmack aufgießen, konzentrieren und erschaffen. Für sich betrachtet ist die Geschmackswissenschaft ein rätselhaft verwickeltes Gummiband und dein Sinneserlebnis ein substanzloser Lufthauch. Zusammen aber bilden sie eine komplexe Ballonskulptur. Ohne Moleküle kein Geschmack, und die Geschmacksrichtungen und Düfte, die von diesen Molekülen erzeugt werden, machen es für Köchinnen und Köche überhaupt so interessant, mehr über sie zu erfahren. Das eine kann nicht ohne das andere. Aber greifen wir nicht voraus. Wenn wir Geschmack verstehen wollen, fangen wir beim ersten Gesetz an: ohne Geruch kein Geschmack.

TEIL 1Das erste Geschmacks​gesetz

Zum Geschmack gehört der Geruch

Wenn du mit einer Freundin im Restaurant sitzt und wissen willst, ob das, was da auf ihrem Teller liegt, gut ist, was fragst du dann?

»Wie schmeckt es?« Ständig sprechen wir davon, wie etwas schmeckt – schmeckt es gut, schlecht, nach Vanille oder Erde oder Himbeeren oder Pappe?

Was wir dabei vergessen: In der Regel setzt sich der Geschmack von etwas aus dem zusammen, was wir schmecken, und dem, was wir riechen. Wissenschaftlich ebenso wie kulinarisch gesehen ist, wie etwas schmeckt, zwar wesentlich für seinen Geschmack, aber für sich genommen noch nicht ausreichend. Und zwar weil das, was wir schmecken, nur ein Teil des Gesamtgeschmacks ausmacht.

Wirklicher Geschmack – »Flavor« – entsteht erst aus der Verbindung von Geschmack und Geruch. Bei dieser Gleichung ist der Geruch genauso wichtig, manchmal sogar wichtiger. Sicherlich fühlt sich das nicht so an. Unsere Geruchserlebnisse sind so nahtlos mit unserem Geschmackssinn verknüpft, wenn wir essen, dass es uns nicht wie Geruch vorkommt. Doch selbst wenn du nicht das Gefühl hast, du hättest die Nase einer Meisterparfümeurin oder eines Sommeliers, setzt du doch bei jedem Essen deinen Geruchssinn ein, um den Geschmack zu erleben.

Du willst Geschmack und Geruch auseinanderhalten können?

Hattest du jemals eine starke Erkältung mit verstopfter Nase – oder hast während einer Coronainfektion an Geruchsverlust gelitten –, dann weißt du, dass einem nichts schmeckt, wenn die Nase zu ist. Es ist eintönig, es ist langweilig, alles schmeckt nach nichts. In der Regel ist dein Geschmackssinn in so einem Fall aber nicht beeinträchtigt. Das, was so fade schmeckt, ist der Geschmack ohne den Geruch. Die Geruchsmoleküle können deine Geruchsrezeptoren nicht erreichen, weil die Nase zu ist, und deswegen erhält dein Gehirn keine Geruchsdaten, und ohne den Geruch schmeckt es stumpf und lahm.

Geschmack lässt sich in salzig, sauer, süß, umami und bitter unterteilen. So gut wie alles andere läuft unter Geruch: der nelkig-blumige Geschmack von Basilikum, die fruchtigen oder karamelligen Noten in sortenreinem Kaffee, das sämige Grün einer Gurke oder Honigmelone, die marmeladig-weinigen Eigenschaften einer fantastischen Himbeere, der Röstgeschmack eines Hühnchens, der kiefernartig-holzig-gemütliche Geschmack von Kardamom. Ich könnte ewig so weitermachen (und in gewissem Sinne tue ich das ab hier auch).

Wenn wir Geschmack verstehen wollen, müssen wir ihn mitsamt Geruch begreifen, und meiner Meinung nach gehen wir das am besten von zwei Seiten an: Indem wir auf unsere Sinne hören und darauf achten, welche Geschmackskomponenten und Gerüche wir wahrnehmen; und indem wir erkunden, was dem zugrunde liegt – wie Geschmack und Geruch funktionieren und dadurch unser Geschmackserlebnis erschaffen. Ich stelle es mir als ein gesundes Geben und Nehmen zwischen Theorie und Praxis vor.

Schmecken und Riechen: zwei Gegenstücke, die sich ergänzen

Ich spreche viel davon, wie wichtig Muster sind, und ein besonders nützliches ist folgendes: Beim Schmecken und Riechen ist es oft wie bei Yin und Yang. Trifft etwas für das eine zu, dann ist beim anderen wahrscheinlich das Gegenteil der Fall:

Schmecken ist ein einzelnes Empfinden, und nur ein paar Arten von Molekülen sind für den jeweiligen Geschmack von etwas verantwortlich. Riechen ist multidimensional, Gerüche werden von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Moleküle erschaffen.

Es gibt nur eine sehr begrenzte Anzahl an Geschmacksrichtungen, für den letztendlichen Geschmack deiner Speise ist es allerdings entscheidend, sie richtig hinzubekommen. Die Anzahl von Gerüchen ist nahezu endlos, und sie können auf unzählige Art und Weise für ein Gericht eingesetzt werden und für einen guten Gesamtgeschmack sorgen.

Den Geschmacksrichtungen liegen einfache Mechanismen zugrunde, die wir schnell begreifen können. Gerüche unterliegen viel komplizierteren Mechanismen, die man erst mit der Zeit versteht.

Beim Schmecken erhalten wir sehr klare Informationen über einige wenige Dinge. Beim Riechen sind die Informationen diffuser, dafür sagen sie aber über eine ganze Menge etwas aus.

Die Geschmacksrichtungen sind ziemlich fest in uns verankert. Unser Geruchsempfinden dagegen wird vor allem durch unsere Erfahrungen und Erinnerungen geprägt.

Die einzelnen Geschmacksrichtungen setzen wir jeweils für etwas ganz Bestimmtes ein. Bei den Gerüchen betrachten wir dagegen am besten allgemeine Geruchsmuster, anstatt jeden einzeln katalogisieren zu wollen.

Ändern oder ersetzen wir eine Geschmacksrichtung – süß anstatt salzig, sauer statt bitter –, macht das einen enormen, gar katastrophalen Unterschied im Geschmack. Ändern oder ersetzen wir einen Geruch, beeinflusst das den Geschmack zwar spürbar, aber eher in Nuancen.

Sowohl fürs Schmecken als auch fürs Riechen gilt: Wir reagieren auf Moleküle.

Schmecken und Riechen: Empfindungen durch Moleküle

Geschmack bedeutet, etwas zu schmecken und zu riechen – und doch enthält kein Essen Geschmack oder Geruch im buchstäblichen Sinne; Nahrungsmittel enthalten Moleküle. Deine Nase und deine Zunge dienen als Detektoren für diese Moleküle, sie fangen sie und senden entsprechende Signale ans Gehirn. Erst dann sorgt dein Gehirn dafür, dass aus diesen Signalen deine Wahrnehmung von Schmecken und Riechen entsteht. Anders ausgedrückt ist der Geschmack von etwas im Grunde eine Erfindung deiner Wahrnehmung, erschaffen in deinem Gehirn aus den Signalen, die dir die Moleküle aus der Natur gesendet haben.

Kapitel 1 Schmecken

Fangen wir mit den Geschmacksrichtungen an: kräftige, saubere, beherzte Striche, klar einzuordnen und leicht zu verstehen. Fünf stehen zur Auswahl: salzig, sauer, süß, umami und bitter.

Probieren wir mal ein paar Moleküle

Stell dir folgende Szene vor: Es ist Juli, du bist etwas verschwitzt, aber auf angenehme Weise, und hast gerade ein paar schöne Tomaten gekauft (oder, falls du Glück hast, gepflückt), vielleicht ein paar große Brandywine-Fleischtomaten, und sie sind noch warm von der Sonne. Du schneidest eine dicke Scheibe ab, streust ein bisschen Salz darauf und steckst sie dir in den Mund.

Was passiert jetzt? Du schmeckst das Salz, klar. Dann verspürst du vielleicht einen Hauch angenehm säuerlichen Geschmacks, gerade eben wahrnehmbare Süße, womöglich eine Spur Bitterkeit, falls du auf ein paar Kerne gebissen hast, und dann, wenn du schluckst, die vollmundige Fülle von Umami. Es ist durch und durch großartig, und du weißt wieder genau, warum du dich jedes Jahr darauf freust.

All diese Geschmacksrichtungen der Tomate – salzig, sauer, süß, bitter und umami – entstehen nicht einfach aus der unbeschreiblichen und ihr immanenten Tomatigkeit. Keine Tomate, und auch sonst nichts, enthält »Süße« oder »Säuerlichkeit«. Was sie enthält, sind Geschmacksmoleküle, und die können dein Gehirn dazu bringen, die Wahrnehmung von süß oder sauer zu erschaffen. Jedes Nahrungsmittel, das nach etwas Bestimmtem schmeckt, tut das, weil es die entsprechenden Moleküle dafür hat.

Schauen wir uns die Tomate mal genauer an. Woraus besteht eigentlich so eine Tomate? Aus chemischer Sicht würden wir sagen, tja, sie besteht aus Molekülen, und die Mehrheit davon sind Ballaststoffe und Wasser. An manchen Stellen sind sie verbunden wie dickflüssiges Gel und an anderen wie ein mit Saft getränkter Schwamm, und das Ganze wird von einer ballonartigen Haut umschlossen. Im wasserbasierten Saft der Tomate aufgelöst, befindet sich ein Cocktail aus weiteren Molekülen. Manche davon sind Säuren oder Zucker, auch Aminosäuren und Mineralstoffe sind dabei.

Wenn du in die Tomate beißt, verteilt sich ihr Saft (und die im Saft gelösten Moleküle) auf deiner gesamten Zunge und vermischt sich mit deinem Speichel. Deine Zunge ist übersät mit Geschmacksrezeptoren, die wie Fanghandschuhe für Geschmacksmoleküle funktionieren. Jeder Rezeptor ist so einzigartig geformt, dass er sich eine bestimmte Art von Molekül schnappen kann, und sobald das geschieht, wird ein Signal ans Gehirn gesendet. Deine Geschmacksrezeptoren schnappen sich die Zucker, Säuren, Aminosäuren, Mineralstoffe und Gerbstoffe von der Tomate und schicken die Informationen an dein Gehirn, damit es nur für dich das Empfinden von Süße, Säure, Umami und so weiter kreiert.

Zucchini-Carpaccio mit Glutamat

Mononatriumglutamat ist reinstes Umami, und das ist manchmal leicht zu übersehen, wenn man nicht daran gewöhnt ist, danach Ausschau zu halten. Es macht den seidigen Crunch von Zucchini noch voller und intensiver, verstärkt den salzigen und süßen Geschmack und mindert die Bitterkeit.

Eine kleine bis mittelgroße zarte Zucchini leicht angeschrägt in 1–3 mm dünne Scheiben schneiden. Mit einer kleinen Prise (etwa ⅛ Teelöffel / maximal 0,5 g) Aji-nomoto (Mononatriumglutamat-Kristallen) oder einem anderen MNG-Pulver fein bestreuen. Einige Minuten einwirken lassen, dann sofort mit den Händen essen.

Ergibt einen Snack für eine Person

Welche Moleküle schmecken nach etwas und warum?

Genau wie Menschen haben auch Moleküle eine Persönlichkeit. Geschmacksmoleküle sind da allesamt ziemlich verlässlich und gefestigt. Sie unternehmen nichts Wildes, erzeugen also nicht etwa Dämpfe oder Gase: Lässt man einen Topf mit Meerwasser kochen, bleiben die Salzmoleküle unten im Topf, sie verdampfen nicht einfach. Alle Geschmacksmoleküle sind gut wasserlöslich, was angesichts des ziemlich wässrigen Umfelds, in das die Zunge eingebettet ist, nur logisch erscheint.

Auf deiner Zunge befinden sich Millionen fein abgestimmter Geschmacksrezeptoren, begierige Fanghandschuhe, von denen es nur wenige verschiedene Arten gibt. Stell es dir wie einen minimalistischen Kleiderschrank vor, nicht wie eine Haute-Couture-Modenschau mit hundert Outfits. Die Arbeitsweise jedes einzelnen Rezeptors ist das Ergebnis von fortwährender Evolution, Anpassung und schonungslosem Aussortieren.

Ob es ums Schmecken oder etwas anderes geht; der einzige Zweck eines Rezeptors besteht darin, sich eine bestimmte Art von Molekül zu schnappen und dann eine nützliche Botschaft darüber ans Gehirn zu senden. Geschmacksrezeptoren sind darauf ausgelegt, die gängigen Moleküle aus Nahrungsmitteln einzufangen, denn Essen ist das, was wir uns am häufigsten in den Mund stecken. Und weil der Geschmack die letzte Information ist, die wir über etwas bekommen können, bevor wir es herunterschlucken oder doch wieder ausspucken, sind die Botschaften über Geschmack stark und schlicht.

Die Rezeptoren für süßen Geschmack schnappen sich Zucker und teilen uns mit, ob uns ein Nahrungsmittel einfachen Zugang zu Energiequellen verschafft. Salziger Geschmack zeigt an, dass Natrium enthalten ist, das unser Körper braucht, um Nervenimpulse zu erzeugen, den Blutdruck zu erhalten und den Wasser-Elektrolyt-Haushalt zu regulieren. Die Umami-Rezeptoren erkennen Aminosäuren, die Grundbausteine für Proteine. Die Rezeptoren für sauren Geschmack reagieren auf Säure, und das teilt uns mit, ob eine Frucht noch nicht reif ist, nützliches Vitamin C enthält oder auf sichere Art und Weise fermentiert wurde. Ein bitterer Geschmack macht auf mögliche Giftstoffe aufmerksam, von denen viele aus Pflanzen stammen. Die Liste von Molekülen, mit denen man sich versehentlich vergiften kann, ist ziemlich lang und ziemlich vielfältig, weshalb es um die zwanzig Varianten von Rezeptoren für bitteren Geschmack gibt, damit alle Bereiche abgedeckt werden, ein bisschen wie ein Steckschlüsselsatz mit auswechselbaren Aufsätzen. Jeder Rezeptor für bitteren Geschmack schickt seine Informationen den gleichen Kanal entlang, sodass die meisten Bittermoleküle mehr oder weniger gleich schmecken. Die anderen Geschmacksqualitäten halten sich an einen einfacheren spezialisierten Rezeptor.

Die Wissenschaft vermutet, dass es noch weitere Aspekte gibt, die wir über den Geschmackssinn vermittelt bekommen, wie zum Beispiel Karbonisierung und Fette. Außerdem spielt auch Schärfe eine große Rolle beim Geschmack, allerdings schmeckt man sie nicht, sondern spürt sie als Schmerz (mehr dazu hier). Von diesen Nebensächlichkeiten einmal abgesehen, müssen wir uns beim Schmecken nur auf fünf Geschmacksrichtungen konzentrieren, wir können unsere Zutaten auf fünf eindeutige Arten nach Geschmacksausprägung einordnen, das macht somit fünf Elemente, die wir beim Kochen für den Geschmackssinn hinzufügen.

Zu salzig?

Na gut, eine andere coole Ausnahme gibt es noch: Deine Zunge kann zwei verschiedene Signale für Natrium weitergeben, eins für »normal gesalzen« und eins für »zu salzig«, das nur dann zum Zuge kommt, wenn etwas einen wirklich hohen Salzgehalt hat. Dein Salzempfinden teilt dir entweder »oh gut, salzig« mit oder »hui, zu viel des Guten«, wie zum Beispiel das fast säurehaltige Brennen von unverdünnter Sojasauce oder wenn man eine Salzbrezel abschleckt.

Schmackhafte Köstlichkeiten

Unser Geschmackssinn kann fünf verschiedene Geschmacksqualitäten unterscheiden: süß, sauer, salzig, bitter und umami.

Jeder Geschmacksrezeptor hat sich so entwickelt, dass er eine Art oder eine Gattung von Molekülen erkennt: Zucker, Säuren, Natrium, Giftstoffe, Glutamat.

Geschmacksmoleküle haben in der Regel eine hauptsächliche Geschmacksqualität – Salze sind salzig, Zucker sind süß, und salzigen Zucker gibt es nicht.

Jede Geschmacksqualität gibt ein anderes Signal ab, wobei manche die Signale einer anderen Qualität verstärken oder abmildern können, zum Beispiel steigert umami das Signal für salzig, wohingegen salzig das Signal für bitter abschwächt.

Kapitel 2 Riechen

Geruch, Duft und Aroma lassen sich synonym verwenden – und ich benutze alle drei Begriffe als Kurzschrift für »ein Geschmackselement, das wir durch Riechen wahrnehmen«, ebenso wie wir »Geschmack« sagen, wenn wir eigentlich ein Geschmackselement meinen, das wir durch Schmecken wahrnehmen.

Wo wir das nun geklärt haben, lohnt es sich, Geruch erst einmal für sich zu betrachten, ehe wir uns ansehen, welchen Beitrag er zum Geschmack, zum Flavor leistet.

Unser Geruchssinn spürt genau wie unser Geschmackssinn Moleküle auf. Wenn du an einem reifen Pfirsich schnupperst, schweben luftige, flüchtige Moleküle davon in deine Nase. Sie erfüllen deine Nasenhöhle, in der sich ganz oben unterm Dach ein kleiner klebriger Teppich befindet, wie eine Fußmatte für Düfte, und die ist voller Geruchsrezeptoren. Man nennt sie die Riechschleimhaut, und sie übernimmt die gleiche Funktion für Gerüche wie die Geschmacksknospen beim Schmecken: Sie schleust die Moleküle, die du eingeatmet hast, zu den empfangsbereiten Rezeptoren, verkuppelt jene miteinander, die zusammenpassen, sodass sie Signale an dein Gehirn senden, damit dort deine Wahrnehmung von Geruch entsteht.

Der übersehene Sinn

Der Geruchssinn, auch olfaktorischer Sinn genannt, wird von unseren Sinnen am wenigsten geschätzt. Griechische Philosophen der Antike wie Aristoteles glaubten, Geruch sei unwichtig, primitiv und ein wenig frivol, ein Ruf, der leider haften blieb. Neuere Erkenntnisse über Geruch zeigen jedoch deutlich, wie sehr wir ihn bisher unterschätzt haben.

2004 ging der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin an die Biologen Linda Buck und Richard Axel für ihre Erforschung der Rezeptoren, die wir für die Geruchswahrnehmung einsetzen, der Gene, die diese codieren, und der Art und Weise, wie sie arbeiten. Sie fanden heraus, dass der Mensch etwa vierhundert verschiedene olfaktorische Rezeptoren besitzt, und jeder davon hat ein eigenes Gen. Je nachdem, wie man es berechnet, bedeutet das, dass die Gene, die für die Geruchswahrnehmung zuständig sind, ein bis zwei Prozent unserer gesamten Gene ausmachen. Das mag nach keiner großen Sache klingen … bis man sich vor Augen hält, dass Geruchsrezeptoren die größte Gruppe von Genen in unserem Genom bilden – und dass der Mensch sich genetisch nur um wenige Prozent vom Schimpansen unterscheidet, also ungefähr die gleiche Größenordnung von genetischer Information, die wir dem Riechen widmen. Es ist also doch eine ganz schön große Sache für uns!

Geruch fürs Gehirn

Unsere Ausstattung mit Rezeptoren, die sich zur Erzeugung von Geruchssignalen bestimmte Moleküle schnappen, ist einzigartig und besonders. Die Strukturen, die diese Signale an dein Hirn weiterleiten und verarbeiten, sind es ebenfalls.

Die meisten Informationen, die in dein Gehirn gelangen, werden von Nervenzellen und Rezeptoren gesammelt, die weit im Körper verstreut liegen, und müssen über das Rückenmark transportiert und durch den einfachsten Teil des Gehirns und den Haupteingang, den Hirnstamm, hineingeschleust werden. Die Signale sickern von dort durch vorrangig unterbewusste Hirnareale, ehe sie sich für die Weiterverarbeitung am Thalamus anstellen, die zentrale Zulassungsstelle und der Pförtner für die Großhirnrinde, die pinke und faltige äußere Schicht deines Hirns, in der die bewusste Wahrnehmung stattfindet.

Dein Geruchssinn setzt sich im Grunde genommen über all diese Regeln hinweg.

Deine geruchswahrnehmenden Rezeptorzellen leiten nicht einfach Informationen an Gehirnzellen weiter, sie sind selbst Gehirnzellen. Sie sind lang und dürr und mit einem Ende im Riechkolben unten im Gehirn verankert, das andere fädelt sich durch winzige Löchlein in der Unterseite deines Hirnschädels bis in deine Nasenhöhle. An diesem Ende liegen die Rezeptoren für die Geruchsmoleküle. Jetzt, in diesem Moment, während du das hier liest, baumeln dir Hirnzellen unten aus dem Schädel, zu jeder Zeit der Luft in deiner Nase ausgesetzt. Und wir laufen alle rum, als wäre das völlig normal.

Die Signale, die deine Geruchsrezeptoren erzeugen, werden direkt in deinen Riechkolben geschossen, den Hirnstamm lassen sie einfach links liegen. Die physischen Verbindungen zwischen Riechkolben und dem übrigen Gehirn verstricken Geruch viel stärker mit Emotionen und Intellekt als die anderen Sinne. Der Riechkolben ist unmittelbar an die Area piriformis angeschlossen, ein Haufen verketteter Teile des limbischen Systems – dem unterbewussten Säugetierteil unseres Hirns, in dem unsere Gefühle und unser implizites Langzeitgedächtnis liegen. Die meisten unserer Sinneswahrnehmungen werden irgendwann hier analysiert, jedoch erst, nachdem wir sie in anderen Bereichen unseres Gehirns verarbeitet haben. Geruchssignale dringen augenblicklich in das limbische System ein – vorbewusst, ungefiltert und direkt in unsere emotionalen Erinnerungen, die wir als besonders intensiv, unmittelbar und lebendig erleben, wenn sie durch Geruch ausgelöst werden (und damit auch durch Geschmack). Während die anderen Sinne sich also gedulden müssen, bis sie durch den Thalamus bis in den präfrontalen Kortex vordringen, dem kognitiv am höchsten stehenden Zentrum des Hirns (der Teil, den wir für bewusstes Denken, Sprache und rationale Entscheidungsfindung einsetzen), dürfen Geruchssignale den VIP-Eingang über die direkte Verbindung zwischen der Area piriformis und dem Teil des präfrontalen Kortex nehmen, der sich Orbitofrontalkortex nennt.

Was bedeutet das alles für dich?

Nun ja, wir sind ausgesprochen soziale Wesen, und eine Menge unserer grundlegenden Hirnfunktionen ist auf zwischenmenschliche Beziehungen ausgerichtet. Geruch bildet da keine Ausnahme: Spürst du auch nur den Hauch des Parfüms (oder selbst des Waschmittels), das eine verflossene Liebe oder frühere Freundin, die du seit Jahren nicht gesehen hast, stets getragen hat, kann dich eine Flut von Gefühlen und Erinnerungen überkommen. Selbst wenn du nie besonders auf den Duft geachtet hast, war er doch euer Begleiter und hat sich unbewusst mit deinen Erinnerungen verwoben.

Und weil durch Riechen und Schmecken der Geschmack entsteht, verstärken sich die beiden Sinneseindrücke gegenseitig, wenn du sie zusammen wahrnimmst, wodurch Essen (und der Geschmack von Essen) zu einem noch intensiveren emotionalen Erlebnis wird als nur der Geruch allein. Wenn du einen Bissen Rinderragout nimmst, das haargenau so schmeckt, wie du es von deiner Großmutter kennst, kann dich das emotional in die Zeit zurückversetzen, in der du es mit ihr zusammen gegessen hast, und plötzlich fühlst du dich wieder genauso sicher und geborgen und zu Hause wie damals. Die immer wieder hervorgeholten Beispiele dieses Phänomens aus Geschichten (die Madeleines von Proust oder eben auch Ratatouille) treffen neurobiologisch gesehen den Nagel auf den Kopf.

Riechen im Geheimen: retronasale Aromawahrnehmung und Geschmack

Es wird leicht vergessen, dass der Geruch die Hälfte (oder mehr) des Geschmacks einer Speise ausmacht. Schließlich atmen wir nicht mit großem Schnauben das Essen auf unserem Teller ein, während wir kauen, oder?

Schauen wir uns noch einmal die Tomate von vorhin an. Während ihre Geschmacksmoleküle damit beschäftigt waren, deine Zunge zu überschwemmen und Süße, Säuerlichkeit und die anderen Geschmacksrichtungen zu erschaffen, setzte sie auch flüchtige Moleküle frei, die sich in der Luft in deinem Mundraum bewegten – die gleichen Moleküle, die du auch wahrgenommen hättest, hättest du daran geschnuppert.

Dein Mundraum ist mit deinem Hals und deiner Nasenhöhle verbunden. Deswegen kam manchmal auch Milch aus deiner Nase geschossen, wenn du früher in der Schule beim Essen in der Pause plötzlich laut loslachen musstest. Sie wurde aus deinem Mund in die Nasenhöhle gepresst. Das Gleiche passiert im Grunde ständig mit der geruchsgetränkten Luft, die sich in deinem Mundraum bewegt, wenn du kaust – sie will sich überallhin ausbreiten, und das bedeutet, dass sie hinten in deinem Hals aufsteigt bis in die Nase, wo du sie riechen kannst. Jedes Mal, wenn du kaust oder schluckst, schickt die Bewegung diese Moleküle in deine Nasenhöhle. Du nimmst Geruch wahr, aber diesmal hat er sich durch die Hintertür hereingeschlichen. Der Fachbegriff dafür lautet retronasale Aromawahrnehmung (auf Englisch »retronasal olfaction«, und ja, das habe ich mir schon als Bandnamen reserviert!). »Retronasal«, weil der Geruch eben von hinten in deine Nase gelangt.

Und was haben wir von der retronasalen Aromawahrnehmung? Den Großteil des Geschmacks, der eine Tomate zu einer Tomate macht anstatt zu einer bloßen Zusammenstellung von süß, sauer, salzig, umami und bitter: volle, malzig-fruchtige, rosige Veilchennoten; der grün-grasige Tomatenblattduft; ein dezenter Hauch von Kakao, Honig und Wintergrün. Ihre fruchtig-gemüsige Tomatigkeit – das, was durch Schmecken allein einfach nicht zu fassen ist. Tatsächlich hat die charakteristische »Färbung« eines Geschmacks (das Schokoladige von Schokolade, das Himbeerige einer Himbeere, das Thymianige von Thymian) meist kaum etwas mit unserem Geschmackssinn zu tun – sie entsteht durch retronasale Aromawahrnehmung.

Stehst du dem noch etwas skeptisch gegenüber oder hast das Gefühl, du hättest etwas nicht mitbekommen – dass die Tomatigkeit doch von mehr kommt als vom Schmecken, sich das aber nicht wie Riechen anfühlt –, ist das nachvollziehbar. Das, was beim Geschmack durch Riechen entsteht, fühlt sich so an, als würdest du es im Mund wahrnehmen – weil dein Gehirn dir vorgaukelt, du würdest es auf der Zunge schmecken. Du spürst es also tatsächlich nicht in deiner Nase oder als Geruch; es wird komplett in den Geschmack eingebettet und so wahrgenommen, als würde es in deinem Mund stattfinden – also dort, wo das Essen ist.

Vielleicht hast du gelernt, dass man bis zum Schluss warten soll, wenn man etwas mit Zitrone abschmeckt, damit sie nichts von ihrer sauren Kraft verliert und fade schmeckt. Und tatsächlich, wenn du Zitronensaft zu einer Sauce gibst und sie dann noch eine Weile köcheln lässt, würde sie unzusammenhängend, schal und stumpf schmecken. Das liegt jedoch nicht daran, dass sich die Geschmacksrichtungen verändert haben! Es sind die Geruchsmoleküle, die beim Kochen verflogen sind. Die Fadheit, die du wahrnimmst, ist der Geschmack von Zitronensaft ohne seinen Geruch.

Zitrusschalen-Dashi

Dashi ist eine einfache Brühe aus geräuchertem Thunfisch und Seetang, die zu den grundlegenden Zutaten der japanischen Küche gehört. Ich trinke sie manchmal gern, etwa wie man eine Knochenbrühe oder Miso-Suppe trinken würde. Der Geschmack von Dashi ist unheimlich sauber und stark umami, und man kann ihm in Form von Düften ein wenig Komplexität hinzufügen, ohne die bereits intensive, aber sehr reine Geschmacksmischung zu verderben.

Man bereitet Dashi in zwei Schritten zu: Zuerst weicht man getrockneten Seetang (Kombu) in sehr heißem, aber nicht kochendem Wasser ein, dann schöpft man ihn ab und lässt im selben Wasser Bonitoflocken (Katsuobushi, getrockneter und geräucherter Thunfisch)köcheln. Kombu und Bonitoflocken lassen sich online bestellen oder in hochwertigeren Supermärkten sowie in japanischen Lebensmittelläden finden. Anstelle der rohen Zutaten kannst du auch Dashi aus der Tüte nehmen (im Prinzip ein Teebeutel mit Kombu und Katsuobushi darin); in dem Fall lass einfach das Wasser aufkochen, dreh die Platte runter und lass es ein paar Minuten köcheln, bis du den Beutel wieder herausfischst.

Ein kleines Stück Kombu, etwa 5 mal 10 cm groß oder 5 g, in einen kleinen Topf mit 450 ml gefiltertem Wasser oder gutem Leitungswasser geben. Langsam erhitzen, bis es dampft, aber nicht siedet, und 15 bis 20 Minuten ziehen lassen, dann den Seetang entfernen, ehe das Wasser tatsächlich kocht (sollte der Seetang kochen, löst das schleimige Moleküle, die du nicht in deinem Dashi haben möchtest).

6 bis 10 g Bonitoflocken hinzugeben und bei mittlerer bis hoher Hitze zum Kochen bringen. Etwa 1 Minute lang köcheln lassen, dann vom Herd nehmen, den Topf mit einem Deckel verschließen und 15 Minuten ziehen lassen. Die Flocken anschließend abschöpfen oder die Brühe durch ein feines Sieb abgießen.

Das noch heiße Dashi in eine Schüssel oder zwei kleine Becher geben und mit einem Schäler oder scharfen Messer einen dicken Streifen Yuzuschale abschneiden (falls du keine frische Yuzu zur Hand hast, kannst du auch eine Zitrone oder eine Meyer-Zitrone verwenden). Halte die Oberseite der Schale über das heiße Dashi, drücke sie zwischen den Fingern zusammen, um die aromatischen Öleherauszupressen, und lass sie in das Dashi fallen. Sofort servieren und trinken.

Ergibt einen großen Becher

Mit einem einfachen Experiment kannst du bei dir selbst die Wirkung von Geruch auf den Geschmack ausprobieren (vielleicht erinnerst du dich noch aus deiner Schulzeit daran). Du brauchst dazu nichts weiter als eine Geleebohne oder ein Gummibärchen, vorzugsweise mit einem unverkennbaren fruchtigen Geschmack wie Himbeere, Ananas, Birne oder Pfirsich. (Mein persönlicher Favorit ist eine Jelly-Belly-Birnen-Bohne oder ein Haribo-Pfirsich.) Nimm die Süßigkeit in eine Hand und halte dir mit der anderen die Nase zu. Steck dir das Gummibärchen in den Mund und fang an zu kauen, die Nase hältst du dir dabei weiter zu. Welche Geschmacksrichtung kannst du wahrnehmen? Wahrscheinlich ist es nicht so leicht, denn weil du dir die Nase zuhältst, riechst du kaum etwas und schmeckst deswegen weniger. Vermutlich nimmst du etwas Süße und Säuerlichkeit wahr, aber sonst nicht viel. Bevor du schluckst, nimm deine Hand von der Nase und atme normal. Die einzelnen Schichten des Aromas, das Birnige oder das Pfirsichige, werden allmählich deinen Mundraum füllen, die Geschmacksrichtungen höherschalten, und der vollendete Geschmack wird als 3-D-Erlebnis herausspringen. Genau das macht dein Geruchssinn, wenn er mit voller retronasaler Wahrnehmungskraft dazukommt: Er vergrößert und verbessert den Geschmack, den dein Geschmackssinn allein nicht vollständig erfassen kann.

Der Geruch der Moleküle

Geschmacks- und Geruchssinn funktionieren über Rezeptoren, wie alle Sinne. An der Stelle enden die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Ein Geruch nimmt einen viel verschlungeneren Pfad vom Molekül in der Nase bis zur Wahrnehmung im Gehirn als eine Geschmacksrichtung. Unsere Geschmacksrezeptoren sind an fünf verschiedene Signalbahnen angeschlossen – eine für jede Geschmacksrichtung, insgesamt etwa fünfundzwanzig Arten von Rezeptoren, wenn man alle zusätzlichen für bitter mitzählt. Geschmacksrichtungen in eindeutige Kategorien (süß, salzig, bitter und so weiter) einzuteilen ist nicht schwer, denn der Mechanismus dahinter ist genau dazu da. Beim Geruch müssen wir da schon etwas kreativer werden.

Für Gerüche stehen uns vierhundert Typen von Rezeptoren zur Verfügung, und jeder von ihnen vermittelt seine Signale über eine eigene Bahn ans Gehirn; das macht zusammen schon achtzigmal mehr unterschiedliche Signale als beim Schmecken. Und vierhundert Rezeptoren bedeuten nicht etwa, dass es nur vierhundert Aromen gibt, eins für jede Rezeptorart und seine Signalbahn. Nein, wir können noch weit mehr Düfte wahrnehmen, denn irgendwann hat die Evolution beschlossen, dass es bei Gerüchen ruhig etwas drunter und drüber gehen darf, wenn das bedeutet, dass wir mehr riechen können.

Geschmacksmoleküle verbinden sich ziemlich monogam mit ihren Rezeptorpartnern: Ein Milchsäuremolekül aktiviert den Rezeptor für sauer, verbündet sich aber im Grunde nicht mit den anderen vier Geschmacksrichtungen. Auch wenn ein Glutamatmolekül auf deiner Zunge landet, sucht es so lange, bis es auf einen Rezeptor für umami stößt. Sie begrüßen sich mit einem geheimen Handschlag, und dann schickt die auf umami spezialisierte Zelle am auf umami spezialisierten Rezeptor ein auf umami spezialisiertes Signal an dein Gehirn.

Geruchsmoleküle und -rezeptoren sind dagegen eher polyamourös unterwegs – es gibt keine einzelne »korrekte« Verbindung eines bestimmten Geruchsmoleküls und eines bestimmten Rezeptors. Jedes Geruchsmolekül fühlt sich von den verschiedensten Arten von Geruchsrezeptoren angezogen und bringt sie alle zugleich dazu, Signale an das Gehirn auszusenden. Und jeder Typ von Rezeptor hat die Fähigkeit, sich die verschiedensten Geruchsmoleküle zu schnappen, sogar eine Menge verschiedener Geruchsmoleküle, vor allem solche, die einen ähnlichen molekularen Aufbau aufweisen. Wenn dir ein Eugenol-Molekül, das für den Nelkenduft verantwortlich ist, in die Nase steigt, dann steht nicht nur ein einzelner Rezeptor parat, um es sich zu schnappen. Es gibt fünf oder zehn (oder sogar noch mehr!) Rezeptoren, die sich mit Eugenol zusammentun können, und jeder von ihnen kann sich auch mit anderen Molekülen verbinden. Und sobald das Eugenol dieser Rezeptorschar begegnet, feuern sie alle ihr eigenes Signal über ihre eigene Bahn ins Gehirn ab.

Die Rezeptoren sind nicht so aufeinander abgestimmt, dass sie ein eindeutiges, einheitliches »NELKENDUFT«-Signal absenden. Zwischen den knisternden Signalbahnen, die aus deinen Geruchsrezeptoren führen, und dem Teil deines Gehirns, der die Geruchswahrnehmung erschafft, liegt ein Schaltbrett, das die Rohdaten sammelt und als Infopaket gebündelt über die Telefonkette weiterleitet.

Dieses Schaltbrett ist der Riechkolben, ein kleines Knötchen Gehirngewebe, das an der vorderen Basis des Hirnschädels sitzt und unmittelbar mit den Riechzellen verbunden ist, die bis in deine Nasenhöhle reichen. Es nimmt die Flut von morsecodeartigen Signalen der Rezeptoren auf, die vom Eugenol aktiviert wurden, und versammelt sie alle in einem Geruchsbild, wie eine Neurowissenschaftlerin es beschreiben würde. Noch riecht dieses gebündelte Geruchsbild nicht nach Nelken; der Riechkolben schickt es erst an andere Hirnareale, wo es dann endlich entschlüsselt und in die Empfindung eines nelkigen Geruchs übersetzt wird.

Das Signal, das ein Geschmacksmolekül an das Gehirn sendet, funktioniert, als würde man eine Taste auf einem Klavier drücken: Es aktiviert seinen eigenen ganz bestimmten Indikator (einen Ton beziehungsweise eine Geschmacksrichtung), der sich leicht von den anderen unterscheiden lässt. Das Signal, das von einem Geruchsmolekül aktiviert wird, funktioniert eher wie ein QR-Code: ein zweidimensionales Muster, das sich aus vielen einzigartigen Indikatoren zusammensetzt.

Der QR-Code des Gehirns für den Geruch eines Moleküls setzt sich aus mehreren Elementen zusammen – genau wie unsere Wahrnehmung der meisten Geruchsmoleküle aus mehreren Elementen besteht. Eugenol riecht nach Nelken, aber wenn du den Geruch eine Weile auf dich wirken lässt (und ein wenig Übung darin hast, deine Sinneswahrnehmung zu benennen, worauf ich zu Beginn von Kapitel 3 eingehe), werden dir die Nuancen auffallen: Nelke, aber auch Holz und ein wenig Zimt; ein »süßer« Anklang, der zugleich auch einen Hauch herzhaft und rauchig und medizinisch ist. Manche Geruchsmoleküle haben keine zentrale Botschaft, sondern mehrere ausgewogene Komponenten. Furaneol beispielsweise riecht sowohl röstartig-karamellig-verbrannt-zuckrig als auch marmeladig-fruchtig und ist gleichermaßen wichtig für den Duft von Erdbeeren, Ananas und geröstetem Kaffee.

Es ist unmöglich, einzelne Geruchselemente für sich zu betrachten, so wie wir es mit den Geschmacksrichtungen tun können. Selbst auf der grundlegendsten molekularen Ebene vereinen Gerüche eine Vielfalt sinnlicher Eigenschaften in sich. Wir nehmen sie eher wahr wie ein Gesicht, das wir sehen, und nicht wie eine Geschmacksrichtung, die wir schmecken – eine durchorganisierte Mischung vieler Merkmale, die man unmöglich mit nur einem Wort beschreiben kann, sondern sofort als ein (komplexes) Ganzes erkennt. Das kann frustrierend sein, wenn man einfache Kategorien erschaffen will, in der grenzenlosen Vielfalt macht es aber sehr viel Spaß und schmeckt.

Moleküle mischen

Stellen wir uns einmal vor, dass jedes erdenkliche Muster, das du auf deinem Riechkolben verschlüsseln kannst, indem du die Signale der Geruchsrezeptoren an- und ausschaltest, einem bestimmten wahrnehmbaren Geruch entspricht. Würdest du alle nacheinander durchgehen, kämst du auf 2400: 2 mal 2 mal 2 mal 2 mal 2, bis du 400-mal multipliziert hast. Eine unglaublich große Zahl – etwa 2.580.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​00 0.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000.​000 (oder 2,58 x 10120) – und eine ganze Ecke mehr als die von der Physik geschätzte Anzahl der Atome im beobachtbaren Universum (1080). Mehr als die Differenz zwischen der kleinsten mit einem Elektronenmikroskop messbaren Strecke (noch viel kleiner als ein Atom) und der Distanz zwischen der Erde und Earendel, dem am weitesten von der Erde entfernten Stern, den wir bisher entdeckt haben, 28 Milliarden Lichtjahre weit weg.

Kurz gesagt hat die Biologie uns mit einer Menge Flexibilität ausgestattet, um unterschiedliche Gerüche wahrzunehmen – vielleicht sogar mit übertrieben viel davon. Die Wissenschaft hat sich noch weiterer Techniken bedient, um einzuschätzen, was das in der Praxis bedeutet.

Frühere Schätzungen kamen auf 10.000 durch Riechen wahrnehmbare Moleküle. Jüngere Forschungen, die auf einer wirklich großen Datenbank bekannter Moleküle basieren, berechneten, dass es bis zu 40 Milliarden Moleküle mit den entsprechenden chemischen Voraussetzungen gibt, um sie zu riechen. Was wir aber mit Sicherheit wissen, ist, dass es verdammt viel mehr Moleküle gibt, die wir riechen können, als Moleküle, die wir schmecken können, und jedes bringt seinen eigenen Satz an Empfindungen mit.

Auch wenn es nützlich ist, zu verstehen, welche Elemente des Gesamtgeschmacks von den einzelnen Molekülen stammen, ist es doch eine rein akademische Übung: Du wirst außerhalb eines Labors nie nur eine Art von Molekül schnuppern, ohne dass es sich mit anderen vermischt hat. Der Geruch, und somit das gesamte Aroma einer Zutat, entsteht aus der Zusammensetzung mehrerer Geruchsmoleküle. Bei einfachen Nahrungsmitteln wie Kräutern, Gewürzen oder Früchten sind das vielleicht ein paar Dutzend. Bei komplexeren Dingen wie Wein, Kaffee oder Schokolade sprechen wir von Hunderten, wenn nicht Tausenden.

Sobald du eine dieser Zusammensetzungen riechst, verbindet sich jedes der vielen Geruchsmoleküle gleichzeitig mit seinem eigenen Satz an Geruchsrezeptoren, und die wiederum senden zur gleichen Zeit ihre Signale an den Riechkolben.

Der Riechkolben ist ein gewissenhafter Archivar und erzeugt sein QR-Code-Geruchsbild aus diesen Signalen, ob sie nun aus reinen Eugenol-Molekülen entstehen oder aus einem Pfefferkuchen mit Nelken und anderen Gewürzen und der ganzen Gefolgschaft anderer Moleküle darin. Da individuelle Moleküle ohnehin mehrere Rezeptoren aktivieren, unterscheidet der Riechkolben nicht weiter, ob die Signale, die er erhält, lediglich von einem Molekül in deiner Nase oder von einer Mischung von Molekülen ausgelöst wurden. (Womöglich kann er das auch gar nicht.) So oder so erzeugt er seinen gemusterten und indizierbaren QR-Code.

Selbst die eben erwähnten chemisch sehr komplexen Nahrungsmittel wie Wein, Kaffee und Schokolade werden in einem einzigen Schnappschuss aufgenommen und verschlüsselt. Dadurch wird jedes von ihnen als unverwechselbarer, einprägsamer Duft erlebt und nicht als ein Wirrwarr aus Tausenden von Signalen, die sich alle gegenseitig überbieten wollen. Diese Düfte sind mehr als die Summe ihrer Teile. Nicht nur vereinen sie Geschmacksnoten, die du anhand ihrer einzelnen Molekülbestandteile erkennen kannst, sondern die Mischung enthält auch neue und einzigartige Noten, die, und das ist fast ein bisschen unheimlich, nur dann existieren, wenn die einzelnen Komponenten zusammengebracht werden.

Die meisten Speisen verbinden so viele Bestandteile in ihrem Geschmack, dass sehr wenige der Moleküle, die wir riechen können, einer einzelnen Zutat zuzuordnen sind – meistens tauchen sie in der Zusammensetzung mehrerer auf, wie Cameo-Auftritte eines beliebten Charakterdarstellers. Die klare, starke, tiefe Note, die dem »Himbeer!« einer Himbeere erst das Gewicht verleiht? Sie stammt von einem Molekül namens Beta-Damascenon, das auch in Äpfeln, Rosen, Wein, Tabak, Schwarzen Johannisbeeren und gealtertem Rum zu finden ist. Kräuter und Gewürze haben so viele Moleküle gemeinsam, dass ihr jeweiliger Geschmack mehr mit dem Verhältnis dieser Moleküle zueinander zu tun hat als mit ihrem Vorhandensein an sich. Mischungen von Geruchsmolekülen können sich in weiten Teilen überschneiden und dennoch einzigartig und unterscheidbar sein. Basilikum, Ingwer und Kreuzkümmel haben ähnliche Anteile, und doch schmecken sie alle eigen, und wir würden sie nicht ohne Weiteres verwechseln.

Trotz all dieser Überschneidungen sind wir sehr gut darin, den jeweiligen Mischungen eindeutige Geruchsbilder (»QR-Codes«) zuzuordnen. Mir sind schon Schätzungen zu Ohren gekommen, dass wir mindestens eine Billion Geruchszusammensetzungen wahrnehmen und unterscheiden können.

Wenn du Kochen als Erschaffung von Zutatenkombinationen betrachtest und somit als Vermischung von Aromamolekülen, wirst du erkennen, dass du jedes Mal, wenn du deine Küche betrittst, die Voraussetzungen dazu hast, Geschmackssynergien zu erzeugen. Deinem Riechkolben ist es im Grunde egal, was du ihm hinstellst – er ist darauf ausgerichtet, ein komplettes Muster aus dem zu erstellen, was du riechst, und dein Gehirn ist so eingestellt, dass es diese Eindrücke als ganzheitlichen Geschmackseindruck interpretiert.

Gerüche über Gerüche über Gerüche

Du kannst viel mehr riechen als schmecken.

Einzelne Geruchsmoleküle haben mehrere Aromen.

Kein Geruchsmolekül gibt es nur bei einer Zutat.

Zutaten enthalten viele verschiedene Geruchsmoleküle.

In Mischungen von Geruchsmolekülen (also alle Zutaten, die du zum Kochen verwendest) erkennt man sowohl einige der Aromen der einzelnen Bestandteile als auch manche Düfte, die nur in der jeweiligen Zusammensetzung existieren.

Kapitel 3 Aroma voraus

Schmecken und riechen lernen

Du kannst deine Erlebnisse rund ums Essen – ob beim Kochen oder beim Essen selbst, ob professionell oder einfach so – am eindrücklichsten verbessern, wenn du lernst, auf das zu achten, was dein Geschmacks- und Geruchssinn dir mitteilen wollen, und es dann zu benennen.

Der allgegenwärtige Hinweis »nach Geschmack salzen« offenbart eine Menge. Wenn du das, was du kochst, nicht probierst und somit den Geschmack nicht wahrnimmst, wie kannst du dann jemals wissen, ob dir gefällt, wie stark es gesalzen ist, oder wie viel Salz du womöglich noch hinzugeben musst? Niemand kann dir vorgeben, was du magst. Das ist allein dir überlassen.

Habe ich dein Interesse dafür geweckt, mehr über Geschmack zu erfahren – und durch das Erlernte dann beim Kochen kreativer zu werden und mehr zu improvisieren –, solltest du wissen, dass die Theorie dich nur bis zu einem gewissen Punkt bringt. Deine Fähigkeiten, Muster im Geschmack zu erkennen, und deinen eigenen inneren Geschmackskompass kannst du nur entwickeln, wenn du dem Geschmack besondere Aufmerksamkeit schenkst, während du ihn erlebst. Ich persönlich betrachte es als Übung, die Wirklichkeit so unmittelbar wie möglich wahrzunehmen – nicht von dem auszugehen, wie etwas angeblich schmecken »soll«, sondern zu erleben, wie es tatsächlich schmeckt, hier und jetzt.

Sollte dich das entmutigen, atme einmal tief durch. Wird jemandem ein »feiner Gaumen« attestiert, kann das klingen, als wäre diese Person mit einem sechsten Sinn auf die Welt gekommen oder als hätte sie einen fragwürdigen übernatürlichen Deal abgeschlossen, um nach dem ersten Bissen sicher zu sein, dass etwas »noch Säure braucht«, oder um anschaulich den Geschmack eines gerade verkosteten Weins beschreiben zu können.

Glücklicherweise ist das größtenteils Quatsch. Wir sind dafür gemacht, zu schmecken und zu riechen; die meisten von uns brauchen einfach etwas Übung. Ich kann das beurteilen, denn ich habe bereits Dutzende von Menschen zu präzisen analytischen Verkostern für echte, veröffentlichte Studien ausgebildet – und du musst nicht annähernd so präzise beim Schmecken und Riechen sein, um einen Nutzen daraus zu ziehen.

Das Mittel der Wahl für gründliches, wissenschaftliches Kosten – eingesetzt, um auf akribische Weise reproduzierbare Daten für unsere Forschung zu sammeln – läuft unter dem eher nichtssagenden Namen »deskriptive Statistik«. Anhand der einzelnen Schritte dieser Methode werden die Verkoster richtig gut darin, Geschmack zu erkennen und zu benennen, und wir schneiden uns für dieses Buch eine Scheibe davon ab, damit auch wir besser darin werden.

Wärst du eine meiner Versuchspersonen (wir würden dich »Juror« oder »Gutachterin« nennen) und hättest die Eingangsuntersuchung bestanden, in der wir deinen Geschmacks- und Geruchssinn aus medizinischer Sicht geprüft hätten, würden wir mit einem Experiment starten, bei dem es einfach ums Schmecken geht. Du und die anderen Juroren würden Proben von dem kosten, was wir gerade untersuchen – mehr oder weniger sprudelnder Sekt, Gin, Essig aus kleinbäuerlicher Produktion –, und ihr würdet Notizen zu allem machen, was ihr schmecken könnt. Orangenschale? Leder? Erde? Himbeeren? Alles auf den Tisch. Wir würden mehrere Proben verkosten, denn oft ist es leichter, den Unterschied im Aroma bei einem Vergleich in Worte zu fassen, als sich aus dem Nichts etwas zu überlegen.

Wenn du das nächste Mal für unser Experiment zu uns kämst, würden wir dir noch einmal die gleichen Proben zum Verkosten geben – doch zusätzlich hätte ich noch greifbare Beispiele für all die Aromen gesammelt, die dir aufgefallen waren, und würde dich an allen riechen lassen. Für »Orange« gäbe es Orangenschale, Orangenbonbons und Orangenmarmelade. Für »Himbeeren« ein paar frische Exemplare, Tiefkühlhimbeeren, Himbeermarmelade. Für »Erde« Blumenerde. Für »Leder« Wildleder, Fensterleder, Bekleidungsleder, denn sie riechen alle etwas anders. Dann müsstest du mir mitteilen, was davon dem entspricht, was du bei den ursprünglichen Proben gerochen hast. Dieser Schritt ist entscheidend: Er verbindet die Empfindungen in deinem Kopf mit konkreten Beispielen aus der realen Welt, die alle anderen ebenfalls riechen können.

Dann schmecken und schmecken und schmecken und schmecken und schmecken wir. Jedes Mal, wenn du zu uns kämst, damit wir noch mehr Daten sammeln können – und es gäbe eine Menge Termine –, würde ich dir die Riechproben bei geschlossenen Augen reichen und dich dazu ausfragen. Wenn du etwas vergessen hättest, müsstest du es noch einmal versuchen. Mit diesen Geschmackseindrücken noch frisch im Kopf, würdest du die Proben kosten, die wir gerade untersuchen – erst eine der Proben schmecken, dann eine Geschmacksreferenz nach der anderen durchgehen und anmerken, wie stark du sie jeweils wahrnimmst, und das Gleiche dann mit der nächsten Probe. Wir würden das so oft wiederholen, bis du sicher darin wärst, und dann, endlich, ernsthaft kosten.

All diese einzelnen Schritte lassen sich mit ein paar wenigen Regeln zusammenfassen, die es zu befolgen gilt.

Sei aufmerksam

Regel Nr. 1 beim Schmecken und Riechen: Der Gaumen wird zu 99 Prozent von Aufmerksamkeit und Übung bestimmt. Wissenschaftlich gesprochen heißt das, die meisten Menschen sind eigentlich ziemlich gut im Unterscheiden von Geschmack, und das ist die Grundlage des Gaumens. Stell irgendjemandem zwei relativ ähnliche Speisen oder Getränke vor die Nase – zwei verschiedene Orangensäfte oder unterschiedlich aufgebrühten Tee –, und in der Regel kann die Person einen Unterschied feststellen, selbst wenn nicht jeder diesen Unterschied in Worte fassen kann. Diese Fähigkeit ist Teil unseres Menschseins, wie das Erlernen von Sprache. Du hast schon mehr Erfahrung damit, als du annimmst.

Rieche und schmecke bei deiner nächsten Mahlzeit und lass dir dann Zeit mit deinen Eindrücken. Vielleicht fängst du mit einem Gericht an, das du nach einem deiner Lieblingsrezepte zubereitet hast. Was fällt dir daran auf? Schmeckst du schon alles beim ersten Bissen? Gesellen sich noch andere Geschmackskomponenten dazu? Überlagern manche Aromen einander, machen das Gericht vielleicht leichter? Sticht salzig oder sauer oder scharf heraus? Schmeckt irgendetwas dunkel oder schwer?

Du solltest auch rohe Zutaten kosten. (Vielleicht kein rohes Fleisch, ansonsten alles, was der Gesundheit nicht schadet.) Schmecken sie sauer oder süß oder stechend? Fällt dir umami auf? Gibt es fruchtige oder kräuterige Anklänge? Und sind diese Anklänge eher beeren-fruchtig oder apfel-fruchtig? Sind sie salbei-schwer oder zartduftend? Nimmst du die Aromen der rohen Zutaten auch noch im zubereiteten Gericht wahr? Oder sind es Varianten davon?

Mit diesen Fragen wirst du deinen inneren Geschmackskatalog durchforsten. Ich stelle ihn mir als die Erinnerungen an Aromen vor, die du schon wahrgenommen hast, daran, wo du sie erlebt hast und was mit ihnen einherging, und das alles zusammengestellt wie in einer Farbtontabelle im Baumarkt oder einem dicken Pantone-Farbfächer. Wenn du einen Geschmack benennen willst, blätterst du durch deine Erinnerungen wie eine Grafikdesignerin durch den Pantone-Fächer, um den richtigen Ton zu finden. Es kommt aber niemand mit diesem Katalog auf die Welt – man erstellt ihn für sich selbst, indem man gut aufpasst und Aromen und Gerüche aufmerksam wahrnimmt.

Vergleiche