Franz Kafka. 100 Seiten - Oliver Jahraus - E-Book

Franz Kafka. 100 Seiten E-Book

Oliver Jahraus

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Beschreibung

Alles über den großen Literaten und sein einzigartiges Werk Menschen, die den Weg nie finden oder sich in Käfer verwandeln. Menschen, die vergeblich Einlass in ein Gesetz, eine Behörde, ein Dorf suchen – das sind die Helden Franz Kafkas. Ihre Welt erscheint düster und unverständlich, ihr Autor eigenartig und und mindestens ebenso schwierig. Daraus speist sich der Mythos Kafka. Literaturwissenschaftler Oliver Jahraus zeigt Kafka jedoch vor allem als modernen Autor und grandiosen Erzähler: Sein Werk ist eine kritische Diagnose moderner Lebensverhältnisse in Familie und Gesellschaft, eine profunde Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen, mit Macht, mit dem eigenen Judentum – ein beeindruckendes Werk, das in der Weltliteratur ohne Beispiel ist. Ein tolles Geschenk für literarisch Interessierte, die die Texte von Franz Kafka lieben und sich ein Bild über Leben und Wirken dieses außergewöhnlichen Autors machen möchten.

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Seitenzahl: 125

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Oliver Jahraus

Franz Kafka. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2., durchgesehene Auflage

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH nach einem Konzept von zero-media.net

Bildnachweis: siehe Anhang; Autorenfoto: © LMU

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962199-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020706-2

www.reclam.de

Inhalt

Ein Buchgeschenk und ein brieflicher Hilferuf an Dr. Franz Kafka

Kafka lesen

Kafkas Leben: der Mythos und die Bilder, sein Recht zu schreiben und sein Judentum

Kafkas Welt: Beschreibung eines Kampfes um Anerkennung

Wie mit Franz Kafka umgehen?

Lektüretipps

Bildnachweis

Leseprobe aus Stephen King. 100 Seiten

Ein Buchgeschenk und ein brieflicher Hilferuf an Dr. Franz Kafka

Vorsicht mit Buchgeschenken: Sie könnten problematisch sein! Am 10. April 1917 schreibt ein gewisser Dr. Siegfried Wolff einen Brief an den Autor Dr. Franz Kafka. Der Brief zeigt einen gewissen Leidensdruck. Der Schreiber ist um seinen guten Ruf als Mann und Bruder besorgt. Der Brief ist – um das Mindeste zu sagen – ungewöhnlich; man hat ihn lange für einen Jux gehalten, doch er ist echt. Man kann ihn heute noch als Marbacher Faksimile Druck Nr. 43 beim Literaturarchiv Marbach erwerben. Und er sagt zumindest auf indirekte Weise einiges über Kafkas Werk und über den Umgang mit diesem Autor und seinem Werk aus. Dem Brief liegt eine bestimmte Erfahrung mit Kafka, genauer: mit Kafkas Erzählung Die Verwandlung zugrunde, und man könnte sagen, sie dokumentiert eine Begegnung mit dem Kafkaesken und ist doch zugleich selbst eine kafkaeske Erfahrung.

Charlottenburg, 10/4. 17

Sehr geehrter Herr,

Sie haben mich unglücklich gemacht.

Ich habe Ihre Verwandlung gekauft und meiner Kusine geschenkt. Die weiß sich die Geschichte aber nicht zu erklären.

Meine Kusine hats ihrer Mutter gegeben, die weiß auch keine Erklärung.

Die Mutter hat das Buch meiner anderen Kusine gegeben und die hat auch keine Erklärung.

Nun haben sie an mich geschrieben. Ich soll Ihnen die Geschichte erklären. Weil ich der Doctor der Familie wäre. Aber ich bin ratlos.

Herr! Ich habe Monate hindurch im Schützengraben mich mit dem Russen herumgehauen und nicht mit der Wimper gezuckt. Wenn aber mein Renommee bei meinen Kusinen zum Teufel ginge, das ertrüg ich nicht.

Nur Sie können mir helfen. Sie müssen es; denn Sie haben mir die Suppe eingebrockt. Also bitte sagen Sie mir, was meine Kusine sich bei der Verwandlung zu denken hat.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Dr Siegfried Wolff

Man weiß mittlerweile einiges über den Autor dieses Briefes, der tatsächlich Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen ist, in den Staatswissenschaften (man könnte auch sagen: in Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre) promoviert und später in Führungspositionen bei Banken gearbeitet hat.

Dr. Siegfried Wolff macht eine Erfahrung, die Kafka selbst hätte erfinden können: Ein Buchgeschenk, sicherlich als nette Geste gemeint, erweist (›verwandelt‹) sich in ein soziales Desaster. Dr. Wolff fordert Kafka in seinem Brief rundheraus auf, ihm zu helfen, wieder aus dieser peinlichen Sackgasse herauszufinden. Er will wie auch vielleicht viele andere Leser und Leserinnen wissen, was man sich bei der Verwandlung zu denken hat. Wie schade, dass man nicht weiß, was Kafka geantwortet hat, ja, ob er überhaupt geantwortet hat.

Der Brief stammt aus dem Jahr 1917, und er kommt aus Berlin. Ist das wichtig? Vielleicht schon. 1908 hatte Kafka sein Studium und seine Berufsvorbereitung bzw. sein gerichtspraktisches Jahr abgeschlossen. Max Brod liest in dieser Zeit entstandene erste Texte von Kafka im Freundeskreis vor. Diese waren noch sehr expressionistisch, wie zu dieser Zeit üblich (der Expressionismus war damals eine maßgebliche Strömung der neuesten Literatur).

Kafka und Max Brod verband eine lebenslange Freundschaft. Ohne diese Freundschaft, ohne Brod, könnte man viele Texte Kafkas heute nicht lesen, ja, man würde vielleicht nur einen Autor Kafka mit sehr schmalem Werk kennen oder vielleicht sich auch gar nicht mehr an ihn erinnern. Brod war selbst Schriftsteller, aber er hat nicht nur erkannt, dass Kafka – anders als er selbst – ein genialer Autor ist, er hat sich auch zeitlebens (über Kafkas Tod 1924 hinaus bis zu seinem eigenen Tod 1968) für Kafka eingesetzt. Er hat Kafkas Texte redigiert und versucht, sie einem größeren Publikum bekannt zu machen. Man ist heute nicht immer glücklich über Brods Eingriffe in Kafkas Texte, doch muss man sich vergegenwärtigen, welchen Zweck er damit verfolgte.

Brod war der Erbe und Nachlassverwalter Kafkas, und als solcher hat er sich auch für Kafkas Werk eingesetzt. Das wird vor allem auch an der Art und Weise deutlich, wie Brod mit Kafkas letztem Willen bezüglich seines Werkes umgegangen ist, denn Kafka hat zwei Testamente hinterlassen: Das erste wurde vermutlich »vor Anfang Oktober 1921« (Tintenzettel) und das zweite etwas mehr als ein Jahr später nach Oktober 1922 (Bleistiftzettel) verfasst. Beide Testamente richten sich an Brod, und beide Testamente beziehen sich auf Kafkas Literatur, es sind literarische Testamente. Im ersten Testament, dem sogenannten »Tintenzettel«, heißt es:

Liebster Max, meine letzte Bitte: Alles, was sich in meinem Nachlaß (also im Bücherkasten, Wäscheschrank, Schreibtisch zuhause und im Bureau, oder wohin sonst irgendetwas vertragen worden sein sollte und Dir auffällt) an Tagebüchern, Manuskripten, Briefen, fremden und eignen, gezeichnetem und so weiter findet, restlos und ungelesen zu verbrennen, ebenso alles Geschriebene und Gezeichnete, das Du oder andre, die Du in meinem Namen darum bitten sollst, haben. Briefe, die man Dir nicht übergeben will, soll man wenigstens selbst zu verbrennen sich verpflichten. Dein Franz Kafka.

Das zweite Testament richtet sich nicht allein auf den handschriftlichen Nachlass, sondern auf alles Geschriebene, auch das schon Gedruckte:

Von allem, was ich geschrieben habe, gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt und die Erzählung Hungerkünstler. (Die paar Exemplare der »Betrachtung« mögen bleiben, ich will niemandem die Mühe des Einstampfens machen, aber neu gedruckt darf nichts werden.) Wenn ich sage, dass jene 5 Bücher und die Erzählung gelten, so meine ich damit nicht, dass ich den Wunsch habe, sie mögen neu gedruckt und künftigen Zeiten überliefert werden, im Gegenteil, sollten sie ganz verloren gehn, entspricht dieses meinem eigentlichen Wunsch. Nur hindere ich, da sie schon einmal da sind, niemanden daran, sie zu erhalten, wenn er dazu Lust hat. Dagegen ist alles, was sonst an Geschriebenen von mir vorliegt (in Zeitschriften Gedrucktes, im Manuskript oder in Briefen) ausnahmslos, soweit es erreichbar oder durch Bitten von den Adressaten zu erhalten ist … – alles dieses ist ausnahmslos zu verbrennen, und dies möglichst bald zu tun bitte ich Dich, Franz.

Und das Interessanteste an den Testamenten ist ihr Adressat. Denn Kafka konnte so vor sich selbst seine Skrupel und seine Selbstzweifel zum Ausdruck bringen, aber gleichzeitig konnte er sich auch sehr sicher sein, dass gerade Brod seiner, Kafkas, Bitte eben nicht nachkommen werde und seinen Nachlass und sein Werk nicht vernichten, sondern vielmehr retten würde.

Kafka mit Hund

Von solchen Selbstzweifeln wie Kafka wurde Franz Werfel nicht angegriffen. Er war mit 18 Jahren schon Mitglied im Prager Kreis, einer Vereinigung von Literaten, zu der man auch Kafka rechnen darf. Werfel urteilt vorlaut, altklug und überscharf über diese frühen Werke: »Das kommt nie über Tetschen-Bodenbach hinaus«, also über eine Grenzstation zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich, gar nicht so weit von Prag entfernt. Werfel also meint: Kafka wird den Sprung in den deutschen Literaturmarkt nicht schaffen. 1917 hatte er es dann offensichtlich doch geschafft.

Vielleicht darf man diese Zurückhaltung auch nicht überbewerten, denn tatsächlich waren Kafka und sein Werk auch zum Zeitpunkt seines Todes am 3. Juni 1924 noch relativ unbekannt. Für die Nachwelt zeichnete seine Freundin Milena Jesenská in ihrem Nachruf vom 5. Juni 1924 ein bemerkenswertes Bild, das bis heute Wirkung zeigt.

Vorgestern starb im Sanatorium Kierling in Klosterneuburg bei Wien Dr. Franz Kafka, ein deutscher Schriftsteller, der in Prag gelebt hat. Es kannten ihn hier nur wenige, denn er war ein Einsiedler, ein wissender, vom Leben erschreckter Mensch. Er litt bereits jahrelang an einer Lungenkrankheit, und obwohl er sie behandeln ließ, hat er sie doch auch bewusst gehegt und geistig gefördert. »Wenn die Seele und das Herz die Bürde nicht mehr ertragen, dann nimmt die Lunge die Hälfte auf sich, damit die Last wenigstens einigermaßen gleichmäßig verteilt sei«, schrieb er einmal in einem Brief, und so verhielt es sich auch mit seiner Krankheit. Sie verlieh ihm ein ans Wunderbare grenzendes Feingefühl und eine geistige Lauterkeit, die bis zum Grauenerregen kompromisslos war; und umgekehrt war er es, der Mensch, der seiner Krankheit die ganze Last seiner geistigen Lebensangst auflud. Er war scheu, ängstlich, sanft und gut, aber die Bücher, die er schrieb, waren grausam und schmerzhaft. Er sah die Welt voll von unsichtbaren Dämonen, die den schutzlosen Menschen bekämpfen und vernichten. Er war zu klarsichtig, zu weise, um leben zu können, und zu schwach, um zu kämpfen: aber das war die Schwachheit der edlen, schönen Menschen, die zum Kampf gegen die Angst, gegen Missverständnisse, Lieblosigkeit und geistig Unwahres nicht fähig sind, die von vornherein um ihre Ohnmacht wissen, sich unterwerfen und so den Sieger beschämen. Er verfügte über eine Menschenkenntnis, wie sie nur den einsam Lebenden gegeben ist, deren hochgradig empfindliche Nerven schon an einem bloßen Mienenspiel den ganzen Menschen hellseherisch erfassen. Seine Kenntnis der Welt war außergewöhnlich und tief. Er selbst war eine außergewöhnliche und tiefe Welt. Er schrieb die bedeutendsten Bücher der jungen deutschen Literatur. Sie enthalten, in untendenziöser Form, den Kampf der Generationen in der heutigen Zeit. Sie haben die trockene Ironie und das empfindsame Sehertum eines Menschen, der die Welt in einer so überdeutlichen Helle erschaute, dass er es nicht zu ertragen vermochte und sterben musste; denn er wollte keine Zugeständnisse machen, um sich wie die anderen in irgendwelche wenn auch noch so edle intellektuelle Irrtümer zu retten. Dr. Franz Kafka schrieb das Fragment »Der Heizer« (tschechisch erschienen in Neumanns »Červen«); es bildet das erste Kapitel eines schönen, bisher noch unveröffentlichten Romans. »Das Urteil«, in dem der Konflikt zweier Generationen gestaltet ist. »Die Verwandlung«, das stärkste Buch der modernen deutschen Literatur. »Die Strafkolonie« und die Skizzen »Betrachtung« und »Landarzt«. Der letzte Roman, »Vor dem Gericht«, liegt schon seit Jahren druckfertig im Manuskript vor; er gehört zu jenen Büchern, deren Lektüre einen dermaßen weltumfassenden Eindruck hinterlässt, dass jeder Kommentar überflüssig wird. Alle seine Werke schildern das Grauen geheimnisvoller Missverständnisse und unverschuldeter Schuld bei den Menschen. Er war ein Mensch und Künstler von so skrupulösem Gewissen, dass er auch dort noch wachsam blieb, wo die anderen, die Tauben, sich bereits sicher fühlten.

Nachruf auf Kafka von Milena Jesenská, abgedruckt in dertschechischen Tageszeitung Národní Listy vom 6. Juni 1924

Doch zurück zu Herrn Dr. Wolff. Was hatte seine Kusine nicht verstanden? Die Verwandlung erzählt von einem jungen Mann, Gregor Samsa, der sich über Nacht, nach »unruhigen Träumen«, »zu einem ungeheuren Ungeziefer« verwandelt vorfindet. Gregor ist der Alleinverdiener in der Familie, die eine geräumige Wohnung bewohnt. Ihr Grundriss ähnelt dem der tatsächlichen Wohnung der Familie Kafka zu jener Zeit in der Prager Niklasstraße mit Blick über die Moldau.

Wegen seiner Verwandlung kann Gregor jedoch nicht mehr seinem Beruf nachgehen. Der Prokurist seiner Firma kommt, um Gregor aufzufordern, endlich zur Arbeit zu erscheinen. Doch er flieht, als er Gregor als Ungeziefer erblickt.

Auch in seiner Familie verliert er jeden Rückhalt und jede Solidarität. Es ist der Vater, der ihn mit dem Wurf eines Apfels, der in Gregors Panzer stecken bleibt und sich dort entzündet, tötet: Gregor wird dadurch so schwer verletzt, dass er schließlich an dieser Verletzung sterben wird. Dabei sucht Gregor doch nur die Nähe der Familie außerhalb seines Zimmers, in dem er nach der Verwandlung eingesperrt leben muss.

Doch auch seine Schwester, der er geradezu inzestuös zugetan ist, nimmt eine immer größere Distanz ihm gegenüber ein, bis sie ihn am Ende auch nicht mehr als Person und Bruder (›er‹) anerkennt, sondern Gregor – das Ungeziefer – nur noch als »es« bezeichnet, das man loswerden müsse. Gegen die anfänglichen Zweifel vor allem der Mutter besteht sie darauf, dass die Familie »den Gedanken loszuwerden suchen« muss, »daß es Gregor ist«. Am Ende kümmert sich die Haushaltshilfe darum, »wie das Zeug von nebenan weggeschafft werden soll«, und entsorgt Gregor wie ein Stück Müll.

Natürlich bezieht sich der Titel der Erzählung auf Gregors Verwandlung, doch tatsächlich verwandelt sich im Verlauf des Textes die gesamte Familie. Nachdem sie von der psychischen Last des verwandelten Sohnes befreit ist, befreit sie sich auch von anderen sozialen Verpflichtungen: Sie kündigt den drei Zimmerherren, ihren Untermietern, sie kündigt der Bedienerin, schon zuvor hatte der Vater selbst wieder Arbeit gefunden, er kann nun auch körpersprachlich ganz anders auftreten. Vor allem aber hat sich die Tochter und Schwester gewandelt: Sie ist zu einer jungen Frau geworden, für die die Familie »einen braven Mann« suchen will. Die Familie macht nach Gregors Tod und Entsorgung einen Ausflug, auf dem man die gegenwärtige Situation neu einschätzt. Die Ausgangslage hat sich völlig verändert, die »Aussichten für die Zukunft« seien nun »durchaus nicht schlecht«.

Die Erzählung wurde 1915 veröffentlicht, und zwar zuerst in der literarischen Zeitschrift Die weißen Blätter, und dann im selben Jahr als Buch, und zwar als Band 22/23 der relativ neu gegründeten Buchreihe Der jüngste Tag, die fortschrittlich-moderne Literatur zum günstigen Preis bieten wollte. Ein solches Buch musste Dr. Siegfried Wolff gekauft haben. (1918 erschien eine zweite Auflage.)

Geschrieben hatte Kafka diese Erzählung schon 1912. Weil er über seine literarische Produktion in seinem Tagebuch genau ›Buch führt‹ und er auch an seine damalige Verlobte in Berlin, Felice Bauer, der er regelmäßig viele und auch lange Briefe schreibt, darüber berichtet, weiß man sogar ganz genau, wann. Er beginnt mit der Niederschrift am 17. November und beendet die Erzählung am 6. Dezember. Und darin liegt auch ein gravierendes Problem für Kafka zu dieser Zeit, und zwar sowohl was die Niederschrift selbst, als auch was das fertige Produkt angeht; mit beiden war Kafka nicht zufrieden und schon gar nicht glücklich. Vor allem nicht mit dem Ende.

Denn in demselben Herbst, nicht ganz zwei Monate zuvor, hatte Kafka eine andere Geschichte geschrieben, Das Urteil, und zwar in einer einzigen Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 – und das wird für Kafka sehr wichtig werden. Er dokumentiert die Niederschrift am Tag danach in seinem Tagebuch.