Flügel auf! - Ilse Frapan - E-Book

Flügel auf! E-Book

Ilse Frapan

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die 1852 in Hamburg geborene Schriftstellerin Ilse Frapan, eigentlich Ilse Lévien, war Zeit ihres Leben eine eifrige Novellenschreiberin, von denen sie immer wieder einige in Sammelbänden veröffentlichte - unter anderem auch in dem 1895 erstmals erschienenen "Flügel auf!" Die enthaltenen Novellen "Weiße Flamme", "Liebesmühen", "Der erste Blick hinter die Kulissen", "Die Schöpfung" und "Symbiose" wurden insofern überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Worte der heute aktuellen Rechtschreibung entsprechen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 342

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

Flügel auf!

 

ILSE FRAPAN

 

 

 

 

 

 

Flügel auf!, I. Frapan

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849661472

 

Der Text folgt der Ausgabe des Jahres 1895, wurde aber insofern überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der aktuellen Rechtschreibung entsprechen.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

INHALT:

Weiße Flamme.1

Liebesmühen.47

Der erste Blick hinter die Kulissen.117

„Die Schöpfung.“. 158

Symbiose.172

 

 

Weiße Flamme.

 

Und so hatte er denn mitten im Semester den Wirtsleuten das Zimmer kündigen und umziehen müssen. Es war ihm zwar fast ans Herz gewachsen, das Stübchen mit dem weiten Blick über die Stadt hinweg, nach dem schönen, farbenwechselnden Ütliberg drüben, aber im Sommer galt es ja ohnehin die Läden zu verschließen, weil ihm den ganzen Tag die Sonne auf das einzige Fenster brannte. Und dazu der ewige Streit zwischen den Eheleuten, die sich mit jedem Monat schlechter vertrugen – er war froh, als er seinen Trieb, alles beim alten zu lassen, damit es ginge, wie es Gott gefiele, endlich überwunden und die Änderung getroffen hatte.

Das war nun freilich ein anderes Haus, in das ihn der Zufall geführt. Ein altes vornehmes, weitläufig gebautes Haus mit großen getäfelten Stuben und niedrigen Balkendecken, mit steingepflastertem hallendem Hausflur, kühl und sonnenlos, mit verräucherten Ölgemälden an den Treppenaufgängen, eingemauerten Wappenschildern und glänzenden Messingschlössern an den Türen. Nicht ein einziger Student wohnte darin, sondern lauter solide, wohlhäbige Vollbürger, die ihren guten Wein im Keller hatten und um zehn Uhr zu Bette gingen; Männer mit ehrfurchterweckenden Uhrketten auf Samtwesten und Kotelettbärten, Leute, die wenig Mägde hielten, weil ihre Frauen sonst nichts zu tun gewusst hätten – ein stilles, reserviert blickendes Haus, das sich etwas darauf zu gute tat, nicht modern zu sein, weil modern ihm so viel wie leichtfertig und armschluckerhaft bedeutete.

Und in diese Umgebung er hinein mit seinen zweiundzwanzig Jahren, seinem Widerwillen gegen das Hergebrachte, das ehrwürdig genannt sein wollte, nur weil es alt war – mit seinem Spürsinn für faule Flecke und unklare Verhältnisse, mit seiner Anbetung der sozialistischen Idee, die er idealisierte, zum Evangelium der Zukunft machte, mit seinem jungen Weltverbesserermut und seinem täglichen, stündlichen Verzweifeln an sich selbst. Es war ihm auch selber jedes Mal ein wunderliches Gefühl, die glatt und glänzend braun gewichsten Treppen hinanzustürmen, und in den ersten Tagen war es ihm sogar passiert, dass er den Schritt unwillkürlich dämpfte, wenn weiter oben oder unten eine Tür geöffnet wurde; nicht etwa aus Befangenheit, wie er entschuldigend zu sich selber sagte, sondern aus einem stark entwickeltem Gefühl für das Stilvolle. Es wäre nicht im Charakter des Hauses gewesen, hier studentisch ungebunden mit Pfeifen und in weiten Sätzen, wie er es gewohnt war, aus- und einzugehen. Man war schließlich auch aus guter Familie und über die erste kraftgenialische Periode hinaus – ja, und wenn einmal etwas von seinem Programm verlauten sollte, war es auch nicht übel, diesen Philistern und krassen Bourgeois zu zeigen, dass man Sozialist sein und doch die Formen der sogenannten guten Gesellschaft besitzen könne.

So lachte er zu den Bedenken und Abmahnungen seiner Freunde und schwur, dass er sich zum erstenmal in seiner Wohnung behaglich fühle, seit er in Zürich sei.

„Weil du eben auch schon auf dem Wege bist, ein Philister zu werden,“ hieß es, und da lachte er noch fröhlicher und ließ es dabei bewenden. Eben weil sie alle ihm prophezeiten, er werde es in seiner „Kapitalistenhochburg“ noch viel weniger aushalten als in der Proletarierspelunke. War es doch immer sein Vergnügen und sein Stolz gewesen, das Gegenteil von dem zu tun, was man von ihm erwartete. Sie konnten ihm eigentlich keinen größeren Gefallen erweisen, als achselzuckend von ihm zu sagen „Ja, Iversen ist eben unberechenbar.“ Er protestierte dann gleichmütig: „Aber nein! wieso denn?“ Heimlich dachte er: Nun ja, wenn ich von euch allen ausgerechnet werden könnte – ein trauriger Tropf müsste ich sein; da wär’s gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer „Meitschi mit Batze“,[1] oder dem Antisemitismus, oder irgendeinen anderen „Kühweg“ zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet.

Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirtin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmutiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmütigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen. Und dann war es so wonnig still um ihn herum. Außer der Wirtin und der langgedienten, bäuerlich breiten Magd war niemand im ganzen Stock, und von unten störte kein ungeschickter Laut seine Muße. Die drei kleinen Fenster gingen ins Grüne; ehemals hatte der schöne baumreiche Garten mit den hohen Thuja- und Zedernwipfeln wohl zu diesem Hause gehört, bis es herunterkam und stockweise vermietet wurde. Und über den noch märzkahlen Obstbaumkronen hinweg sah man den Kranz der Alpenhäupter, vom Glärnisch bis zum Uri-Rotstock, ganz hoch am Horizont, dass es ihm immer vorkam, als sähe er eine Landschaft von Dürer im drückend engen niederen Fensterrahmen. Er setzte sich auch hin, das abzuzeichnen, aber dann, unwillig über sich selbst, als es ihm nicht gelang, beschloss er, all’ diese Tagedieberei aufzugeben und die seltene Ruhe um ihn her, einzig zur Arbeit aufs Examen zu benutzen. War er doch ohnehin schon sehr alt geworden, fast dreiundzwanzig Jahr, über all’ seinem zersplitterten Interesse, ohne nur einmal so viel wie das zweite Propädeutikum gemacht zu haben. Es gab kühle Mahnbriefe von zu Haus, ironische Erkundigungen nach seinem „neuesten Steckenpferd“, wie der Papa Mediziner seine Beschäftigung mit Politik und Literatur nannte, und es kam ihn allmählich hart an, die Widersprüche zwischen seinem bloß genießenden Leben und der sozialen Richtung, die er mit so viel heftigem Enthusiasmus vertrat, glatt hinunterzuschlucken. Die meisten der „Genossen“ kannten solche Skrupel nicht; sie lebten wie die Lilien auf dem Felde von den Monatswechseln der Papas, immer unter der Verkündigung des Prinzips, dass Arbeit die Pflicht aller sei, und dass nur die Ausübung der allgemeinen Arbeitspflicht die Gesellschaft retten könne. Aber er wollte nicht sein wie die anderen, und er ärgerte sich, ärgerte sich, dass er sich füttern lassen musste wie ein Schulknabe. Füttern und schelten! Wie viele Jahre das nun schon so ging, es war zum Verzweifeln! Und bis wir den Zukunftsstaat haben, wo jeder sein Leben verdient, einfach dadurch, dass er täglich drei oder vier Stunden an einer Maschine steht, kann man alt und grau werden. Da blieb schließlich nichts übrig, als sich ans Studium zu halten – es war ihm schon wie eine wohltönende Vorbedeutung, dass die neue Wirtin ihn von Anfang „Herr Doktor“ geheißen. Er sagte nicht nein, obwohl er rot wurde; schade, dass sein Papa und der ebenso sarkastische Schwager nicht hören konnten, mit welcher Achtung man ihn hier behandelte! die hätten sich ein Beispiel nehmen dürfen.

So kräftig war sein Entschluss, dass er bis über die Osterferien anhielt; er ging nicht heim, wie die Eltern es gewünscht, sondern blieb die zwei stillen langweiligen Monate, wo es in den Züricher Straßen geradezu unheimlich leer an Studenten war, hinter den Büchern hocken, holte viel Versäumtes nach, ward aber aus Mangel an freundlicher Ansprache ganz öde und in sich gekehrt und fiel von einem „Moralischen“ in den anderen. Da er nun infolge dessen oft mit gefalteter Stirn, nachdenklichen Mundwinkeln und etwas gebeugter Haltung der überschlanken Gestalt einherging, setzte sich in dem Hause, das sich ganz heimlich hinter dicht zusammengezogenen Gardinen und durch Gucklöcher in den Flurtüren, mit ihm beschäftigte, die Meinung fest, dass „Frau Doktor Röslins Student“ im dritten Stock etwas Rechtes und Vornehmes sein müsse, gar zu eifrig und vielleicht auch ein richtiger Streber, nicht recht jung und duckmäuserhaft, aber jedenfalls, ein solventer Zahler. Diese hohe Meinung bekam das erste Loch nach fast zwei Monaten, als an einem wundermilden Aprilabend, voller Mondschein und Aprikosenblütenduft, der Einsame seine lang vergessene Geige dem bestaubten Kasten entnahm und bei offenen Fenstern in einem Ruck bis elf Uhr musizierte. Seit er mit Anneli gebrochen, hatte er keine Saite mehr angerührt. Ach, sie war ja nur ein Puppengehirnchen gewesen, aber wie goldig glänzten die Locken auf dem dummen runden Köpfchen, und wie verschmitzt hatte sie ihm zulächeln können, während sie mit der Großmutter die häuslichsten Dinge verhandelte. Und wie nett sie sich auf allerlei Zeichensprache verstanden, trotzdem. Fünf Finger und einer das hieß: Morgen früh um sechs Uhr geh ich zur Messe; wer Lust hat, darf mich begleiten. Ach, sie war doch sehr lieb gewesen, so frei und übermütig, wenn sie ganz allein waren, so ganz „fromme Helene“ im Beisein der Großmutter. Ja, der Neckname, über den sie fast einen ganzen Tag mit ihm geschmollt, passte ihr leider wie angegossen! Ihr letzter Streich – o nein – das war nun einfach nicht zu dulden! Ihre Sparbüchse leeren, um einem Kunstreiter eine silberbeschlagene Reitpeitsche zu kaufen, und das Geschenk ihm selber in die Wohnung tragen, vermummt in die Kleider ihres Bruders – das war – er hatte ihr harte Worte gesagt, als er es erfuhr und sie einfach ableugnete, endlich aber lachend zugab. Gewiss, er war für alle Gleichberechtigung der Frau, aber es musste Grenzen geben. Es war unausstehlich für einen Mann, betrogen zu werden, noch dazu eines Tölpels wegen.

„Tölpel? Ach, wenn du nur halb so schön reiten könntest wie der, du könntest zufrieden sein und brauchtest dich nicht mit dem dummen Ding da, mit der Medizin, zu plagen.“

Das schlug den Boden aus. Er, der so oft verkündigt, alle Arbeit sei gleichwertig, begann mit ungeheurer Verachtung zu predigen gegen alles, was nicht geistige Tätigkeit war. Hatte er sonst genug gegen „Rezeptenschmierer“ und „gelehrte Industrieritter“ gedonnert, so gab es nun nichts Höheres und Verehrungswürdigeres als die Ärzte, die „Retter der Zukunft des Menschengeschlechts“, denen es zu verdanken ist, wenn wir eine wahrhaft hohe Stufe erreichen und die Tierheit immer mehr und mehr von uns abstreifen werden. Die Worte strömten nur so von seinen zornig geschürzten Lippen, über das blonde Anneli, das mit gesenktem Kopf hinduckte und verlegen mit den Bernsteinperlen an dem dünnen Halse spielte. Als er es aber völlig zerquetscht zu haben glaubte, erhob sich’s mit kalt beleidigter Miene, wischte ein bisschen an den Augen herum, die übrigens nichts von Feuchtigkeit zeigten, und sagte schnippisch: wenn er es denn doch für so arg einfältig halte und sich für so arg gescheit, so wolle es ihn in seinem „Größenwahn“ nicht weiter stören und bedauere nur, dass sie beide so sehr an den Unrechten gekommen seien. Der Dumme, der für sie passe, sei freilich schon gefunden, er werde es begreiflich schwerer haben, indes „so eine von d’Siebengescheite, mit abgeschnittene Haar, wo in d’Universität laufet,“ könne er vielleicht doch bekommen. Und fort und aus. Das Anneli war gewesen. Seine Betroffenheit über die Verwandlung vor seinen Augen, wo ein leichtherziges unbedachtes Kind sich in ein boshaft freches Weib verkehrte, hielt noch tagelang an. Jetzt erfuhr er’s einmal selbst, was das heißt: die Weiber! Größenwahn! Und das hatte auf dem Grund ihrer doch so seicht scheinenden Seele geschlummert, diese schöne Meinung von ihm, während sie miteinander scherzten und kosten. Er hatte gemeint, sie liebe ihn, er hatte zum mindesten geglaubt, sie seien gut Freund. Aber nun auch nie wieder. Nicht Anneli und keine andere. Und wenn es doch einmal sein sollte in fernen Tagen und das Schicksal es so mit sich brächte, dann jedenfalls kein solch Apfelblütengesicht, dem man nichts als süße blonde Gedanken zutraut. Mochte sie eher hässlich sein, die Enttäuschung ist dann nicht so groß. Das war die Überlegung der ersten Stunde.

Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Tür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiss ans Herz gezogen hätte. Er war auch rau und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wusste, dass sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur Entzweiung. Sie hatte ihn ja nicht zu Hause getroffen, als sie in dem gewagten Kostüm zu ihm ging, und sie hatte sich übrigens nur verkleidet, um nicht als Mädchen erkannt zu werden. Sie hatte gewissermaßen nur ihren eigenen Laufburschen vorstellen wollen, wie jener Geizhals nachts sein Haus umstrich und bellte, als ob er sein eigener Hund wäre. Die hässliche, die zweideutige Beleuchtung hatte eben er, Iversen, auf die harmlose Dummheit fallen lassen – ja wir Männer sind eben unsaubere Tiere und können uns in ein unschuldiges Irren gar nicht mehr hineindenken. Nun, und als Anneli seine empörenden Insinuationen gehört, wie sollte sie da nicht wild geworden sein? Und es ist nicht wahr, dass bei einem Streit sich immer der inwendige, sonst verborgene Mensch herauskehrt! Ganz im Gegenteil; man sagt Dinge, an die man nie gedacht hat, von denen man später selbst nicht begreift, wie sie einem auf die Zunge kommen. Der Jähzorn, der Rachsinn greift blind nach der ersten schlechtesten Waffe; die Wunde, die sie verursacht, ist gewollt, und doch nicht immer so gewollt; Notwehr entschuldigt selbst den Totschläger.

Über so hin- und hergaukelnden Gedanken, die sein Spiel nicht störten, sondern sich vielmehr mit den Tönen in ein beziehungsreiches Frage- und Antwortspiel eingelassen zu haben schienen, beachtete er nicht, dass unter ihm geklopft ward, erst dumpfer, dann lauter, endlich so stark, dass ihm der Lärm zum Bewusstsein kam; dazu flog es ihm auch durch den Kopf, das Klopfen gelte ihm. Ja, da war es, unter seinen Füßen, just wo er mit der Geige stand und in die blaue Nacht hinausstarrte. „Hoho, alter Maulwurf!“ rief er, aus der Träumerei erwachend, und erwiderte das Klopfen mit dem Stiefelabsatz, „bist du kein Freund von Chopin? Vielleicht gefällt dir’s besser, nach Moszkowskis Takt zu schlafen!“ Und übermütig strich er einen spanischen Tanz herunter, wozu er sich selbst, wie angesteckt von dem Tempo, im Zimmer herumdrehte. Aber ein wütenderes Trommeln an der Stubendecke unterbrach ihn. Ein Fenster unter dem seinigen ward heftig aufgerissen, und ein lautes tobendes Schelten ergoss sich in die sanfte Nachtstille. Die Dissonanz war zu grell. Iversen verstopfte sich die Ohren vor den „Chaiben“, die in ganzen Rudeln daher fuhren. Das Schimpfen verstanden die Kapitalisten besser als die Sozialdemokraten. Es war am Ende doch etwas dran, er hätte nicht hierher ziehen sollen.

Am Morgen gab es ein weitläufiges Geklingel mit der Türglocke, die sonst so wenig in Bewegung gesetzt ward. Als Iversen später auf den Flur hinaustrat, kam die breite Magd aus ihrer Küche hervor und meldete ihm mit missbilligender Miene, „die Frau“ habe einen arg wüsten Brief bekommen, der Hausherr sei „schüli bös g’si“ wegen der nächtlichen Ruhestörung. Achselzuckend und geärgert wollte der Student auf sein Zimmer zurückkehren, als auch die Doktorin vor ihrer Tür erschien und ihn mit ein wenig scheuer und bekümmerter Miene bat, einen Augenblick bei ihr einzutreten.

Jetzt kommt die Exekution, dachte er, und folgte widerwillig in das hübsche Eckzimmer, dessen Fenster so mit Blumentischen voll Palmen und Aralien besetzt waren, dass nur grünes Dämmerlicht in der Mitte des Raumes herrschte.

„Bitte, dass Sie sitzen, Herr Doktor.“

Sie kann mir ja gleich kündigen, wozu die Liebenswürdigkeit und die Umschweife? dachte er und lehnte sich an den Bücherschrank, während die Frau an einem winzigen Schreibtisch Platz nahm, der ganz auf ihr Körpermaß zugeschnitten schien.

„Ich habe Ihnen etwas so Unangenehmes zu sagen,“ begann sie und legte den Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen, während ein leises Rot ihr in die Wangen stieg, „ich für mein Teil habe so große Freude gehabt an Ihrem Spiel gestern Abend, es hat mich in vergangene Tage versetzt, so ich selbst musizierte, aber nun – der Hausbesitzer ist ein roher, widriger Mensch, er sei gestört worden –“ Sie hatte ein grau-braunes Kuvert vom Tische genommen, es zitterte leicht in ihrer Hand.

Iversens Zorn war verflogen; das gute Frauchen das sich so genierte, weil ein anderer es grob angefahren hatte, tat ihm leid.

„So werde ich eben nicht wieder spielen,“ sagte er gelassen.

In das Gesicht der kleinen Dame kam ein fast erschrockener Ausdruck.

„O nein!“ rief sie eifrig, „das wäre zu schade. Es ist mir zwar recht von Herzen leid, Sie wieder zu verlieren, aber ich darf Ihnen keine solche Freiheitsbeschränkungen zumuten. Wenn ich nicht selber seit dreißig Jahren hier wohnte –“ Sie schlug leicht mit dem groben Kuvert auf den Tisch, ihre Lippen zitterten vor Erregung.

„Sie wollen mich also wieder los sein?“ fragte Iversen mit schalkhaftem Vorwurf, er wollte sie zum Lachen bringen; Himmel, wer wird sich denn gleich um solche Kleinigkeit alterieren! Und schließlich, eine andere Bude war ja leicht zu finden, wenn er die ewige „Umorgelei“ auch verabscheute.

Die Frau Doktorin sah den Studenten mit ihren großen hellgrauen Augen an. „Nein, das glauben sie nicht,“ sagte sie und streckte das Händchen aus, ein weißes rundes, gar nicht altes Händchen, das er vorsichtig wie ein Spielzeug drückte. „Der Herr Hasenfratz, ja denken Sie nur, Hasenfratz heißt er, ist erst seit sechs Monaten unser Hausherr, wenn er’s aber so weiter treibt –“

Wieder musste Iversen beschwichtigen. Die Tage all’ dieser Leute waren gezählt, so etwas würde ja im Zukunftsstaat nicht mehr möglich sein; man konnte Geduld haben und abwarten. Inzwischen versprach er, nicht länger als bis zehn Uhr zu spielen. „Ich bin ja kein Künstler; oft vergehen Monate, ohne dass ich die Geige hernehme, es war der reinste Zufall, aber – ich bin nun gleich beim ersten Spintbrot zugelehrt worden, wie wir in Mecklenburg sagen.“ Er konnte sehr geduldig sein, wenn er eben in der Laune war, und dann wäre es ja geradezu ein Verbrechen gewesen, diese arme alte Dame, die ihm gar von einer bekannten Familie sprach, wo er wohnen und gewiss unbehelligt wohnen könne, unritterlich zu behandeln. Eine wohltuende Atmosphäre verbreitete sie um sich; er kam sich vor wie zu Hause und war doch nie vorher in ihrem Zimmer gewesen; er wunderte sich, wie ein so schüchternes weltfremdes Wesen sein Dasein zu behaupten vermochte in dieser rauen gärenden Zeit, und zugleich war ihm dies alles so bekannt wie ein altes Buch, das er als Kind gelesen. Sogar das Bild überm Klavier glaubte er schon einmal gesehen zu haben. Dies elfenhafte Geschöpf mit dem bläulichen Bande in den Locken, an eine Harfe gelehnt, eine Hand auf den goldschimmernden Saiten, ruhig hinausträumend.

„Das ist hübsch,“ sagte er und blieb vor der großen Leinwand stehen. „Ist es ein Porträt?“

Die kleine Dame nickte ein wenig verschämt. „Es ist Dilettantenarbeit, mein Schwiegervater hat es gemalt, und aus Pietät für ihn lasse ich es da hängen. Ich habe, glaub’ ich, nie so ausgesehen,“ fügte sie mit gutmütiger Selbstironie hinzu, „man hängt ja sonst auch nicht die eigenen Bilder sich ins Zimmer.“

Iversen warf einen überraschten Seitenblick auf das schwarz gekleidete Figürchen neben sich. „Es ist noch heute eine gewisse Ähnlichkeit,“ meinte er freundlich, „die Augen und sogar der ganze Ausdruck; wie lang ist das nun her?“

„Vierzig Jahre!“ Und als sie bemerkte, dass ihm vor der hohen Zahl unwillkürlich schauderte, sagte sie mit einem leisen Seufzer: „O weh, wie sind verschwunden alle meine Jahr’! Ist mir mein Leben geträumet, oder ist es wahr?“

„Ja, der Vogelweider hat es auch erfahren,“ fiel Iversen ein, „aber Sie können wirklich zufrieden sein, verehrte Frau – ach du lieber Gott, wo wird unsereins nach vierzig Jahren sein, und wie wird er aussehen!“ Er schüttelte sich lachend. Dann sah er noch einmal auf das Bild. „Und die Harfe ist nur Dekoration, oder –“

„Nein, ich habe ziemlich viel gespielt –“

„Spielen Sie noch?“ fiel Iversen ein. „Oh, das müssen Sie mich, bitte, einmal hören lassen, das interessiert mich.“ Was für Antiquitäten in diesem Hause stecken, dachte er sich, wer weiß, am Ende besitzt auch der Herr Hasenfratz noch andere Talente als die gestern produzierten.

Sie schieden ganz heiter wie gute Freunde. Abends ward ein schwerer Gegenstand auf dem Flur entlang geschoben.

„Kann ich Ihnen helfen?“ sagte der Student, der das Rasseln vor seiner Tür schneller zu beendigen wünschte.

Die kleine Doktorin errötete ein bisschen. „Ich dachte, Sie seien ausgegangen. Wir haben die Harfe ausgepackt; es war auch Zeit, einmal danach zu sehen, sie ist schon ein wenig eingerostet.“ Bedauernd beugte sie den grauen Kopf über die einst so glänzenden Saiten.

 

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

 

Iversen erzählte sein Abenteuer mit Herrn Hasenfratz. Er hatte inzwischen die weiteren Gründe seines Missfallens an Chopin erfahren und gab nun an der Mittagstafel zum Besten, wie der edle Herr und Hausbesitzer Abend für Abend um neun Uhr über seinem Wein und der Züricher Zeitung einschlafe, um Mitternacht oder eine Stunde später erwache und dann dringend einer Erfrischung benötigte, aber einer herzhaften. Seine Gattin sei somit verbunden, nächtlicher Weile aus dem Bette aufzustehen, Feuer anzuzünden und dem Hungerleidenden ein „Güggeli“ zu braten, denn kalte Speise vertrage sein Magen zu dieser Stunde absolut nicht.

„Und in solch einem Hause lebt der Mensch!“ hieß es entrüstet, „das lässt er sich gefallen, mit seinen Prinzipien!“

„Nun, wenn der Herr Hasenfratz seine Frau misshandeln will, was geht das mich an?“ lachte Iversen. „Lasst doch die Toten ihre Toten begraben; ich finde nur, der Kerl ist mal wieder ein interessanter Typus, und auf der anderen Seite dieser Sklavensinn der Frau, die so etwas ganz selbstverständlich findet.“

Es gab eine längere Debatte. War das angeborene oder angezogene Unterwürfigkeit, diese Unterordnung der Frauen unter Manneswillen? Anerzogen, ohne Frage, oder vielmehr angeprügelt, um es klarer zu sagen; hier galt mehr als irgendwo die große Faust, der große Ellenbogen, der Bauernschuh.

„Aber eine gute Eigenschaft besitzt dein Hausherr doch! Wetten?“ rief ein blutjunger Tischgenosse, der an dem Wortgefecht keinen Anteil genommen. „Er hat eine hübsche Tochter, vielleicht sogar mehrere.“

„Oder deine Wirtin hat sie,“ sagte ein anderer.

„Die Frau Doktorin Röslin, bei der ich wohne, hat, soviel ich weiß, keine Kinder.“ Iversen zündete mit kühler Miene seine Zigarette an.

„Ach, bei einer Frau Doktorin wohnt er! Studiengenossin vielleicht? Eine gebildete Frau? Wie alt ist sie, so beiläufig?“

„Zwischen fünfzig und sechzig,“ sagte Iversen und klopfte gemächlich die Asche ab.

Es gab ein allgemeines Zurückfahren. „ Brr! da hört das Fragen auf! Oder ist sie Millionärin und will dich adoptieren?“

„Ihr seid doch furchtbar fad,“ sagte Iversen verächtlich. „Wollen wir von etwas anderem sprechen?“

Am nächsten Tage aber ward er mit lebhaften Zurufen von seiner Tischgesellschaft empfangen.

„Also! weißt du, bei wem du wohnst? Weißt du, wie die Frau Doktorin Röslin von den Leuten genannt wird?“

„Ach, das ist mir doch gleichgültig!“ sagte Iversen. „Die Frau möcht’ ich sehen, über die ihr nicht etwas zu klatschen wüsstet!“

Er begann zu essen, während das Lachen noch lauter wurde.

„Eine alte freundliche Frau, die keinem Menschen etwas zu leide tut; heute Morgen um halb sieben, als ich zum Baden ausging, sah ich sie schon ganz drunten in der Stadt an einem Glockenzug hängen. Immer hat sie Leute zu besuchen, mit denen sie weinen oder sich freuen will. Besonders Mitfreude scheint ihre Spezialität zu sein. Fortwährend hat sie Verlobungssträuße und Brautkränze zu binden.“

Nun brach der Lärm erst recht los. Iversen saß betroffen da über das Lachen, das er entfesselt. „Es ist richtig! Sie ist es. Eben darum! Die ewige Braut! Ja, ja, so heißt sie. Und bei der wohnst du!“

„Wahrscheinlich ist es erst noch gar nicht dieselbe,“ sagte Iversen mit entschiedener Gelassenheit; „die Doktorin Röslin, bei der ich wohne, hat nichts Lächerliches.“

„Aber die ewige Braut heißt sie doch.“

„Unsinn, sie war verheiratet, ist jetzt wohl schon lange Witwe, wenigstens sprach sie von ihrem Schwiegervater.“

„Nein, sie war nie verheiratet, sie war nur dreißig Jahre lang verlobt.“

Ein unermessliches Gelächter erhob sich. Ein kleiner dicker Neunzehnjähriger musste sich die Tränen abwischen.

„Der Iversen! der Iversen!“ gluckste er krampfhaft.

„Aber mit welchem Recht nennt sie sich denn Frau? der Titel kommt ihr doch nicht zu?“ meinte ein vorsichtiger Jurist.

„Ja, es gab dann zuletzt noch eine Nottaufe, wollt’ ich sagen Nottrauung; als der ewige Bräutigam auf dem Sterbebett war, glaub’ ich. Aber er war schon ganz blöd und stumpf.“

„Natürlich! sonst hätte er sich wohl gedrückt,“ hieß es.

Iversen erboste sich. „Herrgott, dies öde Gewitzel! Erstens ist die Geschichte sicher nicht war. Und zweitens scheint sie mir nicht gerade zum Lachen. Diese endlosen Verlobungen sind ja eine der vielen verrückten traurigen Erscheinungen unserer sozialen Verhältnisse. Wahrscheinlich so ein armer Kandidat der Theologie, vielleicht Freidenker und deshalb missliebig geworden, auf der anderen Seite ein mittelloses, aber gebildetes Mädchen –“

„Aha, Iversen dichtet schon!“ unterbrach der Neunzehnjährige.

„Also, stimmt nicht! die Röslins sind häbige[2] Leute,“ bemerkte jemand.

„Und warum hätten sie dann mit der Trauung gewartet, bis es nur noch eine Farce war, die sie dem Tode vorspielten?“ fuhr Iversen auf.

„Er war krank, höre ich, epileptisch, der Doktor Röslin, und der Arzt hat ihm’s Heiraten verboten.“

„Endlich einmal ein vernünftiger Arzt,“ murmelte einer, dann schwiegen alle eine Weile.

„Jetzt schaut’s doch es bitzli anders aus mit der ewigen Braut,“ meinte einer der lebhaftesten Lacher von vorhin.

Iversen schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Eine Tollheit bleibt es doch und fast ein Verbrechen. Sich an einen lebendig Toten ketten für lebenslang – wahnsinniger, naturwidriger Altruismus! Es macht mich wütend, nur so etwas zu hören. Ihr habt sie mir ganz verleidet! Wenn ich die Alte jetzt anschaue, immer werd’ ich an den epileptischen Bräutigam denken müssen. Da muss man’s doch wirklich glauben, dass die Weiber nur so zu Anhängseln bestimmt sind. Bis wir die Rasse verbessern –“

Als er am Abend der Wirtin auf der Treppe begegnete, sprang er mit einem kurzen, undeutlich gemurmelten Gruß an ihr vorüber. Er bemerkte nicht, dass die Frau ihm mit verwundert-besorgten Blicken folgte.

Am nächsten Tage hatte er die ganze Sache schon wieder vergessen, oder wenigstens aus dem Gedächtnis geschoben. Es gab eine wichtige Versammlung, ein bekannter und berühmter „Genosse“ sollte sprechen, und Iversen rüstete sich beizeiten auf eine Erwiderung. Alle diese alten und älteren Herren waren schließlich retardierende Elemente, und er hielt es für seine Pflicht, sie im Namen der Tugend zu bekämpfen. Eine Oppositionspartei, die aufhört, Opposition zu machen, hört eben auf zu sein. Heiter und gespannt, „im vollen Turgor“, wie er sich schon lange nicht gefühlt, verließ er das Haus, um ins Versammlungslokal zu gehen. In solchem Geisteszustand sollte man immer sein! Man weiß doch dann, dass man lebt. Er war heute notwendig, denn kein anderer würde sagen, was er zu sagen hätte.

Leider lief es nicht so ab, wie er gewünscht. Der berühmte Redner hatte den allgemeinen Beifall, obgleich er nur Bekanntes sagte. Seine Rede dauerte einige Stunden. Die Diskussion begann auf einer anderen Stelle, als der von Iversen vorausgesetzten. Als er zu Wort kam, war die Zeit derartig vorgeschritten, dass er mit Schlussrufen unterbrochen ward, eh’ er recht angefangen. An der Glastür standen ein paar Hausknechte mir aufgekrempelten Ärmeln; sie beförderten an die Luft, wer nicht freiwillig ging; dies Publikum, das mehr Sodawasser als Bier trank, imponierte ihnen nicht im mindesten. Iversen sprach noch, während diese Räumung des Saales erfolgte. Er sprach gut, und er wünschte, seine Mutter möchte ihn hören! Sie würde ihm natürlich nicht zugestimmt, aber sie würde Respekt vor ihm bekommen haben. Er sah mehr Rücken vor sich als Gesichter; einerlei, sie konnten auch so hören. Plötzlich bemerkte er gar nicht fern von der Tribüne ein paar aufmerksam auf ihn gerichtete Augen. Im selben Blick erkannte er den zurückgelegten Kopf, die schwarze Gestalt seiner Wirtin. Sie hörte voll Anteil, kümmerte sich nicht um den Aufbruch um sie herum. Ihr feines helles Gesichtchen im Rahmen der lose geknüpften schwarzen Hutbänder war durchleuchtet von Leben und Interesse. Iversen amüsierte sich, auch über sich selbst, dass er sich unwillkürlich geschmeichelt fühlte. Was nun wohl das Altchen davon versteht! Ist das nicht eine spaßhafte Marotte? Als er fertig war, sprang er mit blitzenden Augen von der Tribüne. Ein paar Beifallsrufe wurden hörbar, aber darauf kam es ihm nicht an, er hatte sich von der Seele gesprochen, was ihn beschäftigte. Er war sogleich umringt von den Bekannten, die ihm Glück wünschten. Im Gedränge vorwärts und dem Ausgang zuschreitend, befand er sich plötzlich neben seiner Wirtin. Er streifte sie und zog den Hut: „Sie hier, Frau Doktorin? Ja, wie kommen Sie denn nun nach Hause?“

„Oh, ich habe die Kathi mit. Es tut sich schon.“

Iversen war sehr erleichtert, als er die breite Magd hinter ihrer Herrin entdeckte, sie bewegte die in einem ehrwürdigen Umhang eingewickelten Arme wie ein Paar schützende Flügel. Auf ihrem verschlafenen Gesicht erschien ein entschlossener Ausdruck, der Ausdruck einer Schildwache, die man anruft, sowie ihre Frau ihren Namen nannte.

„Kommen Sie gut heim,“ winkte Iversen, dann schlug er sich seitwärts. Zum Glück hatte niemand die wenigen Worte gehört, war niemand auf die unscheinbare Person aufmerksam geworden. Mit alten Frauen mag doch gewiss kein Mann geneckt werden, selbst nicht von den ödesten Gesellen, und in dieser Doktorin wollte man nun durchaus etwas Lächerliches finden.

„Nun, wie hat es Ihnen gestern Abend gefallen?“ fragte er sie den anderen Tag.

Sie zögerte mit der Antwort, errötend wie ein junges Mädchen.

„Ich war sehr erschrocken und bin es noch. Ich wusste gar nicht, dass es so traurig in der Welt aussieht, man begreift nicht, wo das einmal hinaus soll; der erste Redner hat das so düster hingestellt – ich war recht froh, als dann die jungen Leute kamen – ich hoffte so bei mir, nun, die werden doch noch etwas Rechtes ausdenken, dass es weiter geht –“

„Ja, wenn wir nur die Rechten dazu sind“, meinte Iversen mit einem halben Seufzer, „wenn es nur wirklich weiter geht!“

„O gewiss!“ rief die Frau, und es kam ein stilles Leuchten in ihre Augen, das sich allmählich über all ihre Züge verbreitete; „immer aufwärts, den Glauben geben wir nicht auf! Und das ist ja auch der Sinn Ihrer Lehre, wenn ich gestern recht verstanden habe. Wir sehen nie das Ganze, weil wir kurzsichtige Geschöpfe sind. Das sind alles Etappen; man kann nicht allem zustimmen, aber die Hauptsache ist, dass wir uns nicht zufrieden geben!“ Sie brach ab und lächelte. „Ich möcht es wohl erleben, wie Sie die Welt umkrempeln,“ sagte sie lebhaft.

„Ach wir! Ich fürchte, wir werden gar nichts umkrempeln. Vielleicht unsere Kinder.“ Iversen wurde immer skeptisch, sobald der andere zuversichtlich ward. „Übrigens, Sie haben recht, das Erreichte – was liegt daran? Der Wille zu erreichen, auf den kommt es an.“

„Nein, am Erreichen liegt nichts.“ Sie versank in Gedanken.

Abends im Theater sah Iversen das Anneli wieder. Es saß sittsam neben der Großmutter, auf seiner anderen Seite ein graubärtiger untersetzter Herr, der ihnen bekannt zu sein schien, denn er sprach über das Mädchen hinweg zu der Alten. Anneli klappte mit einer gewissen stilisiert mädchenhaften Miene den Fächer auf und zu und schien taube Ohren zu machen, weil man es von ihr verlangte. Es hatte einen scharfen Zug um den Mund bekommen, übrigens sah es sehr hübsch aus, ein breiter Spitzenkragen über einem graublauen Kleide stand gut zu dem hellblonden gekräuselten Haar. Iversen horchte auf sein Herz, aber es gab keinen lauteren Schlag. Die da sehen aus wie die verkörperte Langeweile, dachte er. Anneli, das ist die hübsche Langeweile, die Großmutter ist die medisante Langeweile (übrigens hat das Mädchen diesen Zug von ihr geerbt, und er wird bald all ihre sonstige Lieblichkeit aufgesogen haben), der Graubart ist die lüsterne Langeweile, denn dass er das Mädchen anredet, wenn er mit der Alten spricht, ist nur zu deutlich. Und in dies Geschöpfchen hab’ ich einmal Himmel und Erde hineingelegt, und ihr Lächeln war mein Paradies.

Der Vorhang fiel, die Operngläser richteten sich in den Zuschauerraum. Plötzlich trafen sich seine Blicke mit denen Annelis durch den Operngucker. Sie ließ den ihren sogleich sinken, wurde feuerrot, verwirrte sich und sank auf ihren Platz zurück. Dem Studenten wurde eigentümlich zu Mute.

Schwelte doch etwas in jenem winzigen Vogelherzchen? Er verließ sie nicht mit den Augen, er wollte sehen, herausfinden. Allerdings war sie ihm gleichgültig, aber doch nicht so gleichgültig wie das Stück, das man dort spielte. Das Schauspiel der Verwirrung auf jenem niedlichen Gesichtchen war jedenfalls für ihn allein berechnet. Es dauerte einen halben Act lang, aber endlich ward ihm sein Lohn, sie blickte ihn noch einmal an. Diesmal also nicht zufällig, sondern voll Absicht. Mit einem kurzen, fragenden, zündenden Blick. Und ein kleines winziges Fünkchen flog doch aus dem blauen Auge zu ihm herüber und stöberte nach einer noch so kleinen Kohle, an der es sich festsetzen könne. Lieber Gott, so kleine herrenlose Kohlen sind immer da, auch in dem allerausgebranntesten Herzen. Iversen fühlte mit Vergnügen, dass ihm etwas wärmer wurde. Und es war ja so ungefährlich, jetzt, wo er sie durchschaute, wo er sie nach Gebühr wertete. Sie wurden nicht müde, herüber und hinüber zu blicken. Zuweilen machte er eine unauffällige Bewegung, die ihnen früher etwas bedeutet hatte. Sie kannte sie noch, verstand sie noch, er hatte doch tiefere Spuren hinterlassen, das ließ sie merken.

Auch dass sie irgendetwas drücke, quäle. Ihre Treulosigkeit wahrscheinlich! Nun, das ist keine Todsünde, er wollte nicht den Ungerechten spielen, der nur immer die Männer weiß wusch. Sie machte ihm ein Zeichen. Im Foyer? Ja im Foyer! Hastig schob er sein Glas ein; wenn sie vielleicht abbitten wollte – Er ging in einiger Aufregung durch den kleinen eleganten Saal, öffnete ein Fenster und ließ den weichen duftenden Nachthauch über sein Gesicht spielen. Dann, ganz zwanglos, trat er auf die Großmutter zu, die sich bereits in einem Ecksofa niedergelassen. Anneli stand seitwärts, der Graubart brachte mit Mühe ein Glas Limonade herbei, er schwitzte weidlich bei seinem Ritterdienst.

Großmutter war nicht sehr gnädig: „So, so, der Herr Iversen. Sie haben sich lange nicht bei uns sehen lassen?“

Der junge Mann verzog das Gesicht, als habe er auf eine saure Zitrone gebissen. Er hatte diese harte Kehlstimme mit ihrem gezierten unnatürlichen Hochdeutsch immer nur schwer ertragen, und es war wirklich lange her, dass er sie nicht mehr gehört hatte.

Während er eine Entschuldigung murmelte, strich Anneli wie ein schnurrendes Kätzchen an seinem Rockärmel vorbei, sagte in seinem Rücken: „Es ist jetzt immer so arg langweilig bei uns, wollen Sie mir nicht noch dieses eine Mal verzeihen?“ Der bittende Ton berührte ihn tief; überrascht sah er sie von der Seite an, da schien es von tausend Schelmereien um ihren Mund zu zucken, die Augen waren halb geschlossen.

„Ah, Fräulein Anneli!“ machte er, als ob er sie erst eben bemerke, und wendete sich nach ihr um. Sie machte die Komödie mit, reichte unbefangen die Hand, und indem sie einige Schritte seitwärts tat, waren sie so gut wie allein in dem Menschenhaufen. „Man weiß nie, ob Sie im Scherz oder im Ernst reden.“ sagte Iversen mit unschlüssiger Betonung.

Sie deutete mit dem Fächer nach dem Eckdivan. „Wenn Sie wüssten, wie ernsthaft ich es meine! Sehen Sie den alten Herrn dort? Denken Sie sich, ich habe unglücklicherweise zu ihm gesagt, er sei mein einziger und wahrer Freund, und nun geht er gar nicht wieder weg, immer sitzt er uns auf dem Nacken und lauert wie ein Hündli auf einen guten Brocken.“

Ganz weinerlich hatte sie begonnen, sogar mit feuchten Augen die erste Beteuerung gesprochen, allmählich aber gewann der Mutwille die Oberhand, und sie lachte in ihren Fächer hinein.

„Und das war es, was Sie mir mitteilen wollten?“ sagte der junge Mann im Präzeptorton und sah kühl über sie hinweg.

Schweigend und langsam errötend spazierte sie neben ihm hin.

Zuletzt glaubte er, der mit gespannten Ohren lauschte, etwas von „wieder gut sein“ flüstern zu hören. Aber es rührte ihn wenig. „Wozu?“ fragte er herb, „Sie haben beständig Lust zu lachen, und ich habe keine Lust zu lachen! Wir verstehen uns nicht, und meine Zeit ist mir zu wertvoll, um sie damit auszufüllen, dass ich Ihnen die Ihrige vertreibe.“ Mit Befriedigung bemerkte er, dass sie wieder nasse Augen bekam. Er wurde immer grausamer. „Und übrigens, was nützt mir Ihre Güte? Sie wissen, oder können sich’s denken, dass ich noch nicht heiraten kann. Vielleicht in zehn Jahren, eher nicht. Also! Und was es sonst noch so gibt, zwischen einem Mann und einem Weibe geben kann, geben könnte, das gibt es für Sie, Fräulein, keinesfalls. Dazu gehört Mut, und wie käme ein“ – er stockte – „eine gebildete junge Dame der heutigen guten Gesellschaft zu solchem Mut.“ Er warf ihr einen heftig forschenden Blick zu, sie hatte tief den Kopf gesenkt und schien wie erstarrt in jeder Bewegung. Die Glocke zum Wiederbeginn der Szene ertönte. „Leben Sie wohl und machen Sie sich nach jeder Richtung hin Vergnügen,“ fuhr er sarkastisch fort, „es war nur ein flüchtiger Irrtum von Ihnen, dass Sie meiner dazu bedürften.“ Er verbeugte sich leicht und trat von ihr weg. Mag sie sich allein zu ihrer Gesellschaft zurückfinden, dachte er, ganz berauscht von Rachsucht; einmal musst’ ich ihr’s doch sagen, wie ich von dieser Spielerei denke. Jetzt sind wir auseinander und zwar gründlich und auf immer.

Er kehrte nicht auf seinen Platz zurück, ihr Gesicht sollte ihn nicht wieder irre machen. Stolz, als ob er mit einem Löwen gekämpft habe und Sieger geblieben sei, verließ er das Schauspielhaus. Den stillen Wunsch, der ihm immer dazwischen reden wollte, den Wunsch nach ihrer jungen Schönheit, brachte er damit kaum zum Schweigen, aber das ging ja nur ihn allein an, sie hatte er rau abgefertigt, wie sie’s verdiente. Er redete sich ein, dies unwiderrufliche Ende sei genau, was er gewollt, geplant, selbst herbeigeführt habe. Es fehlte noch, dass man sich in Gedanken und Stimmungen von solch einem abhängigen Geschöpfchen abhängig machte! Freilich, langweilig war es ohne diese Geschöpfchen, aber er hatte ja nun auch genug freie Bahn vor sich. „Und mein Herz, was dir gefällt, alles, alles darfst du lieben!“ Das tröstete immer; ausgiebigen Gebrauch wollte er von dieser Erlaubnis machen. Etwas wie die Vision einer reizenden Nachbarin schwebte ihm vor, ein nähendes anmutiges Figürchen zwischen dürftigen weißen Vorhängen, ein schön geschwungener Nacken unter schwarzem Haarknoten, die musste er doch näher ins Auge fassen. Es war wie der Duft der vielen ungesehenen Blumen, der ihn auf seinem langen Heimwege begleitete. Hier mussten Magnolien, hier Narzissen, hier Goldlack blühen, und dann wieder tauchte er unter in ganze Wolken von Apfelblütenbalsam und Syringendüften. Man hat die Auswahl! Die Blume Anneli war für ihn abgeblüht, aber was bedeutete eine Blume? Es war noch lange Frühling, er war noch jung.

Alles war still und dunkel in dem großen Hause, das er mit einem großen Schlüssel aufschloss. Nur die Angorakatze aus dem Erdgeschosse sprang mit lautem Miauen gegen ihn, dann auf die Straße, von woher verwandte Stimmen sie kläglich-zärtlich zu rufen schienen. Iversen lachte, wie sie den schönen Schweif aufgeregt um die Hinterbeine tanzen ließ, sie, die sonst ehrbar mit niedergeschlagenen Augen ihre stattliche Schleppe wie eine große Dame hinter sich herzog. Aus den großen Gartenbäumen jenseits der Mauer kam ein verträumter Amselruf. Der Mond schien durch die farbigen Treppenfenster, ein geisterhaft beleuchteter Kopf schwamm oben auf der verräucherten Tafel des alten Ölbildes. Alles was jung, von Frühlingsart, voll Leben war, wachte in dieser Nacht; der Student trat leise auf, sprang die Treppen im Fluge hinan: „dass wir nicht wecken, die nicht dazu gehören.“ Wie hart und ungeschickt der zwölfmalige Kuckucksruf hinter Herrn Hasenfratzs Tür! Das sah dem Grobian ähnlich, dass er auch grobstimmige Uhren hatte! Ach so, jetzt wachte der Patron auf, dehnte sich, streckte sich in seinem krachenden Lehnstuhl, schob die raschelnde Zeitung von seinem feisten Bauch, auf dem sie wie auf einem Tisch geruht und rief die Frau. Nein, er wollte nicht hören, was der rief, es war zu stillos an diesem Maiabend. In seinem Zimmer wollte er horchen – drang nur ein Laut von diesem Hottentottenkerl in seine Einsamkeit, so stahl er sich sofort wieder von dannen. Zu schlafen war ohnehin nicht in solcher Nacht.

Ein starker Syringenduft schlug ihm entgegen, als er die Stubentür öffnete. Kam das vom Garten drüben? Nein, es war ja hier drinnen, ein Strauß auf dem Tisch, ein voller Strauß, vom Monde gestreift und hier auf ihn wartend in der Stille. Er hatte doch nicht etwa die Tür verfehlt? Hastig zündete er eine Kerze an. Nein, alles in Ordnung, nur der Blumenstrauß auf dem Tisch, so groß, dass er den Kopf hinein stecken konnte. Er tat es, atmete in vollen Zügen mit offenen Lippen zwischen den Blütenrispen, ganz verwundert und fragend, wer ihm diese Huld angetan haben könne.

Etwas fremdes streifte dabei seinen Mund, eine feste Kante, ein Blatt Papier. Er fasste es mit den Zähnen und zog es vorsichtig heraus. Wie denn? was denn? Ein Liebesbrief? von wem? Eine ihm bestimmte Überraschung? Eine Mystifikation ohne Zweifel. Er entfaltete das leicht zusammengelegte dünne Blättchen und fand vier Zeilen in großer, kräftiger, ihm unbekannter Schrift, die er beim flackernden Kerzenlicht zwei- oder dreimal las, lachend beiseitelegte und wieder las:

 

„Dies brach für dich der zartsten Neigung Hand,

Der Fliederstrauß ist sel’ger Jugend Bild.

Nicht forschen sollst du, wer ihn dir gesandt,

Genug, wenn er mit Duft dein Zimmer füllt.“

 

Keine Unterschrift, keine Anrede und, da das Blatt nur ineinander geschoben, nicht kuvertiert worden, auch keine Adresse. Der Strauß musste hier abgegeben, das Verschen absichtlich so tief zwischen die Zweige versteckt worden sein. Eigentlich war es ein Zufall, dass er es gefunden. Wie schade, dass es so spät war! Die Wirtin, die Magd mussten ihm erzählen, wie der Strauß hier hereingekommen. Vorausgesetzt, dass er überhaupt ihm bestimmt war! Konnte nicht eine Verwechselung stattgefunden haben? Etwa mit einem dennoch vorhandenen Fräulein Hasenfratz, das einen poetisch angehauchten Anbeter besaß? Es schien durchaus eine Männerhandschrift, gewandt, ausgeschrieben. Wer von seinen Bekannten schrieb doch so? Sollte nicht Hoffmann sich den Spaß erlaubt haben?

Der Strauß stand in einer großen altmodischen wassergefüllten Vase, die gute Doktorin hatte die Blumen nicht schmachten lassen wollen, das sah ihr ähnlich, aber ihn wandelte die Lust an, sie zum Fenster hinauszuwerfen, obgleich sie nun in der Lampenbeleuchtung einen zierlichen Schatten an die Zimmertäfelung warfen und etwas festliches über den ganzen Raum verbreiteten. Hoffmann war ihm unsympathisch. Er hatte eine so schafsgeduldige Miene und betrieb den Kommunismus bereits praktisch, während die anderen noch theoretisierten. Auf seiner Bude gab es beständig verlumpte, verhungerte Mitschläfer und Mitesser. Wer in Hoffmanns Nähe kam, wurde für diese „Genossen“ unfehlbar angepumpt. Er selbst hatte seine Bedürfnisse auf das Geringste beschränkt. Aber er führte auch Reden wie: „Unbegreiflich, dass es Menschen gibt, die zwei Stuben haben, drei sogar! Denkt euch, drei Stuben hat dieser Maler, dieser – ich will ihn nicht nennen, denn ich möchte niemand aufhetzen. Er sagt, er brauche das zum Malen. Wenn er das Geld für all’ den Luxus, Farben, Leinwand, was weiß ich, den Genossen zukommen ließe, wieviel mehr diente er der Menschheit als durch diese Bilder, dieser Porträts, die ihm seine Zeit und sein Geld kosten.“ Iversen hielt sich bei solchen Exkursen die Ohren zu. Auch das vermochte Hoffmann nicht zu kränken. „Wenn du wieder hören magst, sprech' ich weiter,“ sagte er gemütlich. Er hatte Zeiten, wo er Iversen geradezu belagerte. Der hatte schon einmal Blumen gebracht. Und als Iversen ihn kaltblütig fragte, ob er verrückt geworden sei, hatte der Mensch ungerührt sich verteidigt: „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dieses hier, Tulpen, nicht wahr? dass ich sie gekauft habe? Nein, ich habe sie in Zahlung angenommen, der arme Gärtnerbursche, weißt du, der eine Zeit lang bei mir hauste und jetzt wieder in Stellung ist. Aber was soll ich mit solchem Zeug? Ich dachte gleich an dich. Für einen Ästhetiker und Gourmand wie du bist –“

Hätte man nur gewusst, ob wieder Hoffmann! Freilich das Verschen, und zu einem in „Zahlung genommenen“ Strauß?