Frau gönnt sich ja sonst nichts - Marie Matisek - E-Book

Frau gönnt sich ja sonst nichts E-Book

Marie Matisek

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Beschreibung

Marie Matisek beschreibt in ihrem Memoir, wie aus der verlassenen, gestressten Ehefrau und Mutter eine attraktive, lebenslustige 50-Jährige wird, die einen Neuanfang wagt. Kurz vor Marie Matiseks 50. Geburtstag, nach zwanzig mehrheitlich glücklichen Ehejahren, verlässt ihr Mann sie. Einer Jüngeren wegen. Trotz der verletzten Gefühle erkennt die Bestsellerautorin und Mutter zweier Teenager die große Chance, die sich ihr so unerwartet bietet: Ein Neuanfang. Nach zwei Wochen Schockstarre und Trauer fängt sie neu an. Sie befreit sich von den alten Lasten und zwar äußerlich wie innerlich. Von der Hausentrümpelung, über die seelische Reinigung bis hin zum Kurzhaarschnitt. Von dieser wundersamen Verwandlung der gestressten, fremdbestimmten Ehefrau wieder hin zur attraktiven, lebenslustigen Frau in den besten Jahren berichtet sie. Und man weint, staunt und lacht mit ihr.

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Seitenzahl: 235

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Marie Matisek

Frau gönnt sich ja sonst nichts

Wie sich die Trennung von meinem Mann unverhofft als Glücksfall erwies

Knaur e-books

Über dieses Buch

Kurz vor Marie Matiseks 50. Geburtstag, nach 20 mehrheitlich glücklichen Ehejahren, verlässt ihr Mann sie. Einer Jüngeren wegen. Trotz der verletzten Gefühle erkennt die Bestsellerautorin und Mutter zweier Teenager die große Chance, die sich ihr so unerwartet bietet: ein Neuanfang. Sie befreit sich von den alten Lasten, und zwar äußerlich wie innerlich. Von der Hausentrümpelung über die seelische Reinigung bis hin zum Kurzhaarschnitt. Marie Matisek berichtet von dieser wundersamen Verwandlung der gestressten, fremdbestimmten Ehefrau in eine attraktive, lebenslustige Frau in den besten Jahren. Und man weint, staunt und lacht mit ihr.

Inhaltsübersicht

WidmungMottoVorwortBevor es losgehtBlick zurückDie FrauDer MannDie KinderDie TiereDie MütterDie andereDie FreundeDie ZeitDie VerwandlungDer MarktDer BluesDie ReiseDer SchnittBlick nach vorn
[home]

Für Kasper, den treuesten Gefährten

[home]

Yes, it’s a good day for singing a song,

And it’s a good day for moving along;

Yes, it’s a good day, how could anything go wrong

A good day from morning till night

 

Yes, it’s a good day for shining your shoes,

And it’s a good day for losing the blues;

Everything to gain and nothing to lose,

Cause it’s a good day from morning till night

 

I said to the Sun, »Good morning sun,

Rise and shine today«,

You know you’ve gotta get going

If you’re gonna make a showing

And you know you’ve got the right of way

 

’Cause it’s a good day for paying your bills;

And it’s a good day for curing your ills,

So take a deep breath and throw away your pills;

’Cause it’s a good day from morning till night

 

(Peggy Lee, It’s a Good Day)

[home]

Vorwort

»Wir müssen reden.«

Nach so einer Gesprächseinleitung folgt unweigerlich etwas Unangenehmes. Ich weiß das sehr wohl, und deshalb mag ich jetzt nicht so gern mit Torsten, meinem Mann, reden. Also über Probleme reden. Ansonsten rede ich gern und viel, darüber, dass irgendjemand nicht die Waschmaschine ausgeräumt hat, der Nachbar Plastiktüten in den Papiermüll schmeißt und die Mathelehrerin unseres Sohnes eine hundsgemeine … Sie wissen schon.

 

»Wir müssen reden.« Ach nee, lass mal, denke ich. Ich weiß doch, jetzt kommen Dinge auf den Tisch, über die ich alles andere tun will als reden. Verdrängen, vergessen, leugnen.

In letzter Zeit sagt Torsten den Satz sehr oft. »Wir müssen reden.« Und ich ahne, ich komme nicht darum herum. Um die ganz große Aussprache.

Nun ist es beileibe nicht so, dass wir gar nicht miteinander reden. Torsten und ich tauschen uns eigentlich permanent aus und sind in den grundlegenden Dingen – Politik, Essen und Trinken, Kinder- und Hundeerziehung – häufig einer Meinung. Und darum drehen sich dann auch unsere Gespräche – um Beruf und Kinder, Freunde und Familie und manchmal um Trump und den Brexit.

Mir reicht das eigentlich, ich bin eher pragmatisch und – das glaube ich zumindest – im Großen und Ganzen recht glücklich mit diesem unserem Leben. Dass ich in dieser Hinsicht einer großen Illusion erlegen bin, weiß ich heute, und diese Erkenntnis habe ich Torsten zu verdanken, aber dazu später.

 

»Wir müssen reden«, sagt mein Mann, und weil ich nur freundlich, aber abwesend nicke, schiebt er den Satz »Ich habe eine Freundin« hinterher.

Ich starre Torsten an. Zwanzig Jahre sind wir verheiratet, und das, was er da eben gesagt hat, hat er doch nicht wirklich gesagt.

Oder?!

 

»Ich habe eine Freundin« – dieser Satz gehört in Bücher, in Filme, in andere Familien, aber nicht in mein Leben!

Mir schießt durch den Kopf, dass ich möglicherweise über ein neues Romanprojekt nachgedacht habe, schließlich gibt es auch in meinen Geschichten die eine oder andere Geschiedene, Betrogene, Verlassene. Aber die tiefen Sorgenfalten über dem traurigen Hundeblick meines Gegenübers kann ich nicht fehlinterpretieren.

Es stimmt.

Er hat es gesagt.

Gerade eben.

Hier in unserer Küche.

Mein Leben bricht auseinander.

Dabei kommt auf mich ohnehin ein Jahr der Zäsuren zu: Unsere Tochter wird achtzehn, macht Abitur und geht auf Weltreise. Danach beginnt sie ein Studium in einer anderen Stadt und zieht von zu Hause aus.

Ich werde fünfzig und möchte nach zwölf Büchern endlich einmal eine Schreibpause einlegen.

Eigentlich finde ich, das reicht an Umwälzungen für ein Jahr.

Ich muss an meine Oma denken, die munter zu sagen pflegte: »Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.« Nun, im Moment sieht es ein bisschen anders aus – Torsten hat eher den Strom ganz abgedreht, und in meinem Dunkel leuchtet nicht einmal die kleinste Funzel.

 

Nun ist es nicht so, dass die Offenbarung meines Mannes ganz und gar überraschend kommt. Dass er eine Freundin hat, das schon. Aber dass in unserer Ehe nach zwanzig Jahren nicht mehr nur eitel Sonnenschein herrscht, das ist sogar an mir, der ganz großen Konfliktvermeiderin, nicht spurlos vorübergegangen.

Zwanzig Jahre Hamsterrad haben bei mir ihre Spuren hinterlassen. Ich habe für die Kinder gesorgt, mich um Haushalt und Haustiere gekümmert, Arzttermine im Kopf behalten und die Steuer gemacht.

Habe pausenlos gearbeitet, meinen Papa zu Grabe getragen und mich um meine Mama gekümmert. Freunde bekocht und den Motivationstrainer für meinen Mann gegeben.

Dabei bin ich dicker, grauer und müder geworden. Und zum Schluss war ich eine Frau, die ich selbst nicht mehr mochte.

 

Ein neues Leben wartet also. Ein Leben ohne Torsten. Wie geht das? Wie wird das sein? Eine Katastrophe? Nur, weil mein Mann mich verlassen hat?

Ich kenne doch diese simpel gestrickten Tränendrüsen-Filme, ich weiß genau, wie das läuft! Patente Frau wird von wohlhabendem, aber gefühlskaltem Ehemann hintergangen und ums Geld gebracht. Steht da mit den drei Kleinen, lässt sich nicht unterkriegen, packt das Leben an und jede Gelegenheit beim Schopf, wird mit selbst gekochter Marmelade reich und berühmt und ehelicht zum Schluss den netten Tierarzt von nebenan.

Marmelade einkochen, damit reich werden und den netten Tierarzt ehelichen, kommt als Option für mich gerade nicht infrage, aber ich bin trotzdem nicht bereit zu akzeptieren, dass mein Leben plötzlich ins Tragische kippen soll.

 

Also haben wir geredet. Anschließend habe ich eine einwöchige Schockstarre erlebt, eine ebenso lange Trauerphase, aber dann bin ich sehr schnell aufgewacht. Habe mich gefragt, ob denn jetzt wirklich alles den Bach runtergeht. Ob ich das will. Heulen und streiten. Die besorgten und traurigen Gesichter unserer Kinder. Mich mit meinem Mann zerfleddern, den ich liebe und mit dem ich alt werden wollte.

Muss das so sein? So enden? Was macht das mit mir?

Lasse ich mich von der neuen und zugegebenermaßen beschissenen Situation unterkriegen, oder schaffe ich es, die Sache mit heiler Haut zu überstehen? Mit ein bisschen »Ommm« und guter Laune ist das nicht wieder hinzubiegen, aber vielleicht könnte das ein Anfang sein?

Ich versuche, die Situation in einem anderen Licht zu sehen.

Trennung als Chance.

 

»Mama, du bist voll super«, sagen meine Kinder, nachdem ich ihnen verkünde, dass ich mich nicht unterkriegen lasse. Da ist Torsten – mein Mann, ihr Vater – gerade mit seiner Reisetasche aus der Tür gegangen. Zu seiner neuen Freundin. Ich traue meinen Worten selbst nicht so ganz, aber dass die Kinder an mich glauben und mir den Rücken stärken, macht mir Mut. Ich will das schaffen. Und ich will es gut schaffen.

Mit fünfzig ein neues Leben wagen.

Kopfüber in die Zukunft!

Geht das?

[home]

Bevor es losgeht

Oder: Ohne Sabine geht hier (fast) gar nichts

Es ist gerade einmal drei Jahre her, da besuche ich kurz vor Weihnachten mit meinen zwei besten Freundinnen Sabine und Julia einen Weihnachtsmarkt. Sabine ist wie ich verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Mann Nils ist ein »sperriger« Typ, ich bemühe mich seit vielen Jahren, Sabine nicht spüren zu lassen, dass ich Nils nicht mag. Deshalb fällt es mir auch schwer, einigermaßen neutral zu bleiben, als sie Julia und mir, angefeuert vom Glühwein, von ihren Eheproblemen erzählt.

»So ein Sack!«, »Das geht ja mal gar nicht!«, »Das musst du dir nicht bieten lassen, nicht von dem!«, »Mädels, noch ’nen Glühwein?«, »Dieser Arsch!« sind noch die harmloseren Kommentare.

Sabine hat schon seit Längerem einiges auszuhalten, und wann immer ich sie besucht habe und Zeuge sein durfte, wie Nils sehr spät sehr schlecht gelaunt von der Arbeit kam, seine Aktentasche in die Ecke pfefferte, sich ein Glas Rotwein wie Wasser hinter die Binde kippte und Sabine wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten anmeckerte, war ich heilfroh, wenn ich in meine eigene Ehe-Gemütlichkeit zurückkehren durfte. So einen groben Klotz wie Nils hatte ich nicht zu Hause!

 

(In Gedanken spielte ich Torsten gern gegen Nils aus.

Gerade, wenn man mit seinem Partner ein bisschen unzufrieden ist, freut man sich ja, wenn andere – vermeintlich – noch schlechter dran sind. Schadenfreude nennt man diesen unschönen Charakterzug, den ich bei anderen gar nicht mag, wenngleich ich selbst nicht dagegen gefeit bin.)

 

Nils war nicht ein klitzekleines Fünkchen romantisch, wohingegen Torsten mir Schmuck, Dessous und tolle Klamotten schenkte – Sachen, die ich nie getragen habe, weil sie meinen Geschmack nicht hundertprozentig trafen. Gesagt habe ich nie etwas, weil ich nicht unromantisch wirken wollte wie ein Klotz. Shame on me.

Nils brüllte in einem fort entweder Sabine oder die Kinder an. Mein Mann brüllte nur allein in seinem Büro (wobei manches Mal auch etwas zu Bruch ging. Meine Lieblingsteetasse zum Beispiel).

Nils trug im Urlaub offene Sandalen und kurze Hosen und das, obwohl weder seine Waden noch seine Füße ein angenehmer Anblick waren. Torsten dagegen legte großen Wert darauf, auch bei größter Hitze nichts zur Schau zu stellen, was die Augen anderer möglicherweise beleidigen konnte.

(Das änderte sich, als er sich ein Tattoo machen ließ. Plötzlich wollte er allen Ernstes Tanktops tragen! Rückblickend mache ich seine damals frische Affäre mit der um einiges jüngeren Frau dafür verantwortlich.)

 

Nils machte jedes Mal großes Theater, wenn Sabine einen netten Abend ohne ihn verbringen wollte – was selten genug vorkam. Torsten freute sich, wenn ich mich ohne ihn verabredete und fröhlich und angeschickert von meinen Mädelsabenden nach Hause kam. Das Komische war nur: Wenn Nils gemeinsam mit Sabine zu Freunden eingeladen war, kam er nicht mit und schickte sie allein los. Wenn er sie doch einmal begleitete, gab er sich ausgesprochen stoffelig, schlief manchmal sogar in der Gesellschaft ein, sodass Sabine sich wünschte, ihre Spaßbremse wäre zu Hause geblieben.

Das allerdings hat Torsten mit Sabines Ex-Ehemann gemein. Zu fünfzig Prozent unserer Einladungen musste ich allein gehen. Und meinen Mann halb gar entschuldigen.

(Heute denke ich: Was für ein Fehler! Wie blöd war ich eigentlich? Warum bin ich nicht allein hingegangen und habe gesagt, wie es ist: Torsten hat einfach keinen Bock!)

 

Aber Schluss mit Nils, um den geht es hier ja gar nicht. Sabine meint allerdings, sie solle auch mal ein Buch über ihre Ehe und die Trennung schreiben. Das müsse dann aber ganz anders heißen!

 

Zurück zu jenem bemerkenswerten Winterabend.

Damals beschwert sich Sabine also über die Lieblosigkeit in ihrer Ehe, völlig zu Recht, wie Julia und ich meinen. Julia, die seit langen Jahren Single ist und trotz ihres unglaublich guten Aussehens und wunderbaren Charakters einfach keinen Mann findet, wirft vorsichtig ein, dass sie sich nicht vorstellen könne, mit einem Mann wie Nils verheiratet zu sein. Dann sei sie schon lieber Single.

Sabine und ich sehen uns mitleidig an. Julia hat ja keine Ahnung! Was wir erleben, ist doch normal! Und wer will schon so ein trauriges Single-Dasein führen wie Julia? Da bleiben wir doch lieber verheiratet, machen so weiter wie bisher und lassen ab und zu bei den Freundinnen Dampf ab.

(Drei Jahre später – also heute – sind Sabine und ich Single, und Julia hat die Liebe ihres Lebens kennengelernt.)

Sabine kotzt sich also mal wieder so richtig aus, aber wie das immer so ist, wenn man seinen Ehemann vor anderen in den Schmutz zieht, tut es einem mit erhöhtem Glühweinpegel auch wieder leid, und man verteidigt den Sack vor den Angriffen der Freundinnen. Der Abend auf dem Weihnachtsmarkt endet also wie gewöhnlich: Nils ist eigentlich ganz okay, und Sabine ist froh, dass sie ihn hat, und eigentlich liebt sie ihn ja auch.

Ich bin kaum zu Hause angekommen, da klingelt das Telefon: Sabine. Ihre Stimme schnappt über, und es klingt fast so, als würde sie hyperventilieren. Was sie sagt, haut mich dann auch aus den Latschen: »Ich hab Nils rausgeschmissen! Er geht fremd – seit Jahren schon!«

Atemlos klärt sie mich auf. Als sie nach Hause kam, schlief Nils vor dem Computer. Sabine wollte das Ding ausstellen, doch dann sah sie, womit ihr Mann zuletzt beschäftigt war: Er chattete mit seiner Assistentin. Leider nicht beruflich. Sondern eindeutig privat. Sehr privat. Sabine beugte sich über die Schulter ihres schnarchenden Mannes und scrollte sich durch den Chatverlauf. Was sie las, nahm ihr den Atem. Ihr Mann hatte offensichtlich schon seit Langem eine Affäre mit seiner Assistentin. So lange, dass die Beziehung deutlich über ein rein sexuelles Verhältnis hinausging.

Sabine weckte Nils – sehr unsanft, darf man annehmen –, der Tropf gab schlaftrunken und verdattert alles zu und musste stante pede seine Siebensachen packen. Zwanzig Minuten später war er aus dem Haus, in das er nie wieder einziehen sollte.

 

Nach diesem Schockanruf brauche ich einen Schnaps und ein Gespräch mit meinem Mann. Auch Torsten ist fassungslos. Dieser Nils! Wie feige! Was für ein Schwein! Der hat doch zwei Kinder, wie kann er nur! Ein One-Night-Stand ginge ja vielleicht noch durch, aber ein Doppelleben – jahrelang! Torsten reagierte ebenso empört wie ich. Wir waren beide gleichermaßen schockiert über Nils’ infamen Vertrauensbruch, waren uns letztendlich aber einig: So richtig wunderte es keinen von uns. Nils war immer schon ein Sack gewesen.

 

Zu jener Zeit war Torsten schon seit ein paar Monaten mit seiner Freundin zusammen, und ich ahnte nicht, dass Sabines Geschichte drei Jahre später mir selbst widerfahren sollte. Ich wusste damals nicht, dass ich auch mit einem ebensolchen Sack verheiratet war.

 

Sabine hat in der Zeit nach Nils’ Rausschmiss fast alles anders gemacht als ich, daher kann sie meine Gelassenheit und gute Laune und das Gefühl der Befreiung nur zum Teil nachvollziehen. Ich dagegen verstehe die Streitlust, die Aggressionen nicht, mit denen sie ihrem Ex immer noch begegnet. Aber wir sind seit vierzig Jahren beste Freundinnen, sind im wahrsten Sinne des Wortes durch dick und dünn gegangen, und deshalb ist Sabine immer an meiner Seite und umgekehrt. Sie begleitet dieses Buch wie das kleine Teufelchen, das einem manchmal auf der Schulter sitzt und böse Kommentare abfeuert. Sabine sorgt dafür, dass ich mich manchmal an den Ohren ziehe und ermahne, nicht zu gütig mit Torsten ins Gericht zu gehen. Und nicht zu hart mit mir selbst.

 

Durch Sabine werde ich außerdem daran erinnert, dass ich mit meiner Geschichte nicht allein bin. Laut Statistischem Bundesamt[1] wurde im Jahr 2015 jede dritte Ehe geschieden. Die durchschnittliche Dauer einer solchen Ehe lag bei 14,7 Jahren – Torsten und ich liegen immerhin knappe sechs Jahre darüber. Das Durchschnittsalter der geschiedenen Männer lag hierbei bei 46,3 Jahren (Torsten ist nur wenig älter), das der Frauen bei 43,3 – ich liege also deutlich über dem Durchschnitt. Das kann man positiv interpretieren – hurra! Ich habe es länger geschafft! – oder auch ein bisschen schwarzsehen: Oje, ich bin älter als die anderen Geschiedenen. Ich entscheide mich immer für das halb volle Glas und freue mich, dass wir – insbesondere ich – etwas länger durchgehalten haben.

 

Noch interessanter als die Anzahl der Scheidungen ist eine Studie über Grund und Häufigkeit von Seitensprüngen. Die Georg-August-Universität Göttingen hat das an 3334 betrogenen Männern und Frauen untersucht. Teilgenommen haben 66% Frauen und 34% Männer – das spiegelt ungefähr das reale Verhältnis der Mann-Frau-Verteilung unter den Betrogenen wider.

Als Gründe für den Seitensprung werden an erster Stelle das Gesprächsverhalten der beiden Partner bei Problemen innerhalb der Partnerschaft genannt, an zweiter folgt die Art und Weise, in der der Partner negative Gefühle äußert, und an dritter Stelle schließlich – was wenig verwunderlich ist – kommen Sex und Erotik.[2]

Der Großteil der Betrüger versichert, dass er seinen Partner/seine Partnerin liebt und ihm/ihr eigentlich gar nicht untreu werden wollte. Erstaunlich ist auch, dass der One-Night-Stand bei den Seitensprüngen nur eine kleine Rolle spielt – ein Drittel bis knapp die Hälfte der Seitensprung-Beziehungen dauert ein halbes bis ganzes Jahr. Und 23% bis 29% halten sogar länger als ein Jahr.

 

An Torstens Seitensprung ist genau wie an dem von Sabines Mann Nils nichts Außergewöhnliches, Überraschendes – abgesehen davon, dass Torsten im Gegensatz zu Nils nicht mit einer Kollegin fremdgegangen ist, was ihn etwas von der Masse abhebt. Dadurch, dass ich mir die Durchschnittlichkeit seines Vertrauensbruchs vergegenwärtige, wird das, was mir im ersten Schockmoment als grausames Einzelschicksal erscheint, ziemlich banal. Das macht es moralisch nicht besser, auch nicht erträglicher, aber zu wissen, dass man nicht die einzige betrogene Ehefrau ist, hilft ungemein.

 

Ich habe, wie gesagt, Sabine an meiner Seite, meine Lieblingsleidensgenossin. Aber ich lerne nach meiner Trennung noch andere Menschen kennen, denen das Gleiche widerfahren ist. So oder ähnlich. Frauen wie Männer.

 

Wir sind nicht allein. Die meisten von uns Betrogenen haben es überlebt. Oft sogar ziemlich gut.

[home]

Blick zurück

Oder: Warum es mir so wichtig ist, zwanzig Jahre Ehe-Porzellan nicht zu zerschlagen

Torsten und ich haben uns auf den ersten Blick verliebt. Knall auf Fall und bis über beide Ohren. Wir waren, was man »füreinander geschaffen« nennt. Wir haben rasch geheiratet und eine Familie gegründet. Wunderbare Kinder großgezogen. Lange Jahre haben wir so etwas wie eine Bilderbuchehe geführt.

Dabei hatte ich, bevor ich Torsten traf, ganz andere Pläne, und vielleicht hätte mir das eine Warnung sein sollen. Dass eben doch alles anders kommt, als man denkt. Dass man sich, wie Bertolt Brecht es einst so klug in seiner Dreigroschenoper formuliert hat, keinen Plan machen soll:

Ja, mach nur einen Plan

sei nur ein großes Licht!

Und mach dann noch ’nen zweiten Plan

gehn tun sie beide nicht.

Der erste Plan war Karriere. Es sah wirklich gut aus, ich war auf dem besten Weg, eine erfolgreiche Dramaturgin zu werden. Schon während meines Studiums hatte ich am Theater gearbeitet, an großen Häusern und mit namhaften Regisseuren.

Seit ich das Theater für mich entdeckt hatte, zog ich das langweilige Studium plötzlich ganz schnell durch, und auf einmal gab es nur noch eines: Kunst machen! Dramaturgin werden! Fürs Theater leben! Ich hatte mich dem mit Leib und Seele verschrieben, an Kinder oder Heirat verschwendete ich keinen Gedanken. Die Partner, mit denen ich während meines Studiums und der ersten Berufsjahre mal kürzer, mal länger zusammen war, sahen das genauso. Im vollen Brustton der Überzeugung verkündete ich also meinen Eltern eines Abends kurz vor Weihnachten: »Enkel könnt ihr euch abschminken!«

Die Armen! Noch heute bricht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke. In meiner Erinnerung haben meine Eltern die Hiobsbotschaft, die ich ihnen so gnadenlos ins Gesicht schleuderte, gefasst aufgenommen. Wenn ich mir heute vorstelle, eines meiner Kinder würde mir so etwas antun – ich würde weinend zusammenbrechen!

Vielleicht konnten meine Eltern aber auch deshalb so cool bleiben, weil sie an Bertolt Brecht dachten: »Mach nur einen Plan …« Sie kannten mich ja, wussten, dass ich schon viele Pläne geschmiedet hatte. Allerdings: So ernst wie mit dem Theater war es mir noch nie gewesen.

 

Als ich Torsten kennenlernte, war ich gerade mal neunundzwanzig Jahre jung und Chefdramaturgin an einem mittelgroßen Dreispartenhaus. Natürlich konnte es nur ein Theatermensch sein, der mir so dermaßen den Kopf verdrehte, dass ich all meine Vorsätze, all meine schönen Karrierepläne über den Haufen warf.

 

Ein halbes Jahr, nachdem ich meinen Eltern eröffnet hatte, ich wolle niemals Kinder bekommen, war ich schwanger und verlobt. Das Theater konnte mich mal gernhaben, alles, was ich wollte, war Nachwuchs.

Schuld daran war Torsten, der genau wie ich auf dem besten Weg war, Karriere in unserer Branche zu machen. Im Grunde hätten wir Hand in Hand den Theaterhimmel erobern können, aber Torsten stellte sich seine Zukunft ganz anders vor als ich. Er hatte Familienpläne, was ungewöhnlich war für einen jungen Mann wie ihn – jedenfalls war er damals der erste Typ, der mir eröffnete, dass er sich Kinder wünsche. Das konnte ich zunächst nicht ganz ernst nehmen, ich fühlte mich auch gar nicht wirklich angesprochen, konnte mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet ich seinen Traum Realität werden lassen sollte.

 

Eines Abends, wir waren gerade mal ein paar Wochen zusammen, aber längst hatte Torstens Zahnbürste einen festen Platz an meinem Waschbecken, fragte er mich, wie mein Leben wohl in zwanzig Jahren aussehen würde. Ich dachte kurz nach und antwortete halb im Ernst, halb im Scherz: »Ich werde allein in einer großen Altbauwohnung in Berlin leben, mit einem Hund, vielen Büchern und einem Alkoholproblem. Vielleicht habe ich wechselnde jüngere Lover.«

Diese Zukunftsvision hat sich in meinem Kopf festgesetzt, und das, was ich da aus einer Laune heraus gesagt hatte, wurde für mich eine zunehmend gruseligere Vorstellung.

Dieser Horrorvision hatte Torsten es zu verdanken, dass ich Ja sagte. Und meiner Liebe zu ihm natürlich. Denn die Vorstellung, eine traurige Frau mittleren Alters zu sein, die sich an einem Glas Wein festklammert, während sie auf die vielen toten Seiten Papier in ihrem Regal starrt, an ihrer Seite ein Hund – der einzige Gefährte, der ihr geblieben ist –, war und ist noch heute dermaßen beklemmend, dass ich alles unternahm und in Zukunft unternehmen werde, damit sich diese Prophezeiung nicht erfüllt.

(Tatsächlich ist es jetzt, zwanzig Jahre später, fast genauso gekommen. Okay, ich habe weder eine große Altbauwohnung in Berlin oder sonst wo noch ein Alkoholproblem. Auch die jüngeren Lover sind ausgeblieben. Bis jetzt! Aber Hund und viele Bücher – diese Vision hat sich erfüllt. Bald wird auch das zweite Kind ausgezogen sein, und dann wohne ich tatsächlich allein.)

 

Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich auf eine große Bücherwand. Mein Sohn ist in der Schule, ich bin allein im Haus, es ist ganz ruhig, nur unter dem Tisch schnarcht mein Hund. Ich bin weit davon entfernt, traurig oder frustriert zu sein, ganz im Gegenteil: Ich bin glücklich, erfüllt und sehr entspannt. Ob ich mir ein Glas Wein einschenke? Nein, lieber doch nicht, ich mache mir noch einen Tee.

 

Ich habe also Torstens Antrag und den Verlobungsring angenommen, obwohl ich verloben spießig fand. Genau wie heiraten. Aber du meine Güte, dachte ich, ich breche mir ja keinen Zacken aus der Krone. Torsten wird glücklich sein, und ich bin ja sowieso schon schwanger, also was soll’s?! Aber wir feiern nicht, und seinen Namen nehme ich auch nicht an!

Wir haben natürlich doch gefeiert, es war ein wunderbares rauschendes Fest, ich war wahnsinnig glücklich und habe trotz meines Sechster-Monat-Bauchs bis in die frühen Morgenstunden getanzt.

Und seinen Namen habe ich selbstverständlich auch angenommen.

Mach nur einen Plan …

 

Unsere Tochter kam auf die Welt. Ich schwöre bis heute, dass ich ohne Torsten die Geburt niemals überstanden hätte. Es hat furchtbar lange gedauert (um ehrlich zu sein: durchschnittlich lang für eine Erstgebärende), und ich war verzweifelt, weil ich fest davon ausging, dass alle Frauen auf der ganzen Welt unter den schlimmsten Umständen Kinder bekommen können.

Nur. Ich. Nicht.

Ich habe mich in Torstens T-Shirt gekrallt, und er hat brav ein- und ausgeatmet, so wie wir es im Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatten. Ich musste es ihm nur nachmachen – und irgendwann war unsere Tochter da. Das erste große Geschenk in meinem, in unserem Leben.

Das zweite, unser Sohn, kam in kurzem Abstand hinterher. Eine klassische Familie. Papa, Mama, zwei Kinder. Ein Junge, ein Mädchen. Ein blondes und ein dunkelhaariges Kind. Beide gesund, klug und fröhlich. Mehr Glück geht nicht.

 

Diese Zeit der Geburt, der ersten Wochen, Monate und Jahre haben wir so intensiv gemeinsam gelebt, sind eng zu einer Familie zusammengewachsen, dass mir immer noch die Tränen kommen, wenn ich daran denke (vom Blues wird später noch die Rede sein).

Wieso entwickeln sich Paare auseinander, wenn sie so etwas gemeinsam erleben und dabei glückselig sind?

Ich finde, dieses wertvolle Gefühl der Familienzusammengehörigkeit darf man nicht verlieren. Niemals würde ich die Erinnerung auf dem Altar der Trennung opfern. Das ist es doch, was Torsten und mich im Kern immer zusammenhalten wird. Der Kitt unserer Ehe ist leider brüchig geworden, aber der Ursprung unserer Liebe, der ist noch immer da.

 

Bei unserer standesamtlichen Hochzeit sagte der Standesbeamte nicht, dass wir »uns immer lieben sollen, bis dass der Tod uns scheidet«, nein, er wünschte sich ganz simpel von uns, dass wir uns »immer lieb haben«.

Rückblickend denke ich, er wusste genau, wovon er sprach, zumal er zu Beginn der Trauung erzählt hatte, dass er selbst zweimal geschieden sei. Heute stelle ich mir unseren Standesbeamten als glücklichen Menschen vor, als einen, der all seine Ehefrauen immer noch sehr lieb hat. Genau das wünsche ich mir von mir und Torsten: dass wir nicht vergessen, was war. Dass wir zu dem stehen, was wir da angezettelt haben, zwanzig Jahre zuvor. Es ist schwer genug, sich einzugestehen, dass wir es nicht über die ganz lange Strecke geschafft haben, die Strecke bis zum gemeinsamen Altern, bis zum Tod. Aber wie stünde ich vor mir da, vor allem aber vor den Kindern, wenn ich eingestehen müsste, dass das, woran ich damals so geglaubt habe, viele Jahre, zwei Jahrzehnte lang, eigentlich nicht mehr als eine hundsgemeine Lüge war?

Denn so wirkt es auf mich, wenn Menschen, die viel zusammen durchgestanden haben, in Wut und Abneigung auseinandergehen. Die der Überzeugung zu sein scheinen, dass das, was hinter ihnen liegt, nicht wahr war. Nicht echt.

 

»Haha!«, ruft Sabine bei einem unserer vielen Treffen, die wir haben, seit wir unsere Männer aus dem Haus verbannt haben. »Wenn alles so himmlisch war, wie du behauptest, warum hat sich Torsten dann eine Jüngere geholt? Und du, by the way, ein Burn-out?«

Gute Frage, nächste Frage. Lange ist alles gut gegangen. Wir sind, wie die meisten Paare, eher unbemerkt in eine Schieflage geraten.

 

Die ersten Jahre mit zwei kleinen Kindern waren anstrengend, aufregend, spannend. Die permanente Anstrengung, die sich aus viel zu wenig Schlaf, eingeschränktem Bewegungsradius, weniger Geld gegen mehr Pflichten und vielen Mehrbelastungen zusammensetzt, wird ausgeglichen durch das Glück, das man (meistens jedenfalls, alle anderen können hier eigentlich aufhören zu lesen) empfindet. Alles war neu, nichts war Alltagstrott. Noch!

Wir hatten immer das Gefühl: Das schaffen wir. Vor allem ich habe mich daran festgehalten, dass der Stress abnimmt, wenn die Kinder »aus dem Gröbsten raus« sind.

Aber erstens: Wann sind sie das?

Und zweitens: Dass wir dann im Gröbsten drin sind, wenn die Kinder raus sind, stand nicht auf meinem Zettel.

 

Ich hörte mit der Geburt unserer Tochter auf zu arbeiten. Familie und Theater, das war mit meinem Dramaturgen-Job nicht kompatibel. Manchmal habe ich bis zu sechzig, siebzig Stunden in der Woche gearbeitet, auch dann, wenn andere Feierabend haben – und ins Theater gehen. Am Abend, am Wochenende, am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag und an Silvester sowieso, da gab’s eine Doppelvorstellung.

Torsten verdiente gut, sehr gut sogar, also stand es für uns beide außer Frage, dass ich erst einmal eine Auszeit nahm. Als der Zeitpunkt gekommen war, mich um eine Arbeit zu bemühen, wurde ich ein zweites Mal schwanger. In der Zeit begann ich trotzdem, mich beruflich neu zu orientieren – nicht fest angestellt, sondern selbstständig, aber frei von dem Zwang, unter allen Umständen Geld verdienen zu müssen.

Denkbar beste Bedingungen begleiteten mich: Mein Mann konnte unsere kleine Familie nicht nur locker allein finanzieren, er hatte auch so unregelmäßige Arbeitszeiten, dass er manchmal wochenlang zu Hause sein und mir den Rücken frei halten konnte. Was er auch sehr gut und gern machte. Torsten fütterte unseren Sohn mit abgepumpter Muttermilch, ging mit der Tochter zum Kinderschwimmen, während ich glücklich über meinen Drehbuchideen saß.

Ohne finanziellen Druck konnte ich mich also beruflich neu orientieren – was für ein Luxus!

 

In unserem Mietshaus wurde ein kleines Büro frei, das ich mir mit einem Kollegen teilte. Ich begann, tatsächlich fürs Fernsehen zu arbeiten, kleine Aufträge, nichts, was uns reich machte, aber es gab mir das Gefühl, dass ich mich in der neuen Branche etablieren und, wenn die Kinder größer wären, auch wieder Vollzeit arbeiten könnte.

Mach nur einen Plan …