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Ze do Rock, Taxifahrer und Wahlmünchner, schlägt uns ein durchschaubares "Ultradoitsh" zur stufenweisen Einführung bis ins Jahr 2013 vor. Nebenbei erzählt er seine Abenteuer als Weltenbummler. Seine Sprache ist radikal witzig, nie konsequent, aber anarchisch, grotesk und vital, wie die heutige Welt. Von Zé do Rock außerdem in der Edition diá: Ufo in der küche ein autobiografischer seiens-fikschen ISBN 9783860345153 Deutsch gutt sonst geld zuruck a siegfriedische und kauderdeutshe ler- und textbuk ISBN 9783860345160
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Seitenzahl: 529
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Zé do Rockfom winde ferfeelt
welt-strolch macht links-shreibreform
Edition diá
Zé do Rock macht eine trämp-reise um di welt, di 13 jare dauat, ihn durch 111 lända fürt und ihm vile probleme mit räuban, polizei und fraun besheert. Als er meint, er hätte das gröbste hinta sich, begegnet er der deutshen sprache. Nach eina wilden gefecht steigt ultradoitsh aus der ashe: der beweis, das es auch andas get. Mit oda one rechtshreibreform, dises buch legt shon mal los. One komplizirte ferainfachungen.
»Zé do Rock schreibt so anarchisch und grotesk und unrein und vital, wie halt die Welt heute ist.« (Süddeutsche Zeitung)
Zé do Rock is vor verdammt langer zeit in Brasilien geboren, hat nix studiert aber 14630 tage geleebt, 1357 litter alkohol gesoffen, 940 stunden flöte und 648 stunden fussbal gespilt, 200 000 kilometer in 1457 autos, flugzeugen, schiffen, zügen, oxenkarren und traktoren geträmpt, 111 länder und 16 gefängnisse besucht, sich 8 mal verlibt, 3 bücha geshriben, ein film gedreet, eine kunstsprache erfunden, ein vereinfachtes deutsh kreirt und er lebt noch heut, meist in München.
the omas & the opas
Genesis
Pink Floyd
loser
rowdy
philosoph
kleine fluchten
sprachfreak
kleines wörterbuch um die langeweile aus diesem buch zu vertreiben
fehlstart
fliegen und sitzen
dort wo der jaguar keine räder hat
fast soldat
di frau
autor auf achse
Deutschland gutt sonst geld zurück
vileicht doch geld zurück?
laschentampen
primo piato secondo piato
und um di ecke hab ich mich selber getroffen
di balkanisirung der helden
Schandinavien
Froncraisch und konsorten
schon wider leberkäs
one name
same procedure as every year
Afrika
verstorben
Allahu akhbar
im land der farblich rausgeforderten menshen
Dante’s paradise
shon bessa
ein bissi arbeit ein bissi knast
vom Bongo zum Congo
walking talking
keine telefonzelle
back to the roots
arbeit und wonung
di krankheit
fraun
arbeit, wonung, fraun, wiski
noch ein par djobbs und eine mini-frau
no elephants
der ser nae osten
only for travellers
whites only
an germanisten und empörte
de heilarmee
run baby run
de Kilimanjaro ruf
hatari
in de reich vo de dünne leute
13 monat sonneshein
nilpferde küsst ma nich
naost
girls girls girls
polonäse und borsch
in de reich vo de aufgeende sonne
de abenteuers vo Zé do Rock in de land vo de 1000 schlitzaugen
hippiland und da unten
love stories
Impressum
de held is de schönere
Er kam, kam und ging. Lange Zeit blieb sie an der Türschwelle stehen, die Augen dorthin gerichtet, wo die Straße eine Kurve macht und ins litauische Hinterland verschwindet. 9 Monate später erkannte sie, daß er etwas bei ihr gelassen hatte. Das kleine Wesen wurde eines Tages ein großer Mann, der heiratete und viele kleine Wesen zeugte, darunter meinen Urgroßvater. Auch dieser zeugte ein paar Kinder und wurde dann bekehrt. Vorher war er Katholik, danach gläubiger Baptist. Ohne auf Vorteile und moralische Vorzüge dieser Entscheidung einzugehen, muß gesagt werden, daß dies mein Leben ziemlich verändert hat. Mein Urgroßvater wäre sonst nie auf den Gedanken gekommen, in einem winzigen Nest im Süden Brasiliens eine Stelle als Pastor anzunehmen, sich in einem kleinen Städtchen mit quadratischen Gärten und neogotischer Kirche niederzulassen und das Evangelium zu predigen. Wenn er in Litauen geblieben wäre, wäre ich nicht geboren worden. Aber wenn ich dort geboren worden wäre, würde ich jetzt in der Schlange vor dem Brotladen auf die Russen schimpfen. In Brasilien kann man das auch tun, aber es nützt nicht viel. Die Russen können sehr wenig dafür, daß es den Brasilianern schlecht geht.
In Brasilien zeugte er weiter viele Kinder, eines davon war mein Großvater. Auch der wurde groß und heiratete. Meine Großmutter war wie mein Großvater ein bißchen langsam, was vielleicht daran lag, daß ich die beiden erst kennenlernte, als sie schon 80 waren. Die Oma war zwar Brasilianerin, konnte aber bestenfalls danke schön auf brasilianisch sagen. Ihr Mädchenname war Schmidtke, ein sehr beliebter Indianername. Da meine Großeltern streng religiös waren, wurde auf dem Bauernhof weder gesoffen noch geraucht. Angebaut wurde hauptsächlich Tabak.
In diesem Milieu wuchs mein Vater auf. Von der Familie meiner Mutter weiß ich wenig: Ihre Vorfahren kamen aus Rußland, der Urgroßvater wurde erstochen, der Vater meiner Mutter starb eines natürlichen alkoholischen Todes, ein Onkel erschoß sich als 6jähriger beim Spielen mit einer Pistole, und einen anderen erwischte es auf der Jagd (angeblich hat sein Freund ihn mit einem Hirsch verwechselt).
Am Anfang der Menschheit gab es eine sehr einfache Sprache: iiiii! bedeutete Gefahr, ooooo! Bewunderung, bäää-bäää! »das Lamm schmeckt scheußlich«, aaaaa? »wie wär’s mit uns beiden?« und a-a! »nein«. Die Sprecher mehrten sich und mit ihnen die Sprachen. Sie wuchsen zu sehr komplexen Gebilden mit vielen tausend Wörtern, abstrakten Begriffen und Regeln. Seit einigen Jahrhunderten aber zeigen die Sprachen wieder eine Neigung zur Vereinfachung – zumindest grammatisch und phonetisch. Beugungen fallen und Wörter schrumpfen. Soll das bedeuten, daß die Menschen dümmer werden und bald wieder auf die Bäume klettern? Eher unwahrscheinlich, da es sowieso nicht mehr lange dauert, bis es keine Bäume mehr gibt.
Nur bei der deutschen Sprache bin ich mir über die Tendenz zur Vereinfachung nicht sicher. In alten Texten bin ich vielfach auf Formen gestoßen, die schlichter waren. Nicht nur, daß im Neuhochdeutschen öfter aus einem Laut 2 und den Wörtern Konsonanten hinzugefügt wurden, vor allem Rechtschreibung und Zeichensetzung sind komplizierter geworden. Das mag daran liegen, daß dabei vor allem Schreiber und Setzer das Sagen hatten. Vielleicht war deren Logik: je mehr zu schreiben, desto mehr zu verdienen. Also haben sie die Wörter so lang wie möglich geschrieben. Und ich könnte mir vorstellen, daß sie die vielen Schikanen erfunden haben, um sicher zu sein, daß sie, die Schreiber, unentbehrlich bleiben.
Daß die deutsche Sprache schwierig ist, weiß man sowohl in Deutschland wie im Ausland. Wenn ich mich aber bei meinen deutschen Freunden beschwere, ist deren Antwort meist, daß andere Sprachen wie Französisch oder Italienisch auch nicht einfach seien. Das stimmt. Jede Sprache hat ihre eigenen Tücken. Die eine hat eine unverständliche Rechtschreibung, die andere eine umfangreiche Grammatik, die nächste eine eigenartige Schrift oder eine zungenbrecherische Aussprache. Manche bereiten in mehreren Richtungen Probleme.
Was Deutsch von diesen Sprachen unterscheidet, ist, daß es alle Probleme aufweist: einen absurden Satzbau, eine uneinheitliche Rechtschreibung (Zuk-ker statt Zuc-ker oder Zu-cker, Pappolizist statt Papppolizist, Großschreibung für die Hauptwörter und sparen aber fahren,los aber Moos, Form aber vorn), eine ausufernde Grammatik (Konjugationen, Deklinationen, über 10 Mehrzahlendungen) und eine unnachahmliche Aussprache (Silben mit 10 Buchstaben wie du schleichst, du schluchzst, Konsonantenanhäufungen wie Lachsschlemmer).
Die Standardantwort auf meine Klagen lautet, daß Deutsch dafür präzise sei. Das kann ich leider nicht bestätigen. Die Sprache ist sehr ausdrucksreich, was sie aber nicht ihrer geballten Menge Komplikationen, sondern ihrem Wortschatz und der Freiheit, Wörter zu kombinieren, verdankt. Eigentlich ist sie die chaotischste Sprache, die ich kenne. Den alltäglichen Satz »die Frau, die das Mädchen sah, war blond« versteht man nur, weil solche Sätze selten allein stehen. Die falsche Interpretation (»die Frau sah das Mädchen« oder »das Mädchen sah die Frau«) erreicht nicht das Bewußtsein. Wenn es keinen Kontext gibt, wie auf dem Plakat Frauen Zeichnen, wird es restlos uneindeutig. Zeichnen jetzt die Frauen, oder werden sie gezeichnet? Ganz egal, ob diese Bezugsfehler systemimmanent oder Fehler der Schreiber sind: eine Sprache, bei der man jeden Satz 3 mal nachprüfen muß, ob er nicht zweideutig ist, kann nicht als präzise gelten.
Aber ich beschäftige mich hier nicht mit der Sprache, die man benutzen sollte, sondern mit der Sprache, die man benutzt.
Meine Mutter und mein Vater trafen sich, als sie 20 Jahre alt waren. Um auf Nummer Sicher zu gehen, schrieben sie sich in den folgenden 10 Jahren Briefe. Dann gab es eine Hochzeit. Bald kam der erste Sohn, der sehr lebhaft war. Im Gegensatz zu ihm war der zweite leblos. Er hat schon bei der Geburt schlappgemacht. Und dann, in einer kalten Vollmondwinternacht im Jahr 1956, erblickte ich das Licht des Krankenhauszimmers. Und mein Vater sah, daß es gut war. Er ruhte aus und schuf dabei mit meiner Mutter noch ein Weib, damit ich nicht alleine blieb, denn mein Bruder spielte immer auswärts.
Es gibt einen Aspekt der deutschen Sprache, der sicher reformiert werden könnte: die Rechtschreibung. Eine internationale Expertenkommission hat in den 80er Jahren Vorschläge für eine solche Reform veröffentlicht. Dagegen erhob sich ein solcher Entrüstungssturm, daß jetzt nur eine sehr gemilderte Version vorliegt.
Warum ist bisher so wenig daraus geworden? Erstens gibt es die Sprachkonservativen, die gegen jede Änderung sind. Zweitens ist der Anteil der Reformgegner in einer Expertenrunde größer als in der Bevölkerung im allgemeinen, weil Experten selten Schwierigkeiten mit der Orthographie haben. Drittens spielt der Egoismus eine Rolle, nach dem Motto: Ich habe mich damit abgeplagt, und nun soll dieses Wissen null und nichtig sein? Viertens liegt es an den Reformen: Wenn man 4 Seiten braucht, um die Kommaregeln zu erklären, und sie dann so reduziert, daß man nur noch 3 Seiten braucht, ist das zuallererst eine sehr komplizierte Vereinfachung. Die meisten Menschen kennen diese 4 Seiten Regeln nicht (in der Regel keine einzige), aber sie haben gelernt, mit ihnen instinktiv umzugehen.
Für das erste und zweite Problem heißt die Lösung Volksabstimmung oder Umfrage. Das vierte Problem kann gelöst werden, indem man die 4 Seiten Regeln auf null oder ein lernbares Minimum reduziert. So kann jeder weiter schreiben wie bisher, aber er macht keine Fehler. Nur das dritte Problem, den Egoismus der Menschen, kann man nicht abschaffen.
So will auch ich meinen Senf dazu geben. Meine Version ist radikaler, und ich nenne sie »Ultradeutsch«. Da ein komplettes »Änderungspaket« große Anstrengung erfordert, werde ich 2 Änderungen pro Jahr durchführen. Das ist für jedermann leicht zu verdauen, und am Jahresende ist man an die neue Regelung so gewöhnt, daß die alte schon vergessen ist. Nur im letzten Kapitel wird alles nach dem vorgeschlagenen 95er Stand geschrieben, damit man sieht, wie wenig sich in einem Jahr ändert.
Da ich mir aber nicht vorstellen kann, daß von offizieller Seite vernünftige Reformen durchgeführt werden, kann ich nur zum zivilen Ungehorsam aufrufen: Diejenigen, die Ultradeutsch sinnvoll finden, sollen es schreiben – anfänglich keine große Veränderung: freie Groß-/kleinschreibung, umgangssprachliche Formen (es is nix mehr da). Um nicht als Legastheniker zu gelten, kann man es auch ankündigen: ACHTUNG: ULTRADEUTSCH!
Ich kann nichts dagegen machen, wenn jemand gegen jedwede Rechtschreibreform ist oder manche meiner Vorschläge einfach nicht mag. Ich höre aber oft Gegenargumente, auf die ich im Kapitel »an germanisten und empörte« auf Seite 213 gerne eingehen möchte.
Die deutsche Schriftsprache ist schön, ich benutze sie aber nicht. Erstens weil ich gar nicht anders kann, zweitens weil ich mich mit der Sprechsprache besser fühle, und drittens bin ich einer der wenigen Menschen auf dieser Welt, die beim Schreiben Geld verdienen: Ich schreibe dieses Buch beim Taxifahren. Das hat Vorteile (Geld von den Fahrgästen), aber auch Nachteile, vor allem in bezug auf die Konzentration: Der grausame Straßen-, der nervende Funkverkehr und besoffene Fahrgäste, die auf einen Streit scharf sind, nicht wissen, wo sie wohnen, oder in meinem Taxi ins Koma fallen, können mich nicht inspirieren.
Am Anfang werden die Rundherum-Schikanen wie Zeichensetzung und Silbentrennung behandelt, danach die Buchstaben selbst – zuerst die dringenden, dann die weniger dringenden Fälle. Wie auch immer: Da es sehr langweilig ist, ein Buch nur über Sprache zu schreiben und erst recht zu lesen, kriegst du meine Autobiographie im Doppelpack. Please fasten your seat belt and have a good trip.
Die erste Änderung für das Jahr 1995 ist die Abschaffung des Großschreibzwangs. es bleibt jedem überlassen, ob und wann er großschreibt. normalerweise schreibe ich alles klein mit einer ausnahme: personen- und ortsnamen schreibe ich groß, damit man sieht, daß es sich um eigennamen und nicht um ultradeutsch-»verzerrte« wörter handelt.
wer will, kann auch zwischen sie und Sie, ein paar und ein Paar differenzieren. er kann so weiter schreiben wie bisher, alles oder nur die letzten buchstaben (herberT waR aM endE) großschreiben. ein religiöser mensch kann Gott schreiben, ein anderer Gottschalk. vielleicht will er Geld schreiben, weil es für ihn so wichtig ist, oder Walpurga, weil seine frau so heißt. meinetwegen.
ich bin in Porto Alegre, hauptstadt des bundesstaates Rio Grande do Sul (hiugrantzuu ausgesprochen), in der südlichsten ecke von Brasilien geboren. wie die 3 anderen südlichen staaten ist er sehr europäisch. dort wohnen nicht mehr schwarze als in England oder Frankreich, manche leute im norden Brasiliens glauben, es sei ein teil Deutschlands. dem ist nicht so, wie du bestimmt weißt. aber wenn die wenigen schwarzen, die es dort gibt, sich streiten, sagen sie zur verbrüderung: wir deutsche müssen doch zusammenhalten! viele menschen auf der welt meinen, daß die deutschen dort geflohene nazis seien. die gibt es tatsächlich, aber die einwanderung begann schon letztes jahrhundert, als der brasilianische kaiser sie importierte, um die unbewohnten grenzen zu Argentinien zu schützen: ein deutscher bauer läßt sich nicht von seiner scholle vertreiben. manchmal fragt man mich, warum sie ausgerechnet nach Brasilien gegangen sind, in ein so armes land. ich kann nur antworten: damals hatte es keinen schlechten ruf. es war das land der zukunft, wie die USA. später stellte man fest, daß die USA tatsächlich das land der zukunft waren, während Brasilien das land der zukunft war, ist und immer sein wird.
meine ersten jahre lebe ich in einem haus in einem großen garten mit vielen apfel-, birn- und pflaumenbäumen. ich klettere immer sehr hoch und falle sehr tief, der geborene abenteurer. und ich drehe mir zigaretten aus eukalyptus-blättern, der geborene junkie. wir haben 2 hasen. eines tages tun mein bruder und ich etwas, was wir nicht tun sollen. um der strafe zu entgehen, beschließen wir, zu fliehen und woanders ein neues leben anzufangen. wir haben umgerechnet 1 mark als startkapital. 2 häuserblocks weiter steht eine eisdiele. wir kaufen eis und erkennen sehr schnell, daß wir zurückkehren müssen. unsere eltern haben weder von der untat noch von der flucht etwas gemerkt. aber dafür brutzeln die hasen im kochtopf. ich weine viel und esse nichts, wie das oft bei kindern der fall ist, die ihr maskottchen mit spinat und kartoffeln auf den tisch bekommen.
über taxifunk meldet sich ein fahrer. er ist gerade überfallen worden. mir könnte das nicht passieren. ich habe ein schild im taxi: RAUCHEN UND SINGEN ERLAUBT … KOTZEN UND ÜBERFALLEN VERBOTEN. wer einen überfall versucht, der wird von mir zuerst auf das schild und dann aus dem taxi verwiesen. vorausgesetzt, ich lebe noch.
die nächste änderung für 1995: einige formen der umgangssprache werden amtssprache. ist, nicht, nichts werden is, nich, nix. nun kann man beim sprechen auch unterscheiden: der mensch is, was er ißt. nun/jetzt werden zu nu/jetz. man wird nu zu ma. bißchen kann weiterhin bißchen, aber auch bisken, bissal und bissi geschrieben werden. ich verwende nur bissi. gerade wird grad.
die akkusativendung nach artikeln und pronomen, die mit n enden, wird weggelassen: ich hab dein hund gesehn. einen wird zu ein, keinen zu kein. bei der dativendung em verschwindet das ne: ich bin in eim alten zug gefahren.
e’s, die nich der dehnung dienen (dienst, liebe) und nich ausgesprochen werden, verschwinden: sehn, fraun. nur zwischen 2 konsonanten bleiben sie drin: sagen, fahren. das unausgesprochene h gilt nich als konsonant: ausleihn, ziehn.
beim verb haben oder ham gibt es mehrere änderungen: ich hab, du hast, er hat, wir ham, ihr habt, sie ham.
wenn ma das he von herauf, herunter nich ausspricht, muß ma’s auch nich schreiben: rauf, runter.
auch die grammatik verändert sich: ich kann nich wegen dem lärm schlafen. oder: das auto vom Peter is kaputt. diese regel is keine muß-, sondern eine kann-regel.
als der held 5 jahre alt is, schickt die firma sein vater nach São Paulo. dort geh ich zum ersten mal in die schule. in dem stadtteil, in dem wir wohnen, leben menschen unterschiedlicher abstammung, die meisten aber ham ein italienischen namen. die mittelschicht is ehr niedrig als hoch und das soziale leben intensiv. wir vertreiben uns die zeit mit fußball, straßenfesten und spielen. in eim dieser spiele muß ma sagen, wen ma heiraten will, wenn ma groß is. ein schönes mädchen namens Teresa meint, sie will mich heiraten. weil ich so schöne grüne augen hab. zu dieser zeit sind meine augen noch grün, nich rot wie später. es is um mich geschehn. es wird eine schmerzliche leidenschaft, da ich sie nich verheimlichen kann, so daß sie ihr interesse verliert. ich schenk ihr ständig etwas, tu alles für sie, bring sogar botschaften zu ihren neuen ›affären‹. nach 4 jahren erzähl ich meim bruder von meim leid. er erklärt: so sind die fraun, sie wollen nur schwierige fälle, du darfst dein interesse nie zeigen. du mußt so tun, als wolltest du nix von ihnen. du wirst sehn, sie werden nur noch augen für dich ham. ich such kein kontakt mehr zu ihr, und sie fängt tatsächlich an, sich für mich zu interessieren. dann ziehn wir um, und ich seh sie nie wieder.
das neue viertel is ruhiger, hier wohnen nur japanische und deutsche brasilianer. mittel-mittelschicht und ein paar fälle von hoher mittelschicht. wir ham wenig kontakt zu den nachbarn, nur in der schule verlieb ich mich mehrmals. es sind immer kurze leidenschaften. Selma, eine dünne, sehr charmante blondine mit pferdeschwanz, die so aussieht, als würde sie klavier spielen. dann Telma, eine charmante blondine mit pferdeschwanz, die nich so aussieht, als würde sie klavier spielen. ja ja, schon zu dieser zeit bin ich mantafahrer in spe. hauptsache blond. obwohl ich mir im klaren bin, daß blondinen auch schön häßlich sein können und die nächste gar nich blond is. Amabile hat ganz schwarze haare, ganz schwarze augen, ganz weiße haut und sieht so aus, als würde sie klavier spielen.
diese liebschaften verlaufen ohne konsequenz. ich bin zu schüchtern, und die mädels wissen vermutlich gar nich, daß ich in sie verknallt bin. manchmal wissen sie nich einmal, wie ich heiß.
die erste änderung für 1996: deregularisierung des kommas. es gibt keine kommaregel mehr. sie werden gesetzt, wo man eine pause für nötig hält.
der gebrauch von apostrophen is nich mehr zwingend: ich hab s oder ich hab’s. ich schreib immer oben ohne.
mit mein freunden gibt s viel zu tun: guaven und pflaumen aus fremden gärten oder schokolade im supermarkt klaun. dafür ham wir doppelschichtige jacken. wir machen löcher in das futter und die ganze jacke wird zur tasche – so verstaun wir unser diebesgut. wir kommen an die kasse und zahlen eine cola. gleich dahinter warten 2 männer und fordern uns auf, die jacken zu leeren. der entstehnde haufen is fast so groß wie wir selber. der filialleiter droht uns die ärsche bunt zu malen wie bei den pavianen. ich hab eine heidenangst. und den ersten kontakt mit bezahlter arbeit. mein vater, weder großgrundbesitzer noch arbeitslos sondern buchhalter, kann uns problemlos ernähren. aber mein taschengeld is nich besonders unterhaltsam und ich möcht unabhängig sein. ich beliefer kunden einer wäscherei und verteil prospekte. manchmal ordentlich, manchmal nich. dann fahr ich in den obersten stock eines hochhauses und entlass 2000 blätter in die freiheit. es is herrlich.
nich alles is arbeit. mit eim schulfreund beschieß ich passanten und busfahrer mit papiergeschossen. einmal treffen wir ein fahrer ins ohr und verursachen fast ein unfall. wir gehn essen und trinken, aber verlassen die lokale ohne zu zahlen. und fahren schwarz, was nich so leicht is wie in Deutschland. am ende können wir kaum noch herumlaufen, überall könnte ma uns erkennen und jagen.
in der schule klaun wir ein großen stoß formulare für eine behindertensammlung und machen uns auf den weg. wir sammeln für ein guten zweck. danach feiern wir ein gelage mit viel essen und trinken. jetz sind wir ehrlich und zahlen die zeche.
meine eltern sind baptisten, jeden sonntag geht s in die kirche. in 14 jahren war ich vielleicht 2 oder 3 sonntage nich dort. mit den weniger braven freunden aus der kirche lass ich knaller fallen – am liebsten in vollen bussen. oder wir warten, bis die tür eines aufzugs fast zu is und schmeißen dann sehr laute knaller rein. das klingt, als würde das haus in die luft fliegen. von überführungen bewerfen wir autos, die auf der stadtautobahn fahren, mit kies, größeren betonblöcken oder müll. wir werden erwischt und kommen über nacht in den knast. ich bin 15, mein freund aber ist 18 und muß für den schaden aufkommen. danach tun wir das nich mehr.
in der schule bin ich oft in schlägereien verwickelt, zuhause werd ich von meim vater verprügelt. unsere eltern ham uns geliebt, aber nich ohne einfluß preußischer kultur.
da ich in der nähe des flughafens wohn, schleich ich mich mit freunden in abgestellte flugzeuge. bis zum 13. lebensjahr weiß ich genau was ich werden will: pilot. ich werd taxifahrer, was in die gleiche richtung geht, mit dem unterschied, daß ma niedriger fliegt.
und die zweite änderung für 1996: der flotte dreier is im schwerdeutschen nich erlaubt. der papppolizist, das betttuch, das ballleder sind verbotene formen. im ultradeutsch is der flotte dreier pflicht. eine sache der bettag, eine andre der betttag. das is keine regel, sondern nur eine regelabschaffung.
bei den baptisten wird ma nich bei der geburt getauft, sondern wenn ma sich dafür entscheidet – üblicherweise im alter zwischen 12 und 14. mein großer bruder is 13 jahre alt und will sich grad taufen lassen, als ihn zweifel überkommen, die manchen aspekt des christentums in frage stellen. ich versuch ihm zu erklären, daß das alles richtig is, bis wir auf den gedanken kommen, daß der mensch unschuldig is. er is nur produkt seiner gene und seiner umwelt. wenn er entscheidungen trifft, sind auch diese nur resultat eines produkts. wenn s keine menschliche schuld gibt, warum dann ein strafenden gott? bald kommen wir auf die geschichte von Adam und Eva. ma stell sich vor, daß ein vater sein kind in ein garten läßt und ihm sagt, daß es alle früchte essen darf, außer denen von eim bestimmten baum. der vater geht einkaufen, kommt zurück und bemerkt, daß das neugierige kind doch vom verbotenen baum gegessen hat. der vater schickt das kind in die wüste. so ein vater würde von jedem gericht lebenslänglich bekommen. grad das aber macht gott. und er mag seine kinder nur, wenn sie ihm schmeicheln. ein solchen menschen müßt ma als obsessiv eitel bezeichnen und sonst nix.
den armen Adam trifft keine schuld. er hat seiner frau geglaubt – noch ein zeichen seiner naivität. erst später ham die männer entdeckt, das ma so was nich macht. gott hat s ihnen nich gesagt. Eva wiederum konnte von nix wissen. als gott die früchte des baums verboten hat, hat s die Eva noch gar nich gegeben. gott hat Adam von dem baum im 1. buch mose kapitel 2 vers 17 erzählt, während Eva erst im kapitel 2 vers 22 geschaffen wurde. aus den spare ribs vom Adam. die geschichte von Adam und Eva taugt nich sinnbildlich, und wörtlich schon gar nich, wir alle wissen es. Darwin hat uns aufgeklärt: zuerst kamen die amöben, dann die fische, die reptilien, die säugetiere, die ersten primaten, die menschenaffen, die affenmenschen (wir) und schließlich die japaner.
ich diskutier nächtelang mit meim vater und den kirchenleuten und werd immer verbissener, bis niemand mehr mit mir reden will und alle mich, genau wie mein bruder, für die inkarnation des teufels halten. in dieser zeit geht s mir speiübel und ich fang an zu saufen und denk sehr intensiv nach. ich les bücher von Kant, Leibniz, Voltaire, Sartre und Roald Dahl, möglichst im original. aus der zeit is in meim hirn nich viel geblieben. Hegel hat sich selbst nich richtig verstanden. da ham andre deutsche kaum noch eine chance, geschweige denn ein brasilianer, der seine bücher auf deutsch liest.
nur bei Descartes find ich ein ansatz, den ich behalt: alle voraussetzungen zu ignorieren und ganz von vorn anzufangen. nur mit hilfe der logik die welt wieder aufbaun. aber wieso gleich ›ich denk, also bin ich?‹. is doch auch eine voraussetzung. eigentlich is der einzig sichre schluß: ›ich denk, also gibt s diesen gedanken »ich denk«.‹ die logik, ohne voraussetzungen, führt in eine sackgasse. ich stoß auf Sokrates und entdeck ›je mehr ich weiß, desto eher weiß ich, daß ich nix weiß‹. da bin ich einverstanden. nur daß wir beide andre schlüsse draus ziehn: Sokrates hat weitergedacht und den Schirlingsbecher genommen. ich hör auf zu denken und trink erst mal ein bier.
erste änderung 1997: keine silbentrennungsregeln mehr. ma trennt dort, wo s nich mehr weitergeht. arbeit kann ma a-rbeit, ar-beit, arb-eit, arbe-it oder arbei-t trennen. zucker kann ma z-ucker, zu-cker, zuc-ker, zuck-er, zucke-r trennen. computer mit eingebautem silbentrennprogramm kann ma so lassen, bei den neuen muß ma s nich mehr einbaun.
mit meim cousin Magnus fahr ich nach Rio. wir kommen nachts an und schlafen am strand. in der früh steh ich auf und geh spazieren. wir ham nur eine tasche, die Magnus als kissen benutzt. als ich zurückschau, seh ich, wie ein typ sein kopf aufhebt, die tasche wegnimmt, den kopf in den sand legt und sie durchsucht. ich schrei los, aber es is verdammt weit weg und der weg is sandig. es is genau so weit, daß Magnus mich nich hört, aber der dieb. also beeilt er sich, nimmt die kohle und weg is er. verzweifelt renn ich hinterher, was nix mehr nützt. ohne kohle entscheiden wir uns zurückzukehren und stellen uns an den rand der autobahn. in Brasilien darf ma das. aber es geht nix und wieder nix. wir sind in den berüchtigten Baixada Fluminense, den nördlichen vororten von Rio. nach einer weltweiten studie der uno is es die gefährlichste gegend der welt. hier tobt ein krieg zwischen polizei und dealern, und ma knallt sich ohne viel zu fragen einfach ab. unter diesen umständen hat niemand zeit für 2 tramper.
so geben wir auf und gehn in die stadt zurück, zum bahnhof. dort steht ein zug nach São Paulo. vor dem bahnsteig aber is die fahrkartenkontrolle, so müssen wir erst unter 2 zügen durchkriechen. mit dem geld für eine cola, vorausgesetzt sie is im zug nich teurer als in einer normalen kneipe, gehn wir ins restaurant, da wir nirgendwo sonst bleiben können. der zug rollt an und der schaffner kommt. bald wird er bei uns sein. wir zahlen schnell und gehn weiter nach hinten, aber er rückt langsam hinterher. alle toiletten sind geschlossen. am ende is der zug aus, wir stellen uns und erzählen vom raub und wie arm wir dran sind. er glaubt uns kein wort und sagt, er muß uns am nächsten bahnhof der polizei übergeben. wir jammern was das zeug hält, sein herz wird weich und er läßt uns im postwagen schlafen. der postwagen is offen und die nacht kalt.
das, find ich, is ein richtiges abenteuer und entscheid mich, abitur zu machen, um die welt zu trampen und gute filme zu drehn, die nix mit reisen zu tun ham.
mein vater is inzwischen trauriger und religiöser geworden, um die schande zu verarbeiten, die wir ihm machen. ihm is es egal, ob ich irgendwo hingeh oder nich, hauptsache, ich besuch die kirche auf dem weg, wenn sonntag is.
einmal tour ich durch Rio Grande do Sul und besuch ein cousin. zum abschied begleitet er mich bis zur raststätte am anfang der landstraße. wir trinken noch ein schnaps. ich bestell ein doppelten und trink ihn wie wasser. das beeindruckt mein cousin sehr. also bestell ich noch ein doppelten und bevor der kellner geht den dritten und vierten. dann hat der von dem hin und her die nase voll und bringt ein bis zum rand mit schnaps gefüllten krug und bleibt stehn. ich kann kein rückzieher mehr machen. später geh ich auf dem bürgersteig und frag mich, wo ich bin. das is nich Erexim, die stadt in der ich grad den schnaps getrunken hab, das is Passo Fundo, 100 kilometer entfernt. wie bin ich hierher gekommen? so oder so: ich muß nach haus, weitere 1000 kilometer. es is finster und ich frag ein passanten nach einer tankstelle zum trampen, versteh die auskunft falsch und geh 15 kilometer in die falsche richtung. dann wieder zurück und 10 in die andre. so geh ich 40 kilometer und wach nur auf wenn ein auto vorbei fährt oder ich auf die parkspur tret. alles in mir hat geschlafen, nur die beine ham überstunden gemacht.
häufig bin ich 2 oder 3 nächte ohne schlaf. nich ganz ohne, weil ich im gehn schlaf. wenn ich dann eine straße überquer und es kommt ein auto und hupt, wach ich auf, lächel verlegen und geh ein bissi schneller. bevor ich den andren bürgersteig erreicht hab, bin ich schon wieder eingepennt.
auf mein reisen durch Brasilien leid ich unter chronischem geldmangel, schlaf normalerweise auf parkbänken und in feldern. oft gar nich. die nächte sind ziemlich kalt. die hähne, die mit krähn beginnen und mir hoffnung machen, daß es bald tag wird, helfen mir auch nich. sie fangen verdammt früh an. und dann dauert s sehr lang, bis die ersten sonnenstrahlen meine wärmedurstigen knochen wieder auf trab bringen. in der zeit mach ich auch meine ersten sexuellen erfahrungen. manchmal mit nutten, manchmal mit männern. ma braucht freunde wenn ma blank is, vor allem wenn ma geld für nutten ausgibt. die erfahrungen mit männern gefallen mir nich. männer sind so eine haarige angelegenheit.
oft schlaf ich im knast. ich geh zur polizei und bitt um eine übernachtung. manchmal hau ich den bürgermeister an. ich erzähl, daß ich überfallen worden bin und ob er mir geld für den bus ›leihn‹ könnt. natürlich nehm ich kein bus sondern ess und sauf mal wieder gescheit. das kann ma nur in kleinen städten machen, in denen der bürgermeister mit sich reden läßt.
in São Paulo spiel ich in einer bossa-nova-gruppe. querflöte. auf eim festival ham wir alle runden bis zum finale überstanden. am nächsten tag wird gefeiert. ich komm mit meiner flöte zur stammkneipe, es is noch keiner da, außer eim mädchen, das dafür bekannt is, daß sie mit jedem vögelt. ich frag sie ob sie nich mit mir spazierengehn will. sie will und wir gehn. ich will mit ihr vögeln, nur, wie macht ma das? ich mein, vögeln is leicht, das hab ich schon bei den nutten gelernt. aber wie sag ich ihr das? wir reden ein bissi über das wetter und kommen in ein gewerbegebiet. eine wiese mit hohem gras. naja, nu oder nie. ich schieb sie auf den boden und zieh sie aus. es kommt zum geschlechtsverkehr. und wir probieren alle stellungen. liegend von vorn, liegend von hinten, knieend von vorn, knieend von hinten, auf alle vieren von hinten. auf allen vieren von vorn geht nich, das können nur die leute vom chinesischen nationalzirkus. stehnd geht s auch nich, wir sind direkt an der straße. dauernd kommen autos vorbei. teilweise liegen unsre beine auf dem asphalt, gott sei dank fährt kein auto so weit rechts. zurück zur kneipe. der abend is ziemlich heiß und ich schwitz eimerweise, die freunde lachen mich aus. mir is das ganze doch ein bissi peinlich. peinlicher wird s, als ich merk, daß ich die flöte unter der theke vergessen hab und sie weg is. 2000 mark. ohne meine flöte hat die gruppe das finale nich mehr geschafft.
übrigens, ich weiß nich ob das wort geschlechtsverkehr was mit der einstellung der deutschen zu tun hat, aber mit so eim wort kann s wirklich nix werden.
München. 4 uhr morgens. es is schon ziemlich hell. wolken hängen am horizont. der himmel mittelhellblau, die verirrten wolken dunkelblau. alles blau. die Hasenbergler Wiese sieht aus wie die brasilianische prärie. es könnte aber auch Zaire oder Oklahoma sein. vorher, vorm Holiday Inn, sind 3 japaner in mein taxi gestiegen, einer kann ein bissi englisch. ›we want autobahn.‹ ›which autobahn?‹ ›autobahn. right.‹ ›there are many autobahns. where do you want to go?‹ ›sight-seeing.‹ ›sight-seeing? it is dark. you can’t see anything!‹ ›please, high speed.‹ aaah. alles klar. autobahnrundfahrt, damit sie mal sehn können was tempo is. ich fahr nach norden zum autobahnring und dann nach Rosenheim. sie sind von den 160 sachen fasziniert. schneller geht s nich, es is ein diesel. da wär ein benziner Porsche schon geeigneter. obwohl wir zu viert sind, ein bissi viel für ein Porsche. andrerseits … es sind japaner. ›german autobahn, very good autobahn?‹ ›german car, very good car?‹ ›you think german car better, japanese car better?‹ natürlich sind die japanischen autos besser. ›we are big group. our friends like girls and go to club. we like cars and go to autobahn.‹ na gut, wenn sie meinen. 300 mark in 1 stunde. sie sind zufrieden, ich bin zufrieden. zufriedener als sie. obwohl für sie die taxifahrt bestimmt billiger war als für die andren der puff.
heute sollt ich statt taxi fahren als zivilpolizist in ›Derrick‹ mitspielen. kurz natürlich. ich sollt mit trenchcoat hingehn, aber ich hab kein und bin mit einer langen jacke hin. der regisseur war stinksauer und hat mich weggeschickt. zivilpolizisten müssen ein trenchcoat anham, damit ma sie nich erkennt. bei fernsehregisseuren kommt die logik nich mehr zur geltung als bei philosophen.
zweite änderung 1997: die regeln zum getrennt- oder zusammenschreiben werden abgeschafft. ma schreibt wie ma will. wenneinerwillkanneralleszusammenschreibenaberniemandwirdihnverstehnodersichkaumdiemühegeben. ma könn t die wort e nach ihr en be stand teil en zer leg en, nur: viel bring en tu t s auch nich. warum nich ganz normal weiter schreiben, aber ohne angst, fehler zu machen? klare und schlüssige regeln gibt es sowieso nich. strittig sind meist die verben, die ich persönlich getrennt schreib. zu fuß gehn, rad fahren, auto fahren, ski fahren, kaputt machen, rot färben, weiter machen.
in Curitiba, einer stadt 400 kilometer südlich von São Paulo, lern ich Rou kennen, ein äußerst intelligentdurchblickenden menschen. er zahlt dafür den preis, daß er aussieht als wär sein körper nur da, sein kopf in einer vernünftigen höhe zu halten, damit er mit andren reden kann. er will den exklusivsten club der welt gründen, den club der marxistischchristlichbisexuellen pilzesser. natürlich hat sein marxismus mehr mit der reinen idee zu tun als mit der verstaatlichung der betriebe und gedanken. natürlich is seine christlichkeit mehr eine metaphysische als eine wortgetreue. kein strafender gott, sondern ein gott der in jedem atom vom universum is, ein gott der jedes atom vom universum is. gott is das all und das all is gott. aber wie Fernando Pessoa, der große portugiesische poet, schon sagte, bevor ich s gesagt hab: wenn die blume gott is und der berg auch, warum kann ma denn die blume nich blume nennen und den berg berg?
wir schreiben uns briefe, erst über metaphysisches und später über sprachliches, und so komm ich auf den geschmack der sprache. Rou is bi. auf brasilianisch gilete, weil rasierklingen von beiden seiten zu gebrauchen sind, was bei ihm dann doch nich stimmt, weil er nur von einer seite zu gebrauchen is. wie auch immer, er mag männer. mit fraun kommt er schon zurecht, aber sie sind für ihn nur vorspeise. als hauptspeise muß ein richtiger kerl her. ja ja, so ergeht s vielen brasilianern. aber ich hatt nie was mit ihm.
auch mit Ski nich, den ich später kennenlern. der name Ski steht für esquisito, für fremdartig, komisch. der name is schon richtig bei ihm. er is in der technischen schule, interessiert sich aber hauptsächlich fürs okkulte und musik. schwarze und weisse magie, astrologie, kabbala, germanische mythologie, Wagner und Schönberg. dabei hat er mit Deutschland nix zu tun. wenn er Wagner hört, dann so laut daß ma im zimmer nix mehr sehn kann. der nachbar im untren stock is immer entsetzt, und ich kann ihn gut verstehn. er is jude.
Ski befaßt sich auch mit sprachen und kann gut japanisch, obwohl soviel japanisches blut in ihm fließt wie in mir polynesisches. durch diese 2 freunde fang ich richtig an, mich für sprachen zu interessieren. wir gehn in musikbibliotheken und holen uns bücher über sprachen wie tibetanisch oder tschechisch, setzen uns in die kabine und hören Bach oder Hindemith dazu. wir lesen auch über künstliche sprachen und beginnen an ihnen zu basteln. zuerst gemeinsam, dann er an seiner und ich an meiner. seine is schrecklich kompliziert und dient nur dem spaß, wörter zu erfinden, die er schön findet. ich bin da eher praktisch und will eine sprache kreieren, die wirklich jeder sprechen kann. sie sollte so leicht wie möglich sein. eine künstliche sprache würde das problem lösen.
1 million leute sprechen angeblich esperanto. is natürlich nich viel, und die chance, daß ma am münchner hauptbahnhof eim menschen eine frage auf esperanto stellt und eine antwort auf esperanto kriegt, is wahrscheinlich kleiner als eine auf persisch zu bekommen. die zahl der anhänger stagniert schon seit mehreren jahrzehnten. am anfang des jahrhunderts hat sie ein großen boom erlebt, vielleicht weil es eine übergangszeit war. das französische kam allmählich runter, das englische war noch nich richtig oben. heutzutage sagen sich die leute: warum soll ich eine sprache lernen, die kaum einer spricht? und viel internationaler als esperanto is doch englisch, also lern ich englisch. andre lernen französisch oder spanisch oder was auch immer, weil sie die sprache in mehreren ländern gebrauchen können. was auch nich falsch is. um esperanto zu lernen muß ma ein idealist sein. ma muß denken, daß ma selber ein weltbürger is. viele denken so, und trotzdem wollen sie kein esperanto lernen. ich nehm s ihnen nich übel. nur wenn du sprachlich was tun willst, kannst du esperanto lernen. geht ganz schnell und ma lernt viele wörter, die ma beim erlernen einer andren romanischen sprache gut gebrauchen kann.
sie is leichter als jede europäische sprache und als die meisten sprachen der welt. viele wörter sind leicht zu erkennen: tablo, skribmaŝino, papero, kafo, cigareto, lando. auf la papero kann ma skribi, la kafo kann ma trinki, la cigareto kann ma fumi. oder dagegen protesti, daß si fumanta wird. in manchen landoj mehr als in andren. französisch und lateinisch sind am meisten vertreten, dann englisch, deutsch und ein paar wörter polnisch, spanisch, griechisch.
ein grund, warum esperanto nich so richtig greift, liegt in der schreibweise und in der grammatik. obwohl die schreibweise 100 prozent regelmäßig is, hat sie zeichen, die jeden lernenden gleich am anfang abschrecken, wie zum beispielĉ für tsch. und wenn im esperanto das substantiv im plural is, muß das adjektiv auch im plural sein. es gibt ein akkusativ mit n und der plural is mit j: la ruĝaj katoj manĝis la grandan hundon kaj la blankajnĉevalojn. die roten katzen aßen den großen hund und die weißen pferde. für die deutschen kein problem, aber die engländer sagen nich: the reds cats ate the bigs dogs and the whites horses. dabei könnte s wie im ido, eim verbesserten esperanto, heißen: la ruja kati manjis la granda hundo e la blanka kavali.
ein andres problem, das sehr viel kritik auf sich gezogen hat, is die starke logik im wortaufbau, wodurch die natürlichkeit verlorengeht. malgranda heißt klein, malvarma kalt. die vorsilbe mal steht für das gegensätzliche. sana heißt gesund, malsana krank, ul ein mensch, also malsanulo is ein kranker mensch, ej steht für platz, stelle. so kommt s zum wort malsanulejo, platz für ungesunde leute, krankenhaus. im ido, dem verbesserten esperanto, heißt s hospitalo. kritik wird s immer geben, ich selbst find sie phonetisch nich schön, aber es is eine sehr ausdrucksreiche sprache, vielleicht ausdrucksreicher als jede andre sprache. ich will mein honig zu diesem hilfssprachenbrei geben und erfind dau. es is moderner, einfacher und lautmalerischer: mi go siti – ich geh in die stadt / mi doitx (ausgesprochen deutsch) … ich bin deutsche(r) / tu ha tiktak? – hast du/ham sie eine uhr?
die 2 letzten jahre vor dem abitur verbring ich in der zweitschlechtesten schule von São Paulo. ma kann dort sehr wenig lernen, dafür is es ziemlich unmöglich durchzufallen. am besten is, ma kommt nich zur prüfung. dann denkt der lehrer, daß eim was schlimmes passiert sein muß und gibt eim eine note, mit der ma leben kann. uns fragt eine lehrerin: ›leute, jedesmal wenn wir die anwesenheitsliste durchgehn, verschwenden wir 10 minuten des unterrichts. ich schlag vor, daß wir sie weglassen und ich meld euch alle als anwesend.‹ wir überlegen uns die sache gut und stimmen dann zu. danach lernen wir 15 prozent mehr, aber wieviel is 15 prozent von null? die türen sind immer offen, ma kann raus- und reingehn. ich komm 2 mal zum sportunterricht, bin besoffen und mach so ein wirbel, daß die andren schüler nur lachen und sich nich konzentrieren können. der lehrer schlägt mir vor, dem unterricht für immer fernzubleiben, natürlich führt er mich als anwesend und die note wird schon stimmen. wenn das das beste für die schule is, werd ich mich opfern. die frage des jahres kommt in der geografieprüfung. es is grad fußballweltmeisterschaft, Brasilien gegen Holland. die frage lautet: heute abend wollen wir, daß … gewinnt.
in mein taxi steigen 2 brasilianerinnen ein. sie reden von männern, die sie schon vernascht ham und von männern, die sie noch vernaschen wollen. das niveau is nich sehr hoch, der ein oder andre typ sollte manche teile besser waschen, um ihre nasen nich in mitleidenschaft zu ziehn. das was ich hier sag is natürlich eine gemilderte version. am ende der fahrt frag ich, ob ich rechts oder links fahren soll – auf brasilianisch. sie wollen ihre gesichter in der tasche verstecken, aber die taschen sind zu klein.
achterbahn – zug für 8 personen
album – explosion des ganzen
argwohn – asylantenunterkunft
auspuff – bordell geschlossen
dilemma – andre schreibweise für kleine schafe
einwandfrei – haus mit nur 3 wänden
erdkunde – landkäufer
fassade – nie wieder saufen
feldherr – mann auf der wiese
fiskus – bösartiges knutschen
geistesabwesenheit – gespenstermangel
golfstrom – deutsche autobahn
insekt – modischer schaumwein
katastrophe – gedichtet am tag nach dem rausch
mißverständnis – die schönste psychologin
minimum – kleiner mut
nähmaschine – gerät das die arbeit verweigert
ohrfeige – mensch der sich vor leuten mit großen ohren fürchtet
pomade – arschwurm
saxophon – fernsprechgerät in Sachsen; im übertragenen sinne: gerät von schlechter qualität
schlafrock – sehr langweilige musik
grüner star – Joschka Fischer
stereotyp – kerl der auf beiden seiten hört
steuerknüppel – waffe zur zwangseintreibung von abgaben
stuhlgang – bande die auf den raub von sitzmöbeln spezialisiert is
taifun – spaß in Bangkok
ungar – roh
willkommen – kommt aber nich
zufall – wenn der fallschirm nich aufgeht
1998: das ß wird durch ss oder sz ersetzt. meist durch ss: bass, fass, heiss. nur wenn der vokal davor lang is, wird s durch sz ersetzt: grosz, masz, schosz. er schoss auf den schosz. busse sind kein guter ort, um busze zu tun. das und daß werden das.
mit 15 tramp ich nach Argentinien, Chile und Uruguay.
Argentinien, der süden Brasiliens, Uruguay und Chile bilden das europäische Südamerika. Argentinien war eines der reichsten länder der welt, die oper in Buenos Aires war bereits zu beginn des jahrhunderts weltbekannt, schon damals hatten sie eine u-bahn. heute noch hat Argentinien mehr ärzte pro einwohner als fast jedes land der welt. in Süd-Südamerika wohnen fast nur weisse, kaum analphabeten, und der fleischkonsum is sehr hoch. in Buenos Aires sind um 2 uhr morgens mehr leute auf der strasze als in München um 5 uhr abends. Argentinien und Chile können heiss wie die Sahara und kalt wie Skandinavien sein.
um meine reisen zu finanzieren, muss ich zwischendurch arbeiten. mit 15 in eim reisebüro, mit 16 in einer baufirma. eines tages kommen 3 typen reingerannt, die ham kleine pistolen und grosze augen. sie wollen unser geld, ob das ein scherz is? naja, lieber gehorchen. ich hab 100 mark in der hosen- und 10 mark in der jackentasche. ich geb ihnen 10 mark, vielleicht sind sie so zufrieden. jeder legt sein geld auf die theke und ich hoff, das sie mich nich durchsuchen, sonst könnten sie böse werden. sie wühlen die schubladen durch, nur eine nich. es is zahltag und grad in dieser liegen die gehälter von 200 arbeitern. sie gehn mit dem boss zum safe, da is auch nich viel zu holen. wir werden alle in die rumpelkammer gepresst und es wird eng, weil grad so viele besucher da sind. die räuber haun ab, fahren zu schnell, fallen einer streife auf und werden verfolgt. bei der schieszerei wird einer abgeknallt und 2 verhaftet.
danach arbeit ich als einkäufer, als interviewer für ein umfrageinstitut, als enzyklopädienverkäufer und geb mehr geld aus als ich verdien. trotzdem: ich will von Brasilien nach Brasilien, über die andre seite. mal sehn, ob die erde wirklich rund is.
von São Paulo bis Campo Grande, circa 1000 kilometer, sind die straszen gut, von Campo Grande bis zur grenze nach Bolivien verkommen sie zu trampelpfaden. von der grenze bis nach Santa Cruz de la Sierra gibt s keine strasze, es bleibt eim nix andres übrig als mit dem zug zu fahren. kein groszer luxus. eine unmenge koffer, kisten, säcke, hühner und leute. da muss ma schon die augen offen halten, das eim kein kind oder schwein auf den nacken pieselt. die geruchslandschaft is überwältigend. am besten ma reist auf dem dach. da is zwar auch fast alles besetzt, aber ma atmet frische luft.
ab Santa Cruz geht s mit trampen weiter. ich schlaf einmal pro woche in eim hotel, um mich zu waschen. sonst bleib ich auf der strasze. Bolivien is wie eine treppe, je weiter westlich desto höher. Santa Cruz liegt ganz unten im sumpf, Cochabamba in der mittelstufe und La Paz ganz oben, höher als die Zugspitze. trampen is hier etwas kompliziert. die wenigen pkws halten nich an. die lkws halten an, wollen aber kohle fürs mitnehmen. ja und was soll ich nu machen? wenn ich zahl, auch wenn s nich viel is, is das kein trampen mehr. also halt ich die laster an, frag die fahrer ob sie mich umsonst mitnehmen. manche sagen ja, manche sagen nein. ich reg mich nich auf wenn sie nein sagen. sie runden so ihren verdienst auf. und wenn sie mich bevorzugen, könnten die andren fahrgäste motzen. manchmal lässt ma mich im cockpit fahren, manchmal auf der ladefläche. mir is hinten viel lieber, weil ich meist müde bin. oft bin ich kurz vorm einschlafen und muss den fahrer unterhalten, wenn ich vorn sitz. in Bolivien glauben viele brummifahrer, das müdigkeit übertragbar is. wenn der beifahrer einschläft, schläft der fahrer auch gleich ein. es hat eine gewisse logik, der fahrer hat niemand mehr, mit dem er reden kann. aber diese fahrer glauben, das schlaf so ansteckend is wie grippe.
die dörfer hier sind ziemlich arm. manchmal trifft ma touristen, die sprechen von diesen dörfern als wär s Südamerika. ja ja, Südamerika is sehr primitiv. sie könnten nach Buenos Aires oder nach São Paulo gehn, das interessiert sie aber nich. ich könnt auch sagen, in Europa gibt s nix als not. die armut, die da herrscht, is bedrückend. im winter wird s saukalt und die heizung geht nie. es gibt überhaupt nix. kein brot, kein fleisch, kein bier, und wenn dir die streichhölzer ausgehn, musst du eine halbe stunde anstehn. auch ausgebildete leute verdienen ein hungerlohn, aber das is nich so schlimm, weil Europa billig is und es sowieso nix zu kaufen gibt. die tatsache, das ma nach Europa kommt, heisst noch lange nich, das ma in Paris oder Berlin landet. ma kann auch im osten oder im süden landen. ma kann dann über Europa reden wie die europäer über Südamerika, wenn sie in ein Andenland fliegen und daheim erzählen, wie s in Südamerika is. dabei is der unterschied zwischen Argentinien und manchen Andenländern gröszer als zwischen der Schweiz und Albanien.
die landschaft wird immer schöner, und ich bin immer weniger begeistert, hinten zu reisen. es geht bergauf, bergauf und bergauf und es wird fürchterlich kalt. für die nase is es auch kein genuss, oft sind die brummis mit fisch beladen. ich komm so weit hoch, das hunde und kühe pelze ham, wie sehr wollige schafe. dann fährt ma stundenlang auf einer nieendenwollenden hochebene, mit schneebedeckten gipfeln am horizont, und plötzlich kommt ma an ein riesenkrater, der aussieht, als wär ein meteorit eingeschlagen. unten in dem loch liegt La Paz, die höchste hauptstadt der welt.
La Paz bedeutet frieden, leider gab s nich sehr viel paz in La Paz. nich, das ma ständig krieg gegen andre länder führen würde. die bolivianer machen das ungern, sie ham an Paraguay ein gutes stück land verloren und an Chile den zugang zum meer. wie so oft in Lateinamerika werden die kriege nich zwischen den ländern geführt sondern intern. die mächtigen gegen die bevölkerung oder ein paar mächtige gegen andre mächtige. meistens gewinnen die, die die CIA auf ihrer seite ham. so hat Bolivien seit der unabhängigkeit 1825 im schnitt mehr als ein präsidenten pro jahr, obwohl jeder 4 jahre bleiben sollte. wahrscheinlich hat kein andres land so viele präsidenten gehabt. gute republik. viele präsidenten.
Peru. ich besuch Cuzco und Machu Picchu. Machu Picchu is die groszartigste inkaruine die ma kennt. sie liegt auf eim spitzen berg und is ein guter platz um selbstmord zu verüben. die klippen sind steil, der tod garantiert und die landschaft is groszartig. ganz im gegensatz zum trampen. einmal muss ich 3 tage hinten auf eim lkw reisen, ma fühlt sich wie in einer tiefkühltruhe mit mehreren ventilatoren. der lkw is mit kakao beladen, also ess ich 3 tage lang kakaonüsse. die schmecken wie schokolade ohne zucker. nix halbbitter, sondern ganz ohne zucker. auf dem lkw kann ma sich nich gegen den wind schützen. gott sei dank fährt er selten schnell, weil die strasze so schlecht is.
auf dieser reise merk ich bald, das leute enttäuscht sind, wenn ich sag das ich brasilianer bin. is ja langweilig, der is vom nachbarland und wird nich einmal reich sein wie die richtigen gringos. sie wollen leute von weit her, aus den USA, aus Europa oder so. also sag ich, das ich deutscher bin. mir fällt sonst nix ein. ich könnt sagen das ich russe bin, aber dann denken sie noch ich wär ein spion. oder amerikaner. eine menge leute könnten allerdings feststellen, das mein englisch nich original is. das es mit meim deutsch nich stimmt, können nur die deutschen feststellen. es dauert nich lange und schon fragt mich ein peruaner, ob ich im krieg war. ›in was für eim krieg‹, frag ich. ›im zweiten weltkrieg, natürlich.‹ ich bin 17 jahre alt, mit dem gesicht eines 14jährigen. wie kann ich im zweiten weltkrieg mitgemacht ham? ›tja, du bist deutscher …‹ das kommt oft vor und irgendwann lass ich mir eine antwort einfallen, die dem niveau der frage entspricht. ›hast du im krieg mitgemacht?‹ ›in welchem krieg?‹ ›im zweiten weltkrieg.‹ ›nein, nein. nur im ersten. im zweiten war ich zu alt.‹
überall auf dem Altiplano wird koka verkauft. das erste mal, als ich auf dem markt den schrei ›koka, koka!‹ hör, bin ich schon ein bissi schockiert. die kokablätter werden in groszen säcken angeboten, kiloweise. ich muss es ausprobieren und geh zu eim verkäufer. ich hoff das mich nich grad die geheimpolizei überwacht. ich kauf 1 kilo kokablätter und fang mit der kauerei an. eine ziemlich mühsame sache. ich kau, kau und kau und es tut sich nix. es soll wach halten, aber müde wie ich bin, hab ich keine chance, die wirkung festzustellen.
an der küste im norden bestehn die städtchen nur aus villen. irgendwo müsste es auch normale häuser oder hütten geben, ich seh sie aber nich. ich erreich Quito und fahr gleich weiter nach Guayaquil. während der reise ess ich zuviel krimskrams: warme milch direkt von einer kuh, avocados, karotten, die ich auf den feldern klau, krabbenkroketten, kartoffelkroketten, fleischtaschen, melonen, chicha (ein undefinierbarer rosa trunk), kaffee, bier, reis mit gulasch. am abend im Guayaquil geht s mir schlecht. verdammt schlecht. ich such ein klo, das gibt s in Guayaquil nich. die bars und restaurants ham angeblich keine, öffentliche kann ich beim besten willen nich finden. in hotels lässt ma mich nich rein, ausser ich nehm ein zimmer. absolute verzweiflung. am schluss steh ich vor der alternative: scheissen oder sterben. auf einer groszen breiten strasze is eine verkehrsinsel mit einer hecke, die 30 oder 40 zentimeter hoch is. da kann ich nix verstecken, aber meine lage is nich mehr tragbar. ich spiel vabanque und erleichter mich um ein paar kilo. leute bleiben stehn und schaun zu mir her, darunter 2 polizisten. die kommen rüber und fragen was ich mach. ›scheissen!‹ selbstverständlich verweisen sie mich darauf, das diese verkehrsinsel kein scheissort is. ›wo bitte, is ein scheissort?‹ das wissen sie so wenig wie ich und lassen mich in ruh. ich find, der ganze ort is ein scheissort.
von Guayaquil fahr ich die küste nach norden, bis ich in eim kaff ankomm, das ma Esmeralda nennt. die grosze mehrheit der bevölkerung is afrikanischer abstammung und das nachtleben hat was zu bieten. ich such ein hotel, aber entweder sind sie zu teuer oder vollbesetzt. es bleibt mir nix andres übrig als am strand zu schlafen. ich frag noch ein passanten, ob s in der nähe ein hotel gibt. er kennt kein hotel, dafür aber das marinegebäude. die leute sind okay und vielleicht lassen sie mich da übernachten. vor dem tor sitzen ein paar marinierte, ich überleg kurz und entscheid mich, nich zu fragen und doch am strand zu schlafen. ich such ein eck und leg mich hin. es promenieren noch immer viele leute, so is es zum schlafen ungünstig. nach einer weile geh ich in ein strandrestaurant, bestell mir ein bier und wart ab bis sich das ganze beruhigt.
im restaurant sind nur 2 personen, der kellner und ich. wir unterhalten uns ein bissi und er bietet mir an, im restaurant zu schlafen. die langen bänke sind nich so weich wie der sand, aber dafür nich so sandig. und das ganze is auf alle fälle sichrer, da er die ganze nacht wach bleiben muss. ich schlaf wie ein müder baum. am nächsten tag wach ich auf und merk bald, das alles was etwas wert is aus meim rucksack verschwunden is. ich will den kellner rufen, der is auch verschwunden. viel zu klaun gab s nich, aber die flöte und der fotoapparat sind weg. die flöte hat mein vater versichern lassen. meine cash-reserve war so gut versteckt, das der dieb sie nich gefunden hat.
also zur polizei, dann zum wirt. der wirt erzählt, das der kellner vor 2 wochen aus dem knast gekommen is. der wirt wollte ihm zu eim ehrlichen leben verhelfen. eigentlich hab ich glück gehabt, das ich nich aufgewacht bin: der kellner hat nich nur mich sondern auch das restaurant um einiges erleichtert, pistole inklusive.
ich schick den wisch von der polizei nach Brasilien und muss in Ecuador warten, bis das geld für eine neue flöte kommt. also fahr ich zurück nach Quito. beim trampen nimmt mich ein amerikanisches ehepaar mit. sie laden mich ein, bei ihnen in ihrer riesenvilla zu bleiben. der garten is fast so grosz wie der Schwarzwald, wenn du mir diese übertreibung erlaubst. ich krieg ein schlafzimmer, das einer halle gleicht. im bett wär noch platz für 10 fraun. eine bar mit allem nur denkbaren gesöff is auch dabei, am vorhang eine glocke mit der ich die putzfrau oder den butler rufen kann. das essen is immer ein bankett. manchmal is es langweilig in meim zimmer, da geh ich runter um mir was zu essen zu holen oder mit den gastgebern zu plaudern. in u-hosen und hausschuhn treff ich ein botschafter oder den direktor von United Fruits. hallo wie geht s? und die geschäfte? das ganze hat nur ein haken: meine gastgeber sind so rechtsradikal, das einer von der csu sie nich einmal mit dem fernglas sehn könnt, so weit rechts sind die. nich das sie was gegen türken hätten oder dergleichen. die türken lassen sie völlig kalt. nein, sie sind sektiererische kapitalisten. nich nur, das sie gute geschäfte mit holz im ecuadorianischen dschungel machen, sie gehören zu einer atheistischen sekte, die den kapitalismus als moral und letzte instanz ansieht. sie ham broschüren wie die Zeugen Jehovas und sind der meinung, das es überall eine kommunistische infiltration gibt: Kennedy, Johnson, Nixon – alles eingefleischte kommunisten.
naja, das leben is schön in diesem haus, ich geniesz die guten seiten und halt mich zurück mit meiner meinung. aber die streitereien werden häufiger und unangenehmer, also geh ich. vom unglück im reichtum zum unglück in der armut. in der studentenstadt werd ich ein freund von Ramón und zieh in sein zimmer ein. ich schlaf am boden. ma darf bei freunden natürlich nich wohnen, wenn ma nix zahlt, aber was soll s.
essen tu ich in der küche. leider hab ich keine gutscheine. so muss ich mich mit dem personal anfreunden. ich krieg kein normales gericht, sondern das was in den töpfen bleibt. ich ess viel wenn viel da is, wenig wenn wenig übrigbleibt. einmal ess ich 2 kilo fruchtsalat. danach trink ich bei eim bekannten 2 liter starken schwarzen kaffee, um das ganze runterzuspülen. danach geht s mir entsprechend. ich geh nich ins detail, vielleicht bist du grad beim frühstück.
Ramón findet mich lustig, meint aber, ich sollt ab und zu duschen. wenn ich spät heimkomm, merkt er das ich da bin, auch wenn er mich nich sehn oder hören kann. das is problematisch. das studentenhaus hat weder bad noch dusche. ma geht zur öffentlichen dusche um die ecke, und die is saukalt. bei lufttemperaturen, die selten über 10 grad liegen, muss ma halt ein ferkel bleiben. zuweilen aber wird der druck der gemeinschaft zu stark und ich geh hin. ein stockwerk höher wohnt Pablo, ein dunkler kleiner typ, der sehr nasal redet und brillen trägt, die so stark sind, das ma meinen könnt, der mensch is bestenfalls blind. mit ihm und seim freund Joaquín, der aussieht wie ein ausgemagerter wikinger, klettern wir auf den Cotopaxi, 6000 meter hoch. wenigstens ham wir die absicht. am zweiten tag sind wir mitten im schnee in einer wolkenbank und wissen nich mehr, wo vorn und hinten is. wir wissen nich, ob der nächste schritt nich in den abgrund führt und verlieren uns aus den augen, schaffen s trotzdem, runter und nach haus zu kommen. am nächsten tag treff ich sie zufällig, sie tun, als wär nix passiert. richtige chaoten sind das.
dann fahren wir in den norden und geraten auf dem rückweg in eine kontrolle. ich hab mein pass nich mitgenommen und es dauert ziemlich lange, bis ich den bullen klarmachen kann, das ich auch ohne pass ein vorbildlicher bürger bin.
in Quito mach ich ein paar übersetzungsarbeiten und werd ein bissi weniger arm. bald kommt das versicherungsgeld aus Brasilien. ich kauf mir eine gebrauchte flöte, ein gebrauchten fotoapparat und will gleich weiter. aber Ramón will mich nich weglassen. er besteht darauf, das ich noch zum bauernhof von sein eltern komm. ich will nich, ich will nich, ich will nix wie weg, am ende überredet er mich doch. diesmal bin ich nich blöd, ich nehm mein pass mit. wir fahren nach Riobamba, in den süden. in eim bus, in dem der fahrer gleichzeitig unternehmer is, verlier ich mein pass. grosze unternehmer sind leicht zu finden, kleine unternehmer gibt s zu hunderten. mein freund weiss natürlich auch nich, was für ein bus das war, aber das is kein problem, da ma sich in passagierlisten eintragen muss. von der liste gibt s eine kopie, das original wird am ersten polizeiposten abgegeben, wenn ma Quito verlässt. die kopie wird am letzten polizeiposten abgegeben, das heisst direkt vor Riobamba. also muss ich nur zum ersten polizeiposten gehn, die liste finden, dann hab ich den unternehmer und seine adresse.