Frau Kaiser und der Dämon - Ulla Garden - E-Book

Frau Kaiser und der Dämon E-Book

Ulla Garden

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Beschreibung

Leni Kaiser geht es schlecht. Nachdem ihr Mann Johannes sie vergewaltigt hat, liegt sie mit einer Hirnblutung und hochschwanger im Krankenhaus. Langsam kehren ihre Erinnerungen zurück. Doch Leni kann ihrem Mann verzeihen, den sie unerschütterlich liebt und der sich rührend um sie kümmert. Als ihre süßen Zwillinge geboren werden, scheint das Glück für sie vollkommen zu sein. Doch bald hat Johannes wieder mit unkontrollierbaren Wutanfällen zu kämpfen. Fühlt er sich von einer Frau bedrängt, wird er gewalttätig. Leni will Johannes helfen, seinem Trauma auf die Spur zu kommen. Aber er schweigt. Die Ehe mit ihrem Traummann entwickelt sich für Leni allmählich zum Alptraum. Siegt doch die Liebe? "Frau Kaiser und der Dämon" ist der Fortsetzungsroman von "Frau Kaiser und die Steine auf ihrem Weg".

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Seitenzahl: 456

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Inhalt

Impressum 2

1 3

2 14

3 26

4 36

5 61

6 76

7 104

8 125

9 133

10 166

11 180

12 195

13 236

14 248

15 274

16 293

Mein besonderer Dank gilt: 306

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-878-4

ISBN e-book: 978-3-99107-879-1

Lektorat: Susanne Schilp

Umschlagfoto: Tartilastock, Kseniia Ivanova, Yauheni Hastsiukhin | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

1

Johannes stöhnte kurz auf und schüttelte den Kopf. Er saß mit seiner Mutter Susanne und seinem Bruder Maximilian, den alle nur Max nannten, in einem Warteraum vor dem Operationssaal und hoffte, dass seine Frau Leni die Hirnblutung, die sie erlitten hatte, überleben würde. Zunächst war er voller Selbstmitleid und machte sich laut Vorwürfe, bis seine Mutter ihn anherrschte, dass seine Jammerei jetzt auch nichts helfen würde. Mal knetete er seine Finger, dann wieder drehte er an seinem Ehering, oder er fuhr sich mit der Hand durch das dunkelblonde, leicht wellige Haar, das er links gescheitelt und nach hinten gekämmt trug. Von Zeit zu Zeit nahm er den Ring vom Finger und betrachtete die Gravur, die sich darin befand:

Auf ewig Deine Kaiserin

War dieses„ewig“vielleicht schon vorbei? Er hielt es einfach nicht mehr aus. „Wie lange dauert das denn noch?“, fragte er halblaut vor sich hin.

„Fuck!!! Halt einfach die Schnauze, Alter!!!“, brüllte sein Bruder ihn wütend an. „Ich dachte wirklich, du machst sie glücklich“, fuhr er anklagend fort.

„Aber sie ist doch glücklich“, erwiderte Johannes leise.

„Bis heute Morgen war sie das ja vielleicht, aber du Idiot machst doch wirklich alles kaputt“, ereiferte sich Max. „Hast du sie vielleicht auch noch geschlagen? Hat sie deshalb die Hirnblutung bekommen?“ Max war jetzt total aufgebracht.

Johannes schüttelte energisch den Kopf. „Nein, natürlich nicht, ich schlag doch meine Lene nicht.“

Max sprang mit geballten Fäusten auf. „Nein, aber vergewaltigen tust du sie, du Drecksack! Meinst du denn, das ist weniger schlimm? Vor allem in ihrem Zustand! Und dann lässt du sie auch noch alleine da liegen.“ Er war so wütend, dass er am liebsten auf seinen Bruder eingeschlagen hätte.

„Ich wollte das doch gar nicht“, sagte Johannes resigniert. „Wir hatten einen kleinen Streit und ich war schon ins Gästezimmer gegangen, um dort zu schlafen. Danach hatte ich einen kompletten Filmriss. Als Lene dann aber so geschrien und mich so entsetzt angeschaut hat, hab ich gemerkt, was ich da mache und habe sofort aufgehört.“ Er schüttelte erneut den Kopf. „Diesen Schrei und diesen Blick werde ich mein Leben lang nie wieder vergessen.“ Er war entsetzt über sich selber. „Ich wollte dann eine Runde Laufen gehen, um den Kopf freizukriegen, aber ich kenne mich in der Gegend noch nicht so gut aus und habe mich total verlaufen.“

„So blöd kannst doch wirklich nur du sein“, meinte Max immer noch total aufgebracht.

„Jungs, es bringt doch nichts, wenn ihr aneinander hochgeht“, ermahnte Susanne von Moeltenhoff die beiden. „Wir sind doch alle angespannt. Aber es dauert eben so lange, wie es dauert. Wir können einfach nur hoffen.“ Sie fuhr an Johannes gewandt fort: „Leni gibt sich selber die Schuld, aber sie meint, dass du da etwas falsch verstanden hast.“

„Was gibt es da falsch zu verstehen?“, erwiderte Johannes gequält. „Sie nimmt einfach keine Rücksicht auf ihre Schwangerschaft und ist dann auch noch unzufrieden, wenn ich rücksichtsvoll bin.“ Weiter wollte er sich nicht äußern, da er keinerlei Details ihres Sexuallebens preisgeben wollte. Für seine Verhältnisse hatte er schon viel zu viel gesagt.

Gegensätzlicher als diese beiden Brüder konnte man eigentlich nicht sein. Während der wortkarge und oft ernst wirkende Jurist Johannes die hellen Haare, die graublauen Augen und die stämmige Statur eindeutig von der Mutter geerbt hatte, war der schlanke Max schwarzhaarig und hatte dunkle, fast schwarze Augen. Seinen Schnurrbart hatte er an den Enden aufgezwirbelt, was ihm, zusammen mit seinem Lockenkopf, ein etwas verwegenes Aussehen gab. Zudem war er absolut kein Kind von Traurigkeit. In Gegenwart von Frauen hatte er stets ein Lächeln auf den Lippen und einen flotten Spruch auf Lager.

Sie hatten aber auch einige Gemeinsamkeiten, sie waren beide ungefähr eins achtzig groß und die regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio sah man ihnen an. Aber vor allem – sie liebten dieselbe Frau, die zierliche, rotblonde, von allen Leni genannte Architektin Helene Kaiser. Nur Johannes fand, dass Leni kindisch klang und nannte sie Lene. Max, der normalerweise nichts anbrennen ließ, war der Meinung, dass er für Leni sogar monogam geworden wäre.

Leni hatte sich aber in Johannes verliebt, obwohl der sie zunächst mit der Begründung, dass er noch um seine Frau und seinen Sohn trauere, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, zurückwies. Da sie von Natur aus eher scheu und zurückhaltend war, ließ sie viel Zeit vergehen, genauer gesagt fast ein Jahr, bevor sie den Mut aufbrachte, ihn ansprach und um eine Verabredung bat. Er hatte zunächst zugesagt, sich bei ihr zu melden, ging ihr daraufhin aber aus dem Weg und gestand ihr eines Tages, dass er eine neue Beziehung habe und nach Hamburg ziehen werde. Für Leni brach eine Welt zusammen. Aus Verzweiflung ließ sie sich einige Monate später mit Oliver ein, der war ihr dann aber zu pervers und sie trennte sich nach einigen Wochen wieder von ihm.

Auch die Beziehung von Johannes mit Jessica war nicht das, was er sich erhofft hatte. Auf Anraten von Max und seinem neuen Hamburger Freund Henrik, der Jessica kannte, beendete er diese Beziehung, bald nachdem er nach Hamburg gezogen war. Sein Chef war zwar außer sich, da er ihm die Nachfolge der Kanzlei versprochen hatte, wenn er seine Tochter Jessica heiraten würde, aber das Opfer war Johannes doch zu groß und zudem konnte er Leni nicht vergessen.

Obwohl Max sich vom ersten Augenblick an in sie verliebt hatte, war er es, der Leni vor etwas über einem Jahr drängte, zu Johannes nach Hamburg zu reisen, was sie dann auch tat. Seitdem waren Johannes und Leni ein Paar. Sie hatten im März standesamtlich und im Juni kirchlich geheiratet, wohnten jetzt zusammen am Stadtrand von Leipzig und freuten sich auf die Zwillinge, die im November zur Welt kommen sollten.

Eine Pflegerin kam in den Raum und brachte den Wartenden etwas zu trinken.

„Wissen Sie, wie es meiner Frau geht?“, fragte Johannes und schaute sie erwartungsvoll an.

„Nein, es tut mir leid, ich kann Ihnen nichts sagen, soviel ich weiß, wird sie immer noch operiert“, erwiderte sie verständnisvoll lächelnd.

So saßen sie alle drei weiterhin da und hingen ihren Gedanken nach, bis endlich die Tür aufging und ein Arzt, der einen ziemlich müden und angespannten Eindruck machte, hereinkam.

„Wer von Ihnen ist denn der Ehemann?“, fragte er und schaute zwischen Johannes und Max, die es beide nicht mehr auf ihren Stühlen gehalten hatte, hin und her.

„Das bin ich“, meldete sich Johannes. „Und das sind meine Mutter und mein Bruder“, sagte er, indem er auf die beiden anderen Wartenden zeigte.

„Wie geht es meiner Frau?“, fragte er verzweifelt. „Und was ist mit den Babys?“

„Sie hatte ein Aneurysma und hat die Operation zunächst mal überstanden, aber wir mussten sie in ein künstliches Koma versetzen, weil der Druck im Gehirn noch zu hoch ist“, erklärte der Arzt. Er sah alle drei der Reihe nach sehr ernst an und fuhr leise fort: „Wenn Sie gläubig sind, dann beten Sie, und wenn nicht, versuchen Sie es trotzdem.“ „Den Ungeborenen geht es den Umständen entsprechend gut, die haben das bis jetzt alles gut überstanden“, fügte er beruhigend hinzu.

Alle drei atmeten erleichtert auf.

„Kann ich zu ihr?“ wollte Johannes dann wissen.

„Ja, gut, einverstanden, aber, wie gesagt, sie liegt im Koma.“

„Und Sie beide“, sprach er Susanne und Max an, „gehen am besten nach Hause. Sie können hier jetzt wirklich nichts ausrichten.“

„Hat Ihre Frau einen Unfall gehabt oder sich heftig den Kopf gestoßen?“, wollte er dann noch von Johannes wissen.

„Nein, nicht dass ich wüsste“, meinte er und schüttelte leicht den Kopf. „Aber sie hat die letzten zwei Tage über heftige Kopfschmerzen geklagt“, fiel ihm dann noch ein.

Nachdem eine Pflegerin ihn abgeholt und ihn mit Schutzkittel, Haube und Mundschutz eingekleidet, sowie seine Hände desinfiziert hatte, saß er nun am Bett und betrachtete seine Frau, die mit allen möglichen Kabeln und Schläuchen verbunden war. Man hatte ihr das Kopfteil des Betts ziemlich hochgestellt, so dass sie fast saß. Unzählige Monitore und Geräte blinkten, piepten oder zeigten irgendwelche Daten an. Am meisten irritierte ihn das Beatmungsgerät. Dieses Geräusch ging ihm durch Mark und Bein.

„Oh, meine liebste Lene, wie konnte das nur passieren?“, flüsterte er, legte eine Hand auf ihren gewölbten Bauch und weinte. Durch die dünne Bettdecke konnte er die Bewegungen der ungeborenen Zwillinge spüren. „Bitte, bitte, lieber Gott, lass sie nicht sterben“, flehte er. „Wir haben doch noch unsere ganze Zukunft vor uns.“

Hin und wieder kam jemand in den Raum, schaute auf die diversen Monitore und nickte ihm verständnisvoll zu. Nach ein paar Stunden versuchte man ihn zu überreden, nach Hause zu gehen, aber er weigerte sich: „Ich kann sie doch jetzt nicht alleine lassen. Sie braucht mich doch.“

„Aber sie liegt im Koma und es kann unter Umständen noch Tage dauern, bis wir sie aufwecken können, irgendwann müssen Sie doch schlafen.“

Johannes schüttelte nur müde den Kopf und nahm Lenis Hand in seine und hauchte durch den Mundschutz einen Kuss darauf. Er sah die Blutergüsse auf ihren Unterarmen, die er ihr beigebracht hatte und bat sie leise um Verzeihung. „Lene, Schätzchen, ich wollte das nicht. Das war ganz bestimmt keine Absicht.“ Er sprach dieses Schätzchen nicht abwertend, sondern sehr liebevoll aus, wobei er beide Silben betonte, so dass es wie Schätz-chen klang. Er weinte und irgendwann schlief er im Sitzen ein. Plötzlich schreckte er wieder hoch. Ein Pfleger betrat den Raum und brachte ihm einen Kaffee und eine Flasche Wasser.

Als der Arzt am nächsten Morgen kam, fand er Johannes, vornübergebeugt auf dem Stuhl sitzend und mit dem Kopf auf dem Bett liegend, schlafend vor. Er zog die Augenbrauen kurz hoch, schüttelte leicht den Kopf und sah sich dann die diversen Daten an.

„Schicken Sie den Mann endlich nach Hause“, wies er die diensthabende Pflegerin an.

„Das haben die Kollegen schon die ganze Nacht versucht, aber er weigert sich standhaft“, erwiderte die Frau. „Vielleicht tut es der Patientin gut, wenn sie spürt, dass er da ist“, fügte sie leise hinzu. Der Arzt schüttelte nochmals den Kopf und verließ dann den Raum.

Es war also doch kein Alptraum,dachte Johannes, als er aufwachte. Er fühlte sich total steif und er musste dringend zur Toilette. Er ging auf den Gang und suchte nach jemandem, der ihm den Weg zeigen konnte. Danach schickte ihn die besorgte Pflegerin in die Cafeteria, um zu frühstücken. Er musste zugeben, dass das Frühstück ihm gut tat. Zwischendurch hatte er mit seiner Mutter telefoniert, um ihr zu sagen, dass Lenis Zustand unverändert sei. Zum Glück hatte seine Mutter ihm, bevor sie ging, die Tasche von Leni ihn die Hand gedrückt, so dass er jetzt Geld hatte, um sein Frühstück zu bezahlen. In der Hektik war er ohne Geld und Papiere aus dem Haus gegangen. Er kam sich allerdings etwas seltsam vor, als er in die Tasche seiner Frau griff, um den Geldbeutel rauszunehmen. Er hatte ihr immer ihre Privatsphäre gelassen, ebenso wie sie ihm seine. Auch in so kleinen Dingen. Es wäre ihm normalerweise nie in den Sinn gekommen, ihre Tasche zu öffnen.

Aber was war seit gestern Morgen schon normal?

Und Johannes tätigte noch einen Anruf. Seine Mutter hatte ihm nach seiner Ankunft in der Klinik die Visitenkarte einer Psychologin in die Hand gedrückt. Er war zunächst verwirrt, aber seine Mutter bestand darauf, denn sie war überzeugt davon, dass ihr Sohn jetzt professionelle Hilfe brauchte.

Leni hatte am vorherigen frühen Morgen, nachdem Johannes sich an ihr vergangen hatte, verfrühte Wehen bekommen. Da Johannes nicht da war und sie wegdrückte, als sie ihn anrufen wollte, rief sie in ihrer Verzweiflung ihre Freundin Sarah an. Sarah Fischer war Gynäkologin und wohnte in Lenis Heimatstadt Freiburg. Sie befahl ihr, sofort den Notarzt zu rufen, was Leni dann auch machte. Außerdem verständigte Sarah die Familie von Johannes, die auf einem Gutshof im Münsterland lebte, worauf die Mutter und Max sofort nach Leipzig fuhren. Ihre eigene Mutter wollte Leni nicht behelligen, da diese immer sofort in Panik verfiel und das konnte sie in dieser Situation absolut nicht gebrauchen.

Während der Untersuchung stellte der Gynäkologe fest, dass Leni Gewalt angetan worden war und da Leni das zuerst nicht zugeben wollte, schickte er die Psychologin zu ihr ans Bett. Dort war inzwischen auch schon ihre fassungslose Schwiegermutter eingetroffen. Susanne von Moeltenhoff hatte ihrer ersten Schwiegertochter nicht geglaubt, als die sich bei ihr über Johannes beklagt hatte und von Vergewaltigungen sprach. Umso entsetzter war sie, als sie erfuhr, was er mit Leni gemacht hatte. Sie konnte das absolut nicht verstehen, denn die beiden schienen doch so glücklich miteinander gewesen zu sein. Sie hatte ihren Sohn bisher nie so oft lächeln sehen. Leni schien ihn irgendwie verzaubert zu haben.

Die Psychologin hatte nach ihrem Gespräch mit Leni ihre Visitenkarte auf den Nachttisch gelegt, mit der Bitte, dass Leni und ihr Mann sich am besten gemeinsam bei ihr melden sollten. Einen Moment später war Leni dann mit einem Griff an ihren Kopf zusammengesackt. Während Leni sofort zum CT gebracht wurde, hatte Susanne Lenis Tasche, ihr Handy und die Visitenkarte an sich genommen, denn sie ahnte schon, dass es etwas Ernstes war und dass Leni nicht auf die Gynäkologie zurückgebracht werden würde.

Nach dem Frühstück ging Johannes zurück zur Intensivstation, wo er wieder eingekleidet wurde. Er verlangte den Arzt zu sprechen, aber der konnte ihm nichts Neues berichten. „Wir müssen abwarten Herr von Moeltenhoff, wir haben alles getan, was wir konnten“, sagte er seufzend. „Sie ist noch jung und bis auf die Schwangerschaft doch auch sehr fit und gesund, das sind schon mal gute Voraussetzungen“, fügte er beruhigend hinzu. „Gehen Sie nach Hause und schlafen Sie sich erst mal aus. Wir informieren Sie, sobald sich ihr Zustand verändert“, riet er Johannes.

Der schüttelte aber nur den Kopf. „Ich lasse meine Frau jetzt nicht wieder im Stich. Ich will bei ihr bleiben, bis sie wieder aufwacht.“

Der Arzt wurde jetzt etwas ungeduldig: „Hören Sie, das kann unter Umständen noch Tage dauern, wir rufen Sie ganz bestimmt an, bevor wir Ihre Frau aufwecken.“

„Ich möchte aber nicht, dass sie hier alleine ist“, beharrte Johannes störrisch und ging wieder in den durch große Glasscheiben abgetrennten Raum zu Leni. Dort setzte er sich ans Bett und beobachtete sie eingehend.Wäre dieser blöde Beatmungsschlauch nicht, dann würde sie richtig friedlich aussehen, dachte er. Er griff unter die Bettdecke und streichelte ihren Bauch, wie er es sonst zu Hause auch immer tat. Er wusste, dass sie das gern hatte. Er lächelte ein wenig, als er daran dachte, dass sie sich dann immer an ihn gekuschelt und wohlig geseufzt hatte. Wäre sie eine Katze gewesen, dann hätte sie sicher geschnurrt.

Ob es je wieder so harmonisch werden würde?

„Es tut mir leid, Sie können nicht zu Ihrer Schwiegertochter, die Infektionsgefahr ist viel zu hoch.“ Die Pflegerin versuchte alles, um Susanne von Moeltenhoff daran zu hindern, dass sie zu Leni in die Intensivstation ging.

„Aber ich bin doch gestern stundenlang an ihrem Bett gesessen, als sie noch auf der Gynäkologie lag, dann hätte ich sie ja gestern auch schon mit irgendwas anstecken können.“ Susanne gab nicht so schnell auf. „Außerdem muss mein Sohn mal nach Hause, um sich auszuschlafen.“

Die Pflegerin seufzte. „Gut ich frage nach, ob wir eine Ausnahme machen können. Aber eigentlich ist es auch nicht in Ordnung, dass Ihr Sohn die ganze Zeit dasitzt. Und wenn dann noch eine weitere Person da ist, das können wir momentan kaum verantworten.“ Die Stationsleiterin war dann auch nicht besonders erfreut über das Anliegen, gab schlussendlich aber ihr Einverständnis dazu, dass Susanne ihren Sohn ablöste. „Das scheint eine besonders hartnäckige Familie zu sein“, meinte sie zu der Pflegerin.

„Aber so was von“, bekräftigte diese. „Aber verständlich ist es doch schon, die sind so frisch verheiratet und freuen sich auf den Nachwuchs und dann passiert so was“, fügte sie verständnisvoll an und ging dann davon, um Susanne einzukleiden und zu Leni zu führen.

„So mein Junge, du gehst jetzt nach Hause und schläfst dich aus und ich bleibe so lange hier bei Leni. Max wartet draußen und fährt dich.“ Susanne ließ gar keine Widerrede aufkommen, sondern schob Johannes zur Tür. Der fügte sich fast widerspruchslos und trottete zum Ausgang, wo Max schon ungeduldig auf und ab lief. Schweigend fuhren die beiden dann zur Wohnung von Johannes und Leni, wo Johannes sich augenblicklich ins Schlafzimmer zurückzog. Er hatte keine Lust auf weitere Diskussionen mit Max. Es war ihm bisher nie so richtig bewusst gewesen, dass Max offensichtlich mehr für Leni empfand als für einen Schwager üblich. Er legte sich aufs Bett, hing seinen Gedanken nach und schlief kurz darauf tatsächlich ein. Ein paar Stunden später schreckte er von Alpträumen geplagt wieder auf. Er ging ins Bad und duschte ausgiebig. Max hatte in der Zwischenzeit Pizza bestellt und sie aßen beide zunächst schweigend.

„Ich habe Lenis Bruder verständigt und ihn gebeten, es ihrer Mutter schonend beizubringen“, brach Max das Schweigen. „Ich hab aber gesagt, dass es keinen Wert hat, wenn sie jetzt sofort herkommen. Wir werden sie informieren, wenn es etwas Neues gibt.“

Johannes nickte kauend. „Ja, gute Idee, danke“, brachte er dann mühsam hervor und seufzte. Worauf sie erst mal wieder schweigend weiteraßen.

„Sag mal, hab ich da was verpasst?“, fragte Max unvermittelt. „Wieso redet ihr denn in Bezug auf Lenis Schwangerschaft in der Mehrzahl? Wie viele Kinder bekommt ihr denn?“, wollte er dann wissen.

„Zwei“, erwiderte Johannes kurz angebunden.

„Waaaas? Zwillinge? Oh verdammte Scheiße, wie hast du das denn wieder hingekriegt, Alter?“ Max schüttelte den Kopf. „Eins hat dir wohl nicht genügt? Dass du auch immer übertreiben musst“, foppte er seinen Bruder.

„Das haben wir uns auch nicht ausgesucht. Aber es ist nun mal so“, Johannes zuckte die Schultern.

„Und, wisst ihr, was es wird?“ wollte Max dann wissen.

„Nein, aber sie sind jedenfalls zweieiig und wir hoffen auf ein Pärchen“, gestand Johannes mit einem kleinen Lächeln.

„Na, dann hoffen wir, dass Leni und die Kleinen das gut überstehen“, meinte Max mit einem ernsten Gesicht.

Kurze Zeit später meinte er zwinkernd: „Zwei Jungs könnt ihr ja Max und Moritz und zwei Mädchen Hanni und Nanni nennen.“

Johannes lächelte jetzt auch leicht und meinte: „Da ist uns wohl doch was Besseres eingefallen.“ Er stöhnte leise auf: „Mein Gott, vor zwei Tagen sind wir gemütlich auf dem Balkon gesessen und haben die Namen festgelegt.“

„Und, wie wollt ihr sie nennen?“, bohrte Max weiter.

Johannes zuckte die Schultern: „Lene hat das alles aufgeschrieben, da wir ja nicht wissen, was es wird, haben wir jeweils zwei Erst- und Zweitnamen für Jungen und Mädchen ausgesucht. Sie hat in den letzten Wochen oder sogar Monaten alles aufgeschrieben, was ihr in den Sinn kam und vorgestern haben wir uns dann entschieden.“

„Mach’s doch nicht so spannend, Mann, also wie sollen sie heißen?“ Max konnte seine Neugier nicht mehr verbergen.

„Ich weiß es nicht genau, frag Lene“, da fiel ihm ein, dass sie nicht ansprechbar war und er seufzte tief. „Ein Junge soll Viktor heißen, nach unserem Urgroßvater, aber an alles andere erinnere ich mich nicht. „Dafür haben wir ja den Zettel gemacht“, meinte er achselzuckend.

Max schüttelte den Kopf: „Du weißt nicht mal, wie deine Kinder heißen sollen, Alter. Das gibt‘s doch nicht.“

„Oh Mann, versteh doch“, Johannes wirkte leicht gereizt. „Lene hat mir so viele Namen genannt, dass mir der Kopf schwirrte. Ich hab dann einfach zu allem, was mir einigermaßen gefiel, genickt und die anderen Namen hat sie dann wieder gestrichen. Schlussendlich hat sie dann aufgeschrieben, was ihr am besten gefiel.“

Sie aßen daraufhin wieder schweigend und ohne großen Appetit zu Ende.

„Ich fahr wieder zur Klinik, Mutti ablösen“, sagte Johannes einige Minuten später, während er sich die Schuhe anzog.

„Ich fahr dich, dann kann ich Mutti wieder mit zurücknehmen“, bot Max an.

Johannes nickte und sie machten sich auf den Weg.

2

„Guten Tag, Herr von Moeltenhoff. Es ist gut, dass Sie sich bei mir gemeldet haben“, wurde Johannes von der Psychologin Martina Reimers begrüßt. Sie wies auf einen Stuhl, der ihr gegenüberstand „Nehmen Sie doch bitte Platz.“ Nachdem Johannes sich gesetzt hatte, fuhr sie fort: „Ich hatte gestern noch Gelegenheit, mit Ihrer Frau zu sprechen, bevor sie bewusstlos wurde. Wie geht es ihr?“

„Sie liegt noch immer im Koma“, erwiderte Johannes kurz angebunden.

„Das tut mir leid, aber sie ist hier in den besten Händen“, versicherte sie ihm. Er nickte nur kurz.

„Ja also“, begann sie das Gespräch. „Wie gesagt, ich habe mit Ihrer Frau gesprochen und die kann nicht richtig verstehen, was da passiert ist. Bis jetzt scheinen Sie doch eine sehr harmonische Beziehung gehabt zu haben. Wie sehen Sie das denn?“

Johannes druckste rum und wusste nicht, wo er beginnen sollte. „Also, ähm, ja, ich liebe meine Frau über alles und wir haben in jeder Hinsicht eine wunderbare Beziehung. Ich weiß selber nicht, wie das passieren konnte“, begann er zögerlich. „Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit, ich war wütend, weil sie einfach keine Rücksicht auf ihre Schwangerschaft nimmt. Ich bin ins Gästezimmer gegangen, um mich dort hinzulegen, bis sie zur Vernunft gekommen ist. Was dann passiert ist, weiß ich selber nicht so genau. Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich auf ihr, ähm, na ja, also, ich war in ihr und sie hat furchtbar geschrien und mich so entsetzt angeschaut.“

„Und dann?“ fragte die Ärztin behutsam nach.

„Dann hab ich mich sofort zurückgezogen. Danach habe ich meine Sportsachen angezogen und bin Laufen gegangen, um den Kopf freizukriegen. Leider habe ich Lenes Anruf nicht angenommen, als sie versucht hat, mich zu erreichen und dann hab ich das Handy einfach ausgemacht“, gab er kleinlaut zu.

„Sie können sich also nicht an die Vergewaltigung erinnern?“ fragte die Ärztin nochmal nach.

„Nein, absolut nicht, nie im Leben würde ich ihr etwas antun“, erwiderte er kopfschüttelnd.

„Hatten Sie schon öfters solche Aussetzer?“

„Früher, als Junge, ja. Da hab ich wohl andere Kinder fürchterlich vermöbelt, weil sie meinen Bruder gemobbt haben“, erzählte er. „Das ist, wie wenn jemand einen Schalter umlegt. Ich versteh das doch auch nicht.“ Johannes zog die Schultern hoch.

„Waren Sie deshalb schon mal in Behandlung?“

„Ja, meine Mutter hat mich damals, als sich die Beschwerden über mich häuften, zu einem Psychologen gebracht und ich habe eine Zeitlang Tabletten bekommen. Ich habe aber keine Ahnung, was das war.“

„Wurde es dann besser?“

„Hm, na ja, eine gewisse Zeit schon, bis das mit den Mädchen anfing.“

„Mit den Mädchen?“

„Na ja. Also, es ist so, meine Familie hat einen großen Gutshof und die Mädchen aus dem Dorf waren ständig hinter mir und meinem Bruder her. Max hat das gefallen und er hat alle genommen, die das wollten.“ Er stockte, denn er hatte noch nie darüber gesprochen, welche Probleme er als Jugendlicher und auch noch als Student gehabt hatte.

„Und Sie?“

„Hm, na ja, ich mochte das nicht. Ich fand diese Mädchen nur doof und lästig.“ Er holte tief Luft. „Ich mag Frauen, aber keine, die sich mir aufdrängen, verstehen Sie, was ich meine?“, ergänzte er.

Die Ärztin nickte und forderte ihn auf weiterzusprechen.

„Ja, also, ähm, es ist so, nein, es war so, dass ich mich lange nicht getraut habe, mit einem Mädchen zu schlafen. Und wenn eine dann einfach nicht lockergelassen hat, dann wurde ich wütend und hab sie wohl ziemlich grob genommen.“ Er verstummte, weil er nicht wusste, wie er dieser Frau sein Problem beschreiben sollte.

„Gut, ich denke, wir beenden unser Gespräch hier“, erlöste ihn die Ärztin. „Ich bin ja eigentlich nur für die Patienten in dieser Klinik zuständig und Sie scheinen ein tieferliegendes Problem zu haben. Ich würde Sie gerne an einen Kollegen überweisen, der Ihnen besser helfen kann als ich. Wenn es für Sie in Ordnung ist, informiere ich den Kollegen und vereinbare einen Termin für Sie“, schlug sie vor.

Johannes nickte, bedankte und verabschiedete sich.

Die Ärztin sah ihm besorgt nach.

Nachdenklich ging Johannes zur Intensivstation zurück.Was ist mit mir nicht in Ordnung?,überlegte er.Ich bin doch mittlerweile erwachsen. Ist es möglich, dass der Dämon, von dem ich mich früher so oft bedroht gefühlt habe, wieder zurückgekommen ist?

Immer noch in Gedanken versunken saß er am Bett und betrachtete seine Frau. „Liebste Lene, du bist das Beste, was mir je passieren konnte. Wie soll das mit uns weitergehen? Liebst du mich noch, nach dem, was ich dir angetan habe?“, sprach er leise mit ihr. Er begann wieder, ihren Bauch zu streicheln und spürte sofort die Bewegungen der Kinder. „Ich liebe euch und hoffe so sehr, dass wir eine glückliche Familie werden“, fuhr er fort und hoffte, dass seine Stimme Leni irgendwie erreichte.

Er blieb wieder die ganze Nacht bei ihr am Bett sitzen, bis seine Mutter morgens kam und ihn nach Hause schickte. Als er am späten Nachmittag wieder in die Klinik zurückkehrte, sagte ihm der Arzt, dass sie nochmals ein CT gemacht hätten und keine Blutungen mehr festgestellt werden konnten. Der Druck im Gehirn habe nachgelassen, so dass sie am nächsten Morgen anfangen wollten, die Sedierung runterzufahren, um Leni langsam aufwachen zu lassen. Johannes nickte erleichtert. Der Arzt machten ihn darauf aufmerksam, dass wahrscheinlich mit neurologischen Störungen, wie etwa Sprach- oder Gleichgewichtsstörungen, zu rechnen sei. Man werde aber sofort mit Rehabilitations-Maßnahmen beginnen, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten.

Nachdem der Arzt aus dem Raum gegangen war, überlegte Johannes, was für Beeinträchtigungen er wohl gemeint hatte und wie sich das auf das Leben von Leni auswirken würde.Was heißt „so gering wie möglich“?Wird sie behindert sein?,fragte er sich. Wie sollte sein Leben weitergehen mit zwei Babys und einer behinderten Frau? Er seufzte verzweifelt und schüttelte den Kopf. „Oh Lene, Schätz-chen, bitte, bitte werde wieder gesund. Nicht für mich, aber für die beiden Kiddies. Die brauchen doch ihre Mutter.“

Er ging nochmals nach draußen, um seine Mutter anzurufen. Er berichtete ihr, dass Leni am nächsten Morgen aufgeweckt werden sollte und dass er deshalb bei ihr blieb. Er würde sich melden, wenn es etwas Neues gäbe. Er wollte keinesfalls, dass Leni beim Aufwachen in das Gesicht seiner Mutter schaute und meinte, so lange würde er schon durchhalten.

Aber es kam wieder mal alles ganz anders als gedacht. Über den ganzen Tag verteilt wurde die Sedierung langsam runtergefahren, aber Leni zeigte keinerlei Reaktion. Man machte ein EEG und stellte fest, dass Gehirnströme vorhanden waren. Dann entfernte man vorsichtig den Beatmungsschlauch und alle waren erleichtert darüber, dass Leni selbständig atmete. Aber sie reagierte auf nichts, sie lag im Wachkoma. Die Ärzte versuchten, Johannes zu beruhigen und meinten, dass das nach einem künstlichen Koma nichts Ungewöhnliches sei. Auf die Frage, wie lange der Zustand anhalten würde, konnte ihm aber niemand eine Antwort geben, man sprach von Stunden, Tagen oder länger. Als sich Lenis Zustand am nächsten Morgen nicht gebessert hatte, legte man ihr eine Magensonde, um sie künstlich zu ernähren. Im Laufe des Tages öffnete sie die Augen, blickte aber nur ins Leere, sie reagierte weder auf Ansprache noch auf Personen. Sie wurde von der Intensivstation auf ein normales Zimmer verlegt und man riet Johannes, so viel wie möglich mit ihr zu reden oder ihr Musik vorzuspielen. Außerdem gestatte man ihm, sich auf das zweite Bett, das im Zimmer stand, zu legen, falls er müde sei. Er rief Max an und bat ihn, etwas Musik für Leni zusammenzustellen, was dieser liebend gern tat. Ein paar Stunden später kam er und war schockiert, als er Leni so teilnahmslos in ihrem Bett liegen sah. Er legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter und sagte leise: „Arme Leni, das hat sie wirklich nicht verdient.“

„Wird sie wieder gesund?“, wollte er dann wissen.

Johannes zuckte die Schultern: „Darauf kann mir keiner eine Antwort geben. Aber wie ich zwischen den Zeilen rausgehört habe, wird sie wohl, selbst wenn sie wieder aufwacht, behindert sein.“

„Verdammte Scheiße“, entfuhr es Max. „Die süße Leni behindert, das möchte ich mir lieber gar nicht vorstellen“, sinnierte er weiter. „Und wenn es wirklich so kommt, dann zieht ihr am besten zu uns auf den Hof“, schlug er vor.

Johannes nickte und legte den Zeigefinger auf den Mund. „Pst, wir wissen nicht, was sie mitkriegt“, forderte er seinen Bruder auf, leise zu sprechen.

„Wie ich gehört habe, hast du deinen Job geschmissen?“, wollte Max, jetzt leiser sprechend, wissen.

Johannes nickte. „Diesen Job anzunehmen war ein echter Griff ins Klo. Die wollten einen Rechtsberater, halten sich aber an nichts, was ich ihnen rate. In dieser Firma stehe ich ständig mit einem Bein im Bau. Das kann ich doch meiner jungen Familie nicht antun.“

„Und jetzt? Wie soll es weitergehen? Hast du schon was in Aussicht?“

„Nein, bis jetzt nicht. Ich bin noch bis Ende Oktober bezahlt. Ich versuche, wieder in einer Kanzlei unterzukommen. Aber im Moment ist Lene wichtiger.“

„Ja schon, aber überleg nicht zu lange. Denn so wie es aussieht, wird sie vielleicht nie mehr arbeiten können. Und eure schöne, große Wohnung ist sicher nicht gerade billig“, gab Max zu bedenken.

„Ja, das stimmt, die Miete ist ziemlich gesalzen“, gab Johannes zu. „Ich habe zwar für das nächste Semester einen Vertrag als Gastdozent an der Uni, aber leider nur eine Vorlesung pro Monat. Und in den letzten Wochen habe ich auch einige Artikel für Fachzeitschriften verfasst, das bringt auch ein paar Euro ein. Aber ohne vernünftigen Job, und vor allem ohne den Verdienst von Lene, würde das Geld natürlich hinten und vorne nicht reichen“, bestätigte er. „Es sind ja noch zwei Monate, da wird sich schon was finden“, versuchte er, optimistisch zu klingen.

In den nächsten Tagen änderte sich am Zustand von Leni nichts. Sie wurde zwar intensiv betreut und von einer Physiotherapeutin und einem Ergotherapeuten behandelt, aber ohne erkennbaren Erfolg. Was Johannes besonders mitnahm, war die Tatsache, dass sie gewindelt werden musste wie ein Baby.

Er hatte von zu Hause das Öl mitgebracht, das Sarah Leni gegen das Auftreten von Schwangerschaftsstreifen empfohlen hatte. Liebevoll ölte er täglich, so wie er es in den vergangenen Monaten immer getan hatte, ihren Bauch, ihre Brüste und ihre Oberschenkel und, soweit es möglich war, ihren Po damit ein und hoffte, dass sie es spürte.

„Na, wie geht es unserem Dornröschen heute?“, fragte der junge Pfleger, der das Krankenzimmer betrat. Johannes zuckte die Schultern und murmelte: „Unverändert.“ Als der junge Mann anfangen wollte, Leni zu waschen und die Windeln zu wechseln, bat Johannes ihn, das zu unterlassen.

„Aber warum denn? Das ist doch mein Job“, meinte der Pfleger verblüfft.

„Weil ich meine Frau kenne und ich weiß, dass es ihr furchtbar unangenehm wäre, wenn Sie das machen. Sie ist nun mal sehr schamhaft. Haben Sie denn kein weibliches Personal?“, fragte er. „Selbst in diesem Zustand sollte man ihr doch ihre Intimsphäre bewahren. Holen Sie bitte eine Kollegin“, forderte er dann mit Bestimmtheit in der Stimme.

Der Pfleger ging schulterzuckend aus dem Zimmer und Johannes hatte das Gefühl, dass Leni ihm hinterhergeschaut hatte. Auch wenn der junge Pfleger nicht mehr zur Körperpflege von Leni eingesetzt wurde, sollte ihr der Name Dornröschen erhalten bleiben.

Einige Zeit später kam dann tatsächlich eine Pflegerin und versorgte Leni. Johannes machte sie auf seine Beobachtung aufmerksam und sie bat ihn, doch mal ein paar Schritte zur Tür zu machen, wobei sie feststellte, dass Leni tatsächlich versuchte, ihm mit den Augen zu folgen.

„Das ist gut, es scheint, dass sie in die nächste Phase gekommen ist. Ich werde gleich die Ärzte informieren“, meinte sie aufmunternd zu Johannes. Der schaute zwar noch etwas ungläubig, freute sich aber doch über diesen minimalen Fortschritt.

Als später die Physiotherapeutin kam, stellte sie Leni unter Mithilfe von Johannes auf die Füße.

„Halten Sie sie gut fest“, ermahnte die Therapeutin ihn.

„Hallo, Frau Kaiser“, flüsterte Johannes seiner Lene ins Ohr, „hör mal die Musik, du hast doch so ein gutes Rhythmusgefühl.“ „Komm, wir tanzen jetzt“, flüsterte er weiter und wiegte sie ganz sachte im Rhythmus der Musik.

„Ja, das ist sehr gut, machen Sie weiter“, ermunterte ihn die Therapeutin. „Ich glaube, sie versucht, die Arme zu heben“. Sie legte Lenis Arme um Johannes, der so gerührt war, dass ihm Tränen in die Augen traten.

Nach einigen Minuten legten sie Leni wieder ins Bett, der das aber gar nicht zu gefallen schien. Sie bewegte unkoordiniert ihre Arme und drehte den Kopf hin und her. Johannes beugte sich zu ihr. „Na, mein Schätz-chen, hat dir das gefallen?“, sagte er leise und lächelte sie an. Sie sah ihn groß an und er hauchte ihr einen Kuss auf den Mund. „Das machen wir jetzt öfters“, versprach er ihr und streichelte sanft ihre Wange. Als die Therapeutin gegangen war, setzte er sich wieder an das Bett seiner Frau und hing seinen Gedanken nach. Da die Ärzte ihm gesagt hatten, dass er so viel wie möglich mit ihr reden sollte, sprach er, entgegen seiner Gewohnheit, seine Gedanken leise aus:

„Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben? Damals auf der Baustelle, als ich euch das Leben so schwer gemacht habe? Ich fand das so süß, wie du mich trotzig angeschaut hast mit deinen schönen grünen Augen und mir gesagt hast, dass ich als Kunde zwar der König, du aber die Kaiserin bist“, begann er seinen Monolog. „Du hast keinen Zweifel daran gelassen, dass ich von nichts eine Ahnung habe und du hattest verdammt Recht damit“, fuhr er mit einem kleinen Lächeln fort. „Die Visitenkarte, die du mir damals gegeben hast, habe ich immer noch.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: „Und ich Idiot habe nicht erkannt, dass das junge Mädchen, das in meine Nachbarwohnung eingezogen war, dieselbe Person ist. Du hast mir aber auch keine Gelegenheit gegeben, dir in die Augen zu schauen, dann hätte ich es sicher gemerkt. Diese strahlenden grünen Augen und die süßen Sommersprossen über den Wangen sind ganz bestimmt einmalig.“ Er schaute ihr ins Gesicht und streichelte sanft ihre Wange. „Du weißt ja, ich mag chic gekleidete Frauen“, fuhr er dann mit seinem Monolog fort. „Junge Mädchen und dazu noch im Schlabberlook, in dem ich dich auf dem Balkon oder im Treppenhaus öfters mal gehen habe, das ist nun wirklich nicht meine Kragenweite und deshalb habe ich dich auch gar nicht weiter beachtet. Und außerdem hatte ich den Eindruck, dass du was gegen mich hast und mir aus dem Weg gehst.“ Wieder machte er eine kurze Pause und beobachtete, ob sie irgendeine Reaktion zeigte. Sie sah ihn mit großen Augen an und er redete leise weiter: „Tja, und als deine Freundin uns dann zu deiner Geburtstagsparty eingeladen hatte, da musste Max mich schon mit Gewalt zu dir rüberziehen. Freiwillig wäre ich wirklich nicht gekommen. Aber meinem lieben Bruder hast du auf Anhieb gefallen und ich wollte nicht, dass er was Dummes anstellt, deshalb bin ich dann doch mitgegangen. Und du hast es dir nicht nehmen lassen, mich so richtig vorzuführen, du kleine Hexe, du“, fuhr er fort und streichelte ihre Hand. „So blamiert habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht wie an diesem Abend. Du hättest dich ja wirklich mal früher zu erkennen geben können“, flüsterte er vorwurfsvoll. „Für Max war das natürlich ein gefundenes Fressen. Zuerst mache ich der Architektin das Leben schwer und dann erkenne ich sie nicht wieder.“ Er lachte leise. „Ich glaube, das hab ich wohl verdient und zugegeben, deine Wohnung ist wirklich viel schöner geworden als meine. Obwohl du mich mit deiner Hartnäckigkeit wohl noch vor dem Schlimmsten bewahrt hast. Ich wollte es halt einfach nur zweckmäßig haben, ohne viel Schnickschnack. Und als ich erfahren habe, dass du noch gar nicht ganz fertig warst mit dem Studium, sondern dass deine Wohnung ein Teil deiner Masterarbeit war, da war ich ziemlich beeindruckt. Du hast echt was drauf, mein Schätz-chen“, lobte er seine Frau. „Nachdem ich nun wusste, wer du warst und mir auch dein Bruder noch so einiges über dich erzählt hatte, wollte ich es nicht zulassen, dass der aufreißerische Max dir zu nahe kommt. Ihr habt fast den ganzen Abend miteinander geflirtet und getanzt. Aber dass du keine Frau für einen One-Night-Stand bist, das hat sogar Max erkannt.“ Er machte eine kurze Pause, küsste sie sanft auf die Lippen und redete weiter: „Und dann hab ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und dich zum Tanzen aufgefordert. Du hast so was von distanziert und kühl zugesagt, dass mir angst und bange wurde und ich fast einen Rückzieher gemacht hätte“, wieder lachte er leise und streichelte sie. „Aber was ist dann passiert, meine liebe Frau Kaiser? Dein Blick sagte mehr als tausend Worte und ich war total überrumpelt von dem, was da in den nächsten Minuten mit uns passiert ist.“ Er schwieg für einen Moment. „Und trotzdem habe ich dich zurückgewiesen“, er schüttelte leicht den Kopf. „Was ich dir gesagt habe, stimmte schon, ich hatte kurz zuvor meine Familie durch einen Unfall verloren und um den Kleinen habe ich wirklich sehr getrauert. Deshalb haben mich wohl meine plötzlichen Gefühle so verunsichert. Aber warum ich es nicht geschafft habe, über meinen Schatten zu springen und mich stattdessen mit Jessica eingelassen habe, verstehe ich bis heute nicht.“ Er zuckte die Schultern. „Ich konnte es kaum ertragen, wie du mit Max geflirtet hast, wenn wir drei uns getroffen haben, aber trotzdem war ich irgendwie gehemmt. Vielleicht hatte ich damals schon Angst, dir weh zu tun? Lene, Schätz-chen, ich weiß echt nicht, was in mich gefahren ist“, er schüttelte betrübt den Kopf. „Ich hoffe wirklich sehr, dass der Therapeut mir helfen kann. So etwas darf nie wieder passieren. Ich möchte dich auf keinen Fall verlieren. Ich liebe dich so sehr.“ Ihm traten Tränen in die Augen und er war erleichtert, als wenige Minuten später seine Mutter kam, um ihn am Bett abzulösen. Er berichtete ihr von Lenis Fortschritten und dass sie beide „getanzt“ hätten und ging, nachdem er sich liebevoll von Leni verabschiedet hatte, zum Ausgang und ließ sich wie jeden Tag von Max nach Hause fahren. Auch dem erzählte er natürlich von Lenis Fortschritten.

In den letzten Tagen war Max nicht untätig gewesen. Da er sich wieder um seinen Job als Eventmanager kümmern musste und auch seine Mutter nicht ewig in Leipzig bleiben konnte, hatte er Freunde und Verwandte von Johannes und Leni angeschrieben oder angerufen, mit der Bitte, sich doch für ein paar Tage Zeit zu nehmen, um Johannes bei der Betreuung von Leni zu unterstützen und sich um die Wohnung und die beiden Katzen Lilli und Mäxle zu kümmern. Alle fanden sich sofort bereit dazu und anhand der Termine, die ihm genannt wurden, erstellte er einen Einsatzplan für die nächsten Wochen. An den wenigen Tagen, an denen niemand da sein konnte, würden sich die Nachbarn aus dem Erdgeschoß um die beiden Stubentiger kümmern und auch jeweils die Schlüssel übergeben.

In der Klinik war man zwar nicht sehr erfreut, dass so viele verschiedene Menschen zu Besuch kamen und Johannes wurde ermahnt, auf die Einhaltung der Hygieneregeln zu achten und vor allem darauf, dass die Besucher Leni möglichst nicht zu nahe kommen sollten. Denn eine Infektion wäre eine Katastrophe für sie gewesen.

Als Erstes kamen Lenis Mutter und Bruder für eine Woche und lösten Max und Susanne ab. Stéphanie Kaiser war entsetzt, als sie ihre Tochter in diesem Zustand sah. „Mon Dieu, ma puce“, weinte sie und, wie befürchtet, brachte sie ziemlich viel Unruhe in das Krankenzimmer. Dafür tat es Johannes aber gut, mit Tobias zu reden und ihm seine Zukunftsängste anzuvertrauen. Die beiden hatten sich von Anfang an gut verstanden und führten lange Gespräche miteinander.

Ganz allmählich verbesserte sich der Zustand von Leni und nachdem der Ergotherapeut mit ihr das Schlucken geübt hatte, wurde die Magensonde entfernt und sie konnte gefüttert werden.

Johannes war dankbar für jeden kleinen Fortschritt, den man sah, machte sich aber große Sorgen um die Zukunft und um die Kinder. Wie sollte er eine behinderte Frau und zwei Babys versorgen? Mit dem Vorschlag von Max, dass sie ins Münsterland auf den Gutshof ziehen sollten, machte er sich immer mehr vertraut, denn dort könnten ihn seine Mutter und seine Schwester unterstützen. Aber vor allem fragte er sich, ob die Kinder das alles problemlos überstanden hatten. Er hatte große Angst davor, dass die Kinder auch behindert sein könnten. Auf seine Fragen hin konnte keiner der Ärzte ihm sagen, was auf ihn zukommen würde. Vorsorglich wurde nochmals eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt und so wie es aussah, waren die Ungeborenen gesund. Es wurde überlegt, Leni nach Hause zu entlassen, aber wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft sah man vorerst davon ab, denn für eine Geburt wäre es doch noch einige Wochen zu früh gewesen. Solange sie in der Klinik weilte, konnte man ihr sofort einen Wehenhemmer geben, falls verfrühte Wehen einsetzen sollten.

Die Wochen vergingen und allmählich erkannte Leni ihre Besucher, Pfleger und Ärzte. Sie wurde jedes Mal sehr unruhig, wenn Johannes für ein paar Stunden nicht an ihrem Bett war. Er hatte mittlerweile eine Therapie begonnen und um den Kopf etwas freizubekommen, ging er hin und wieder zum Laufen oder ins Fitnessstudio. Zudem musste er sich auch endlich um einen neuen Job kümmern und noch dazu machte sich bei ihm das Schlafmanko bemerkbar, so dass er einfach nicht mehr Tag und Nacht bei ihr sein konnte. Dank des ausgeklügelten Plans von Max war fast immer jemand bei Leni, so dass sie selten alleine war. Die jeweiligen Besucher redeten viel mit ihr oder lasen ihr vor. Sie selber war aber immer noch nicht in der Lage, richtig zu sprechen, obwohl die Logopädin bereits angefangen hatte, mit ihr zu üben.

3

Für Lenis Geburtstag Anfang Oktober hatte Max sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Er war am Abend zuvor angereist, kam gleich morgens in die Klinik und stellte den Fernseher an. Er hatte mit Hilfe von Lenis Bruder Tobias ein Video zusammengestellt, in dem alle Freunde und Verwandte Leni zum Geburtstag gratulierten. Die beiden Brüder setzten sich zu Leni aufs Bett, wobei Johannes den Arm um sie gelegt hatte, und sie warteten gespannt auf ihre Reaktion. Zunächst schien sie nicht zu verstehen, was da vor sich ging, dann liefen ihr plötzlich Tränen über das Gesicht und sie versuchte, etwas zu sagen. Johannes nahm sie ihn den Arm, küsste sie sanft und gratulierte ihr zum Geburtstag und auch Max ließ es sich nicht nehmen, sie zu drücken und ihr zu gratulieren. Sie zeigte auf sich, schaute die beiden ungläubig an und versuchte „Geburtstag“ zu sagen.

„Ja, Frau Kaiser, mein liebes Schätz-chen, heute ist dein Geburtstag“, bestätigte Johannes und nahm sie erneut in den Arm.

Leni gab den beiden zu verstehen, dass sie das Video nochmals sehen wollte und Max tat ihr den Gefallen natürlich gerne. Sie versuchte, die Personen, die jeweils auf dem Bildschirm erschienen, zu erkennen und zu benennen. Aber ihre Sprachfähigkeit war immer noch sehr eingeschränkt.

Max war so begeistert von diesem erneuten Fortschritt, dass er ein Foto von Leni machte. Leider hatte er nicht viel Zeit und musste sich bald wieder verabschieden. Aber er schickte das Foto an alle Freunde und Verwandte von Leni und schrieb dazu: Dornröschen ist aufgewacht und bedankt sich für eure Glückwünsche.Worauf sein Handy noch stundenlang piepste und er unzählige Fragen beantworten musste.

Leni zeigte auf ihre Finger und versuchte zu fragen, wo ihre Ringe seien. Johannes überlegte und ihm fiel ein, dass seine Mutter bei Leni gewesen war, als sie bewusstlos wurde. Er rief daraufhin sofort seine Mutter an und die bestätigte, dass sie die Ringe an sich genommen und in das kleine Seitenfach von Lenis Tasche gesteckt hätte. Dort fand Johannes sie dann auch und streifte Leni mit feierlichem Gesichtsausdruck sowohl den Verlobungsring als auch den Ehering über den jeweiligen Ringfinger und küsste sie liebevoll, worauf sie ihn anlächelte. Er konnte nicht mehr an sich halten, nahm sie fast stürmisch in den Arm und flüsterte ihr ins Ohr: „Oh, meine süße, kleine Lene, ich liebe dich so sehr.“

Kurze Zeit später gab sie ihm zu verstehen, dass sie eigene Kleider anziehen und nicht mehr in diesem Krankenhaushemd rumliegen wollte. Johannes überlegte einen Moment und sah dann auf seinem Handy nach, wen Max als Nächstes eingeteilt hatte.

„Du hör mal, heute Nachmittag kommt Sarah. Die weiß sicher besser als ich, was du gebrauchen kannst. Ich ruf sie an und sag ihr, dass sie dir ein paar Sachen einpacken soll, wenn sie angekommen ist.“ Leni nickte zufrieden, machte dann aber ein nachdenkliches Gesicht. Sie konnte sich an nichts erinnern und fragte sich, warum sie an ihrem Geburtstag im Krankenhaus lag. Johannes gab sich große Mühe zu verstehen, was sie sagte, aber sie sprach so unverständlich, dass ein Gespräch fast nicht möglich war. Er erzählte ihr, dass sie eine Hirnblutung gehabt hatte und seit sechs Wochen in der Klinik lag. Sie weinte und tastete nach ihrem Bauch. „Den Kiddies geht es gut, mein Schätz-chen“, beruhigte er sie. Sie atmete erleichtert auf.

Während der nächsten Stunden kamen immer wieder mal Ärzte und Pfleger ins Zimmer, um Leni zum Geburtstag zu gratulieren. Alle waren begeistert über den munteren Eindruck, den Leni machte. Und wenn sie versuchte, sich für die Glückwünsche zu bedanken, hatte der ein oder andere Tränen in den Augen. Im Laufe der vergangen Wochen hatten alle Anteil an ihrem Schicksal genommen und freuten sich über diesen großen Fortschritt bei ihrer Genesung.

Am späten Nachmittag erschien dann Sarah mit einer Reisetasche voller Kleidung für Leni. Und da war er wieder, dieser verführerische Blick zu Johannes. Leni war von Anfang an aufgefallen, wie Sarah ihren Johannes anschaute. Zunächst war sie so verliebt gewesen, dass sie dachte, sie hätte sich getäuscht. Sarah war Gynäkologin und zudem um einiges älter als sie. Deshalb hatte sie dem keine weitere Beachtung geschenkt. Trotzdem hatte sie bei der jetzigen Schwangerschaft, solange sie noch in Freiburg wohnte, die ersten Untersuchungstermine ohne Johannes wahrgenommen. Nur beim letzten Termin, bevor sie zu ihm nach Leipzig gezogen war, hatte Johannes sie begleitet und da war sie sich ganz sicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Und später hatte Sarah ihr doch tatsächlich während eines Telefonats gebeichtet, wie sexy sie Johannes findet. Aber da Freiburg weit weg von Leipzig war, fand Leni das eigentlich nur amüsant und hatte es Johannes sogar erzählt. Als sie vor ein paar Monaten wegen des Prozesses gegen ihren Entführer in Freiburg gewesen waren, war sie so schlecht zuwege, dass Sarah dachte, Leni hätte nicht bemerkt, wie heftig es zwischen ihr und Johannes geknistert hatte. Doch obwohl Leni voller Beruhigungsmittel war, hatte sie trotzdem einiges davon mitbekommen und ihr Verhältnis zu Sarah war merklich abgekühlt.

Im Moment konnte Leni sich zwar an keine Einzelheiten erinnern, aber die Funken, die zwischen Sarah und Johannes sprühten, bemerkte sie auch jetzt. Und dann besaßen die beiden doch noch die Unverfrorenheit, hinter der Schranktüre beim Einräumen von Lenis Kleidung heftig miteinander zu flirten. Sie konnte nicht reden, aber ihre Ohren funktionierten ganz gut und sie regte sich mächtig auf. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie aus dem Bett gesprungen und so versuchte sie, so gut sie konnte, nach Johannes zu rufen. Aber der war so vertieft in das Geplänkel mit Sarah, dass er ihr wiederholtes „Jo“, das eher wie „oh“ klang, lange nicht hörte. Dann kam er aber an ihr Bett, sah sie fragend an und fragte dann relativ barsch: „Was ist los?“ Kein Schätz-chen oder sonst ein liebes Wort. Das brachte Leni mächtig auf die Palme und sie zeigte erst auf ihn und dann auf Sarah und drohte mit dem Zeigefinger. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie hören konnte und zeigte zudem mit dem Zeige- und Mittelfinger auf ihre Augen und dann auf ihn. Johannes verstand und es war ihm furchtbar peinlich.Was mach ich da und dann noch vor ihren Augen?,fragte er sich selber. Er nahm sie zärtlich in den Arm und küsste sie sanft. Leni weinte und wollte Sarah nicht mehr sehen. Die jedoch tat, als wenn nichts wäre und fragte Leni, was sie denn jetzt anziehen wolle. Aber Leni blieb bockig und als Sarah Johannes bat, mit auf den Gang zu kommen, hielt Leni ihn fest. Sie gab Johannes, indem sie die Hand über ihren Kopf hielt und ein rauschendes Geräusch von sich gab, zu verstehen, dass sie duschen wollte.

„Hm, ja, wie soll ich das anstellen. Ich rufe eine Pflegerin.“ Die suchte dann zusammen mit Leni etwas zum Anziehen aus und mithilfe von Johannes brachte sie Leni ins Bad, zog sie dann aus und setzte sie auf einen Duschhocker. Leni war selig, als sie das Wasser auf ihrem Körper spürte. Dabei entging ihr, dass Sarah immer noch da war und wieder versuchte, mit Johannes zu flirten. Der blieb dieses Mal standhaft und schickte sie zu sich nach Hause, bat sie aber, am nächsten Morgen zu Leni zu kommen, da er einige Termine hatte.

„Und du?“, wollte Sarah wissen, trat ganz nah an ihn ran und legte ihm die Hand auf die Brust und hielt ihm ihren Mund entgegen. „Kommst du nicht nach Hause?“, fragte sie und sah ihn wieder mit diesem verführerischen Blick an.

„Ich weiß noch nicht“, wich er ihr aus und löste sich von ihr, obwohl die Versuchung groß war. Aber er hatte nicht vor, seine kranke Frau mit einer ihrer Freundinnen zu betrügen. Er liebte Leni sehr und wollte sie gar nicht betrügen, egal mit wem. Aber Sarah machte es ihm nicht leicht, standhaft zu bleiben.

„Am besten, du gehst jetzt“, sagte er mit belegter Stimme. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. „Verdammt noch mal, geh endlich“, sagte er jetzt aufgebracht.

Zum Glück rief ihn die Pflegerin, weil sie seine Hilfe brauchte, um Leni aus dem Bad zu bringen und fertig anzuziehen. Und als die beiden mit Leni ins Zimmer zurückkamen war Sarah zum Glück verschwunden.

Leni schaute ihren Mann nachdenklich an. Der nahm sie in den Arm und sagte leise: „Hmm, Frau Kaiser, Sie riechen aber fein heute“, und lächelte sie an. Als Leni ihn weiterhin vorwurfsvoll ansah sagte er: „Keine Angst Schätz-chen, Sarah ist gegangen, sie kommt erst morgen früh wieder. Da bin ich dann aber nicht da, ich habe einige Termine.“ Leni nickte und zeigte auf das zweite Bett und gab ihm zu verstehen, dass er in der Nacht dort schlafen solle. „Ja sicher, das mach ich. Hör zu, Liebes, ich liebe dich und zwar nur dich.“ Er nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich und war erstaunt, als Leni den Kuss erst sanft und dann heftiger erwiderte. „Na, Frau Kaiser, was wird denn das?“, fragte er scherzhaft und lachte sie an.

Als er sie wie gewohnt nach dem Abendessen einölte, nahm sie seine Hand und legte sie zwischen ihre Beine. Er war total überrascht und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Da lag sie, ziemlich abgemagert und immer noch mit einer Windel unterhalb des dicken Bauchs und zeigte so etwas wie Verlangen. Er fragte deshalb ziemlich unsicher: „Lene, was willst du?“ Sie nahm seine Hand und bewegte sie auf ihrem Venushügel hin und her. „Das ist jetzt aber nicht dein Ernst“, Johannes war schockiert.Will sie wirklich befriedigt werden? Das kann doch nicht sein,dachte er.Er deckte sie wieder zu und murmelte: „Also Lene, das geht doch wirklich nicht. Werd erst mal wieder gesund, Schätz-chen“. Leni blieb hartnäckig, fummelte an seiner Hose rum und versuchte, den Reißverschluss zu öffnen.

„Lene, bitte lass das“, keuchte Johannes mit belegter Stimme. Aber irgendwie schaffte sie es tatsächlich, sein mittlerweile erigiertes Glied aus der Hose zu befreien und sie dirigierte ihn so, dass er neben ihrem Kopf stand und dann nahm sie „Little Joe“, wie sie sein Glied in intimen Stunden nannte, tatsächlich in den Mund und begann, daran zu lecken und zu saugen. Zunächst versuchte er, sich dagegen zu wehren, aber der Genuss war zu groß und er kam relativ schnell, wobei Leni sich fast verschluckte hätte.

Er sah sie danach erst mal ganz verdutzt an. Alles hätte er erwartet, aber nichtdas. Sie konnte nicht richtig laufen und sprechen, aber Gefühle hatte sie trotzdem und das Verlangen nach ihm war zurückgekehrt, vermutlich war es aber auch die Eifersucht, die sie dazu angestachelt hatte.

„Lene, Lene, du bist doch immer wieder für eine Überraschung gut“, er lachte leise, zog sich wieder richtig an und nahm sie fest in den Arm. Sie kuschelte sich, so gut es ging, an ihn und bat ihn, die Nacht bei ihr zu bleiben.

„Ja klar, mein Schätz-chen, ich war doch sonst auch immer da. Ich lass dich nicht allein“, beruhigte er sie.

Als es am nächsten Morgen Zeit für ihn war zu gehen, um zu Hause zu duschen und seine Termine wahrzunehmen, war Sarah noch nicht da. Er verabschiedete sich von Leni und erklärte ihr, dass er einen Termin beim Therapeuten und in der Uni hätte. Da sie sich an nichts, was in den letzten Monaten geschehen war, erinnern konnte, versprach er, ihr am Nachmittag alles zu erklären. Außerdem versicherte er ihr, dass Sarah jeden Moment da sein müsste.

In dem Moment, als er zu Hause ankam, huschte Sarah fast nackt ins Gästebad und behauptete, dass sie verschlafen habe. Sie blieb kurz im Flur stehen und sah ihn herausfordernd an. Johannes tat, als hätte er es nicht bemerkt und ging ins Schlafzimmer, um sich frische Kleidung rauszusuchen. Dort bemerkte er, dass sie wohl im Bett auf ihn gewartet haben musste. „Das gibt’s doch nicht“, murmelte er kopfschüttelnd. „In unserem Ehebett, die schreckt ja vor nichts zurück“, und er wurde wütend auf diese Frau.

Er ging ins Bad und zog sich aus, um zu duschen. An das, was danach geschah, konnte er sich nicht richtig erinnern.

Sarah stand lange unter der Dusche, in der Hoffnung, dass Johannes doch zu ihr käme. Schalt sich dann aber selber eine dumme Kuh und bekam fast ein schlechtes Gewissen, weil sie mit dem Mann ihrer kranken Freundin schlafen wollte. Als sie nach dem Handtuch griff, um sich abzutrocknen, stand er plötzlich da. Als sie ihn so nackt und mit erigiertem Glied vor sich stehen sah entfuhr ihr ein „Wow“. Und sie fuhr bewundernd fort: „Du bist wirklich in jeder Hinsicht ein Prachtkerl, Johannes.“ Dann sah sie in sein Gesicht und seine Augen und bekam plötzlich Angst.Mit dem stimmt was nicht,dachte sie noch, als er sie auch schon gepackt und an die Wand gedrückt hatte. Er versuchte, im Stehen in sie einzudringen, aber sie konnte noch rechtzeitig ihr Knie hochnehmen und ihm zwischen die Beine stoßen. Sie hatte ihn zwar nicht voll erwischt, aber er ließ von ihr ab und krümmte sich zusammen. Als er wieder zur Besinnung kam, spürte er Schmerzen im Genitalbereich und die kalte Dusche, die Sarah ihm über den Kopf hielt.

„Du verdammtes Dreckschwein“, schimpfte sie.