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Neue Anfänge – neue Herausforderungen Clara ist überglücklich: Seit sie in dem warmherzigen Konditor Carl die große Liebe gefunden hat, genießen die beiden ihre Zweisamkeit in ihrer gemütlichen Wohnung über der Konditorei Sternberg. Das Leben könnte gerade nicht besser laufen – wäre da nicht ihr gemeinsamer Freund Hartmut, der auf der Suche seinem Liebesglück ausgerechnet auf eine hinterhältige Heiratsschwindlerin hereingefallen ist. Aber nicht mit Clara! Gemeinsam mit ihrem frischgebackenen Ehemann, ihrer besten Freundin Möhrchen und dem Rest ihrer Freundesgruppe schmiedet sie einen Plan, um Hartmut aus den Fängen dieser Bertrügerin zu befreien. Was kann dabei schon schiefgehen? Ein trubeliger Wohlfühlroman mit viel Herz und Humor – für alle Fans von Manuela Inusa und Julie Caplin. Alle Bände der Reihe: Band 1: Konditorei Sternberg: Tortenträume Band 2: Konditorei Sternberg: Kuchenküsse Die Bände sind unabhängig voneinander lesbar.
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Seitenzahl: 290
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Clara ist überglücklich: Seit sie in dem warmherzigen Konditor Carl die große Liebe gefunden hat, genießen die beiden ihre Zweisamkeit in ihrer gemütlichen Wohnung über der Konditorei Sternberg. Das Leben könnte gerade nicht besser laufen – wäre da nicht ihr gemeinsamer Freund Hartmut, der auf der Suche seinem Liebesglück ausgerechnet auf eine hinterhältige Heiratsschwindlerin hereingefallen ist. Aber nicht mit Clara! Gemeinsam mit ihrem frischgebackenen Ehemann, ihrer besten Freundin Möhrchen und dem Rest ihrer Freundesgruppe schmiedet sie einen Plan, um Hartmut aus den Fängen dieser Bertrügerin zu befreien. Was kann dabei schon schiefgehen?
eBook-Neuausgabe Oktober 2025
Dieses Buch erschien bereits 2017 unter dem Titel »Nicht ganz leicht« bei Montlake Romance, Amazon Media EU S.à r.l.
5 Rue Plaetis, L-2338 Luxembourg
Copyright © der Originalausgabe 2017 by Elizabeth Horn
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: A&K Buchcover, Duisburg, unter Verwendung eines Bildmotives von depositphotos/steveheap, depositphotos/casejustin, depositphotos/numismarty, creativefabrica/Luv Bijou
eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (ah)
ISBN 978-3-69076-392-9
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Elizabeth Horn
Roman
Für Wolfgang und Thomas
Claras Absätze klapperten viel zu laut auf dem langen, stillen Flur. Hinter den Türen links und rechts stellte sie sich ermattete aber glückselige Frauen vor, die sich von den Strapazen der Geburt erholten.
Die Wand zur Linken Claras war hellblau, die zur Rechten in blassrosa gehalten und beide zierten unzählige Fotos von Neugeborenen in einheitlichen weißen Rähmchen, mit Daten versehen.
»Als Christoph geboren wurde, gab es noch einen Raum mit Fenster, in dem man sich die kleinen neuen Erdenbürger betrachten konnte. Das hat mich immer so an unsere Tortenauslage erinnert. Heute sind sie wohl alle gleich bei der Mama«, erklärte Claras Mann Carl und legte ihr die Hand auf die Schulter.
Clara blieb vor dem Bild eines properen Meinen Jungen stehen, der schon viel schwarzes Haar hatte.
Der sieht aus wie Carl auf seinen Babyfotos.
Clara seufzte tief. Carl wäre ein wunderbarer Vater. Aber das Geschenk würde sie ihm nicht machen können.
»Schau mal, der sieht aus wie du als Baby, findest du nicht?«
»Stimmt! Der arme Kleine. Vielleicht verwächst es sich ja noch.«
»Ach, du!«
Carl legte den Arm um seine Frau und zog sie an sich. »Alles gut, mein Clärchen?«
»Ja, alles gut! Ich freue mich auf mein Patenkind. Etwas nervös bin ich auch. Ich habe so gar keine Ahnung von Babys.«
»Keine Sorge, das lernst du schnell. Schau, da sind wir auch schon.« Carl klopfte leise an die weiße Tür.
Als sie eintraten, stand die junge Mutter auf und kam ihnen mit einem kleinen Bündel im Arm entgegen.
Clara hatte sich vorgestellt, Chris läge bleich und schlapp auf dem Bett. Sie sah zwar müde aus, wirkte aber ausgesprochen vergnügt. Ihr üppiges dunkles Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebändigt und war in dem schicken Jogginganzug hübsch wie immer.
»Euer Timing ist perfekt. Die kleine Dame ist satt und zufrieden und freut sich, ihren Onkel und ihre Patentante zu empfangen.«
Carl umarmte seine jüngere Schwester Christine behutsam.
»Ich bin ja so froh, Chris, dass alles gut gegangen ist. Die Kleine ist wunderschön.«
Auch Clara trat zögerlich hinzu und gratulierte.
»Möchtest du deine Patentochter mal nehmen?«, fragte ihre Schwägerin sie strahlend.
»Ich weiß nicht! Ich kann so was gar nicht, Chris. Sie ist so klein und zerbrechlich.«
Wie blöd ist das denn?
Clara schämte sich regelrecht. Sollte man nicht von Natur aus ein Baby halten können. Besonders, wenn man Patentante sein durfte. Sie freute sich doch so sehr darüber.
»Dann will ich sie unbedingt nehmen. Du setzt dich zu mir und ihr könnt euch kennenlernen«, schaltete sich Carl ein.
Gesagt, getan, nahm er Chris die Kleine vorsichtig aus dem Arm und setzte sich auf das Sofa in der Ecke.
Christine nutzte die Gelegenheit, Clara in die Arme zu ziehen.
»Clara, du ahnst nicht, wie sehr Lars und ich uns freuen, dass du die Patin sein wirst. Ich könnte mir keine bessere denken. Und Clara ist so ein schöner Name für unsere Kleine.«
»Ach, Chris! Ich bin so gerührt und stolz, aber ich weiß echt gar nichts über Babys.«
»Du brauchst nur ein bisschen Übung. Außerdem sollst du sie ja nicht großziehen. Ich finde es einfach wunderbar zu wissen, dass sie jemanden wie dich und meinen Bruder hat.«
»Das hätte sie ohnehin gehabt, das wisst ihr ja.«
»Ja, das wissen wir. Aber wir wollten zeigen, wie wichtig uns das ist. So, genug Schmus! Jetzt schau sie dir mal an, vielleicht willst du sie ja gar nicht als dein Patenkind.«
Chris’ Miene zeigte aber, dass sie sich wirklich nicht vorstellen konnte, dass man ihr Baby nicht entzückend fand.
Clara setzte sich neben Carl auf den Zweisitzer. Er saß ganz entspannt da, als hielte er täglich Neugeborene im Arm. Die Hand, mit der er das Köpfchen stützte, war so groß, dass die Kleine fast ganz hineinpasste. Versunken betrachtete er das kleine Menschlein. Man musste wirklich nicht die Mutter sein, um die Kleine zauberhaft zu finden. Das winzige Köpfchen war bedeckt mit seidigem weißblondem Flaum, und das Gesichtchen mit der kleinen Knopfnase war allerliebst.
Clara beugte sich über sie und berührte das feine Haar zögerlich mit dem Zeigefinger. In dem Moment öffnete das Kind die Augen und schaute sie mit einer Mischung aus Interesse und Verwirrung an.
Könnte sie sprechen, dann würde sie jetzt fragen: Sollte ich dich kennen?
Clara musste schmunzeln. Carl schien den Blick ähnlich zu deuten, denn er sagte: »Schau! Das ist deine Patentante, die heißt auch Clara, genau wie du!«
Die Information schien ausreichend zu sein, denn der Säugling klappte die Augen entschlossen wieder zu und schlief weiter.
Clara konnte nicht den Blick von ihr wenden. Sie war so winzig und doch schon so vollkommen. Was ihr das Leben wohl bringen mochte?
»Du sagst ja gar nichts, Liebes?«, fragte Carl.
»Sie schläft doch!«, flüsterte Clara zurück.
»Das ist die ersten Wochen ihre Hauptbeschäftigung, außer Trinken und den Folgen davon. Geräusche stören sie nicht. Außerdem muss sie sich darauf einstellen, bald zwei große Geschwister um sich zu haben. Da ist nichts mit ›schlafe in himmlischer Ruh‹.« Chris lachte.
Aufs Stichwort öffnete sich die Zimmertür einen Spalt breit und Lars, der stolze Vater, lugte herein. Als er sah, dass seine Frau ihn anlächelte, öffnete er sie ganz, um seine beiden »Großen« Christoph und Caroline ins Zimmer zu lassen. Chris eilte ihm entgegen, während die Kinder zu dem Baby gingen. Lars zog seine Frau in die Arme und küsste sie zärtlich und hingebungsvoll, bis sich sein Sohn einschaltete: »Bitte hört mit dem Knutschen auf, das ist echt eklig!«
»Weißt du, mein Sohn, ich möchte wetten, dass du diesbezüglich bald deine Meinung änderst.«
»Na klar doch«, erwiderte der Zwölfjährige. »Aber ihr seid einfach zu alt für so was!«
Carl und Clara schauten sich unwillkürlich an. Christophs Eltern waren erheblich jünger als sie beide. Was hätte er erst gesagt, wenn er gewusst hätte, dass sie »Knutschen« alles andere als eklig fanden.
Auch Lars beugte sich zu seinem Töchterchen und strich ihr über die Wange. »Ist sie nicht perfekt? Kein Wunder bei der schönen Mutter.«
Christoph verdrehte die Augen, betrachtete aber weiter schweigend sein Schwesterchen.
Sicher hatte Lars recht, dass die Mutter eine schöne Frau war, aber der Vater hatte auch seinen Anteil an dem hübschen Säugling. Er sah wie ein kalifornischer Surfer oder ein Filmstar aus, wenn auch im Moment wie ein sehr erschöpfter.
Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man fast glauben, Lars hätte die Kleine zur Welt gebracht.
Clara musste sich ein Grinsen verkneifen. Carl hatte ihr bereits erzählt, dass der arme Lars nach jeder Geburt gelobt hatte, sich am nächsten Tag sterilisieren zu lassen. Teilweise war wohl der Altersunterschied zwischen den Beker-Kindern so groß, weil ihr Papa so lange brauchte, um sich von dem Erlebnis der Entbindung zu erholen.
»Also hübsch ist sie wirklich. Was für ein Glück! Carlchen sah aus wie ein hässlicher kleiner Affe, als wir sie bekommen haben«, erklärte Christoph ernsthaft.
»Das ist doch gar nicht wahr!«, kreischte seine Schwester. »Sag, dass das nicht wahr ist, Onkel Carl. Sag, dass ich auch ein schönes Baby war!«
»Also ich weiß nur noch, dass dein Bruder und du bei der Geburt genau gleich ausgesehen habt. Und wenn überhaupt, dann saht ihr beide aus wie unheimlich süße, hübsche kleine Äffchen, mein Goldschatz.«
Mit seinem freien Arm zog er das kleine Mädchen an sich und küsste sie zart auf das dunkle Haar.
Caroline wurde nicht nur Carlchen genannt, weil ihr Name sich dafür anbot. Ihre ganz besonders enge Beziehung zu ihrem Onkel war ein weiterer Grund. Carl liebte seine Nichte und seinen Neffen abgöttisch, aber Carlchen war ihm immer besonders nah gewesen.
Das ist ganz was Neues, dass Stoffel seine Schwester ärgert. Bisher war er immer ihr großer Beschützer gewesen. Nun, er wird ein Teenie, da ändert sich so einiges. Und Carlchen kommt nächsten Sommer in die Schule. Ob sie dann wohl noch so schmusig sein wird?
Caroline hatte sich zu Carl auf die Sofalehne geklemmt und sich an ihn gekuschelt. Lars saß neben seiner Frau auf dem Bett und hielt sie im Arm.
»Wir müssen unbedingt auch so einen Rahmen mit der Baby-Clara machen. Damit sie jeder sehen kann«, meinte Christoph.
»Vielleicht besser nicht«, wandte seine Schwester ein. »Dann sind die anderen Mamas vielleicht traurig, weil ihre Babys nicht so gut geworden sind wie unseres. Die Mama macht die besten Babys, stimmt’s Mama?«
»Stimmt, aber ich glaube, das war meine letzte Produktion!«
»Du glaubst?«, fuhr Lars auf. »Also für mich ist jetzt definitiv Schluss!«
»Wären das denn auch unsere Geschwister, wenn du einen anderen Mann dafür nimmst, Mama?«, fragte Christoph ungerührt.
»Also das wäre für mich keine Option«, erwiderte Chris und gab ihrem Mann einen Kuss.
Christoph verdrehte demonstrativ die Augen.
»Da bin ich aber erleichtert. Die Kleine sieht nun mal wirklich aus wie ein echtes Meisje! Ihr beide wart gleich echte Sternbergs«, sagte Lars und schaute seine beiden »Großen« zärtlich an.
»Na ja, irgendwann muss sich ja mal mein blonder Niederländer durchsetzen.« Chris schmiegte sich enger an ihren Mann.
»Ach, ich habe ja eine Schwäche für hübsche dunkelhaarige Menschen«, gab Lars zu.
»Wenn Onkel Carls Clara die Patentante von unserem Baby ist, denkt ihr, es bleibt auch so klein wie Clara?«, wollte Carlchen wissen.
»Sicher nicht. Mit ihrer Größe habe ich nichts zu tun. Aber findet ihr es denn gut, dass sie Clara heißen soll?«, fragte die Patentante.
»Es geht schon. Ich hätte Arielle schöner gefunden. Aber ihre Haare sind nicht rot, da passt Clara vielleicht doch besser. Nimm du sie doch mal.«
»Ach, ich muss mich erst an das Babyhalten gewöhnen, Carlchen. Lass sie lieber bei ihrem Onkel.«
»Dann musst du das gleich üben. Du musst sie doch in der Kirche ins Wasser tunken, Clara!«
»Du bist echt blöd. Sie wird doch nicht ins Wasser getunkt. Sie bekommt nur ein paar Tropfen auf den Kopf, du Schaf!«, maulte Christoph.
»Stoffel, ich warne dich!«, mahnte Lars. Die Bekers hatten ihren Sohn schon lange »Stoffel« genannt, weil dessen eigene erste Version seines Namens so ähnlich geklungen hatte, aber im Moment entwickelte er sich wirklich zu einem.
»Aber halten muss die Clara sie, und wenn sie nicht übt, schmeißt sie sie auf den Boden!«, gab Carlchen zurück.
Clara wurde ganz flau im Magen.
»Clara wird uns zu Hause ganz oft besuchen. Da kann sie gemütlich üben. Was meinst du, mein Schätzchen?«, warf Chris beruhigend ein.
»Clara, wir sollten uns vielleicht die beiden Großen schnappen und rüber in die Eisdiele gehen, um einen Eisbecher auf das neue Familienmitglied zu essen«, schlug Carl vor. Er hatte das deutliche Gefühl, dass die jungen Eltern gern etwas Zeit für sich gehabt hätten, ohne eklig genannt zu werden.
»Ja, cool! Das machen wir«, freute sich Christoph.
»O ja! Und das Baby nehmen wir mit. Da können wir es überall rumzeigen.«
»Ich glaube, das ist keine so gute Idee, Carlchen. Sie sollte lieber noch ein bisschen in ihrem Bettchen schlafen.« Carl legte seine jüngste Nichte behutsam ins Bett und strich ihr noch mal über den Kopf.
»Schlaf schön, Meisje.«
Carl parkte den Kombi direkt vor der Konditorei. Später wollte er noch mal los, und aus dem Hinterhof heraus zu rangieren war immer etwas umständlich.
Jedes Mal, wenn Clara die goldenen Lettern »Konditorei Sternberg« las und ihr bewusst wurde, dass das nun ihr Zuhause war, wurde ihr ganz sonderbar zumute. Vom ersten Moment an hatte sie diesen Ort geliebt. Heute glaubte sie zu wissen, was sie damals, außer der offensichtlichen Schönheit der Räume, so stark berührt hatte. Die Konditorei, das war Carl, durch und durch. Und Carl war ihr Zuhause. Hier gehörte sie hin.
Ihr Mann zückte schon den Schlüssel zur Seitentür, aber Clara bat ihn, durch den Laden zu gehen.
»Ich möchte noch mal in die Backstube, die Post holen, Carl.«
»Warum gibt der Briefträger sie eigentlich nicht im Laden ab? Das wäre doch von der Straße aus viel praktischer.«
»Hannes hat die Briefträgerin in der Backstube angefüttert. Immer, wenn sie kommt, hat er einen besonderen Leckerbissen für sie. Ich glaube, er baut darauf, dass Liebe durch den Magen geht.«
»Wirklich? Wieso weißt du das und ich nicht, wo Hannes seit ewigen Zeiten für mich arbeitet? Ich hätte ja nicht mal mit Bestimmtheit gewusst, ob unser Briefträger ein Mann oder eine Frau ist.«
»Du weißt es nicht, weil du ein Mann bist.« Clara lachte. »Wenn auch ein aufmerksamer! Er ist eine Sie, der Briefträger. Eine sehr hübsche Frau. Sie ist wohl sogar Single, so viel hat Hannes schon rausbekommen. Ansonsten sind seine Erfolge eher dürftig. Irgendwie stellt er sich aber auch nicht wirklich geschickt an. Schade eigentlich!«
Als sie den Verkaufsraum betraten, umfing sie der ganz eigene Duft der Konditorei – eine Mischung aus Vanille, anderen Gewürzen, Kaffeeduft und einem ganz speziellen, schwer zu identifizierenden holzigen Geruch. Wenn Clara nachts in Carls Armen lag, hatte sie oft das Gefühl, diese Mischung sei ein fester Bestandteil von ihm. Selbst frisch geduscht oder mit Rasierwasser vermischt war der Duft immer auf seiner Haut. Vielleicht war es aber auch gerade umgekehrt, und die Konditorei roch nach Carl.
Da die Hauptzeit zum Kaffeetrinken vorbei war, waren nur noch zwei Tische besetzt. Es herrschte eine fast andächtige Stille, nur die grün oxidierten Fische des Springbrunnens plätscherten vor sich hin. Ein junges Pärchen am Fenster teilte sich ein Stück Constantins Kirschtorte. In der Nische mit dem Eigentümertisch saß ein einzelner Herr und ließ sich ein Törtchen »Clärchens Traum« schmecken. Clara winkte ihm zu.
»Schön, Sie mal wiederzusehen, Herr Eduard.«
Galant erhob er sich und begrüßte sie und Carl mit Handschlag.
»Ja, heute verwöhne ich mich mal wieder.« Der Gast lächelte.
»Dann wünsche ich Ihnen guten Appetit. Kommst du, Clärchen? Ich brauche dich noch mal, bevor ich los muss«, bat Carl.
Der große Mann mit dem grau melierten Bart lächelte verschmitzt. »Dachte ich es mir doch, liebe Frau Sternberg, dass Sie die Namensgeberin meines Lieblingsgebäcks sind.«
In der Backstube fragte Carl dann seine Frau: »Woher kennst du den denn?«
»Na, er kommt doch mindestens alle zwei Wochen ins Café.«
»... ja, und isst Clärchens Traum, jedes Mal ... allein«, brummte Carl.
»Was soll ich dir denn helfen, Lieber?«
»Ach, nichts. Sonst hätte ich dich aber nicht von dem Typ loseisen können.«
»Aber du sagst doch immer, dass es wichtig ist, mit den Kunden zu sprechen.«
»Schon, aber der nervt.«
»Aber, Carl, er ist doch ein sehr netter, kultivierter Mann.«
»Zu mir ist er nicht halb so nett. So ein Schmalzdackel! ... ›meine liebe Frau Sternberg‹ ...«, äffte Carl ihn nach. »Zu mir sagt er nie ›mein lieber Herr Sternberg‹. Zu mir sagt er gar nichts. Manchmal bin ich ganz froh, dass du nicht öfter im Geschäft bist. Dann hätte ich sicher zig Verehrer von dir am Hals.«
Clara lachte und umarmte ihn. Sie wusste aber sehr wohl, dass Carl es nicht nur scherzhaft gemeint hatte.
Hannes, der Konditormeister, war gerade dabei, Feierabend zu machen. »Habt ihr Chris’ Baby gesehen?«, fragte er interessiert. »Ist sie so süß wie die anderen beiden? Ach bestimmt.«
»Ist sie! Nur dass sie endlich mal blond ist. Ich glaube, Lars freut das, auch wenn er es nicht zugibt.« Carl lächelte. Hannes war so lange Teil der Konditorei Sternberg, dass er schon fast zur Familie gehörte.
»Ich habe die Post auf den Treppenabsatz gelegt. Ich dachte, ihr kommt vielleicht hintenrum rein. Clara, für dich musste ich ein Einschreiben vom Stadtmarketing annehmen. Hast du da nicht an einem Wettbewerb teilgenommen?«
»Oh, da muss ich gleich mal schauen.« Und weg war sie.
»Warum gibt der Postbote die Post denn nicht im Laden ab, das wäre doch einfacher?«, fragte Carl scheinheilig.
»Ach, sie kommt gern in die Backstube. Da weiß sie, dass immer wer da ist, der unterschreiben kann.«
Hannes konzentrierte sich während der Antwort sehr darauf, seine Straßenschuhe zuzubinden.
»Das ist aber ungünstig, dass du das auch noch am Hals hast. Ich glaube, ich sorge dafür, dass die Verkäuferinnen den Empfang quittieren können.«
»Das muss doch nicht sein! Das kostet doch kaum eine Minute. Das macht mir wirklich nichts aus, Carl, und außerdem ...« Ihm schienen keine weiteren Argumente einzufallen.
»Wie du meinst, Hannes. Dann lassen wir es eben so, wie es ist.« Carl schämte sich direkt ein bisschen für seine Hinterlist.
Das gibt es doch nicht! Clärchen hat tatsächlich recht. Mein guter, alter Hannes wandelt auf Freiersfüßen. Und ich dachte, er ist der einzige zufriedene Junggeselle.
In dem Moment kam Clara mit einem Umschlag in der Hand zurück.
»Ich darf die Werbekampagne für das Stadtmarketing machen. Wahnsinn! Ich freue mich ja so.«
Clara hatte in ihrem realistischen, heiteren Malstil eine Szene vor dem historischen Rathaus eingereicht. Die Symbolfigur der Stadt Georg August, allgemein einfach »der Schorsch« genannt, die als Statue in Pumphosen und mit Federhut auf dem bärtigen Haupt vor dem Bahnhof stand, hatte sie in lässiger Pose auf eine Bank gesetzt. Die Haltung war die einer realen Person, aber die gesamte Gestalt war in dem graugrünen Ton der Skulptur gehalten. Offenbar hatte das Anklang gefunden.
Hannes nahm Clara ganz selbstverständlich in den Arm, um ihr zu gratulieren. Carl setzte sich schnell auf einen Hocker und zog sie dann an sich, um sie zu küssen. Im Stehen hätte er seinen großen Körper doch sehr zusammenfalten müssen. Im Sitzen kam er viel besser an seine Frau heran. So langsam sorgte er sich nämlich, dass das viele gebeugte Stehen, um Clara zu küssen, irgendwann seinen Tribut fordern und Probleme in seinem Nacken verursachen könnte. Der wurde durch die Arbeit in der Backstube ohnehin stark beansprucht. Und da es nach gut zwei Jahren nicht so aussah, als würde er bald weniger Lust haben, Clara zu küssen, mussten andere Strategien her. Er war zwar ein ganz junger Ehemann, aber irgendwie wurde es langsam schwer, zu ignorieren, dass er kein ganz junger Mann mehr war.
»Ich bin kein bisschen überrascht, mein Clärchen. Ich fand die Idee gleich großartig. Ich bin mächtig stolz.«
»Ich auch! Ich freue mich wahnsinnig. Es gibt einen Empfang im Rathaus, wo bekannt gegeben wird, dass sie mich ausgewählt haben. Er findet an einem Samstagabend statt, da kannst du doch mitkommen, oder?«
»Du wirst mich nicht davon abhalten können. Geh doch schon mal nach oben und ruf Chris an, ich will mit Hannes schnell noch was für morgen besprechen.«
»Warum soll ich denn Chris anrufen?«
»Na, du willst dir doch sicher ein tolles Kleid für den Empfang schneidern lassen.«
»Aber glaubst du denn, sie kann das jetzt machen mit dem Baby und allem?«
»Auch sie wirst du nicht davon abhalten können!« Carl lachte ausgelassen.
Chris steuerte ihr Auto flott und zielstrebig durch die Straßen, genau so, wie sie alles andere in ihrem Leben auch tat.
Clara saß auf der Rückbank, den jüngsten Spross der Familie neben sich im Babysitz. Immer wieder musste sie die Kleine betrachten. Sie war einfach so niedlich. Besonders faszinierten sie die Händchen und Füßchen, so winzig, aber doch schon ganz fertig. Wenn Clara das Händchen berührte, packte das Meisje zu und hielt ihren Finger fest. Das war ein Reflex bei Neugeborenen. Das wusste selbst Clara ganz genau. Aber es fühlte sich doch wunderbar an. So hätte sie stundenlang sitzen können, mit ihrem Patenkind. Die Versuche, sie auf den Arm zu nehmen, waren dagegen weniger erfolgreich verlaufen.
Bei ihrem letzten Besuch bei den Bekers hatte Carlchen darauf bestanden, dass sich Clara auf die Couch setzte und die Kleine auf den Schoß nahm. Chris hatte sie ihr in den Arm gelegt und ihr gezeigt, wie sie das Köpfchen stützen sollte. So weit, so gut. Clara hatte dagesessen wie paralysiert. Sie hatte kaum gewagt zu atmen, aus Angst, der Säugling könnte irgendwie ins Rutschen kommen. Sehr gut hatte sie sich vorstellen können, wie das wirkte. So hatte sie versucht, wenigstens zu lächeln.
»Das macht dir keinen Spaß!«, hatte Carlchen schließlich verkündet. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ich finde meine Schwester sehr süß und halte sie sehr gern.« Das klang eindeutig eingeschnappt.
»Ach, Carlchen! Ich finde deine Schwester auch sehr niedlich. Ich habe einfach Angst, ihr irgendwie wehzutun.«
»Ach was, wenn du sie nicht hinschmeißt, passiert gar nichts«, hatte die große Schwester daraufhin versichert. Aber irgendwie hatte diese Bemerkung Clara gar nicht beruhigt. Alles war so zart und filigran an dem Kind, einfach zerbrechlich.
Heute nun hatte sie ihren ersten offiziellen Einsatz als Patentante. Chris hatte sie gebeten, sie und das Baby zum Orthopäden zu begleiten, wo im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung auch die Hüften der kleinen Clara untersucht werden sollten.
Chris hatte um Begleitung gebeten, da sie meinte, es sei dann weniger stressig mit dem Ein- und Auspacken des Babys. Gern war Clara dazu bereit.
Im Wartezimmer verhielt sich die Kleine mustergültig und entschied sich, einfach etwas zu schlafen, bis wieder etwas Interessantes passierte. So hatten Chris und Clara Zeit, sich zu überlegen, was denn ein gutes Outfit für die Veranstaltung im Rathaus wäre.
»Chris, es ist toll, dass du mir was nähen willst. Aber ist es dir nicht zu viel, jetzt mit dem Säugling und allem?«
»Mir ist so, als hättest du mich das schon ein oder zwei Mal gefragt. Clara, kann es sein, dass du dir einfach gern mal wieder was kaufen würdest. Das könnte ich völlig verstehen. Also sag es ruhig.«
»Nein! Wirklich nicht! Ich habe mir noch nie was gekauft, das so gut ausgesehen hat wie die Sachen, die du mir genäht hast. Am liebsten würde ich mir nie mehr was kaufen. Ich dachte nur ...«
»Gut, dann sind wir uns ja einig.«
»Gut, dann freue ich mich, wenn du es machen kannst.«
Bevor sie das Thema vertiefen konnten, wurden sie aufgerufen.
Chris trug die Babywippe, Clara die übrige Säuglingsgrundausstattung. Die war deutlich umfangreicher als das Kind selbst.
Der Orthopäde war ein Mann Anfang sechzig mit fast weißem Haar, der Erfahrung und Gelassenheit ausstrahlte.
Chris hatte erzählt, dass er bereits bei den beiden Großen diese Untersuchung durchgeführt hatte und die Familie seit Jahren betreute.
»Ah, Frau Beker! Schön, sie wiederzusehen, und das aus freudigem Anlass. Da ist ja Nummer drei. Lassen Sie uns das kleine Fräulein mal gründlich anschauen. Legen Sie sie hier auf den Tisch und ziehen Sie sie aus.«
»Es stört Sie doch hoffentlich nicht, wenn meine Schwägerin zuschaut, oder? Ein Paar zusätzliche Hände ist immer ganz angenehm.« Chris lächelte den Arzt an, und Clara war überzeugt, sie hätte jede beliebige Bitte äußern können, er wäre außerstande gewesen, sie abzuschlagen.
Die kleine Clara wurde ausgepackt und schien mit jeder entfernten Schicht winziger zu werden. So klein sie war, war sie doch schon schmal und feingliedrig wie alle Bekers. Auch sie würde einmal groß und schlank und elegant werden.
Der Arzt zog die Kleine zu sich und legte sie sich zurecht. Dann bewegte er die Arme und Beine, ohne etwas zu sagen. Schließlich fasste er sie an den Knöcheln und hob sie in die Luft. Clara stockte regelrecht der Atem. Aber es kam noch schlimmer. Er hielt sie abwechselnd an einem Fuß und ließ sie an einem Beinchen hängen. Die kleine Clara ertrug das alles klaglos, die große Clara hingegen musste an sich halten, um nicht zu protestieren. Beunruhigt sah sie Chris an, aber auch die wirkte völlig entspannt.
»So«, sagte der Arzt schließlich, »alles prima. Die Gelenke sind tipptopp und die Körperspannung ist auch einwandfrei. Nun kann sie wieder verpackt werden.«
Er nahm das Meisje unter den Achseln und hielt es seiner Mutter hin. Aber irgendwie war Chris unter dem Behandlungstisch verschwunden. So griff sich Clara den Säugling beherzt und legte ihn an ihre Schulter. Einen vorwurfsvollen Blick in Richtung des Orthopäden konnte sie sich nicht verkneifen. Zart küsste sie das Baby auf den hellen Flaum.
Was macht der denn mit dir, mein Schätzchen?
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie daran gedacht hatte, die Hand auf den Hinterkopf zu legen. Zufrieden kuschelte sich die Kleine an sie. Nackt schien sie noch viel zarter zu sein. Dennoch fühlte sie sich einfach nur gut an.
Chris tauchte mit einer Windel in der Hand unter dem Tisch wieder auf und grinste Clara an.
Der Orthopäde verabschiedete sich und wünschte Mutter und Kind alles Gute.
Chris zog ihre Tochter wieder an und reichte sie dann Clara, um die restlichen Utensilien in der Tasche zu verstauen. Als Clara die Kleine ohne zu zögern nahm, konnte sich Chris ein Grinsen nicht verkneifen.
»Was denn?«, fragte Clara.
»Ich wusste es!«
»Was denn, Chris?«
»Ich wusste, dass die Doktor-Schulz-Show wirken würde. Wenn man das erste Mal sieht, was er mit Säuglingen anstellt, bekommt man einen Schreck. Aber es wird einem auch schlagartig klar, dass sie nicht aus Zucker, sondern schon ganz schön robust sind. Du hältst sie auf dem Arm, als wärst du Kinderkrankenschwester. Super!«
Chris beugte sich vor und küsste sie auf die Wange.
Clara strahlte. »Chris, nimmst du sie bitte doch wieder. Die Treppen runter mag ich sie lieber nicht tragen.«
»Na, klar. Wir müssen ja nicht gleich übertreiben.«
»Glaubst du, Carlchen lobt mich, wenn ich ihr das vorführe?«
»Ganz bestimmt!«
Lachend machten sich die beiden auf den Weg zum Wagen.
Marion kam auf Clara zugestürzt, kaum dass sie und Carl das Gewächshaus betreten hatten.
»Wie geht es dir, du stolze Patentante?«
»Prima! Die Kleine ist unheimlich süß.«
»Ich weiß. Sie ist schon da! Ihre Eltern übrigens auch. Sie sitzen drin.«
Clara lachte. Niemand außer Marion hätte das so formuliert. Sie hatten sich seit der Geburt der kleinen Clara noch nicht gesehen. Die Freundin und ihr Partner Hartmut waren erst am Tag zuvor aus dem Urlaub zurückgekommen. Leicht besorgt schaute Clara sie an.
Die beiden Frauen waren seit Kindergartentagen unzertrennlich. Als Teenies hatten sie sich versprochen, sich gegenseitig zu Patentanten ihrer ersten Kinder zu machen. Sogar die Namen hatten sie sich schon überlegt – vorsorglich für Jungs und Mädchen. Doch beide hatten sie das Versprechen nicht halten können. Für Clara hatte sich der Traum von eigenen Kindern aus medizinischen Gründen zerschlagen, und Marion hatte einfach nie einen akzeptablen potenziellen Vater gefunden. Und nun hatte sich das Thema wohl endgültig erledigt.
Ob sie traurig war, wenn Clara nun doch ein Patenkind hatte, sie aber nicht?
Nein! So ist Möhrchen nicht.
Marion, genannt Möhrchen, sah auch ganz und gar nicht bedrückt aus. Ihr karottenrotes Haar glänzte in den letzten Sonnenstrahlen, die durch das Glasdach des riesigen Gewächshauses fielen. Wie immer war sie farbenfroh und unkonventionell gekleidet und wirkte wie ein bunter Schmetterling zwischen den zahllosen blühenden Pflanzen. Das Gewächshaus war Teil des Großhandels, der Möhrchens Freund Hartmut gehörte. Hier hatte sie ihn auch kennengelernt, da sie Floristin war und häufig hier einkaufte. Die beiden waren fast genauso lange ein Paar wie Clara und Carl – also seit gut zwei Jahren. Der große, hagere Mann schien Möhrchens Bedürfnis nach Nähe und Vertrauen, gepaart mit einem unbändigen Drang nach Unabhängigkeit, genau zu befriedigen.
»Ah, Carl! Mein Märchenprinz! Was bringst du denn da Leckeres mit? Wollen wir nicht zusammen durchbrennen. Ich esse doch viel lieber als Clara.«
»Danke für das nette Angebot, Marion. Aber das hättest du lieber klären sollen, bevor Clara und ich geheiratet haben. Das ist mir jetzt alles zu umständlich. Gib mir einfach einen Begrüßungskuss, dann verrate ich dir zum Trost, dass ich im Auto eine Kühlbox mit einer tollen Geburtstagstorte für Mitternacht habe. Das soll aber eine Überraschung sein. Also ... pssssst!«
»Ich kann schweigen, das weißt du doch, Carl!«, verkündete Möhrchen und streckte sich, um ihn auf die Wange zu küssen.
»Auch wenn du dich dafür sehr quälen musst!«, warf Clara feixend ein.
Gemeinsam brachten sie die Leckereien, die Carl vorbereitet hatte, zu einem langen Packtisch, auf dem das Buffet angerichtet werden sollte. Statt Geburtstagsgeschenken für Hartmut hatten sie sich darauf geeinigt, dass Carl, der als Konditor nicht nur hervorragend backen, sondern auch wunderbar kochen konnte, für ihr leibliches Wohl sorgen sollte. Clara hatte mit niederen Tätigkeiten, wie Gemüse schnippeln, ihren Beitrag leisten dürfen. Chris und Lars hatten für die Getränke gesorgt. So wollten sie in Hartmuts Geburtstag hineinfeiern. Da seine und Marions Wohnverhältnisse recht beengt waren, war dies nicht die erste Feier im Gewächshaus.
Marion bewohnte seit vielen Jahren eine winzige, idyllische Altbauwohnung, an der sie sehr hing. Vor gut einem Jahr hatte sich die Gelegenheit für Hartmut ergeben, die identische Wohnung auf der gleichen Etage zu mieten. Noch keiner von Möhrchens Freunden war so nah an sie herangekommen.
Da Blumenschmuck ohnehin reichlich vorhanden war, hatte Marion überall in der großen gläsernen Halle Lichterketten und Kerzen verteilt. Obwohl noch etwas Sonnenlicht in den Raum fiel, schufen sie ein zauberhaftes Flair.
Die Bekers hatten es sich in der Hollywoodschaukel bequem gemacht, die Tragetasche mit der kleinen Clara neben sich. Chris, Lars, Möhrchen und Hartmut hatten sich über Clara kennengelernt. Besonders die beiden Frauen hatten sich auf Anhieb großartig verstanden, da sie sich mit ihrer offenen, direkten Art sehr ähnlich waren. Aber auch die Männer akzeptierten und mochten sich. Lars und Carl kamen gut damit klar, dass Hartmut nach wie vor sehr schweigsam war. Er schien es vorzuziehen, dem immer lebhaften Gespräch meist nur zuzuhören, aber nicht ohne völlig unverhofft einen kurzen, oft sehr witzigen Beitrag zu leisten.
In dieser Gruppe fühlte sich Clara absolut wohl. Das waren ihre Freunde, die sie so nahmen und mochten, wie sie war.
Nachdem sie Carls Schätze aufgebaut hatten, setzte sich Clara zu den Bekers auf die Hollywoodschaukel und betrachtete ihre Patentochter. Diese tat, was sie immer tat – schlafen und süß aussehen.
»Wie wär’s? Starten wir mit einem Gläschen Sekt?«, fragte Lars in die Runde und holte eine Flasche aus einer Kühltasche.
»Und für die beste Ehefrau von allen habe ich sogar eine Flasche alkoholfreien besorgt. Zu gern würde ich für dich auf alles verzichten, was für unser Meisje nicht gut ist, aber Mutter Natur hat es nicht so gewollt.«
»Behaupte ja nicht, dass du das bedauerst.« Scherzhaft drohte ihm Chris mit dem Finger.
Als alle auf den schönen Abend anstoßen wollten, unterbrach Möhrchen sie. Sie rückte dicht an Hartmut heran, bat um Aufmerksamkeit und warf ihm einen verschwörerischen Blick zu. »Wir haben euch etwas zu sagen, auf das wir mit euch anstoßen wollen ...«
In der entstandenen Stille schauten sich die beiden tief in die Augen.
»Soll ich, oder willst du?«
Wie nicht anders erwartet, nickte Hartmut nur, strahlte Marion aber glücklich von der Seite an.
Bei jedem anderen Paar hätte nicht nur Clara mit der Ankündigung einer Verlobung oder Hochzeit gerechnet. Das war aber gar nicht möglich, da Hartmut rechtlich gesehen noch verheiratet war.
Aufmerksam wandten sich alle Möhrchen zu, die wohl das Gefühl hatte, die Spannung sei nun groß genug.
»Also, liebe Freunde! Hartmut und ich haben uns entschlossen ... (noch eine dramatische Pause) ... die Wand zwischen unseren Wohnungen durchzubrechen.«
Clara und Chris schafften es nicht, ein Lachen zu unterdrücken. Das passte Marion nun gar nicht.
»Was lacht ihr denn so blöd? Das ist ein wichtiger Schritt für uns, ihr Banausen!«
Clara stand auf und nahm ihre Freundin fest in den Arm. »Wir waren nur verblüfft. Es ist toll und unglaublich romantisch. Herzlichen Glückwunsch!«
Wie immer war Möhrchen leicht zu besänftigen und prostete nun allen fröhlich zu, während Hartmut sie mit unverkennbarem Besitzerstolz ansah.
Claras Herz zog sich zusammen. Alles war so gut. Sie mochten sich und alle waren glücklich. In solchen Momenten wünschte sie sich, die Zeit anhalten zu können.
Während die anderen miteinander plauderten, wanderten ihre Gedanken in die Zeit zurück, in der sie sich alle kennengelernt hatten. Sie selbst war, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, nicht sehr glücklich verheiratet, hatte den geschiedenen Carl kennen- und lieben gelernt und sich für einen Neuanfang mit ihm entschieden. Mit ihm waren seine Schwester und deren Familie gekommen, bei denen sie sich von Anfang an willkommen gefühlt hatte. Marion, Claras treue Weggefährtin durch alle Höhen und Tiefen des Lebens, hatte damals den fast krankhaft schüchternen Hartmut kennengelernt. Dass sie alle so schnell gute Freunde geworden waren, machte sie unsagbar froh.
Alle ließen sich die Leckerbissen schmecken und erzählten wechselweise vom Urlaub, den ersten Tagen der kleinen Clara, von Neuigkeiten aus der Konditorei Sternberg und, und, und ...
Als Hartmuts Handy klingelte, ging er nur widerwillig ran. »Nein, wir sind nicht zu Hause. Wir sind im Geschäft ... Hat das nicht Zeit? Na, dann komm her. Du kannst mit uns ein Gläschen trinken. Ja, richtig! Morgen. Wir feiern mit ein paar Freunden rein.«
Außer der versammelten Truppe hatte der stille Hartmut kaum Freunde. Der Anruf kam von Max, der eigentlich ein Zulieferer war, aber seine Beziehung zu Hartmut kam einer Freundschaft doch recht nah.
»Max kommt gleich vorbei. Er will mir unbedingt etwas zeigen, das nicht warten kann. Komisch!«
»Vielleicht hat er ein Geburtstagsgeschenk für dich. Was meinst du?«, fragte Marion.
