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Andreas Thaler, Pilot auf Fernflügen und sein Co-Pilot Steffen Urban, finden ein altes Buch aus dem Jahr 1940. Darin wird beschrieben, dass der Engländer Allan Windhorst von Surinam kommend, in den Bergen von Guyana mit einer wertvollen Fracht Edelsteine mit seinem Flugzeug abgestürzt sei. Zahllose Versuche das Flugzeug zu finden waren in der Folge ergebnislos verlaufen. Die beiden Piloten und ihre Ehefrauen wollen einen Urlaub in Guyana nutzen, um sich auf die Suche nach diesen Edelsteinen zu machen. Und tatsächlich finden sie die Steine, werden aber fortan von Gaunern verfolgt. In einer über zwei Wochen dauernden Flucht durch den Dschungel suchen sie eine Möglichkeit zum Heimflug. Da aber der Flughafen von Guyana wegen Unruhen gesperrt ist, versuchen sie in mehrfachen Anläufen über Venezuela, Trinidad, Surinam und Französisch-Guyana wieder aus dem Land zu kommen. Werden alle Vier gesund die Heimat erreichen?
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Seitenzahl: 500
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein verrückter Plan entsteht
Nächster Flug nach Dubai
Aus Dubai zurück
Abflug nach Guyana - Dienstag, 2.11. 2021
Aufbruch ins Ungewisse
Ein beachtenswerter Fund
Ein Überfall
Die Suche nach den Vermissten
Die Befreiung der Männer
Allein in der Wildnis
Weiter auf der Flucht
Aufbruch ins Ungewisse
Auf gefährlichen Pfaden
Über die Grenze nach Venezuela
Wieder ein neues Abenteuer
Mittwoch 10:00 Uhr
Ein erneuter Fluchtversuch
Endlich auf dem Heimflug - Donnerstag, 7.12. 2021
Freitag, der 8.12.2021 Ankunft in München
Epilog
Die Augustsonne meinte es in diesen Wochen wirklich gut. Vom frühen Morgen bis in den Abend hinein strahlendblauer Himmel über München. Und in dieses wunderschöne Abendrot hinein schwebte die Boeing 747 der Lufthansa mit einer Linkskurve auf die Einflugschneise des Flughafens München ein.
Chefpilot Andreas Thaler und sein Co-Pilot Steffen Urban waren ein eingespieltes Team und hatten schon viele tausend Flugmeilen zusammen bewältigt. Und so war im Laufe der Jahre eine Freundschaft zwischen beiden entstanden. Thaler sah zur Seite.
„Du, ich habe diese Woche ein Buch in die Hände bekommen, das lohnt sich zu lesen.“ Der 45-Jährige mit den kurzgeschnittenen graumelierten Haaren kontrollierte noch einmal die Seitenruder. Und mit Blick auf die Instrumente meinte er plötzlich zu seinem Co-Pilot Steffen Urban:
„Ich habe in einem alten Buch aus dem Jahre 1948 über einen französischen Forscher Henry Duping gelesen, der in Guyana nach einem alten Flugzeug gesucht hatte, welches 1942 im Dschungel abgestürzt war. Diese zweimotorige Maschine hatte den beiden Brüdern Windhorst aus Seattle gehört, die im nahen Brasilien nach Diamanten gesucht und offenbar auch welche gefunden hatten. Aber auf dem Rückflug war ihre Maschine während eines Gewitters über dem Regenwald von Guyana abgestürzt. Und niemand hat je wieder etwas von ihnen und ihrer brisanten Fracht gehört oder gelesen.“ Steffen Urban lachte.
„Was denn für ein Buch? Du weißt, ich bin kein großer Leser.“ Er schaltete die Automatik aus und manövrierte die 333,4 Tonnen der Boeing 747 nun eigenhändig in Richtung Landebahn.
„Willst du jetzt deswegen da unten Urlaub machen?“ Der schmächtige 1,80 Mann schüttelte den Kopf. „Du hast vielleicht Ideen, mein lieber Mann. Weiß deine Lieblingsfreundin schon davon?“ Thaler winkte ab und schaltete sein Mikro ein.
„Meine Damen und Herren! Wir befinden uns im Landeanflug auf den Flughafen München. Bitte stellen Sie das Rauchen ein und schnallen Sie sich an.
Und gerade, als er seinem Co-Pilot antworten wollte, klopfte es plötzlich an der Kabinentür und Urban drückte den Türöffner.
Eine schlanke, langbeinige junge Frau mit pechschwarzen Haaren, die zu einen Pferdeschwanz gebunden waren, steckte den Kopf durch die Tür.
„Hört mal, ruft bitte einen Krankenwagen! Ich habe hinten eine Schwangere, bei der vor zwanzig Minuten die Wehen eingesetzt haben. Die sollen gleich an die Landebahn fahren!“
Andreas Thaler lachte die Stewardess an, die auch seine Verlobte war, und meinte:
„Na, ein Glück, dass du das nicht bist!“. Nadine Glauber tippte mit dem Zeigefinger an ihre Stirn, streckte ihm die Zunge heraus und meinte dann:
„Von wem sollte ich denn schwanger werden, he?“ Sie und schloss schnell die Tür und enthob ihn so einer Antwort. Lachend konzentrierten sich die beiden Piloten auf den Landeanflug. Die Boeing 747 senkte langsam die Nase, die Landeklappen fuhren knatternd aus und dann streckte der riesige Vogel seine Nase der Landebahn entgegen und setzte sanft rumpelnd auf. Andreas steuerte die Boeing auf die Ankunft – Arrival zu, wo man bereits dabei war, die Gangway heranzufahren, während die vordere Tür des Flugzeuges von der Chef-Stewardess geöffnet wurde.
Auf dem Ausrollfeld stand bereits ein Krankenwagen mit zwei Sanitätern und einer fahrbaren Trage. Der Lift brachte die Schwangere und ihren aufgeregten Ehemann nach unten zum Krankenwagen.
Andreas Thaler schaltete die Systeme ab und lehnte sich gähnend zurück. Sie waren sechs Stunden und fünf Minuten nonstop geflogen und damit zwanzig Minuten eher als geplant gelandet. Er sah auf die Uhr und nickte.
„Steffen, wir sind gute zwanzig Minuten schneller als beim letzten Mal.
„Na klar, heimwärts hatten wir ja auch Rückenwind!“, lachte der blonde Lulatsch und stand auf.
Nachdem sie den Check Inn verlassen hatten, warteten sie noch auf Nadine. Steffen kam nochmal auf das Buch zurück. „Sag mal, hast du das mit dem Urlaub ernst gemeint? Und hast du schon mit Nadine darüber gesprochen?“ Steffen Urban sah Andreas Thaler fragend an, der den Kopf schüttelte.
„Nee, mit meiner Mausi habe ich noch nicht darüber geredet. Aber ich gebe dir mal das Buch und du liest es bis Freitag durch. Dann reden wir nochmal darüber. Vielleicht machen wir dieses Jahr den Urlaub da unten und schauen uns mal ein bisschen um. Also rede schon mal mit deiner Carmen darüber.“
Als Nadine mit ihrem Trolley bei ihnen ankam, verabschiedeten sie sich. „Bis Freitag, in alter Manier! Genieß die drei freien Tage und grüß Carmen von uns!“
So hatten sie sich schon mehrere hundert Male voneinander verabschiedet. Doch diesmal war das ein wenig anders, und daran schuld war ein kleines Büchlein mit 135 Seiten. Die Erinnerungen von zwei Brüdern aus England, die mitten im Zweiten Weltkrieg das große Geld machen wollten und über deren Verbleib Thaler nun nachdachte. Und vor allem darüber, wie er es seiner Verlobten beibringen sollte, dass er nach Guyana wollte.
Auf der Heimfahrt vom Flughafen München nach Berchtesgaden brauchten sie kaum knappe anderthalb Stunden, weil die Autobahn erstaunlich leer war um diese Zeit. Zuhause angekommen gingen sie zusammen schnell noch was einkaufen, weil der Kühlschrank ziemlich leer war. Doch Nadine hatte ihre Einkaufsliste dabei und so ging auch das relativ schnell vonstatten, und sie freuten sich endlich wieder zu Hause zu sein.
Gelegentlich gingen sie an ihren freien Tagen zwar auch manchmal in ein Restaurant zum Essen. Doch Andreas hatte mal wieder Appetit auf ein Rindersteak.
Eine Stunde später saßen sie auf der Couch, den Teller auf den Beinen und schauten Fernsehen. Die schlanke Schwarzhaarige, der die Haare bis über die Schulterblätter reichten, hatte sich bequem neben Andreas in die Kissen eingekuschelt. Das war ihre Art nach einem stundenlangen Flug die Ruhe und die Zweisamkeit zu nutzen, bis Andreas das Gespräch auf das Buch brachte und Nadine ihn skeptisch anschaute. Sie ahnte wohl bereits das nahende Unheil, doch Andreas lächelte nur. Er sah seiner Verlobten, die mit einer Decke über den Schultern auf dem Sofa saß und noch einen Joghurt löffelte, in die braunen Augen.
„Was hältst du eigentlich von einem heißen Bad, Lieblingsfrau?“ Sie sah ihn aus ihren dunkelbraunen Augen an und nickte lächelnd.
„Ja gerne. Kommst du mit rein, dann sparen wir Wasser!“, meinte sie kess blinzelnd. Andreas setzte sich auf ihre Oberschenkel und umarmte sie.
„Willst du damit sagen, dass ich fett bin?“, fragte er sie ganz leise und begann die vor ihrer Brust zusammengefaltete Decke zu öffnen, um danach auch die ersten der beiden Blusenknöpfe zu überwinden. Er küsste die so frei gelegten Brustansätze. Doch sie schloss schnell wieder die Decke.
„Stopp, Senor! Erst Wasser einlassen, Heizung im Bad anschalten, dann sehen wir weiter!“ Mit einem Kuss auf die Nasenspitze stieg er wieder von seinem Sitzplatz herunter und ging folgsam ins Bad.
Als er Nadine etwa zehn Minuten später rief und sie in das Bad eintrat, blieb sie einen Moment überrascht stehen. Etwa 20 Teelichter erleuchteten den Raum, dazu zauberte eine rotierende Lampe mit rotem Schirm einen Farbwechsel wie aus Tausend und einer Nacht und auf einem Brett in der Mitte der Wanne standen zwei Gläser und eine Flasche Sekt. Und so wurde es dann doch noch ein ausgiebiges Bad und Andreas kam nicht mehr dazu, mit Nadine weiter über dieses Buch zu sprechen. Das holte er aber dann am nächsten Morgen im Bett nach und Nadine schüttelte zunächst fassungslos den Kopf.
„Was habt ihr euch denn da wieder ausgedacht. Wenn ich Urlaub mache, möchte ich doch ans Meer, das weißt du genau. Und nicht durch einen Dschungel pilgern Auge in Auge mit wilden und giftigen Tieren.“
Sie sah ihren Freund an, der neben ihr lag und sie mit seinen blauen Augen musterte und grinste.
„Und was wäre, wenn wir die Diamanten finden würden, und mit einem Schlag reich wären? So reich, dass wir nie wieder arbeiten müssten?“ Das machte Nadine nachdenklich und so meinte sie:
„Okay, aber ich will das Buch auch mal lesen. Am besten fange ich heute noch an. Du kannst ja in der Küche was zaubern, das machst du doch so gerne, oder?“
Etwa drei Kilometer weiter in Schönau am Königssee war auch Steffen Urban in seiner Wohnsiedlung eingetroffen. Als er in die offenstehende Einfahrt einfuhr, sah er, dass im Haus kein Licht brannte, und auch Carmens BMW X2 war nicht da. Verwundert darüber, dass sie ihn nicht empfing, schloss er die Haustür auf und betrat die Diele. In der Küche auf dem Tisch stand ein Zettel an eine Tasse gelehnt, darauf stand:
„Hallo Steffen! Entschuldige, dass ich nicht da bin, wenn du kommst. Musste überraschend noch schnell ins Krankenhaus und eine erkrankte Kollegin für ein paar Stunden vertreten. Bin gegen 20.00 Uhr zurück. Küsse! Deine Carmen. Ich liebe dich!“ Steffen sah missmutig und etwas enttäuscht auf seine Uhr, es war 18.30 Uhr. Kurz entschlossen zog er sich wieder an, nahm die Schlüssel und verließ das Haus. Sein Ziel war seine Lieblingskneipe „Zum Ochsen“. Den Wirt Harry Schaller kannte er schon seit seiner Jugendzeit. Als er eintrat, saßen gerade mal drei Leute am Stammtisch. Harry Schaller begrüßte seinen Gast.
„Na, bist du mal wieder in der Heimat. Wo warst du diesmal?“ fragte er Steffen und ließ ihm ein kleines Bier ein.
„Bin heute vor drei Stunden aus Dubai gekommen“, erwiderte er einsilbig. Der Wirt nickte.
„Deine Frau ist wohl noch nicht zu Hause?“, kam als Gegenfrage. Steffen stutzte und sah den Wirt an.
„Wieso fragst du?“ Harry Schaller winkte ab. „Och nur so.
Etwa gegen 16.00 Uhr war heute Carmen mit einer Kollegin und zwei Kerlen hier. Sie haben bei mir Cola gekauft und waren schon ganz schön in Fahrt.“ Steffen sah den Wirt nachdenklich geworden an. Er kannte Carmens Vorliebe für Cola mit Whisky.
„Sie sind aber nicht hiergeblieben?“, fragte er nochmal nach. Harry Schaller schüttelte den Kopf.
„Nö, die haben ihre sechs Flaschen Cola gekauft und dann sind sie wieder abgezogen in fröhlicher Stimmung.“ Er sah den Piloten von der Seite mitleidig an.
Steffen Urban trank den Rest seines Biers rasch aus, legte das Geld auf den Tisch und verabschiedete sich wieder vom Wirt. Der sah ihm noch nachdenklich hinterher, als der die Gaststube verließ.
„Hätte ich doch vielleicht lieber meine Klappe halten sollen“, murmelte der in sich hinein.
Steffen überlegte vor der Tür, was er jetzt tun sollte. Ihm hinterlässt sie eine Nachricht, dass sie einspringen musste, in Wahrheit aber ist sie feiern gegangen. Und das, obwohl sie wusste, dass er nach Hause kommt. Ging sie neuerdings fremd? Und so machte er sich zu Fuß mit düsteren Gedanken auf den Weg nach Hause. Doch als er vor der Einfahrt ankam, stand das Tor zur Garage offen und ihr BMW stand nun drinnen. Er schloss die Haustür auf und ging ins Haus. Aus der Küche zog der Duft von Gebratenen durch das Gemäuer. Als er in die Küche eintrat, stand seine Carmen in ihrem roten Kleid und hochhackigen Schuhen am Herd und schwenkte lachend die Pfanne.
„Hallo Schatzi! Gleich gibt‘s Lammkoteletts mit Reis!“, rief sie ihm entgegen. Er brummte etwas von: „Na super, wenigstens eine Aufmerksamkeit!“ Dann setzte er sich an den Küchentisch und sah ihr wortlos zu, wie sie die Teller anrichtete.
„Na, wie war dein Dienst?“, fragte er so harmlos wie nur möglich. Carmen winkte ab. „War halb so schlimm! Siehst ja, ich bin schon wieder da.“ Steffen nickte, dann meinte er:
„Und weil der Dienst so toll war, habt ihr schnell noch sechs Flaschen Cola aus der Kneipe geholt, damit der Whisky verdünnt werden konnte. Und du hast dein Ausgehkleid an und die Schuhe dazu! Was war das für ein Dienst – und vor allem wo?“ Im gleichen Augenblick bereute er schon wieder, wie er sie empfangen hatte und vor allem über seinen vorwurfsvollen Ton. Doch es war zu spät. Dazu hatte er noch den unangetasteten Teller mit einem Ruck zurückgeschoben und war um eine Nuance lauter geworden. Sofort verfluchte er seine Eifersucht. Doch nun war es raus und konnte nicht mehr revidiert werden. Innerlich verfluchte er sich.
Carmens Gesichtszüge froren ein und sie bekam einen roten Kopf. Wortlos ging sie aus der Küche und knallte die Tür hinter sich zu. Steffen stocherte in seinem Essen herum, das so gut roch, denn kochen konnte Carmen wie ein Profi.
Plötzlich kam sie umgezogen wieder herein, setzte sich wortlos ihm gegenüber an den Tisch und begann zu essen. Nach einigen Bissen schob sie den Teller zurück und sah ihren Mann einen Moment schweigend an. Sie hatte Tränen in den Augen, die sie abtupfte und sich dann zurücklehnte und die Arme über der Brust verschränkte. Und dann brach es aus ihr heraus:
„Weißt du was, du bist die ganze Woche irgendwo in der Welt unterwegs. Ich sitze hier zu Hause und meine einzige Abwechslung besteht zwischen Haushalt und Krankenhaus. Und wenn du für drei Tage nach Hause kommst, hängen wir zu Hause herum, weil du ausschlafen willst. Wir gehen nicht mehr aus. Wir treffen keine Freunde, wie ein altes Ehepaar nach 30 Jahren Ehe. Aber das reicht mir nun schon nach sieben Jahren! Und weil der Assistenzarzt seine Prüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, lud der uns ein, das mit ihm zu feiern! Und die sitzen sicher jetzt noch beisammen, während ich schon hier bin. Und wenn du es genau wissen willst, der Assi ist verheiratet, sein Freund auch, nur Steffi ist noch solo. Und wir haben nicht zusammen gevögelt, falls du das vermuten solltest! Wir haben lediglich kollegial ein wenig gefeiert!“ Sie warf wütend ihre Serviette auf den Tisch.
„Und warum tischst du mir dann den Schmarrn mit dem Dienst auf, wenn alles so harmlos war?“, fragte er barsch zurück.
Carmen sah ihn mit funkelnden Augen starr an.
„Weil ich eben nach sieben Jahren weiß, wie du bei sowas tickst! Du unterstellst mir doch sofort, dass ich fremdgehe! Vielleicht sollte ich es ja tatsächlich mal machen, damit du endlich mal einen Grund hast. Oder denkst du, ich weiß nicht, dass du ab und zu meine Sachen kontrollierst?“
Und damit war Steffen sofort in einer Rolle, die Frauen immer anwenden, um ihren Männern ein schlechtes Gewissen einzureden. Selber nicht ganz korrekt gehandelt, aber wenn man sie dabei erwischte, drehten sie den Spieß um! Steffen aber stand schweigend auf, ging eine Flasche Rotwein holen und stellte dann zwei Gläser auf den Tisch. Er zündete dazu zwei Kerzenleuchter an und schenkte ein. Dann reichte er ihr ein Glas über den Tisch und lächelte sie an. Das war eben Steffen. Gerade noch auf 180 und im nächsten Augenblick war aller Zorn verraucht.
„Trinkst du mit mir auf eine Versöhnung? Ich weiß, ich bin ein Idiot. Ich würde dich nie verlieren wollen. Du bist und bleibst meine Herzdame.“ Sie lächelte hintergründig.
„Wenn du mir sofort einen Kuss gibst, ja! Und noch was mein Prinzgemahl! Ich würde dich niemals, aber auch wirklich niemals betrügen, was ich natürlich auch von dir annehme. Und du bist oft mit schönen Frauen unterwegs. Glaubst du nicht, dass ich da auch manchmal überlege, was du da gerade am Strand vom Mahè machst?“ Steffen nickte und nahm einen Schluck Wein. Er hob sein Glas und sah sie bittend an.
„Ich versuche das, was du vorhin angesprochen hast, in Zukunft zu beachten. Also, ich versuche es zumindest, gibst du mir dazu noch eine Chance?“ Sie nahm langsam das Glas und sah ihren Steffen in die Augen. Steffen nahm ihre Hand in die seine.
„Da musst du keine Angst haben. Andreas ist immer an meiner Seite und Nadine passt da sicher auch auf. Ich bin also in guten Händen, wenn ich unterwegs bin.“
Carmen war aufgestanden und kam um den Tisch herum, um sich auf seine Knie zu setzen. Und wie das dann oftmals so ist, hatte er plötzlich eine offene Hose und kein Hemd mehr an, und sie auch gar nix mehr. Der Frieden war wieder geschlossen.
Und wieder hieß es Abschiednehmen. Die Crew, bestehend aus dem Chefpilot Andreas Thaler und dem Co-Pilot Steffen Urban nahm Kurs auf Dubai, um dann nach 10 Stunden Ruhepause wieder zurück nach München zu fliegen. Gegen 21:00 Uhr waren sie auf dem Flughafen T3 mit einer Fläche von 1400 Hektar gelandet. Unterwegs hatten sie Zeit gehabt, sich über das „Projekt Guayana“ auszutauschen. Und Steffen hatte sichtlich Feuer gefangen. Und so war es auch verständlich, dass sie zunächst in der Lobby bei einem guten Mokka die Sache nochmal mit Nadine besprachen. Deren Reaktion aber war zunächst kurz und schmerzlos.
„Ihr seid doch alle beide verrückt! Im Urlaub will ich am Strand liegen und faulenzen und nicht durch die Wildnis ziehen. Und was sagt Carmen zu eurem tollen Plan?“ Steffen musste zugeben, dass er auf Grund der anfänglichen Streiterei lieber erst einmal nichts gesagt hatte. Nadine schlug ihre hübschen langen Beine übereinander und sah ihre beiden Piloten an.
„Also, ich hatte ja nun die Gelegenheit das Machwerk zu lesen. So richtig überzeugt hat mich das Ganze aber nicht. Denn was ich so gelesen habe, gab es ja schon genügend Leute, die danach gesucht und nix gefunden haben. Ich halte das ehrlich gesagt für ein ziemliches Hirngespinst, Männer! Nehmt es mir nicht übel.“
Sie setzten sich in das Café des Flughafenrestaurants. Andreas holte drei Drinks und dann versuchte er, Nadine die Sache nochmal zu erklären.
„Stimmt Nadine, niemand hat je wieder etwas von ihnen und ihrer brisanten Fracht gehört oder gelesen. Doch nach einem Schreiben von Duping an seine Schwester, welches er noch fünf Tage vor seinem Abflug verfasst hatte, musste diese Maschine Roh-Diamanten im Wert von etwa 40 Millionen Dollar an Bord gehabt haben. Zahlreiche Versuche in den Folgejahren, diese Maschine zu finden, waren ergebnislos verlaufen. Irgendwann war das Thema wieder aus der öffentlichen Diskussion verschwunden, zumal gerade ein Weltkrieg zu Ende gegangen war und die Menschen damals andere Sorgen hatten. Aber könnte es nicht sein, dass die alle an der falschen Stelle gesucht haben? Ich schlage vor, wir machen einen Zweiwochentrip in den Busch und danach noch eine Woche Badeurlaub am Strand. Was hältst du davon, Lieblingsstewardess?“
Nadine saß da und nippte an ihrem Drink. Plötzlich wurde ihre Miene ein wenig entspannter.
„Ihr beiden Schatzgräber wollt also ernsthaft da runterfliegen, weil wir ja noch nicht genug fliegen, und euch dann auf die Suche nach diesen angeblichen Diamanten machen. Ist das wirklich euer Ernst?“ Die beiden grinsten und nickten einhellig.
„Gut, und nochmal die Frage, weiß Carmen schon davon?“ Und Urban grinste verlegen. „Ich sagte es ihr schon noch. Sie weiß noch nichts davon“, bekannte er schuldbewusst. Nadine sah die beiden Männer ernst an und man sah förmlich, wie ihr Hirn arbeitete. Dann schüttelte sie den Kopf.
„Und ihr seid euch auch ganz sicher, dass ihr schon aus dem Teenie-Alter raus seid?“, meinte sie plötzlich grinsend. Andreas lächelte seine Verlobte verschmitzt an.
„Und wenn du nach diesem Urlaub keinen Tag deines Lebens mehr arbeiten müsstest und ein Konto voll Kohle hättest und jedes Jahr mal nach Rimini, nach Monaco oder sonst wohin fliegen könntest? Wie wäre das denn, wenn das, was wir dort finden, wirklich um die 40 Mio. US-Dollar wert ist?“ Nadine, unsicher geworden, sah ihren Verlobten an.
„Ich wünsche euch schon mal viel Spaß dabei, wenn ihr das dann Carmen beibringen müsst. Ich bin jedenfalls gespannt, was sie meint. Aber ich halte mich da raus.“
Nach diesem Gespräch trennten sie sich und gingen auf ihr Hotelzimmer im Flughafen. Andreas und Nadine hatten ein Doppelzimmer, Steffen ein Einzelzimmer. Und auch hier ging die Diskussion noch eine Weile zwischen Andreas und Nadine weiter.
Sie hatten vereinbart, sich am ersten Samstag ihrer einwöchigen Ruhepause bei Andreas und Nadine zu treffen. Carmen hatte mal wieder frei nach langer Zeit und freute sich auf ein paar Stunden mit Nadine, da sie sich ja bereits gut kannten. Zumal beide Frauen ja fast im gleichen Alter waren.
Die Männer hatten für diesen Abend einen Schlachtplan entworfen, wie sie Carmen überzeugen wollten. Was im Grunde ja eigentlich einfach war, denn Andreas las einfach aus diesem Buch vor, während sie bei Kerzenschein und einem Holzfeuer auf der Terrasse des Einfamilienhauses saßen. Carmen hörte gespannt zu, nickte einige Male und schien doch ziemlich interessiert zu sein. Als er fertig war mit Lesen, seufzte sie leise.
„Oooch wäre das schön, Leute! Ein paar Millionen auf dem Konto und nicht mehr unbedingt arbeiten müssen. Dann könnte man die schönsten Reisen an die schönsten Stellen unserer Erde machen.“ Sie sah Nadine argwöhnisch an.
„Was grinst du denn so?“ Nadine nahm einen Schluck Rotwein und meinte dann immer noch grinsend:
„Da ist ja der Plan dieser beiden Helden hier voll aufgegangen!“ Carmen sah sie verwundert an. „Wieso Plan? Hast du schon von diesem Buch gewusst?“ Nadine nickte wieder.
„Ich habe es sogar schon gelesen, Schwester Carmen. Aber du weißt natürlich noch nicht, was ich schon weiß!“
Carmen richtete sich ein wenig auf und sah erst Andreas und dann ihren Mann ernst von der Seite an.
„Was weiß ich noch nicht? Aber jetzt raus damit, sonst schläfst du heute Nacht in der Garage!“ Das war natürlich ein Scherz, das wusste jeder. Carmen sah die beiden Männer fragend an.
Andreas versuchte, seinen Freund aus dem Schlamassel zu befreien.
„Wir haben uns überlegt, ob wir nicht zu viert unseren nächsten Urlaub dazu benutzen und mal da runterfliegen, um das Flugzeugwrack zu suchen!“
Carmen saß da, hatte den Mund offen, schaute mit großen Augen das Trio an, schluckte dreimal und meinte dann:
„Ihr spinnt doch alle drei!“ Und schon war die schönste Diskussion im Gange. Am Ende des Abends einigte man sich, dass Andreas sich mal erkundigte, welche Urlaubsmöglichkeiten es in Guyana gab. Die Harmonie war wieder hergestellt und die beiden Männer rieben sich siegessicher die Hände.
Andreas Bemühungen, einen Reiseveranstalter zu finden, der Urlaub in Guyana anbot, wurden belohnt. Eine Agentur aus Österreich bot Abenteuerurlaub für drei Wochen an. Der Preis war verhältnismäßig moderat.
Endlich war es so weit. Andreas und Nadine hatten ihren BMW X5M in Berchtesgaden mit Gepäck für drei Wochen beladen und waren auf dem Weg nach Schönau am Königssee, wo Familie Urban lebte, um sie abzuholen. Zu Hause hatte man dafür gesorgt, dass die Nachbarn oder Verwandte die Blumen gossen, die Heizung kontrollierten und notfalls Schnee schippten.
Wider Erwarten gab es schon etwas Schnee in den letzten Tagen. Und alle freuten sich schon auf die Temperatur in den südlichen Gefilden. Wie Andreas gelesen hatte, gab es in Guyana durchschnittlich Werte von 28 bis 30 Grad Celsius, eine Regenzeit und eine Sommerzeit. Sie kamen jetzt geradewegs in der Sommerzeit an. Um 18:00 Uhr sollte ihre Maschine nach Guyana vom Flughafen München abfliegen. Die beiden Piloten freuten sich schon darauf, auch endlich einmal als Passagier mitzufliegen. Andreas hatte in der Hauptstadt Georgetown in einem Hotel namens „Lotosblüte“ je ein Zimmer für die ersten drei Tage gebucht, und dann noch eine Woche, um Strandurlaub zu machen. Es war ein langer Flug über 16 Stunden, ehe sie endlich am Ziel ankamen. Als sie in der Wartehalle des Flughafens standen und warteten, holte sie niemand ab, obwohl das von der Reiseagentur zugesagt worden war. Steffen moserte genervt:
„Na, das fängt gleich gut an. Suchen wir uns halt ein Bus-Taxi.“ Und so geschah es dann auch. Im strahlenden Sonnenschein brachte sie das Bus-Taxi nach außerhalb von Georgetown. Müde und erschöpft betraten sie das kleine Hotel, das einen gemütlichen Eindruck machte, und einen wunderschönen schattigen Garten mit einem Pool hatte. Die Eigentümerin hieß Rachel Hunter, war eine etwas fünfzigjährige etwas füllige Frau aus der Schweiz. Ihr Mann. der wenig später noch dazu kam, hieß Robert Hunter und war Engländer. Rachel zeigte den beiden deutschen Paaren ihre Doppelzimmer. Auch hier gab es nichts zu kritisierten. Die Zimmer waren sauber und gemütlich und hatten eine Terrasse, da sie zu ebener Erde lagen.
Nach einem kurzen, aber erquickenden Schlaf trafen sie sich am Abend in der Hotel-Bar. Andreas, der sich ein wenig mit dem Hotelier angefreundet hatte, sah ihn beim Bier von der Seite an.
„Sagen Sie mal Robert, haben Sie schon mal was von einem Flugzeug gehört, welches am Ende des Zweiten Weltkrieges hier in Guyana abgestürzt sein soll. An Bord, so sagt man, sollen so ca. 42 Millionen Dollar in Steinen gewesen sein. Also ich meine Diamanten“, setzte er noch hinzu. Hunter sah sein Gegenüber völlig erschrocken an und meinte dann leise:
„Jetzt sagen Sie nur, Sie haben extra den weiten Weg zu uns auf sich genommen, um diesem Phantom hinterherzujagen?“, fragte er den Deutschen erstaunt. Andreas Thaler nickte kurz.
„Ja, das stimmt! Aber bitte behalten Sie es für sich. Nicht, dass noch irgendein Reporter oder Glücksritter davon Wind bekommt. Sie wissen, wie schnell das geht.“ Robert Hunter nickte nachdenklich und meinte dann leise:
„Da machen Sie sich mal keine Gedanken, Mister Thaler. Aber wie wollen Sie denn dahin kommen, frage ich Sie.“
Andreas verwies auf die Reiseagentur, die das alles organisiert hatte, und die sie morgen aufsuchen wollten, um sich letzte Informationen zu holen. Daraufhin brach Hunter in eine Lachsalve aus und er brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen. Als er sich endlich beruhigt hatte, sah er die vier Deutschen ziemlich mitleidig an und schüttelte fassungslos den Kopf.
„Was? Bei denen haben Sie gebucht? Na, dann ist Ihr schönes Geld aber längst über alle Berge! Da sind Sie aber nicht die ersten, die da drauf reingefallen sind. Der Boss dieser Truppe, ein gewisser Kilian Oberhofer ist ein Österreicher, und der wird längst von der Polizei gesucht. Das stand vorgestern erst in der Zeitung.“ Die vier Deutschen sahen sich entsetzt an. Mit dieser Auskunft war die Stimmung ziemlich weit unten, weniger beiden Frauen, die nun an den schönen Badeurlaub dachten. Aber mitten in eine heftige Diskussion betraten dann zwei weitere Gäste des Hotels, nämlich das amerikanische Ehepaar Winter die Bar. Steffen und Andreas hatten kurz nach dem Einchecken mit ihnen einige Worte gewechselt und wussten, dass beide Forscher aus den USA waren. Die setzten sich mit an den Tisch und sahen in die betretenen Gesichter der Deutschen. Benny Winter hob die Augenbrauen etwas an.
„Was ist denn bei Ihnen los. Sie schauen, als ob Ihnen die Reisekasse gestohlen worden ist!“, bemerkte er lax. Andreas nickte betroffen.
„So ungefähr, wir sind wohl umsonst hier heruntergeflogen und haben 10.000 € umsonst investiert“, erwiderte er sauertöpfisch. Zum Erstaunen aller Anwesenden nickte Benny Winters jedoch und lächelte.
„Na, dann wissen Sie ja schon das Neueste! Wir beide kommen nämlich gerade von der Polizei. Wir haben soeben Anzeige erstattet. Ob das viel Sinn macht in diesen Breiten, wage ich da allerdings zu bezweifeln. Wir hatten bei denen vier Wochen gebucht, aber nur für die Unterbringung, weil wir alleine durch die Wildnis ziehen wollen.“ Andreas Thaler lachte verärgert auf.
„Und? Fliegen Sie nun wieder nach Hause?“ Doch die Winters schüttelten beide die Köpfe. Und Steffen Urban sah für Sekunden der blonden Amerikanerin in ihre herrlich braunen Augen.
„Nein, wir haben uns entschlossen, unseren Plan auch so durchzuziehen. Kommen Sie doch einfach mit uns mit! Wir haben einen Forschungsauftrag und haben vorhin einen „Artoros Shaman“ geleast. Die Kiste hat Platz für neun Personen, hat 870 PS und einzeln steuerbare Räder. Mit dem können Sie quer fahren, wenn es sein muss, oder auch schwimmen Also was ist, kommen Sie mit?“
Die Vier sahen sich gegenseitig an. Erst nickte Steffen und dann Andreas und dann etwas zögerlich auch beide Frauen. Benny Winter lachte.
„Na dann Freunde, ziehen wir übermorgen in den Busch! Vorher müssen wir aber noch einiges einkaufen. Und hören Sie zu, meine Frau Karen und ich sind Wissenschaftler. Wir sind im Auftrag unseres Ministeriums hier unten auf der Suche nach alten Relikten. Das bedeutet, wir könnten Sie als sogenannte „Hilfskräfte“ einordnen, dann kostet Sie der ganze Trip gar nichts bis auf Ihre persönlichen Ausgaben! Was sagen Sie dazu?“
Mit einem Mal war die schlechte Stimmung weg. Und während die Männer noch bis spät in die Nacht zusammenhockten und Pläne schmiedeten, wobei auch dieser „Windhorst“ wieder zur Sprache kam, vergnügten sich die drei Frauen an der kleinen Bar und tauschten sich aus. Am Ende des Abends waren sie schon so etwas wie Freundinnen geworden.
Und so begann am übernächsten Morgen tatsächlich doch noch das Abenteuer „Dschungel“. Mit allen guten Wünschen und vielen guten Ratschlägen der Familie Hunter bestiegen sie ihren „Monster-Jeep“, der schon allein wegen seiner Farbgebung in Orange – Schwarz und vier großen Scheinwerfern auf dem Dach aussah wie aus einem utopischen Film. Eine Karte, ausgeliehen von den Hunters, sollte ihnen den Weg weisen. Dabei führte sie ihr Weg bis an die Grenze von Surinam im Westen, das waren gute 1865 km, und das quer durch Regenwald und über Flüsse hinweg. Mit einem wehen Blick zurück verließen zumindest die Frauen die Hauptstadt.
Andreas war noch immer nicht voll davon überzeugt, dass sie mit diesem Gefährt tatsächlich ihr Ziel erreichen würden. Lange hatte er am Abend noch mit Steffen darüber diskutiert. Doch am Ende war die Einladung der Winters ein Glücksfall gewesen, ohne den sie ihr schönes Projekt hätten endgültig begraben müssen. Andreas hätte die Reise lieber mit einem Boot machen wollen, wäre die Flüsse hinaufgefahren, die alle in den Bergen entsprangen. Aber nun hatten sie sich an diese Wissenschaftler aus den USA gehängt, um Geld zu sparen, wobei sie allerdings auch ein Schlauchboot mit Motor auf dem Dach des Wagens fest vertäut hatten.
Noch am letzten Morgen vor der Abfahrt hatten sich zwei einheimische Führer bei ihnen gemeldet, die Benny Winter auch sofort engagierte. Das hieß, dass sie nun acht Personen mit Gepäck und sonstiger Ausrüstung waren. Einem Rat der Hunters folgend, hatte sich jeder eine Waffe zugelegt. Besonders belacht wurden aber dabei die beiden Einheimischen mit ihren altertümlichen Flinten. Aber wie hilfreich die einmal noch sein würden, sollten sie erst viel später erfahren.
Was allerdings auf Anhieb ihren Argwohn erweckte, war die Tatsache, dass die Winters beide schon von Beginn an ziemlich gut bewaffnet waren.
Benny Winter trug eine Smith & Wesson und hatte noch ein Schnellfeuergewehr. Seine Frau Karen trug am Gürtel ebenfalls eine Pistole, was für Amerikaner ja nichts Außergewöhnliches war. Für Carmen und Nadine aber waren diese Waffen etwas ganz und gar Furchtbares. Aber Andreas bestand darauf, dass sie die von ihm ausgeliehenen Pistolen ebenfalls am Gürtel trugen.
„Wir sind hier nicht in Europa. Wer hier in die Wildnis geht, muss sich bewaffnen.“ Steffen und Andreas selber trugen nun beide einen acht schussigen Colt und ein Schnellfeuergewehr aus den USA, welches Hunter ihnen geliehen hatte. Einerseits gab es im Land eine Menge Gesindel, und andererseits aber auch Wildtiere, mit denen nicht zu spaßen war. Benny Winters Aufzählung dieser wilden Tiere hatte am Abend fast zum Abbruch des Unternehmens geführt. Neben dem Puma gab es den Ozelot, Tapire, Pekaris Mohren-Kaimane, Boa Constrictor, Anakondas, Korallenotter oder auch Riesenvogelspinnen. Die beiden Frauen hatten Gänsehaut bekommen, als Benny alle aufzählte. Doch am Ende beruhigte er sie und Carmen und Nadine bezwangen ihre unterschwellige Angst. Karen Winter schien den beiden Frauen etwas Beistand leisten zu wollen.
„Also ganz so gefährlich ist das alles nicht. Natürlich muss man sich im Regenwald und an den Flüssen vorsichtig bewegen. Aber glaubt mir, nicht die Tiere sind die große Gefahr. Viel schlimmer ist das hier mit jeder Art von Glücksrittern und Ganoven. Deshalb erzählt ja niemanden davon, was ihr vorhabt!
Am besten ihr sagt jeden, der fragt, ihr seid unsere Mitarbeiter und wir suchen alte Artefakte.“ Carmen sah ihre neue Bekanntschaft von der Seite an.
„Wart ihr schon öfters hier unten in diesen Breiten?“ Karen verneinte. „Nein, wir waren in den letzten Jahren vor allem in den Anden unterwegs, in Peru, Chile und Ecuador. Aber selbst da muss man aufpassen, mit wem man sich austauscht.“
Wegen der Schlangen und anderer giftiger Tiere hatte Carmen vor der Abreise eine kleine Reiseapotheke zusammengestellt. Und so hatten sie auch für drei verschiedene Schlangenarten Gegengifte an Bord, dafür hatte Karen Winter gesorgt, die gemeinsam mit Carmen auch die medizinische Abteilung bilden sollte. Da man das Dach des Wagens öffnen konnte, war während der Fahrt auch ein Blick nach oben in die Baumkronen möglich. Aber spätestens im Regenwald musste das Dach geschlossen werden. Immerhin hauste im Geäst der Bäume auch allerhand unfreundliches Getier.
Auf der ersten Tagesetappe schafften sie tatsächlich schon mal 150 km, was erstaunlich war, weil man bereits nach 100 km keine festen Straßen mehr vorfand. Eigens für das Gelände hatte sich Benny Winter auch noch ein kleines Spielzeug mitgenommen, wie er es nannte.
Immer wieder schickte er eine Drohne in den Himmel, um den Weg zu erkunden. Dieses Gerät sollte sich noch einmal als Lebensretter erweisen. Den Strom dazu bezogen sie aus zwei Photovoltaik-Paneelen, die ebenfalls auf dem Dach des Jeeps montiert worden waren.
Den ersten Abend in der Wildnis verbrachten sie auf einer Lichtung im tiefsten Regenwald, und Benny Winter gab eine Einweisung, wie man sich zu verhalten hatte, wenn man raus musste, um die Notdurft zu verrichten. Große aufladbare Handlampen waren eines der unbedingt notwendigen Geräte.
Während die zwei Einheimischen sich ihr Quartier außerhalb des Wagens in der Astgabel eines Baumes gesucht hatten, war den Weißen der Wagen vorbehalten. Jedes Pärchen hatte so knapp 2 mal 2 Meter zur Verfügung. Und es wurde eine unruhige Nacht, in der sie kaum schlafen konnten. Immer gab es irgendwelche Geräusche von Tieren in der Dunkelheit. Carmen, die in der Nacht eigentlich mal herausgemusst hätte, verschob es lieber auf den Morgen.
Als Nadine am Morgen die Augen öffnete, sah sie in die blauen Augen von Benny Winter, der sie angrinste. Einer nach dem anderen wurde wach und erhob sich. Am nahen Wasserlauf gingen sie dann gemeinsam zum Waschen, wobei immer zwei von ihnen bewaffnet waren. Als Benny Winter sah. wie Steffen auf das Wasser zusteuerte, rief er ihm laut hinterdrein:
„Steffen, nicht dass du auf die Idee kommst, jetzt da reinzusteigen! Da könnte dich eine Korallenschlange mal schnell beißen und in dreißig Minuten bist du tot!“ Dabei lachte er. Steffen fluchte vor sich hin und inspizierte erst einmal gründlich seinen Badeplatz. Aber so langsam schienen sie sich alle an die Umstände zu gewöhnen.
Mal abgesehen von den Temperaturen um die 32 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 96 Prozent war es ja ganz gemütlich, im Gegensatz zu den Temperaturen im November jetzt zu Hause.
Beim Frühstück besprachen sie die weitere Route. Ein paar Minuten später trafen Andreas und Benny etwas abseits des Platzes aufeinander und Andreas erzählte ihm von dem Flugzeug und der Fracht, die sie suchen wollten. Benny Winter hörte aufmerksam zu. Als Andreas geendet hatte, sah Benny ihn nachdenklich an und meinte dann:
„Mein lieber Andreas, du hast ziemlich viel Vertrauen in Menschen, die du nicht kennst. Aber es ehrt dich, dass du mir davon erzählt hast. Und dein Angebot, uns zu beteiligen, falls ihr was findet, zeugt von verdammt viel Ehrlichkeit. Ich danke dir dafür. Ich würde dir aber raten, diesen beiden Scouts davon nichts zu erzählen. Die haben schneller Verstärkung herangeholt, als uns das lieb sein kann. Der Dschungel hat seine eigenen Gesetze und hier sind schon Leute umgebracht worden oder verschwunden, die viel weniger bei sich trugen. Ich traue den beiden nur so weit, wie ich sie sehen kann. Aber gut, so haben wir zumindest schon mal ein gemeinsames Ziel, außer nur nach alten Ruinen zu suchen. Meiner Frau kann ich aber schon davon erzählen, oder?“ Andreas nickte und warum auch immer hielt er plötzlich Benny Winter die Hand hin, und der schlug ein.
„Weißt du Benny, wenn ich ehrlich bin, waren wir ziemlich blauäugig, als wir diese Idee ausgekocht haben. Ich hätte mir zum Beispiel niemals vorstellen können, dass man hier bewaffnet herumlaufen muss.“ Benny lächelte nachsichtig.
„Jedes Mal gibt es immer ein erstes Mal, so ist nun mal das Leben. Aber ihr getraut euch jedenfalls etwas, und das bewundere ich.“ Andreas nickte.
„Ja natürlich, wenn wir ein richtiges Team sein wollen, muss jeder wissen, worum es geht. Ich habe mich übrigens erkundigt. Im Falle, wir finden tatsächlich die Diamanten, gehören sie alleine uns. Der Staat hier hat keine Rechte darauf, weil es ja ein Überflug war damals. Sie kamen von Surinam und wollten zum Flughafen Polamar auf der Insel Margaritha, mit Zwischenlandung in Georgetown.“ Benny Winter sah den Deutschen nachdenklich an.
„Habt ihr euch mal mit deren Flugrouten beschäftigt?“ Andraes lachte amüsiert.
„Als Piloten, die wir nun mal sind, kannst du davon ausgehen, Benny. Ich habe die Flugroute sogar auf einer Karte vermerkt und denke, wir kommen dieser sehr nahe. Das Problem ist aber, die Gegend ist ziemlich bergig. Irgendwo um den Mount Sion herum müssen sie abgeschmiert sein. Aber wir haben nur drei Wochen Urlaub, und zwei hatten wir hier im Busch eingeplant, die dritte Woche sollte eigentlich eine Entschädigung für unsere Frauen sein.“ Benny rieb sich seinen Dreitagebart und sah skeptisch drein.
„Dann müssen wir aber unbedingt so schnell wie möglich da rauf! Meine Holde wird zwar meckern, aber ich glaube es lohnt den Einsatz! Okay, Andreas, meine Frau und ich sind dabei! Und wenn du das findest, was du suchst, kannst du dann nur noch zum Spaß fliegen. Kein schlechter Anreiz, es zu riskieren!“ Und so gaben sie sich die Hand darauf und Andreas war erleichtert. Mit den Winters hatte er Profis gefunden, die sich bei der Suche nach Artefakten auskannten. Immerhin hatten die beiden ja schon am Machu Picchu in den Bergen Perus gesucht.
Andreas unterrichtete seine Leute davon, dass sie in den Winters Verbündete gefunden hatte. Nadine und auch Claudia waren erst skeptisch, ließen sich aber überzeugen. Uneins war man darüber, ob man Rodrigo und Antonio vertrauen konnte. Die beiden Einheimischen blieben eigentlich immer unter sich, nur wenn man ihre Hilfe brauchte, dann waren sie auch da. Und so ließ sich Andreas eine Probe für die beiden einfallen. Er hatte eine mit Gold überzogene Halskette, die aber ziemlich schwer war. Diese ließ er am Abend draußen am Feuer liegen, als man in die Kojen ging. Am nächsten Morgen zum Frühstück klopfte ihm Antonio auf die Schulter. Andreas drehte sich zu ihm um. Antonio stand da und am Zeigefinger hing Andreas Kette. Er hielt sie ihm hin.
„Hier Señor, diese Kette hat sicher gestern Abend jemand von ihnen am Feuer verloren. Wäre schade um das schöne Stück“, meinte er und grinste dabei Andreas an. Der bedankte sich bei Antonio sehr herzlich, immerhin war es ein Andenken an seinen Vater – so die Legende.
Beim Frühstück erzählte er den anderen von dieser Begebenheit. Karen wiegte den Kopf hin und her.
„Eigentlich sind die Indigenen sehr ehrliche Menschen und die krummen Hunde, vor denen man sich in Acht nehmen muss, sind zumeist Weiße. Aber wir müssen ja nun nicht alles ausplaudern. Und sollten wir was finden, dann werden wir schon eine Lösung finden. Während sie so sprach, hatte Carmen die taffe Amerikanerin von der Seite gemustert und musste neidlos anerkennen, dass Karen eine verdammt hübsche Frau war. Da hatte sie selber wohl einige Pfunde zu viel auf den Rippen. Bei Nadine war das schon wieder anders, die konnte gut und gerne mit der guten Karen mithalten. Trieb sie doch auch, wann immer es ging, Sport. Antonio meldete sich bei Benny:
„Señor Winter, da vorne kommen wir an eine Brücke oder das, was ein Unwetter davon stehen gelassen hat. Aber wir müssen da drüber. Sollen wir eine Notkonstruktion bauen?“ Benny kratzte sich am Kopf, dann aber rief er nach den beiden Deutschen.
„Hört mal, Antonio hat mir gerade berichtet, dass uns weiter vorn eine desolate Brücke aufhält. Wir sollten uns das mal ansehen, bevor wir hier zusammenpacken.“
Und so geschah es dann auch. Sie stapften die 500 Meter zu Fuß durch den Regenwald. Und dann sahen sie das Unglück. Steffen raufte sich die Haare.
„Brücke? Wo ist denn da noch eine Brücke? Ach du heiliges Kanonenrohr!“ Er wandte sich an Rodrigo:
„Hallo, Rodrigo, wie löst ihr solche Probleme hier unten im Busch? Gibt‘s hier Bambus?“ Rodrigo verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen.
„Sehr gute Idee, Mister Urban. In zwei Stunden können wir da wieder rüberfahren!“ Steffen sah ihn entgeistert an.
„Was? In zwei Stunden schon?“ Rodrigo nickte nur, dann zog er los, holte eine Motorsäge, die sie im Jeep hatten. Und dann konnte man aufpassen, mit welcher Genauigkeit und Fertigkeit die beiden Indios eine neue Brücke hinzauberten. Nach zweieinhalb Stunden stand das Kunstwerk da, sehr zum Erstaunen aller. Andreas stieg aus seinen Gummistiefeln, die voller Wasser waren. Plötzlich schrie Nadine laut auf. Alle drehten sich zu ihr um, und sie deutete auf Andreas Waden, die voller Blutegel in jeder Größe waren.
„Mach die Viecher ab! Schnell!“, rief sie ihrem Freund zu. Doch Andreas lachte nur.
„Nun mach doch nicht so einen Auflauf, Liebling! Das soll doch gesund sein. Ich bräuchte nur einen richtigen Schnaps.“
Carmen war schon unterwegs und holte eine Flasche Wodka.
„Hier du Held! Entweder so viel davon trinken, bis die Viecher abfallen, oder sie damit übergießen“, lachte sie. Und dann nahm sie sich Andreas Waden vor.
„Setz dich auf die Holzkiste da, ich mache das schon!“, meinte sie nur und begann ihr Werk. Nach zehn Minuten hatte sie alle Tiere abgelöst und Andreas hatte einige blutende Stellen, die Karen noch einmal mit Wodka übergoss, sehr zu Freunde der Umstehenden. Denn er jammerte ziemlich dabei. Auf einmal kam Antonio mit irgendwelchen Blättern und gab sie Karen.
„Hier Miss Winter, Bein einwickeln und umwickeln mit Schnur oder Liane.“ Und so bekam Andreas an beiden Beinen einen sehr kunstgerechten Verband. Benny schaute nachdenklich zu und Carmen zückte den Fotoapparat.
„Da würde jeder Arzt bei uns die Hände über den Kopf zusammenschlagen, von wegen Hygiene und so.“ Andreas winkte ab.
„Diese Urwaldmedizin ist tausendmal besser als unsere Chemiekeulen. Die Jungs kennen sich doch damit aus.“
Und nachdem er seine Gummistiefel ebenfalls untersucht hatte, zog er sie wieder an. Wenig später wagten sie den ersten Versuch und der Jeep rollte über die neue Brücke auf die andere Seite des Flusses. An diesem Morgen ernteten die beiden Einheimischen zum ersten Mal eine Menge Lob wegen ihrer guten Arbeit. Und beide sollten sich noch als fester Bestandteil des Teams erweisen. Carmen hatte immer noch die Kamera bereit und nahm den Mann mit Blättern um die Beine nochmal mit dem Handy auf.
„Andy, das muss ich einfach fotografieren! Mit der Beinmode würdest du in München auf dem Flugplatz die Sensation sein!“ Er streckte ihr die Zunge heraus und grinste dabei breit.
Seit dem Morgen ging es unmerklich immer mehr bergauf und man kam endlich aus dem nassen Urwald heraus in trockeneres Gebiet. Und immer wieder wunderten sie sich, wie dieser schwere Jeep sich bewährte. Einzig Andreas hatte ein ungutes Gefühl, wenn er auf die Verteilung der drei Zweihundert-Liter-Fässer mit dem Dieseltreibstoff sah. Zwei Fässer waren am Heck und eins vorn am Bug befestigt, aber es würden ja weniger werden je weiter sie fuhren. Inzwischen hatte sich Benny Winter schon zweimal mit Steffen Urban beim Fahren abgewechselt, und der Pilot war begeistert von dem Gefährt. Zum ersten Mal sahen sie ein Pumaweibchen mit zwei Kleinen, die neugierig zu ihnen herüberäugten und dann im Gebüsch verschwanden.
An diesem Abend verglich Andreas wieder einmal ihre Route mit dem Kurs, welches das Flugzeug damals benutzt hatte. Er sah Benny und Steffen nachdenklich an und deutete auf seine Karte, die er auf den Knien liegen hatte.
„Wenn wir noch etwa 50 Kilometer weiter gen Osten fahren, sind wir genau auf Kurs. Von da bis zur Grenze nach Surinam sind es dann noch knapp 275 Kilometer. Aber vor uns liegt bergiges Gelände mit viel Baumbewuchs, da heißt es vorsichtig sein.“ Benny Winter nickte ein wenig nachdenklich und kratzte sich am Kinn.
„Andreas hat recht mit dem vorsichtig sein, vor allem aber auch nach oben hin. Wir müssen unbedingt die beiden Dachluken schließen. So gut, dass für die frische Luft im Wagen ist, aber ich möchte nicht erleben, dass uns eine Baumotter in die Kiste fällt! Sagt das besonders euren Frauen.“
Dabei sah er Steffen an und der nickte verstehend. Carmen hing während der Fahrt meistens halb in einer der Luken und sah hinaus. Plötzlich kam Karen ans Feuer und drückte jedem eine kleine Tablette in die Hand. Als man sie verwundert ansah, schmunzelte sie nur.
„Kein Angst, ich will euch nicht vergiften. Die sind als Vorbeugung gegen Malaria, auch wenn ihr euch habt impfen lassen, ist das hier eine wichtige Sache.“
In den ersten drei Tagen, die sie nun schon unterwegs waren, hatte sich eine Art Arbeitsteilung eingestellt. Und die erinnerte stark an zu Hause. Die Frauen kümmerten sich ums Essen und die Wäsche, während die Männer die Probleme der Tour meisterten. In Sachen Brückenbau waren sie inzwischen schon ein eingespieltes Team. Karen dagegen zeigte ihren beiden Freundinnen wie man kleine Artefakte finden konnte und worauf man dabei achten musste. So mancher Hügel war auch schon mal ein Mungo-Bau, und die konnten sehr ungehalten werden, wenn man sie störte. Und dann sahen sie ihre erste große Schlange, eine Anakonda. Carmen und Nadine waren leicht blass geworden, als sie das Tier über einen Bach in ihre Richtung kommen sahen. Benny hatte schon seine Waffe in der Hand, doch die Anakonda drehte etwa zehn Meter vor ihnen ab und verschwand wieder im Unterholz. Alle atmeten auf.
An diesem Abend erinnerte Karen am Lagerfeuer dann an diesen Massenselbstmord der „Peoples Temple“, einer Sekte im Urwald von Guayana, die 1978 in dem kleinen Ort Jonestown gelebt hatte. Eine Kirchengemeinde mit annähernd 913 Erwachsenen und 273 Kindern waren von den schwer bewaffneten Getreuen des selbsternannten Pfarrers Jim Jones zu einem Tisch in der Ortsmitte getrieben worden, wo jeder die Wahl hatte, entweder einen Becher mit Zyankali und Valium in Limonade zu trinken oder erschossen zu werden. Dabei hatten die Eltern zuschauen müssen, wie ihre Kinder das Gift trinken mussten und vor ihren Augen starben. Daraufhin hatten auch die meisten Erwachsenen das Gift genommen, insgesamt wohl über 900 Personen, darunter etwa 275 Kleinkinder und Säuglinge waren die Opfer gewesen.
Es hatte ein Protest gegen die damaligen Verhältnisse der Kirche sein sollen. Eine Gruppe von Reportern, die wenige Tage nach diesem Massenmord im Dorf gewesen waren, um sich davon zu überzeugen, dass es auch Gegner dieses Selbstmordes gab, waren vor dem Abflug von Jones Anhängern auf dem Flugplatz erschossen worden. Erst Tage später war dann eine Armeeeinheit gekommen und hatte entdeckt, was dort geschehen war. Sie hatten über 1000 Tote gefunden.
Carmen und Nadine saßen da und wischten sich die Tränen ab, so hatte sie Karens Geschichte betroffen gemacht. Andreas nahm einen Schluck Kaffee und meinte:
„Solche wahnwitzigen Selbstmorde hat es aber schon vorher und auch danach gegeben. Ich entsinne mich da noch an diese Amoun-Sekte, die in Japan zum gemeinsamen Selbstmord aufrief, nachdem vorher gut 3500 Paare geheiratet hatten und dann in den Tod gingen. “ Benny schüttelte den Kopf.
„Es ist doch unglaublich, dass einige wenige andere Menschen dazu bringen können, in eine Massenhysterie zu verfallen.“
Steffen nickte. „Denkt doch an Adolf Hitler und seine Massenmörder, die Menschen vergasten, nur weil sie eine andere Religion hatten.“
„Das war wohl Deutschlands dunkelste Zeit, einfach unglaublich“, meinte Benny, rieb sich das Kinn und trank einen Schluck. Plötzlich sah Andreas ihn an.
„Na, ihr Amerikaner wart ja auch nicht gerade zimperlich, als ihr die Indianer ausgerottet habt. Ganze Völkerstämme wurden in Reservaten gefangen gehalten und verhungerten teilweise.“
Benny nickte wortlos, stand auf und sah seine Frau Karen an.
„Komm Schatz, es ist Zeit, in den Schlafsack zu kriechen. Euch allen auch eine schöne Nacht. Schlaft gut.“ Und damit hatten sich die Amerikaner aus dieser Diskussion verabschiedet.
Einigermaßen in Gedanken versunken ging nun auch der Rest zum Wagen zurück, um schlafen zu gehen. Besonders die Frauen hatte dieser Disput erschüttert. Nadine flüsterte mit Andreas, der sie im Arm hielt.
„Andy, ich denke, es wäre besser, wenn wir solche Diskussionen lieber lassen würden. Du hast gesehen, wie Benny reagiert hat. Das ist nicht gut für das Klima in unserer Gruppe.“ Andreas lachte leise. „Ja, meine weise Frau, ich halte mich künftig daran.“
„Deine Frau? Bis jetzt bin ich doch wohl eher deine Freundin, oder?“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Aber bald auch hoffentlich meine Ehefrau“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Am nächsten Morgen zogen die drei Frauen ausgestattet mit guten Ratschlägen los. Karen hatte am Vortag in einem kleinen Seitental aus der Ferne ein altes Blockhaus gesehen. Und so folgten sie dem Weg, der sich durch dichtes Waldgestrüpp dahinschlängelte. Der Weg war ziemlich beschwerlich und sie mussten über umgestürzte Bäume klettern und auf glitschigen Pfaden bergan laufen. Nach 30 Minten machten sie die erste Rast und tranken etwas. Es mussten mindestens 30 Grad Celsius sein, und dazu diese hohe Luftfeuchtigkeit. Nadine und Carmen hatten mehr damit zu kämpfen als die durchtrainierte Karen.
Plötzlich entdeckten sie eine etwa einen Meter hohe Mauer aus groben Feldsteinen. Dahinter stand ein altes teilweise zusammengefallenes Holzhaus. Mit entsicherten Waffen näherten sie sich vorsichtig der alten Hütte. Carmen hatte es zur Hälfte umrundet und sah plötzlich eine alte dicke Holztür, die halb offenstand. Langsam schob sie die Tür auf und erstarrte! Auf einem Holzstuhl saß ein Skelett mit einem Lederhut auf dem Kopf und Stiefeln an den Füßen. Die Kleidung war total zerfallen. Sie schrie entsetzt:
„He! Mädels kommt her! Hier sitzt ein Toter am Tisch!“ Karen und Nadine kamen gerbeigeeilt und sahen ihr über die Schulter. Nadine schüttelte sich. „Mein Gott, was ist das denn?“ Karen ging näher an den Toten heran und besah den kahlen Schädel. Sie deutete auf ein kleines Loch in der Schläfe.
„Seht mal, er hat sich vermutlich erschossen“, und deutete auf den am Boden liegenden Trommelrevolver. Dann besah sie sich eine alte Blechdose auf dem Tisch und versuchte die Aufschrift zu entziffern.
„Oh ha, das ist ein starkes Schmerzmittel, was es früher mal gab. Der Onkel war wahrscheinlich sehr krank und hat dann Selbstmord verübt.“ Sie sahen sich in der Hütte um, fanden aber nichts, was Aufschluss über den Toten gab.
Nachdem sie alles durchstöbert und nichts weiter gefunden hatten, zogen die Frauen es vor, dieses ungastliche Gemäuer wieder zu verlassen. Karen war einigermaßen enttäuscht, weil sie nichts gefunden hatten. Sie sah auf die Uhr.
„Was haltet ihr davon, wenn wir wieder zurückgehen? Mal sehen, ob unsere Männer etwas gefunden haben. Außerdem habe ich plötzlich Hunger. Gehen wir also.“ Die anderen beiden nickten erfreut. Das Ganze gefiel ihnen nicht so richtig, und so waren sie froh, wieder umkehren zu können.
Der Rückmarsch ging dann wesentlich schneller, weil es stetig bergab ging. In einiger Entfernung sahen sie dann schon auf den Platz vor der Höhle und den Jeep. Doch etwas machte Karen stutzig, als sie noch näher herankamen. Sie hörten Stimmen, die nicht von ihren Männern stammen konnten. Karen blieb abrupt stehen und legte den Zeigefinger auf den Mund.
„Pssst, seid leise! Irgendetwas stimmt da unten nicht. Lasst uns erst mal nachsehen, wer da gekommen ist. Bis jetzt hat uns noch niemand bemerkt“, flüsterte sie und zog ihre Pistole aus dem Holster. Nadine und Carmen folgten ihrem Beispiel. Vorsichtig auftretend, im Abstand von nur wenigen Metern näherten sie sich durch das Gestrüpp ihrem Jeep. Vor ihnen stand nun der Jeep und ihre Männer und die Besucher mussten auf der anderen Seite des Wagens sein, denn sie hörten Stimmen.
Auf einmal tauchte Rodrigo hinter einer Palme stehend auf und sah zu ihnen herüber. Auch er legte den Finger auf den Mund und machte eine Geste mit der Hand. Sie sollten stehen bleiben und sich still verhalten. Hinter dem Jeep schien irgendetwas im Gange zu sein, denn sie hörten, wie jemand auf Spanisch etwas rief und ein zweiter aus dem Jeep heraus darauf lachend antwortete.
Sie wurden bleich, als sie einen Mann mit vorgehaltener Waffe aus der Höhle herauskommen sahen. Langes bis zur Schulter reichendes Haar, über und über tätowiert und in alten Lederklamotten mit Springerstiefeln gekleidet. Benny, Andreas und Steffen standen mit erhobenen Händen mit dem Rücken zum Jeep. Ein zweiter Mann rumorte im Jeep herum und warf einzelne Teile heraus auf den Grasboden, als wenn er etwas suchte. Und plötzlich stand Antonio hinter Karen und flüsterte ihr ins Ohr:
„Miss! Das sind Gauner, die geben sich als Polizei aus und rauben die Leute aus. Wir müssen sie unbedingt erledigen, sonst haben wir sie dauernd auf den Fersen!“ Karen drehte sich erschrocken zu ihm herum. „Und was wollt ihr machen?“, wisperte sie. Antonio machte eine Geste mit der flachen Hand unter der Kehle entlang. Und kaum hatte er es ausgesprochen, hob er sein Gewehr, zielte sorgfältig, dann drückte er ab! Ein Schuss peitschte durch die Stille des Regenwaldes. Der Tätowierte blieb mitten im Laufen abrupt stehen, griff sich an den Hals und fiel einfach um. Im nächsten Augenblick waren Rodrigo und Antonio am Jeep und feuerten beide gleichzeitig hinein. Einen Moment war Totenstille, dann rannten die Frauen zu ihren Männern, während die beiden Indios den zweiten Gauner an den Füßen vom Jeep herunterzerrten. Der Mann war ebenfalls tot.
Nadine und Carmen standen da und starrten mit versteinerten Mienen auf die beiden Toten. Sie schüttelten entsetzt den Kopf und Karen stand daneben und zuckte mit den Schultern.
„Hätten wir sie verschont und nur vertrieben, wären sie uns laufend gefolgt, um uns dann bei bester Gelegenheit wieder zu überfallen. Und ob das dann für uns auch so glimpflich ausgegangen wäre wie jetzt, bezweifle ich. Es war einfach notwendig und unsere einzige Chance.“
Carmen und Nadine gingen zu ihren Männern und umarmten sie wortlos. Andreas drückte Nadine fest an sich. Er spürte, wie sie vor Anspannung zitterte. Sie sahen sich beide in die Augen und Andreas sah, dass das, was sie gerade erlebt hatten, eigentlich zu viel für europäische Nerven war. Er versuchte es ihr zu erklären.
„Wir saßen da und quatschten, als plötzlich die Zwei mit vorgehaltener Waffe vor uns standen. Unsere Waffen lagen im Wagen, also unerreichbar. Zum Glück habt ihr ja toll reagiert.“
Rodrigo hatte währenddessen seinem Freund einen Wink gegeben. Beide entfernten sich von der Höhle und fuhren den Jeep mit den beiden Leichen in den Busch. Wenig später gab es eine Explosion und Rauchschwaden stiegen auf. Sie hatten den Jeep mit Benzin übergossen und angezündet. Im Grunde eine schlimme Sache, aber hier im Busch galten andere Regeln.
Nadine sah ihren Lebensgefährten ernst an.
„Und? Ist das etwa das, was wir uns von unserem Urlaub erwartet haben? Langsam verfluche ich diesen ganzen Trip.“
„Du hast ja recht! Aber in dieser Gegend geht es eben zu wie im Wilden Westen. Das habe ich auch nicht vermutet. Aber wollen wir jetzt aufgeben, so kurz vor dem Ziel? Und selbst wenn wir die Steine jetzt nicht finden und heim wollten, würde man uns trotzdem verfolgen. Unser Plan hat sich offenbar herumgesprochen, das steht fest! Das ist das Schlimmste, was uns passieren konnte. Nur frage ich mich, wer uns das eingebrockt hat. Wer hat alles davon gewusst?“
Carmen, die mit Steffen neben den beiden gestanden hatte, drehte sich zu Andreas und Nadine herum.
„Glaubt ihr beiden denn immer noch an diese Mär von den Millionen? Ich jedenfalls nicht. Also sollten wir uns mal gründlich unterhalten und ein Fazit ziehen. Wir sind hier in einen Mist hineingeraten, den ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte.“ Man sah Carmen an, dass sie restlos verärgert war über diesen Beginn der Urlaubsreise.
Am abendlichen Lagerfeuer diskutieren sie das ganze Für und Wider nochmal aus. Kurz vor Mitternacht stellte Andreas die entscheidende Frage:
„Lasst uns abstimmen, was wir tun. Aufgeben und zur Küste zurückfahren oder noch drei Tage weitersuchen. Finden wir auch dann nichts, geht es zurück zur Hauptstadt. Wer ist für die drei Tage?“
Drei Arme hoben sich, der von Carmen blieb unten. Als sie sah, wie die Sache stand, hob sie mit gequälter Miene auch den Arm. Nach dieser Abstimmung am Lagerfeuer war man sich einig geworden, doch noch drei Tage weiterzumachen. Der Traum vom großen Fund hatte ja gerade erst begonnen, wenn auch nicht so, wie man sich das vorgestellt hatte. Und dabei kam natürlich die Frage auf den Tisch, was jeder sich eigentlich vorgestellt hatte. Andreas und Steffen waren nach wie vor überzeugt, noch etwas zu finden. Nadine wollte an den Erfolg glauben, war sich aber nach dem Erlebten nicht mehr sicher. Und Carmen sah das Ganz inzwischen als gefährlichen Zeitvertreib, den man sich hätte sparen können. Das allerdings behielt sie tunlichst für sich, um nicht die Spaßbremse im Team zu sein. Doch Steffen kannte seine Frau viel zu gut, um sich von ihrem gezeigten Optimismus täuschen zu lassen. Als er sie darauf ansprach, lehnte sie sich an ihn. „Steffen, ich weiß wirklich nicht, ob das, was wir hier tun, noch sinnvoll ist. Ich wünsche mir nur, dass wir bald hier heil herauskommen und wieder unser geregeltes Leben haben. Ob nun reich oder auch nicht, am Ende zählt doch nur, dass wir beide uns haben und uns lieben.“
„Carmen, ich verspreche dir, dass wir nur noch bis zum Wochenende suchen. Finden wir nichts, gehen wir zurück nach Georgtown und machen noch ein paar Tage Badeurlaub.“
Steffen wusste genau, dass er dieses Versprechen einhalten musste, egal was nun noch kam. Es war Dienstag und sie hatten noch drei Tage, um erfolgreich zu sein. Bevor sie wieder getrennt losmarschierten, umarmten sie sich alle vier und Andreas sprach das aus, was die meisten dachten:
„Noch drei Tage, haben wir bis Freitag nichts gefunden, machen wir uns am Samstag auf den Rückweg. Also, auf geht’s!“
Gegen Nachmittag erreichten sie die ersten Ausläufer eines Vorgebirges, endlos hügelig, teilweise auch bergig, und bis oben hinauf mit Regenwald bewachsen. Ungefähr hier in diesem Terrain musste die Maschine damals wohl abgestürzt sein. Natürlich nur, wenn die Angaben in diesem Buch auch wirklich stimmten. Aber Andreas zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Hatte er doch bei seiner Recherche genügend Anhaltspunkte für diese Flugroute gefunden.
Bis zum Grenzort Maripasoula waren es noch gute 175 Kilometer. Was sie aber schon sehen konnten, war der Inini, ein kleiner Fluss, der in Maripasoula ins Meer floss. Nach längerem Suchen fanden sie eine kleine Caldera, ringsum von Bergen gesäumt. Dort fuhren sie den Jeep hinein. Dieser Platz sollte ihr Lager für die nächsten Tage werden. Und sie hatten beschlossen, die Suchaktion nicht länger als unbedingt notwendig dauern zu lassen. So blieben ihnen noch genügend Tage für die Rückfahrt zum Flughafen und eine Woche, um richtig Urlaub zu machen. Familie Winter hatte sich da aber nicht festgelegt, sie hatten schließlich einen Auftrag zu erfüllen und würden wohl noch länger bleiben.
Andreas hatte seine Karte auf dem Tisch ausgebreitet und versuchte ein paar Anhaltspunkte aus dem Buch, die auf der letzten Seite zu finden waren, nun auf diese Karte zu übertragen.
Inzwischen war es dunkel geworden und das Zirpen, Pfeifen und die Laute anderer Tiere hatten begonnen. Leichter Wind wehte in den Baumwipfeln. Irgendwo kreischten einige Affen. Nicht weit entfernt von ihnen saßen auf einem Baum mehrere bunte Papageien und schienen die fremden Eindringlinge zu beobachten. Karen zerschnitt einige Apfelsinen, stand auf und lief bis zu diesem Baum. Dort legte sie die Apfelsinenstückchen auf den Boden und kam wieder zurück. Doch keiner der Papageien kam von seinem Baum herunter. Benny lachte leise.
„Hast du gedacht, die kommen jetzt in der Dunkelheit von ihrem Platz herunter? Das wird nicht passieren, dazu haben die viel zu viel Angst. Da oben auf ihrem Baum fühlen sie sich auf jeden Fall sicher. Morgen früh werden deine Apfelsinen weg sein.“
Um Strom zu sparen, schalteten sie die Lampe aus und saßen im Schein des Feuers um den Grill herum. Die Männer hatten sich entschlossen, am nächsten Tag Frischfleisch zu besorgen, was die Frauen natürlich mit Protest begleiteten. So ein armes Tier zu schießen, war doch schlimm! Da machte Andreas einen anderen Vorschlag:
„Dann geht ihr Frauen doch zum Fluss runter und versucht ein paar Fische zu fangen. Aber aufpassen wegen der Krokodile und Schlangen! Und nehmt auf jeden Fall eure Waffen mit.“ Die drei Frauen lachten erheitert.
„Ja, Papa, das machen wir schon!“, erwiderten sie und grinsten. Doch Steffen pflichtete seinem Freund bei: