Flohmarkt der Träume – Ein Sommer an der Schlei - Elizabeth Horn - E-Book
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Flohmarkt der Träume – Ein Sommer an der Schlei E-Book

Elizabeth Horn

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Beschreibung

Toni liebt es, auf Schatzsuche zu gehen. In den alten Schleidörfern entlang des Fjords hat sie zwischen Friesenmöbeln und alten Teekannen schon so manchen guten Fund gemacht. Und auch diesmal ist das Glück ihr hold: Der sympathische Schreiner Leo überlässt ihr eine Holzschatulle mit alten Liebesbriefen. Einzige Bedingung: Sollten die Briefe etwas wert sein, muss sie den Gewinn mit ihm teilen. Toni stimmt zu, auch wenn sie nicht davon ausgeht, dass sie Leo jemals wiedersehen wird. Was vielleicht auch besser ist, weil er ihr Herz zum Stolpern bringt. Und eine neue Beziehung sucht sie gerade wirklich nicht.  Doch tatsächlich entdeckt ihr Onkel Robert, dass die Briefe ein wertvolles Geheimnis bergen. Und so kreuzen sich Tonis und Leos Wege erneut. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Besitzer, um ihre Entdeckung mit ihm zu teilen. Dabei kommen die beiden sich nicht nur näher, sondern müssen auch feststellen, dass man den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart nie unterschätzen sollte. Als Printausgabe und Hörbuch bei Saga Egmont erhältlich sowie als eBook bei dotbooks 

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

 

Toni liebt es, auf Schatzsuche zu gehen. In den alten Schleidörfern entlang des Fjords hat sie zwischen Friesenmöbeln und alten Teekannen schon so manchen guten Fund gemacht. Und auch diesmal ist das Glück ihr hold: Der sympathische Schreiner Leo überlässt ihr eine Holzschatulle mit alten Liebesbriefen. Einzige Bedingung: Sollten die Briefe etwas wert sein, muss sie den Gewinn mit ihm teilen. Toni stimmt zu, auch wenn sie nicht davon ausgeht, dass sie Leo jemals wiedersehen wird. Was vielleicht auch besser ist, weil er ihr Herz zum Stolpern bringt. Und eine neue Beziehung sucht sie gerade wirklich nicht. 

 

Doch tatsächlich entdeckt ihr Onkel Robert, dass die Briefe ein wertvolles Geheimnis bergen. Und so kreuzen sich Tonis und Leos Wege erneut. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Besitzer, um ihre Entdeckung mit ihm zu teilen. Dabei kommen die beiden sich nicht nur näher, sondern müssen auch feststellen, dass man den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart nie unterschätzen sollte.

eBook-Ausgabe August 2025

Copyright © der Originalausgabe 2025 Elizabeth Horn und Saga Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / shutterstock AI

eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (fe)

 

ISBN 978-3-69076-013-3

 

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people . Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

 

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected] . Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

 

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Elizabeth Horn

Flohmarkt der Träume – Ein Sommer an der Schlei

Roman

 

dotbooks.

Widmung

 

Für Wolfgang, Julia und Thomas

Prolog

 

Sie strich liebevoll mit ihren Fingerspitzen über die wunderschöne Schnitzerei. Das Holz war so lange poliert worden, bis es sich anfühlte wie Samt. Vielleicht war es aber auch durch die vielen Berührungen so glatt geworden Schon ihre Mutter hatte die Dose geliebt und immer wieder angefasst. Ihre Vollkommenheit schien man einfach nicht nur mit den Augen erfassen zu können. Und es war gar nicht unwahrscheinlich, dass ihre Großmutter, von der das Stück stammte, es schon genauso gemacht hatte.

Es mussten ganz besondere Menschen sein, die es fertigbrachten, ein Stück Holz, ein Stück Natur zu bearbeiten und daraus ein Kunstwerk zu schaffen, ohne ihm seinen Charakter zu nehmen. Das wunderschöne geschnitzte Muster im Deckel existierte in perfekter Harmonie mit der feinen Maserung des Holzes. Das eine wäre ohne das andere gar nicht denkbar.

Was für ein großartiger Beruf musste das sein! Das dachte sie schon, solange sie sich erinnern konnte. Doch leider war sie selbst nicht geschickt mit den Händen. Aber das hieß nicht, dass sie nicht erkennen konnte, dass das, was sie vor sich sah, etwas Einzigartiges war. Die Schatulle war das Schönste, das sie besaß.

Immer hatte sie einen Ehrenplatz in ihrem Wohnzimmer gehabt. Aber es wäre falsch, sie mitzunehmen. Wenn sie das tat, bestand die Gefahr, dass ihr Lieblingsstück eines Tages in einem Müllcontainer landen würde. Der Gedanke war einfach unerträglich.

Es war Zeit, sich zu trennen und dafür zu sorgen, dass die Dose einen neuen Ehrenplatz bekam, bei jemandem, der sie zu schätzen wusste.

Zum Glück wusste sie, wen sie um Hilfe bitten würde, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.

Kapitel 1 Fehlt nur noch der Roman!

 

Eine Liebe zwischen zwei Kriegen

von Antonia Wolfram

Zufrieden betrachtete Toni die liebevoll gestaltete Titelseite auf ihrem Laptop.

Prima!

Nun fehlte nur noch der Roman dazu!

Bei dem Gedanken musste sie lachen.

Als sie bei einem Besuch im Haus ihrer Eltern auf das Tagebuch ihres Urgroßvaters gestoßen war, hatte sie sich entschlossen, diese sehr persönlichen Aufzeichnungen über den Alltag zwischen den beiden Weltkriegen zu nutzen, um einen historischen Liebesroman zu schreiben. Sicher würden die vielen kleinen Details, die das Büchlein enthielt, dem Ganzen Authentizität verleihen.

Und warum ein Liebesroman?

Nun, das war einfach zu erklären.

Toni war eine durch und durch romantische Seele. Nichts schien ihr wichtiger im Leben, als die eine, große Liebe zu finden. Das war bei ihr zwar noch im Projektstadium, würde aber eines Tages wahr werden. Davon war sie felsenfest überzeugt, auch wenn sie ein totaler Flop in Liebesdingen sehr viel vorsichtiger gemacht hatte.

Dass die große Liebe zu finden eine nicht ganz unrealistische Hoffnung war, belegten die Beispiele ihrer Eltern und ihrer Großeltern väterlicherseits.

Die Wolframs waren einfach ausgesprochen liebesfähig. Und liebten sie erst einmal, war ihre Liebe ebenso widerstandsfähig wie das Metall, mit dem sie den Namen teilten.

 

Toni hatte endlich eine Volontariats-Stelle bei einer Zeitung ergattert. Trotz ihres Abschlusses in Medienwissenschaften war sie dazu verdammt, mehr oder weniger als Bürobotin zu fungieren. Zumindest bekam sie ein kleines Gehalt, aber eine Herausforderung war der Job nicht.

Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie viel größere Lust, Geschichten zu erzählen, als über Fakten zu berichten. Aber dass das Schreiben im Normalfall nicht reichte, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, war ihr völlig klar. Trotzdem bot es sich an, da ihr Job sie nicht intellektuell forderte, sich an ihr erstes Werk zu wagen, und das hatte sie mit dem Erstellen der Titelseite nun wirklich getan.

Wie sollte es weitergehen?

Ihre Hauptfiguren würden Josef und Josefine heißen und würden sich direkt nach Josefs Heimkehr aus dem Ersten Weltkrieg kennenlernen.

Sollte Toni mit dem Schreiben so gut zurechtkommen, wie sie es sich erhoffte, könnte man das Ganze zu einer Familiensaga ausbauen.

Ach, das wäre großartig!

Aber irgendwie war sie nicht in der richtigen Stimmung. Zu sehr steckte sie gedanklich im Hier und Jetzt fest.

Sie brauchte Inspiration.

Es war Samstag, also war auf dem Platz vor dem Rathaus von Skatteby der wöchentliche Trödel- und Antikmarkt. Nirgendwo konnte man sich besser in andere Epochen versetzen, als zwischen den Gegenständen aus längst vergangenen Zeiten, ganz gleich, ob es sich dabei um Schätze oder banale Alltagsgegenstände handelte. Es berührte sie immer wieder zutiefst, dass zum Beispiel ein Schuhleisten noch existierte, während der Mensch, dem er gedient hatte, schon lange nicht mehr lebte.

Sie würde versuchen, etwas aus der Epoche zu finden, etwas, das sie in die Zwanzigerjahre hineinziehen konnte.

So schlüpfte sie in ihre Sandalen, schnappte sich ihre große Tasche und brach auf in die Zeit ihres Projekts.

Kapitel 2 Liebesbriefe

 

Heute war wirklich nichts los. Das Wetter war einfach zu schön. Da gingen die Leute lieber ans Wasser oder machten Ausflüge, statt über den Flohmarkt auf dem Rathausplatz von Skatteby zu schlendern.

Vielleicht hätte er das auch tun sollen.

Aber Leo wusste ganz genau, dass er, wäre er nicht hergekommen, weiter an Omas Häuschen gewerkelt hätte. Nächste Woche war für die Schreinerei, bei der er angestellt war, der Innenausbau eines Konferenzraums dran. Da er und seine Kollegen unter Zeitdruck standen, würde das eine anstrengende Woche werden. So war es keine gute Idee, auch noch das ganze Wochenende privat körperlich zu arbeiten. Das wusste er inzwischen.

Zwar war er ein junger, kräftiger Kerl, trotzdem hatte er schon erfahren müssen, dass sein Körper nicht unbegrenzt belastbar war.

Das Problem war, dass das Werkeln an dem kleinen Haus, das er von seiner Großmutter geerbt hatte, so befriedigend war. Um ihn davon abzuhalten, brauchte er etwas, das mindestens genauso viel Spaß machte. Daher hatte er wie so oft einen Stand auf dem Flohmarkt vor dem Rathaus aufgebaut. Doch bei dem geringen Andrang heute war es leider todlangweilig.

Er schaute sich die Leute an, die den Gang vor seinem Stand entlangkamen, und versuchte zu erraten, wer an seinem Sammelsurium stehen bleiben würde und wer nicht.

Die junge Frau mit dem honigblonden Pferdeschwanz blieb an jedem Tisch stehen, betrachtete die Auslage und lächelte die Händler freundlich an, ehe sie weiterging.

Er wünschte, er hätte etwas, das ihr Interesse wecken könnte, etwas, das ihm auch ein Lächeln bescheren würde.

Spontan bückte er sich zu den Kisten, die er unter dem Tisch stehen hatte, und holte eine geschnitzte Schatulle hervor, für die er hier eigentlich nicht die richtigen Käufer vermutete, und platzierte sie ganz vorn in seiner Auslage.

Tatsächlich blieb die junge Frau an seinem Tisch stehen, sah sich alles in Ruhe an und griff dann nach der Schatulle. Das goldbraune Holz war mit parallelen Linien, die sich in den Ecken in komplizierten Mustern ineinander verschlangen, verziert.

»Art Deco?«, fragte sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

»Das könnte gut hinkommen! Aber belegen könnte ich es nicht. Neben der Ornamentik sprechen aber auch die Scharniere, die verwendet wurden, für die Zwanziger- oder Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts.«

»Darf ich sie mal aufmachen? Ich fürchte, ich könnte sie mir ohnehin nicht leisten.«

»Ja, sicher, schau ruhig mal rein!«

Trotz des Alters ließ der Deckel sich leicht öffnen. Die Teile fügten sich noch immer perfekt ineinander. Offenbar war nichts verzogen oder aufgequollen. Innen war die Schatulle mit leicht verschossener blauer Seide ausgeschlagen. Ein Packen von etwa dreißig handschriftlichen Briefen wurde von einem rosa Bändchen zusammengehalten. Jemand hatte eine gepresste kleine Rose unter das Band gesteckt. Selbst diese war noch in gutem Zustand.

»Liebesbriefe!«, hauchte Toni.

»Bitte?«, fragte der junge Mann hinter dem Tisch.

»Da, ein Päckchen mit Liebesbriefen!« Sie hielt ihm die geöffnete Schachtel hin.

»Na sowas! Ich hatte noch gar nicht hineingesehen.« Leo nahm die Briefe heraus, um sie näher zu betrachten.

»Vorsicht mit der Rose!«, mahnte Toni und fürchtete, er würde lachen, doch er berührte die Blume behutsam mit seinem Zeigefinger. »Unfassbar, dass sie all die Zeit überstanden hat. Den Poststempel auf dem obersten Brief kann man entziffern, glaube ich.« Leo drehte das Päckchen etwas hin und her. »Wahnsinn! Der ist von 1920! Ob das wohl der jüngste oder der älteste ist?« Toni war näher an ihn herangetreten, um besser sehen zu können.

Er roch nach Sonne, Duschgel und eindeutig nach Holz.

Sehr vorsichtig blätterte er den Stapel durch, ohne das Band zu lösen.

»Alle kann ich nicht lesen. Aber sie scheinen geordnet zu sein. Der von 1920 ist der älteste, und der letzte ist von 1935. Offenbar alle vom gleichen Schreiber, aber teilweise aus verschiedenen Ländern. Wahnsinnig spannend.«

»Ich fasse es nicht! Das ist fast schon gruselig. Ich bin heute hierhergekommen, um etwas aus der Zeit zwischen den Weltkriegen zu finden, für …«

Toni spürte, wie ihre Ohren rot wurden.

»Für?«, fragte er.

»Wenn ich dir das sage, lachst du!«

»Warum sollte ich lachen?« Er sah sie richtig bekümmert an.

»Nun, ich will einen historischen Roman über die Zeit schreiben«, erklärte sie, ohne ihn anzusehen.

»Und warum sollte ich darüber lachen?«

»Nun, weil jeder und seine Tante anscheinend vorhaben, ein Buch zu schreiben.«

»Ich nicht! Ich könnte so etwas gar nicht. Aber du siehst aus wie jemand, der das kann. Also trau dich, egal wer lacht!«

»Ich traue mich ja. Ob es etwas wird, ist eine andere Frage. Was würde die Schatulle denn kosten?«

»Nun, das ist keine eigentliche Trödelware. Ich hätte schon gern hundertfünfzig Euro dafür. Aber ich würde dir einen Sonderpreis machen.«

»Das ist nett von dir. Ich glaube, die hundertfünfzig wären schon ein reeller Preis. Sie ist wunderschön. Aber im Grunde wären eher die Briefe für mich interessant. Es wäre wunderbar, sehen zu können, was sich Liebende damals geschrieben haben.«

»Ja, das stimmt. Aber offensichtlich sind nur seine Briefe vorhanden. Vielleicht hatte der Schreiber einen eigenen Stapel von Briefen irgendwo in einem Geheimfach in seinem Sekretär, was meinst du?«

»Ganz bestimmt hatte er die!« Toni sah den jungen Trödelhändler kritisch an. Er war groß und athletisch gebaut. Seine Hände, mit denen er den Packen Liebesbriefe behutsam zurück in die Schatulle legte, waren an einigen Stellen aufgekratzt, an anderen schwielig. Er sah aus wie jemand, der im Alltag mit den Händen arbeitete. Offenbar lösten die Briefe in ihm ganz ähnliche Überlegungen aus wie in Toni.

»Also, wenn die Briefe dir etwas nutzen, gebe ich sie dir. Die wenigsten würden sich für sie interessieren. Alte Schriftstücke, die nicht einer bekannten Persönlichkeit zuzuordnen sind, sind nicht sehr gefragt. Ich fürchte, wenn jemand die Schatulle kauft, schmeißt er die Briefe womöglich einfach weg.«

Toni schaute wohl bei dem Gedanken so unglücklich, dass er lachen musste.

»Deshalb gebe ich sie ja dir, damit das nicht passiert, aber nur unter zwei Bedingungen. Erstens: Solltest du feststellen, dass es sich dabei um Liebesbriefe von Bismarck an eine geheime Geliebte oder um etwas ähnlich Aufregendes handelt, dann kommst du zurück, und wir teilen uns, was sie wert sind, einverstanden?«

»Einverstanden! Aber woher willst du wissen, dass ich dann wirklich zurückkomme?«

»Ich bin ein guter Menschenkenner! Ich vertraue dir!«

Toni grinste. »Und was ist die zweite Bedingung?«

»Wenn dein Roman fertig ist, will ich ein signiertes Exemplar mit Widmung. Für Leo! Leo Stark, das bin ich!«

»Das kann aber noch eine ganze Weile dauern«, gab Toni zu bedenken.

»Ich bin noch jung, ich kann warten! Aber auf wen ich warte, würde ich gern wissen!« Er grinste sie breit an.

»Toni! Also Antonia! Also Antonia Wolfram.« Sie streckte ihm ihre Hand hin und ärgerte sich, als sie spürte, dass sie rot wurde.

»Den Namen werde ich mir merken und später jedem erzählen, dass ich dich schon kannte, ehe dein Bestseller erschienen ist.«

Toni schüttelte lachend den Kopf. »Du bist ja schlimmer als ich!«

»Na, so schlimm finde ich dich gar nicht!« Seine blauen Augen blitzten dazu, und Toni hatte das Gefühl, noch etwas dunkler anzulaufen.

»Hier, mach was draus!« Er reichte ihr die Briefe.

»Danke! Und was bekommst du nun dafür?«

»Das haben wir doch eben abgemacht, oder?«

»Aber zahlen muss ich trotzdem. Sonst ist das nicht richtig.«

»Schön, wenn es dich beruhigt, gib mir fünf Euro.«

»Zehn, und wir haben einen Deal!«

»Antonia Wolfram! Du hast da etwas total missverstanden! Auf einem Flohmarkt muss man feilschen, aber du machst das verkehrt herum. Eigentlich soll der Preis runter gehen, nicht rauf!«

»Na gut! Einigen wir uns auf acht Euro, einverstanden?«, fragte Toni und musste dann doch sehr lachen.

»Verrückte Nudel! Einverstanden! Ich bin fast jeden Samstag hier! Ich würde mich freuen, wenn du mal wieder vorbeikämst, wenn dir danach ist, Preise hochzutreiben. Ich bin dabei!«

Toni nahm die Briefe entgegen, zog einen dünnen Schal aus ihrer Riesentasche und wickelte das Päckchen behutsam darin ein. Besonders die kleine zarte Rose wollte sie nicht beschädigen.

Sie nahm die zwei Euro entgegen, die er ihr auf ihren Zehneuroschein herausgab, und verstaute sie.

»Tausend Dank, Leo! Ich verspreche, ich werde keinen Teil unserer Abmachung vergessen! Wir sehen uns sicher mal wieder. Ich stöbere hier ganz oft rum!«

»Dann bis bald, Antonia Wolfram! Schreib schön, in der Zwischenzeit!«

Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und ging mit federndem Schritt den Weg zurück, den sie gekommen war.

Mit verträumtem Blick nahm Leo die Schatulle, angelte ein weiches Tuch aus einer Kiste und wickelte sie behutsam hinein, ehe er sie wieder unter dem Tisch verstaute.

Er würde sie nicht verkaufen.

Zumindest nicht heute.

Kapitel 3 Obstsalat und Germania

 

In ihrer kleinen Wohnung hatte Antonia zuerst eine Schachtel gesucht, in der sie die Rose sicher verstauen konnte. Anschließend hatte sie die Briefe einen nach dem anderen behutsam geöffnet und eingescannt mit den dazugehörigen Umschlägen. Nun hatte sie die Inhalte geordnet jederzeit verfügbar, ohne die Originale zu oft anfassen zu müssen. Den Inhalt hatte sie nur überflogen, aber offenbar waren es Briefe von einem jungen Mann im diplomatischen Dienst an seine Angebetete und spätere Ehefrau. Sie konnte es kaum erwarten, sich näher damit zu beschäftigen.

Gerade als sie sich daransetzen wollte, klingelte es an ihrer Tür.

Davor stand ihr absoluter Lieblingsonkel, Robert, der jüngere Bruder ihres Vaters. Das konnte sie mit gutem Gewissen sagen, denn Robert war auch ihr einziger Onkel. Das war ganz gut so. Ihr Lieblingsonkel wäre er sicher immer gewesen, und so tat sie niemandem damit weh.

Er trug einen Korb mit Früchten und eine Leinentasche.

»Wie geht es dir, Häschen? Ich bringe Vitamine, damit du kein Skorbut bekommst«, erklärte er lachend.

»Das ist ganz lieb, Onkelchen! Ich habe wirklich das Gefühl, meine Zähne fangen schon an zu wackeln.« Sie schlang die Arme um ihn und drückte ihn liebevoll.

»Darüber sollte man nicht scherzen. Schon gar nicht bei so schönen Zähnen!« Ihr Onkel schüttelte den Kopf.

»Na, du hast doch mit dem Skorbut angefangen. Aber ganz im Ernst, ich schwöre, ich ernähre mich vernünftig. Trotzdem freut mich das Obst. Hast du Zeit, dann mache ich uns einen Obstsalat. Käse, Wurst und Brot habe ich auch da. Dann könnten wir zusammen essen.«

»Sehr gern, Toni! Ehrlich gesagt, ist bei mir die Gefahr von Skorbut wohl größer als bei dir. Aber ich habe noch etwas für dich, das dich vielleicht noch mehr freut als die Vitamine. Schau mal, was ich bei einer Haushaltsauflösung gefunden habe!« Strahlend hielt er ihr ein recht abgegriffenes Magazin hin. »Eine Modezeitschrift für die Frau von Welt aus dem Dezember 1929. Ich weiß, so was findet man heute alles online. Aber irgendwie bieten die alten Dinge Zwischentöne, die verlorengehen, wenn man sie auf reine Informationen reduziert.«

Toni juchzte regelrecht auf und griff sich ihr Mitbringsel. Die Abbildungen waren wirklich großartig.

Onkel Robert war der Einzige, dem sie von ihrem Romanprojekt erzählt hatte.

Nein, das stimmte ja gar nicht mehr!

Sie hatte auch dem Typ vom Flohmarkt davon erzählt. Leo. Leo Stark mit den dunklen Locken, den hellen Augen, den Handwerkerhänden und der romantischen Seele. Bei dem Gedanken an ihn machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer.

Sie küsste ihren Onkel auf die Wange. »Tausend Dank! Das ist großartig. Ich habe heute Morgen auch etwas Tolles für meinen Roman gefunden. Ich schnipple Obst, und du kannst es dir ansehen. Da auf dem Tisch. Ich habe die Briefe schon eingescannt.«

Die Begeisterung für alle Zeugnisse aus vergangenen Zeiten verband Onkel und Nichte schon seit Jahren. Daher hatte Toni auch gerade ihm zuerst von ihren Plänen berichtet.

Während sie Obst schälte und kleinschnitt, betrachtete ihr Onkel die Briefe schweigend und mit der Umsicht eines Fachmanns.

Seit fast zwanzig Jahren war er Inhaber eines kleinen, renommierten Fachgeschäfts für Philatelisten. Aber heutzutage war seine Haupteinnahmequelle das Erstellen von Expertisen zu Marken überall auf der Welt.

»Toni, wasch dir mal die Hände und komm her! Ich muss dir etwas zeigen«, forderte er schließlich in Richtung Kochzeile. Sein Tonfall ließ sie sofort aufblicken. Sorgfältig wusch und trocknete sie ihre Hände und trat zu ihrem Onkel an den Tisch.

»Ich habe ja immer versucht, dich für Postwertzeichen zu begeistern, leider mit geringem Erfolg. Daher nehme ich an, dass du den Marken wenig Beachtung geschenkt hast.«

»Ein bisschen schon!«, versuchte Toni sich zu verteidigen. Briefmarken fesselten sie wirklich nicht. Aber ein wenig hatte sie von ihrem Onkel gelernt. »Also viele sind gleich. Für mich sehen sie einfach wie recht gängige Marken aus. Sind die drei aus Spanien vielleicht ungewöhnlich?«

»Nein. Die sind gar nicht so schlecht, also sicher an die achtzig Euro pro Stück wert. Auch die eine oder andere deutsche Marke bringt ein paar Euro. Aber die wirklich interessante ist diese hier. Womöglich … sollte ich lieber sagen. Ich muss sie mir erst noch unter dem Mikroskop ansehen. Aber ich bin mir fast sicher.«

Er hielt ihr einen der Briefe aus 1920 hin. Die Marke in der Ecke war violett und zeigte wohl eine Kriegerin mit Helm.

»Sag schon!«, drängelte Antonia.

»Nur unter Vorbehalt. Das ist eine Germania aus 1920. Wenn ich recht habe, dann hat sie ein Wasserzeichen, das sich von dem üblichen unterscheidet und das nur wenige Male gedruckt worden ist.«

»Und, wenn es so ist?« Toni merkte, dass sie den Atem anhielt.

»Dann ist sie schon einen Batzen wert!«

»Was ist ein Batzen in dem Fall?«, fragte sie ungeduldig.

»Nun, den Käufer würde sie sicher sechzigtausend Euro kosten, wenn nicht mehr.«

Toni setzte sich auf einen der beiden Stühle an ihrem Tisch und holte erst mal Luft.

»Was soll ich nun machen?«, fragte sie schließlich.

»Ich würde mir einen zuverlässigen Experten suchen und sie prüfen und bewerten lassen!« Dabei grinste Robert von einem Ohr zum anderen. »Kennst du da zufällig jemanden?«

»Gut! Also du nimmst sie mit?«

»Ich schlage vor, ich nehme den ganzen Packen mit und lege ihn in meinen Safe. Vielleicht helfen mir die anderen Briefe bei der Einschätzung. Du sagst ja, du hast den Inhalt gescannt.«

»Ja, habe ich.«

»Gut, dann lass uns essen. Morgen Abend komme ich wieder und sage dir, was ich herausgefunden habe. Versuch jetzt erst mal nicht mehr darüber nachzudenken.«

Antonia lachte laut auf. »Na, das wird schwierig!« Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

So viel Geld!

Womöglich!!!

Aber Robert hatte recht. Es machte keinen Sinn, über ungelegte Eier zu gackern.

Kapitel 4 Punk from Hell

 

Kaum hatten sie ihren Obstsalat verzehrt, hatte sich Onkel Robert verabschiedet. Er hatte es nicht gesagt, aber Antonia wusste, dass er nicht erwarten konnte, sich die Marke genauer anzusehen. Sein markantes Gesicht hatte den Bluthund-Ausdruck, den sie nur zu gut kannte. Er hatte eine Spur aufgenommen, eine Spur zu einem verborgenen Schatz.

So hatte sie sich an den Esstisch gesetzt, um sich die gescannten Briefe näher anzusehen. In dem Moment geschah das Unvermeidliche.

Der Kerl unter ihr war heimgekommen.

Kaum hatte sie seine Wohnungstür zuschlagen hören, kam, was kommen musste. Der Boden unter Antonias Füßen begann zu vibrieren. Das Gewummer, das durch den Boden in ihr Zimmer drang, war so laut, dass sie es hätte leiser drehen wollen, selbst wenn es etwas gewesen wäre, das sie hätte hören mögen. Es war irgendeine Art von Punkmusik, hatte ihr der Fan erklärt, als sie ihr Herz in beide Hände genommen und ihn vor ein paar Wochen gebeten hatte, sie etwas leiser zu drehen. Offenbar war diese Art von Musik eine Kunstform, die man so laut hören musste, wie es technisch möglich war, um sie wirklich schätzen zu können. Dass Antonia keine Lust hatte, sie zu schätzen, spielte dabei anscheinend keine Rolle. Als sie versucht hatte, ihm zu erklären, dass sie abends arbeiten wolle, hatte er sich erschüttert gezeigt. Das konnte nicht gut für sie sein. Sie brauchte unbedingt Entspannung, meinte er freundlich und hatte ihr einen Joint angeboten.

Sie wünschte, sie hätte ihn genommen, den Joint.

Er hatte sie fast so weit, zu Drogen zu greifen. Gutes Zureden war zwecklos! So konnte es nicht weitergehen. Die Typen, die samstags bei ihm aufschlugen, sahen nicht so aus, als würden sie freundlich reagieren, wenn sie die Polizei rief.

Also klappte sie die Mappe mit den ausgedruckten Briefen wieder zu und setzte sich vor ihren Fernseher, den sie auf Brüllstärke stellen musste, um etwas zu verstehen.

Obwohl das Einzige, was gegen die Geräuschattacke eine Chance hatte, ein Film mit viel Geballer und Explosionen war, wanderten ihre Gedanken doch immer wieder zu den Briefen.

Selbst wenn Onkel Roberts erster Eindruck ihn getäuscht hatte, waren die Marken wohl schon zwei- bis dreihundert Euro wert. Er würde ihr sicher einen guten Preis dafür machen oder sie direkt in ihrem Auftrag verkaufen. Dann konnte sie die Summe nehmen, Leo auf dem Flohmarkt suchen und ihm seine Hälfte des Erlöses bringen.

Warum wollte sie das tun?

Weil sie es so vereinbart hatten!

Und weil sie zuverlässig war!

Und weil sie ihre Versprechen hielt!

Und vielleicht weil Leo so anziehende Grübchen bekam, wenn er grinste!

Und vielleicht weil er gesagt hatte, er vertraue ihr!

Sicher würde der sich freuen, wenn sie ihm das Geld brachte. Und vielleicht würde er vorschlagen, sie könnten ja von einem Teil des Gewinns zusammen essen gehen oder so.

Warum nicht? Das lag doch nahe.

Aber warum hatte er sie nicht nach ihrer Handynummer gefragt oder sich direkt mit ihr verabredet?

Das Kreischen aus dem Geschoss unter ihr passte ganz gut zu dem Gefühl der Enttäuschung, das sie plötzlich ansprang.

Ja, warum wohl nicht?

Hätte sie ihm gefallen, hätte er sicher nicht nur gesagt: Man sieht sich. Ich bin fast jeden Samstag hier.

Wenn einem jemand gefiel, dann versuchte man doch sicher …

Nun, sie hatte ja auch nicht den Vorschlag gemacht. Und heute musste man als Frau nun wirklich nicht mehr warten, bis ein Mann den ersten Schritt machte. Aber sie wusste, warum sie es nicht getan hatte. Ihr steckte immer noch die Beziehung zu Hinner in den Knochen. Sie hatte sich geschworen, sich nie wieder Hals über Kopf mit einem Mann einzulassen.

Im Film explodierte eine Hafenanlage, von unter ihr drang ein ohrenbetäubendes E-Gitarren-Riff an ihr Ohr, und sie seufzte tief.

Im Grunde gab es nur zwei gute Erklärungen dafür, dass er nicht versucht hatte, sich mit ihr zu verabreden. Entweder war Leo fest liiert, oder sie gefiel ihm ganz einfach nicht. Eins so frustrierend wie das andere.

Natürlich gab es auch noch die Möglichkeit, dass er im Grunde schüchtern war.

Hatte er schüchtern gewirkt?

Das konnte man nie so genau wissen, versicherte Toni sich selbst und war mit der Erklärung erst einmal zufrieden.

Kapitel 5 Ein kleiner Schatz

 

Robert Wolfram war auf dem Weg zur Wohnung seiner Nichte.

Sein Herz klopfte jetzt noch richtig heftig. Adrenalin und Endorphine tobten in seinem Blutkreislauf herum.

Das war es, was er an seinem Beruf so liebte!

Natürlich waren Briefmarken an sich schon faszinierend. Sie waren kleine Kunstwerke, Zeitzeugen, Belege für gesellschaftliche Strömungen. Aber was er am meisten liebte, war der Moment, wenn sich ein kleines Stückchen Papier als ein echter Schatz entpuppte. Nun, da er ein anerkannter Sachverständiger war, häuften sich diese Momente natürlich. Wenn er eine Marke vorgelegt bekam, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um ein wertvolles Exemplar handelte – oder eben um eine Fälschung eines solchen. Es war spannend und befriedigend, wenn es ihm gelang, die Echtheit einer Marke zweifelsfrei nachweisen zu können.

Aber nichts übertraf das Gefühl, wenn ihm unverhofft ein Schatz in die Hände fiel. So wie jetzt. Diese Marke war wie unzählige andere auch auf einem Briefumschlag gelandet, um für dessen Beförderung zu sorgen. Sie stammte aus keiner Sammlung. Sie war einfach durch eine Laune des Schicksals in seine Hände gespült worden. Oder vielmehr in Tonis Hände.

Er konnte kaum erwarten, seiner Nichte erzählen zu können, dass er wirklich recht gehabt hatte. Es war die Germania mit dem Kleeblatt-Wasserzeichen, wie er sofort vermutet und gehofft hatte.

Er freute sich für Toni. Seine Nichte ersetzte für ihn die Familie, die er selbst gern gehabt hätte. Nach einer nicht sehr erfolgreichen Ehe geschieden, lebte er nun allein. Keine Frau, keine Kinder.

Antonia hätte er nicht mehr lieben können, wäre sie seine eigene Tochter gewesen und nicht die seines älteren Bruders.

Toni war hübsch und schlau, und sie teilte seine Faszination für Schätze aus lange vergangenen Tagen. Zwar hatte sie sich nie für Briefmarken begeistern können, aber Antiquitäten und Trödel zogen Onkel wie Nichte geradezu magisch an. Deswegen kam er, wenn er bei Haushaltsauflösungen hinzugezogen wurde, wo Briefmarkensammlungen bewertet werden sollten, immer auch mit irgendwelchen anderen Funden nach Hause.

Eigentlich hatte er solche Einsätze gar nicht mehr nötig, und meist lohnte sich der Aufwand nicht wirklich. Aber dem Gefühl, dieses Mal womöglich etwas ganz Besonderes zu finden, konnte er einfach nicht widerstehen. Und fand er keine wertvolle Marke, so fand er doch immer wieder Kleinode, die er einfach mitnehmen musste. Deshalb sah seine Wohnung aus wie ein kleines Museum.

Das war der einzige Vorteil seines Singledaseins. Es gab niemanden, der sich an dem ganzen Trödel störte. Und er selbst hatte manchmal das Gefühl, nicht wirklich allein zu leben, sondern mit etlichen, grundsätzlich wohlwollenden Geistern aus der Vergangenheit. Aber das würde er nicht mal seiner Nichte erzählen.

 

Als er es endlich bis unters Dach des Hauses geschafft hatte, in dem Toni wohnte, stand sie schon in der Tür und lächelte ihn an.

»Da bist du ja schon! Ich habe für uns gekocht. Rindfleisch mit Gemüse aus dem Wok. Damit du kein Skorbut bekommst!«

»Du bist so gut zu mir, mein Kind!«, lachte er und küsste sie auf die Stirn. »Ich habe uns auch etwas zum Nachtisch mitgebracht. Der sollte gleich in den Kühlschrank.« Lächelnd präsentierte er eine Flasche Champagner.

»Oh, gibt es etwas zu feiern?«, fragte Toni mit großen Augen. Ihr Onkel strahlte über das ganze Gesicht. Im letzten Sommer war er fünfzig Jahre alt geworden. Normalerweise sah er aus wie eine etwas jüngere Ausgabe ihres Vaters. Aber nun sah er aus wie ein aufgeregter Junge. Dieser Ausdruck war unverkennbar. Er hatte einen Schatz gefunden.

»Sag schon, bist du wegen der Marke so aufgekratzt?«

»Das bin ich! Schnell, stell die Flasche kalt, dann erzähle ich dir, was ich festgestellt habe.«

»Gut, setz dich! Dann können wir dabei essen. Sonst wird alles matschig. Ist die lila Marke wirklich etwas wert?«, fragte Toni, als sie mit dem Wok an den Tisch kam.

»Das ist sie! Ich hatte recht. Es ist tatsächlich eine Germania mit dem Kleeblatt-Wasserzeichen. Wie die meisten wertvollen Marken ist auch sie im Grunde ein Fehldruck!«

»Ein Fehldruck, den Eugen auf seinen Brief an Martha geklebt hat.«

»Genau! Ein Fehldruck, der über hundert Jahre in einer kleinen Schatulle geschlummert hat«, erklärte Robert.

»Wenn ich die Schatulle nicht aufgemacht hätte, hätte der Käufer die Briefe vielleicht einfach weggeworfen.«

»Ich darf gar nicht daran denken, was für Schätze schon aus Unwissenheit im Müll gelandet sind. Aber dieses Schätzchen ist gerettet worden und wird nun meiner Lieblingsnichte zugutekommen. Vorsichtig geschätzt, ist die Marke sechzigtausend Euro wert. Mit etwas Geduld bringt sie sicher noch mehr.«

 

Toni schwieg einen Moment lang. Sicher, sie wusste, dass es Marken gab, die Millionen wert waren. Aber dass eine Marke auf einem ganz normalen Brief so viel wert sein sollte.

»Da bist du sprachlos, oder?«

»Aber so was von sprachlos! Und du bist dir sicher?« Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. »Natürlich bist du das, sonst hättest du es ja nicht gesagt.«

»Na, dann kannst du dir schon mal …«, setzte er an zu sagen, wurde aber von einem ohrenbetäubenden Gewummer unterbrochen, das nach wenigen Sekunden geringfügig abklang.

»Ich glaube, ich weiß schon, was du mit dem Geld machen solltest. Du solltest dir eine andere Wohnung suchen. Soll ich wirklich nicht runtergehen und mit dem Kerl reden?«

»Nein, bitte nicht! Das bringt nur noch mehr Ärger. Ich suche ja schon die ganze Zeit etwas anderes. Und mit dem Geldsegen haben sich meine Chancen natürlich stark verbessert. Aber da ist eine Sache! Das Geld gehört mir nur zur Hälfte.«

»Wieso das denn?«, fragte er mit erhobener Stimme. Der Lärm von unten war wirklich eine Zumutung.

»Nun, der junge Mann, von dem ich die Briefe bekommen habe, hat aus Scherz gesagt, wenn sie sich als wertvoll herausstellen sollten, sollte ich wiederkommen und mit ihm teilen.«

»Ah so!« Das brüllte Robert in die plötzlich ruhige Küche. Die Musik hatte aufgehört, und das Knallen einer Tür signalisierte, dass der Punk-Liebhaber das Haus verließ. Beide atmeten auf.

»Hast du die Briefe bezahlt?«, fragte er nun in normaler Lautstärke.

»Also, ich habe ihm ein paar Euro aufgedrängt. Er wollte sie mir eigentlich schenken.«

»So oder so gehören die Briefe und damit die Marken dir, das ist dir klar, Toni, oder? Ob man den Scherz als mündlichen Vertrag deuten kann, weiß ich nicht wirklich.«

»Das ist mir auch egal. Ich finde, ich bin moralisch dazu verpflichtet, mich an die Abmachung zu halten. Findest du nicht auch?«

»Was für ein Typ ist das denn? Ein professioneller Flohmarkthändler?«

Ein sehr süßer Typ mit blauen Augen, dunklen Locken und unwiderstehlichen Grübchen. Das dachte sie aber nur. »Nein, ich glaube, er macht das nur hobbymäßig. Er könnte Handwerker sein, oder so. Ich habe das Gefühl, er könnte das Geld auch gut gebrauchen. Ich muss ihm die Hälfte geben.«

Robert wiegte den Kopf hin und her. »Ich mache dir einen Vorschlag. Geh zu ihm und bring ihn mit in meinen Laden. Dann sehen wir weiter. Einverstanden?«

 

»So machen wir es! Ich muss ihn allerdings erst suchen. Am Samstag ist der nächste Flohmarkt, vielleicht ist er wieder da. Ich weiß außer seinem Namen nichts von ihm.«

»Dann warten wir erst mal ab, ob du ihn findest, ehe ich etwas mit der Marke unternehme. Aber den Champagner können wir trotzdem ruhig schon trinken, finde ich.«

Kapitel 6 Meister des perfekten Zuschnitts

 

Leo war ausgesprochen frustriert. Die ganze Woche schon hatte er Überstunden geschoben und musste nun doch samstags arbeiten. Er fügte die Paneele, die er gerade zugeschnitten hatte, in die vorgesehene Stelle an der Wand des geplanten Sitzungssaals ein. Sie passte genau so, wie sie passen sollte. Leo war ein Fanatiker, wenn es um den perfekten Zuschnitt ging. Aber dafür stimmte alles, was er machte, hundertprozentig. Das kirschbaumfarbene Holz harmonierte wunderbar mit den cremefarbenen Wänden. Es war von guter Qualität.

Auch wenn diese Arbeit nur genaues Arbeiten und keinerlei Kreativität erforderte, war es doch einer der befriedigenderen Aufträge, die er mit seinem Chef und seinen Kollegen ausführen durfte. Das meiste, was sie machten, war einfach 08/15. Diese Innenausstattung war zumindest eine Spezialanfertigung. Trotzdem hatte er schlechte Laune, und er wusste ganz genau, warum.

Zu gern wäre er auf den Flohmarkt am Rathaus gegangen.

Vielleicht wäre Antonia Wolfram wiedergekommen. Toni mit dem blonden Pferdeschwanz und den dunklen Augen.

Obwohl … Warum sollte sie?

Sie hatte gesagt, sie sei öfter dort. Das war er auch. Trotzdem hatte er sie nie zuvor gesehen.

Warum nur hatte er sie nicht gefragt, ob sie sich mit ihm treffen wollte?

Richtig gut wäre es gewesen zu sagen, sie könne die Briefe bezahlen, indem sie ihn zu einem Kaffee einlud. Das wäre superunverfänglich gewesen und nicht mal eindeutig eine Anmache. Und es hätte ihm Zeit gegeben, herauszufinden, ob sie einen Freund hatte, was bei ihrem Aussehen sehr wahrscheinlich war.

Aber vielleicht hatte sie auch keinen. Dann hätte er die Zeit nutzen können, sie von seinem Charme zu überzeugen.

Oder vielleicht auch nicht.

Vielleicht hätte er mal wieder nur über Holzstruktur, alten Plunder, Marken und Punzen gelabert, was anscheinend keine moderne junge Frau interessierte.

Aber sie interessierte sich ja für alte Dinge. Das wusste er.

Ob ihr die Liebesbriefe wohl weitergeholfen hatten?

Sicher war sie heute da und er nicht.

So ein Mist!

»Kommst du gut voran, Leo?«, fragte sein Chef und strich über die Anschlussstellen zwischen den Paneelen.

»Mit der Wandverkleidung schon!«, antwortete er missmutig, setzte den Gehörschutz auf und warf die Kreissäge wieder an.

Kapitel 7 Der mit den Killer-Grübchen

 

Zur gleichen Zeit war Antonia tatsächlich über den Flohmarkt gelaufen. Da an der Stelle, wo sie Leo getroffen hatte, ein anderer Tisch aufgebaut war, ging sie alle Reihen ab. Aber er war nicht dort.

So ging sie zurück, wo sein Stand gewesen war. Die ältere Frau mit dem langen grauen Zopf kam ihr bekannt vor. Sie war womöglich die Woche zuvor auch hier gewesen. Also sprach sie sie an.

»Entschuldigen Sie, kennen Sie zufällig Leo Stark? Er hatte letzte Woche hier seinen Stand.«

Die Frau schaute sie kritisch an. »Meinst du den süßen Jungen mit dem breiten Kreuz und den Killer-Grübchen? Wenn ich fünfzig Jahre jünger wäre, wüsste ich auch gern, wo der ist!«

»Ich müsste was mit ihm besprechen. Also, geschäftlich, gewissermaßen. Sie wissen also nicht, wo er wohnt oder wo man ihn erreichen kann?«

»Du weißt schon, dass Geschäfte, die hier auf dem Flohmarkt gemacht werden, so Bestand haben, wie man sie abgeschlossen hat. So was wie Garantie oder Rückgaberecht gibt es da nicht.«

»Ja, ich weiß! Darum geht es nicht.«

»Dachte ich mir schon!«, die Alte grinste wissend. »Leider kann ich dir nicht helfen. Aber er ist wirklich sehr oft hier. An einem der nächsten Samstage wird er sicher wieder auftauchen. Hoffentlich kann dein geschäftliches Anliegen so lange warten.« Wieder lachte sie.

Oje, steht es mir auf der Stirn geschrieben, dass ich ihn gern wiedersehen würde, von unserer Abmachung ganz abgesehen?, dachte Antonia unglücklich. Dann musste sie in den nächsten Tagen unbedingt an einem Pokerface arbeiten.

Kapitel 8 Leo aus der Flasche

 

Die Woche in der Redaktion war wieder einmal tödlich langweilig gewesen. Das Aufregendste, das Toni tun durfte, war, auf alten Microfiche-Geräten Artikel über Unfälle zu suchen, in die Hunde verwickelt gewesen waren. Womöglich dürfte sie einen Artikel über die Häufigkeit von derartigen Vorkommnissen im Vergleich zu heute schreiben. Das war zumindest der Plan gewesen. Da sich aber so gut wie gar nichts zu diesem Thema in den Archiven fand, wurde das Projekt wieder fallengelassen. Also hatte sie brav weiter die Post durchgesehen und an die Empfänger verteilt.

Nun, an ihrem freien Samstag, hatte sie den ganzen Morgen mit Recherche zu ihrem Roman verbracht. Sie wusste nun wirklich mehr über Charleston-Kleider, Topfhüte und Flapper Girls, als sie verwenden konnte. War Josefine ein Flapper Girl gewesen? Irgendwie passte das nicht zu ihrer Vorstellung von ihrer weiblichen Hauptfigur. Wenn sie es nicht gewesen war, warum nicht?

Außer dem Titelblatt zum Roman gab es noch nicht viel Konkretes.

Sie brauchte eine Pause.

Sie hatte sich ohnehin vorgenommen, heute auf den Flohmarkt zu gehen. Hoffentlich fand sie Leo bald. Wie lange würde sie suchen, bevor sie aufgab und das Geld für die Marke einfach behielt?

Nun, so weit war es noch lange nicht.

Auch die Hälfte von sechzigtausend Euro waren eine Menge Geld für sie. Was würde sie damit machen? Sicher in eine Wohnung ziehen, die etwas mehr kostete und in der man zumindest nicht jeden Moment mit einer akustischen Attacke von ihrem Nachbarn, dem Punk from Hell, rechnen musste. Dabei sah ihr Nachbar nicht mal punkig aus. Eher einfach nur vergammelt. Wahrscheinlich lebte er mit dem Lärm seine Frustrationen aus. Die drangen dann durch den Boden zu ihr hoch und setzten sich in ihrem Gemüt fest. Frustriert war sie im Moment wirklich.

Sie schlüpfte in ihre Sneaker und schaute in den Spiegel im Flur. Ein kleines bisschen Wimperntusche wäre vielleicht nicht schlecht, und der neue hellgrüne Pulli sähe auch besser aus als das Sweatshirt, das sie trug.

Machst du dich jetzt schick für den Flohmarkt?, dachte sie genervt, schüttelte den Kopf, ging dann aber doch ins Bad, um sich etwas zu schminken. Umziehen würde sie sich nicht!

So weit kam es noch!

 

Zuerst ging sie wieder an die Stelle, wo Leo das letzte Mal seinen Stand gehabt hatte. Er war wieder nicht da. Seine grauhaarige Standnachbarin allerdings auch nicht.

Zum Glück!

Sicher hätte sie sie wieder so wissend angesehen. Stattdessen hatte ein Mann um die vierzig seinen Stand mit einem wilden Sammelsurium aufgebaut.

Toni sprang eine bauchige Flasche aus graviertem Messing ins Auge. Sie sah orientalisch aus. Der Stopfen, der ebenfalls aus Metall war, glänzte stärker als der Rest, offenbar weil er so oft angefasst worden war. Auch an der dicksten Stelle glänzte das Metall besonders. Ob wohl jemand die Flasche gerieben hat, um einen Dschinni zu rufen?, dachte sie und musste schmunzeln. Genauso sah die Flasche aus. Aber es war eindeutig, dass die Verzierungen maschinell angefertigt worden waren. Sicher war es einfach ein Urlaubsmitbringsel, das überflüssig geworden war.

Sie zog den Stopfen heraus, um sich den Korken anzusehen. Der war wirklich noch fast neu.

In dem Moment sah sie der Herr der Schätze an.

»Kennen Sie zufällig Leo Stark, der hier manchmal einen Stand hat?«, fragte sie.

»Ihr habt mich gerufen, Gebieterin, hier bin ich!«, sagte eine tiefe Stimme direkt neben ihr. Vor Schreck ließ sie die Flasche fallen.

Leo bückte sich danach und gab sie ihr zurück. »Gut, dass sie nicht aus Porzellan oder Steinzeug ist. Sie hat nichts abbekommen.«

»Hast du mich erschreckt!« Toni versuchte, ärgerlich zu klingen, musste aber doch lachen.

»Wenn du mich rufst, komme ich, Antonia Wolfram!«, versicherte er.

»Nun, letzte Woche habe ich gerufen, und du bist nicht gekommen!«

»Hattest du die Flasche da schon? Nein? Na, dann funktioniert es natürlich nicht!«, erklärte er lachend. Die Grübchen waren wirklich Killer-Grübchen.

»Gut!«, wandte sie sich an den Verkäufer. »Ich nehme die Flasche. Was soll sie denn kosten?«

»Fünf Euro!«

»Für drei kaufe ich sie!«

»Vier, und es ist ein Deal!«

Toni kramte das Geld aus ihrem Portemonnaie und nahm die Flasche an sich. Wenn man sie noch mal polierte, würde sie richtig toll aussehen.

»Warum suchst du mich denn?«, fragte Leo und schlenderte neben ihr weiter. »Ich wage nicht zu hoffen, dass es an meinem unwiderstehlichen Charme liegt.«