Fluch der Toten - Z. A. Recht - E-Book

Fluch der Toten E-Book

Z. A. Recht

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Beschreibung

Die Welt gehört den Toten!

Das gefährliche »Morgenstern«-Virus muss endlich aufgehalten werden! Nach Ausbruch der Zombie-Apokalypse reisen zwei voneinander getrennte Gruppen von Überlebenden durch Amerika auf der verzweifelten Suche nach einem Gegenmittel. Überall treiben blutrünstige Zombies und marodierende Plünderer ihr Unwesen. Wie weit werden die Überlebenden gehen, um das Virus zu besiegen? Die Rettung der Menschheit steht auf Messers Schneide …

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DAS BUCH

Das gefährliche Morgenstern-Virus hat unsere Zivilisation zerstört und den Großteil der amerikanischen Bevölkerung in menschenfressende Zombies verwandelt. Die letzte Hoffnung der wenigen Überlebenden lastet auf den Schultern von Dr. Anna Demilio, einer hochbegabten Militärärztin und Virologin. Begleitet von General Francis Sherman und seinen Elite-Soldaten, soll sie in einer streng geheimen Laboranlage in Omaha, Nebraska, an einem Mittel gegen das Morgenstern-Virus arbeiten. Shermans und Annas Mission wird allerdings nicht nur durch die umherstreunenden Zombiehorden erschwert, sondern auch durch Sawyer, einen Agenten der Regierung der Wiedervereinigten Staaten, der den Auftrag hat, Anna in seine Gewalt zu bringen. Das Überleben der Menschheit hängt am seidenen Faden …

Erster Band: Die Jahre der Toten

Zweiter Band: Aufstieg der Toten

Dritter Band: Fluch der Toten

DER AUTOR

Z.A.Recht war Autor und Amateurhistoriker. Seine Romane um das Morgenstern-Virus und die Untoten haben weltweit eine große Fangemeinde erobert.

@HeyneFantasySF

twitter.com/HeyneFantasySF

www.heyne-fantastisch.de

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Titel der amerikanischen Originalausgabe:

SURVIVORS: THE MORNINGSTAR STRAIN

Deutsche Übersetzung von Ronald M. Hahn

Deutsche Erstausgabe 10/2013

Redaktion: Sven-Eric Wehmeyer

Copyright © 2012 by Z. A. Recht

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Animagic, Bielefeld

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-10534-1V002

Für Z...

Möge die Erinnerung an ihn stets Segen und Bereicherung sein!

PROLOG

Mount Weather

15. Juni 2007

09.30 Uhr

Eine steife Brise erfasste das hoch und elegant über dem mit reger Betriebsamkeit erfüllten Gebäudekomplex flatternde Sternenbanner. Weit unterhalb des bewaldeten Gebirgskamms in den Appalachen eilten Soldaten und Zivilisten umher und erfüllten ihre Pflicht, als hinge ihr Leben davon ab – was auch ganz und gar der Fall war.

Die Welt, die die Lebenden gekannt hatten, gab es nicht mehr. Keine Arbeitsplätze, die man hätte ansteuern und verlassen können, keine Steuern, keine Gesetzeshüter, Rechnungen, Elternabende, Konzerte, Einkaufsbummel. Alles war nur noch Erinnerung.

In Friedenszeiten, vor der Morgenstern-Pandemie, hatte die Sicherheitsanlage am Mount Weather als zivile Kommandozentrale für den Katastrophenschutz gedient. Nun war ein Katastrophenfall eingetreten: Der Morgenstern-Erreger hatte die Erde überschwemmt. Die Großstädte waren längst verlassen oder überrannt worden. Es gab nur noch ländliche Städtchen und Dörfer oder isolierte geschützte Anlagen wie Mount Weather, die ausharrten und Widerstand leisteten. Der Rest der Welt gehörte den Infizierten. Die Sanftmütigen konnten nur noch darauf warten, bis sie sie erbten.

Die Menschheit war nun eine vom Aussterben bedrohte Art.

Die Infizierten waren nicht krank – sie waren feindselig und griffen jeden an, den sie zu Gesicht bekamen. Sie machten in Rudeln Jagd auf Menschen, und ihre Angriffe waren tödlich.

Und ansteckend. Wer gebissen oder auch nur gekratzt wurde, verwandelte sich in einen sabbernden, schwitzenden und schreienden Ansteckungsherd auf zwei Beinen.

Doch das war nicht das Schlimmste. Solange Antiviren keinen Erfolg zeigten und niemand genug über den Morgenstern-Erreger wusste, um eine effektive Verteidigung zu entwickeln, gab es nur eine Möglichkeit, mit einem infizierten Opfer umzugehen. Man musste es töten.

Das nächste Stadium war noch makabrer. Getötete Infizierte standen wieder auf und gaben das Virus an neue Wirte weiter. Ein Schuss in den Kopf war die einzige Möglichkeit, einen Untoten endgültig auszuschalten.

Allein die Vorstellung lebender Toter schlug Wellen durch die politische Welt – von der religiösen ganz zu schweigen. Und als wäre das Krankheitsbild des Virus nicht bereits genug, hatte diese neue Erkenntnis eine Unzahl von Unruhen und eine alles umfassende Panik ausgelöst.

Dennoch: Einige machten ungeachtet der Schwierigkeiten weiter. Die Zäune um Mount Weather hatten verstärkt werden müssen. Männer und Frauen wechselten sich bei der Verteidigung dieses Walls ab und patrouillierten mit ihren Gewehren an der Umzäunung entlang. Kam ein Infizierter zu nahe, taten die freiwilligen Scharfschützen ihre Pflicht und schossen auf seinen Kopf. Anfangs oft, später nur noch ein- bis zweimal am Tag hallte das Echo eines Schusses durch das Gelände.

Wer hinausgeschickt wurde, um Leichen zu beseitigen, trug einen Schutzanzug. Etliche kleine, stets schwelende Gräben trübten vor den Zäunen die Sicht, denn die Leichen wurden verbrannt. Angehörige der Grenzpatrouille zogen den Jackenkragen so weit wie möglich über die untere Gesichtshälfte, um sich vor dem Gestank zu schützen.

Bewaffnete Posten, sieben Tage in der Woche rund um die Uhr im Dienst, waren aufgrund der aufreibenden Dienstpläne und der Anspannung durch die andauernde höchste Alarmstufe fast am Ende. Die raubgierigen Infizierten waren nicht die einzige Bedrohung, gegen die sie sich wehren mussten.

Was von den Vereinigten Staaten übrig geblieben war, befand sich gegen alles andere im Kriegszustand. Personen von Autorität hatten Restgruppen um sich geschart und gingen gegen ehemalige Verbündete vor. Alte Fehden und kleingeistiger Neid trieben die meisten dieser Bewegungen an, aber ein Zwang stand über allem: Finde ein Heilmittel, und behalte es für dich.

Es war ein trauriger und außergewöhnlicher Kreis von Feindseligkeit, in dem Menschen gegen das Virus, das Virus gegen den Menschen und Menschen gegen sich selbst kämpften, obwohl sie das Virus besser gemeinsam hätten bekämpfen sollen.

Wie auch immer – Wissen, Intelligenz und Spionage gaben oft den Ausschlag.

Special Agent Sawyer beherrschte diese Dinge nicht nur perfekt, er war der Beste.

Groß, breitschultrig, mit kurzem braunen Haar, war er der typische Amerikaner. Er achtete sehr auf sich und wusste sich stets in perfekter Pose und mit sachlichem Gesichtsausdruck effektiv zu präsentieren. Er versteckte seine Augen hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Vor einigen Monaten hätte er noch einen Anzug getragen, doch in dieser unsicheren Zeit dachte er eher pragmatisch über seine Bekleidung. Schwarze Kampfanzughosen fielen locker über die Kampfstiefel mit den Stahlkappen, und eine Weste hing über einem langärmeligen, eintönig olivfarbenen T-Shirt. Er marschierte eher, als dass er ging, und dabei schwangen seine Arme im Marschrhythmus vor und zurück.

Sein Ziel war ein Verwaltungsgebäude nahe der Lagermitte. In diesem Gebäude hielt sich der einzige Mensch auf, der Sawyer nervös machen konnte: der Vorsitzende der Vereinigten Generalstabschefs.

Eigentlich war der Vorsitzende der Präsident der Vereinigten Staaten. Eigentlich – denn der echte Präsident war noch im Amt. Er versteckte sich in einem Bunker weiter nördlich. Die Stabschefs kannten die exakte Position, aber sie fanden es richtiger, einen Dilettanten im Amt zu lassen, als das Risiko einzugehen, dass jemand, der fähiger und effektiver war, den Laden übernahm.

Das Camp hier stand hinter dem Vorsitzenden und glaubte seinen Versprechungen bezüglich einer großartigen Zukunft. Seine Parole lautete: Wir müssen ein Heilmittel gegen den Morgenstern-Erreger finden!

Sawyer erinnerte sich an die mitreißende Rede des Vorsitzenden im Plenarsaal des Kongresses. Er hatte sie während einer Notfallkonferenz gehalten. Sie war charismatisch genug gewesen, um nicht erkennen zu lassen, wie hohl und durchschaubar sie war. Es war in den Anfangstagen gewesen, als man über die ersten Infizierten auf einheimischem Boden berichtete und es kaum hatte glauben können. Alles schien nun furchtbar lange her.

»Es ist jetzt nicht die Zeit, darüber zu streiten, ob wir die Grenzen zumachen oder die Kranken deportieren sollen«, hatte der Vorsitzende gesagt und mit der Faust auf das Rednerpult geschlagen, um seine Worte zu unterstreichen. »Es ist jetzt auch nicht die Zeit, politische Spielchen zu spielen oder über das Versagen unserer Gesundheitspolitik zu diskutieren. Jetzt ist auf keinen Fall die Zeit, über terroristische Bedrohungen oder künftige Angriffe auf unser Land zu reden. Das Problem ist real; es wird größer, und wir müssen sehen, dass wir aktuell damit zurechtkommen!«

Dies hatte ihm stehende Ovationen von der Hälfte der Anwesenden eingebracht, quer durch alle Parteien. Die andere Hälfte schien weniger beeindruckt.

»Der Schaden ist bereits eingetreten. Als Pearl Harbor in Schutt und Asche fiel, haben wir da diskutiert, ob wir fliehen oder die Grenzen zumachen sollen? Nein! Wir haben gehandelt! Wir haben das Problem bei der Wurzel gepackt, gelöst und all das wieder aufgebaut, was wir verloren hatten. Als die Briten von der deutschen Luftwaffe angegriffen wurden und uns um Hilfe anflehten, haben wir uns da vor der Pflicht zur Hilfe gedrückt und den Konflikt gescheut? Haben wir den Schwanz eingezogen und sind im Angesicht des Krieges weggelaufen? Nein! Wir haben gehandelt, gekämpft und gesiegt! Als Tausende am Panamakanal an Malaria starben, haben wir da ihre Bitten um Hilfe ignoriert? Nein! Wir haben gehandelt! Wir haben ein Gegenmittel entwickelt! Und das können wir auch jetzt tun! Wir müssen schnell handeln. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen ein Gegenmittel für diesen teuflischen Erreger finden und verhindern, dass noch mehr Menschen dieser großen Nation leiden und sterben müssen!«

Es folgte: donnernder Applaus, der noch anschwoll, als der Vorsitzende, von Secret-Service-Agenten eskortiert, die Rednertribüne verließ.

Sawyer, der alles aus dem Hintergrund verfolgt hatte, fand die Thesen des Vorsitzenden aussagekräftig. Obwohl die Worte leer klangen. Er hatte recht. Der Morgenstern-Erreger war nicht die Art von Problem, das man mit halbherziger Schadensbegrenzung oder nachträglichen Impfstoffen löste. Die Welt brauchte ein Heilmittel.

Das sagte zumindest die subjektive Seite seines Verstandes. Aber Sawyer hatte noch nie auf diesen Bereich seiner grauen Zellen gehört.

Sein objektiver Verstand sagte ihm, dass er eine neue Leitfigur emporsteigen sah. Sawyer, sich seiner eigenen Position stets bewusst, war klar, dass er sich hinter diese Macht stellen würde. Es war ein Wagnis, aber wenn der Vorsitzende diesen Kampf gewann, könnte auch er zu den Machern dieser neuen Welt gehören. Dies hatte natürlich nichts mit dem Vorsitzenden zu tun. Sawyer fand den Mann überheblich, hochtrabend und gänzlich zu zaghaft, auf Werte zu verzichten. Er selbst verfügte nicht mehr über die Stärke, die Ausrüstung und den Spielraum, so zu handeln, wie es erforderlich war.

Trotzdem, ungeachtet der belastenden Einschränkungen, denen er ausgesetzt war, ging es ihm sehr gut. Monate nach dem Ausbruch der Seuche, als der Kampf noch lange nicht vorbei war, befand er sich unter den ranghöchsten Agenten des Zweiten Amerikanischen Bürgerkrieges.

Eine Seite, geführt von Teilen des Kongresses, des Senats und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, versuchten fieberhaft, den Städten, die noch gegen den Erreger kämpften, Unterstützung und Verstärkung zukommen zu lassen. Man sandte ihnen Medikamente – in der vergeblichen Hoffnung, diese würden die Ausbreitung der Seuche zumindest verlangsamen. Sawyer sah mit Abneigung, dass ihre Bemühungen fehlschlugen.

Sie sind mit dem Herzen dabei, aber nicht mit dem Kopf. Man kann die Welt nicht mit dem Herzen verändern. Man ändert sie mit Gewalt.

Die andere Seite, geführt vom Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs und unterstützt vom Rest des Kongresses und des Senats, suchte ein Heilmittel gegen den Erreger und wollte vor nichts zurückschrecken, um es zu finden. Diese Art der rücksichtslosen Entschlossenheit war etwas, mit dem sich Sawyer identifizieren konnte. Da gehörte er hin.

Sie hatten bereits mehrere erfolgreiche Operationen durchgeführt. Die Wiedervereinigten Staaten von Amerika, wie sie sich nannten, hatten Truppen ausgeschickt, um sowohl die USAMRIID in Fort Detrick als auch die Laboratorien der Seuchenschutzbehörde mit ihren Fachkräften in Atlanta zu überfallen. Die Wissenschaftler hatten sich zunächst gesträubt, für die Rebellen zu arbeiten, sahen ihren Irrtum aber schnell ein. Vor allem wegen Sawyers einzigartiger Überzeugungsmethode. Man hatte die gesamte Beute und das Personal nach Mount Weather gebracht.

Alle diese Leute arbeiteten rund um die Uhr in behelfsmäßigen Labors aus umgebauten Munitionsbunkern – und alle waren bisher kläglich gescheitert. Tag für Tag legte man ihnen immer wieder enttäuschende und negative Berichte vor. Die Suche nach einem Heilmittel war eine Totgeburt.

Und das, überlegte Sawyer, war wahrscheinlich der Grund, warum er zu einem Gespräch mit dem Vorsitzenden beordert wurde.

Die Gebäude in Mount Weather waren modern und standen unter ausladenden Bäumen. Sie hatten nicht die Architektur der typischen Regierungsgebäude. Sie hätten mit ihren glänzenden einfarbigen Glas- und Stahlfassaden zu einem Gewerbegebiet passen können. Sawyer schritt die gepflasterten Wege entlang, vorbei an den weiß getünchten Wänden im größten der Gebäude, das den Führungskräften vorbehalten war.

Eine schicke junge Frau saß an der Rezeption, sie sah aus wie eine Bibliothekarin. Sie blickte auf, als Sawyer sich näherte, sagte aber nichts, sondern griff nach ihrem Telefon-Headset und drückte einen Knopf. Einen Augenblick später sagte sie ins Mikrofon: »Er ist da.«

Sawyer hatte damit gerechnet, dass er die Antwort nicht hören konnte. Die Frau nickte, klinkte ihr Headset aus und stand auf. »Der Vorsitzende erwartet Sie bereits. Bitte folgen Sie mir.«

Sawyer nahm die Sonnenbrille ab und richtete seine Kleidung. Jetzt war Schluss mit lustig. Der Vorsitzende ergötzte sich daran, wichtig zu erscheinen. Er hatte es gern, wenn man als Bittsteller zu ihm kam. Es spielte aber keine Rolle. Jeder durfte nach Sawyers Meinung einen Spleen haben. Oder auch zwei. Sein persönlicher Favorit unter den sieben Todsünden war Zorn. Aber der Vorsitzende meinte wohl, Stolz und Überheblichkeit würden ihm mehr Macht verleihen.

Die Frau führte Sawyer durch eine Tür ins Privatbüro des Vorsitzenden. Es war einfach und sachlich eingerichtet und entsprach dem Charakter des Mannes hinter dem Schreibtisch. An der Seite stand ein kleiner Beistelltisch mit einer Kaffeemaschine und nicht gespülten Kaffeetassen. Das Bücherregal war halb leer, aber was dort stand, hatte ausschließlich mit Regierung oder Gesundheitswesen zu tun. Sawyers angeborene Neugier ließ ihn einen Blick auf das aufgeschlagen Buch auf dem Schreibtisch des Vorsitzenden werfen. Es war zu weit weg, um lesen zu können, was dort stand, aber anhand zweier Schwarz-Weiß-Bildchen, die er sah, konnte er erahnen, dass es eine Abhandlung über Epidemien war. Der Vorsitzende machte seine Hausaufgaben.

Der Mann selbst war fast widerlich charmant, eben der geborene Politiker. Sein grau meliertes Haar wirkte, als würde es permanent von einer Ganztagskraft gepflegt. Wie er das beim derzeitigen Stand der Dinge bewerkstelligte, war Sawyer ein Rätsel.

Der Vorsitzende blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen und redete Sawyer mit vor dem Bauch gefalteten Händen an.

»Sawyer! Gut, dass Sie da sind. Ich hörte, Sie haben uns in letzter Zeit viel geholfen.«

»Ich tue, was ich kann.«

»Die Aufklärung organisieren, Patrouillen unterstützen, an der Grenzverschiebung mitarbeiten – das ist eine Menge. Und gar nicht hoch genug einzuschätzen. Wir brauchen gute Leute wie Sie.«

Sawyer wartete einen Augenblick, bis er hörte, dass die Empfangsdame den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Bitte Sir, Sie wissen, dass ich keine Politik mag. Sagen Sie mir, warum ich hier bin.«

Der Vorsitzende kicherte. »In Ordnung. Kommen wir wieder zum Geschäft. Was können Sie mir berichten?«

»Derrick hat seine Rückmeldung verpasst. Ich habe angeordnet, das Unternehmen zu verschieben, und mir alles noch mal genau angesehen.« Sawyer blieb stehen, die Füße schulterbreit auseinander, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Doch während er sprach, schweifte sein Blick unablässig durch den Raum. Er schien den Vorsitzenden gar nicht anzusehen, sondern eher an seiner Umgebung interessiert zu sein. So war Sawyer eben. Seine Aufmerksamkeit war durchaus auf den Mann hinter dem Schreibtisch konzentriert, aber er wollte es nicht zeigen.

»Und?«

»Derrick hat versagt. Es scheint, dass Mason unerwartete Unterstützung bekam, während unsere Leute im Begriff waren, Dr. Demilio einzusacken. Laut der Inspektionsgruppe sah es so aus, als hätten sie die Eingänge verstärkt. Sie berichtet zudem, dass sie eine freundlich gesinnte Kraft auf dem Dach gesehen haben. Sie haben es aber nicht riskiert, näher heranzugehen, um mehr zu erfahren, aber man kann wohl davon ausgehen, dass Derrick und seine Mannschaft im Dienst ums Leben gekommen sind.« Sawyer verkündete all diese schlechten Nachrichten emotionslos und mit der ihm eigenen Distanz.

»Verdammt noch mal«, zischte der Vorsitzende. Er beugte sich vor, runzelte die Stirn und sah Sawyer scharf an. Seine Stimmung änderte sich plötzlich, als hätte man einen Schalter umgelegt. »Und jetzt? Zuerst hieß es, Sie können sie aus diesen oder jenen Gründen nicht ausschalten; weil schlechtes Wetter ist oder man eben Pech hatte. Ich habe es hingenommen, weil Sie ein kostbares Ass im Ärmel hatten. Sie mussten Sie ja nach Omaha fahren lassen.«

»Zugegeben.« Sawyer hatte wegen der kaum verhüllten Beleidigungen des Vorsitzenden das Gefühl, sein Magen drehe sich um. »Ich…«

»Sparen Sie sich jede Ausrede. Ich hab’s satt. Ich will, dass Dr. Anna Demilio hier, in dieser Anlage, in diesem Labor arbeitet und für uns dieses verdammte Heilmittel findet, das wir brauchen, um unser Land zu retten!«

»Ich bin durchaus in der Lage, sie zurückzubringen, Sir«, sagte Sawyer und kniff die Augen zusammen. »Aber es gibt Hindernisse.«

»Was für Hindernisse? Sie haben völlig freie Hand! Sie haben um diesen verdammten Einsatz ersucht! Sie haben gesagt, es habe eine große Bedeutung für Sie.« Der Vorsitzende tippte mit einem seiner Wurstfinger auf die Tischplatte, um jeden Satz zu unterstreichen.

»Ich habe keinesfalls vollkommen freie Hand, Sir«, sagte Sawyer.

Der Vorsitzende schaute einen Moment verwirrt drein, doch dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Ein anerkennendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

»Sie kämpfen dafür, die Besten, die First Guard, zu bekommen, nicht wahr? Sie hätten Politiker werden sollen, Sawyer. Sie wissen genau, wie man eine Situation darstellt, damit sie den Anschein erweckt, es sei richtig, Ihrem Weg zu folgen, den Sie dann zu Ihrem Vorteil nutzen.« Das Grinsen war aus dem Gesicht des Vorsitzenden verschwunden. »Das können Sie vergessen.«

Sawyer atmete langsam ein und bereitete sich auf die unvermeidliche Debatte vor.

Als die Regierung in die jetzigen Fragmente zerbrach, war es bei den Militärs zu den chaotischsten Splittergruppen gekommen. Interne Machtkämpfe waren üblich, und manche Einheiten fanden, der einzige Weg zur Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit – und damit der Kontrolle über sich selbst und ihre Stützpunkte – sei die Übernahme der vollen Verantwortung für die Zivilbevölkerung. Entweder waren die einzelnen Gruppierungen durch interne Machtkämpfe aufgelöst worden oder hatten angefangen, die Befehle ihrer Vorgesetzten zu missachten. Die militärischen Kader, die nicht sofort zerfielen, waren zu eingeschworenen und funktionierenden, aber auch völlig neutralen Einheiten geworden, die ihre Zeit als Wachen in Flüchtlingslagern oder in Städten mit Überlebenden verbrachten. Man sprach nur miteinander, doch mit niemandem sonst und weigerte sich, die Autorität des Bundes oder der Wiedervereinigten Staaten von Amerika anzuerkennen.

Es war zu Kämpfen gekommen, hauptsächlich unter Zivilisten oder selbst ernannten paramilitärischen Einheiten. Dabei ging es in der Regel bei der einen oder anderen Seite um medizinische Versorgung oder Gerüchte über Fortschritte in der Forschung.

Es gab aber auch Hardcore-Splittergruppen mit militärischer Ausbildung. Daraus waren voll funktionstüchtige Einheiten entstanden, deren Hauptaufgabe das Aufspüren oder Zerstören war und die nicht als Polizei handelten oder Wächterfunktionen ausübten: Sie waren Plünderer, Vorausabteilungen. Die Wiedervereinigten Staaten von Amerika des Vorsitzenden verfügten über drei solcher Einheiten mit jeweils fast hundert Mann. Zwei waren derzeit mit Operationen an der Ostküste entlang betraut. Die beste Einheit, die First Guard, war allerdings am Mount Weather stationiert und diente dem Vorsitzenden als persönliche Sicherheitstruppe. Sie war gut bewaffnet, gut ausgebildet und dank der Nähe mehrerer Militärdepots gut ausgestattet. Der Vorsitzende hatte die direkte Befehlsgewalt über diese Truppe. Die zweite und dritte Einheit bekamen ihre Befehle von einem Gremium der provisorischen Regierung, die der Vorsitzende mitgebracht hatte. Dies war ein starker politischer Schachzug von ihm, der Gerüchte über eine Diktatur im Keim erstickte.

Sawyer fand die Auffassung des Vorsitzenden absurd.

»Nein, Sir, ich bin nicht auf die First Guard aus«, sagte er. »Sie ist nicht mein Ziel.«

»Sie werden nicht einen einzigen Mann bekommen, nicht ein einziges Gewehr! Sie haben das Problem erschaffen, als Sie Demilio entwischen ließen. Und es war Ihr Partner, der ihr dabei geholfen hat! Sie sitzen seit Monaten in einem Haufen Ihrer eigenen Scheiße, Sawyer. Ich empfehle Ihnen, dass Sie anfangen, sich daraus zu befreien.«

Sawyer runzelte leicht die Stirn. Allmählich ärgerte ihn dieser Mann. Er wollte anfangen zu sprechen, doch bevor er protestieren oder sich verteidigen konnte, ergriff der Vorsitzende sein Telefon und drückte den Rufknopf.

»Wache!«

Die Wache, ein Marineinfanterist in voller Montur und mit Seitengewehr, war sofort zur Stelle. Er kam geräuschlos durch eine zweite Tür im Hintergrund des Büros. Der Vorsitzende fixierte Sawyer mit seinem Blick, und die Wache nahm hinter ihm Aufstellung.

»Mr. Sawyer ist in der Mount-Weather-Anlage nicht mehr willkommen. Es ist ihm nicht erlaubt zurückzukehren, ohne dass er Dr. Anna Demilio mitbringt. Lebend. Haben Sie verstanden?«

Sowohl Sawyer als auch der Wachtposten wussten, dass die Worte des Vorsitzenden überwiegend Effekthascherei waren. Trotzdem nickte der Soldat. »Jawohl, Sir.« Er ging hinüber zu Sawyer und berührte seinen Ellbogen. »Sir, wenn Sie mir bitte folgen wol…«

Seine nächsten Worte waren ein unartikuliertes Keuchen, das von Schmerzen kündete. Sawyer bewegte sich wie ein geölter Blitz. Er ergriff den Arm des Mannes, drehte ihn nach hinten und warf den Soldaten, indem er starken Druck auf sein Handgelenk ausübte, zu Boden. Der harte Aufschlag ließ den Mann nach Luft schnappen. Der Vorsitzende griff erschrocken nach seinem Telefon. Sawyers andere Hand war schon am Holster des Soldaten, zog die Pistole heraus und schwenkte sie herum. Ein Laser-Zielpunkt tanzte auf der Stirn des Vorsitzenden.

Einen Moment lang verharrten die drei Menschen in dem Büro in völliger Stille.

Der Vorsitzende saß bewegungslos auf seinem Stuhl, das Telefon baumelte an seiner Hand herab. Der rot angelaufene Wachtposten rang auf dem Boden nach Luft, und Sawyer, sein Knie fest gegen den Rücken des Mannes gedrückt, behielt sein Ziel weiter sorgfältig im Blick.

»Wollen Sie mich jetzt erschießen? Ist das Ihre Absicht?«, fragte der Vorsitzende schließlich, als er seine Fassung zurückgewann. Er hatte Angst, aber er verbarg sie gut. »Wollen Sie alles hier selbst übernehmen?«

»Nein, Sie Idiot«, knurrte Sawyer. Er war nun wütend. »Sie sind nicht Cäsar, und ich bin nicht Ihr Brutus. Und Sie haben todsicher keinen Job, an dem ich interessiert bin. Was Sie haben, sind Männer und Ausrüstung, die ich brauche, um Demilio zu schnappen und Mason zu töten. Ich frage Sie: Habe ich Sie in dieser Hinsicht je im Unklaren gelassen?«

Der Vorsitzende befeuchtete seine Lippen und dachte kurz nach.

»Ich wiederhole«, sagte Sawyer, den Finger fest am Abzug, »habe ich mich jemals unklar ausgedrückt, dass es meine Absicht ist, Mason zu töten und Demilio hierher zurückzubringen?«

»Nein, nicht ein einziges Mal«, sagte der Vorsitzende. »Das haben Sie immer deutlich gesagt.«

»Was ich hier mache, tue ich nur, um klare Verhältnisse zu schaffen«, sagte Sawyer. Er hielt den Marineinfanteristen noch immer mit verdrehtem Handgelenk und Knie im Rücken am Boden fest. »Sehen Sie diesen Mann hier? Er könnte wahrscheinlich zehnmal am Tag töten, ohne ins Schwitzen zu geraten. Und ich? Verflucht, ich könnte Sie töten, bevor ich selbst weiß, dass ich mich dazu entschlossen habe. Aber keiner von uns macht so etwas. Wir haben bessere Dinge zu tun. Aber um meinen Auftrag zu erfüllen, brauche ich einiges von Ihrer kostbaren First Guard. Ich brauche Kämpfer. Ich kann Mason und seine Kumpane draußen in Omaha nicht selbst übernehmen, aber ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass ich mich hier ganz bestimmt um Sie kümmern kann.«

»Ähm«, sagte der Vorsitzende nach einem langen Atemzug. Sie waren jetzt in der Tarifverhandlungsphase, und er kapierte allmählich, dass er nicht sterben würde. »Welche Art von…Zugeständnissen verlangen Sie genau?«

Sawyer wusste, was er antworten würde. Er hatte es sich vor dem Betreten des Büros des Vorsitzenden reiflich überlegt.

»Fünfzig Mann sowie Gewehre, Pistolen, Munition, Granaten und Verpflegung für das genannte Personal. Und Zugang zu Munitionsbunker acht.«

»Stopp.« Der Vorsitzende hob die Hand. »Bunker acht ist…«

»Schwere Waffen und Sprengstoff, ich weiß. Sind wir wieder an dem Punkt, meine Methoden infrage zu stellen?« Sawyer verdrehte das Handgelenk des Wachtpostens gerade so weit, um dem Mann ein schmerzliches Stöhnen zu entlocken.

»Okay. Alles klar. Sie haben Zugriff auf Nummer acht. Was sonst noch?«

»Zugriff auf den Fuhrpark. Und zwei Huey-Kampfhubschrauber.«

»Was?«, blaffte der Vorsitzende. »Das ist viel zu riskant, die begrenzte Menge Treibstoff, die wir im Moment haben, für diese fliegenden Felsbrocken zu verwenden…«

»Wollen Sie, dass die Angelegenheit richtig und erfolgreich erledigt wird? Oder wollen Sie es nicht? Das da draußen ist eine feindliche Welt. Die haben sich angepasst. Sie haben sich verbunkert. Sie sind in einer Stadt, in einer Umgebung mit entsprechender Bebauung. Wir müssen Luftunterstützung haben. Es geht nicht anders. Hören Sie auf, sich wie ein Erbsenzähler zu benehmen. Versuchen Sie für ein paar Sekunden wie ich zu denken. Übrigens sind wir, wenn wir sie ausgelöscht und Demilio in Gewahrsam genommen haben, mit den Hueys viel schneller zurück.«

Der Vorsitzende nickte schließlich widerwillig. »Gemacht.«

»Gut. Ich bin froh, dass wir zu einer Einigung gekommen sind. Sie geben mir alles, was ich brauche, ich gebe Ihnen die Frau Doktor.«

»Und die gibt uns das Heilmittel«, sagte der Vorsitzende. »Dann gehen wir in die Geschichte ein. Wir werden unsterblich sein.«

»Bis dann, Sir, wir sehen uns.« Sawyer ließ den immer noch am Boden liegenden Marinesoldaten los, der nun sein Handgelenk massierte und ihm einen hasserfüllten Blick zuwarf. »Ich gehe jetzt zu meinen Leuten und sage ihnen, dass sie sich bereit machen sollen. Wir rücken morgen ab. Ich werde Ihnen die Frau Doktor bringen, Sir. Und überlasse alle wichtigen Dinge« – Sawyer deutete auf die Papiere, Abhandlungen und Bücher –, »Ihnen. Ich werde schnell wieder hier sein.«

Er setzte seine Sonnenbrille auf und ging hinaus.

1. KAPITEL – NACHHOLBEDARF

Abraham, Kansas

25. Juni 2007

08:23 Uhr

Ein schwarzer Rauchpilz stieg von dem auf, was einst Abrahams bescheidene medizinische Klinik gewesen war. Das Feuer war in den frühen Morgenstunden ausgebrochen, als die den Platz belegende Rumpfmannschaft ihre Runden machte und das halbe Dutzend Patienten noch schlief.

Gewehrschüsse hatten die Bevölkerung auf die Gefahr aufmerksam gemacht, und als Überlebende diverser Katastrophen kamen sie schnell zusammen. In Abraham gab es zwei Möglichkeiten für Wasserentnahme: einen kleinen Wasserturm, der im Ortszentrum stand, und einige Handpumpen, die größtenteils auf Privatgelände verstreut waren. Eimerketten wurden gebildet. Als die Feuersbrunst aufflackerte, rannten die Bürger, so schnell sie konnten, von Pumpe zu Pumpe. Nach und nach konnten sie das Feuer eindämmen, sodass der Schaden auf die Klinik begrenzt blieb.

Sheriff Keaton Wallace hielt in seinem verbissenen Lauf nach einem neuen Eimer Wasser inne. Er konnte nicht mehr. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er hin- und hergelaufen war. Nun kniete er auf dem Boden und schnappte nach Luft.

Einer seiner Deputys, ein Mann namens Wes, hielt neben ihm an. »Alles in Ordnung, Keaton?«

Keaton winkte ab. »Ich bin okay, ich bin okay. Mach dir keine Sorgen um mich. Geh weiter! Geh weiter!«

Mit einem letzten nachdenklichen Blick ging Wes weiter in Richtung der nächstgelegenen Handpumpe. Ein leerer Eimer baumelte an seiner Hand.

Keaton blickte zu den schwelenden Ruinen hin und biss die Zähne zusammen.

»Der Teufel soll dich holen, Lutz«, murmelte er. »Ich hätte dich umbringen sollen, als ich die Chance dazu hatte.«

Im selben Moment, in dem diese Worte über seine Lippen kamen, bedauerte er sie auch schon. Mord war das Markenzeichen der Plünderer. Er war besser als dieser Abschaum. Genau wie die braven Leute in Abraham. Er hätte sich niemals dazu herablassen können, sich auf eine Ebene mit den Lutz-Brüdern und ihren Kumpanen zu begeben.

»He«, rief eine Stimme. Keaton schaute hoch, ins Gesicht eines der letzten in Abraham zugezogenen Bürger.

»Ron«, sagte er, noch immer auf den Knien pausierend. »Wo ist Ihre Frau?«

»Katie kümmert sich um Brandopfer«, sagte Ron. »Das Feuer hat sich fast ausgebrannt. Kann nicht mehr lange dauern. Ich würde gern ausführlich mit Ihnen sprechen, Sheriff, aber ich muss noch mehr Wasser holen!«

Ron drehte sich um und lief in die Richtung, in die Wes verschwunden war. Die Eimer schepperten aneinander, als er rannte.

Abraham hatte eine Menge durchgemacht, seit die Seuche vor einigen Monaten über den Ort hereingebrochen war. Beim Auftauchen der ersten Infizierten hatten die Geistesgegenwärtigen unter den Bürgern versucht, den Ausbruch einzudämmen, indem sie die Stadt befestigten. Sie hatten Maschendrahtzäune aufgestellt, Wachttürme gebaut und waren am Stadtrand entlang Streife gelaufen. Am Anfang waren die Kämpfe sehr heftig gewesen, denn die Infizierten kamen zu Dutzenden gleichzeitig an. Im Lauf der Zeit wurde ihre Anzahl geringer, und die Bürger von Abraham begannen sich sicherer zu fühlen. Flächen wurden eingegrenzt und bepflanzt.

Das war der Stand, als die Lutz-Brüder erschienen.

Sie hatten sich ihre Anhänger im Abschaum jener Gesellschaft gesucht, mit denen Keaton früher oft zusammengestoßen war. Herman und George Lutz führten sich auf wie die unumstrittenen Machthaber der Region. Sie hatten sich ein nahe gelegenes Auslieferungslager unter den Nagel gerissen, in dem genügend Vorräte lagerten, um sie in ihrem blutrünstigen Vorgehen eine Zeit lang zu versorgen.

Die ersten Überfälle sollten die Bürger erschrecken und ihnen klarmachen, dass sie die Forderungen der Gebrüder Lutz nach Nahrungsmitteln und anderen Dingen hinzunehmen hatten.

Als die Bürger Abrahams sich gegen sie zur Wehr setzen wollten, hatten die Plünderer die Daumenschrauben ein wenig angezogen, ihre Anpflanzungen außerhalb der Schutzzäune abgebrannt und die Anwohner von ihren Nahrungsquellen abgeschnitten. Dann hatten sie sich in den Hinterhalt gelegt und auf jene Bürger gewartet, die sich in Gruppen zur Jagd herauswagten, um sie abzufangen.

Man hatte die Männer ihrer Ausrüstung beraubt und sie getötet.

Die Frauen hatte man ins Lager der Plünderer verschleppt. Keaton schauderte, als er daran dachte, was sie in den Händen der Verbrecher, die sie wie Sklaven hielten, durchmachen mussten.

Dann, gerade als Keaton bereits daran verzweifeln wollte, dass sie die Plünderer auf Dauer am Hals hatten, waren unerwartete Besucher in Abraham eingetroffen. Ihr Anführer, ein gewisser Francis Sherman, hatte dringend Hilfe bei den Reparaturen einiger Fahrzeuge gebraucht, denn er und seine Leute wollten nach Omaha. José Arctura, der Mechaniker von Abraham, hatte sich bereiterklärt, ihnen unter einer Bedingung zu helfen: Sherman sollte seine Tochter aus den Händen der Plünderer befreien oder so viele Plünderer wie möglich töten.

Den Soldaten war es nicht nur gelungen, die meisten entführten Frauen zu retten, unter ihnen auch Josés junge Tochter, sie hatten auch das Lager der Lumpen in Brand gesetzt. George Lutz war bei dieser Aktion getötet worden. Der andere Lutz war nach dem Feuergefecht mit den wütenden Verteidigern Abrahams in die Klinik gebracht worden, um medizinisch versorgt zu werden, bevor er ins Gefängnis kam.

Leider hatte Keaton sich etwas zu spät daran erinnert, dass Herman Lutz ein gerissener Hund war. Während der Zeit in der Klinik hatte er sich offenbar eine provisorische Bombe zusammengebastelt und sie am frühen Morgen, als alles noch schlief, mit großer Wirkung gezündet. Nach der Art der Schäden zu urteilen, sah es so aus, als hätte Lutz ein Fenster und einen Teil der Wand gesprengt und das Gebäude in Brand gesteckt.

Herman Lutz war in dem Durcheinander entkommen.

»Das nächste Mal«, versprach Sheriff Keaton, »bist du tot, Herman.«

***

Ein dumpfes Grollen und eine plötzliche pechschwarze Rauchwolke, die über den Baumwipfeln aufstieg, verhieß für die Gruppe von Männern, die einen schwierigen Weg nach Osten vor sich hatte, nichts Gutes. Es roch nach Öl, brennendem Gummi und Tod – und lag genau auf ihrem Weg.

Hal Dorne, ein Mann mit grauem Haar und Bierbauch, war der Älteste der Gruppe und stets geneigt, laut herumzumosern. Er war der Erste, der den Rauchpilz sah, und machte die anderen darauf aufmerksam. Schon wieder ein Hindernis in der langen Serie von Herausforderungen und Kämpfen! Ihre Verlustrate war erschütternd. Von den fast dreißig Seeleuten der USSRamage, die diesen Marsch begonnen hatten, war nur ein knappes Dutzend übrig. Ein angeschlagener Gefreiter des Heeres namens Mark Stiles humpelte neben Hal her und setzte sein Gewehr dabei als Krücke ein. Stiles hatte ein schwer verletztes Bein, das nicht richtig heilen wollte. Bei jedem Schritt krümmte er sich vor Schmerzen.

»Sieht aus, als müssten wir wieder mal einen Umweg machen«, murmelte Hal Commander Harris zu. Er stützte die Hände in die Hüften und schnitt eine Grimasse. »Wenn es da unten auf der Straße Ärger gibt, tun wir am besten alles, was wir können, um ihn zu vermeiden.«

Stiles schüttelte den Kopf, lehnte sich gegen einen rostigen Wegweiser und rutschte daran herunter, bis er am Boden hockte. »Nicht schon wieder, Jungs. Ich kann nicht mehr. Mein Bein brennt wie Feuer. Können wir nicht wenigstens nahe genug rangehen, um zu sehen, was da los ist? Vielleicht ist ja gar nichts…nur ein normaler Brand.«

»Was? Und noch zwei Mann verlieren wie beim letzten Mal?« fragte ein Seemann namens Rico. Rico war Südamerikaner, Anfang zwanzig und trug verwaschene Jeans und ein geflicktes braunes Hemd mit Knöpfen. Vor ein paar Monaten hatte er noch in Weiß an Deck gestanden – in der Paradeuniform der Marine. »Scheiß drauf. Ich sage, wir machen einen Umweg.«

»Wenn da unten eine Stadt ist, warten da vielleicht auch ’ne Reihe von Virus-Überträgern auf uns.« Hillyard war ebenfalls Seemann. Er hatte noch einiges von seiner militärischen Ausrüstung dabei. Die Uniform hatte er auf dem Weg hierher durch praktische Zivilkleidung ersetzt, aber von dem breiten olivgrünen Koppel, seinem Plastik-Kochgeschirr und dem Standard-Holster mit Pistole konnte er sich nicht trennen.

»Das könnte unser Glück sein«, meinte Petty Officer First Class1 Wendell, der den zweithöchsten Rang in der Gruppe der Soldaten innehatte. Er war von kleiner Statur, mit dem Blick eines oft lächelnden Menschen und kurzen braunen Haaren, die ihrer militärischen Form entwachsen waren.

»Ihr Navy-Bastarde«, maulte Stiles und krümmte sich, als er sein Bein bewegte, damit es nicht steif wurde. »Wäre dies hier ein Heereseinsatz, hätten wir die Stadt in einer halben Stunde unter Kontrolle.«

»Wenn es ein Heereseinsatz wäre, würden wir unsere Landkarten alle falsch herum lesen«, sagte Rico. Er erntete Gekicher.

Quartermaster Third Class1 Allen, dessen Lebensinhalt das Kartenlesen war, machte gern mit, wenn es darum ging, Stiles zu frotzeln. »Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten! Ich hab letztes Jahr ’n Heeresfuzzi gesehen, der ’ne Landkarte vor sich hielt und sich grunzend fragte, was denn wohl das Z auf der Kompassnadel zu bedeuten hat…«

Hal lauschte dem Geplänkel und kratzte seinen Stoppelbart. Es war Tage her, seit er Zeit oder Lust gehabt hatte, sich zu rasieren. Er scharrte mit den Füßen, und das geringe Gewicht seines Sturmgepäcks brachte ihn auf einen neuen Gedanken.

»Dann hat er sie zusammengerollt und…«

»Weißt du was?«, unterbrach Hal Allens Schmährede. »Wir haben nur noch Verpflegung für eine Fußmarschwoche. Höchstens. Früher oder später müssen wir in eine Stadt, um nachzusehen, ob wir irgendwas ergattern können. Bis die Lage ruhiger geworden ist, sind Beutezüge unsere beste Versicherung zum Überleben. Scheiße, ich kann nicht glauben, was ich da gerade gesagt habe. Ist euch eigentlich klar, dass ich noch vor ein paar Monaten im Südpazifik in einer Hängematte liegen und kaltes Bier schlappen konnte? Verdammt noch mal, ich bin im Ruhestand! Ich kann noch nicht mal mein Alter genießen in dieser bösen und widerwärtigen…«

Die Männer seines Gefolges hörten dem Rest seiner Tirade nicht mehr zu. Hal neigte dazu, stundenlang mit »Ich-würde-wenn-ich-könnte«-Sprüchen fortzufahren. Niemand wollte seine Geschichten über halbnackte Inselschönheiten oder frische Fruchtcocktails mit viel Alkohol mehr hören, aber alle wussten, dass es besser war, ihn nicht zu unterbrechen, wenn er auf der negativen Schiene fuhr.

Commander Harris, bis vor Kurzem Erster Offizier der USSRamage, jetzt Anführer der ihn umgebenden Gruppierung, ergriff die Gelegenheit, Hal das Wort abzuschneiden.

»Hal hat recht. Wir brauchen Nachschub. Wir haben den größten Teil der Strecke nach Omaha geschafft, und der Teufel soll mich holen, wenn wir den Rest nicht schaffen, weil wir zu hungrig sind, um durchzuhalten. Wir erkunden die Stadt, und wenn alles gut aussieht, sehen wir mal, was wir da raffen können.«

Harris’ Rede hinterließ rundherum mürrische Gesichter. Bis auf Stiles. Er schien erfreut, dass er bald wieder etwas länger über einen richtigen Gehsteig spazieren konnte. Stiles grunzte, als er sich aus seiner sitzenden Position erhob, wobei er den Wegweiserpfosten, an dem er lehnte, heftig anstieß. Das Schild auf dem Pfosten knickte ab und hing nur noch an einer Schraube.

Harris legte den Kopf zur Seite, um das sanft schaukelnde Schild lesen zu können.

»Abraham«, las er. »Drei Kilometer. Na gut, Abraham, ob du bereit bist oder nicht: Wir kommen. Alles klar, Schiffskameraden, überprüft eure Waffen und die Munition. Wir wissen zwar nicht, was uns erwartet, aber es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht damit fertigwerden.«

Die neun verbliebenen Besatzungsmitglieder der USSRamage erledigten müde ihre Aufgaben, überprüften Schnürsenkel und wickelten eventuell klirrende religiöse Medaillons ein. Ein, zwei Männer sprachen ein schnelles stummes Gebet.

»Okay, Harris.« Hal verschränkte die Arme vor der Brust und hielt etwas Distanz zu den Soldaten. »Sie sind der Boss. Wie gehen wir vor?«

Er schaute Harris an, der die Landschaft beobachtete. Vor nicht ganz zwei Kilometern hatten sie eine Brücke passiert, deren Beton von Querschlägern beschädigt worden war und an der sie zwei verlassene Autos gefunden hatten. In der Nähe lagen ein paar verstreute Leichen. Sie sahen aus, als wären sie durch Schüsse getötet worden statt durch eine Infektion (oder Infizierte). Hal wusste, dass Harris dies nervös machte. Er hatte gelernt, mit Infizierten umzugehen, aber gegen einen feindlichen Scharfschützen gab es keine Verteidigung. Ein Scharfschütze konnte aus der Ferne jeden Menschen töten, bevor seine Kameraden den Schuss auch nur hörten.

Genau vor der Gruppe befand sich eine sanft geschwungene Straße, die leicht abwärtsführte und zu beiden Seiten von immergrünen Gebüschen eingerahmt war. Auch hier, weit im Landesinneren, konnte das grüne Gezweig der Rockies Wurzeln schlagen. Harris hob das Fernglas an die Augen und untersuchte die Umgebung. Eine Minute später gab er es Hal.

Die Kiefern ragten etwa dreihundert Meter entfernt auf. Dahinter lagen freie Felder. Eines davon war mit gipsähnlichen Trümmern übersät. Harris wunderte sich über den Anblick und machte sich die geistige Notiz, das Zeug sorgfältig zu prüfen, wenn sie daran vorbeikamen. Er schaute sich weiter um. Am anderen Ende der Felder erblickte er die Stadt.

Sogar aus dieser Entfernung konnte er ausmachen, dass die mittelalterlich anmutenden Torflügel wohl als Haupteingang genutzt wurden. Harris konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Die Bewohner der Stadt waren anscheinend ein findiger Haufen. Sie nutzten hochkant gestellte Container, die mit Dächern und Leitern versehen und mit Stacheldraht umgeben waren, als Wachttürme. Das Tor hingegen schien aus Schmiedeeisen zu sein, das man mit aufgeschweißten Platten weiter verstärkt hatte.

An der ihnen zugewandten Seite der Stadt stieg der Rauch jedoch nicht auf. Die schwarze Rauchsäule entstand am anderen Ende der Stadt. Harris konnte schemenhaft ausmachen, dass ameisengroße Menschen eine Eimerkette bildeten. Er wusste es zwar nicht genau, aber er glaubte, dass auch einige Männer mit Gewehren dabei standen.

»Die haben Schwierigkeiten«, sagte Harris, als Hal das Fernglas sinken ließ. Die anderen schauten ihn gespannt an. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Da unten sind auch Bewaffnete zu sehen. Vielleicht sind sie uns feindlich gesinnt. Vielleicht schießen sie auf uns, wenn sie uns sehen. Meinungen dazu?«

»Sie könnten uns auch freundlich gesinnt sein und ein paar zusätzliche Hände brauchen, um das Feuer zu löschen, Sir«, sagte Allen.

»Wie auch immer, wir brauchen Verpflegung«, schaltete Hal sich ein.

»Dann holen wir sie uns«, sagte Stiles, der sich schwer auf sein gesundes Bein stützte.

Harris überlegte. Sie hatten den größten Teil des Weges zu Fuß zurückgelegt. Intakte Fahrzeuge zu finden wurde immer schwieriger. Hin und wieder hatten sie Glück gehabt und eines gefunden. Sie hatten es einige Dutzend Kilometer benutzt, bis der Tank leer war oder es zusammenbrach. Folglich wurden sie sehr erfahrene Marschierer auf Straßen, aber es gab keine Möglichkeit, noch viel weiter zu gehen, ohne den Proviant zu ergänzen. Mit einem Nicken schickte er die Männer vorwärts. Alle setzten ihre Marscherfahrung ein, um so schnell wie möglich vom Hügel herunter und auf die offenen Felder vor der Stadt zu gelangen.

Man brauchte Harris’ Fernglas nicht mehr, um die Gestalten auf den Wachttürmen auszumachen. Sie musterten die bunt zusammengewürfelte Gruppe, die auf sie zukam. Ihr Anblick machte Harris nervös, aber solange niemand ein Gewehr auf sie richtete, versuchten er und seine Männer, ruhig und entspannt zu bleiben und keine Bewegungen zu machen, die man als bedrohlich auffassen konnte. Aus der Nähe konnten sie mehr Details erkennen.

Hal fiel auf, dass die Verteidigungsanlagen der Stadt noch im Bau waren. Vielleicht wurden sie auch repariert. Er konnte es nicht sagen. Egal was, es war beeindruckend. Die Leute hatten einen Verwendungszweck für ihre unbrauchbaren Autos gefunden und mit ihnen einfach die Barrieren am Haupttor verstärkt. Auf den Dächern der Fahrzeuge standen Gewehrschützen, die ihre Waffen allerdings geschultert hatten. Die Männer auf den Wachttürmen waren ebenfalls bewaffnet, aber inaktiv. Sie waren eine unausgesprochene Drohung. Eine verdächtige Bewegung, und man hätte die Neuankömmlinge mit einem Kugelhagel eingedeckt.

»Mahlzeit«, sagte Hal, der hinter Harris ging und zu den Wachttürmen hochwinkte. Er ignorierte den ärgerlichen Blick, den Harris ihm zuwarf. »Meine Freunde und ich sind nach Osten unterwegs, und wir haben bemerkt, dass Sie Ärger mit einem Brand haben. Können wir helfen?«

»Nur wenn Sie ’n Löschfahrzeug und ’ne Menge Schläuche dabeihaben«, sagte ein Mann auf einem Wachtturm. Er zeigte einen wachsamen Blick und trug, halb versteckt unter einem offenen Button-Down-Hemd, das Bronzeabzeichen einer Behörde. »Wir haben ihn unter Kontrolle. War ’ne ziemliche Aufregung im Stadtkrankenhaus. Wenn ihr Nahrung oder Unterkunft sucht, tun wir, was wir können. Aber ihr werdet sicher Verständnis dafür haben, dass wir es uns in dieser unsicheren Zeit nicht leisten können, jedem zu vertrauen.«

»Nun, wir sind ein wenig knapp mit Proviant.« Hal schob seine Mütze in den Nacken, um den Mann besser sehen zu können. »Wir würden gern etwas kaufen. Wir wollen nichts geschenkt haben. Obwohl ich als pensionierter Soldat auf jeden Fall Rabatt kriegen sollte. Es gibt halt Dinge, die sollten sich auch dann nicht ändern, wenn ’ne Seuche ansteht oder so was.«

Der Mann auf dem Wachtturm grinste. »Ich bin Keaton, Sheriff von Abraham.«

»Ich bin Hal Dorne. Pensionierter Handwerker und professioneller Taugenichts. Ich versuch gerade einzuordnen, für welche Laufbahn ich mich jetzt eigne.« Hal nickte. »Ich sollte eigentlich sonnengebräunt und angesoffen auf ’ner Insel sitzen, aber es sieht so aus, als wären die Dinge ein wenig verdreht.«

»Tja, Hal«, sagte Keaton. »Wie gesagt, wir sind gern bereit, euch zu helfen, aber wir haben ein paar harte Lektionen zum Thema Vertrauen hinter uns. Will heißen: Wenn ich euch reinlassen soll, müsst ihr eure Waffen bei der Polizei abgeben.«

Der Mann auf dem Turm, der neben ihm stand, beugte sich vor und flüsterte Keaton hektisch etwas zu.

»Ich weiß, aber heißt das auch, dass sie so wie Sherman sind?«, antwortete Keaton in normaler Lautstärke.

Hal hörte Shermans Namen, wischte den Gedanken an ihn aber beiseite, weil er sich ja vielleicht verhört haben konnte oder der Sheriff über einen anderen Mann sprach.

Nun ergriff Harris das Wort und zog die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich.

»Was meint ihr, Männer? Es ist ein Risiko. Wenn wir unsere Waffen abgeben, sind wir ihnen ausgeliefert.«

»Nee.« Rico schüttelte den Kopf. »Nee, Mann. Nee, überlegt mal – wenn die uns plattmachen wollten, hätten sie es längst getan. Ich glaube, wir können ihnen vertrauen, Mann.«

Allen und die Matrosen nickten zustimmend.

»Genau.« Stiles wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich sage, wir vertrauen ihnen.«

Harris spitzte die Lippen, seufzte und drehte sich zu den Wachttürmen um. »In Ordnung. Wir sind uns einig. Wir werden unsere Waffen übergeben.«

»Das hört man gern!«, rief Keaton nach unten. Er drehte sich um und sprach mit jemandem hinter der Barrikade, den man nicht sehen konnte. »Mach das Tor auf, Wes! Wir kriegen Besuch!« Er wandte sich wieder den erschöpften Männern zu. »Willkommen in Abraham. Angenehmen Aufenthalt.«

Das Tor öffnete sich mit heftigem Knarren nach außen. Die Konstruktion war so schwer, dass auch Kilos von Fett das Knarren nicht hätten verhindern können. Hinter jedem Torflügel erschien ein Zivilist. Beide drückten die Flügel nach außen, bis sie weit offen standen. In dieser Position wurden sie eingerastet. Die Zivilisten zogen sich in ihre Stadt zurück. Hal bemerkte, dass der am Tor installierte Mechanismus ohne Freigabe von innen nur das Schwingen in eine Richtung erlaubte.

Er und Stiles rückten argwöhnisch zusammen, als sich das Tor hinter ihnen mit einem lauten Scheppern schloss. Keaton war vom Wachturm geklettert und kam mit einem anderen Mann zu ihnen. Der Mann war kleiner und dünner und hatte eine lange Hakennase und das Aussehen eines scharfgesichtigen Falken.

»Meine Herren, das ist Wes, mein Stellvertreter«, stellte Keaton den neu hinzugekommenen Mann vor.

»Ist mir ’ne wahre Freude, meine Herren.« Hal schüttelte beiden Männern die Hand. »Das hier sind meine Freunde. Ich glaube jedenfalls, man könnte die meisten so nennen. Der hier ist Harris. Rico, Hillyard, Allen und die vier Kerle dahinter sind Marine-Malocher – nicht wie Harris, der Sesselfurzer.« Hal handelte sich von Harris verdrehte Augen ein. »Und das ist Mark Stiles, der früher beim Heer war.«

Keaton und Wes tauschten unerklärliche Blicke.

»Was soll das?«, fragte Allen, dem dies natürlich auffiel. »Haben Sie irgendwas an der Marine auszusetzen?«

»Oder am Heer?«, fiel Stiles grinsend ein.

»Nee«, sagte Wes. »Aber wir haben in letzter Zeit mehr Soldaten bei uns, als wir gewohnt sind. Das ist alles. Vor der Seuche gab’s hier nur Farmer. Jetzt haben wir Seeleute, Mechaniker, Generäle…«

»Generäle?«, fragten Hal und Harris gleichzeitig.

Stiles spitzte die Ohren und musterte den Stellvertreter des Sheriffs gespannt.

»Was heißt hier Generäle?«, presste Harris schnell hervor. »Welcher ist Ihnen begegnet?«

»Langsam, es ist nichts«, sagte Wes, der Harris’ plötzliche Wissbegier als feindselig deutete und einige Schritte zurücktrat. »Es ist nur so, dass vor ’ner Weile ’n paar Leute hier durchgekommen sind. Einer hat gesagt, er ist General. Das ist alles.«

»Wie war sein Name?« fragte Hal.

»Ähm, Sherman«, sagte Wes. »General Sherman.«

Das Grüppchen der Überlebenden ließ einen Schlachtruf erklingen. »Sie leben!«, sagte Hal. »Ich kann nicht glauben, dass sie es so weit geschafft haben! Verflucht, sie haben es geschafft!«

Die Ausrufe über das Wohlergehen von Shermans Gruppe gingen eine Weile hin und her. Als das aufgeregte Geschnatter abebbte, nutzte Keaton die Gelegenheit und meldete sich zu Wort.

»Woher kennt ihr Sherman? Er hat nicht erwähnt, dass noch jemand nachkommt.«

»Ach, er wusste nicht, dass wir kommen.« Hal winkte ab, zog seine Waffe aus dem Holster und reichte sie Wes, der inzwischen still begonnen hatte, die Waffen der Neuankömmlinge einzusammeln. »Das ist eine lange Geschichte.«

»Die höre ich mir gerne an«, sagte Keaton. »Aber jetzt, wo ihr hier seid und wir sicher sind, dass es keinen Ärger mit euch gibt, muss ich mich erst mal um die Klinik kümmern. Das Feuer ist eigentlich gelöscht, aber hier und da schwelt es noch.«

»Hat jemand ’ne Laterne umgeworfen?« Allen zog den Tragriemen seiner MP-5 über den Kopf, um sie Wes zu übergeben.

»Nein. Jemand hat ein paar normale Haushaltsputzmittel in der Nähe eines cleveren Arschlochs liegen lassen, das die Gelegenheit genutzt hat.« Keaton zuckte die Achseln. »Es ist genau wie bei euch: eine lange Geschichte. Egal, ich werde sie später erzählen. Ihr habt erwähnt, dass ihr Proviant braucht. Die einzige Stelle hier, wo man was im Tauschhandel kriegt, heißt Eileen. Ihr gehört die Kneipe. Dort die Straße runter, auf der rechten Seite, kurz vor den städtischen Grünanlagen. Die hat ’ne Menge Zeugs zum Handeln.«

»Eine Kneipe? Gibt’s da Bier?« rief Rico hinter Keaton her, der sich eilig entfernte.

»Bestimmt. Man muss nur danach fragen«, antwortete Keaton über die Schulter hinweg.

»Wie sieht’s mit Muschis aus?«, trällerte Allen, ohne dass er eine Reaktion erhielt. Wendell versetzte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

Aber das war auch nicht wichtig für die Männer. Die Seeleute meldeten sich schnell freiwillig zum Proviant- und Biereintauschen. Harris folgte ihnen und murmelte ihnen zu, dass sie Haltung bewahren sollten. Sein wahrer Grund, sich ihnen anzuschließen, war jedoch, dass er nicht selbst auf die Idee mit dem Bier gekommen war.

Nun standen Hal und Stiles allein mit Wes am Haupttor von Abraham. Der arme, unter den eingesammelten Waffen halb begrabene Deputy stolperte zu einem in der Nähe stehenden Golfwägelchen, verstaute alles in der Ablagewanne am Heck und stopfte den Lauf eines falsch herausragenden Gewehres in das Fach zurück.

Wes drehte sich mit leicht gerötetem Gesicht zu Stiles um und fing an zu stottern.

»Ich, ähm, müsste…dein, ähm Gewehr…ähm, zum Büro des Sheriffs bringen«, brachte er schließlich heraus und deutete auf die Winchester, die Stiles als Krücke benutzte.

Stiles begutachtete die Waffe, blinzelte und schaute den Deputy an. »Ich kann nicht ohne Stütze gehen. Habt ihr irgendwas, das ich stattdessen benutzen könnte?«

»Nun ja, ich nicht. Aber warte mal.« Wes schnippte mit den Fingern. »Wir besorgen dir ’ne richtige Krücke aus der Klinik. Ich wollte sowieso dahin, sobald ich die Waffen in Sicherheit gebracht hab. Bis dahin kannste mit mir auf dem Golfwagen fahren.«

»Das ist in Ordnung.« Stiles humpelte zu dem Karren hinüber. Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz, verstaute sein Gewehr bei den anderen Waffen und gab ihm einen zärtlichen Klaps. Er fühlte sich seit den letzten Wochen fest mit ihm verbunden – was man fast wörtlich nehmen konnte.

»Glaubt bloß nicht, ihr könnt mich hier allein lassen«, sagte Hal und schob Stiles ein Stück beiseite. »Mach Platz – ich setz mich dazu.«

»Bist du nicht der, der immer erzählt, er müsste jetzt eigentlich faul rumhängen und Cocktails schlürfen?«, sagte Stiles. »Ich dachte, du wärst der Erste, der zur Kneipe rennt. Keiner weiß, ob wir noch mal ’ne andere sehen werden.«

»Ach, ich könnte es, und ich tue es, lass es dir gesagt sein.« Hal schmunzelte. »Aber ich würde lieber erst sehen, wie in Abraham alles abläuft. Scheint mir gerade eine gute Gelegenheit für eine Tour zu sein.«

Wes nahm den Fahrersitz ein. Der Golfwagen fuhr langsam, aber er fuhr. Mit einem feinen elektrischen Summen bewegte er sich effizient durch die zumeist menschenleeren Straßen.

Offenbar hatten sich die Bürger am anderen Ende der Stadt versammelt, um entweder beim Klinikbrand zu helfen oder zuzuschauen.

»Ähm«, sagte Wes mit einem Blick auf Stiles. »Darf ich mal fragen, wie du zu der Beinverletzung gekommen bist? Ist es ’ne Schusswunde?«

Stiles war in Hyattsburg von einem Überträger des Morgenstern-Erregers angegriffen und fest gebissen worden. Obwohl die Wunde nicht richtig heilte, war Stiles nie krank geworden. Er war eine echte Rarität: ein Mensch mit einer natürlichen Immunität gegen den Morgenstern-Erreger.

Stiles begann zu erklären. »Na ja, eigentlich war ich…«

Hal schlug ihm fest auf die Schulter. »Ja, genau…Er wurde angeschossen. Von den eigenen Leuten. Er ist abends zum Schiffen rausgegangen, und Rico hat ihm versehentlich ’ne Kugel verpasst. War’n Unfall.«

Stiles schaute einen winzigen Moment lang verwirrt drein, dann verstand er den Wink und nickte lachend. »Es war meine Schuld. Ich hätte innerhalb der Umzäunung bleiben sollen.«

»Autsch.« Wes kicherte und lenkte den Wagen auf den Parkplatz eines kleinen einstöckigen Backsteingebäudes. Die Grünflächen waren verwahrlost und überwuchert, doch der Parkplatz selbst wurde offenbar penibel freigehalten. Eine schwarze Fläche in einem Meer von Grün. Der Deputy ließ den Wagen bis vor den Eingang rollen und nahm dann die Waffen aus der hinteren Ablagewanne.

Hal nutzte die Gelegenheit, um sich zu Stiles hinüberzubeugen. »Hör zu«, sagte er leise. »Mir ist bewusst, dass wir jetzt zum ersten Mal mit Menschen zusammentreffen, die bestimmt verstehen werden, dass du dich freust, immun zu sein. Aber bis wir es genau wissen, lass keine verdammte Menschenseele wissen, dass du gebissen worden bist. Die töten dich in der Sekunde, in der sie es erfahren, und zwar unabhängig davon, dass du dich nicht verwandelt hast. Ich würde es jedenfalls so machen. Verflucht, wir alle hätten es beinahe getan. Wenn wir also jetzt in diese Klinik gehen und jemand will sich deine Wunde ansehen: Zeig sie niemandem. Sag ihnen, dass sie in Ordnung ist, nur etwas wund. Bleib bei der Geschichte mit der Schusswunde. Ich informiere Rico und die anderen darüber.«

»Verstanden«, flüsterte Stiles. »Kein Problem. Wahrscheinlich ist es besser, wenn wir es für uns behalten.«

»Ja«, hauchte Hal.

Wes war mit den Waffen im Gebäude verschwunden. Hal und Stiles sahen nun, dass ein großes Schild aus Bronze und Beton, das hinter dem hohen Gras halb versteckt war, es als Büro des Sheriffs kennzeichnete.

»Wenigstens gibt es hier noch ein wenig Gesetz und Ordnung«, sagte Stiles und nickte in Richtung des Schildes.

»Ja, heutzutage muss die Zivilisation einen langen Atem haben«, stimmte Hal zu. »Nicht, dass ich je ein Fan der Zivilisation war. Deswegen habe ich sie ja hinter mir gelassen.«

Wes trat die Schwingtüren des Sheriffbüros auf und erschien mit leeren Armen. »Alles klar, meine Herren. Eure Ausrüstung ist sicher untergebracht. Macht euch keine Sorgen«, fügte er hinzu, »wir haben sie in die Asservatenkammer gesperrt. Nur Keaton und ich haben einen Schlüssel. Sonst kommt da niemand rein. Das Zeug ist absolut sicher.«

»Gut.« Stiles nickte knapp. »Beim kleinsten Kratzer an meiner Winchester ist nämlich die Hölle los.«

»Dazu muss ich noch was fragen.« Wes übernahm den Fahrersitz und lenkte den schnurrenden Golfwagen auf den Weg zurück. »Das ist ’ne tolle Knarre. Wo hast du sie her?«

»Aus dem privaten Lager eines Waffensammlers in Oregon«, sagte Stiles. »Es ist ein Original. Echt antik.«

»Hab ich schon vermutet«, sagte Wes. »Ich bin selbst Waffensammler. Stücke wie das findet man nirgendwo mehr – und wenn doch, sind sie nicht in meiner Preisklasse. Zumindest waren sie es früher nicht, als Geld noch ’ne Rolle gespielt hat.«

»Ja, ich hab’s immer bedauert, die Winchester als Krücke zu benutzen, aber ich hatte keine Wahl.«

Wes steuerte den Wagen um eine Ecke. Der Qualm aus der schwelenden Klinik hatte abgenommen. »Mach dir keine Sorgen. Ich hab sie in ’nem separaten Schließfach untergebracht. Ein Stück wie das braucht liebevolle Pflege.«

»Danke.« Stiles hielt sich an dem Überrollbügel fest, als der Wagen abbog. »Die Waffe und ich haben uns gegenseitig mindestens ein Dutzend Mal das Leben gerettet.«

Der elektrische Golfwagen bog um die nächste Ecke. Nun war die brennende Klinik vollständig zu erkennen.

Sie war allerdings nicht komplett zerstört. Eine Ecke war ausgebrannt und eingestürzt, doch die Eimerbrigade hatte das Feuer vom Rest des Gebäudes fernhalten. Sheriff Keaton war mittendrin; er lief herum und sorgte dafür, dass alles glattlief. Er dirigierte den Einsatz des Wassers wie ein erfahrener Feuerwehrhauptmann. Wes sprang vom Wagen herunter, um zu ihm zu gelangen. Hal schloss sich ihm an. Stiles blieb im Wägelchen sitzen und kümmerte sich um sein verletztes Bein.

»Wie sieht’s aus, Sheriff?« fragte Wes.

»Das Schlimmste ist überstanden, Wes«, gab der Sheriff zurück. »Es ist runtergebrannt. Da und dort haben wir noch ein gelegentliches Aufflackern. Wir müssen die Isolierung der Wände ausbessern und sicherstellen, dass die Schwelbrände erloschen sind. Verflucht sei der gottverdammte Idiot, der Herman die Reinigungsmittel gegeben hat.«

»Herman?« Hal musste sich ein Lachen verkneifen. »Der Kerl, der das getan hat, heißt Herman?«

»Lachen Sie nicht.« Keaton kniff die Augen zusammen. »Herman Lutz ist ein totaler Soziopath, und dazu noch verdammt clever. Sherman hat uns geholfen, ihn abzusägen, aber wir haben ihn leben lassen und ihn hier in der Klinik behandelt. Er war ziemlich schwer verletzt, befand sich aber auf dem Wege der Besserung. Soweit wir wissen, hat er einige Chemikalien zusammengekratzt und sich daraus ’ne Bombe gebastelt. Damit hat er die Wand am rechten hinteren Ende der Klinik weggeblasen. Sein Bett ist leer. Alles in allem ist ihm ’ne spektakuläre Flucht gelungen. Wir haben ihn ein Stück verfolgt. Sieht so aus, als hätte er sich nach Osten gewandt.«

»Wollen Sie ihn nicht weiter verfolgen?«

»Wozu? Er ist nur ein Mann, und jetzt geben wir ganz sicher genau acht. Es wäre Selbstmord für ihn, hierher zurückzukommen. Gut, dass wir ihn los sind. Wo er auch ist, ich hoffe, er verrottet dort.«

Der Klang knisternden Holzes und der Geruch versengter Platten waren alles, was die Umgebung eine ganze Weile lang erfüllte. Niemand sagte etwas. Hal blickte nach Osten, in die Richtung, in die Herman Lutz verschwunden war, und seufzte.

Eine Stimme beendete das Schweigen. Auf dem Beifahrersitz des Wägelchens hob Stiles eine Hand. »Ich, ähm, bin nur sehr ungern derjenige, der dazwischenquatscht, aber…wäre jetzt nicht eine gute Gelegenheit, nach der Krücke zu fragen?«

2. KAPITEL – ALLTAGSTROTT

Omaha, Nebraska

26. Juni 2007

11.20 Uhr

Der Tag zeigte sich wunderschön. Die Temperaturen waren angenehm, und die leichte Brise diente dazu, den kaum nennenswerten Schweiß derjenigen zu trocknen, denen es im Freien gefiel. Nicht vorhanden waren jedoch die Kennzeichen, die eine Großstadt ausmachten. Kilometerweit war kein einziger Motor zu hören. Überall standen herrenlose Fahrzeuge herum; manche ordentlich abgestellt, andere gegen Laternenpfähle geknallt oder im Straßengraben umgekippt. Wieder andere hatten sich in Schaufenster verkeilt oder blockierten Kreuzungen. Alles war still, nichts rührte sich.

Glasscherben vermüllten Vorgärten, in denen meterhohes Gras wuchs. Halb mit Brettern vernagelte Fenster deuteten an, wohin die Menschen sich verzogen hatten. Selbst die Vögel schienen sich nicht zu trauen, ins Stadtinnere vorzustoßen. Ihr Zirpen klang gedämpft, fern und irgendwie ängstlich. In den Straßen Omahas lebten und atmeten nur zwei Gestalten, die aber ebenso still waren wie die sie umgebenden Gebäude.

Ewan Brewster und Trevor Westscott hätten auch Statuen sein können.

Die beiden Männer knieten hinter einem Betonbuckel am Rande der Stadt und hielten sich an ihren Waffen fest. Brewsters doppelläufiges Gewehr hing vor seinem Schoß. Trevs Teleskopschlagstock baumelte vor seiner Brust. Er klopfte rhythmisch gegen seine Schulter, und zwar hundertprozentig im Takt mit dem Geräusch des Atmens des Infizierten.

Die Männer trugen abgewetzte Wanderrucksäcke, die bis zum Rand mit gerade erbeutetem Proviant und mehreren Flaschen verschreibungspflichtiger Medikamente gefüllt waren. Sie hatten zu ihrer Heimatbasis zurückkehren wollen, doch dann war ihnen die Pest in Gestalt eines älteren Mannes mit blutunterlaufenen Augen begegnet. Er war aus einem Wohnhaus hervorgestürzt, an dem sie hatten vorbeigehen wollen. Brewster und Trev waren sofort in Deckung gegangen. Zu ihrem unglaublichen Schweineglück hatte der Kerl sie nicht gesehen.