Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" - Franz Kugler - E-Book

Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" E-Book

Franz Kugler

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Beschreibung

Franz Kugler verfasste 1840 die Lebensgeschichte des König Friedrich II von Preußen, den man "den Großen" nannte, mit einer ausführlichen, einfühlsamen Darstellung der Brechung seiner Persönlichkeit durch seinen Vater Friedrich Wilhelm I., die dessen Charakter verständlich machen soll. Dieser König war nicht nur wegen seiner kriegerischen Erfolge, sondern vor allem wegen seiner Toleranz und Fürsorge für sein Volk großartig zu nennen. Diese Buchtexte waren damals ein großer Erfolg, zu dem auch die Buchillustrationen durch seinen damals noch unbekannten Freund, den Maler Adolph Menzel, beigetragen haben dürften. In dieser Neuauflage in der heutigen Rechtschreibung werden weitere Bilder aus jenen Jahren hinzugefügt. - Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Seitenzahl: 702

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Franz Kugler

Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz"

Band 147 in der gelben Buchreihe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Franz Kugler

König Friedrich II. von Preußen

Erstes Kapitel – Geburt und Taufe

Zweites Kapitel – Die ersten Jahre der Kindheit

Drittes Kapitel – Die Knabenzeit

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Fünftes Kapitel – Zwiespalt zwischen Vater und Sohn

Sechstes Kapitel – Fluchtversuch

Siebentes Kapitel – Das Gericht

Achtes Kapitel – Die Versöhnung

Neuntes Kapitel – Die Vermählung

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.

Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band „Seemannsschicksale – Begegnungen im Seemannsheim“ weitere. Inzwischen habe ich in der maritimen gelben Buchreihe über 140 Bände verlegt. Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

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Der Autor Franz Kugler

Der Autor Franz Kugler

Geboren am 19.01.1808 in Stettin als drittes Kind des Kaufmanns, Konsuls und Stadtrats Johann Georg Emanuel Kugler und dessen Ehefrau, Sophie Dorotea Eleonora, geb. Sternberg. Er studierte er in Berlin. 1831 wurde er im Fach Kunstgeschichte promoviert. Professor; Mitglied des Dichtervereins „Tunnel über der Spree“; deutscher Kunsthistoriker und Schriftsteller, Zeichner, Radierer, gestorben am 18.03.1858 in Berlin.

1840 verfasste Kugler seine Geschichte Friedrichs des Großen mit einer ausführlichen, einfühlsamen Darstellung der Brechung der Persönlichkeit Friedrich II. durch seinen Vater Friedrich Wilhelm I., die dessen Persönlichkeit verständlich machen soll. Dieses Werk war ein großer Erfolg, zu dem auch die Buchillustrationen durch seinen damals noch unbekannten Freund, den Maler Adolph Menzel, beigetragen haben dürften.

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König Friedrich II. von Preußen

König Friedrich II. von Preußen

ttps://www.projekt-gutenberg.org/kugler/fritz2/fritz2.html

(Siehe auch die Bände 139 und 148 dieser gelben Buchreihe)

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Erstes Kapitel – Geburt und Taufe

Erstes Kapitel – Geburt und Taufe

Friedrich, den seine Zeitgenossen den Großen genannt haben und den die Nachwelt ebenso nennt, wurde am 24. Januar 1712 im königlichen Schlosse zu Berlin geboren. Mit großer Freude wurde seine Erscheinung begrüßt, denn die Hoffnungen der königlichen Familie beruhten auf ihm.

König Friedrich I.

Noch saß der Großvater des Neugeborenen, König Friedrich I., auf dem preußischen Throne; aber er hatte nur einen Sohn, Friedrich Wilhelm, und diesem waren bereits zwei Söhne bald nach ihrer Geburt gestorben; blieb Friedrich Wilhelm ohne männliche Nachkommen, so musste die Krone auf eine Seitenlinie des königlichen Hauses übergehen. Es wird erzählt, die frohe Nachricht sei dem Könige gerade zur Mittagsstunde, eben als die Zeremonien der Tafel beginnen sollten, überbracht worden; augenblicklich habe er die Tafel verlassen, der hohen Wöchnerin in eigener Person seine Freude zu bezeugen und den einstigen Erben seiner Krone zu begrüßen. Alsbald erhielten die Einwohner der Residenz durch das Läuten aller Glocken und durch den Donner des sämtlichen Geschützes, welches auf den Wällen stand, Kunde von dem segensreichen Ereignis. Mannichfache Gnadenbezeugungen und Beförderungen treuer Diener des Staates, die Speisung aller Armen in den Armenhäusern der Stadt erhöhten die Feier des Tages.

Friedrich Wilhelm I. hatte seine Staaten als Erbe seines Vaters, des großen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, empfangen.

Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg – 620 – 1688

Der große Kurfürst war der Erste, aber auch der Einzige gewesen, der, nach den Gräueln des dreißigjährigen Krieges und gegen die verderbliche Übermacht Frankreichs, den deutschen Namen mit Würde zu vertreten wusste. Er hatte sein fast vernichtetes Land zu einer achtunggebietenden Macht erhoben. Er hatte so glücklich gekämpft und so weise regiert, dass die Eifersucht des österreichischen Kaiserhofes rege ward; mit Verdruss bemerkte man in Wien, dass an den Ufern des baltischen Meeres, wo vor Zeiten das Volk der Vandalen gehaust, sich ein besonderes „Vandalen-Königreich“ emporzutun beginne; denn der kaiserlichen Majestät, die nach unabhängiger Herrschaft über Deutschland streben mochte, schien es wenig Vorteilhaft, in den Händen untergeordneter Reichsfürsten eine bedeutsamere Macht zu erblicken.

Friedrich I. hatte den Taten seines großen Vaters eine neue hinzugefügt, die, oft als kleinlich gescholten, von den großartigsten Folgen war und die auch an sich von eigentümlichem politischem Scharfblicke zeugt.

Ostpreußen

Er hatte sein nicht zum deutschen Reichsverbande gehöriges Herzogtum Preußen – das heutige Ostpreußen, denn Westpreußen war den früheren Besitzern des Landes durch die Polen entrissen – zum Königreiche erhoben und sich zu Königsberg am 18. Januar 1701 die königliche Krone aufgesetzt. Langjähriger Widerspruch, besonders von Seiten des österreichischen Hofes, war zu beseitigen gewesen, ehe Friedrich I. sich zu diesem Schritt entschließen durfte; aber mit standhafter Beharrlichkeit hatte er seinen Plan verfolgt, bis die politischen Verhältnisse sich der Ausführung günstig erwiesen. Wie wichtig dieser Schritt war, bezeugt ein ahnungsvolles Wort des Prinzen Eugen von Savoyen, des größten Feldherrn und Staatsmannes, den Österreich zu jener Zeit besaß; nach seiner Ansicht hatten die Minister, welche dem Kaiser zur Anerkennung der preußischen Krone geraten, Todesstrafe verdient.

Prinz Eugen von Savoyen

Denn allerdings war der königliche Name kein leerer Titel und der königliche Hofhalt kein leerer Prunk; beides setzte – und namentlich in einer Zeit, die alles nach dem Richtmaß der Etikette abschätzte – den Kurfürsten von Brandenburg in eine Stellung zum deutschen Reichsverbande, die auf ein Streben nach Unabhängigkeit von dessen schon morsch gewordenen Gesetzen hindeutete: Eine weitere Entwickelung des brandenburgisch-preußischen Staates musste dies Streben zur Tat hinausführen.

Doch war es dem ersten Könige dieses Staates nicht verliehen, sein Werk in solcher Weise zu vollenden; äußere Verhältnisse, innere Kraft und geistige Überlegenheit mussten zusammenkommen, um so Großes vollbringen zu können. Friedrich I. begnügte sich, seine Krone mit demjenigen Glanze zu schmücken, der zur Behauptung ihrer Würde unerlässlich schien und es in der Tat für jene Zeit war. Er umgab sich mit einem prunkvollen Zeremoniell und vollzog die anstrengenden Satzungen desselben, gleich einer Pflicht, mit strenger Ausdauer. Er feierte die denkwürdigen Ereignisse seiner Regierung mit einer ausgesuchten Pracht, welche das Ausland staunen machte und sein Volk mit demütiger Bewunderung erfüllte. Zugleich aber war er milden Sinnes und von seinen Untertanen in Wahrheit geliebt. Auch wusste er dem äußerlichen Schaugepränge durch reiche Begünstigung der Kunst und Wissenschaft eine innere Würde zu geben. Großartige Werke der Kunst entstanden auf sein Gebot; Andreas Schlüter (1634 – 1714), der unter ihm eine Reihe von Jahren in Berlin arbeitete, ist ein Meister der Bildhauerei und Baukunst, wie die Welt lange vor und lange nach ihm keinen zweiten gesehen hat.

Das von Andreas Schlüter erbaute Berliner Schloss

Eine Akademie der Wissenschaften wurde ins Leben gerufen, deren Seele der größte Philosoph seiner Zeit, Leibnitz, war, obgleich dieser nicht dauernd für Berlin gewonnen werden konnte.

Gottfried Wilhelm Leibnitz

Berlin hieß damals allgemein das deutsche Athen.

Die Geburt des künftigen Thronerben, zumal unter den Umständen, von denen oben die Rede war, erschien als ein zu wichtiges Ereignis, als dass sie nicht zu neuer Entwickelung der königlichen Pracht hätte Gelegenheit geben sollen. Auch betrachtete man es als eine günstige Vorbedeutung, dass der Prinz im Januar, dem Krönungsmonate, geboren war, und es ward, um dieser Vorbedeutung ein größeres Gewicht zu geben, auch das Fest der Taufe noch in demselben Monate angeordnet. Am 31. Januar fand die Taufe in der Schlosskapelle statt. Der ganze Weg von den Gemächern des Kronprinzen bis zur Kapelle war mit einer doppelten Reihe von Schweizern und Leibgarden besetzt. Die Markgräfin Albrecht, Schwägerin des Königs, trug den jungen Prinzen, unterstützt von ihrem Gemahle, einem Stiefbruder des Königs, und dem Markgrafen Ludwig, einem jüngeren Bruder; der Täufling hatte eine kleine Krone über dem Haupte und war in Silberstück, mit Diamanten besetzt, gekleidet, dessen Schleppe sechs Gräfinnen hielten. In der Kapelle wartete ihrer der König nebst seiner Gemahlin, seinem Sohne, dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, dem berühmten Befehlshaber des preußischen Heeres, und den übrigen Personen des Hofes.

Fürst Leopold von Anhalt-Dessau

Der König stand unter einem prächtigen, mit Gold gestickten Baldachin, dessen vier Stangen von vier Kammerherren getragen wurden, während die vier goldenen Quasten desselben vier Ritter des schwarzen Adlerordens hielten. Vor dem König war ein Tisch mit goldenem Taufbecken; er selbst übernahm den Täufling, der nach ihm mit dem Namen Friedrich getauft wurde. Aufs Neue läuteten alle Glocken der Stadt und ertönte der Donner des Geschützes, während in der Kapelle die heilige Zeremonie von rauschender Musik begleitet ward. Glänzende Festlichkeiten am Hofe und in der Stadt beschlossen den freudigen Tag.

Einige Monate nach der Geburt des Prinzen im Frühjahr und Sommer 1712 erblühte im königlichen Lustgarten zu Köpenick, in der Nähe von Berlin, eine amerikanische Aloe, welche daselbst schon vier und vierzig Jahre ohne zu blühen gestanden hatte, zu ungemeiner Größe und Fülle. Sie trieb einen Stamm von einunddreißig Fuß Höhe, an welchem man 7.277 Blüten zählte. Tausende strömten von nah und fern herzu, um dies Wunder der Natur zu sehen; in Druckschriften, in Gedichten und Kupferstichen wurde die Pracht der Riesenblume verkündet. Man betrachtete sie als ein Sinnbild jenes Glanzes, zu dem das preußische Königshaus emporsteige und wusste ein solches Gedankenspiel in kunstreich gebildeten Denksprüchen durchzuführen. Den Hoffnungen, welche die Geburt des künftigen Thronerben belebt hatte, schien hier eine neue Bestätigung gegeben. Aber man ließ auch nicht unbemerkt, dass die Pflanze selbst absterbe, während die Blütenkrone sich in vollster Pracht zeige; man deutete dies auf den bevorstehenden Tod des Königs.  Eine solche Deutung war freilich so gar verwegen nicht, da der König, überhaupt von schwächlicher Körperbeschaffenheit, schon längere Zeit kränkelte. Die Geburt seines Enkels war der letzte freudige Glanz seines Lebens gewesen. Am Geburtstage desselben im folgenden Jahre, bei dem Feste, welches der Kronprinz zur Feier des Tages veranstaltet hatte, erschien er zum letzten Mal öffentlich. Bald nahm seine Krankheit eine drohende Wendung. Schon am 13. Februar berief er seine Familie und die höheren Staatsbeamten vor sein Lager, um Abschied von ihnen zu nehmen.

Kronprinz Friedrich Wilhelm

Prinz Friedrich und seine Schwester Wilhelmine

Er erteilte dem Kronprinzen seinen Segen, ebenso seinen Enkeln, dem einjährigen Prinzen Friedrich und der Schwester desselben, der vierjährigen Prinzessin Wilhelmine, die mit ihren Eltern am Bette kniete. Am 25. Februar verschied der König.

* * *

Zweites Kapitel – Die ersten Jahre der Kindheit

Zweites Kapitel – Die ersten Jahre der Kindheit

Der Tod Friedrichs I. brachte eine bedeutende Veränderung in der Regierung des preußischen Staates im Hofhalt und in der Lebensweise der königlichen Familie hervor.

Friedrich Wilhelm I.

Friedrich Wilhelm I. war seinem Vater durchaus unähnlich. Das strenge Zeremoniell, dem er sich bis dahin hatte fügen müssen, war ihm lästig, der kostbare Prunk der Festlichkeiten verhasst; die höhere Wissenschaft und feinere Sitte, in der ihn seine Mutter, die schon früher verstorbene hochgebildete Königin Sophie Charlotte, hatte erziehen wollen, erschien ihm als ein sehr überflüssiger, zum Teil verderblicher Schmuck des Lebens.

Königin Sophie Charlotte

Ihm war von der Natur eine ausschließlich praktische Richtung gegeben. Sein Bestreben ging dahin, statt der Summen, welche der glänzende Hofhalt und neben diesem auch die Willkür bevorrechteter Günstlinge fort und fort verschlungen hatte, einen wohlgefüllten Schatz herzustellen, seine Untertanen zu ausdauerndem Fleiße anzuhalten und den Wohlstand des Landes durch die sorglichste Aufsicht zu befördern. Die Bedeutung seiner Krone sollte nicht ferner durch blendenden Schimmer, sondern durch ein zahlreiches und wohlgeübtes Kriegsheer vertreten werden. Die Festlichkeiten, welche den Schmuck seines Lebens ausmachten, bestanden in der Schaustellung kriegerischer Künste. Durch unermüdlichen Eifer brachte er es dahin, dass bei den Militärischen Übungen seine Soldaten eine Schnelligkeit, Sicherheit und Gleichförmigkeit der Bewegungen entwickelten, welche bis dahin unerhört waren. Ebenso sehr lag es ihm am Herzen, dass seine Regimenter, besonders die ersten Glieder derselben, sich durch Schönheit und Körpergröße vor allen auszeichneten; ja, er ging hierin so weit, dass er für diesen Zweck Summen verschwendete, die mit seiner sonstigen Sparsamkeit auf keine Weise in Einklang standen; und mannichfach hat ihn gewalttätige Werbung großer Leute mit seinen Nachbarstaaten in verdrießliche Händel verwickelt.

Einer der „langen Kerls“

Berlin ward unter seiner Regierung nicht mehr das deutsche Athen, sondern das deutsche Sparta genannt.

Sein Familienleben war auf einen einfach bürgerlichen Fuß eingerichtet, und er gab hierdurch – zu einer Zeit, wo an den Höfen fast überall ein furchtbares Sittenverderbnis eingerissen war – ein sehr achtbares Beispiel. Eheliche Treue galt ihm über alles. Seine Kinder, deren Anzahl sich im Verlauf der Jahre bedeutend vermehrte, sollten, seiner schlichten Frömmigkeit gemäß, in der Furcht des Herrn erzogen werden; frühzeitig war er bemüht, sie durch die Gewöhnung eines regelmäßigen Lebens, durch strengen Gehorsam und nützliche Beschäftigung zu tüchtigen Menschen nach seinem Sinne zu bilden, während alles, was der Eleganz in Leben und Wissen angehört, entschieden aus seinem häuslichen Kreise verbannt blieb. Unter einer rauen Hülle bewahrte er ein deutsches Gemüt, und er ließ dem, der ihm in gemütlicher Weise entgegenkam, Gerechtigkeit widerfahren; undeutsches Wesen aber und Widerspenstigkeit gegen seine gutgemeinten Anordnungen fanden an ihm einen unerbittlichen Richter, und er wusste, von Natur zum Jähzorn geneigt, ein solches Tun aufs Härteste zu ahnden.

In den ersten Jugendjahren seines Sohnes, des nunmehrigen Kronprinzen Friedrich, konnte es noch nicht in Frage kommen, wie weit dieser mit der Richtung und Gesinnung des Vaters übereinstimmen werde. Die erste Pflege des Knaben musste den Händen der Frauen anvertraut bleiben.

Friedrichs Mutter, Königin Sophie Dorothee

Seine Mutter, die Königin Sophie Dorothee, eine Tochter des Kurfürsten von Hannover und nachmaligen Königs von England, Georg I., war durch eine natürliche Herzensgüte und Neigung zum Wohltun ausgezeichnet; auch war sie der edleren Wissenschaft nicht so abhold wie ihr Gemahl.

Großvater Georg von Hannover, später König von England

Diese Neigungen suchte sie auf ihre Kinder fortzupflanzen. Leider besaß sie jedoch nicht diejenige hingebende Liebe, welche, in Einklang mit dem Willen ihres Gemahls, zum Segen des Hauses hätte wirken können.

Eine Ehrendame der Königin, Frau von Kamecke, war mit der Oberaufsicht über die Erziehung des Kronprinzen beauftragt worden.

Marthe de Roucoulle Montbail – 1659 – 1741

Ein größeres Verdienst, als diese, erwarb sich die Untergouvernante, Frau von Nocoulles. Die Letztere hatte schon den König selbst in seiner Kindheit gepflegt; ihr fester und edler Charakter, ihre treue Anhänglichkeit an das preußische Herrscherhaus hatten sie so empfohlen, dass es nur ein gerechter Dank schien, sie aufs Neue zu einem so ehrenvollen Geschäfte zu berufen. Sie war eine geborene Französin und gehörte zu den Scharen jener Reformierten, die ein törichter Religionseifer, die Heimat eines Teiles seiner besten Kräfte beraubend, aus Frankreich verbannt hatte und die in den brandenburgischen Staaten willkommene Aufnahme fanden. Dass überhaupt eine Französin, selbst an dem derbdeutschen Hofe Friedrich Wilhelms, zur Erziehung der Kinder berufen ward, darf in einer Zeit nicht auffallen, in welcher die Welt von französischer Bildung beherrscht wurde und die Kenntnis der französischen Sprache unumgänglich nötig war, um sich in den höheren Kreisen der Gesellschaft verständlich zu machen; überdies war gerade in Berlin durch die Scharen jener Eingewanderten, welche Kunstfertigkeiten und wissenschaftliche Bildung aus Frankreich herübergebracht hatten, die französische Sprache nur umso mehr ausgebreitet worden. So ward auch der Kronprinz von früher Jugend an, gewiss nicht ohne Einfluss auf sein späteres Leben, vorzugsweise in der französischen Sprache gebildet. Wie treu aber seine Erzieherin ihre Pflichten an ihm erfüllt hat, beweist am besten der Umstand, dass er ihr bis an ihren Tod in unwandelbarer Anhänglichkeit zugetan blieb.

Als Friedrich vier Jahre alt war, wurde ein merkwürdiges prophetisches Wort über ihn gesprochen.

Schwedenkönig Karl XII.

Die trotzige Rücksichtslosigkeit des Schwedenkönigs, Karls XII. hatte damals König Friedrich Wilhelm zum Kriege genötigt, dessen Folge die Eroberung eines Teiles von Vorpommern und die Einverleibung desselben in den preußischen Staat war.

Stralsund

In der Weihnachtszeit des Jahres 1715 war Stralsund erobert worden; eine bedeutende Anzahl schwedischer Offiziere, die man hierbei zu Kriegsgefangenen gemacht hatte, befand sich in Berlin. Einer von diesen Offizieren, namens Croom, stand in dem Rufe, aus den Sternen und aus den Lineamenten der menschlichen Hand die Zukunft lesen zu können; die ganze Stadt war voll von seinen Prophezeiungen. Die Königin und die Damen des Hofes waren begierig, durch ihn ebenfalls einiges von ihren zukünftigen Schicksalen zu erfahren. Man berief ihn in die Gemächer der Königin. Hier untersuchte er die dargebotenen Hände und sagte Dinge voraus, die später in der Tat auf überraschende Weise eintrafen. Der Königin, die sich eben in gesegneten Umständen befand, sagte er, sie würde in zwei Monaten von einer Tochter entbunden werden; der ältesten Prinzessin verkündete er, dass sie neben manchen trügerischen Hoffnungen ihr ganzes Leben hindurch viele Leiden würde zu erdulden haben; einigen Hofdamen sagte er ihre baldige, wenig ehrenvolle Entfernung vom Hofe voraus. Als ihm der Kronprinz vorgeführt ward, so prophezeite er diesem viele Unannehmlichkeiten in seiner Jugend: In reiferen Jahren aber würde er Kaiser und einer der größten Fürsten Europas werden. Der Titel des Kaisers ist Friedrich allerdings nicht zuteil geworden; sonst aber ist auch diese Prophezeiung vollständig in Erfüllung gegangen.

In den ersten Lebensjahren, wie auch noch mannigfach in späterer Zeit, bis kriegerische Beschäftigungen den Körper abgehärtet hatten, war die Gesundheit des Kronprinzen schwankend; die traurigen Erfahrungen, die man bereits an zwei früh verstorbenen Prinzen gemacht hatte, ließen auch für ihn gegründete Besorgnisse entstehen. Zugleich hatte dieser körperliche Zustand, vielleicht aber auch eine Gemütsanlage, welche die äußeren Eindrücke früh mit Bestimmtheit aufzufassen und nachdenklich zu verarbeiten nötigte, ein eigentümlich schweigsames, fast schwermütiges Wesen zur Folge, welches jene Besorgnisse noch mehr zu rechtfertigen schien. Umso emsiger war man auf die körperliche Ausbildung des jungen Prinzen bedacht.

Friedrichs Schwester Wilhelmine

Mit voller Zärtlichkeit hing dieser an seiner älteren Schwester, die sich in ihren Erholungsstunden nur mit dem Knaben beschäftigte. Dieses innige Verhältnis hat bis an den Tod der Schwester ausgedauert.

Eine Szene aus diesen Kinderjahren ist durch ein schönes Gemälde des damaligen Hofmalers Pesne der Nachwelt überliefert worden.

Hofmaler Pesne mit Frau und Tochter

Der Prinz hatte eine kleine Trommel zum Geschenk erhalten, und man bemerkte mit Freude, dass es ihm, im Gegensatz gegen sein sonstiges stilles Wesen, Vergnügen gewährte, den Marsch, den man ihn gelehrt, rüstig zu üben. Einst hatte ihm die Mutter erlaubt, diese Übung in ihrem Zimmer vorzunehmen; auch die Schwester war mit ihren Spielsachen dabei. Der Letzteren wurde das Trommeln des Bruders zu viel und sie bat ihn, lieber ihren Puppenwagen ziehen zu helfen oder mit ihren Blumen zu spielen. Aber sehr ernsthaft erwiderte der kleine Prinz, so gern er sonst jeder Bitte der Schwester nachgab: „Gut trommeln ist mir nützlicher als spielen und lieber als Blumen.“ Diese Äußerung schien der Mutter so wichtig, dass sie schleunig den König herbeirief, dem das selten geäußerte soldatische Talent des Knaben die größte Genugtuung gewährte. Dem Hofmaler musste die Szene, ohne dass die Kinder die Absicht merkten, noch einmal vorgespielt werden.

Der König war gern im Kreise seiner Familie; seine Zuneigung zu den Kindern zeigte sich häufig auch darin, dass er selbst an ihren Spielen teilnahm. Einst trat der alte General Forcade ungemeldet in das Zimmer des Königs, als dieser eben mit dem kleinen Prinzen Ball spielte. „Forcade“, sagte er zu ihm, „Er ist auch Vater; Er weiß: Väter müssen mit ihren Kindern zuweilen Kinder sein, müssen mit ihnen spielen und ihnen die Zeit vertreiben.“

Es ist schon bemerkt, dass die Königin ihren Wohltätigkeitssinn auf ihre Kinder überzutragen bestrebt war. Den Kronprinzen machte sie früh zu ihrem kleinen Almosenier. Die Hilfsbedürftigen, die sich vertrauensvoll an die bekannte Milde ihres Herzens gewandt hatten, ließ sie zu sich kommen, bezeugte ihnen ihr Mitleid, und die Betrübten wurden dann durch den kleinen Almosengeber mit Geschenken entlassen. Diese schöne Sitte war von den erfreulichsten Folgen auf das Gemüt des Kronprinzen; schon früh gab er das Zeugnis, wie lebendig er die Lehre der Mutter seinem Herzen eingeprägt hatte.

Hannover Herrenhausen

Die Eltern pflegten, in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung jährlich eine Reise nach Hannover zu machen, um den Vater der Königin zu besuchen; seit seinem dritten Jahre wurde der Kronprinz auf diesen Reisen mitgenommen. In Tangermünde ließ der König gewöhnlich einige Stunden anhalten, um sich dort mit den Beamten der Provinz über Gegenstände der Verwaltung zu besprechen. Bei diesen Gelegenheiten versammelte sich stets ein großer Teil der Einwohner, um den jungen Kronprinzen zu sehen; die Königin erlaubte ihm gern, zu dem Volke hinauszugehen. Einst bat er einen der Zuschauer, ihn zu einem Bäcker zu führen; hier öffnete er schnell seine kleine Börse und schüttete seine ersparte Barschaft in die Hand des Bäckers, mit der Bitte, ihm dafür Semmeln, Zwieback und Brezeln zu geben. Er selbst nahm einen Teil der Esswaren, das Übrige mussten seine Begleiter und ein Bedienter tragen. Dann wandte er sich zu den Einwohnern, die ihm in Scharen gefolgt waren, und teilte seine Beute freudig an Kinder und Greise aus. Die Eltern hatten den Vorgang vom Fenster des Amtshauses angesehen und ließen, als die erste Spende beendet war, noch eine zweite holen, um dem Prinzen das Vergnügen der Austeilung zu verlängern. Jährlich, bis zum zwölften Jahre, erneute der Kronprinz diese Spende in Tangermünde und legte dazu stets schon einige Zeit vor der Abreise etwas von seinem kleinen Taschengelde zurück. Die Tangermünder nannten ihn mit Entzücken nur ihren Kronprinzen. Nach seiner Thronbesteigung äußerte Friedrich öfters, dass er an diesem Orte zum ersten Mal das Vergnügen genossen habe, sich von Untertanen geliebt und Dankestränen in den Augen der Kinder und Greise zu sehen.

* * *

Drittes Kapitel – Die Knabenzeit

Drittes Kapitel – Die Knabenzeit

Mit dem Anfange des siebenten Jahres endete die weibliche Erziehung des Kronprinzen. An die Stelle der Gouvernanten traten nunmehr der Generalleutnant Graf von Finkenstein als Oberhofmeister, und der Oberst von Kalkstein als Unter-Gouverneur. Die Söhne dieser beiden verdienten Männer, sowie die markgräflichen Prinzen des Hauses, wurden die Spielgefährten des Thronerben; das kindliche Verhältnis zu dem jungen Grafen von Finkenstein ging nachmals in eine wirkliche Freundschaft über, und Friedrich blieb diesem, der später sein Kabinetts-Minister wurde, fortdauernd mit hohem Vertrauen geneigt.

Der König gab den beiden Hofmeistern eine ausführliche Instruktion, welcher gemäß sie die Erziehung des Kronprinzen leiten sollten. Als Hauptpunkt wird darin eine reine christliche Frömmigkeit, als zu welcher der Zögling vornehmlich hinzuführen sei, vorangestellt: – „und muss er (so heißt es u. a. in der Instruktion) von der Allmacht Gottes wohl und der Gestalt informiert werden, dass ihm alle Zeit eine heilige Furcht und Venerazion vor Gott beiwohne, denn dieses ist das einzige Mittel, die von menschlichen Gesetzen und Strafen befreite souveräne Macht in den Schranken der Gebühr zu halten.“ Sodann sollte dem Prinzen Ehrfurcht, Hochachtung und Gehorsam gegen seine Eltern eingeprägt werden. Doch setzte der König die schönen Worte hinzu: „Gleichwie aber die allzu große Furcht nichts Anderes als knechtische Liebe und sklavische Effekten hervorbringen kann, so soll sowohl der Oberhofmeister, als der Sougouverneur dahin arbeiten und ihr Möglichstes anwenden, meinem Sohne wohl begreiflich zu machen, dass er keine solche Furcht, sondern nur eine wahre Liebe und vollkommen Vertrauen vor mich haben und in mich setzen müsse, da er denn finden und erfahren solle, dass ihm mit gleicher Liebe und Vertrauen begegnet würde.“ Überall wird in der Instruktion auf strengste Sittlichkeit gedrungen; dem Stolz und Hochmut, wenn diese sich zeigten, ebenso den Einflüsterungen der Schmeichelei sollte aufs Eifrigste entgegengearbeitet werden. Dagegen sollte der Prinz von früh an zur Leutseligkeit und Demut, zur Mäßigkeit, Sparsamkeit, Ordnung und zu bestimmtem geregeltem Fleiße angehalten werden. Was wissenschaftliche Bildung anbetrifft, so fasst die Instruktion nur die praktisch brauchbaren Kenntnisse ins Auge. Latein sollte der Kronprinz gar nicht lernen, dagegen im Französischen und Deutschen sich eine gute Schreibart zueigen machen. In der Geschichte sollte besonders auf die Ereignisse des eigenen Hauses und Staates, überhaupt auf diejenigen, welche zum Verständnis der damaligen Zeitverhältnisse nötig waren, Rücksicht genommen werden usw. Auf tüchtige Ausbildung und Abhärtung des Körpers sollte ebenfalls, ohne den Kronprinzen jedoch übermäßig anzustrengen, vorzüglich geachtet werden. „Absonderlich (so wird endlich den Hofmeistern vorgeschrieben) haben Sie beide sich äußerst angelegen sein zu lassen, meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen und ihm zu imprimieren, dass, gleichwie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, er vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn er solchen nicht gleichfalls liebte und die einzige Gloria in demselben suchte.“

Den eigentlich wissenschaftlichen Unterricht des Kronprinzen leitete ein Franzose, Dühan, der als Kind nach Berlin geflüchtet war und den der König im Jahre 1715, als Führer eines jungen Grafen, in den Laufgräben vor Stralsund kennen gelernt hatte. Dühan ist ohne Zweifel von großem Einfluss auf die Bildung des Kronprinzen, auf dessen Übung im eigenen Lesen und Denken, gewesen. Ihm verdankte Friedrich die Kenntnis der Geschichte und der französischen Literatur. Die deutsche Literatur war zu jener Zeit aus der tiefsten Stufe des Verfalles, während die französische gerade ihren höchsten Gipfelpunkt erreicht hatte. An den Musterbildern der Letzteren wurde der Geist Friedrichs genährt, wie ihm schon durch seine Gouvernante die französische Sprache geläufiger gemacht war, als die eigene Muttersprache. Auch für Dühan hat Friedrich bis an dessen Tod eine treue Zuneigung bewahrt.

Der Unterricht in der lateinischen Sprache war, wie schon bemerkt, durch die Instruktion des Königs verboten worden. Doch hat Friedrich selbst in späterer Zeit öfters erzählt, er habe in seiner ersten Jugend – ob aber mit Bewilligung des Vaters, wissen wir nicht zu sagen – einen lateinischen Sprachmeister gehabt. Einst sei der König dazugekommen, als der Lehrer ihn aus dem berühmten Reichsgesetz der goldenen Bulle einiges habe übersetzen lassen. Da er einige schlechte lateinische Ausdrücke gehört, so habe er den Sprachmeister gefragt: „Was machst du Schurke da mit meinem Sohn?“ – „Ihro Majestät, ich expliziere dem Prinzen auream bullam“ – Der König aber habe den Stock aufgehoben und gesagt: „Ich will dich Schurke auream bullam“ – habe ihn weggejagt, und das Latein habe aufgehört.

Georg Friedrich Händel – 1733

Der König, wie wenig er die höhere Kunstbildung zu schätzen wusste, hatte doch Wohlgefallen an der Musik, das heißt, an jener strengen Musik, als deren Meister besonders der große Händel dasteht; Händel selbst soll der Lieblings-Komponist des Königs gewesen sein. So wurde denn auch der musikalische Unterricht des Sohnes nicht verabsäumt; durch einen Domorganisten erhielt er Anleitung im Klavierspiel und in den theoretischen Teilen der Musik. Doch scheint dieser Unterricht ziemlich pedantischer Art gewesen zu sein. Als in dem Kronprinzen eine selbständige musikalische Neigung erwachte, übte er sich mit Leidenschaft im Flötenspiel.

Ungleich pedantischer noch scheint der erste Religionsunterricht betrieben worden zu sein, so dass die höchsten Lehren und die tiefsinnigsten Geheimnisse des Glaubens dem Prinzen in einer Schale vorgetragen wurden, welche vielleicht wenig geeignet war, das Gemüt zu erwärmen. Auch mag es als ein sehr bedeutender Missgriff von Seiten des Vaters gerügt werden, dass auf seinen Befehl der Sohn, wenn er sich einer Strafe schuldig gemacht hatte, ein Stück des Katechismus oder der Psalmen auswendig lernen musste. Das, was auf drohenden Befehl dem Gedächtnis eingeprägt ward, konnte schwerlich im Herzen Wurzel fassen.

Umso größere Sorgfalt aber wurde darauf verwandt, dem Kronprinzen schon von früh an eine lebhafte Neigung zum Soldatenstande einzuflößen und ihn sowohl mit allen Regeln des kleinen Dienstes, als mit den kriegerischen Wissenschaften vertraut zu machen. Sobald es passend war, musste er die Kinderkleider ausziehen und eine Militärische Uniform anlegen, auch sich zu der knappen Frisur, die damals bei der preußischen Armee eingeführt war, bequemen. Dies Letztere war freilich ein trauriges Ereignis für den Knaben, denn er hatte bis dahin sein schönes blondes Haar in frei flatternden Locken getragen und seine Freude daran gehabt. Aber dem Willen des Vaters war nicht füglich zu widersprechen. Dieser ließ eines Tages einen Hofchirurgus kommen, dem Prinzen die Seitenhaare abzuschneiden. Ohne Weigerung musste sich der Prinz auf einen Stuhl setzen, aber der bevorstehende Verlust trieb ihm die Tränen ins Auge. Der Chirurg indes hatte Mitleid mit dem Armen; er begann sein Geschäft mit so großer Umständlichkeit, dass der König, der die Vollziehung seines Befehles beaufsichtigte, bald zerstreut wurde und andere Dinge vornahm. Den günstigen Moment benutzte der Chirurg, kämmte den größten Teil der Seitenhaare nach dem Hinterkopfe und schnitt nicht mehr ab, als die äußerste Notwendigkeit erforderte. Friedrich hat später dem Chirurgen die Schonung seiner kindischen Tränen mit dankbarer Anerkennung belohnt.

Zur Übung des Kronprinzen im kleinen Waffendienste war schon im Jahre 1717 eine kronprinzliche Kadetten-Kompanie, die später auf ein Bataillon vermehrt ward, eingerichtet worden. Hier war der siebzehnjährige Kadetten-Unteroffizier von Rentzel der Waffenmeister des Kronprinzen; andere Eigenschaften des jungen Unteroffiziers, namentlich dessen Neigung zur Musik und zum Flötenspiel, führten bald auch ein näheres Verhältnis zwischen beiden herbei. In seinem zwölften Jahre hatte der Kronprinz schon so bedeutende Gewandtheit in den soldatischen Künsten erlangt, dass er sein kleines Heer zur großen Zufriedenheit seines Großvaters mütterlicher Seite, des Königs von England, exerzieren konnte, als dieser in Berlin zum Besuche war und, zwar durch Krankheit ans Zimmer gefesselt, vom Fenster aus die Militärischen Festlichkeiten in Augenschein nahm. Auch anderweitig sorgte der König, dem Kronprinzen das Kriegswesen interessant zu machen. So ließ er z. B. einen großen Saal des Schlosses zu Berlin zu einem kleinen Zeughause einrichten und Kanonen und allerlei kleine Gewehre in demselben aufstellen. Hier lernte der Kronprinz spielend den Gebrauch der verschiedenen zur Kriegführung nötigen Instrumente kennen. Im vierzehnten Jahre wurde Friedrich zum Hauptmann ernannt, im fünfzehnten zum Major, im siebzehnten zum Oberstleutnant; in diesen Stellen hatte er, gleich jedem anderen, die regelmäßigen Dienste zu leisten.

Bei den großen Paraden und den General-Revuen, die in der Nähe von Berlin gehalten wurden, musste stets die ganze königliche Familie gegenwärtig sein. So war der Kronprinz auch von dieser Seite schon frühzeitig, noch ehe er selbsttätig an den Exerzitien teilnehmen konnte, auf die Bedeutung, die der König in das ganze Militärwesen legte, hingewiesen worden. Später nahm ihn der König auch zu den Provinzial-Revuen mit, bei denen er die entlegeneren Truppenabteilungen besichtigte. Auf diesen Reisen wurde zugleich die Verwaltung der einzelnen Teile des Staates an Ort und Stelle untersucht. Der Vater hatte die Absicht, den Prinzen so, aus einfachstem Wege, an die Erfüllung seiner künftigen königlichen Pflichten zu gewöhnen.

Überhaupt war der König bemüht, den Kronprinzen so viel als möglich sich selbst und seiner Gesinnung ähnlich zu machen und ihm auch an seinen Vergnügungen Geschmack einzuflößen. Der König war ein leidenschaftlicher Liebhaber der Jagd; er widmete ihr den größten Teil seiner Muße. Der Kronprinz musste ihn auch hier begleiten. Des Abends versammelte der König gewöhnlich einen Kreis derjenigen Männer um sich, denen er sein näheres Vertrauen geschenkt hatte.

„Tabaks-Kollegium“

In dieser Gesellschaft – dem sogenannten „Tabaks-Kollegium“ – wurde nach holländischer Sitte Tabak geraucht und Bier getrunken; mit vollkommener Freiheit von der Etikette des Hofes erging sich das Gespräch über alle möglichen Gegenstände; dabei waren gelehrte Herren zur Erklärung der Zeitungen bestellt, die aber zugleich aufs Vollkommenste das Amt der Hofnarren zu vertreten hatten. Hierher kamen gewöhnlich die königlichen Prinzen, dem Vater gute Nacht zu sagen; auch mussten sie hier zuweilen, von einem der anwesenden Offiziere kommandiert, den König und seine Freunde durch militärische Exerzitien unterhalten. Später musste der Kronprinz als wirkliches Mitglied an dieser Gesellschaft teilnehmen.

* * *

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Unter solchen Verhältnissen wuchs der Knabe Friedrich zum Jüngling heran.

Sein Äußeres hatte sich zu eigentümlicher Anmut entwickelt; er war schlank gewachsen, sein Gesicht von edler, regelmäßiger Bildung. In seinem Auge sprach sich ein lebhafter, feuriger Geist aus, und Witz und Phantasie standen ihm zu Gebote. Aber dieser Geist wollte seine eigenen Bahnen gehen; und die Abweichung von dem Pfade, welchen der strenge Vater vorgezeichnet hatte, zerriss das trauliche Band zwischen Vater und Kind.

Schon das musste den religiösen Sinn des Königs unangenehm berühren, dass der Religions-Unterricht nicht sonderlich gefruchtet hatte, um den Prinzen in die Lehren des christlichen Glaubens genügend einzuweihen. Einige Monate vor dem zur Einsegnung des Kronprinzen bestimmten Tage wurde ihm von den Hofmeistern gemeldet, dass der Prinz schon seit geraumer Zeit im Christentum nur geringe Fortschritte gemacht habe. Doch half diesem Stande ein vermehrter Unterricht von Seiten des würdigen Hofpredigers Noltenius ab, und Friedrich konnte am 11. April 1727, nach öffentlicher Prüfung, sein Glaubensbekenntnis ablegen und das heilige Abendmahl empfangen.

Aber noch in tausend anderen Dingen, in bedeutenden und unbedeutenden, zeigte sich bald eine gänzliche Verschiedenheit des Charakters zwischen Sohn und Vater. Die militärischen Liebhabereien des Königs, das unaufhörliche, bis ins Kleinliche gehende Exerzitium der Soldaten, die oft grausame Behandlung der Letzteren machten dem Kronprinzen wenig Freude. Die rohen Jagdvergnügungen, der einfache Landaufenthalt auf dem königlichen Jagdschlosse zu Wusterhausen waren nicht nach seinem Geschmack.

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Viertes Kapitel – Missstimmung zwischen Vater und Sohn

Jagdschloss zu Königswusterhausen

Ebenso wenig das Tabakrauchen, die derben Späße im Tabaks-Kollegium, die Kunststücke der Seiltänzer, die Musik-Aufführungen, an denen der Vater sich erfreute. Die Männer, die dieser in seine Nähe berief, zogen den Prinzen nicht immer an, und er suchte sich Umgang nach seinem Gefallen. Er war ernst, wenn der Vater lachte, ließ aber auch manch spöttelndes Wort über Dinge und Personen fallen, die dem Vater wert waren; dafür tadelte der Vater an ihm einen stolzen hoffärtigen Sinn. Zu seiner Erholung trieb er das Schachspiel, das er von Dühan gelernt hatte, während der Vater das Toccadillespiel vorzog; ihm gewährte die Übung auf der Flöte hohen Genuss, deren sanfter Ton wiederum dem Vater wenig zusagte. Mehr noch hing er literarischen Beschäftigungen nach; der Glanz der französischen Poesie, besonders das blitzende mutwillige Spiel, mit welchem die jugendlichen Geister Frankreichs gerade zu jener Zeit den Kampf gegen verjährte Institutionen begonnen hatten, zog ihn, der gleichen Sinn und gleiche Kraft in sich fühlte, mächtig an. Aber solche Interessen waren gar wenig nach dem Sinne des Vaters. Dann liebte er es auch, wenn der Letztere fern war, den engen Soldatenrock abzuwerfen, bequeme, französisch moderne Kleider anzuziehen, sein schönes Haar, das er aus den Händen jenes Chirurgen gerettet hatte, aufzuflechten und in zierliche Locken zu kräuseln. Dies allein war schon hinreichend, wenn der Vater davon Kunde erhielt, seinen Zorn zu erwecken. So ward manch eine böse Stunde herbeigerufen; der König gedachte mit Strenge durchzugreifen, aber er machte sich dadurch das Herz des Sohnes nur immer mehr abwendig. „Fritz ist ein Querpfeifer und Poet“, so rief der König oft im Unmut aus; „er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben!“

Diese Missstimmung warum so trauriger und sie machte umso verderblichere Fortschritte, als es an einer Mittelsperson fehlte, die zugleich das Vertrauen des Vaters und des Sohnes gehabt und nach beiden Seiten hin begütigend und abmahnend gewirkt hätte. Die Mutter hätte in solcher Stellung für den Frieden des königlichen Hauses äußerst wohltätig wirken können; leider jedoch war alles, was sie tat, nur geeignet, das Missverhältnis immer weiter zu fördern. Die angeborene Güte ihres Herzens war nicht so stark, dass sie es über sich vermocht hätte, sich mit Aufopferung ihrer eigenen Wünsche dem Willen des Königs unterzuordnen. Schon in früheren Jahren, wenn sie zu bemerken glaubte, dass die Kinder dem Vater größere Liebe bewiesen als ihr, fand sich hierdurch ihr mütterliches Gefühl gekränkt; um ihre vermeintlichen Vorrechte zu behaupten, ging sie sogar so weit, den Kindern in einzelnen Fällen Ungehorsam gegen den Vater einzuprägen. Leicht mag hierdurch der erste Same zu dem unerfreulichen Verhältnis zwischen Vater und Sohn ausgestreut worden sein. Von schlimmeren Folgen war ein Plan, den sie, zunächst zwar mit Einstimmung des Königs, gefasst hatte und den sie mit Hartnäckigkeit, trotz der widerwärtigsten Zustände, die daraus entsprangen, festzuhalten strebte. Es war der Plan, das Haus ihres Vaters durch eine Doppelheirat aufs Neue mit dem ihrigen zu verbinden, um dereinst die Krone von England auf dem Haupte ihrer ältesten Tochter zu erblicken; diese, die Prinzessin Wilhelmine, sollte nämlich dem Sohne des damaligen Kronprinzen von England, ihres Bruders, und ihrem eigenen Sohne, dem Kronprinzen Friedrich, sollte eine englische Prinzessin verlobt werden.

Schwester Wilhelmine

(Siehe Band 140 in dieser gelben Buchreihe)

Schon früh war von diesem Plane gesprochen worden, und man hatte sich von beiden Seiten dazu bereit erklärt; auch kam es, trotz verschiedener Zögerungen, die durch unwürdige Zwischenträgereien hervorgerufen waren und die dem Könige von Preußen manchen Verdruss verursacht hatten, in der Tat zu einigen näheren vorläufigen Bestimmungen zwischen beiden Höfen. Ja, die Folgen hiervon waren so bedeutend, dass Friedrich Wilhelm sich, im Jahre 1725, zu einem Bündnis mit England und Frankreich, welches einem zwischen Österreich und Spanien abgeschlossenen Bündnisse die Waage halten sollte und welches ihm zugleich besondere Vorteile zu eröffnen schien, überreden ließ, so sehr er im Grunde seines Herzens überzeugt war, dass für Deutschland nur aus dem festen Zusammenhalten seiner einzelnen Glieder Heil erstehen könne. Aber immer und immer wieder wurde von England der letzte Abschluss rücksichtlich jener beabsichtigten Doppelheirat hinausgeschoben. Es trat eine Spannung zwischen beiden Höfen ein. Das Unglück wollte endlich, dass sich die preußischen Werber, wie überall, so auch an der hannöverschen Grenze schwere Ungebührlichkeiten erlaubten, was denn keineswegs dazu diente, das schwankende Verhältnis wiederherzustellen. Bald wollte König Friedrich Wilhelm gar nichts mehr von jener Doppelheirat wissen.

Zugleich aber hatte das Bündnis Preußens mit England die Besorgnis des österreichischen Kaiserhofes erweckt; durch dasselbe war die Macht der Gegner nicht unbedeutend verstärkt und dabei einem einzelnen Reichsfürsten, der schon halb unabhängig dastand und dessen kriegerische Macht nicht übersehen werden konnte, ein Übergewicht gegeben, welches der Oberherrschaft, die Österreich in Deutschland zu erhalten und zu vergrößern bemüht war, gefährlich werden konnte. Man sah die dringende Notwendigkeit ein, Preußen von jenem Bündnisse wieder abzuziehen und, wenn möglich, für Österreich zu gewinnen. Es wurde zu diesem Zwecke der kaiserliche General Graf Seckendorf nach Berlin gesandt.

Friedrich Heinrich von Seckendorf

Dieser wusste die eingetretene Spannung zwischen England und Preußen so klug zu benutzen und das ihm aufgetragene Werk mit solcher Geschicklichkeit auszuführen, dass schon im Oktober 1726, zu Wusterhausen, ein Traktat Preußens mit Österreich zustande kam, der nicht geradezu gegen England gerichtet sein sollte. Als Hauptbedingung dieses Traktates hatte Friedrich Wilhelm die Anforderung gemacht, dass der Kaiser seine Ansprüche auf die Erbfolge von Jülich und jedenfalls auf die von Berg garantieren sollte, wogegen er der sogenannten pragmatischen Sanktion – die den Töchtern des Kaisers, in Ermangelung männlicher Nachkommen, die Erbfolge zu sichern bestimmt war – beizutreten versprach.

Der Kaiser, Karl VI., hatte sich jener Anforderung des Königs von Preußen scheinbar gefügt; aber er war so wenig ernstlich bedacht, die preußische Macht vergrößern zu helfen, dass er gleichzeitig auch mit Pfalz-Sulzbach einen Vertrag schloss, der diesem Hause die in Anspruch genommene Erbfolge in Jülich und Berg sicherte.

Kaiser, Karl VI.

Durch die mannigfachsten Kunstgriffe wusste er jedoch den König von Preußen, der natürlich auf einen festen, vollkommenen Abschluss dieser Angelegenheiten drang, eine Reihe von Jahren hinzuhalten. Auch gelang dies so gut, dass Friedrich Wilhelm vor der Hand dem Kaiser treu ergeben blieb, denn sein deutsches Gemüt fühlte eine innere Genugtuung in solcher Verbindung; zugleich hatte Seckendorf dafür gesorgt, dass der vorzüglichste Günstling des Königs, der General (später Feldmarschall) von Grumbkow, durch ein stattliches Jahrgeld in das Interesse des österreichischen Hofes gezogen wurde.

General Joachim Ernst von Grumbkow

Dieser war nun fort und fort bemüht, den König in seiner Gesinnung zu befestigen.

So teilte sich der preußische Hof in zwei Parteien, eine österreichische und eine englische, die von beiden Seiten alles aufwandten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Denn was die Königin anbetrifft, so war sie keineswegs geneigt, ihren Lieblingsplan in Betreff jener Doppelheirat aufzugeben; im Gegenteil nahm sie jede Gelegenheit wahr, die sich ihr zum Wiederanknüpfen der Verbindungen mit England darbot. Ihre ebenso hartnäckigen wie fruchtlosen Bemühungen erbitterten aber den König so sehr, dass der häusliche Friede fast ganz entwich. Misstrauisch belauschten die beiden königlichen Eheleute einander, und verderbliche Zwischenträger, auf gemeinen Gewinn bedacht, schürten die Flamme. Vor allen hatten die beiden ältesten Kinder, die dem Plane der Königin gern Beifall schenkten, unter dem Zwist der Eltern zu leiden. Vater und Sohn wurden durch alles dies einander immer mehr entfremdet, und die Herstellung eines liebevollen Verhältnisses schien in weite Ferne hinausgerückt. Es sollte noch manches andere hinzukommen, die Entfremdung zu vergrößern.

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Fünftes Kapitel – Zwiespalt zwischen Vater und Sohn

Fünftes Kapitel – Zwiespalt zwischen Vater und Sohn

Je lebhafter das Gefühl der Selbständigkeit in Friedrich erwacht war, umso weniger Neigung empfand er, sich den Anordnungen des Vaters zu fügen, die mit seinen Wünschen fast stets im Widerspruch standen; umso strenger aber drang auch der Vater auf genaue Befolgung seiner Befehle, so dass die unangenehmen Szenen sich zu häufen begannen. Dem Kronprinzen schien jetzt die Verbindung mit einer englischen Prinzessin doppelt wünschenswert, indem er hierdurch eine größere Freiheit zu gewinnen hoffte. Bereitwillig bot er der Mutter die Hand, um an der Ausführung ihres Lieblingsplanes mitzuarbeiten; er schrieb selbst in dieser Angelegenheit nach England. Aber die Verhältnisse zwischen England und Preußen hatten sich inzwischen noch weniger erfreulich gestaltet. König Georg I. war bereits im Jahr 1727 gestorben und sein Sohn, Georg II., der Bruder von Friedrichs Mutter, in der Regierung gefolgt. Zwischen diesem und König Friedrich Wilhelm waltete eine persönliche Feindschaft, die sich schon in früher Kindheit, als beide mit einander erzogen wurden, geäußert hatte. Jetzt fühlten sie Spottreden gegeneinander im Munde.

König Georg II. von England

Der König von England nannte den König von Preußen „seinen lieben Bruder Korporal“, oder auch „des heiligen römischen Reichs Erzsandstreuer,“ wie man die Sandfluren der Mark Brandenburg als die „Sandbüchse“ des heiligen römischen Reichs zu bezeichnen liebte; Friedrich Wilhelm dagegen titulierte jenen als „seinen lieben Bruder den Komödianten,“ oder gelegentlich auch als „den Herrn Bruder Braunkohl.“

König Friedrich Wilhelm II. von Preußen

Der österreichischen Politik konnte dies Missverhältnis nur wünschenswert sein; sie Tat das ihrige zur Förderung desselben. Verschiedene andere Streitpunkte kamen dazu, die Ungebührlichkeiten der preußischen Weiber, die von ihrem Könige in Schutz genommen wurden, gaben den Ausschlag, und es drohte im Jahre 1729 sogar ein Krieg zwischen beiden Mächten auszubrechen, der indes durch andere Fürsten, denen die Ruhe Deutschlands am Herzen lag, im Anfange des folgenden Jahres wieder beigelegt wurde. Alles dies machte dem Könige die fortgesetzten Pläne für die Doppelheirat mit England immer verhasster, und auf die Teilnehmer derselben häufte sich sein Groll. Die Nachricht, die ihm insgeheim von Friedrichs Schreiben nach England zugetragen wurde, war keineswegs geeignet, seinen Groll zu mildern. Anfälle von Podagra (Gicht) vermehrten seine gereizte Stimmung, so dass die beiden älteren Kinder schon rohe Behandlung zu gewärtigen hatten.

Diese suchten sich durch ihr treues Zusammenhalten zu entschädigen. Ihr Vergnügen bestand in der Beschäftigung mit französischer Literatur. Unter anderem lasen sie Scarrons ergötzliches Meisterwerk, den „komischen Roman“, und schrieben gemeinschaftlich eine Parodie desselben, die eine Satire auf die ihnen verhasste österreichische Partei des Hofes enthielt. Die Personen der letzteren mussten hierin, je nach ihrer Eigentümlichkeit, die Rolle der lächerlichen Personen des Romans übernehmen; selbst der König wurde nicht übergangen. Der Mutter ward das Produkt mitgeteilt, und diese, statt das Vergehen der Kinder gegen den Vater zu rügen, ergötzte sich an dem satirischen Talente, welches sich darin aussprach.

Im Sommer 1729, als die königliche Familie sich einige Zeit in Wusterhausen aufhielt, hatte sich der Zorn des Königs gegen das ältere Geschwisterpaar in solchem Grade erhöht, dass er sie ganz, die Mahlzeiten ausgenommen, aus seiner und aus der Königin Gegenwart verbannte. Nur ganz insgeheim, des Nachmittags, wenn der König seinen Spaziergang machte, durfte sich die Mutter des Umganges mit ihren Kindern erfreuen; dabei wurden jedes Mal Wachen aufgestellt, um sie von der Rückkehr des Königs zu benachrichtigen, von dem man sich, wenn er die Übertretung seines Befehles wahrgenommen hätte, keiner glimpflichen Behandlung gewärtigen durfte. Eines Tages hatten die Wachen jedoch ihren Auftrag so schlecht besorgt, dass man plötzlich, ganz unvorbereitet, den wohlbekannten Schritt des Königs auf dem Gange hörte; das Zimmer der Königin hatte keinen zweiten Ausgang, und so blieb kein anderes Rettungsmittel, als dass der Prinz eilig in einen Wandschrank schlüpfte, während die Prinzessin sich unter dem Bette der Königin versteckte. Aber der König, ermüdet von der Hitze, setzte sich auf einen Sessel und schlief zwei lange Stunden, während welcher die Geschwister es nicht wagen durften, ihre sehr unbehaglichen Gefängnisse zu verlassen.

Andere Übertretungen der Befehle des Königs gaben zu ähnlichen Szenen Anlass. Der Kronprinz hatte bei einem Besuche in Dresden den vorzüglichen Flötenspieler Quantz kennen gelernt. Er wünschte aufs Lebhafteste, durch diesen im Flötenspiel vervollkommnet zu werden; die Königin, die diese Neigung gern begünstigte, suchte Quantz für ihre Dienste zu gewinnen. Doch wollte ihn der König August nicht von sich lassen; er gab ihm indes die Erlaubnis, jährlich ein paar Mal nach Berlin zu gehen, um den Kronprinzen wenigstens in den Hauptbedingungen eines vorzüglicheren Flötenspieles zu unterrichten. Natürlich durfte der König von Preußen von diesen Reisen und Unterrichtsstunden gar nichts wissen. Einst saß der Kronprinz in aller Gemächlichkeit mit seinem Lehrer beisammen; statt der beklemmenden Uniform hatte er einen behaglichen Schlafrock von Goldbrokat angelegt; die steife Frisur war aufgelöst und die Haare in einen bequemen Haarbeutel gesteckt.

Plötzlich sprang der Freund des Kronprinzen, der Lieutenant von Katte, herein und meldete, dass der König, dessen Erscheinung man zu dieser Stunde gar nicht vermutete, ganz in der Nähe sei. Die Gefahr war groß, und wie der Schlafrock des Kronprinzen, so war der rote Rock des Flötenbläsers – eine Farbe, gegen die der König besonderen Widerwillen hegte – keineswegs geeignet, das Unwetter, das man befürchten musste, zu besänftigen. Katte ergriff rasch den Kasten, welcher Flöten und Musikalien enthielt, nahm den Musikmeister bei der Hand und flüchtete mit diesem in ein kleines Kämmerchen, welches zum Heizen der Öfen diente; Friedrich hatte eben nur Zeit, die Uniform anzuziehen und den Schlafrock zu verbergen. Der König wollte selbst einmal Revision im Zimmer des Sohnes halten. Dass hier nicht alles ganz richtig sei, ward er bald an dem Haarbeutel gewahr, der mit der Uniform des Kronprinzen in keinem reglementsmäßigen Einklange stand. Nähere Untersuchungen ließen ihn die Schränke hinter den Tapeten entdecken, in denen die Bibliothek und die Garderobe der Schlafröcke enthalten waren. Die letzteren wanderten augenblicklich in den Kamin, die Bücher wurden dem Buchhändler übergeben. Der zitternde Flötist blieb glücklicherweise unentdeckt; doch hütete er sich, so lange seine Besuche heimlich fortgesetzt wurden, je wieder in einem roten Rocke zu erscheinen.

Andere Dinge waren vielleicht in noch größerem Maße, wenn der König von ihnen Kunde erhielt, Schuld an seiner Erbitterung gegen den Kronprinzen. Friedrich war in die Jahre getreten, in denen die erwachte Natur ihr Recht forderte; ein Besuch mit dem Vater an dem grenzenlos üppigen Hofe zu Dresden im Januar 1728 hatte ihm Bilder gezeigt, die er bis dahin nie gesehen und die nun seine Phantasie umfangen hielten. Für einen Königssohn, mag er auch noch so eng bewacht sein, sind die Bande der Sitte immer leicht zu überspringen, wenn keine abmahnende Stimme des Innern ihn zurückhält; hilfreiche Hände sind für den Hochstehenden nur zu häufig bereit. Einen Vertrauten erwarb sich der Kronprinz zunächst an dem Lieutenant von Keith, einem Leibpagen des Königs, der, sanft und teilnehmend, die bedrückten Verhältnisse des Prinzen mit Kümmernis ansah und seine Stellung gern dazu benutzte, jenen so oft als möglich von dem Vorhaben und den Stimmungen des Königs zu unterrichten, wodurch denn mancher unangenehmen Szene vorgebeugt ward. Keith leistete auch bei den verliebten Abenteuern des Kronprinzen getreue Pagendienste. Das unregelmäßige Leben des Letzteren noch mehr zu begünstigen, diente zugleich der Umstand, dass um eben diese Zeit seine Hofmeister ihres bisherigen Dienstes entlassen wurden. Dies geschah auf den Rat des Generals Grumbkow, dessen österreichischen Interessen der Oberhofmeister, Graf Finkenstein, den die Königin zu dieser Stelle erwählt hatte, im Wege stehen mochte; er bedeutete den König, dass der Prinz nunmehr in das Alter getreten sei, in welchem sich eine Aufsicht solcher Art nicht mehr zieme. An die Stelle der Hofmeister traten nun zwei Gesellschafter, die aber keine nähere Aufsicht zu führen hatten, der Oberst von Rochow und der Lieutenant Freiherr von Keyserling. Letzterer, ein junger Mann von lebhaftem Geiste, Anmutiger Bildung und der heitersten Gemütsart, wurde nachmals der innigste Freund des Kronprinzen; auch schon jetzt entwickelte sich ein näheres Verhältnis, doch wurde Keyserling vor der Hand nicht eigentlicher Vertrauter, wie es Keith war.

Das stete Zusammenhalten des Kronprinzen mit Keith war dem König aufgefallen und von ihm nicht mit günstigen Augen angesehen; Keith wurde nach einiger Zeit nach dem fernen Wesel in ein Regiment versetzt. Doch nützte diese Trennung wenig. Der Kronprinz fand bald einen zweiten Liebling an dem Lieutenant von Katte, der für ihn ungleich gefährlicher war als jener.

Hans Hermann von Katte – 1704 – 1730

Katte wusste ebenfalls durch seine Bildung und Anmut des Gespräches einzunehmen, obgleich sein Äußeres wenig anziehend war und die zusammengewachsenen dunkeln Augenbrauen seiner Physiognomie einen unheilverkündenden Ausdruck gaben. Dabei war er, selbst ohne sittlichen Halt, nur zu sehr geeignet, den Kronprinzen in seinen Ausschweifungen zu bestärken; auch wusste er mit klügelnder Philosophie eine solche Lebensweise zu beschönigen, indem er sich aus halbverstandener Kathederlehre ein System der Vorherbestimmung zusammengesetzt hatte, demzufolge der Mensch sich ohne eigenen Willen, somit ohne Schuld, der über ihn verhängten Sünde zu ergeben habe. An dem Kronprinzen fand er für solche Lehren einen teilnehmenden Schüler. Endlich besaß Katte nicht einmal die für eine so gefährliche Stellung nötige Besonnenheit; er prahlte gern mit der Gunst, die ihm der Kronprinz erwies, er zeigte überall dessen Briefe vor, und gar manches hiervon mag dem König ohne sonderliche Schonung hinterbracht worden sein.

Schon suchte der König absichtlich die Gelegenheit auf, um den Kronprinzen empfindlich zu kränken. An schimpflichen Reden und an schimpflicher Behandlung fehlte es nicht. Der Kronprinz musste eine Zeitlang Fähnrichs-Dienste tun. In öffentlicher Gesellschaft musste er wiederholt von dem Könige die verächtlichen Worte hören, dass, wenn ihn, den König, sein Vater auf ähnliche Weise behandelt hätte, er tausendmal davon gelaufen wäre; aber dazu gehöre mehr Mut, als der Kronprinz besitze. Wo der König ihm begegnete, drohte er ihm mit aufgehobenem Stocke, und schon versicherte der Kronprinz seiner älteren Schwester, dass er nicht mehreres, als was bisher geschehen sei, mit der schuldigen Ehrerbietung ertragen könne; käme es je zu tätlicher Misshandlung, so werde er in der Tat sein Heil in der Flucht suchen. Mehrfach und dringend verlangte der König, der Kronprinz solle dem Thronrechte entsagen, damit dasselbe auf den zehn Jahre jüngeren Sohn, August Wilhelm, der sich durchaus fügsam gegen den Vater bewies und von diesem bei jeder Gelegenheit vorgezogen wurde, übergehen könne. Aber der Kronprinz erwiderte, er wolle sich eher den Kopf abschlagen lassen, als sein gutes Recht aufgeben; endlich erklärte er sich dazu unter der Bedingung bereit, dass der König in einem öffentlichen Manifest als Ursache seiner Ausschließung von der Thronfolge bekannt mache, er sei von ihm kein leiblicher und ehelicher Sohn. Auf solche Bedingung konnte freilich der Vater, seiner Gesinnung gemäß, nicht eingehen.

Zu alledem kam endlich der Umstand, dass die Beschäftigungen und die Vergnügungen, welche der Kronprinz hinter dem Rücken des Vaters trieb, ohne mehr oder weniger bedeutende Geldmittel nicht ausführbar waren. Zwar war die sogenannte kronprinzliche Kasse sehr vermögend, doch nützte ihm dies zu nichts, da er selbst nur über sehr geringe Summen zu verfügen hatte. Er sah sich also genötigt, bei fremden Leuten Geld aufzunehmen. Der Vater erfuhr, dass er von berlinischen Kaufleuten eine Summe von 7.000 Talern entliehen habe; und sogleich erschien, im Januar 1730; ein geschärftes Edikt wider das Geldleihen an Minderjährige, worin es auch namentlich verboten wurde, dem Kronprinzen, sowie den sämtlichen Prinzen des königlichen Hauses Geld zu borgen, und worin gegen die Übertreter des Gesetzes Karrenstrafe, selbst Todesstrafe verhängt wurde. Der König hatte die 7.000 Taler bezahlt und der Kronprinz, auf weiteres Befragen, noch eine geringe Summe genannt, als welche er außerdem schuldig sei; aber die Gesamtmasse seiner Schulden überstieg das Doppelte jener großen Summe.

Das Schuldenmachen war es ohne Zweifel, was den Charakter des Königs am Empfindlichsten berührte; wenigstens hat er später, als der Gewitterstrahl auf das Haupt des Kronprinzen herabgefallen war und als dem Letzteren seine Vergehungen vorgehalten wurden, gerade diesen Punkt unter allein bisher Geschehenen als den bedeutendsten hervorgehoben. So konnte ihn sein aufbrausender Jähzorn, der ihm öfters alle Besinnung zu rauben schien, zu Szenen verleiten, wie die, von der wir jetzt Bericht geben müssen. Wir können das Bild dieser Szene nicht übergehen, da es zum Verständnis alles dessen, was nun erfolgte, wesentlich nötig ist, und da man nur, wenn man auf dasselbe zurückblickt, die Größe der später eintretenden Versöhnung zu würdigen vermag. Wir geben die Szene mit den Worten, mit denen sie von Friedrichs älterer Schwester, in den Memoiren ihres Lebens, aus denen wir schon so manchen charakteristischen Zug aus Friedrichs Jugend entnommen haben, selbst erzählt wird – oder vielmehr mit Friedrichs eigenen Worten, die die Schwester in ihren Memoiren anführt. (siede Band 140e dieser gelben Buchreihe: Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth) „Man predigt mir alle Tage Geduld (so sagte Friedrich zur Schwester, als er sie einst heimlich besuchte), allein niemand weiß, was ich ertragen muss. Täglich bekomme ich Schläge, werde behandelt wie ein Sklave und habe nicht die mindeste Erholung. Man verbietet mir das Lesen, die Musik, die Wissenschaften, ich darf fast mit niemand mehr sprechen, bin beständig in Lebensgefahr, von lauter Aufpassern umgeben, mir fehlt es selbst an der nötigen Kleidung, noch mehr an jedem anderen Bedürfnis, und was mich endlich ganz überwältigt hat, ist der letzte Auftritt, den ich in Potsdam mit dem König hatte. Er lässt mich des Morgens rufen; so wie ich eintrete, fasst er mich bei den Haaren, wirft mich zu Boden, und nachdem er seine starken Fäuste auf meiner Brust und meinem ganzen Leibe erprobt hat, schleppt er mich an das Fenster und legt mir den Vorhangstrang um den Hals. Glücklicherweise hatte ich Zeit gehabt, mich aufzuraffen und seine beiden Hände zu fassen; da er aber den Vorhangstrang aus allen Kräften zuzog, und ich mich erdrosseln fühlte, rief ich endlich um Hilfe. Ein Kammerdiener eilte herbei und befreite mich mit Gewalt aus des Königs Händen. Sage nun selbst, ob mir ein anderes Mittel übrig bleibt als die Flucht? Katte und Keith sind bereit, mir bis ans Ende der Welt zu folgen; ich habe Pässe und Wechsel und habe alles so gut eingerichtet, dass ich nicht die geringste Gefahr laufe. Ich entfliehe nach England; dort empfängt man mich mit offenen Armen, und ich habe von des Königs Zorn nichts mehr zu fürchten. Der Königin vertraue ich von allem diesem nichts – weil sie, wenn der Fall eintritt, imstande sein soll, einen Schwur abzulegen, dass sie nichts von der Sache gewusst hat. Sobald der König wieder eine Reise außerhalb seiner Staaten macht – denn das gibt mir viel mehr Sicherheit – ist alles zur Ausführung bereit.“ Die Prinzessin wandte alles an, um ihrem Bruder das gewagte Vorhaben auszureden, aber erneute Misshandlungen dienten nur, ihn darin zu bestärken.

Eine günstige Gelegenheit zur Ausführung dieses Vorhabens schien sich bald darzubieten, indem der König im Mai 1730 mit seinen sämtlichen Prinzen und einer großen Menge der angesehensten Offiziere nach Sachsen ging, um an dem glänzenden Lustlager, welches der König von Polen und Kurfürst von Sachsen, August II., zu Mühlberg veranstaltet hatte, teilzunehmen.

August II., König von Sachsen und Friedrich Wilhelm II. von Preußen

Das phantastische Schaugepränge, mit welchem der preußische Hof hier aufgenommen wurde, übertünchte nur schlecht den drohenden Zwiespalt zwischen Vater und Sohn; auch wurde die aufgeregte Stimmung des Königs nur vermehrt, als er, nicht ohne guten Grund, wahrzunehmen glaubte, dass all diese prunkvollen Freundschaftsbezeugungen von Seiten des polnischen Königs nur leerer Schein waren, dass König August ihn hierdurch nur sicher zu machen suchte, während er selbst insgeheim die eifrigsten Ansprüche auf jene jülich-belgische Erbfolge geltend machte. Der Kronprinz Friedrich ließ indes den Kabinetsminister des Königs von Polen durch den Lieutenant von Katte um Postpferde für zwei Offiziere bitten, welche inkognito nach Leipzig zu reisen wünschten. Der Minister aber schöpfte Verdacht, teilte das Anliegen seinem Könige mit, und August, dem für jetzt das äußere gute Vernehmen mit dem preußischen Könige sehr wichtig war, drang dem Kronprinzen das Versprechen ab, seinen Vater wenigstens während des Aufenthaltes in Sachsen nicht zu verlassen. So war Friedrich vor der Hand zur Ruhe genötigt, und seine Ungeduld musste eine bessere Gelegenheit zu erhaschen suchen. Aber schon war für ihn bei längerer Zögerung größere Gefahr im Anzuge; denn unbedacht hatte er manch ein Wort über sein Vorhaben fallen lassen, und der König war gewarnt. Durch erneute Härte der Behandlung, selbst im sächsischen Lager, suchte dieser den Sinn des Kronprinzen zu beugen; natürlich aber brachte ein solches Verfahren nur die entgegengesetzte Wirkung hervor.

Inzwischen schien sich ganz plötzlich von einer anderen Seite die günstigste Aussicht zur Umgestaltung von Friedrichs peinlicher Lage zu eröffnen. Es ist bereits erwähnt worden, dass die kriegerischen Verhältnisse, in denen Friedrich Wilhelm gegen England gestanden hatte, im Anfange dieses Jahres beigelegt waren. Der englische Hof meinte diesmal die Versöhnung so aufrichtig, dass ein außerordentlicher Gesandter nach Berlin geschickt wurde, jene Doppelheirat aufs Neue zu beantragen und, wenn möglich, zum festen Abschluss zu bringen. Aber man wollte sich zugleich der wirklichen Freundschaft des Königs versichern und ihn aus den Intrigen der österreichischen Partei befreit wissen: Man verlangte zu dem Ende Grumbkows Entfernung vom Hofe, indem man durch vollgültige Zeugnisse die verräterische Verbindung desselben mit dem österreichischen Hofe darzutun imstande war. Bei so dringender Gefahr wandte die österreichische Partei alles an, um den König in seiner bisherigen Gesinnung festzuhalten, und es gelang nur zu gut. Der König vergaß sich persönlich gegen den englischen Gesandten, und dieser fand es mit seiner Würde unverträglich, die Unterhandlungen fortzusetzen. So erlosch dieser kurze Hoffnungsschimmer so schnell, wie er aufgetaucht war; dem König war neuer Anlass zum Groll gegeben, und der Kronprinz sah keinen anderen Ausweg aus diesem Labyrinthe vor sich, als beschleunigte Flucht.

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Sechstes Kapitel – Fluchtversuch

Sechstes Kapitel – Fluchtversuch