Mord und Espresso - Elizabeth Horn - E-Book

Mord und Espresso E-Book

Elizabeth Horn

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Beschreibung

Mord und Espresso. Ein Gardasee-Krimi. Ein toter Rechtsanwalt im Boot und seltsame Zwischenfälle im Luxushotel   Verbrecherjagd am Gardasee – Der dritte Fall für Commissario Angelotti und Carlotta.  Als ihre Siesta auf dem Gardasee von einem treibenden Ruderboot mit einer Leiche darin unterbrochen wird, beginnt für Commissario Angelotti und seine Carlotta ein neues Abenteuer.   Der Tote im angetriebenen Boot ist ein bekannter Rechtsanwalt, der offenbar auch in die seltsamen Vorkommnisse im Luxushotel »Palazzo Bianchi« verwickelt war. Natürlich lässt es sich Charlotte, die inzwischen von allen Carlotta genannt wird, wieder nicht davon nehmen, ihren Commissario tatkräftig mit privaten Ermittlungen zu unterstützen. Teil drei der Krimireihe rund um Limone sul Garda ist ebenso unterhaltsam wie seine beiden Vorgänger!   - Nach »Mord und Limoncello« und »Mord und Biscotti« ein neuer Fall für Fabio und Carlotta!   - Das perfekte Geschenk und eine echte Buchempfehlung für Krimi-Fans, die eine Urlaubslektüre suchen - Krimi-Autorin Elizabeth Horn verpackt ihre Italien-Liebe in einen weiteren spannenden Krimi - Bücher mit Urlaubsflair: Die Krimiserie rund um den Gardasee, leckeres Essen und Dolce Vita - Cosy-Krimi für Italien-Fans: Wird das Ermittlerduo Fabio Angelotti und Charlotte Stutz den Mörder finden?   Ein packender Italien-Krimi vom Gardasee mit einer großen Portion Humor  Commissario Angelotti und seine Carlotta kommen einfach nicht zur Ruhe – auch nicht in den letzten Wochen vor seiner offiziellen Versetzung nach Riva del Garda! Hochmotiviert stürzt sich Fabio in die Ermittlungen rund um den toten Avvocato. Carlotta ist auch diesmal mit von der Partie: Schließlich war der Tote der Ehemann einer guten Freundin. Mit ihrem kriminalistischen Spürsinn und einer großen Portion Mut trägt sie entscheidend zur Lösung des Falls bei.   Wird es dem deutsch-italienischen Ermittlerduo zum dritten Mal gelingen, einen kniffligen Fall zu lösen? Die Chancen stehen gut – schließlich geht die Arbeit vor der Kulisse des Gardasees und gestärkt mit Espresso und Biscotti leicht von der Hand. Ein charmantes und humorvolles Lesevergnügen, nicht nur für Italien-Fans!

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Seitenzahl: 323

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MORD UND ESPRESSO

Elizabeth Horn

MORD UND ESPRESSO

Ein Gardasee-Krimi

Diese Geschichte ist frei erfunden. Tatsächlich existierende Personen und Firmen wurden verändert und/oder von der Autorin ausgedacht, Geschehnisse anderen und/oder fiktiven Personen zugeordnet. Verbleibende Übereinstimmungen mit etwaigen realen Personen wären somit rein zufällig und sind nicht gewollt.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Herausgebers und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2024

Copyright dieser Ausgabe © 2024 Servus Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – Wien, einer Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Palatino, Bauer Bodoni, Courier

Umschlaggestaltung: www.b3k-design.de, Andrea Schneider, diceindustries

Umschlagmotive: APA Picture Desk © Christian Frumolt / Lookphotos / picturedesk.com; © Martin Ferriz / shutterstock.com

Landkarte Innenklappe: Nina Andritzky

Autorinnenillustration: Claudia Meitert / carolineseidler.com

Printed by CPI Books, Deutschland

ISBN: 978-3-7104-0343-9

eISBN: 978-3-7104-5085-3

Für Wolfgang,Julia und Thomas

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Saltimbocca alla Maria Angelotti

Danksagung

Prolog

Charlotte Stutz seufzte zufrieden. Sie lag im Boot neben ihrem Freund Fabio, ihr Kopf ruhte auf seiner Brust. Das gleichmäßige Heben und Senken verriet, dass er eingeschlafen war. Der See wiegte ihr kleines Boot in der einsamen Bucht sanft hin und her. Strahlen wärmten selbst durch das Sonnensegel ihr Gesicht.

Sie war eben im Begriff, selbst einzudösen, als sie ein Stoß gegen den Rumpf aufschreckte. Charlotte fuhr hoch, und auch Fabio war sekundenschnell auf den Beinen.

»Che cosa … was zum Teufel war das?«, fragte er.

Ein Ruderboot, das sich offenbar selbstständig gemacht hatte, war von der Strömung gegen den Bug ihres kleinen Bootes, der Promessa, gedrückt worden und trieb jetzt – wie eine Billardkugel nach dem Aufprall – langsam in die entgegengesetzte Richtung wieder davon.

»Cara, gib mir bitte mal den Bootshaken. Wir binden den Kahn an der Promessa fest und schleppen ihn nachher zurück zum Ufer. Da wird sich finden, wem er abhandengekommen ist.«

Geschickt angelte er mit dem Haken am Ende der langen Stange nach dem Tau, das das Ruderboot hinter sich herzog. Als er es erwischt hatte, holte er den Kahn langsam heran, um eine erneute Kollision zu vermeiden. Kaum war das Boot nahe genug, dass man hineinsehen konnte, spürte Charlotte, wie sich sein Körper neben ihr versteifte.

»Schau nicht hin, Carlotta!«, stieß er fast tonlos hervor und verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen von Fabio in Commissario Angelotti.

»Zu spät«, flüsterte Charlotte und wünschte, es wäre nicht so. »Das ist Avvocato Sala. Und an einem Herzinfarkt ist er nicht gestorben.«

»Nein, verdammt! Ich mache das Tau fest. Hoffentlich haben wir hier ein Handynetz.« Angelotti vertäute das Ruderboot und holte sein telefonino aus seiner Jeanstasche.

»Solltest du nicht vielleicht hinübersteigen, Fabio, und …«

Was genau er hätte tun sollen, war Charlotte nicht wirklich klar.

»Wenn ich in das Boot klettere und alle Spuren vernichte, ersäuft mich Pino im See, wenn er kommt. Der Mann ist eindeutig tot, wir können nichts mehr für ihn tun.« Unwillig schüttelte er den Kopf. »Ich rufe Pino an und frage ihn, ob die Carabinieri den Kahn ans Ufer schleppen sollen oder ob er ihn hier untersuchen möchte.«

Charlotte nickte nur. Während Fabio zuerst den Chef der Spurensicherung in Brescia, Pino Gallo, anrief, konnte sie den Blick nicht von dem Ruderboot abwenden.

Auf dessen Boden lag ein großer, schlanker Mann. Ein Fuß ruhte auf der einen Ruderbank, der andere darunter. Sein Kopf lag in einer sehr unnatürlichen Haltung auf der Bank gegenüber. Das wellige, dichte Haar, das dem Anwalt Sala in einer früheren Ermittlung den Spitznamen Föhnwelle eingetragen hatte, war an seiner linken Kopfseite mit getrocknetem Blut verklebt. Seine Augen starrten in den märchenhaft blauen Himmel, ohne ihn zu sehen.

Fabio hatte recht. Ihm war nicht mehr zu helfen. Offensichtlich trug er noch den Smoking, in dem sie ihn am Vorabend gesehen hatten. Nur die Fliege hatte er abgenommen, und einer der eleganten Lackschuhe fehlte. Der Kragen seines blütenweißen Hemds war blutbefleckt.

Mit lauten Flügelschlägen kam eine Möwe heran, setzte sich auf den Rand des Kahns und betrachtete den toten Anwalt interessiert. Auch sie hatte erkannt, dass es sich nicht mehr um einen lebenden Menschen, sondern nun um eine potenzielle Mahlzeit für sie handelte.

Charlotte begann mit den Armen zu wedeln und schrie hysterisch: »Verschwinde, du Mistvieh!«

Schimpfend erhob sich der Vogel.

Plötzlich begannen ihre Hände, unkontrolliert zu zittern, und sie ließ sich auf einen Sitz sinken.

Fabio steckte sein telefonino wieder ein und setzte sich neben sie.

»Die Carabinieri kommen her und schleppen das Boot ab, da es ohnehin schon auf dem See herumgetrieben ist. Wir müssen leider hier auf sie warten.« Er schlang seinen Arm um sie und drückte ihren Kopf gegen seine Schulter, da sie immer noch zu dem Toten hinüberstarrte.

»Und wir müssen ihn vor Aasfressern beschützen«, sagte sie leise. Angelotti nickte nur und strich über ihr Haar.

»Auf alle Fälle sind unsere inoffiziellen Nachforschungen rund um Avvocato Sala nun vorbei.«

1

Einige Wochen zuvor

Charlotte hatte alles beisammen, was sie für ihren Besuch brauchte. Seit sie ihr Nähstudio in Limone eröffnet hatte, hatte sie sich eine elegante Ledermappe angeschafft, die zahlreiche Zeichnungen und Fotos ihrer Modelle enthielt. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Sie trug ein moosgrünes Sommerkleid mit weißen Sneakern dazu. Das sah flott und lässig aus, entsprach aber nicht dem Eindruck, den sie machen wollte. Darum hatte sie ein paar grüne Riemchensandalen in einer Stofftasche dabei. Die würde sie vor Ort anziehen.

Vor Ort …

Im Hotel Palazzo Bianchi.

Charlotte erfüllte der Gedanke an diesen Besuch mit sehr widersprüchlichen Gefühlen.

Sie war stolz und aufgeregt, dass Signora Bianchi, die Mutter des Hoteliers, sie zu sich gebeten hatte, um ein Ballkleid in Auftrag zu geben. In wenigen Wochen würde der legendäre Ballo dei Limoni, der Zitronenball, im Palazzo Bianchi stattfinden, und jeder, der am Gardasee Rang und Namen hatte, würde kommen. Dieser Auftrag war eine wunderbare Chance für sie.

Seit sie in Limone lebte, hatte sie praktisch jeden Winkel in der Gegend besucht.

Nur einen Ort nicht. Den Palazzo Bianchi, das wunderschöne Luxushotel hoch über Limone. Dort war ihr Mann während ihres ersten Besuchs in Limone ermordet worden, und sie hatte das Haus seitdem gemieden.

Doch heute würde sie hingehen.

Sie hatte Fabio gegenüber versichert, das sei gar kein Problem für sie. Er hatte sie besorgt gefragt, ob sie den Auftrag wirklich annehmen wolle. »Aber natürlich! Das ist wirklich großartig und macht mir gar nichts aus!«, hatte sie beteuert.

Aber das war eine Lüge gewesen.

Über die kurvige Straße, die sie von ihren vielen Fahrten zur Casa Angelotti, der Pension von Fabios Eltern, nur zu gut kannte, fuhr sie hinauf.

Hinter dem Hotel stellte sie den zitronengelben Mini mit ihrem Firmenlogo auf dem Mitarbeiterparkplatz ab. Statt auszusteigen, blieb sie einen Moment regungslos im Auto sitzen.

Ihre Hände waren eiskalt und zitterten.

Aus dem Hinterausgang, auf den sie durch ihre Frontscheibe schaute, hatte sie einst der Mörder ihres Mannes in seinen Wagen verschleppt. Ihr Mann, Hauptkommissar Jens Stutz, war damals bei Ermittlungen zu einem Fall im Keller des Hotels erschossen worden. Als der Täter erkannt hatte, dass Charlotte ihm auf der Spur war, hatte er sie entführt und gefangen gehalten, bis Commissario Angelotti sie hatte retten können.

Sie versuchte, ruhig zu atmen und die Gespenster der Vergangenheit wieder unter Kontrolle zu bringen.

Als es an ihr Seitenfenster klopfte, schrie sie spitz auf und presste beide Hände auf die Brust.

Ein junger Page sah sie bekümmert an und öffnete zaghaft die Fahrertür.

»Scusi, Signora Stutz, die sind Sie doch …? Ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken. Signora Bianchi hat mich gebeten, nach Ihnen Ausschau zu halten, damit Sie nicht den Weg zum Apartment der Chefin suchen müssen.«

»Alles gut. Ich war nur einen Moment in Gedanken. Ich komme!«

Charlotte stieg aus, nahm ihre Mappe und ihre Tasche und folgte dem jungen Mann durch den Hintereingang hinein.

Ihr Weg führte sie durch das Kellergeschoss des Hotels, wo sich die Wirtschaftsräume befanden, aber auch die Wellnessabteilung. Hier entlang hatte man sie damals mit vorgehaltener Waffe gezwungen, das Hotel zu verlassen. Irgendwo hier unten war ihr Mann Jens ermordet worden. Charlottes Herz drohte in ihrer Brust zu zerspringen.

Der junge Mann drehte sich zu ihr um und schaute sie besorgt an.

»Arbeiten Sie schon lange im Palazzo Bianchi?«, fragte sie ihn schnell.

Er strahlte sie an. »Nein, ich habe erst vor sechs Wochen mit meiner Ausbildung hier begonnen.«

»Und gefällt es Ihnen? Kommen Sie aus der Gegend?«

»Es macht richtig Spaß! Ich wohne in Riva. Das passt super. So bin ich schnell hier und kann doch zu Hause wohnen. Mein Name ist Giacomo, Signora.«

»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Giacomo!«

»Hier herauf, Signora!« Der junge Mann deutete auf die Marmortreppen, die in die Lobby führten. »Leider fährt der Aufzug hier unten nicht bis hinauf in das Apartment von Signora Bianchi.«

»Kein Problem!«, versicherte Charlotte und hoffte, der Page würde ihre Atemlosigkeit auf die Treppen zurückführen.

Als sie in die elegante Lobby des Hotels traten, wurde ihr leichter ums Herz. Der Raum war sonnendurchflutet, und Menschen in Urlaubsstimmung gaben dem Ganzen eine heitere Atmosphäre.

»Wir nehmen den Aufzug. Das Apartment befindet sich im vierten Stock.«

Als der Lift kam, ließ Giacomo ihr den Vortritt, stieg dann auch ein und drückte den entsprechenden Knopf, den er vorher mit einem Schlüssel freischalten musste.

»Den Schlüssel gibt es, weil sonst immer wieder Gäste aus Versehen bei Signora Bianchi vor der Tür stehen. Das ist besonders ärgerlich, weil sie nicht gut laufen kann. Da ist es schlecht, wenn sie extra aufstehen muss, um jemandem zu sagen, dass er falsch ist.«

Während der Fahrt nach oben fiel Charlottes Blick auf ihre Füße. Die steckten noch in den weißen Sneakern, während die grünen Sandalen in der Stofftasche im Mini lagen. Mist! So etwas würde meiner Freundin Rosanna nie passieren, dachte Charlotte frustriert.

Im vierten Stock ging Giacomo voran und klopfte an die Tür direkt gegenüber dem Aufzug.

Eine zierliche Frau mit stahlgrauem, welligem Haar öffnete ihnen. Sie ging an einem Rollator und war wirklich stark gehbehindert. Ihr Oberkörper war im Rückenbereich leicht deformiert. Charlotte hatte gehört, dass Signora Bianchi seit vielen Jahren unter einer schweren rheumatischen Erkrankung litt.

»Ich bringe Ihnen Signora Stutz!«, sagte der junge Mann betont würdevoll.

»Danke, Giacomo!« Signora Bianchi lächelte ihn freundlich an und entließ ihn mit einem Kopfnicken. »Signora Stutz, ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie gekommen sind. Bitte treten Sie ein! Ich habe uns einen Espresso kommen lassen. Wenn Sie lieber etwas anderes möchten …?«

»Nein, das ist wunderbar, danke Signora Bianchi!«

Charlotte setzte sich in einen hellen Ledersessel, und ihre Gastgeberin wählte das Sofa gegenüber. »Sie sehen bedrückt aus, meine Liebe? Ich hoffe, es liegt nicht daran …« Offenbar wusste die Frau nicht, was sie sagen sollte.

»Nein, gar nicht. Also …, wenn ich ehrlich bin, als ich wieder in den Keller gekommen bin, da …« Charlotte holte tief Luft und legte einen Moment die Hand über die Augen.

»Maledizione«, stieß Signora Bianchi überraschend heftig hervor. »Wie unsensibel von mir. Wie konnte ich nur vergessen, was dieser Ort für Sie bedeutet! Wenn Sie gehen, wird Ihnen jemand Ihren Wagen vors Haus bringen, und wenn Sie das nächste Mal kommen, fahren Sie bitte vor den Haupteingang. Jemand wird den Wagen für Sie parken. Es tut mir so unendlich leid, Signora Stutz.«

»Es war wirklich nicht so schlimm, Signora Bianchi«, log Charlotte so überzeugend wie möglich.

»Was kann ich tun, um das wieder gut zu machen, liebe Signora Stutz?«, fragte die Frau unglücklich.

»Sie könnten mich Carlotta nennen, das tun fast alle, seit ich hier lebe.«

»Sehr gern, Carlotta! Dann bin ich Marina für Sie. Das ist schön. Seit ich so stark ans Haus gebunden bin, nennt mich kaum noch jemand beim Vornamen.«

»Dabei ist es so ein schöner Name! Was kann ich für Sie tun, Marina? Mir wurde ausgerichtet, Sie bräuchten ein Kleid für den Ballo dei Limoni.«

»Richtig. Es ist kaum noch möglich etwas von der Stange zu kaufen, was richtig sitzt, seit ich so schief und krumm geworden bin.« Sie lachte ein ausgesprochen trauriges Lachen.

»Aber, ehrlich gesagt, hätte ich vorher noch eine andere Bitte an Sie, Carlotta.« Die Frau blickte sie aus ihren dunkelgrauen Augen an. Ihr Gesicht wirkte viel jünger als ihr gebrechlicher Körper, obwohl sich tiefe Falten neben ihrem Mund eingegraben hatten. Sicher eine Folge der ständigen Schmerzen, die sie ertragen musste. Marina Bianchi musste einmal eine auffallend schöne Frau gewesen sein.

Sie zögerte offenbar, ihr Anliegen vorzutragen.

Charlotte nickte ihr aufmunternd zu.

»Nun, Signora … Carlotta, Sie haben sich in Limone einen gewissen Ruf erworben. Man spricht darüber, dass Sie Commissario Angelotti bei seinem letzten Fall sehr geholfen haben.«

»Das ist alles ganz furchtbar übertrieben worden …«

»Bitte, Carlotta, wir hier im Palazzo Bianchi haben ein Problem. Mein Sohn Gasparo versucht die Sache von mir fernzuhalten, aber ich bekomme schon noch mit, was hier passiert. Würden Sie mir bitte die Zeitung reichen, die da auf dem Tischchen liegt?«

Charlotte tat wie gebeten. Es handelte sich dabei um das Blatt Gazzettino del Garda. Marina Bianchi hielt ihr die Titelseite hin.

»Skandal in Luxushotel« verkündete die Schlagzeile. Unter einem kurzen Artikel war das Foto einer Ratte. Die saß vor einem Möbelstück mit geschnitzten Klauenfüßen und putzte sich.

Charlotte las sich den Artikel durch. Ein aufgebrachter Hotelgast, offenbar eine ältere Dame mit schwachen Nerven, berichtete ausgiebig von ihrer traumatischen Begegnung mit einer Ratte in ihrem Zimmer des Luxushotels Palazzo Bianchi.

»Das ist ja ein Ding!« Ein besserer Kommentar fiel Charlotte nicht dazu ein.

»Das ist eine abgekartete Sache, das weiß ich einfach!«, sagte Marina Bianchi mit Nachdruck. »Natürlich gibt es rund um einen See Ratten. Hätte man eine im Kellergeschoss gefunden oder sogar noch in der Lobby … aber ich bitte Sie, Carlotta! Die Frau hatte ein De-luxe-Zimmer im dritten Stock.« Unwillig schüttelte Signora Bianchi den Kopf. »Wie soll das Tier unbemerkt durch das ganze Haus gelangt sein?«

Charlotte hatte die Zeitung in die Hand genommen und betrachtete das Foto des Nagers.

»Das sieht mir nicht nach einer wilden Ratte aus. Ich hatte als Mädchen mal eine Ratte als Haustier. Die war auch mehrfarbig wie diese hier. Das würde auch erklären, warum sie so ruhig dasitzt, während sie jemand aus ziemlicher Nähe fotografiert.«

»Ich wusste es!«, rief ihre Gastgeberin aus. »Sie haben eine echte Spürnase. Bitte, Carlotta, könnten Sie sich vielleicht unauffällig ein bisschen für mich umhören. Ich bin überzeugt, das Ganze ist inszeniert worden, um dem Hotel zu schaden. Das ist kein Fall für die Polizei. Und selbst wenn es so wäre, wäre es sicher nicht klug, noch mehr Staub aufzuwirbeln.«

»Was hat die Frau denn gemacht, nachdem sie die Ratte gesehen hat?«

»Nun, sie hat ihre Sachen gepackt und ist ausgezogen, obwohl wir ihr drei Gratistage als Entschädigung für den Schreck angeboten haben. Aber sie wollte so schnell wie möglich weg.«

Marina Bianchi schüttelte ärgerlich den Kopf. »Am nächsten Tag kam dieser Artikel raus. Online hat sie sich wohl auch auf verschiedenen Seiten geäußert.«

»Hat die Frau Forderungen an Sie gestellt?«, fragte Charlotte.

»Nein. Wir haben ihre Adresse überprüft, aber die ist offenbar falsch. Wir haben nichts mehr von ihr gehört. Glauben Sie, Sie könnten etwas über den Schlamassel herausfinden, Carlotta?«

»Ich bin Schneiderin, Marina!«, sagte Charlotte und hoffte überzeugend zu klingen. Ihre Neugier hatte sie schon längst wieder im Griff. Zu gern hätte sie gewusst, was die Sache zu bedeuten hatte.

»Das ist doch das Gute! Mit Ihnen sprechen die Leute unbefangen. Natürlich würde ich Ihnen Ihre Zeit vergüten.«

»Das kommt gar nicht infrage, Marina! Ich verspreche nichts, aber ich werde sehen, ob ich etwas herausbekommen kann. Fabio, ich meine, Commissario Angelotti, sagt immer, ich sei furchtbar neugierig. Und leider hat er damit recht.«

Marina strahlte sie regelrecht an. »Großartig, tausend Dank. Ich werde auch nicht enttäuscht sein, wenn es nichts bringt. Aber bitte verraten Sie meinem Sohn nicht, dass ich mir über die Sache Gedanken mache.«

»Versprochen!« Charlotte nickte. »War das Ballkleid nur ein Vorwand, um mich zu sprechen?«, fragte sie und hielt unwillkürlich die Luft an. Ein Kleid für die Chefin eines Luxushotels zu nähen wäre einfach großartig.

»Nein, wo denken Sie hin! Ich hoffe, Sie können mir ein Kleid nähen, in dem ich nicht aussehe wie ein altes Wrack. Ich weiß, das ist schwierig.« Die Frau lächelte matt.

»Sie werden wunderbar aussehen«, versicherte Charlotte. Ich habe schon eine gute Idee. Schauen Sie mal hier! So etwas könnte ich ideal an Ihre Bedürfnisse anpassen.« Sie blätterte in ihrer Mappe und schob ihrer Kundin einen Entwurf zur Begutachtung hin.

2

Es war später Nachmittag, als Commissario Fabio Angelotti auf dem Bedienstetenparkplatz des Palazzo Bianchi aus seinem Wagen stieg. Da weit und breit niemand zu sehen war, verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und reckte die Ellbogen nach hinten. Irgendwo in seinem massigen Körper gab es ein vernehmliches Knacken. Deshalb sagt man also alter Knacker, dachte er leicht frustriert. Aber es war nicht sein Alter, also nicht nur zumindest. Es lag an diesem elenden Rumgehocke.

In wenigen Wochen sollte das neue commissariato in Riva eröffnet werden, dem er als Commissario capo, also als leitender Commissario, vorstehen würde. Seit das feststand, hatte sein Vorgesetzter, Vice Questore Colombo, ihn von allen aktuellen Ermittlungen abgezogen und an den Schreibtisch verbannt. Selbst dort durfte er keine Nachforschungen betreiben, sondern war dazu verdammt, die Akten alter Fälle sichten. Es war unglaublich öde.

Das gleiche traurige Schicksal hatte seine rechte Hand Ispettore Manuela Pollicino ereilt. Die quirlige junge Frau wirkte in der letzten Zeit zunehmend matter. Sie schien zu welken wie eine Blume ohne Wasser. Ja, genau so fühlte er sich auch. Manuela und er brauchten einfach eine Aufgabe, die ihren Verstand forderte. Sie zählten beide die Stunden, bis sie endlich ihre neuen Stellen antreten konnten. Aber für heute war er dem Aktenfriedhof entkommen.

Da er allein auf dem Parkplatz war, nahm er sich einen Augenblick Zeit, um den traumhaften Ausblick auf den See zu genießen. Das war fast der gleiche Ausblick, den man von der Pension seiner Eltern hatte, die höher am Hang über dem Palazzo lag. Trotzdem berührte ihn die Kombination aus blauem See und majestätischen Bergen immer wieder und gab ihm sofort das Gefühl zu Hause zu sein. Und bald würde auch sein Arbeitsplatz hier in der Nähe sein. Zufrieden atmete er tief ein.

Gasparo Bianchi, der Chef des Palazzo Bianchi, hatte gebeten, ihn in einer privaten Sache sprechen zu dürfen. Das würde er erledigen und sich dann mit Carlotta einen gemütlichen Abend machen.

Anders als Charlotte ging er um das in den Hang gebaute Hotel herum, ein paar Stufen hinauf und betrat es durch den imposanten Haupteingang. Der Portier nickte ihm freundlich zu. In der Lobby war es um diese Tageszeit recht ruhig. Als er an die Rezeption kam, sah Donatella, die Cousine seines Kollegen, auf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

»Commissario Angelotti, wie schön Sie einmal wiederzusehen.«

»Donatella! Ich freue mich auch! Eigentlich sollte ich Sie nun lieber Signorina Lombardi nennen. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung zur Chef Concierge.«

»Grazie, Commissario. Aber ich finde, nach den aufregenden Dingen, die wir zusammen erlebt haben, sollten Sie mich ruhig weiter Donatella nennen.« Kaum hatte sie das ausgesprochen, errötete sie tief. »Das klang jetzt ziemlich … zweideutig.«

»Ach, ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand glauben könnte, eine junge, hübsche Frau wie Sie könnte mit mir … romantische, aufregende Dinge erleben. Aber Sie haben recht, angesichts unserer Erlebnisse während des Falls um die Ermordung von Hauptkommissar Stutz scheint es wirklich passender, dass wir uns beim Vornamen nennen. Dann bin ich für Sie aber auch Fabio.«

»Gern, Fabio!«, erwiderte die junge Frau und schlug ihre dunklen Augen nieder. »Apropos! Signora Stutz war heute auch schon hier. Geht es ihr gut?«

»Ja, Carlotta, Signora Stutz, fühlt sich sehr wohl in Limone. Sie ist eine sehr starke Frau und hat die Ereignisse so gut verkraftet, wie man es erhoffen kann.« Er war froh, dass nur noch so wenige Menschen von Carlotta als »Signora Stutz« sprachen. Ihm ging ihr Nachname inzwischen schwer über die Lippen.

»Da bin ich froh, Commissario … Fabio! Signor Bianchi erwartet Sie schon. Darf ich Ihnen einen caffè bringen lassen?«

»Ach, das wäre wunderbar!«

Angelotti ging durch die Tür hinter der Rezeption durch einen kleinen Aufenthaltsraum zum Büro des Hotelchefs. Die Tür öffnete sich, ehe er sich bemerkbar machen konnte.

»Fabio! Ich habe dich mit Donatella sprechen hören. Wie schön, dass du es einrichten konntest, setz dich doch bitte!«

Angelotti ließ sich sehr vorsichtig in einem Designersessel mit filigranen Beinen nieder.

»Hoffentlich hält der mich aus«, sagte er und grinste schief.

Der Hotelier lachte. »Aber ja! Wie geht es dir, Fabio? Kommen die Umbauten für das commissariato voran?«

»Ja, danke. Es wird noch ein bisschen dauern. Aber alles läuft scheinbar nach Plan. Ich habe das Gefühl, du hast ein Problem, Gasparo. Wie kann ich dir helfen?«

Der Mann ihm gegenüber seufzte und wischte mit seiner eleganten Hand über die Augen. Wie immer war er makellos gekleidet, sein pechschwarzes Haar modisch geschnitten und gestylt. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass ihn etwas belastete.

»Ich weiß nicht, ob du mir helfen kannst, Fabio. Aber ich würde dir gern erklären, womit ich mich im Moment herumschlage.«

In dem Augenblick klopfte es, und Donatella brachte ein silbernes Tablett mit zwei dampfenden Espressotässchen herein. Fragend sah sie ihren Chef an.

»Ich bin gerade im Begriff, dem Commissario die Situation zu erklären.«

Da die Glocke an der Rezeption läutete, nickte sie nur, ging und schloss die Tür hinter sich.

»Dann erzähl mal!«, forderte Angelotti.

»Vor ein paar Wochen hat mich ein internationaler Investor angesprochen. Sie wollen den Palazzo Bianchi kaufen und haben mir eine exorbitant hohe Summe geboten.«

Angelotti nickte, schwieg aber.

»Sie wollen das Hotel an sich erhalten, aber in den Park Bungalows und eine Wasserlandschaft bauen und was man heute scheinbar so alles braucht.« Der Hotelier schüttelte den Kopf.

»Aber du willst nicht? Oder überlegst du noch?«

»Ich habe es natürlich mit meiner Mutter besprochen. Mein Vater hat das Hotel uns beiden jeweils zur Hälfte vererbt. Wie du vielleicht weißt, ist Mutter ziemlich krank. Ich dachte, womöglich sähe sie eine Möglichkeit, das Leben für sie leichter zu machen, sollten wir den Palazzo Bianchi aufgeben. Aber sie sieht es genau wie ich. Das Hotel gehört seit Generationen zu unserer Familie. Es ist nicht nur unser Broterwerb. Es ist auch unser Zuhause, ein großer Teil von dem, was wir sind. Ein Spaßbad in unserem herrlichen Park. Bei dem Gedanken könnte ich weinen.« Er stütze den Kopf in beide Hände und seufzte.

»Das kann ich sehr gut verstehen. Du hast das Angebot also abgelehnt, und dann?«

»Das hat die Interessenten wohl sehr verblüfft. Sie haben auf den gebotenen Preis noch mal eine ordentliche Summe draufgelegt. Aber ich habe Ihnen erklärt, es gehe nicht um den Preis. Ich wollte den Familienbesitz einfach nicht verkaufen. Damit schienen sie sich abzufinden.«

»Schienen?«, fragte Angelotti und zog die Augenbrauen hoch.

»Natürlich ist es reine Spekulation, dass zwischen dem abgelehnten Angebot und dem, was passiert ist, wirklich ein Zusammenhang besteht. Es könnte natürlich auch andere Gründe geben.«

»Na, dann erzähl mal, was passiert ist und warum du nicht die Carabinieri gerufen hast.«

»Fabio, das ist keine Sache für die Polizei, aber ich fürchte, es könnte nur der Anfang sein. Möchtest du noch einen Espresso?«

Angelotti schüttelte ungeduldig den Kopf. »Erzähl schon!«

»Also in den folgenden Tagen wurden deutlich mehr Reservierungen storniert als sonst. Aber das war nicht alles.

Eine ältere Dame, die im dritten Stock wohnte, beschwerte sich, in ihrem Zimmer sei eine Ratte gewesen. Sie hat das Tier sogar fotografiert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es eine Ratte bis da hinaufschafft. Interessant war auch, dass sie von Schadenersatz nichts hören wollte, sondern Hals über Kopf auszog und am nächsten Tag die Story im Gazzettino del Garda erschien.«

Angelotti brummte nur und sah sein Gegenüber erwartungsvoll an.

»Sie hat ein langes, hochdramatisches Interview gegeben, über den schrecklichen Schock, den sie erlitten hat. Aber sie war nicht zu geschockt, um ein paar gute Bilder von der Ratte zu machen. Ich bitte dich, da ist doch was faul.«

»Hat sie sich mit Forderungen an euch gewandt?« Angelotti leerte sein Tässchen.

»Nein, hat sie nicht. Damit hatte ich felsenfest gerechnet – aber nichts.«

Sehr behutsam lehnte sich der Commissario in seinem Sesselchen zurück. »Was kann ich für dich tun, Gasparo? Du denkst, das ist eine Kampagne, um den Palazzo in Verruf zu bringen?«

»Genau! Und ich hoffe, diese im Keim zu ersticken. Die Adresse, die die Frau uns gegeben hat, ist falsch. Ich hatte gehofft, vielleicht könntest du inoffiziell nachforschen. Also ehrlich gesagt … ich hatte gehofft, du könntest vielleicht Signora Stutz bitten, ob sie sich vielleicht diskret umhören könnte … man sagt, sie sei sehr gut darin.«

»Sagt man das?« Unglücklich schüttelte Angelotti den massigen Kopf. »Gasparo, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass Carlotta aufhört, Detektivin zu spielen. Das kann gefährlich sein, und wenn sie sich in etwas verbissen hat, dann ist sie wie ein Terrier.«

»Dann vergiss es, Fabio! Ich will dir keine Probleme bereiten.«

Angelotti atmete tief ein und aus. Gasparo Bianchi sah so unglücklich aus. Was würde er tun, sollte jemand versuchen, die Angelottis um ihre Pension zu bringen? Das wäre einfach furchtbar. Auch für ihn selbst, obwohl er gar nicht im elterlichen Betrieb mitarbeitete. Er verstand sehr gut, was für eine Bedeutung ein Familienunternehmen haben konnte. Es war die Vergangenheit und die Zukunft zugleich.

»Natürlich helfe ich dir, Gasparo! Ich feiere im Moment Überstunden ab und komme deshalb jeden Nachmittag recht früh zurück nach Limone. Da kann ich mich für dich umhören. Ob ich Carlotta einweihe, muss ich mir noch mal überlegen.«

Der Hotelier richtete sich in seinem Stuhl auf. Er schien sichtbar erleichtert. »Ich kann dir nicht genug danken. Mir ist schon viel wohler, wenn ich weiß, es wird irgendetwas unternommen. Übrigens war Signora Stutz heute Morgen bei Mutter. Danke, dass du sie wegen des Kleides gefragt hast.«

Angelotti nickte nur. Auch da hatte er lange mit sich gerungen. Natürlich war die Patriarchin eines Luxushotels eine Traumkundin für Carlotta. Aber es war ihm auch klar gewesen, dass es für sie nicht einfach sein würde, wieder in den Palazzo Bianchi zu kommen.

»Da wir gerade von Mutter sprechen: Ich wäre dankbar, wenn sie von der ganzen Sache nichts mitbekäme.«

»Glaubst du, das ist vernünftig?«, fragte Angelotti streng.

»Mutter ist für mich immer noch eine sehr wichtige Ratgeberin, wenn es um den Palazzo geht. Ohne ihre Hilfe und Erfahrung hätte ich das Hotel niemals nach dem Tod meines Vaters leiten können. Aber es geht ihr wirklich nicht gut, und ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen macht, wenn ich es irgendwie vermeiden kann.«

»Das respektiere ich. Natürlich sage ich nichts. Kannst du dir vorstellen, dass jemand aus dem Haus die Ratte in das Zimmer geschmuggelt hat, oder überhaupt in der Sache drinsteckt?«

»Das kann ich nicht ausschließen. Deshalb habe ich auch mit niemandem vom Personal darüber gesprochen, dass ich vermute, es könnte ein Komplott sein. Donatella habe ich eingeweiht. Aber ihr vertraue ich vollkommen.«

Angelotti sah ihn an und lächelte.

»Gut, das habe ich schon einmal von jemandem behauptet und habe sehr falsch gelegen. Aber Donatella …«, erklärte der Hotelier leidenschaftlich.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Donatella sich in so etwas hineinziehen lassen würde«, stimmte ihm Angelotti zu. »Sie ist dir treu ergeben, und ihr Cousin ist ein Carabiniere. Damit ist sie über jeden Verdacht erhaben.« Er grinste den Hotelier breit an.

»Machst du dich über mich lustig, Fabio?«, fragte der und musste selbst lächeln.

»Vielleicht ein kleines bisschen. Aber manchmal muss man sich auf sein Gefühl verlassen. Ich melde mich, wenn ich etwas herausbekomme. Wenn sich hier etwas tut, das dir verdächtig vorkommt, sag mir unbedingt sofort Bescheid, hörst du?«

»Natürlich, Fabio! Tausend Dank!«

Angelotti stand aus dem Sesselchen auf und war froh, dass er sich nicht darin verkeilt hatte. Auch Gasparo Bianchi erhob sich und begleitete ihn an die Tür.

»Eins noch! Hast du den Zeitungsartikel zur Hand?«

»Ja, habe ich. Donatella hat eine Liste von Internetseiten gemacht, wo er auch erschienen ist. Die kann sie dir ebenfalls mitgeben. Gut ist, dass dieses Käseblatt eigentlich nur direkt hier am See gelesen wird und unsere Gäste meist aus anderen Regionen kommen. Ich danke dir wirklich sehr, Fabio! Wenn Signora Stutz bereit dazu ist, würde ich euch sehr gern zum Ballo dei Limoni einladen. Aber ich würde auch verstehen, wenn sie nicht …«

»Vielen Dank, Gasparo. Ich werde sie fragen und es dich wissen lassen.«

Die beiden Männer waren schon an der Tür, als Commissario Angelotti einen Entschluss fasste. »Gasparo, ich hoffe, es klingt nicht so, als würde ich für den Gefallen, den ich hoffe dir tun zu können, sofort eine Gegenleistung verlangen, aber es gibt da etwas, das ich schon länger gerne mit dir besprochen hätte.«

»Ich wäre wirklich froh, wenn ich etwas für dich tun könnte, Fabio! Komm, wir setzen uns wieder und trinken einen Limoncello, dann spricht es sich viel besser.« Der Hotelier wies auf das zarte Sitzmöbel, und Angelotti ließ sich noch einmal sehr vorsichtig darin nieder.

3

Als Angelotti die Tür zu Carlottas Wohnung am alten Hafen von Limone aufschloss, hörte er das Rattern einer Nähmaschine aus dem hinteren Zimmer. Er musste lächeln. Das hätte ihm mal jemand vor einem Jahr erzählen sollen, was für wohlige Gefühle dieses Geräusch einmal in ihm hervorrufen würde – er hätte laut gelacht.

»Cara, ich bin da!«, rief er, um sie nicht zu erschrecken. Wenn Carlotta nähte, vergaß sie die Welt um sich herum komplett. Offenbar hatte sie ihn gehört und erschien in der Tür ihres Ateliers. Sie lächelte ihn an. »Da bist du ja schon, Fabio! Wie schön!«

Er machte ein paar Schritte auf sie zu und zog sie in seine Arme. »Wenn der elende Vice Questore mir erlauben würde, meine Überstunden als Urlaub abzufeiern, könnte ich mir die Fahrerei jeden Tag nach Brescia und zurück sparen«, grummelte er.

»Du hättest ihm nicht sagen dürfen, dass du das willst. Du hättest sagen sollen, du wolltest auf keinen Fall deine Überstunden als Urlaub abfeiern, dann hätte es bestimmt geklappt.« Sie lachte und strich ihm über die Wange.

»Da hast du natürlich recht. Das ist seine letzte kleine Schikane. Die konnte er sich natürlich nicht durch die Lappen gehen lassen.«

»In dem Satz steckt ein ganz wichtiges kleines Wort, mein Schatz.«

Angelotti sah sie fragend an.

»Letzte. Trage es mit Langmut. Es ist seine letzte Schikane. Bald bist du ihn los. So ziemlich zumindest. Coraggio, Fabio! Nur Mut. Bald ist es überstanden.«

»Aber es ist so schrecklich langweilig«, stöhnte er und klang wie ein quengeliges Kind. Das hörte er selbst. »Manuela hat schon einen ganz trüben Blick. Sie leidet auch sehr.«

»Umso schöner ist es dann, wenn ihr in Riva starten könnt. Vielleicht bräuchtest du bis dahin ein Hobby, ein Rätsel, um deinen Geist fit zu halten und dir die Zeit zu vertreiben.«

Das gab es doch gar nicht. Fast kam es ihm vor, als wüsste Carlotta schon wieder von Gasparo Bianchis Bitte.

»Na ja«, sagte er und setzte sich auf die kleine Bank, die vor dem Fenster hinunter zum Porto Vecchio stand, und streckte seine Hand nach Carlotta aus. Es hatte einfach keinen Sinn, zu versuchen etwas vor ihr geheim zu halten.

Sie nahm neben ihm Platz und lehnte sich an ihn.

»Na ja, was?«, fragte sie.

»Gasparo Bianchi hat mich um Hilfe gebeten. Du warst doch heute bei seiner Mutter. Wie war es für dich, wieder im Palazzo Bianchi zu sein?« Besorgt sah er sie an.

»Gruselig! Ganz ehrlich … zuerst war es richtig schrecklich. Aber es ist nur ein wunderschönes Hotel. Das Schlimme, das dort geschehen ist, hat nichts mit dem Haus zu tun oder den Menschen, die dort leben und arbeiten. Signora Bianchi ist bezaubernd. Sie hat ein ganz wunderbares Kleid für den Ball bestellt.«

»Das freut mich, cara!«

»Was wollte ihr Sohn denn von dir?«

»Nun, er hat mich gebeten ihm in einer Sache zu helfen, aber er möchte nicht, dass seine Mutter davon erfährt.«

»Geht es um die Ratte?«

»Wie bitte?« Entgeistert sah er seine Freundin an.

»Also ging es um die Ratte?«, sagte die geduldig.

Er nickte nur.

»Signora Bianchi hat mich gebeten, mich für sie umzuhören. Aber sie möchte nicht, dass ihr Sohn erfährt, dass sie sich über die Angelegenheit Sorgen macht.«

»Und er möchte nicht, dass sie davon hört und sich darüber Sorgen macht«, erwiderte Angelotti bekümmert.

»Sicher hat er dir die Hintergründe erklärt. Hat er eine Idee, warum jemand dem Palazzo schaden möchte?«

»Er vermutet, dass ein Investor dahinterstecken könnte, der das Hotel gern kaufen möchte.«

»Und die Bianchis denken nicht daran zu verkaufen?«

»Genau!«

Charlotte legte ihren Kopf wieder an seine Schulter.

»Hast du schon etwas unternommen?«

»Ich habe den Verfasser des Artikels im Gazzettino del Garda angerufen und nach dem Namen des Hotelgastes gefragt. Die Angaben, die die Frau im Hotel gemacht hat, sind wohl falsch. Er hat mir einen Vortrag darüber gehalten, dass ihm seine Quellen heilig sind. Er war ganz offensichtlich begeistert, dass er das endlich mal sagen durfte. Ich glaube nach seinen Reportagen über Supermarkteröffnungen bedrängt man ihn nicht sehr oft in der Hinsicht.«

»Eine Idee habe ich schon. Schau mal!« Sie stand von dem Bänkchen auf und holte das Lokalblatt vom Wohnzimmertisch.

»Da, die Ratte! Das ist niemals eine wilde Ratte, sondern eine Farbratte. Die werden als Haustiere gehalten und werden total zahm. Diese sitzt fast da, als würde sie für die Kamera posieren.«

»Stimmt!«

»Nun ich habe Rosanna gefragt, wo man hier am See so ein Tier kaufen würde.« Rosanna, Charlottes Freundin, der das Haus, in dem sie nun lebte, und die Boutique im Untergeschoss gehörten, hatte ihr ganzes Leben lang in Limone gelebt.

»Da es nichts gibt, was Rosanna nicht weiß, konnte sie mir eine Tierhandlung in Salò nennen: Migliori amici, beste Freunde. Da fahre ich morgen mal hin und frage, ob sie so eine Ratte kürzlich verkauft haben.«

»Carlotta, bitte …«

Charlotte schüttelte ungeduldig den Kopf. »Fabio, wenn du mir jetzt wieder erzählst, ich soll mich nicht in Gefahr bringen …«

Er schaute sie nur unglücklich an.

Charlotte lachte und strich ihm übers Haar. »Ich gehe in eine Tierhandlung und frage nach einem Haustier. Natürlich so, dass man nicht mitbekommt, worum es mir geht. Bitte, Fabio, was soll daran gefährlich sein! Du sagst selbst, dir fehlt das Ermitteln. Mir fehlt es eben auch.«

»Aber du kannst stattdessen nähen«, erwiderte er halbherzig.

»Ich könnte es dir auch beibringen!« Nun grinste sie wie ein Honigkuchenpferd. »Wir haben alles da.«

Angelotti zuckte nur mit den Schultern. Er war geschlagen, das war offensichtlich.

»Natürlich werde ich vorsichtig sein, versprochen!«, versicherte Charlotte versöhnlich.

»Ach, da fällt mir ein, Gasparo Bianchi hat uns zum Ballo dei Limoni eingeladen. Würdest du gerne hingehen, Carlotta?«

»Würdest du denn mit mir hingehen? Wir haben noch nie miteinander getanzt.«

»Wenn du gerne gehen möchtest, begleite ich dich sehr gerne dahin. Es muss schon toll sein.«

»Schön, dann ist es abgemacht. Dann gehen wir auf den Zitronenball, und ich werde zum ersten Mal mit Commissario Angelotti tanzen. Ich weiß einfach, das kannst du gut.« Charlotte strahlte ihn glücklich an.

»Und dich braucht man nicht zu fragen, ob du ein passendes Kleid hast.« Nun lächelte er auch.

»Wenn es so weit ist, habe ich eins. Sogar ein maßgeschneidertes!«

4

Commissario Angelotti saß an seinem Schreibtisch in Brescia und hatte beide Hände in seine dicken Locken vergraben. Der Stapel mit verblichenen alten Akten schien einfach nicht kleiner zu werden.

Hinter ihm stöhnte seine Kollegin Ispettore Manuela Pollicino an ihrem Platz.

»Bitte, Fabio! Rette mich!«

Als er sich zu ihr umdrehte, hatte sie ihren Kopf bis zum Anschlag nach hinten sinken lassen. Arme und Beine hingen schlaff von ihrem Bürostuhl herunter. Sie sah aus, als sei sie im Begriff zu zerlaufen.

»Fabio, ich ertrage es nicht mehr. Ich spüre ganz deutlich, wie mein Gehirn beginnt sich zu zersetzen. Ich bin einfach zu jung für so ein schreckliches Ende.«

»Ach, Manuela, wir sind eben verdammt. Wir müssen hier darben, bis wir endlich im commissariato in Riva anfangen können. Bis dahin brauche ich allerdings eine Brille. Diese vergilbten, verblassten Texte machen meine Augen kaputt!«, schimpfte er und rieb sich mit den Fingerknöcheln über die Lider.

»Nun, ehrlich gesagt, habe ich ohnehin manchmal das Gefühl, du könntest eine Lesebrille brauchen. Manchmal starrst du ganz schön angespannt, wenn du etwas lesen sollst, Fabio.«

Angelotti knurrte unwillig. »Manchmal ist das Licht einfach schlecht.«

»Tja, daran kann es liegen. Aber sag, was für einen Sinn hat das, was wir hier tun. Ich habe mit Nina vom Archiv gesprochen. Sie schwört, die Stapel von Akten, die wir durchgehen, waren schon zum Schreddern aussortiert.«

»Du weißt, was das soll! Der Vice Questore will uns aus allem raushalten, bis wir endlich verschwinden. Aber irgendwie muss er uns beschäftigen.« Angelotti schüttelte unglücklich den Kopf. »Bei den alten Akten, können wir auf nichts stoßen, was ihn in einem schlechten Licht erscheinen lässt. Wir müssen da einfach durch. Wir blättern sie einfach durch und stimmen zu, dass sie nicht mehr benötigt werden, was ohnehin jeder weiß.«

»Hast du nicht auch das Gefühl, dein Hirn stellt so nach und nach seine Funktion ein? Vielleicht sollten wir heimlich Sudokus machen oder so.«

»Vielleicht habe ich etwas Besseres für dich. Du erinnerst dich doch sicher noch an Gasparo Bianchi, den Besitzer des Hotels?«

Ispettore Pollicino zog sich in ihrem Stuhl wieder hoch und beugte sich ihm entgegen.

»Erzähl!«, forderte sie.

Doch in dem Augenblick öffnete sich die Tür zu ihrem gemeinsamen Büro, und beide konnten kaum glauben, dass wirklich der Vice Questore höchstpersönlich in der Tür stand. Das hatte es noch nie gegeben. Wenn Vice Questore Colombo einen seiner Untergebenen zu sprechen wünschte, wurde dieser normalerweise aufgefordert, bei ihm im Büro anzutanzen. Ohne Wenn und Aber.