Fluchtwege - Sandro Veronesi - E-Book

Fluchtwege E-Book

Sandro Veronesi

4,5
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Innerhalb von vierundzwanzig Stunden ist für Pietro Paladini nichts mehr so, wie es war. Vorher noch ein fürsorglicher Vater, engagierter Lebensgefährte und solider Geschäftsmann, wird er unverhofft zum Gesuchten. Ganz auf sich gestellt beginnt er eine tragikomische Flucht, die dort endet, wo das Chaos begann. Eigentlich läuft bei Pietro Paladini alles in ruhigen Bahnen, gäbe es da nicht die Probleme mit seiner verschlossenen Tochter, seinem polizeilich gesuchten Bruder, dem drogensüchtigen Exmann seiner Lebensgefährtin und vor allem seinem Geschäftspartner. Der hat ihm jahrelang die kriminellen Hintergründe ihres Autohandels verschwiegen, um plötzlich zu verschwinden und ihn mit dem Finanzamt und rumänischen Hehlern alleine zurückzulassen. Wenn es also eine Konstante in Pietro Paladinis Leben gibt, dann ist es das Chaos. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, dieses Chaos wieder zu ordnen, dann nur mit der Wahrheit. Und die hat bekanntlich viele Gesichter.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 586

Bewertungen
4,5 (16 Bewertungen)
10
4
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sandro Veronesi

Fluchtwege

Roman

Aus dem Italienischen vonMichael von Killisch-Horn

Klett-Cotta

Impressum

Die Übersetzung auf S. 342, 343 aus Bel-Ami von Guy de Maupassant stammt von Hermann Lindner, München: dtv 2001, S. 5

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Terre rare«

© 2014 by Bompiani, Milan

Für die deutsche Ausgabe

© 2016 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Umschlag: ANZINGER | WÜSCHNER | RASP, München

Unter Verwendung eines Bildes von © CSA Images/Getty Images

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-98035-6

E-Book: ISBN 978-3-608-10109-6

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

ERSTER TEILEin grauenhafter Tag

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

ZWEITER TEILSeltene Erden

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Fluchtwege

Für Zeno

inzwischen dazugekommen

ERSTER TEIL

Ein grauenhafter Tag

1

Die Welt ist abhängig von denen, die sie erzählen, und auch von denen, die der Erzählung zuhören und sie manchmal beeinflussen.

Javier Marías

Heute ist das Thema des Tages der Krebsalarm. Es steht in allen Zeitungen, nicht nur auf den römischen Lokalseiten, sondern auch auf den nationalen. Die Killerkrebse aus Louisiana. Alle sprechen mit großer Sorge darüber, da es sich um eine ganz besondere Spezies handelt, die vor fünfzehn Jahren von einem Züchter vom Lago di Bracciano aus Louisiana eingeführt worden war und die sich aufgrund ihrer ungeheuren Fähigkeit zur Vermehrung, wie sie sagen, über ganz Latium verbreitet hat. Von Graben zu Graben, von Kanal zu Kanal sind sie zur Mülldeponie von Malagrotta gewandert, und von dort aus haben sie, immer den Zeitungsberichten zufolge, zum Angriff auf Rom geblasen, indem sie die Via Aurelia auf der Höhe von Kilometer dreizehn überquerten und beträchtliche Probleme bereiteten. Eine Massenkarambolage von Autos, die auf dem Asphalt, das von diesen roten Monstern bedeckt war, nicht mehr bremsen konnten. Laut den Zeitungen bereitet die Provinz eindrucksvolle Einzäunungen vor, die Verkehrspolizei ist vor Ort, und die Umweltschützer sind um das Gleichgewicht des Ökosystems besorgt, während weitere Angriffe in den nächsten Tagen befürchtet werden. Soweit die Zeitungen.

Nun will der Zufall, dass ich an genau diesem Kilometer dreizehn der Aurelia draußen vor meinem Büro sitze. Es ist ein wunderschöner sonniger Morgen, die Schwalben kreischen am Himmel, und ein lauer Wind streichelt die Haare auf meinen Armen, während ich die Arbeiter in ihrer orangefarbenen Kleidung beobachte, die tatsächlich an der Straße hundert Meter von mir entfernt eine Einzäunung aufstellen – die, offen gesagt, alles andere als eindrucksvoll ist. Vor allem aber, ich war auch gestern morgen um halb sechs hier – ich wollte nach einer durchfeierten Nacht meine Hausschlüssel holen – und habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie ein Lieferwagen mit ausländischem Kennzeichen – rumänisch vielleicht, vielleicht polnisch – ins Schleudern geriet und mit der Seite an der Leitplanke entlangschrammte, die Hecktür sich plötzlich öffnete und eine Lawine von Krebsen auf den Asphalt schwappte. Ja, genau, Krebse, Riesengarnelen sogar – unzählige; keine Kästen aus Styropor oder irgendwelche anderen Behälter, dieser Lieferwagen war, weiß der Teufel warum, randvoll mit losen Krebsen und zerstoßenem Eis und ergoss praktisch seine gesamte Ladung auf die Straße hier vor mir und fuhr einfach weiter, ohne langsamer zu werden. Es stimmt also, dass gestern im Morgengrauen hier an Kilometer dreizehn die Aurelia von einem absurden Mantel aus Riesengarnelen bedeckt wurde, die von den Autos, die unmittelbar nach dem Lieferwagen vorbeifuhren, rasch zu Brei zerquetscht wurden; und ebenso stimmt es, dass, obwohl die Herkunft jetzt nicht mehr mit Sicherheit festzustellen ist, dieser Matsch verantwortlich war für einen Unfall zweier Autos, die etwas zu schnell angefahren kamen – ein uralter grauer Clio und ein weißer Punto –, und dass sie sich, als sie bremsten, um die eigene Achse drehten und mit einer gewissen Grazie ineinander verkeilten und gemeinsam in einem, wie die kinematische Physik sagt, »perfekt anelastischen Aufprall« gegen die Leitplanke knallten – ich weiß das, weil meine Tochter soeben in Physik durchgefallen ist und sie gerade in diesen Tagen zur Nachhilfe geht. Es ist wahr, weil ich gesehen habe, wie es geschah. Aber der Rest ist nicht wahr. Es hat keinerlei Invasion gegeben.

Kurz und gut, ich war gestern früh in Gedanken versunken und hatte es auch ein bisschen eilig, aber ich habe, ich schwöre es, gewartet, bevor ich nach Hause ging, um zu sehen, ob meine Hilfe und/oder Zeugenaussage für notwendig oder wichtig erachtet würden. Da ich jedoch sah, dass die Fahrer der beiden Wagen unverletzt ausgestiegen waren, um nachzuschauen, was passiert war, und die anderen Autos halten oder bremsen konnten, ohne ins Schleudern zu geraten und das Ausmaß des Unfalls noch zu verschlimmern, und da ich das Kennzeichen des Lieferwagens nicht notiert hatte und mir nicht vorstellen konnte, dass ich der Einzige sei, der wüsste, was passiert war, und wirklich, glaubt mir, wirklich hundemüde war und eine Dusche brauchte und ein Minimum an Ruhe und vor allem zu Hause meine Tochter sehen und beim Frühstück ein paar Worte mit ihr wechseln wollte, bevor ich wieder in dieses Büro zurückkehrte, kam ich zu dem Schluss, dass ich gehen konnte, ohne mich einzumischen. Es war nicht mir passiert, dachte ich, wenn ihr versteht, was ich meine – wenn auch ihr an den entscheidenden Unterschied glaubt, der zwischen vor meinen Augen passiert und mir passiert besteht. Und so bin ich gegangen. Als ich vier Stunden später zurückkam, lagen noch ein paar zerquetschte Riesengarnelen auf dem Asphalt, und auf dem Seitenstreifen stand ein Polizeiwagen, doch die Beamten waren untätig, und es sah nicht so aus, als ob sie ermittelten, während die Straße nass und sauber war und niemand mehr an diesen merkwürdigen Unfall zu denken schien. Und so verschwand auch der letzte Rest von Zweifel, ob meine Zeugenaussage ohne notiertes Kennzeichen dazu beitragen könnte, den Lieferwagen ausfindig zu machen für den Fall, dass jemand für den durch den Zusammenstoß verursachten Schaden verantwortlich gemacht werden müsste, oder um einfach nur eine Erklärung zu verlangen für diese ungewöhnliche Art und Weise, Krustentiere zu transportieren, unverpackt und ohne Hygienevorkehrungen, und ich dachte nicht mehr an die Angelegenheit. Und dann schlage ich heute Morgen den Corriere della Sera auf und lese die Geschichte von den Krebsen aus Louisiana. Eine kurze Meldung auf der Lokalseite, ziemlich knapp. Daraufhin kaufe ich Il Messaggero, dessen Lokalteil unschlagbar ist, und finde einen Artikel auf den Seiten der landesweiten Berichterstattung und sogar eine Seite im Lokalteil; die ganze Geschichte, die ich von den Killerkrebsen aus Louisiana erzählt habe, von ihrem Import und ihrer Vermehrung und ihrer Eroberung des Territoriums bis hin zur Überquerung der Aurelia, und dazu ein Interview mit dem Züchter aus Bracciano sowie je eines mit einem Umweltschützer und dem Sprecher der Verkehrspolizei und sogar einen augenzwinkernden eingerahmten Kommentar zu Forrest Gump mit einem Foto von Tom Hanks, das allerdings nicht aus dem Film zu stammen scheint, denn er trägt eine Brille.

Und so lässt der Gedanke, ich könnte der einzige Mensch auf der Welt sein, der weiß, was tatsächlich gestern in aller Frühe hier vor meinem Büro geschehen ist, jetzt den Verdacht in mir aufkeimen, dass diese Sache mich doch betrifft; dass diese Sache, anders als ich dachte, doch mir passiert ist. Und jetzt bin ich hier, um zu versuchen, dieser Verlockung zu widerstehen, denn mich nicht betroffen zu fühlen von den Dingen, die mich nicht betreffen, ist genau das, was ich mir mit den Jahren verdient zu haben glaubte. Ich muss mich nach und nach all der Fragen entledigen, die in meinem Kopf aufgetaucht sind, und das ist eine ziemlich anstrengende Übung.

Wer hat die Geschichte von der Invasion der Krebse aus Louisiana aufgebracht?

Das ist nicht wichtig.

Warum?

Das ist nicht wichtig.

Ist das eine Großstadtlegende?

Vermutlich.

Kann es sein, dass sich alle Zeitungen (ich habe auch in La Repubblica und in Il Tempo nachgeschaut) die Großstadtlegende haben aufbinden lassen, ohne sie nachzuprüfen?

Ja.

Und einmal angenommen, die Krebse, die sich auf die Aurelia ergossen haben, gehörten tatsächlich dieser Spezies an, wie ist es möglich, dass niemand bemerkt hat, dass sie tot waren?

Oder waren sie lebendig?

Das ist nicht wichtig.

Und warum hat niemand das Eis erwähnt, das zusammen mit den Krebsen aus dem Lieferwagen gefallen ist und das logischerweise zu der Annahme hätte führen müssen, dass ein Lieferwagen seine Ladung verloren hat, und nicht, dass es sich um eine Invasion hungriger Krustentiere handelt?

Ist es so schnell im Morgengrauen geschmolzen, wo doch die Temperatur achtzehn Grad nicht überschreitet?

Und selbst wenn es so wäre, wieso hat sich niemand gewundert, dass an einem heiteren und sonnigen Morgen dieser Abschnitt der Fahrbahn nass war, bevor die Feuerwehr kam, um sie zu reinigen?

Das ist nicht wichtig.

Doch.

Oberflächliches Denken.

Sollte ich mich nicht melden und sagen, was ich gesehen habe, um wenigstens ein Minimum an Wahrheit wiederherzustellen?

Nein.

Und hat es Sinn, das Wort »Wahrheit« in einer solchen Geschichte zu bemühen?

Nein.

Und würde man mir glauben, wenn ich mich entschlösse zu reden, obwohl selbst der Züchter, der in gewisser Weise als Erster für die abnorme Vermehrung verantwortlich gemacht wird, von der die Zeitungen sprechen, die Hypothese bestätigt, dass die Krebse auf ihren verdammten Beinchen von Bracciano bis hierher vorgedrungen sind?

Wahrscheinlich nicht.

Und wie auch immer, wohin wollte, verflucht noch mal, ein Lieferwagen voller nicht verpackter Krebse um diese Uhrzeit?

Die Klingel ertönt, jemand ist hereingekommen.

2

Die Anziehungen sind proportional zu den Bestimmungen.

Charles Fourier

Jürgen ist bei der Schweizergarde. Er ist Hauptmann in der Schweizergarde. Es gibt nur vier Offiziere in der Päpstlichen Schweizergarde, die einen höheren Dienstgrad haben: ein Oberst, der der Kommandant der Garnison ist, ein Oberstleutnant, ein Kaplan, der dem Oberstleutnant gleichgestellt ist, aber ohne wirkliche Befehlsbefugnisse, und ein Major. So hat es mir Jürgen zumindest erzählt – und mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass er im Grunde ein hohes Tier sei. Er erzählte mir auch einen Haufen anderer Dinge über seine Arbeit, befriedigte sozusagen voll und ganz meine Neugier, und ein Römer kann gar nicht anders, als sich sehr für die Schweizer Gardisten zu interessieren – vor allem wenn er einen als Kunde in seinem Autohaus hat. Ein Schweizer Gardist, der sich einen Gebrauchtwagen kauft, ihr werdet zugeben, dass so etwas nicht alle Tage vorkommt. Abgesehen davon, dass unser Autohaus kein alltägliches Autohaus ist, da man manche Preise nur bei uns findet wegen des Entzugs von geleasten Wagen, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten kommt; doch davon wissen nur wenige, und daher hat mich allein schon die Tatsache, dass Jürgen von uns erfahren hat, neugierig gemacht. Er sagt, ein anderer Kunde von uns habe ihn auf uns aufmerksam gemacht, doch der Name, den er genannt hat, Cociani, hat mir absolut nichts gesagt. Offensichtlich handelt es sich um einen der wenigen Käufer, die Lello, mein Partner, an Land gezogen hat, der sich normalerweise um die Entzugsfälle und nicht um die Verkäufe kümmert. Jedenfalls ist Jürgen vor zwei Wochen hier aufgetaucht, er sagte, er wolle sich mal umsehen, und hat sofort das edelste Stück unseres aktuellen Sortiments ins Visier genommen, den König unseres Autohauses: ein Jeep Grand Cherokee 2.7 CRD Turbodiesel mit 163 PS und Overland-Ausstattung – was bedeutet Ledersitze, Vordersitze belüftet und elektrisch verstellbar, Vorder- und Rücksitze beheizbar, beheizbares Lenkrad aus Wurzelholz und Leder, Navigationssystem mit Touchscreen und 30-GB-Speicher, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, CD/DVD-Anlage mit Audison-Soundsystem, Panoramadach und natürlich Leichtmetallfelgen, zugelassen vor genau elf Monaten. Einer der von Lello erst kürzlich entzogenen Wagen, mit Sicherheit der luxuriöseste in diesem Jahr und vermutlich auch der gewinnbringendste, was mich nicht gerade an einen Käufer wie Jürgen denken ließ. Denn, und das ist der springende Punkt, meiner Meinung nach kann Jürgen sich diesen Wagen gar nicht leisten. Ich übe diesen Beruf noch nicht lange aus, doch eins habe ich gelernt: Autos bringen die Leute immer noch zum Träumen, und wenn die Leute von Dingen träumen, die sie kaufen können, kaufen sie sie früher oder später, auch auf die Gefahr hin, einen schweren Fehler zu machen. Das habe ich gelernt, und ich habe gelernt, dass Autos sprechen; sie sprechen zu ihren Besitzern, vor allem aber sprechen sie über sie zu all denen, die sie vorbeifahren sehen. Viele sind zurückhaltend und sprechen im Flüsterton von einem Besitzer, der sich, auch wenn er Träume hat, mit dem zufrieden gibt, was er sich leisten kann. Natürlich werden diese am wenigsten gehört. Und dann gibt es andere, die mit kräftiger Stimme von gewissen Vorlieben, Ansprüchen, Wunschvorstellungen erzählen. Wieder andere berichten, dass ihr Besitzer ein Lump oder ein Proll oder ein Zwanghafter oder ein Schurke ist. Andere, dass er ein Wüstling, ein Verwegener, ein Manipulator ist. Und wieder andere, dass er ein guter Familienvater ist, ein Steuerhinterzieher – und es gibt auch welche, die, wie besagter Wagen, behaupten, dass der Besitzer trotz der Krise stinkreich ist. Eben deshalb ist er nichts für Jürgen. Denn was wird ein Hauptmann der Schweizergarde schon verdienen? Warum sollte er sich einen so teuren Wagen wünschen? Nur weil er bei uns etwas weniger dafür bezahlen kann? Und warum sollte er damit herumfahren und eine so falsche Botschaft hinausschreien – Seht her, ich bin reich! –, wäre das nicht geradezu schädlich bei seinem Beruf? Doch nein, Jürgen hat ihn sich in den Kopf gesetzt, er will ihn kaufen, er will ihn kaufen, er will ihn kaufen . . .

Er ist seitdem schon zweimal wiedergekommen und hat jedes Mal so getan, als würde er die weniger teuren Alternativen in Erwägung ziehen, die wir zurzeit im gehobenen Segment dahaben – einen Alfa 159 1.9 Turbodiesel vom letzten Jahr, einen Croma 1.9 16V von 2011 und einen BMW 316d 2.0 Touring ebenfalls von 2011, metallic und mit einem Haufen äußerst kostspieliger Extras –, aber nur, um sie unter irgendeinem kindischen Vorwand auszuschließen und sich auf ein radikales Entweder-Oder zu versteifen – entweder dieser oder keiner –, das ihn zwingen wird, sich zu übernehmen. Und das Schönste ist, dass ich nichts tun muss: Er ist der Fisch, der von ganz allein ins Netz geht. Trotz seiner Versuche, um den Preis zu feilschen, habe ich ihm von dem Preis, den ich ihm beim ersten Mal genannt habe, keinen Cent nachgelassen – und trotzdem trabt er nun schon zum vierten Mal an und kann es gar nicht abwarten, erneut den Wagen seiner Träume zu berühren, ihn zu bewundern und sich vorzustellen, wie er am Steuer sitzt, umgeben von seiner ganzen Familie. Er ist zu einem Dämon für ihn geworden, und man bräuchte einen Exorzisten, damit er seine Meinung ändert.

Jürgen ist kleiner als ich, und das hat mich überrascht, weil ich immer dachte, man müsse ein Schrankkoffer sein, um in die Schweizergarde aufgenommen zu werden. Doch dem ist nicht so, die erforderliche Mindestgröße ist ein Meter vierundsiebzig, das heißt weniger als die Durchschnittsgröße der erwachsenen Schweizer Männer – denn Schweizer muss man immerhin sein, Schweizer und männlich. Er hat ein eigenartig klares und offenes Gesicht, auf fast unanständige Weise teutonisch, mit schütterem strohblondem Haar, das an den Schläfen auf Augenhöhe zurückweicht, kleinen wässrigen, feuchten Augen, leicht geöffnetem Mund fast ohne Lippen und einem Hauch von Sommersprossen auf der rötlichen Haut. Sein Italienisch ist sicher und flüssig, beeinträchtigt allerdings durch einen harten deutschen Akzent, der dem des Papstes ähnelt, den zu beschützen seine Aufgabe war, bevor dieser zurücktrat. Er hat großen Wert darauf gelegt, mir zu sagen, dass er dreißig sei, offensichtlich weil er sich bewusst ist, älter auszusehen, aber auch weil die Tatsache, dass er vor seinem vierzigsten Lebensjahr Hauptmann geworden ist, wohl eine seltene und außerordentliche Ausnahme ist. Jürgen ist ein Mensch, der sich für unfehlbar hält, doch auf mich macht er den Eindruck, das Opfer einer dekadenten Schwäche zu sein, sodass ich fast ein bisschen Mitleid mit ihm habe. Jetzt steigt er erneut in den SUV, den die drei Moiren in seinen Augen seinem Schicksal eingeschrieben haben, und prüft die Details eines objektiv gesehen perfekten Innenraums, der in einem sehr guten Zustand, vor allem aber sehr wenig benutzt worden ist, da dieser Wagen nur neunzehntausend Kilometer gefahren wurde. Denn es handelt sich um ein typisches Beispiel einer der beiden Kategorien von Fahrzeugen, die wir entziehen: diejenigen, die gekauft werden, obwohl man von Anfang an weiß, dass man sie nicht bezahlen wird – größter Luxus mit allen nur denkbaren Ausstattungsextras, nur die erste und zweite Leasingrate bezahlt und schwuppdiwupp verschwunden in der Undurchsichtigkeit der Welt. (Die andere Kategorie sind in jüngerer Zeit aufgrund der Krise auch Lieferwagen, Lkws und Anhänger, die der Käufer vollständig zu bezahlen beabsichtigte, dann aber, weil er Konkurs anmelden musste, nicht mehr bezahlen konnte, wie der Croma, der sozusagen unmittelbar daneben parkt, den Jürgen trotz seines Preises – weniger als die Hälfte dessen, was der Jeep kostet – hartnäckig verschmäht und der genau der richtige Wagen für ihn wäre.) Jetzt schaltet er erneut das Armaturenbrett an, um . . .

Ich glaube es nicht.

Er hat eine DVD mitgebracht und will die eingebaute Anlage ausprobieren. La carica dei 101. Auf Deutsch 101 Dalmatiner. Er bittet mich, sie in den Player einzulegen und ihm zu zeigen, wie er funktioniert, mit und ohne Fernbedienung – er traut sich nicht, es selbst zu tun. In der Tat hatte er sich beim letzten Mal lange mit diesem serienmäßigen Extra beschäftigt – weniger mit der Serienmäßigkeit des DVD-Players als vielmehr mit der unverhältnismäßig starken Leistung des Verstärkers und der vier im Innenraum verteilten Lautsprecherboxen von Audison –, aber ich hatte nicht begriffen, dass es so wichtig, ja entscheidend für ihn war. Ich lege die DVD ein, und plötzlich erinnere ich mich, dass der DVD-Player nicht überprüft worden ist. Und wenn er kaputt ist? Tatsächlich geschieht ein paar Sekunden lang überhaupt nichts, und Jürgen steht die Verzweiflung deutlich ins Gesicht geschrieben. Das wär’s, Jürgen, du bist gerettet: Der DVD-Player ist kaputt, und da er offensichtlich das ist, was dich am meisten interessiert, wirst du diesen Wagen, den du dir nicht leisten kannst, nicht kaufen. So könnte es enden. Doch dann fällt mir ein, dass ich auf der Fernbedienung die Einstellung DVD wählen muss (sie war auf CD eingestellt), und sofort erscheint auf dem Display des Navigationssystems ein Trailer für Tarzan auf Deutsch. Ein breites Lächeln erscheint auf Jürgens Gesicht, und er bittet mich, die Fernbedienung benutzen zu dürfen. Es handelt sich um eine stinknormale Fernbedienung, aber er behandelt sie mit großer Ehrfurcht, als sei sie ein heiliger Gegenstand; er stellt den Ton lauter und leiser, lässt die Szenen schnell vorlaufen, lässt die DVD zurücklaufen, hält das Bild an und lässt es weiterlaufen – mit einem Mal ist er der von der Technik geblendete Affe. Allerdings hat seine Verzückung ihren Höhepunkt noch nicht erreicht; ich bemerke es, als er mich fragt, mit welcher Taste man die Bildschirme auf der Rückseite der vorderen Kopfstützen einschaltet. Es handelt sich um aktive Kopfstützen, mit einem automatischen Sicherheitsmechanismus, der dafür sorgt, dass sie sich bei einem Auffahrunfall nach vorn neigen, um die Gefahr eines Schleudertraumas zu verhindern, und außerdem ist in dieser Position, auf die aufmerksam zu machen ich vergessen hatte, ihre Rückseite in Wirklichkeit ein – ratet mal – Sechs-Zoll-Bildschirm, der mit dem DVD-Player verbunden ist. Anscheinend hat er es nun selbst festgestellt. Ich drücke eine der beiden Tasten der Fernbedienung, deren Funktion er nicht kennt, und siehe da: Der Film verschwindet vom Display des Navigationssystems und erscheint auf den Bildschirmen der Kopfstützen. Jürgen ist begeistert. Er setzt sich auf den Rücksitz und betrachtet verträumt den Film (wir sind an der Stelle, wo Cruella wütend wird, weil Roger ihr den Wurf nicht verkaufen will, und auf Deutsch ist die Sache wohl noch viel ernster), mit Sicherheit versetzt er sich in seine beiden blonden, sommersprossigen Kinder, deren Fotos er mir gezeigt hat, die ganz verblasst und labbrig in seiner Brieftasche steckten und die ihm vermutlich, auf Veranlassung der Mutter, seine Kinder zu Weihnachten geschenkt haben; Kinder, die die eigentlichen Nutznießer dieses Wunderwagens sein werden während der langen Reisen zurück in die Schweiz in ihren Sommer- und Winterferien und endlich aufhören werden, ihm auf die Nerven zu gehen und ihn alle fünf Minuten zu fragen, wie lange dauert es noch, wann kommen wir an, wann halten wir an der Autobahnraststätte, benebelt auch im Auto von der hypnotischen Macht des – denn um nichts anderes handelt es sich letztlich – Fernsehens.

Das also ist Jürgen und seine Schwäche. Im Grunde hat es etwas Zärtliches, dass er so von seinen Kindern träumt – und nicht, zumindest in diesem Augenblick, daran denkt, was er mit diesem Statussymbol alles anstellen kann und wie viel Freude es ihm machen wird. Doch nein, es gelingt mir nicht, Zärtlichkeit für ihn zu empfinden. Viel eher habe ich immer mehr Mitleid mit ihm, was mir nicht oft mit einem Kunden passiert – und um die Wahrheit zu sagen, das ist auch nicht gut, da es einen in den Verhandlungen zu nachgiebig machen und die Gewinnspanne schmälern kann. Und jetzt wacht er auch tatsächlich aus seiner Träumerei auf und bittet mich erneut um einen Preisnachlass. Doch es ist offensichtlich, dass er mich darum bittet, weil man es eben so macht – alle bitten darum und erhalten ihn sogar, da ein kleiner Preisnachlass viel weniger kostet, als einen Wagen im Autohaus stehen zu haben, wo er mit jedem weiteren Monat an Wert verliert; nein, er bittet mich in aller Freundschaft darum, als ginge es darum, ihm einen persönlichen Gefallen zu tun, im Namen seiner Kinder, seiner Frau, des Familienfriedens – warum zum Teufel sollten diese Dinge mich interessieren? Nur dass in diesem Fall angesichts der Situation das Mitleid die gegenteilige Wirkung hat, und das veranlasst mich, unnachgiebig zu bleiben und ihm auch nicht einen Euro vom Preis nachzulassen oder ihm ein Angebot für den Passat Station Wagon Turbodiesel aus dem Jahr 2007 zu machen, der viele Kilometer auf dem Buckel hat und mit dem er im Augenblick herumkutschiert und den ich, wie ich ihm gleich gesagt habe, nur in Kommission nehmen kann – all das in der Hoffnung, Jürgen würde in einer plötzlichen Anwandlung von Besonnenheit oder auch nur Stolz erkennen, dass meine Unnachgiebigkeit unerhört und nicht hinnehmbar ist, besonders in der heutigen Zeit (bei vierundzwanzig Prozent weniger Zulassungen sind wir im letzten Monat zu dem Verkaufsniveau von 1979 zurückgekehrt), und dass er für immer geht und den Grand Cherokee vergisst, der ihm nichts nutzt, und sich entschließt, für sehr viel weniger Geld einen funkelnagelneuen Scénic bei einem Vertragshändler zu kaufen (oder einen Qashqai, wenn es denn unbedingt ein SUV sein muss), bei dem er von der zu hohen Schätzung von Gebrauchtwagen, vom Ökobonus, vom zusätzlichen Skonto bei Kauf bis spätestens zum Monatsende und von der Null-Prozent-Finanzierung mit der ersten Rate im Januar profitieren kann. Es ist unmöglich, denke ich, dass in irgendeinem dunklen Eckchen seines Geistes nicht der Gedanke an diese so überaus banale Alternative überlebt hat, und in der Härte, mit der ich ihm alles verweigere, worum er mich bittet, versuche ich ihm die Laterne zu reichen, mit der er dieses Eckchen erleuchten und diesen Gedanken in Erwägung ziehen und sich von diesem ungesunden Bedürfnis nach Luxus befreien kann, das ihn im Augenblick bedroht. Und ich tue das nicht für ihn, sondern, ich wiederhole es, aufgrund des Mitleids, das ich empfinde, wenn ich sehe, wie sehr er im Strudel einer derart blödsinnigen Versuchung kämpft – ein Mitleid, das immer stärker wird und mich immer unwilliger macht, den Preis auch nur symbolisch zu reduzieren, und das sich, sollte er darauf beharren, die Gelegenheit nicht beim Schopf zu ergreifen, die ich ihm biete, und nachgibt, weil er denkt, ich sei ein zu harter Brocken für ihn, aufbäumt und sich auf seine Frau, seine Kinder und all jene ausdehnt, die Vertrauen und Hoffnung in ihn setzen, weil sie ihn für einen starken und intelligenten und zuverlässigen Menschen halten, als der er so gern gelten möchte, während er nur ein armer kleinbürgerlicher Hauptmann ist, unfähig, seinen materiellen Träumen Grenzen zu setzen.

Und schließlich gibt er mit einem Mal nach und akzeptiert meinen inakzeptablen Preis, als hätte er nie versucht zu feilschen. Und so ist er glücklich, beschäftigt mit den Formalitäten des Kaufs, mit der Festlegung der Höhe der Anzahlung, der Garantiedauer, der Lieferzeit. Nächsten Dienstag nenne ich ihm als Übergabetermin. Garantiedauer ein Jahr. Die Höhe der Anzahlung lasse ich ihn bestimmen, und jetzt überrascht er mich: Sind fünftausend okay?, fragt er. Aber noch mehr überrascht er mich gleich darauf, als er weiterfragt, ob ich etwas dagegen hätte, dass er sie mir in bar gibt. Das geht nicht, antworte ich ihm, es gibt ein Gesetz, dass Bartransaktionen bei Beträgen über tausend Euro verbietet. Doch offensichtlich kam es nicht sehr überzeugend rüber, denn er holt, als hätte ich nichts gesagt, ein Bündel Fünfhundert-Euro-Scheine aus der Tasche, die von einem Gummiband zusammengehalten werden, und während er zehn Scheine abzählt, nacheinander herauszieht und auf der Fläche meines Schreibtischs glattstreicht – es bleiben ihm noch mindestens ebenso viele, schätze ich, das Bündel ist noch immer recht ansehnlich –, sagt er, er habe sein Scheckheft aufgebraucht, er habe nur noch diese Scheine, und diese Regel könne doch leicht umgangen werden, indem man von einer Ratenzahlung ausgehe, bei der der Vorschuss den ersten fünf Raten von je 999,99 Euro entspräche. Mir kommt das wie ein billiger Trick vor, doch es geschieht etwas Eigenartiges, das ich nicht unerwähnt lassen darf: Beim Anblick der zehn Geldscheine – echtes Geld, Banknoten, halb zerknittert in all ihrer unwiderstehlichen Vulgarität – überkommt mich eine starke Lust, sie zu nehmen, sie an mich zu reißen, sie mir anzueignen, und die zusätzliche Vulgarität der List, die mir vorgeschlagen wird, verstärkt diesen Drang noch. Ich betrachte die Banknoten auf meinem Schreibtisch: lila, mit dem Sternenkranz, der sich über die Glasfassade eines anonymen Wolkenkratzers legt, oder, auf der Rückseite – denn zwei oder drei liegen auf der anderen Seite – mit der Europakarte und dieser hässlichen Hängebrücke, die wohl – glaube ich – die Modernität symbolisieren soll, und ich denke, sie könnten falsch sein und ich würde es nicht bemerken, und ich denke an die drei oder vier Reisen, die ich werde machen müssen, um sie auf die Bank zu bringen, ohne dass der Kassierer Schwierigkeiten macht, oder an die Zeit, die ich werde verlieren müssen, um jemanden zu finden, der sie wechselt, kurz, ich denke, dass ich sie nicht annehmen sollte und dass diese Weigerung die Sache abkürzt und einen Verkauf über den Haufen wirft, den ich nach wie vor für hirnrissig halte; doch ich bin eine solche Verlockung nicht gewohnt, ich, der ich mit Bargeld wenig zu tun habe, und plötzlich haben sich die Rollen umgekehrt, ich bin derjenige, der begehrt, und er ist derjenige, der gibt, und ich begehre, begehre, begehre diese Banknoten, wie ich etwas Absurdes und Vulgäres und Unwiderstehliches begehren könnte – einen Sattel mit Nieten, ein Neonschild, eine Frau mit aufgespritzten Lippen –, und er bemerkt es wohl, oder vielleicht weiß er es und wusste es schon von Anfang an, denn während ich angesichts einer Versuchung zaudere, der so schwer zu widerstehen ist, setzt er, anstatt alles zu tun, um mich dazu zu bringen, das Geld zu akzeptieren, als selbstverständlich voraus, dass ich es akzeptiere, und spielt den Trumpf aus, den er die ganze Zeit für diesen Augenblick im Ärmel hatte: Die Kosten für die Ummeldung, sagt er, zumindest die bezahlen doch Sie, okay? Verdammter Hauptmann: diese ganze Inszenierung, um die sechshundert Euro für die Eigentumsübertragung zu sparen, obwohl der Kauf ihn fast hundertmal so viel kostet. Dieser Mann heckt etwas aus, glaubt mir. Dieser Familienvater, dieser Offizier . . . Aber es ist auch wahr, dass nach Verhandlungen, in denen ich das Gefühl hatte, die Situation ständig unter Kontrolle gehabt zu haben, ich derjenige bin, der macht, was er will, denn ich verkaufe ihm den Wagen, ich habe die Geldscheine angenommen und ich händige ihm auch die Quittungen für die vorgebliche Ratenzahlung aus, die mich seiner Meinung nach berechtigt, das Bargeld zu akzeptieren – und daher, wer ist nun nach diesem ganzen Zirkus derjenige, der der Versuchung nicht widersteht, er oder ich?

3

Alles, was wir tun, beschwört einen Dämon.

Dylan Thomas

Beiß rein und bereue.

Ich habe getan, was Lello mir gesagt hat, ich bin auf die Twitter-Seite des Mädchens gegangen. Sie ist wunderschön – das Mädchen, meine ich. Beiß rein und bereue ist die Botschaft, die das Foto auf ihrem Profil begleitet – eine Großaufnahme von Augen, Nase und Mund im Dreiviertelprofil, mit Wogen tiefschwarzen Haars, die ihre Backenknochen berühren, und einem strahlenden, frechen Blick direkt in die Kamera, ohne auch nur einen Hauch von Schminke. Sie hat Dutzende von Followern, fast alle junge Männer, die ihr ihre Bewunderung für ihre lang zurückliegenden, aber offensichtlich nicht vergessenen Fernsehauftritte in Big Brother vor etlichen Jahren und – sagt Lello, der ein eifriger »Zuschauer« der Kanäle von Mediaset ist – in ein paar von ihm als Kult bezeichneten Nachtsendungen auf Italia 1 ausdrücken, deren Titel ich eine Sekunde, nachdem er sie ausgesprochen hat, schon wieder vergessen habe. Die Fans schreiben ihr, sie sei wunderschön, phantastisch, ein Naturwunder et cetera, und sie dankt ihnen mit lächelnden oder augenzwinkernden Gesichtchen oder einem Herzchen. Und dann hat sie Freunde, mit denen sie kryptische Nachrichten austauscht, voller At-Zeichen, Doppelkreuze, anderer weiblicher Vornamen, Klammern, Gedankenstriche, Doppelpunkte, Strichpunkte, Auslassungspunkte, Ausrufezeichen und erneut Gesichtchen, die allerhöchstens zwei oder drei richtige Wörter enthalten, von denen eines fast immer »ciaooooo« ist, dessen o bis an die Grenze der hundertvierzig Zeichen wiederholt wird. Ich schwöre, dass man nie versteht, wovon sie reden. Doch vor allem gibt es Fotos, unzählige. Es ist ein ständiges Posten und Kommentieren mit ihren Freundinnen: Kätzchen und Hündchen, Strände mit schiefen Horizonten, Details von Tattoos, Handtaschen, Schuhe, Fitnessgeräte, Nutella-Gläser, Eis, Keksdosen, Teller voller Austern, Obst, Pasta, gekochtes Gemüse, kleine Kinder im Kinderwagen, nackte Beine, ausgestreckt unterm Armaturenbrett, tätowierte Knöchel, und vor allem nackte Füße mit in verschiedenen Farben lackierten Nägeln oder in ganz offensichtlich teuren Schuhen mit Absätzen. Aber es gibt auch Fotos, die Aufschluss geben über ihren fortbestehenden, wenn auch vielleicht etwas verblassten Status als Modenschauen, Backstage-Bereich von Fernsehstudios, Bühnen von sommerlichen Open-Air-Veranstaltungen, Dessouswerbung. Es sind Fotos, auf denen ihre Schönheit aggressiver wird und die banale und alles in allem beruhigende Botschaft, die in den anderen enthalten ist, über den Haufen wirft und das zweideutige Selbstporträt perfekt macht, von dem Lello mich, indem er mir vorschlug, mir diese Seiten anzuschauen, ganz offensichtlich in Kenntnis setzen wollte. Und er wollte es, weil die Notiz, die er mir dagelassen hat, eindeutig die Absicht verrät, mir einen Dämon einzureden – Dämon. Andererseits ist Lello eben so: Er hofft immer, dass sich die anderen in der Praxis wie er verhalten. Und jetzt, da ich zum ersten Mal seine Aufgabe übernehmen muss, versucht er mich dazu zu bringen, sie so zu erledigen, wie er sie erledigen würde. So, wie er sagt, dass er sie erledigt hat.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!