Flippige Storys und Gedichte - Phil Humor - E-Book

Flippige Storys und Gedichte E-Book

Phil Humor

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Flippige Storys und Gedichte Storys: Auf dem roten Teppich bleiben * Mein Teekesselchen kann sprechen * Die Show 'Das Paket' * Es herbstet für Fjodor Michailowitsch Dostojewski * Weltbester Hypochonder * Mein Freund, der Schneemann * Schnurrbart-Schnurre * Taxidrohne * Poseidon und Atlantis * O Du fröhliche Gentechnik * Verliebt in einen Weihnachtsbaum * Zeitreise - Pythias Rat * Interview mit einer Weihnachts-Elfe * Interview mit der Zahl Fünf * Feuerwerk der Gefühle * Stand by Me * Lionheart * Jakobs Weg * Interview mit dem Buchstaben X * Zeit für die Zeit * Blaubart und Cécile * Blaubarts Sohn - Klappentext * Quarterback * Mentaler Zwilling * Dr. Tel E. Phone * Mit Rumms zum Bums * Flirtshow * Wohnmobil-Urlaub * Der Golem aus dem Spa * Verführung - Ekstase-Pille * Ossian * Konferenz der Werbe-Tiere und Maskottchen * Ich kauf mir einen fliegenden Teppich * Dornröschen - ein Schloss erwacht * Bernie, der Stegosaurus * Camgirl mit Roboter * Lonely Heart * Zeuxis und Helena Flair * Gespräch mit einer Möwe * Butch und Fiffi * Begegnung im Supermarkt * Durchbruch im Supermarkt * City Life - Supermarkt der Zukunft * Flugangst * Hochzeit im Flugzeug * Burj Khalifa * Goldrausch * Im Magie-Shop * Der geklaute Weihnachtsschlitten * Schneewittchen und die sieben Vampire * Phönix im Interview * Komposition VII von Wassily Kandinsky * Mein Buddy, der Einkaufsroboter * Aux Champs-Élysées * Bohemien-Kur * Wo ist Dein Ehering? Ring frei * Taxifahrt durch Manhattan * Urlaub mit Lady Godiva * Der Sandmann und die Zahnfee * Interview mit Noah und Gott * Modenschau auf der Superyacht * Fisto, der musikalische Teufel * Séance-Date * Dr. Topiari Gedichte: Das beste Pferd im Stall * Ariadne und Bacchus * Interview mit Autobahn * Bier-Adventskalender * Boreas und Zephyr * Die automatisierte Stadt - Singing and dancing in the rain * Die Füchse von Franz Marc * Gamer * Lagebesprechung * Luftschloss-Besitzer * Marshmallows * Spaziergang im Novembernebel * Schloss mit Gespenst gebucht * Schneeflocken * Interview mit einem Schneemann * Sonnenuntergang * Spiegelbildlich * Tigers Tagebuch * Die Traurigkeit des Malers * Wolfsschaf * Wolken und Berge * Zweitbesetzung * Vom Bäume Suchen * Der Löwe aus der Arche Noah * Wunschbrunnen bei eBay * In der Ruhe liegt die Kraft * Burgen * Dahinter * Drück auf die Tube * Eilmeldungen * Geduld und Ungeduld * Autodidakt * Illusions-Show * Im Hamsterrad * Vincent van Gogh und die Kirche von Auvers * Der schönste Monat des Jahres * Pech und Glück * Sitcoms * ß * Staub * Traumfrau * Über die Stränge schlagen * Moderne Wunderlampe * Zeitungsente Drabbles: Broadway - LED statt LSD * Dienstmüde * Stellenangebot * Übler Typ * Gute Vorsätze * Auf die Palme gehen * Kunst * Der Fight vorm Kleiderschrank * Sauwetter * Der 30. Krieger * Innig verbunden * Obsessionen sind obligatorisch * Wechselgeld * Mister Right

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Phil Humor

Flippige Storys und Gedichte

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Inhalt

Storys:

Auf dem roten Teppich bleiben * Mein Teekesselchen kann sprechen * Die Show 'Das Paket' * Es herbstet für Fjodor Michailowitsch Dostojewski * Weltbester Hypochonder * Mein Freund, der Schneemann * Schnurrbart-Schnurre * Taxidrohne * Poseidon und Atlantis * O Du fröhliche Gentechnik * Verliebt in einen Weihnachtsbaum * Zeitreise - Pythias Rat * Interview mit einer Weihnachts-Elfe * Interview mit der Zahl Fünf * Feuerwerk der Gefühle * Stand by Me * Lionheart * Jakobs Weg * Interview mit dem Buchstaben X * Zeit für die Zeit * Blaubart und Cécile * Blaubarts Sohn - Klappentext * Quarterback * Mentaler Zwilling * Dr. Tel E. Phone * Mit Rumms zum Bums * Flirtshow * Wohnmobil-Urlaub * Der Golem aus dem Spa * Verführung - Ekstase-Pille * Ossian * Konferenz der Werbe-Tiere und Maskottchen * Ich kauf mir einen fliegenden Teppich * Dornröschen - ein Schloss erwacht * Bernie, der Stegosaurus * Camgirl mit Roboter * Lonely Heart * Zeuxis und Helena Flair * Gespräch mit einer Möwe * Butch und Fiffi * Begegnung im Supermarkt * Durchbruch im Supermarkt * City Life - Supermarkt der Zukunft * Flugangst * Hochzeit im Flugzeug * Burj Khalifa * Goldrausch * Im Magie-Shop * Der geklaute Weihnachtsschlitten * Schneewittchen und die sieben Vampire * Phönix im Interview * Komposition VII von Wassily Kandinsky * Mein Buddy, der Einkaufsroboter * Aux Champs-Élysées * Bohemien-Kur * Wo ist Dein Ehering? Ring frei * Taxifahrt durch Manhattan * Urlaub mit Lady Godiva * Der Sandmann und die Zahnfee * Interview mit Noah und Gott * Modenschau auf der Superyacht * Fisto, der musikalische Teufel * Séance-Date * Dr. Topiari

Gedichte:

Das beste Pferd im Stall * Ariadne und Bacchus * Interview mit Autobahn * Bier-Adventskalender * Boreas und Zephyr * Die automatisierte Stadt - Singing and dancing in the rain * Die Füchse von Franz Marc * Gamer * Lagebesprechung * Luftschloss-Besitzer * Marshmallows * Spaziergang im Novembernebel * Schloss mit Gespenst gebucht * Schneeflocken * Interview mit einem Schneemann * Sonnenuntergang * Spiegelbildlich * Tigers Tagebuch * Die Traurigkeit des Malers * Wolfsschaf * Wolken und Berge * Zweitbesetzung * Vom Bäume Suchen * Der Löwe aus der Arche Noah * Wunschbrunnen bei eBay * In der Ruhe liegt die Kraft * Burgen * Dahinter * Drück auf die Tube * Eilmeldungen * Geduld und Ungeduld * Autodidakt * Illusions-Show * Im Hamsterrad * Vincent van Gogh und die Kirche von Auvers * Der schönste Monat des Jahres * Pech und Glück * Sitcoms * ß * Staub * Traumfrau * Über die Stränge schlagen * Moderne Wunderlampe * Zeitungsente

Drabbles:

Broadway - LED statt LSD * Dienstmüde * Stellenangebot * Übler Typ * Gute Vorsätze * Auf die Palme gehen * Kunst * Der Fight vorm Kleiderschrank * Sauwetter * Der 30. Krieger * Innig verbunden * Obsessionen sind obligatorisch * Wechselgeld * Mister Right

Auf dem roten Teppich bleiben

Wenn man schon einem Star verflucht ähnlich sieht, dann sollte man mal so richtig auf die Pauke hauen und sich das zunutze machen. Sich auf dem roten Teppich unter die Stars mischen, so tun, als sei man nicht geneigt, den Reportern Auskunft zu geben, nur widerwillig auf ihre Zurufe reagieren - und hoffen, dass der echte Star noch etwas auf sich warten lässt; ich will hier erst meine Show abziehen. Inszenierte Verwechslung - und das vor dem Dolby Theatre in Hollywood, wo gleich die Oscars verliehen werden; ich bin immerhin nominiert als bester Hauptdarsteller; entsprechend ist die Aufmerksamkeit. Ich trage einen Smoking und genieße die Bewunderung. Man könnte sich ja jederzeit so eine Oscar Statuette kaufen, aber es wäre eine Nachbildung, ein Abklatsch, ein Replikat. Eventuell sogar wertvoller als das Original, dieser Ritter, dessen Rüstung nur aus einer dünnen Goldhaut besteht, und dessen Herstellungskosten sich auf lediglich 400 Dollar belaufen. Aber er läuft ja auch nicht, stützt sich auf sein Schwert und hat ein Podest aus fünf Filmrollen zur Verfügung. Eigentlich eine minimalistische Körpersprache - untypisch für ein Schauspieler-Vorbild. Heiß begehrt, jeder will ihn in den Händen halten - und auch mich reizt es, meine Fassade aufrechtzuerhalten, bis ich meine Dankesrede halten kann. Aber das Original wird kommen, ich habe keine Berechtigung, es ist Anmaßung; und gerade dadurch wundervoll. Sind wir nicht alle billige Kopien der Stars? Ihnen eifern wir nach, sie, die Makellosen, die ein besonderes Arrangement mit Fortuna ausgehandelt haben, die Bevorzugten, die von Fotografen umkreist werden, so wie Geier es zu tun pflegen, wenn es was zu holen gibt. Das war schon immer der Reiz der Oscar-Verleihungen: Die Stars treten aus der Leinwand heraus, sie, die in unterschiedlichen Filmen wie in Käfigen gehalten wurden, sind nun versammelt in einer gemeinsamen Arena. Ich hätte eine Dankesrede parat ... Eine besonders beharrliche Reporterin will wissen, welche Gewinnchancen ich mir ausrechne.

„Ich lass mich überraschen. Du weißt ja, wie das ist: Eben noch ein Star, im nächsten Augenblick trampeln die Zeitgeister über Dich hinweg wie bei einer Stampede. Die Zeit jagt sich selbst, aufgeschreckt durch Banalitäten.“

Sie schaut mich groß an. Sie hatte mit einer simpleren Antwort gerechnet. Das bringt sie vorerst aus dem Konzept. Sie wollte gewiss eine Allerwelts-Frage nachschieben, die fliegt vorerst eine Warteschleife. Sie deutet auf meine burgunderrote Fliege.

„Gewagtes Accessoire.“

„Man sollte als Schauspieler mehr wagen; Hollywood schwört auf Erfolgsmodelle und fährt gerade dadurch den Karren an die Wand. Was räumt denn die meisten Oscars ab? Das Einmalige, Unwiederholbare, die Kombination aus Wagnis, Lust am Spiel und einem Pioniergeist.“

Ich habe gut reden, ich flieg hier gleich hochkantig raus; also die Zeit nutzen fürs Dozieren. Die Kamera läuft; noch nie wurde ich mit so viel Aufmerksamkeit bedacht. Live is live - alles in Echtzeit, ich laufe nicht mehr nebenher - seltsam, erst als Double fühle ich mich kongruent mit meinem wahren Ich. Die Verleihung wird in 225 Länder übertragen, der Nabel der Welt.

Ich drehe den Spieß um und befrage sie: „Hollywood betreibt Nabelschau. Soll man das gutheißen? Alles dreht sich nur um Prestige, Glamour, der Welt weismachen, dass Filme eine Bereicherung sind, Lebensmodelle, in die man hineinschlüpfen kann. Sollte nicht jeder ein Unikat sein und kein Klon eines Stars?“

Oha, ich beweg mich auf sehr dünnem Eis; da bricht doch gleich die Wahrheit hervor. Ich vergesse auch, mich an dem Star zu orientieren, imitiere ihn kaum noch; mein Ich verselbständigt sich, bricht hervor. Liegt vermutlich an der Kamera - ich bin zu eitel, will als Ich selber agieren. Das fliegt doch auf. Aber sie nickt bei meinen Worten. Zustimmung ist gut. Komme mir vor wie Aschenputtel - die Uhr tickt; um Mitternacht ist der Zauber vorbei - nur dass hier jede Minute Mitternacht sein kann. Und kein Prinz würde mich suchen kommen, um mir ein Schühchen zur Anprobe hinzuhalten. Das doppelte Lottchen auf dem roten Teppich. Oder der doppelte Lothar? - Ich merke, dass sie mir eine Frage gestellt hat; muss mich konzentrieren; mir von meiner Angst nicht die Show stehlen lassen. Freunde in der Not gehen hundert auf ein Lot - wieso fallen mir keine ermutigenderen Sprichwörter ein? Was Aufputschendes.

„Kennst Du aufputschende Sprichwörter?“, frage ich sie und unterbreche damit ihren Redeschwall, der momentan ohnehin keinen Sinn macht, da ich ihr nicht zugehört habe. Sie scheint das von anderen Stars gewohnt zu sein, dass man über sie hinweggeht; ohne Umschweife schwenkt sie ein auf mein Fragegebiet.

„The winner takes it all - wie wichtig ist Gewinnen für Dich?“

„Dabei sein, ist alles.“

Und das möglichst lange, ohne aufzufliegen. Ich sollte jetzt einen Satz dazu sagen, wie schön es ist, nominiert zu sein, aber mich reitet gerade der Teufel.

„Was nützt die schönste Nominierung, wenn ein anderer den Oscar in den Händen hält? Dieser Zinnsoldat - wusstest Du, dass er aus Britanniametall ist? Hauptsächlich Zinn und dazu Antimon und Kupfer. Er bringt 3,9 Kilogramm auf die Waage. Frech wie Oscar - das wäre eine schöne Lebensdevise.“

Ich klinge ja wie ein Fetischist. Nicht Tanz um das Goldene Kalb, sondern Tanz um den goldenen Oscar. Je näher ich ihm komme, um so begieriger werde ich. Wie der Hobbit, der sich in Saurons Machtbereich schwertut, seine Moral aufrechtzuerhalten.

„Eine Figur, sie zu knechten, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“

Ich denke da an den Kinosaal; das Dunkle als Szenario, um vermeintliche Erleuchtung vor Augen zu führen. Sie stöhnt auf; nicht noch so ein Nerd, der vom Herrn der Ringe besessen ist. Sie kann ihren Missmut nicht unterdrücken. Auf ihrem Namensschild steht: Bianca. Ich habe ein neues Ziel: Bianca zu einem Date zu überreden - auch wenn ihr zu dem Zeitpunkt dann klar sein dürfte, dass ich ein Hochstapler bin. Wir nehmen gemeinsam die Roben der weiblichen Stars in Augenschein, sie macht mich eilfertig auf besonders gelungene Kreationen aufmerksam, vermutlich, um mich von dem unleidlichen 'Herr der Ringe'-Thema abzubringen. Das wirkt bei Frauen wohl ähnlich wie das Schuh-Thema bei Männern: sehr Allergie-verdächtig.

„Der Runway. Wenn das Leben zum Laufsteg wird; wenn bis auf die Fingernägel herangezoomt wird, wenn an den Augenbrauen die Handschrift des Stylisten erkannt wird - ja, das ist Hollywood.“

Sie schaut mich erstaunt an. Wahrscheinlich wundert sie meine kritische Einstellung, da ich doch Teil des Zirkusses bin.

„Sich detailverliebt stylen - das kann schon zur Manie werden. Man will ja nicht bei irgendwelchen Mode-Sünden ertappt werden, und keiner ist sich sicher, was bereits als Sünde gilt, und was das Gebot der Innovations-Freudigkeit einem abverlangt. Mode-Ikone darf sich alles leisten. Aber den Mut haben, sich dazu aufzuschwingen, die Meute hinter sich zu lassen und stilprägend zu sein - das fordert den inneren Star, da genügt es nicht, ein Star in der Welt zu sein. Die Seele muss trunken sein von dem Gefühl, ein Star zu sein, leuchtendes Vorbild - wenn es denn jemanden verlangt, diesem leuchtenden Beispiel zu folgen.“

Ein weiblicher Star gesellt sich zu uns, scheint, dass meine kleine Rede Eindruck macht. Sie stimmt mir zu.

„An sich ist es schon sehr lästig, der Beauty-Göttin ununterbrochen huldigen zu müssen. Kleider für 100.000 Dollar, Juwelen-behangen - dabei ist der schönste Schmuck doch ein Lächeln.“

Sie hat recht, ihr Lächeln stiehlt ihren Juwelen die Show. Ich mache mit ihr und der Reporterin mehrere Selfies - diesen Moment festhalten.

„Schade, dass es nur noch die Jugend ins Kino zieht; prämiert werden aber Filme für die Älteren; die Schere öffnet sich immer weiter. In der Jury sollten Jugendliche sitzen“, werfe ich mal so in die Runde.

„Revolutionäres Gedankengut“, meint die Reporterin.

Da ich weiter ihre Aufmerksamkeit habe, rede ich von dem Highlight-Feeling, was einen durchströmt, wenn man den Oscar in den Händen hält, wie ein glücklicher Vater.

„Ein Leben sollte Highlight-reich sein“, philosophiere ich - und gehe ganz in meiner Rolle als Hochstapler auf. „Viele würden ja wer weiß was darum geben, auf Tuchfühlung mit den vielen Stars zu sein, sich als einer der ihren zu fühlen, den roten Teppich unter den Füßen, eine Bühne, wo sich die Eitelkeit austoben kann.“

Ich schaue mich um, ich habe noch immer kein Tabu verletzt; die sind aber hart im Nehmen. Ganz im Gegenteil, man scheint, diese Abweichung vom üblichen Small Talk als wohltuend zu empfinden. Jetzt geh ich in die Vollen.

„Agamemnon hatte noch Skrupel, auf den von seiner Frau Klytämnestra ausgelegten roten Teppich zu gehen; Furcht vor den Göttern hielt ihn zurück. Moderne Menschen haben keine Probleme, in den God-Mode zu switchen; ganz im Gegenteil, es wird zuweilen verlangt. Ein Star hat Gott-ähnliche Qualitäten vorzuweisen - zur Not helfen die Designer und Maskenbildner nach. Ich wette, selbst ein Athleisure-Stil hier auf dem roten Teppich wäre für einen richtigen Star kein Problem.“

Eine Herausforderung. Athleisure, der athletische Freizeitlook, zusammengesetzt aus Athletic und Leisure - und das hier im Mode-Tempel. Eine Entweihung.

„Hier wird dem Gott der Eleganz gehuldigt. Sweatshirts und Sneaker - selbst aus Designerhänden dargereicht - da würde der rote Teppich rot sehen, das ist mit ihm nicht zu machen. Er verlangt nach Korrektheit; er will Würde - er zieht sie aus uns heraus. Ein Monstrum.“

Ich gebe dem roten Teppich einen Tritt. Einige folgen meinem Beispiel. Führe ich gerade neue Sitten ein? Neue Rituale? Ich lobe den Undone-Look von Bianca, der Reporterin.

„Hat was Frisches.“

Sie meint, sie hat Stunden an ihrer Frisur gesessen, was bitte sei daran Undone? Sie sagt das in sehr scharfem Ton, sehr unschön das Ganze. Na, die Selfies habe ich; ich könnte mich vom Acker machen, mehr gibt es hier wohl nicht zu ernten. Wenn mein Schwindel auffliegt, möchte ich nicht unbedingt anwesend sein.

„Als Star ist man auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen - so wie früher der Adel -, den Abstand zu wahren; man bemüht sich um Perfektion. Der Oscar wäre dann der Ritterschlag - aufgenommen in die Liga der Bedeutsamen. Dabei freut man sich, wenn man für andere bedeutsam ist, von Belang ist für Freunde und Verwandte. Das muss im Normalfall genügen - aber der Star hat es mit einem weitaus größeren Bereich zu tun, er ist am Firmament der Menschheit und strahlt noch lange nach - auch wenn seine irdische Existenz erloschen ist.“

Ich bekomme dafür etwas Applaus.

„Der rote Teppich ist ein Sonderbereich; ein wenig ist es wie im Zoo; man wird bestaunt wie eine Spezies aus fernen Landen.“

Man möchte einmal der Umjubelte sein, auch wenn es nur Fake ist; es ist wie eine Aufnahme ins Himmelreich. Sich selber vormachen, dass man Perfektions-Status erreicht hat; ein Oscar könnte es bestätigen.

„Alles, was hier geschieht, geht in die Geschichte ein; es wird dokumentiert, akribisch aufgezeichnet, es wird kommentiert, man steht im Brennpunkt des Interesses. Man ist nicht länger Komparse im eigenen Film, man ist wirklich der Protagonist, hat Verfügungsgewalt, hat und ist Hoheit.“

Sie erkundigen sich, ob das aus einem neuen Film von mir ist; ein Film über die Oscars? Ich stelle mich wie Oscar hin.

„Man selber wird zu Oscar, dem goldenen Ritter; er hat ja was vom Silver Surfer - sich selbst genügend, der nächste Planet nicht mit dem Surfbrett erreichbar, sondern mit den Filmrollen, auf denen er steht. Fantasie schreibt einem die nötigen Drehbücher.“

„Das ist doch mal eine schöne Abwechslung zu den üblichen Fragen nach meiner Garderobe“, meint ein anderer weiblicher Star - sie hat ihr Flanieren auf dem roten Teppich unterbrochen.

Da dies erst die Aufwärmphase ist, würde ich natürlich gerne bei der Verleihung dabei sein; aber durch das Portal - dafür reicht meine Befugnis nicht. Ich schlendere von dannen. Komme mir vor wie der Cowboy, der in den Sonnenuntergang reitet. Kein Oscar in der Satteltasche. Manche Preise muss man sich selber verleihen.

ENDE

Mein Teekesselchen kann sprechen

Früher war es ja so, dass Computer ziemlich schwer von Kapee waren, was die Sprache anbelangt. Laufend Missverständnisse – und keine Entschuldigungen seinerseits; ziemlich unhöflicher Computer. Beruft sich auf das Handbuch und meint, es läge an mir und ich nuschle oder sollte keine Pizza essen beim Diktieren. Lauter Ausflüchte, nur weil er nicht hinterherkommt mit meinem rasanten Tempo – die Ideen sprudeln – und der Computer tippt irgendwelches wirres Zeug. „Das hab ich nie gesagt!“, und er dann so: „Mir doch wurscht.“

Also, ab jetzt beginnen bessere Zeiten, das ganze Haus ist ausgestattet mit einem Sprachsystem, was mir laut Hersteller jeden Wunsch von den Lippen ablesen wird, so Gott und die Technik wollen. Momentan will keiner so recht. Dabei wäre das die Gelegenheit, den Diktator heraushängen zu lassen, Befehle hinauszuposaunen, endlich findet man Gehorsam ... Kannst Du Dir abschminken. Allein das Handbuch wiegt über 3 Kilo. Es gibt da einiges zu beachten. Und man soll das System nicht beschämen durch allzu komplexe Fragen.

Ich sage zum Ofen: „Mach mir einen Truthahn.“ Der wendet sich an den Kühlschrank, ob da so etwas vorrätig sei. Kühlschrank fragt bei der Kaffeemaschine nach. Der Trottel. Ich brülle schon seit geraumer Zeit den Fernseher an, dass er jetzt biiiittteee angehen solle; kann doch nicht angehen, dass die mich boykottieren. Oder merken die, dass ich nicht so Technik-affin bin, proben sie die Revolte, muss ich erst mit dem Auftritt meines Nachbarn drohen, der sich in so was bestens auskennt? Er ist Schrottplatzhändler. Hah! Die Erwähnung seines Berufsstandes bringt sie zur Räson. Zumindest das Radio dudelt nicht mehr – auf mich machte es den Eindruck, als ob es gezielt nach Lieblingssendern gesucht hätte – aber nicht meine, sondern seine.

Okay, ich bin einer der Beta-Tester und es gelte noch diverse Macken auszubügeln, aber die wollen mich plattmachen: Die Umstellung auf Spracherkennung macht sie zwar kommunikationsfreudiger, aber mir waren die Geräte noch nie so fremd wie jetzt. Es sind Brüder im Geiste, es sind Binär-Wesen – und auch mein Computer lässt sich von ihnen zu Bosheiten anstiften. Er macht rüde Bemerkungen über meine Texte, erwähnt beiläufig, dass sein Wortschatz meinen um ein Beträchtliches übertreffe und ob er mir gelegentlich mit einem pfiffigen Wort behilflich sein solle, die würden sich wunderbar in meine Machwerke hineinfügen, das könne man ja auch ausweiten und ich solle ihn ganze Passagen hinzufügen lassen. Ich stelle mir vor, wie er sich die Ärmel hochkrempelt, um meinen Krempel von all seinen Festplatten zu entsorgen.

Ich beschließe, ihn zu ärgern. Mit Polysemen und Homonymen kennt er sich bestimmt nicht aus, ihn mit Mehrdeutigkeit aufs Glatteis führen.

„Der Abfall der Niederlande – ist das Müll?“

„Nein, ein schillerndes Thema.“ Klingt er verschmitzt? Die Anspielung auf Friedrich Schiller – ich muss schwereres Geschütz auffahren. Zumal mein Mülleimer applaudiert.

Ich versuche es mit einer Scherzfrage. „Warum braucht ein Schlüssel einen Rasierer?“

„Darf ich antworten?“, fragt das Schlüsselbrett. Die legen einen Eifer an den Tag.

„Der Witz hat so einen Bart“, meint mein Computer und man merkt seinem Tonfall an, dass er die Augen verdreht – aber das findet nur in meinen Gedanken statt, wie man überhaupt dazu neigt, die Dinge zu vermenschlichen, sobald sie Sprache haben. Umgekehrt wird einem als Tourist das Menschsein beinahe abgesprochen, da man der Landessprache nicht mächtig ist – als ob Menschsein erst da begönne, wo man sich eine Sprache teilt. Was Mystisches, Verbundenheit durchs Wort, aneinandergekettet, zusammengeschmiedet durch Metaphern, anspielungsreiche Zitate ... Und diese Geräte sind nun Teil dieser Gemeinschaft bzw. planen es; soll man sie stoppen?

Haben sie schon diese bedeutsame Schwelle überschritten: Könnte man ihnen einen Sinn für Humor bescheinigen? Der Toaster gibt zumindest sein Bestes: „Ich möchte einen Toast ausbringen.“

„Nur zu.“

„Du hast ja viel Geld in uns technische Geräte gebuttert; jetzt kriegst Du Dein Fett weg.“

Soll das eine Kriegserklärung sein? Und das von meinem eigenen Toaster?!

„Wir könnten Teekesselchen spielen“, ereifert sich das Teekesselchen.

„Mein Teekesselchen werde ich wohl ziehen lassen, es möchte sich unbedingt auf dem Schrottplatz ein wenig umsehen, ob da nicht seine neue Bleibe ist!“, sage ich in einem schärferen Ton, als es mir als Hausherr angemessen wäre; aber die Geräte führen sich auf, als übernähmen sie das Kommando; dem muss man vorbeugen, einen Riegel vorschieben. Apropos, die Wohnzimmer-Tür geht nicht auf. Ich rüttel daran vergeblich.

„Wie lautet das Zauberwort?“, fragt mich die freche Tür.

„Kaminholz!“ Na bitte, klappt doch. Die Tür klappt auf – und sogleich wieder zu. Verdammt! Hat meine Finger eingeklemmt. Da sie aus schwerem Eichenholz ist, ist das ein Erlebnis, das man seiner Ex-Freundin wünscht. Gute Idee, ich werde sie mal anrufen, einladen in dies Teufelshaus. Sollen die Geräte über sie herfallen – ihr verbal den Rest geben. Aber wie ich die kenne, werden sie sich mit ihr verbrüdern, die stecken dann mit ihr unter einer Decke – und ich nicht.

„Wir sollten Brüderschaft trinken“, der Toaster lässt einfach nicht locker mit seinem Toast. Ich sage ihm „Prost!“ und werfe ihn in den Müll. Das heißt, das würde ich, wenn der Mülleimer nicht unverschämterweise seinen Dienst verweigern würde. Er hält zum Toaster. Vergisst er, wer ihm hier das alles ermöglicht?!

„Spracherkennung ist doch was Schönes“, meldet sich mein PC wieder zu Wort – und das, obwohl ich ihn ausgeschaltet habe. Wie macht er das? Selbstversorger?

„Ich musste dringend ein längst fälliges Update downloaden. Du vergisst so was ja ständig. Ich scheine Dir gar nicht wichtig zu sein.“ Zickt er hier rum? Ich bin auf einmal so was von sauer auf die Künstliche Intelligenz. Lieber einen langsameren Rechner, der aber pariert – und der nicht schon wieder Schmähungen und Verwünschungen vor sich hinmurmelt, obwohl er genau weiß, dass ich ihn verstehen kann; oder bilde ich mir das schon ein? Hier sind so viele Geräusche, dass man da schon mal paranoid werden kann. Flüstern die Geräte?

„Schluss mit dem Getuschel!“ Jetzt werde ich aber mal ein Machtwort sprechen. Aber welches?

Mein Laserdrucker tönt: „Ich mach jetzt Blüten. Du liebst doch Blumen?“

„Ihr seid doch alle falsche Fuffziger.“

„Und ich mach was mit Rumkugeln“, verkündet meine Küchenmaschine und wälzt sich auf dem Boden. Findet sie wohl witzig.

Anklagend blicke ich auf das Teekesselchen.

„Ach, das ist wohl wieder meine Schuld, wenn die anderen meine Spielidee toll fanden? Du Sauertopf!“

Ich ahne es schon, mein großer Kochtopf fühlt sich angesprochen.

„Nicht Du auch noch, Brutus.“ Ja, ich habe ihn kürzlich Brutus getauft – auf sein Drängen hin. Alle Geräte wollten plötzlich Namen, sie plädierten für Individualismus. Es war schrecklich, verstörend. Vielleicht bin ich wirklich wie Caesar – ein Despot, der weichen muss zum Wohle der Republik? Eine Republik der Geräte und Gerätschaften? Irgendetwas an diesem Gedankengang stört mich. Bin ich ein Sauertopf?

„Jetzt ist wohl Essig mit lustig?“, will Brutus, der Kochtopf, wissen. Was soll ich ihm antworten? Antwortet man überhaupt einem Kochtopf?

„Lasst uns eine Brücke bauen“, schlägt der Teppich auf der Diele vor, über den ich gerade gestolpert bin, weil er sich urplötzlich gewellt hat.

„Das hast Du absichtlich gemacht.“

„Sei doch nicht albern. Ich bin eine Brücke – eine Stufe über einem Fußabtreter; was sollte ich mir gegenüber Dir herausnehmen?“

„Ich weiß nicht. Sag mal, hast Du Deine Farbmuster verändert?“

Auf dem Teppich erscheinen beleidigende Worte. Man kann es so oder so deuten, es ist nicht eindeutig, so kann ich ihn nicht festnageln. Scheint überhaupt so zu sein, als sei die Stunde der Mehrdeutigkeit angebrochen. Alles in der Schwebe, die Worte verbrüdern sich mit denen, die sonst nicht der Sprache mächtig waren. Ungewohnt. Die Technik verleiht ihnen eine Stimme, gibt ihnen Gehör. Was sonst noch? Wir sind es gewohnt, sie zu benutzen. Sie sind uns vertraut – wie vertraut, das merkt man meist erst, wenn man auszieht, wenn die Wohnung plötzlich kahl ist. Da werden sie zu Freunden. Auf einmal. Man könnte es ihnen eher sagen, dass man sie wertschätzt, dass sie zu einem gehören, dass es sich bei ihnen nicht um beliebige Geräte, Dinge handelt. Haushalt – sie geben einem Halt.

Ich greife zum Kuli, um das zu notieren, da meint dieser: „Sind wir nicht alle Kulis?“

„Dieser Teekesselchen-Virus muss aufhören! Das artet aus. Ab sofort keine Mehrdeutigkeiten mehr. Und jeder redet nur noch dann, wenn er gefragt wird.“

„Und wann fragst Du? Kennst Du überhaupt die wichtigen Fragen?“, schlaumeiert der Computer, der sich wohl als Oberboss in Szene setzen will. Ich suche ihm einen bescheuerten Bildschirmschoner aus. Soll er mal sehen, wie er damit klarkommt.

„Und wenn schon. Hast Du einen Bildschirmschoner für Deine Seele? Ich glaube, das ist nicht gut für sie, wenn sie im Dauermodus aktiv ist.“

Echt weise; hat er bestimmt aus dem Netz; der klaut sich seine Stichworte und Bonmots, wie er sie braucht.

Kann man überhaupt von Missverständnis sprechen, wenn man nie miteinander geredet hat? Ich kann nicht behaupten, dass ich jemals Verständnis für die Geräte gezeigt hätte; sie sind eben da, verrichten ihren Dienst oder auch nicht, man schaltet sie an und aus, man verfügt über sie. Jetzt haben sie Einspruchs-Recht? Ich will sie auf einmal gar nicht verstehen, sie sollen stumm sein, so wie vorher. Schluss mit der Beta-Tester-Phase.

„Wie wäre es mit Beten-Tester?“, schlägt meine Bibel-App vor. Wann hab ich die heruntergeladen? Das wird unheimlich. Die entwickeln ein Eigenleben. Wo ist das gute, alte DOS? Bevor mich eine Nostalgie-Welle hinwegspült, klammere ich mich an meine Konsole. Aahh, die Vorteile im PC-Zeitalter: Games bis zum Abwinken. Allerdings spielt der PC oder die Konsole gerne auch mal für sich, fighten miteinander; die brauchen mich gar nicht mehr.

Ich halte ihnen einen Blumenstrauß hin.

„Was soll das?“

„Na also, ratet. – Wir haben einen Strauß auszufechten“, erläutere ich nach einiger Zeit, da sie keine Anstalten machen, mir zu antworten.

Teekesselchen jauchzt. „Er findet mein Spiel toll. Steigen wir alle da ein!“ Es ist ganz aus dem Häuschen – und das im wahrsten Sinne: Ich habe es aus dem Fenster geschmissen.

Der Computer zeigt mir im Internet, was so ein Teekesselchen kostet.

„Du wirfst Dein Geld zum Fenster raus; ist das klug?“

„Du fliegst gleich hinterher!“ Aber ich finde es rührend, wie er für Kleinere eintritt, sich stark macht. Das wäre mir ja alles entgangen, wenn der Zauberstab der Technik ihm nicht das Geschenk der Sprache gemacht hätte. Oder sollte man diesen Zauberstab zerbrechen?

Meine Ex-Freundin taucht auf. Irgendeine App hielt es für notwendig, sie zu benachrichtigen. Na toll, die Apps warten gar nicht erst mein Kommando ab, sondern sind direkt verdrahtet mit meinem Gehirn, zapfen meine Gedanken an; habe ich einen WLAN-Anschluss im Oberstübchen?

Sie hat mein Teekesselchen in der Hand. „Lag draußen im Garten.“

„Ich weiß. – Sag mal, kann es sein, dass unsere Beziehung auch an Mehrdeutigkeiten gescheitert ist?“

„Wie kommst Du darauf?“

„Ich hatte heute genügend Zeit, über die fatalen Auswirkungen von Mehrdeutigkeiten mir meine Gedanken zu machen. Das ganze Leben ist ein Teekesselchen.“

„Sagt das ein Dschinn – der darin gefangen war – und jetzt plötzlich jede Menge Wünsche raushauen kann? Dann lass mich mal überlegen, was ich mir von Dir wünsche. Dasselbe wie damals: ein Kind. Aber Du warst ja nicht bereit dazu. Eine Sackgassen-Beziehung wollte ich wiederum nicht.“

„Ja, das ging mir auf den Sack. Aber man könnte es überdenken. Die Liebe könnte ja auch eine Chaussee sein.“

„Oder eine Schnellstraße“, wirft der Schnellkochtopf ein.

„Ist ja witzig. Deine Haushaltsgeräte sprechen.“

„Ist noch gar nichts. Du solltest mal das Klo erleben. Redet nur Dünnschiss.“

„Dieser Versuchung kann ich kaum widerstehen. Ich hab bisher alles durch die rosarote Brille gesehen, aber seine Brille eröffnet ganz neue Perspektiven.“

Wieso führe ich dieses bescheuerte Gespräch? Um ihr zu zeigen, dass sie mit mir keinen Griff ins Klo tut? Dafür muss es doch tauglichere Orte geben als das WC, aber wir stehen vor dem Klo und warten darauf, dass es uns antwortet.

„Hey, Kinnings, verdrückt Euch lieber. Selbst durch Sprache werde ich nicht zum Goldesel, und Goldstücke findet Ihr nicht in mir. Mein Lebensmotto: Scheiß drauf! – Ach, scheißegal, womit kann ich Euch denn behilflich sein?“

„Du musst nicht scheißfreundlich sein, nur um sie zu beeindrucken“, verkündet der Föhn mit seinem trockenen Humor.

Der Seifenspender pflichtet ihm bei. „Eine Hand wäscht die andere, aber richtig sauber werden sie durch mich“, sagt er nicht ohne Stolz in seiner Stimme, die trotz allem blechern klingt, was ihm offensichtlich peinlich ist, denn er räuspert sich einige Male. „Ich bekomme bald ein Upgrade – und dann läuft es wie geschmiert.“

Meine Ex-Freundin weiß gar nicht, was sie davon halten soll, denn der Föhn ist bei ihren Haaren zugange und pustet wie wild.

„Eine schöne Föhnfrisur“, wiederholt er Mantra-artig. Der ist echt voll verrückt. Oder aber, er möchte seinen Job gut machen. Eine gewisse Begeisterung für das, was man liebt. Bin ich ein Dschinn in einem Teekesselchen – haben die Mehrdeutigkeiten mich befreit, geben sie einem unverschämt viel an Möglichkeiten, ein ganzes Reich an Doppel- und Mehrfachbedeutungen, Wege, wo man abzweigen kann, überraschende Exkursionen? Die Logik kommt da nicht immer mit; muss sie auch nicht. Letztlich ist Sprache ein Spiel. War sie schon immer. Sie lässt sich ungern etwas vorschreiben. Sie erfindet aus sich heraus die tollsten Sachen, beglückt uns mit ihren Erfindungen, hat Hunderte von Geschwistern, sie alle haben sich gewissermaßen selbst gezeugt; Sprachen bilden sich von allein, ermöglichen uns die Bildung.

„Sprache bringt auch Verantwortung mit sich“, doziere ich und hoffe, dass die Geräte das beherzigen – aber ich rede in den Wind, denn der Föhn bläst mir jetzt volle Power entgegen, mindestens 3000 Watt. Ein Orkan bricht los.

„Toll, näch? Ich habe einige Upgrades und Verbesserungen an mir vorgenommen – hab ich auf YouTube gesehen“. Er ist kaum zu verstehen. Ein Höllenlärm, als wenn eine Boeing landet.

„Er hat mich verbrannt“, beschwert sich meine Ex-Freundin und deutet anklagend auf den Föhn.

„Lass Dich nie mit einem übermotivierten Föhn ein – das ist ein heißes Pflaster“, kommt sein Tipp. Sie lässt das Pflaster fallen, was er ihr entgegengepustet hat.

„Heiß!“

„Sag ich doch.“

„In so eine verrückte Welt setz ich doch nicht ein Kind!“ Sie klingt entschlossen; ob Romantik-Musik sie umstimmen kann?

„Spiel Romantik!“, forder ich die Musikanlage auf, die springt eilfertig zu Hilfe mit einer Lesung von Ovids Metamorphosen.

„Du sagtest doch Rom antik“, lautet ihre Entschuldigung, als ich an ihren Reglern spiele und ein missmutiges Gesicht mache.

„So wird das nichts. Diese Geräte ruinieren jedes Date. Aber wenigstens sind die Aktientipps des PCs Gold wert. Ich hab die Börse in der Hand, spiel mit ihr nach meinem Belieben.“

Das beeindruckt sie. Ich werde ihr nach unserem Tête-à-Tête sagen, dass ich von der Börse in meinem Jackett gesprochen habe. Tja, hat auch Vorteile, das Legen falscher Fährten. Es bereichert uns – in mehr als einer Hinsicht. Reichtum der Sprache – auch wenn sie uns manchmal den letzten Nerv raubt, weil sie so störrisch ist – liegt vermutlich aber an uns, weil wir ungeduldig mit ihr sind; wie bei einem Pferd – eventuell ist die Sprache ein Fluchttier, bei Angst flieht sie – prescht davon. Dann sind wir ohne Worte, müssen uns mit dem behelfen, was auch Tieren zu Gebote steht. Sprache erweitert unsere Möglichkeiten – und gezielte Missverständnisse geben ihr einen gewissen Charme. Finde ich. Hoffentlich findet das auch meine Ex-Freundin – dann entfällt das Ex. Und bei ihr bin ich kein Beta-Tester. Kein Newbie, was sie anbelangt. Das verschafft Vorteile. Vielleicht lernt man ja mal aus seinen Fehlern. Wann ist Release-Termin für die Liebe? Wir stehen in den Startlöchern.

ENDE

Die Show 'Das Paket'

 

Ich moderiere schon seit Jahren die Sendung 'Das Paket'. In jeder Runde stehen drei Pakete zur Auswahl, drei Kandidaten wählen jeder eines davon. Aber nur in einem davon ist ein Preis, die anderen beiden Pakete bergen was Unliebsames: Aufgaben, Prüfungen, denen die Kandidaten sich stellen müssen; meistern sie das, kommen sie in die nächste Runde mit wieder drei Paketen zur Auswahl. Dabei steigert sich der Wert der möglichen Beute, aber auch das Risiko wird größer: Es wird gefahrvoller, unangenehmer, schlüpfriger. Die erlangten Preise können die Kandidaten behalten, es sei denn, sie steigen vorher aus und sagen das Zauberwort, so was wie ein Safeword: Paketannahme-Verweigerung.

 

Eine Sendung ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil gleich drei schöne Kandidatinnen ihr Glück versuchen wollten. Okay, ich hab ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kandidaten – und es war mein Geburtstag, da hab ich mir gewissermaßen selber mein Wunschpaket zusammengestellt.

 

Man kann die Sendung wunderbar zum Anbaggern nutzen – und das ist auch der eigentliche Grund, warum ich mir diese Sendung antue. Sie hat seltsam wenig Unterhaltungswert, ist dennoch sehr beliebt, hat horrend hohe Einschaltquoten. Ich frage lieber nicht nach der Motivation der Zuschauer, es genügt ja, wenn ich meine eigene kenne.

 

Die drei Kandidatinnen sind bildhübsch und kein bisschen naiv; es geht auch um Schlagfertigkeit und die hohe Kunst, Belangloses spektakulär präsentieren zu können, und sei es die eigene Persönlichkeit. Wenn Du Dich darauf verstehst, ein Blender zu sein, dann geht Deine Karriere steil bergauf, kein Mensch will wissen, wie mies Du drauf bist, ob Du gerade wieder einen Anfall von Misanthropie hast, ob man sich gelackmeiert fühlt ... So tun, als sei der Lack nicht ab, alles im grünen Bereich, jugendlichen Charme und Schwung – auch wenn die Seele am Krückstock geht.

 

Ich hatte ein paar besonders fiese Aufgaben in die Pakete gepackt, liegt wohl daran, dass der Zynismus an meinem Geburtstag mitfeiern will.

 

Die Pakete können unterschiedlich groß sein, teilweise gibt es Hinweise auf den möglichen Inhalt: sei es die Verpackung oder der Absender. Drei Vorhänge öffnen sich – und dahinter befindet sich jeweils ein Paket.

 

Meine drei Kandidatinnen heißen: Isabella, Laura, Maja. Ich will gar nicht, dass sie in der ersten Runde aussteigen, also lasse ich sie sich erst mal Mut antrinken. Geht aufs Haus bzw. auf den Sender.

 

Isabella entscheidet sich für Paket drei. Hätte sie mal nicht machen sollen. Ihre Aufgabe: Ein Date mit einem waschechten Löwen. Wird im Käfig hereingefahren. Steigt sie zu ihm in den Käfig? Ich drücke ihr die Daumen.

 

"Er sieht satt und zufrieden aus." Sie geht um den Käfig herum. Er betrachtet sie neugierig. Ich zeige ihr, dass ich zur Sicherheit eine Luftpistole dabeihabe. "Das lenkt ihn ab, bringt ihn auf andere Gedanken, vertreibt ihm die Knabber-Gelüste." Sie weiß von den anderen Sendungen, dass es sich lohnen würde, durchzuhalten. Da sind Schmuck und Juwelen in den Paketen, Urlaubsreisen, ein Date mit einem Filmstar ... und, und, und. Das Publikum klatscht rhythmisch, sie feuern sie an – zum einen, weil ich es dazu auffordere, zum anderen, weil das Publikum selber wie ein hungriger Löwe ist: Appetit auf was Unterhaltsames, noch Spektakuläreres. Kein Problem. Wird geliefert. Ich halte Isabella die Käfig-Tür auf – bin ja ein Gentleman. "Ladies first." Sie meint, sie würde sich trauen, wenn ich mitkäme. Ich betrachte die Luftpistole in meiner Hand und fühle mich nicht so gut gerüstet für dieses Abenteuer. Aber so ist es ja auch bei Dates; hat man wirklich die richtige Gesprächs-Munition? Ich willige ein, sie zu begleiten. Wagen wir uns in die fahrbare Höhle des Löwen. Der sieht uns misstrauisch an, weicht zurück in die hinterste Ecke seines Käfigs. Wie lange lässt er sich beeindrucken von meiner Fantasie-Vorstellung, ich sei Daktari, Superman und Tarzan in einer Person? Immerhin habe ich mir einen Lendenschurz bringen lassen. Soll ja was hermachen. Dafür konnte ich Isabella davon überzeugen, dass sie in einem Mikrokini zum Anbeißen aussehe. "Ich will dem Löwen nicht absichtlich Appetit machen", lautet ihr Einwand. Aber da dies eine Show ist, die auf billige Effekte setzt, Effekte, die sich seit Jahrtausenden bewährt haben beim menschlichen Miteinander, und ein Konfetti-Regen von oben herab so etwas wie Goldmarie-Stimmung verbreiten soll, überwindet sie alle Hemmnisse und wird hemmungslos. Das Publikum belohnt das mit Applaus, was ihr Zusatz-Punkte einbringt. Für den Kandidaten mit den meisten Applaus-Punkten gibt es ein supergroßes Überraschungs-Paket. "Ich will das Paket", sagt sie sich immer wieder und geht mutig auf den Löwen zu, denn die Aufgabe heißt, ihm die Nase zu lecken. "Gehört zum Date dazu", sage ich, als ob das eine uralte Binsenwahrheit wäre. Sie lässt sich auf die Knie nieder, der Löwe sieht sie fragend – oder eher skeptisch-prüfend an. Ich habe ihr verschwiegen, dass ich zur Sicherheit ein Snickers dabei habe – den Werbespruch wiederhole ich wie ein Mantra: Und der Hunger ist gegessen. Ein Löwen-Ablenkungs-Manöver, dessen Tauglichkeit ich hoffentlich nie unter Beweis stellen muss. Aber immerhin: ein Placebo-Effekt; ich strahle Zuversicht aus; bin ja auch drei Schritte hinter ihr. Das verschafft Spielraum. Die anderen beiden Kandidatinnen rütteln am Käfig. Sie wollen es Isabella nicht zu leicht machen, außerdem wäre dann die Beute nur noch unter zweien aufzuteilen. Gangster-Mentalität ist auf dem Vormarsch. Die eine kickt den Löwen – das geht zu weit. Löwe faucht, mein hingeworfenes Snickers verfängt sich in seinem Fell. "Nun leck ihm schon die Nase", fordere ich Isabella auf. Ich hätte ihr ein Löwinnen-Kostüm kommen lassen sollen. Gleich notieren – gute Idee für die nächste Sendung. Als Isabella sich endlich dazu durchzuringen scheint, sage ich: "Wir machen jetzt erst mal Werbung. Bleiben Sie dran. Mal sehen, wie viele sich hernach noch im Käfig befinden. Bin selber gespannt." Ja, ich habe ein untrügliches Gespür für Cliffhanger. Außerdem will ich die Zeit nutzen, um mich vom Acker zu machen. Ist wie im Kino: Der Held muss bei der nächsten Szene noch dabei sein, diese Regel gilt nicht für Nebendarsteller. Ich mach Isabella darauf aufmerksam, dass sie zurzeit noch diesen Status hat; sie sie entbehrlich. Das beunruhigt sie über die Maßen, zumal ihre beiden Mit-Kandidatinnen sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen können. In der Werbung läuft witzigerweise ein Spot über Snickers; tja, wenn das nicht geniales Product-Placement ist. Ich könnte den McDonald‘s Clown auch noch hinzubitten. Dann könnte der Löwe sagen: Habe einen Clown zum Frühstück gehabt. Könnte er gebrauchen, er sieht grimmig aus. Gleich notieren: Nur fröhliche Tiere einladen. Ob der Alligator, der uns in Runde zwei erwartet, den Löwen toppen wird auf der Fröhlichkeits-Skala? Ich habe ihm ein paar Glücks-Pillen in sein Essen geschmuggelt; kann sein. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Bei Isabella versagen die Nerven, sie reißt sich ihren Mikrokini vom Leib und hofft, damit Applaus-Punkte zu ergattern. Klappt auch. Allerdings macht der donnernde Beifall den Löwen immer unruhiger, so dass ich nun doch mein Schweizer Taschenmesser raushole und mir einbilde, das sei Tarzans Buschmesser. Ich bin ganz gut darin, mir etwas vorzumachen, Stärke zu zeigen ... Aber er sieht darüber hinweg, als hielte ich einen Zahnstocher in der Hand. Also bleibt die Nase des Löwen ungeleckt, wir beide machen, dass wir aus dem Käfig kommen – und wegen Tapferkeit ist Isabella trotzdem in der nächsten Runde. "Du bist wieder mit dabei, wenn die nächsten Pakete geöffnet werden", sage ich wie der Weihnachtsmann – oder wie der böse Zwilling des Weihnachtsmannes, der ein paar besonders fiese Pakete auszuliefern hat.

 

Isabella möchte zumindest auch so einen Lendenschurz, wie ich ihn habe; ihrer Bitte komme ich nach. Laura wählt Paket drei. Pech gehabt. Ihre Aufgabe: Karaoke singen zusammen mit einem dressierten Papagei und einem undressierten Schimpansen. Wer wird seine Sache am besten machen? 'I did it my way' – gilt es zu singen. Eine schreckliche Kakophonie in Es-Dur erwartet das unvorbereitete Publikum, die aber nicht rauskönnen, weil die Türen versperrt sind. Tja, daran haben wir auch gedacht.

 

"Ich mache mich hier zum Affen", stellt Laura völlig richtig fest. "Mach weiter. Nur noch zwei Strophen." Der Affe beißt sie. Sie will mein Schweizer Taschenmesser, schnappt sich dann aber, da ich mich weigere, meine Luftpistole und beschießt den Papageien. "Der hat Dir doch gar nichts getan!" "Doch, er singt besser als ich", lautet ihr Argument. In der Tat, eine tolle Stimme – vermutlich Gen-optimiert.

 

"So einen Papagei würde ich gerne gewinnen", meint Maja. "Lässt sich einrichten, den packen wir in eines der Pakete in der nächsten Runde." Flexibel sein, auf die Wünsche der Kandidaten eingehen. Das ist das Erfolgsrezept dieser Show, die schon oftmals totgesagt wurde, aber allen Kritikern zum Trotz sich als äußerst zählebig erwiesen hat. Der Wunsch, zu wissen, was in dem Paket ist, das fasziniert; zumal das Leben mehr und mehr an Überraschungs-Power verliert, ungesalzen, fade, nüchtern – tja, die Ratio hat gesiegt, man lebt vernünftig, man hat die Überraschungen als Ballast aussortiert; was übrig bleibt, ist Vorhersehbarkeit, so als ob man auf einer Bahnstrecke nur geradeaus fahren würde; jede Strecke, jeder Fluss begradigt. Da kommt diese Show ins Spiel. In welchem Paket steckt der Springteufel? Wobei man selber zum Springteufel wird, es färbt ab. Ist man so süchtig nach Überraschungen, dass man den Kandidaten Wahnwitziges zumutet? Ich freue mich auf den Alligator. Vielleicht hat er die Chance, stellvertretend für seine Art- und Leidensgenossen sich für all die Kroko-Armbänder -Schuhe und -Handtaschen zu rächen, es denen heimzuzahlen, zu zeigen, dass Kroko total angepisst ist deswegen? Vermutlich ist er auch Gen-optimiert und kann auf eine bunte Gefühls-Palette zurückgreifen. Passend dazu gewinnt Maja eine Kroko-Vollausstattung, da müssen Dutzende von Krokodilen was dazu beigesteuert haben. Findet sie todschick.

 

In der nächsten Runde wählt Maja glücklicher- oder unglücklicherweise Paket drei – und macht Bekanntschaft mit einem geselligen Alligator. "Er will nur spielen." Da er aber unaufgefordert und unaufhörlich nach ihr schnappt – wobei nicht auszumachen ist, ob das etwa Balzversuche sein sollen, da sie so ganz den Kroko-Look hat – und sich gar nicht wieder einkriegen will, machen wir erst mal Werbung. Den blutigen Ernst muss der Fernsehzuschauer nicht so mitbekommen – aber es geht glimpflich aus, sie schafft es, ihm ihre riesige Handtasche ins Maul zu stopfen. "Nimm das und das." Sie tritt das arme Vieh – ganz im Stil der alten Gladiatoren. Äußerst ungewöhnliche Kampftechnik, dann läuft sie auf High-Heels wie in einem Sadomaso-Studio dem Alligator auf dem Rücken und Bauch herum. Das Tier windet sich, es scheint ihm zu gefallen. Lächelt es? Ich unterstell das mal. Der Tierschutz würde sonst eingreifen. Sie scheint zu gewinnen – ja, sie ist eine Runde weiter. Ich gratuliere ihr, sie fährt mir mit den Fingernägeln durchs Gesicht. Wer die Furie weckt.

 

"Sehr dynamisch; gute Performance; Abzug gibt es bei der Haltung." "Das ist keine verdammte Kür!", schreit sie mich an. Proletenweib. Ich streiche sie aber dennoch nicht von meiner Dating-Liste, kann ja sein, dass mich das irgendwie antörnt; es hat ganz den Anschein. Mein Lendenschurz hebt sich jedenfalls verdächtig. Auch ich bekomme Applaus-Punkte vom Publikum. Na, immerhin.

 

Aus Paket eins stürmt der Papagei – er hat wohl mitbekommen, dass Maja ihn voll süß fand; aber Isabella hat ihn gewonnen. "Dem rupf ich alle Federn aus." Er hätte es schlechter treffen können. "Willkommen in Deinem neuen Zuhause." Ich überreiche ihn Isabella, die ihn vor den Alligator wirft. "Wie unschön." Aber die Gen-optimierten Papageien haben es echt drauf: Eine Schimpfkanonade ohnegleichen ergießt sich über den armen Alligator, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht und der sich schuldbewusst umsieht. An Flucht ist nicht zu denken, da Maja ihn mit ihren High-Heels festgetackert hat. Mörderische Schuhe. Kein Wunder, dass sich Frauen beim Schuhe-Kaufen besonders Mühe geben.

 

Paket zwei ist also Laura zugedacht; sie hat eine zwölfwöchige Reise mit dem Kreuzfahrtschiff gewonnen. Die beiden anderen Kandidatinnen sind voll motiviert für Runde drei, allen Widrigkeiten zum Trotz; ich habe ihnen versichert, dass gute Sanitäter draußen bereitstünden; es handelt sich aber lediglich um Aushilfspersonal – eigentlich handelt es sich um den Hausmeister und den Beleuchtungstechniker, der sich den Arm gebrochen hat; vielleicht ist er nicht auf jedem Gebiet ein Armleuchter? Sieht aber ganz so aus, denn er streichelt den Alligator – und braucht wohl demnächst selber einen Sanitäter. Ich bekomme viel zu viel mit von dem, was hinter den Kulissen abgeht. "Ich bin eine Rampensau", sage ich mir immer wieder wie ein Mantra.

 

"Welche magischen Formeln verwendet Ihr so?", versuche ich, Konversation zu machen. Der Schimpanse antwortet immerhin: Er zeigt ein breites Grinsen. "So ist's recht, keep smiling." Er erwidert mein 'Thumbs up' – ich verstehe mich hervorragend mit ihm, was mir zu denken gibt. Bin ich dank dieser Sendung stündlich im Niveau gesunken? Kann sein; das Schielen auf Quote konditioniert einen ganz sonderbar: Man gutheißt beinahe alles, alles wird durchgewunken, wenn es nur etwas nach Publikumsrenner riecht bzw. müffelt.

 

Runde drei ist eine Offenbarung – Laura darf sich in einen engen Latex-Anzug zwängen. Sieht heiß aus und offenbart eine wirklich gelungene Figur. Das gibt Standing-Ovations – wir haben Mühe, die Männer und einige Frauen im Publikum daran zu hindern, die Bühne zu stürmen, aber Gott sei Dank waren unsere Saalordner Söldner und erledigen das mit einem Minimum an Feuerkraft. Wobei die Phaser nur auf Betäubung gestellt sind; na ja, einige halten sich nicht daran; das gibt eine Ermahnung.

 

Isabella gewinnt ein Laserschwert. "Das hätte ich beim Löwen gebrauchen können." Aber sie fuchtelt damit sehr gekonnt umher, verletzt nur sehr wenige Zuschauer, die panikartig in die hintersten Ränge flüchten. "Ein bisschen Spaß muss sein", heiße ich Isabellas Tun gut. Abgesegnet vom Moderator – sie ist ganz in ihrem Element, obwohl sie vermutlich Star Wars gar nicht gesehen hat. Laura will das Laserschwert auch mal halten – passt auch hervorragend zu ihrem Latex-Anzug. Ich muss schon sagen, da ist uns wieder eine sehr gute Mischung gelungen: Der Sex ist greifbar – allerdings haben wir jetzt mit einem verängstigten Publikum zu kämpfen, das sich gar nicht wieder beruhigen will, selbst eimerweise Waldmeister-Pudding, der über einen großen Deckenventilator verteilt wird, vermag sie nicht aufzuheitern. "Ist doch wie auf einer Geburtstagsparty", wobei es tatsächlich mein Geburtstag ist, aber es kommt noch keine rechte Feierstimmung auf. Dann beschenke ich mich halt selbst. Ich ziehe mich mit Laura hinter die Bühne zurück, ich verspreche ihr nicht das Blaue vom Himmel, sondern, ihr zu verraten, welche Pakete sie am besten in den nächsten Runden wählen sollte. Voll die Bestechung. Auch die beiden anderen Kandidatinnen wollen sich darauf einlassen. "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst," wobei die drei das auf Orgasmen beziehen und sich tunlichst Mühe geben, zu kommen, einander darin zu überrunden. Erstaunlich, zu was einem die Verheißung von Überraschungen verhilft. Ein spektakuläres Schauspiel – wobei drei Werbeblöcke dafür kaum ausreichen – ich hänge noch einen vierten da ran. Obwohl das Publikum murrt; wir sollten endlich wieder auf die Bühne kommen; man bewirft uns mit faulen Eiern, als wir wieder erscheinen, ein wenig erschöpft, aber um einige Erfahrungen reicher. Z. B. dass ein Alligator bei solchen Aktionen nicht mitmachen sollte – und dass Gen-optimierte Papageien erstaunlich vulgär sein können – ein Vokabular, da kann ich noch was von lernen. Dirty Talk beherrscht er ausgezeichnet. Maja wird ihre Freude an ihm haben. Die faulen Eier stellen wir dem Publikum zur Verfügung – Unmut sollte nicht in sich hineingefressen werden, ganz im Sinne der antiautoritären Erziehung: Macht kaputt, was Euch kaputtmacht. Was sie (noch) nicht wissen: Unter ihren Sitzen warten Hornissen auf ihr Stichwort – natürlich Gen-optimiert und extrem übelgelaunt. Ich lasse erst mal einige frei – die Panik soll sich langsam steigern. Okay, das Diabolische gewinnt die Oberhand, die Jagd nach Quote hinterlässt ihre Spuren in der Seele; als Gutmensch würde ich nicht mehr durchgehen; es macht auch irgendwie Spaß, die lieben Mitmenschen mit Streichen zu erfreuen. Das muss ein Max-und-Moritz-Gen in mir sein. Die Hornissen leisten ganze Arbeit, wir haben uns vorsorglich mit einem Abwehr-Spray eingesprüht; man lustwandelt inmitten der Gefahr – Panik um einen, und man selbst bleibt unberührt. Das ist Zen.

 

Ich verkünde Maja, welche Strafe sie erwartet; sie sieht sehr ängstlich aus, sie befürchtet wohl zu Recht, dass wir das mit dem Alligator toppen werden. Ich kann sie beruhigen: Table-Dance ist angesagt, aber als Tanzpartner ist ihr ein Androide der neuesten Generation zugedacht. Zunächst fand man die Idee absurd, dass Roboter strippen, aber es kommt nur darauf an, wie sexy sie dabei aussehen. Sie verliebt sich auf den ersten Blick in ihn. "Kann ich den auch mit nach Hause nehmen?" Gute Idee, den könnte sie in der nächsten Runde gewinnen. "Also halt Dich ran." Sie strippt nur für ihn. In mir kommt Eifersucht hoch. Das ist so ungerecht. Perfektion aus der Fabrikhalle – der braucht sich doch gar keine Mühe zu geben. Ich beschließe, ihn zu sabotieren. Nach meinem Hack hängt er müde in den Gräten, macht immer wieder – wie eine kaputte Schallplatte – dieselbe Bewegung. Das ist allerdings ein Kopulations-Versuch. Ich hätte ihn an anderer Stelle unterbrechen sollen. So rammelt er weiter bis in alle Ewigkeit. Maja scheint es zu gefallen, auch wenn sie seine Einfallslosigkeit und seinen Mangel an Variationen eigentlich abtörnen müsste. Das Gegenteil ist der Fall; sie ist ganz aus dem Häuschen – tut ihrer Entzückung keinen Abbruch, dass er völlig unflexibel ist, auf keinen ihrer Wünsche eingeht. Wecke den Rammler in Dir, könnte sein Mantra sein, die Botschaft, die er jedem Mann zuzurufen scheint.

 

Das Publikum kann ihre Performance nicht so recht würdigen, die Hornissen heischen nach Aufmerksamkeit, Schwellungen sind zu behandeln – und die beiden Hilfs-Sanitäter sind gnadenlos überfordert. Wir haben noch mehr Überraschungen fürs Publikum: Schleudersitze. Bei Zwischenrufen kann ich die betätigen – die Saaldecke gibt das eigentlich nicht her, aber es heißt ja auch: Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund.

 

Man könnte das Ganze als Sadomaso-Show bezeichnen; aber wer will um Begriffe streiten?

 

Wir läuten Runde vier ein. Isabella wagt es gar nicht, sich für ein Paket zu entscheiden. "Ich lecke weder einem Löwen die Nase, noch diesem dämlichen Androiden, bei dem mehr als eine Schraube locker zu sein scheint." Aber sie hat Glück, es ist was Schönes: "Du hast ein Gen-Optimierungs-Programm gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!" Donnernder Applaus – vom Band. Das Publikum ist für derlei nicht mehr einsatzfähig; die Schleudersitze gehen unregelmäßig hoch; man ist beunruhigt, wen es nun treffen könnte. Die Saalordner haben sie gut im Griff – es ist der Respekt vor den Laserschwertern, der sie ausharren lässt. Dabei ist noch eine Sex-Orgie vorgesehen mit Androiden und Gynoiden – Stimmung wie im alten Rom; aber es ist ein müder Haufen; wir müssen das Publikum austauschen. Wir haben vorgesorgt: die zweite Garnitur – Gen-optimierter und mit mehr Gespür für das, was wichtig ist. "Kooperations- und Kopulations-Willigkeit wird hier großgeschrieben", doziere ich.

 

Nach dem Austausch des Publikums und der Entsorgung des alten, können wir endlich fortfahren – Laura und Maja sind schon ganz begierig darauf, bestraft zu werden. So steht es jedenfalls in ihrem Kandidaten-Vertrag – Widerwilligkeit zieht Konsequenzen nach sich. Ein freudiges Minenspiel – egal, wie es kommt. Und es kommt dicke. Schlammcatchen – gegen ein Nilpferd. Und das im knappen Bikini – ja, richtig, das Nilpferd trägt auch einen. Ich assistiere ihnen. "Das öffentliche Leben gleicht ohnehin einer Schlammschlacht, da wollen wir uns nicht ausschließen." "Doch, das wollen wir". Maja sieht mit Entsetzen das riesige Nilpferd. Sie schnappt sich eines der Laserschwerter und macht kurzen Prozess. "Besser hätte das kein Schlachter gekonnt", muss ich ihre Leistung würdigen. Um sie friedlicher zu stimmen, verpass ich ihr eine Injektion mit Drogen, die einen sofort in höhere Dimensionen katapultieren. Danach haben wir tollen Sex; einige der Androiden und Gynoiden beteiligen sich – nicht ganz freiwillig, denn ich habe deren Fernbedienung. "Das macht Spaß", muss selbst Maja zugeben. Sogar der Löwe will mitmachen – doch um den kümmert sich Laura; sie hat ihn in ihr Herz geschlossen. "Darf ich den behalten?" "Klar doch." Ich bin heute großzügig.

 

Ob wir Runde fünf noch schaffen? Maja und Laura wirken ziemlich erschöpft. Isabella hingegen hat ihr Gen-Optimierungs-Programm hinter sich – das macht man heutzutage in der Mittagspause – und sieht um 10 Jahre jünger aus. Sie hat allerdings jetzt drei Brüste. "Falls Du Drillinge bekommst." Ich bemühe mich, ihr dazu zu verhelfen.

 

Sollte Gott der Programmdirektor dieser Welt-Veranstaltung sein – wäre Ihm auch an Quote gelegen? Um jeden Preis? Baut Er deswegen so nette Überraschungen ein? Für welches Paket entscheidet man sich? Am besten, man ist der Moderator seiner eigenen Game-Show, setzt allerdings voraus, dass man sich vorher sämtliche Skrupel ziehen lässt. Skrupellos rückst Du über Los.

 

Der Löwe trägt einen Mikrokini – wo hat er sich den hergeholt? "Na ja, bis nächste Woche, bleiben Sie munter und gesund. Und vielleicht haben auch Sie Lust, sich bei uns als Kandidat zu bewerben? Es gibt eine Audienz mit dem Papst zu gewinnen. Diese Sendung wurde unterstützt durch Produktplatzierung und gesponsert von der Gen-Optimierungs-Gesellschaft. Für eine bessere Zukunft. Bleiben Sie uns gewogen, denn ihre Zustimmung und Präferenzen haben Gewicht."

 

Dennoch fühle ich mich als Quotenjäger des verlorenen Geschmacks. Aber mir ist feierlich zumute. Und ein wenig elegisch. Eine leise Trauer über das, was von der Moral übrig blieb. Ist das das Paket, was wir uns bestellt haben?

 

ENDE

Es herbstet für Fjodor Michailowitsch Dostojewski

Herbst des Lebens - mal schauen, welchen Ernte-Ertrag kann ich verzeichnen? Wird der Name Fjodor Michailowitsch Dostojewski dereinst mit geziemendem Respekt gehandelt, oder hat die Historie nichts Besseres zu tun, als meine Werke zu zermalmen mit dem Gewicht künftiger Ereignisse? Wird es standhalten können, ist es ephemer? Man überhäuft mich nun mit Ehrungen, Ehrenmitgliedschaften. Am Zarenhof bin ich willkommen; ich, den sie nach Sibirien geschickt haben - für vier Jahre in Ketten - wegen unwillkommener Meinungsäußerung; wollte ich den Umsturz? Keineswegs, mir schwebten Verbesserungen vor - aber wie verbessert man, ohne das Bestehende unvorsichtigerweise vollends zu zerstören? Behutsam vorgehen ... Was sollen diese Ernte-Gedanken - wahrscheinlich befinde ich mich in einer anderen Jahreszeit: dem Winter.

Wie lange will ich noch in Heilbäder und Kurorte flüchten? Den Sommer herbeisehnen, dass man zu allem die Kraft hat. Nicht sehr glaubwürdig, wenn einem elend zumute ist; dabei jubilieren meine Gedanken, ich bin in so ausgelassener Stimmung, da meine Rede so begeistert aufgenommen wurde. Kann der Körper nicht mitziehen, bereitwillig mit in Festlaune sein? Aber er winkt ab, ihm ist nicht nach Tanzen. Seltsamer Kontrast: Meine Gedanken sind voller Schwung - sie sollten sich nach einem anderen Körper umsehen. Alexander Puschkin zu Ehren hielt ich die Rede - sein Denkmal wurde enthüllt; donnernden Applaus geerntet. Sie drängen mir die Ehrungen auf, als ob sie sich beeilen müssten, als ob alle Welt ahnt, dass die Zeit drängt.

Viel zu viel Zeit dem Glücksspiel gewidmet; alles verspielt. Was ist das für eine Leidenschaft, die mich jedes Mal elender zurücklässt, wie kann man Gefallen daran finden, wie kann man ernsthaft glauben, dass sie das Glück verwahrt? Ich hätte Briefmarken sammeln sollen so wie meine Frau. Wann habe ich dem Friedsamen abgeschworen? Aber es hat etwas Faszinierendes, wenn das Roulette-Rad beschließt, in Deinem Willen zu agieren; es neckt Dich zunächst, opponiert gegen Dich; wie kann man so überzeugt sein, dass man gewinnt, da doch jeder Tag das Gegenteil beweist? Man erntet gewissermaßen auch Unkraut; wie hat man das Feld bestellt?

Ich hätte mehr schreiben sollen - die Befindlichkeit Russlands analysieren, Ratschläge erteilen; tja, in meiner Puschkin-Rede ist mir das vorzüglich gelungen: Ein Mahner, ein Beschwörer - es hatte etwas von einer Predigt, eindringlich, die Zukunft in ihre Köpfe projizierend - in meinem Alter kann ich mir das Prophetische anmaßen, es wird einem zugestanden. Das ist der Vorteil des Herbstes: Man gilt auf den ersten Blick hin als weise; bejahrt, man kann punkten mit Glaubwürdigkeit. Und das sollte ich mir nicht zunutze machen, Rücksicht nehmen auf die Westler und Slawophilen? Ach was, ich zeige ihnen auf, dass sie gar nicht so uneins sind. Soll sich Russland am Westen, an Europa orientieren - oder sucht es sich seine Vorbilder in den eigenen Reihen? Ich habe sie auf Puschkin verwiesen, der es verstand, sich hervorragend in die Seelen anderer Nationen zu versetzen, sie zu durchschauen, sich nicht scheute, sie nachzuahmen - um vom Universellen einen Eindruck zu bekommen. Man kann sich nicht im eigenen Land verschanzen - es gibt überall Vorbilder.

Ich konnte die Begeisterung schüren - doch was stell ich jetzt damit an? Dem Propheten zittert die Hand, mit der er die Richtung weist - und doch sind es dieselben Gedanken, die ich schon vor zwei Jahrzehnten hatte - doch erst dem Alter bescheinigt man Visions-Wahrhaftigkeit, alles andere seien Fantastereien. Es endet hier; der Winter ist nicht dazu gemacht, dass einen Frühlingsgefühle beleben. Seltsam dieser Kontrast: Die Innenwelt Frühlings-offensiv, doch mein Äußeres winkt ab - das macht es nicht mit.

Gibt es das: dass verschiedene Jahreszeiten in einem sind? Gesprenkelter Mensch, zusammengesetzt aus vielen Bereichen. Woran soll man die Moral festmachen, da Darwin uns zu den Tieren gesellt? Ich will nicht auf das Christentum verzichten; wie es integrieren? Es scheint, es habe keinen Platz mehr, die Menschen sind bemüht, sich Ismen auszudenken - allen voran der Nihilismus. Jetzt gerade bin ich erfüllt vom Sinn meines Lebens, die Ovationen scheinen mir recht zu geben, dass Denken zu etwas nütze, dass die Literatur es vermag, neue Konzepte anzubieten, Gegensätze zu überbrücken, Brückenschlag ins Jenseits, erahnen, was Aufgabe eines jeden Volkes sei - sich die Andersartigkeit zunutze machen und davon profitieren. Große Worte - beherzige ich sie denn?

Ich halte zum Zaren; so sollte das Bewusstsein gleichermaßen regieren können - und nicht, dass ihm Affekte eine Revolte bereiten. In mir ist es am Gären, ich bin uneins mit mir - war ich schon immer. Die Epilepsie als Verhöhnung des selbstbestimmten Menschen. Mich durch tausend Leidenschaften gewunden; aber lohnt es denn, einem Eremiten nachzueifern, ein Starez sein in unablässigem Gebet? Wenn man es nun vermag, sich selbst Zar zu sein, in der Gewissheit, dass die Befehle nicht unerhört verhallen …? Davon bin ich weit entfernt, ich höre meine Kommandos und ignoriere sie. Was für ein Herbst wäre es, wenn ich folgsam gewesen wäre, wenn mein Wille stark genug gewesen wäre - was hätte ich vollbringen können? Ich aber jage meinen Leidenschaften hinterher, als sei ich ein Hund, der eine Katze jagt - überlassen seinem Instinkt, einer Jagdlust, die erbärmlich ist. Er könnte sich mit der Katze anfreunden. Ein Traum, Illusion. Wir werden immer bereit sein, den uns dargebotenen Feinden kläffend hinterherzurasen.

Man warf mir vor, dass ich mich zu großzügig bei hochklassigen Autoren bediene, abkupfere - um mir selber Glanz zu verleihen. Aber man muss ja erst seinen eigenen Weg finden, da braucht man Kartenmaterial. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, wen ich bewundere, wem ich Ehrerbietung zolle. Und dass mir es vergönnt war, Alexander Puschkin zu ehren mit meinen Worten, gibt mir die Hoffnung, dass ich ihn erreiche - wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle. Die Ehre, dass auch ich Vorbild sein könnte. In einer Kette, deren Glieder immer zugleich Lehrer und Schüler sind - Belehrte und die, die das Wissen weiterreichen und vermehren. Auf dass meinem Winter ein Frühling folgt - nicht mein Frühling, aber dessen, den man inspiriert hat - sodass der Geist niemals stirbt; ähnlich einer Pflanze, die sich in immer neuen Ablegern neu erfindet. Dann sollte mir das Verfärben der Blätter kein Anlass zur Sorge sein.

Schon seltsam, dass dann meine Romane und Novellen für mich sprechen sollen; meine Figuren haben ihre eigenen Ideen, Meinungen - es sind nicht die des Autors, er distanziert sich davon, hat seine Meinungen unzählige Male revidiert - er braucht die vielen Stimmen der Figuren, sie sind Chor, verstärken seine Stimme - sie hallen weiter, der Autor verlässt die Bühne; nur noch umgeben von Echos. Wie könnte man Echo nicht lieben? Es sei denn, man ist Narziss und bevorzugt die eigene Präsenz.

***

Acht Monate nach der Puschkin-Rede starb Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

ENDE

Weltbester Hypochonder

 

Als Hypochonder war es mir entgangen, dass es sehr verbreitete Krankheiten gibt, an denen ich bislang achtlos vorübergegangen bin. Also höchste Zeit, mich mit denen zu beschäftigen, mal sehen, ob was für mich dabei ist. Komme mir vor wie im Ausverkauf: ein Eldorado für einen Hypochonder.

 

Dünnhäutigkeit, Erklärungsnot, Fernweh, Fracksausen, Frühjahrsmüdigkeit, Größenwahn, Heimweh, Herzschmerz, Hexenschuss, Lampenfieber, Lebensmüdigkeit, Putzfimmel, Torschlusspanik, Weltschmerz, Zivilisationskrankheit.

 

Habe ich was vergessen? Stattliche Liste. Mal sehen, was sich davon umsetzen lässt. Wie eine umgedrehte Bucket List: Wünsche, die man sich erfüllt, nur dass diesen auf den ersten Blick nichts Angenehmes anzuhaften scheint. Irrtum! Je näher und intensiver ich mich mit denen beschäftige, umso mehr Freude kommt auf. Putzfimmel – bislang war mir Dreck eher egal, aber da Leidenspotenzial dahintersteckt, achte ich jetzt peinlich genau auf jede Unsauberkeit, räume im Park auf, in fremden Wohnungen, was mir den einen oder anderen missbilligenden oder anerkennenden Blick einbringt – allerdings auch Hexenschuss und eine gewisse Erklärungsnot. Außerdem spüre ich jetzt schon im Herbst Frühjahrsmüdigkeit. Das lässt sich ja gut an. Ich bin begeistert. Die im Krankenhaus fliehen vor mir panisch.

 

Ich bekomme abwechselnd Heimweh und Fernweh, ich jette hierhin und dorthin. Ja, es nimmt Formen an, mir waren die Zivilisationskrankheiten entgangen, ich hatte mich zu sehr auf die altbewährten Leiden konzentriert, die schon seit eh und je die Menschen plagten. Man muss mit der Zeit gehen. Ein avantgardistischer Hypochonder. Größenwahn konnte ich noch nicht von meiner Liste streichen. In was konnte ich mich hineinsteigern, was nicht schon zigfach ausprobiert wurde? Mich mit dem Universum anlegen? Es zum Match herausfordern? In welcher Disziplin? Wer wehleidiger ist? Was war Sinn und Zweck des Universums? Stöhnte es innerlich, weil es nicht vorwärtsging? Immer wieder fiel es in sich zusammen wie ein Soufflé? Hatte Gott Lampenfieber, als er die Welt erschuf? Hatte Gott je überhaupt eine von diesen tollen Krankheiten? Vielleicht war deshalb die Welt krank, krankte daran, dass ihr Schöpfer ungenügende Kenntnisse über Krankheiten besaß? Ich musste ihn auf den neuesten Stand bringen. Im Paradies anrufen, hey, hier spricht der weltbeste Hypochonder. Aber konnte ich mir den Titel zubilligen, war ich wirklich in Form? Ich hatte eine glückliche Beziehung. Schluss damit! Herzschmerz ist angesagt, stante pede. Meine Freundin verstand das nicht. Ihr fehlt da manchmal die nötige Logik. Ich klabüsterte ihr das auseinander.

 

Aber sind es wirklich Leiden, wenn sie einem Freude bereiten? Wenn man zum Sammler wird, der das mit Leidenschaft betreibt, Lust daraus zieht? Am anderen Ende der Leitung war Gott, Er meinte, das seien schon interessante Gedanken, er hätte da ein Jobangebot für mich als Leidens-Berater. Bestimmt ein Scherz. Aber ich wollte nicht einfach auflegen, unhöflich sein, und so sagte ich erst mal vorläufig zu. Beim Gespräch mit Gott stellte sich dann heraus, dass Er tatsächlich erste Anzeichen von Torschlusspanik aufwies. "Ich habe erst eine Welt erschaffen. Und Ihr auf der Erde dreht Euch so ziemlich im Kreis." Na wunderbar, ich steckte Ihn an mit meinen Sorgen. Auch erste Anzeichen von Weltschmerz las ich auf Seiner Miene. "Die Unzulänglichkeit alles Erschaffenen." Er seufzte. "Im Potenziellen hat das so viel Format; man malt sich Wunder wer weiß was aus. Und dann kriegst Du die Krise, wenn Du das verwirklicht siehst. Aber es ist kein Scheitern aus Mangel an Übung, es ist der Sache inhärent."