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Rumoren, Ziehen, Grummeln – kaum eine Frau, die solche Beschwerden nicht kennt. Geht es um das Thema Darmprobleme, sind Frauen spitze: Sie leiden doppelt so häufig wie Männer, massive Einschränkungen im Alltag und Schmerzen sind die Folge. Erfolgsautorin und Darm-Expertin Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack verrät in dem allerersten Darm-Guide speziell für Frauen, wie aus dem miesen ein wohliges Bauchgefühl wird. Ob Endometriose, Reizdarm, Verstopfung, Histaminintoleranz oder PCOS: Unverkrampft und praxistauglich zeigt sie, wie sich durch die richtige Ernährung, zyklusabgestimmte Lebensmittel, Stärkung von Darmbarriere und Mikrobiom sowie ganzheitliche Natur-Hacks die Beschwerden endlich gezielt lindern lassen. Mit circa 40 Rezepten.
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Seitenzahl: 215
Veröffentlichungsjahr: 2025
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eBook: © 2025 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Grillparzerstraße 12, 81675 München
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ISBN 978-3-8338-9711-5
1. Auflage 2025
GuU 8-9711 05_2025_02
DIE BÜCHERMENSCHEN HINTER DIESEM PROJEKT
Verlagsleitung: Eva Dotterweich
Lektorat: Pascal Frank
Bildredaktion: Simone Hoffmann
Covergestaltung: ki36 Editorial Design, München, Nicole Pfeiffer,
Adaption der Vorlage von Dorothee Griesbeck
eBook-Herstellung: Teresa Klocker
BILDNACHWEIS
Coverabbildung: Sergio-Lucci/iStockphoto.com
Illustrationen: Pia Bublies
Fotos: Adobe Stock; GU/Pia Bublies; GU-Archiv/Klaus Arras; GU-Archiv/Barbara Bonisolli; GUArchiv/Grossmann.Schurle; GUArchiv/Florian Hauer; GU-Archiv/Coco Lang; GU-Archiv/Claudia Lieb; GUArchiv/Mathias Neubauer; GU-Archiv/Wolfgang Schardt; GU-Archiv/Stockfood Studios/Meike Bergmann; The noun project; GUArchiv/Katrin Winner; Ina Zabel
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WARUM UNS DAS BUCH BEGEISTERT
Endlich: der Darm-Wohlfühl-Guide nur für Frauen. Denn weibliche Bäuche ticken anders.
Eva Dotterweich, Verlagsleitung
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbstverantwortlich. Weder Autoren noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Leidest du unter Schmerzen, Blähbauch oder Verdauungsproblemen? Hast du Endometriose, PCOS, eine Histaminintoleranz, SIBO, einen Leaky Gut oder Reizdarm? Dann ist dieses Buch genau das richtige für dich!
Julia Seiderer-Nack verrät dir:
Die Wahrheit über den weiblichen Darm – wie er funktioniert und worauf du besonders achten musst
Was wirklich hinter deinen Beschwerden steckt – von Ernährung über Hormone bis hin zur Darmbarriere und Darm-Hirn-Achse
Wie du deine Darmgesundheit gezielt verbesserst – mit konkreten Tipps, smarten Strategien und alltagstauglichen Lösungen
Welche Rolle dein Mikrobiom spielt – und wie du es mit den richtigen Lebensmitteln optimal stärkst: für mehr Hormonbalance und Gesundheit
Wie Hormone und Darm untrennbar verbunden sind – und wie du sie ins Gleichgewicht bringst
Frauen haben anders Darm. Echt jetzt?
Ist ein Frauendarm etwa pink? Keine Sorge, der Darm ist beim Blick durchs Mikroskop nur leicht rosa, übrigens sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Aber hinter der rosigen Fassade warten durchaus eine Menge Unterschiede zwischen Frauendarm und Männerdarm. Denn in einem weiblichen Darm läuft unter dem Einfluss der Hormone im Zusammenspiel mit Darmbarriere, Darmbakterien (Mikrobiom), Immunsystem und Nervensystem nachweisbar so manches anders – mit deutlichen Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit von Frauen. Und genau das möchte ich dir in diesem Buch zeigen.
Ist ein Reizdarm Frauensache?
Rund acht Millionen Frauen in Deutschland leiden täglich unter Darmproblemen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen, da sie einen sogenannten »Reizdarm« haben. Diese Diagnose wird in der Medizin gestellt, wenn durch umfangreiche Untersuchungen (zum Beispiel eine Magen- und Darmspiegelung) keine körperliche Ursache für die Beschwerden gefunden werden kann, also »ernsthafte« Erkrankungen ausgeschlossen sind. Was erst mal beruhigend klingt, ist für viele der betroffenen Patientinnen der Beginn einer oft frustrierenden Suche nach Verständnis und Hilfe für ihre Darmbeschwerden.
Auffällig dabei: Mehr als 70 Prozent aller Reizdarm-Betroffenen weltweit sind weiblich. Diese doch beeindruckende Zahl scheinen wir in der Medizin jedoch als Naturgesetz hinzunehmen. Reizdarm ist naturgemäß einfach ein Frauenproblem. Auf die Frage nach dem Warum folgen meist Daten zur erhöhten Stressbelastung und den häufigeren psychischen Problemen bei Frauen. Zum Einfluss von Hormonen und Zyklus oder den Besonderheiten des weiblichen Darms und seinen Bakterien findet sich in den medizinischen Leitlinien dagegen nur wenig.
Good old tradition?
Leider haben diese Stereotypen über den Reizdarm als klassische Frauenerkrankung eine sehr lange Tradition. Im 19. Jahrhundert waren es die Frauen mit »Hysterie«, die aufgrund ihres schwachen Nervenkostüms von Darmproblemen betroffen waren. Selbst aus den 1980er-Jahren gibt es dokumentierte amerikanische Kongressberichte, die das Reizdarmsyndrom »neurotischen und unterbeschäftigten Hausfrauen« zuschreiben. Und auch 2025 bringen meine Reizdarm-Patientinnen noch Arztbriefe mit, in denen »bei Fehlen von körperlichen Ursachen ein entspannt-distanziertes Abwarten und die Reduktion von Stress« als Lösung empfohlen wird. Beliebt ist auch, den hohen Frauenanteil allein mit dem nachweisbar unterschiedlichen Gesundheitsverhalten zu erklären: Frauen sind in der Statistik deswegen so häufig von Darmproblemen betroffen, weil sie sich mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen, häufiger zum Arzt gehen, kein Tabu kennen und über Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen locker plaudern – während Männer bei diesen peinlichen Toilettenthemen schweigen und Probleme auf dem stillen Örtchen mit sich selbst ausmachen.
Die Rolle von Darmbakterien, Hormonen und Co.
Nein, so einfach ist es leider nicht. Nach vielen Jahren ärztlicher Praxis bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass diese vereinfachte und klischeebeladene Blickweise den Millionen betroffener Reizdarm-Patientinnen weltweit nicht wirklich weiterhilft. Und wir endlich genauer hinter die rosa Fassade blicken sollten. Warum? Ganz einfach – weil Frauen anders Darm haben:
Wenn wir in die Forschung zur Bedeutung der Darmbakterien (Mikrobiom) blicken, ist das Wissen in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert. In meinem Medizinstudium hätte ich es mir nicht träumen lassen, dass Frauen eine andere Bakterienzusammensetzung im Darm haben, die das Denken und Fühlen beeinflusst, das Körpergewicht oder den Östrogenspiegel reguliert und Entzündungen auslösen kann.
Viele Patientinnen berichten in der täglichen Praxis über zyklusabhängige Darmbeschwerden, die sich mit Blick auf die Hormonlage auch gut erklären lassen. Und insbesondere in Phasen des hormonellen Umbruchs (Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre) lernen sie ihren Darm erst recht von seiner besonders »reizenden« Seite kennen. Auch haben Patientinnen mit gynäkologischen Erkrankungen wie Endometriose und dem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko für einen Reizdarm. Das ist kein Zufall. Vermutlich verbirgt sich hinter so manchem gereizten Darm ein Hormonungleichgewicht oder eine gynäkologische Erkrankung.
Viele betroffene Frauen fallen jedoch durch die Maschen, da wir den Einfluss ihrer hormonellen Störungen auf den Darm meist gar nicht erst erfragen oder andersrum unterschätzen, wie stark sich der Darm und sein Mikrobiom auf ihre Hormonlage, ihren Stoffwechsel, ihr Immunsystem und auch ihre Psyche auswirken können. Auf den ersten Blick haben Darm, Eierstöcke und Gebärmutter zwar nachbarschaftliche Nähe, aber funktionell nicht viel gemeinsam. Jedoch gibt es gute Hinweise, dass Hormonstörungen wie das PCOS oder Endometriose mit Störungen des Darmmikrobioms und der Darmbarriere sehr viel zu tun haben – und genau hier auch Möglichkeiten zur unterstützenden Therapie liegen.
Männer und Frauen sind anders krank. Mittlerweile beschäftigt sich eine eigene wissenschaftliche Fachrichtung, die Gendermedizin, mit diesen relevanten und geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Entstehung von Krankheiten. Frauen zeigen andere Risikogene, immunologische Reaktionen und Stoffwechselprozesse als Männer, sie empfinden anders Schmerz und unterliegen einem hormonellen Zyklus, der auf alle Organsysteme Einfluss hat. Es wird Zeit, auch beim Reizdarm diese Fakten zu kennen und damit ein anderes Krankheitsverständnis zu entwickeln.
Für eine bessere Behandlung
Ich möchte dir in diesem Buch zeigen, warum und wie Frauen anders Darm haben und wie wir mit diesem Wissen eine bessere Medizin für Frauen mit Darmbeschwerden erreichen können. Und warum es wichtig ist, unsere Darmbarriere, unser Mikrobiom und unser Immunsystem in den Blick zu nehmen, wenn wir Hormone in Balance bringen und Beschwerden bei Endometriose und PCOS nachhaltig lindern wollen.
Deshalb enthält dieses Buch nicht nur spannende Einblicke in die Wissenschaft, sondern auch viele praktische Tipps und Routinen rund um das Thema Ernährung, Nährstoffe und Naturkunde – um unserem Darm und der weiblichen Gesundheit nachhaltig etwas Gutes zu tun. Ab Seite 122 habe ich dazu auch passende Rezeptideen für darmgesunden Genuss zusammengestellt. Damit du noch besser nachvollziehen kannst, in welchem Zusammenhang deine Ernährung möglicherweise mit deinen Beschwerden steht, findest du in der Innenseite des Buchumschlages zudem das Darm Diary als Vorlage für deine persönlichen Aufzeichnungen.
Die Erkenntnis, dass Frauen anders krank sind als Männer, ist in der Medizingeschichte noch relativ jung. Die amerikanische Herzspezialistin Marianne Legato zeigte in den 1980er-Jahren erstmals, wie gefährlich es sein kann, geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin zu ignorieren und Frauen und Männer gleich zu behandeln. Sie ist deshalb auch eine der Pionierinnen auf dem Gebiet der sogenannten Gendermedizin, die sich mit diesen Unterschieden und deren Auswirkung auf die Entstehung und Erkennung von Krankheiten bei Frauen und Männern beschäftigt. Legato wunderte sich, warum Frauen deutlich häufiger am Herzinfarkt verstarben als Männer – obwohl sie doch eigentlich eine gesündere Lebensweise zeigten, also weniger rauchten und Übergewicht hatten.
Der Grund lag jedoch nicht in der weiblichen Lebensweise, sondern darin, dass Frauen anders herzkrank sind. Legatos Studien belegten, dass Herzinfarkte bei Männern schneller diagnostiziert wurden, da sie häufiger die vermeintlich typischen Symptome wie Brustschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm zeigten. Frauen dagegen hatten oft nicht diese klassischen Symptome wie aus dem Lehrbuch, sondern eher Übelkeit, Rücken- oder Oberbauchschmerzen. Die Folge: Herzinfarkte bei Frauen wurden erst (zu) spät erkannt, und die Sterblichkeitsrate stieg, da ihre Symptome von den behandelnden Ärzten nicht ernst genommen wurden. Das Risiko, an einem Herzinfarkt zu versterben, war für Frauen zeitweise doppelt so hoch als bei Männern. Denn das damalige medizinische Wissen orientierte sich am männlichen Standardpatienten und verschlechterte damit die Gesundheitsversorgung der anderen 50 Prozent der Menschheit. Heute werden Herzspezialisten gezielt darin geschult, zwischen einem männlichen und weiblichen Herzinfarkt zu unterscheiden. Die Sterblichkeitsrate infolge Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bei Frauen seitdem deutlich gesunken.
Aus dieser Geschichte können wir vier wichtige Dinge lernen:
Frauen haben anders Herz als Männer.
Vermutlich ist das nicht nur beim Herz so, sondern auch bei anderen Organen.
Es lohnt sich, weiblichen Forscherinnen gut zuzuhören.
Traue nie einem Lehrbuch, das vom männlichen Standardpatienten ausgeht.
Nicht nur beim Blick auf das Herz wird in der Medizin immer deutlicher, wie entscheidend es sein kann, den gesundheitlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Was wir bereits wissen: Männer und Frauen sind rein biologisch anders gebaut. Sie unterscheiden sich nicht nur genetisch über das X- und Y-Chromosom, ihren Körperbau und den Eigenschaften jeder einzelnen Zelle, sondern auch in ihrer Hormonproduktion, ihrem Stoffwechsel, ihrer Immunantwort und selbst in den Bakterien, die ihre Körper besiedeln. Daher herrscht auch in Sachen Männerschnupfen mittlerweile endlich mehr Verständnis für das starke Geschlecht: Männer sind tatsächlich deutlich anfälliger für Virusinfektionen und haben dank Testosteron das schwächere Immunsystem, was gerade während der Coronapandemie deutliche Auswirkungen zeigte. Frauen dagegen sind die besseren Abwehrspieler: Das weibliche Sexualhormon Östrogen stimuliert die Immunzellen und sorgt für andere, effektivere Arten von Botenstoffen und Abwehrreaktionen – manchmal leider aber auch zu Überreaktionen in Form von Autoimmunerkrankungen.
Die Liste der kleinen Unterschiede mit großer medizinischer Wirkung ist mittlerweile lang: Frauen haben mehr und anders Depressionen als Männer, Männer empfinden anders Schmerz als Frauen, Frauen haben mehr Allergien … Bei immer mehr Krankheitsbildern zeigen sich in Studien Unterschiede in der Häufigkeit, den Symptomen und im Therapieansprechen zwischen Männern und Frauen.
Leider berücksichtigen wir diese so bedeutsamen gendermedizinischen Unterschiede im ärztlichen Berufsalltag immer noch viel zu wenig und gehen weiterhin davon aus, dass alle gleich krank sind – übrigens zum Nachteil von Frauen und Männern. Das zeigt sich auch beim Thema Darmerkrankungen. Wir wissen, dass Frauen viel häufiger unter einem Reizdarm leiden, und wir wissen auch, dass Darmbeschwerden bei Erkrankungen wie Endometriose oder PCOS deutlich häufiger sind. In unserem Krankheitsverständnis, unserer Diagnostik und Therapie tun wir aber weiterhin so, als gäbe es keinen Unterschied. Darmprobleme sind nun mal Frauenprobleme. Also was tun?
Möglichkeit 1: Wir akzeptieren das einfach als ein Naturgesetz, so wie die Schwerkraft.
Möglichkeit 2: Wir beschäftigen uns mit dem weiblichen Darm und seinen Bakterienbewohnern und versuchen zu verstehen, welche Rolle Östrogene und Co., die Darmbarriere und die Kommunikation mit dem Gehirn spielen.
Falls du für Möglichkeit zwei stimmst, lade ich dich ein weiterzulesen – denn genau das werden wir jetzt tun.
Die Situation: Studien zeigen, dass männliche Ärzte den Schweregrad einer Erkrankung bei Frauen möglicherweise unterschätzen. Das zeigt sich insbesondere beim Thema Schmerz, den Frauen ja angeblich aufgrund ihrer Bauweise viel besser aushalten können. Viele Patientinnen erfahren diese überholten Klischees zum Thema Schmerz im Alltag. Alles völlig natürlich, diese Regelschmerzen, diese Kopfschmerzen – ist halt hormonell oder stressbedingt. Forscher sprechen daher von einer »Gender Pain Gap«. Gemeint ist damit das Phänomen, dass Schmerzen bei Frauen im Vergleich zu Männern aufgrund von Wissenslücken und Vorurteilen weniger ernst genommen und behandelt werden.
Die Studienlage: Eine aktuelle Auswertung (2024) von über 22 000 Patientendaten aus Krankenhäusern in den USA und Israel zeigte beispielsweise, dass 47 Prozent der Männer bei akuten Beschwerden in der Notaufnahme ein Schmerzmittel erhielten, bei den Frauen waren es nur 38 Prozent. Zudem mussten Patientinnen 30 Minuten länger auf ein Schmerzmedikament warten.
Das Fazit: Männlichen Schmerzen wird die nötige Ernsthaftigkeit zugeschrieben, weibliche gehören eben dazu oder sind eine Überreaktion. Und genau dieses stereotype Bild führt im Alltag der Frauen dazu, dass chronische Erkrankungen wie Endometriose oder Migräne, aber eben auch die Bauchschmerzen beim Reizdarm oft nicht so ernst genommen und als therapiebedürftig angesehen werden.
Zeit also, genauer hinzusehen. Auch wenn auf den ersten Blick Männer- und Frauendärme gleich aussehen – hinter der rosa Fassade läuft so einiges anders. Bevor wir uns einige dieser Unterschiede im Detail ansehen werden, hier der erste Überblick:
Grundsätzlich ist der Magen-Darm-Trakt bei Frauen rein anatomisch natürlich erst mal gleich aufgebaut wie bei Männern (siehe Grafik 1). Auf den zweiten Blick gibt es aber ein paar bedeutsame Unterschiede. Zunächst einmal müssen sich Frauendärme das Becken mit den Fortpflanzungsorganen teilen, sind also räumlich durch ihre Nachbarinnen Gebärmutter und Eierstöcke etwas eingeschränkter in ihrer Beweglichkeit. Und: size matters! Studien haben gezeigt, dass der Darm bei Frauen meist etwas länger ist als bei Männern (ca. 10–20 cm). Das kann in Sachen Transportgeschwindigkeit durchaus Auswirkungen haben. Die Zeit, bis die gefutterte Nahrung den gesamten Magen-Darm-Trakt durchlaufen hat und als wohlgeformtes Würstchen unseren Körper wieder verlässt, beträgt im Durchschnitt etwa zwölf bis 30 Stunden, abhängig auch von der Art der Ernährung. Nach einem ersten Zwischenstopp im Magen von ca. sechs bis acht Stunden geht es für den Nahrungsbrei auf die lange Fahrt durch die Schlingen von Dünn- und Dickdarm (siehe Grafik 1). Der Transport der Nahrung wird durch die wellenförmigen Bewegungen der Darmmuskulatur (Peristaltik) ermöglicht, die durch das darmeigene Nervensystem angeregt werden.
Im weiblichen Darm geht es dabei gechillter zu: Die längeren Frauendärme bewegen die Nahrung langsamer durch den Verdauungstrakt. Diese reduzierte Transportgeschwindigkeit ist einerseits aus Sicht der Evolution gut für die maximale Nährstoffaufnahme (denn der Darm hat mehr Zeit für seine Arbeit) – gerade in Phasen von Schwangerschaft und Stillzeit, in denen viel Energie benötigt wird. Andererseits liegt der Nahrungsbrei auch einfach länger in den Darmschlingen, es finden mehr Gärungsprozesse statt. Das kann Ursache für mehr Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Blähungen sein, von denen Frauen deutlich häufiger betroffen sind.
Neben der Anatomie sind es vor allem hormonelle Einflüsse, Darmbakterien und die Reizverarbeitung durch das Nervensystem, die die Darmbewegungen bei Frauen zusätzlich beeinflussen. Sie haben zudem eine andere Anatomie des Beckenbodens und infolge von Schwangerschaften und Geburten häufiger eine Beckenbodenschwäche. Da der Beckenboden nicht nur eine Haltefunktion für die Harnblase, sondern auch für den Enddarm hat, kann eine Schwäche dieser wichtigen Stützfunktion auch zu Darmproblemen führen.
Für eine effektive und geräuschfreie Verdauung ist ein exakt abgestimmtes Zusammenspiel von Enzymen, Hormonen und Verdauungssäften wichtig – und auch hier gibt es Unterschiede. Frauen lassen es bereits im Magen etwas ruhiger angehen: Sie bilden weniger Magensäure als Männer, und der Magen entleert sich langsamer. Das kann ebenfalls zu mehr Völlegefühl, Magendruck und Blähungen führen, die bei Frauen vermehrt auftreten. Kein Wunder, dass sie auch häufiger die Diagnose »Reizmagen« erhalten. Auch entleert sich eine weibliche Gallenblase langsamer als bei Männern – wodurch nicht nur das Risiko für Gallensteine bei Frauen steigt. In der Gallenflüssigkeit befinden sich zudem wichtige Enzyme und Gallensalze für die Fettverdauung, die bei ihnen daher zum Teil langsamer erfolgt und zu Verdauungsbeschwerden führen kann.
Nicht wirklich neu, aber selten wirklich richtig ernst genommen: Anders als bei Männern steht ein weiblicher Darm den größten Teil seines Lebens unter dem Einfluss von weiblichen Sexualhormonen und dem Zyklus. Insbesondere die hormonellen Strippenzieher Östrogen, Progesteron und Testosteron regulieren nicht nur unsere Fruchtbarkeit und Laune, sondern können auch Auswirkungen auf den weiblichen Verdauungstrakt haben (siehe Seite 45). Auch der Darm hat also seine Tage … Kein Wunder, dass bei Patientinnen mit Reizdarm die Hormonmafia die Darmbeschwerden deutlich verschlimmern kann, insbesondere in der zweiten Zyklushälfte.
Auch Gewebshormone wie Histamin oder Prostaglandine wirken nicht nur im Immunsystem oder der Gebärmutter entzündungsfördernd und schmerzverstärkend, sondern auch im weiblichen Darm. Diese hormonellen Einflüsse auf die Verdauung werden nicht nur während des normalen Zyklus sichtbar, sondern insbesondere auch in Phasen von Hormonumstellungen (Schwangerschaft, Wechseljahre) oder bei entzündlichen und hormonellen Fehlregulationen (Endometriose, PCOS). Auch die Schilddrüse beeinflusst den Darm und kann bei Fehlfunktionen Beschwerden verursachen.
Das Problem der hormonellen Einflüsse zeigt sich auch in der Forschung zu Darmerkrankungen. Um die Entstehungsmechanismen eines Reizdarms besser zu verstehen, werden in der Grundlagenforschung Zellkulturen oder Labormäuse verwendet. Das Problem: Wenn für die meisten dieser Forschungsarbeiten männliche Zellkulturen oder männliche Mäuse verwendet werden, um störende hormonelle Einflüsse zu vermeiden, erhält man eben auch keine Ergebnisse, die die Besonderheiten des weiblichen Körpers richtig wiedergeben. Im Übrigen sind ja auch Frauen rein hormonell keine homogene Gruppe. Es macht einen Riesenunterschied, ob wir von Frauen im Menstruationszyklus oder der Menopause sprechen oder ob Frauen die Pille oder eine Hormonersatztherapie nehmen. Und genau das sehen wir auch im Darm.
Unsere Darm-WG hat Bewohner mit Dauermietvertrag – die Darmbakterien. Und diese können die Hormonbalance ganz schön ins Wanken bringen. Denn: Frauen haben nicht nur anders Darm, sondern auch anders Darmmikrobiom (siehe Seite 78). Weibliche Därme tragen nach der Pubertät eine andere Bakterienmischung in sich als männliche. Das hat deutliche Auswirkungen auf den Hormonhaushalt und insbesondere den Östrogenspiegel, die Entzündungsaktivität, den Energiestoffwechsel und die Kommunikation mit dem Gehirn – und damit auch auf unser seelisches Wohlbefinden. Kommt der Darm in die Wechseljahre, ändert sich das Mikrobiom im weiblichen Darm übrigens erneut erheblich. Und damit verändern sich auch Stoffwechselprozesse, Immunabwehrmechanismen und Hormonproduktion (siehe Seite 99).
Es ist gut belegt, dass das Immunsystem von Frauen anders tickt als das unserer männlichen Artgenossen. Die Immunzellen von Frauen zeigen bei Kontakt mit Erregern stärkere Abwehrreaktionen und eine andere Ausschüttung von Botenstoffen. Das ist bei Infektionskrankheiten definitiv ein Vorteil (Stichwort: Männerschnupfen), erhöht leider aber auch das Risiko für Fehlregulationen des Immunsystems, zum Beispiel nach einem bakteriellen oder viralen Magen-Darm-Infekt. Daher entwickeln Frauen nach einem solchen Infekt langfristig häufiger einen Reizdarm (siehe Seite 35). Auch bei Allergien und Pseudoallergien liegen Frauen signifikant in Führung – etwa 80 Prozent aller Patienten mit einer Histaminintoleranz zählen zu ihnen. Bei weiblichen Reizdärmen spielt die Reaktion auf Nahrungsmittel daher auch eine größere Rolle.
Die Unterschiede in unserem Immunsystem zeigen sich auch beim Thema Autoimmunerkrankungen, also Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen den eigenen Körper richtet und zu chronischen Entzündungen und Zerstörung von Organen führen kann. Autoimmunkrankheiten betreffen etwa 8 Prozent der Weltbevölkerung, 78 Prozent der Betroffenen sind aber Frauen. Sie erkranken beispielsweise zehnmal häufiger an der sogenannten Hashimoto-Schilddrüsenentzündung, die auch mit Reizdarmbeschwerden verbunden sein kann. Auch sind zwei Drittel aller Zöliakie-Patienten, bei denen eine Unverträglichkeit von Gluten zu Darmentzündungen führt, weiblich.
Dass Frauen ein so hohes Risiko für Autoimmunerkrankungen haben, lässt sich nicht allein durch die Hormone begründen. So konnte ein Forscherteam 2024 erstmals zeigen, dass die Geschlechtschromosomen hier eine Rolle spielen. Frauen haben genetisch zwei X-Chromosomen, Männer dagegen ein X- und ein Y-Chromosom. Das zweite X-Chromosom bei der Frau wird jedoch bereits während der Embryonalentwicklung inaktiviert, weil wir nur einmal die genetische Betriebsanleitung brauchen. Dazu wird das zweite, nicht benötigte X-Chromosom durch einen speziellen Eiweißkomplex (genannt XIST) verpackt und stummgeschaltet, sodass keine Gene mehr abgelesen werden können. Doch genau dieses Verpackungsmaterial scheint das Immunsystem jedoch zu einer fehlerhaften Überreaktion zu bringen – und damit Autoimmunreaktionen bei Frauen zu begünstigen.
Frauen unterscheiden sich in Sachen Kommunikationsfähigkeit nicht nur im echten Leben von Männern, sondern auch im Darm. Beim Informationsaustausch zwischen Darm und Gehirn (auch Darm-Hirn-Achse genannt, siehe Seite 32) läuft bei Frauen manches anders. Sie haben eine andere Reizverarbeitung von Signalen aus dem Darm und nehmen diese teilweise auch in anderen Arealen des Gehirns wahr. Diese sogenannte erhöhte viszerale Sensitivität, also die verstärkte und schmerzhafte Wahrnehmung von Reizen aus dem Bauchraum, ist bei Frauen gut belegt (siehe Seite 36) und spielt auch bei der Endometriose eine Rolle. Dabei können die weiblichen Hormone, insbesondere das Östrogen, auch Einfluss auf die Stärke der Signalempfindung nehmen. Frauen registrieren auch Stresssignale anders und zeigen dabei eine intensivere Aktivierung des Nervensystems im Darm als Männer.
Frauen unterscheiden sich auch in ihrer Stoffwechselaktivität, also in der Aufnahme, Weiterverarbeitung und Ausscheidung von Stoffen. Das kann Folgen für die Wirkung und Nebenwirkung von medikamentösen Therapien haben – beispielsweise bei den bei Frauen häufiger verordneten Schmerzmitteln oder Antibiotika. Auch die Pharmaindustrie hat noch bis vor wenigen Jahren den Großteil ihrer Wirkstoffe an männlichen Mäusen und männlichen Probanden getestet. Warum? Überraschung! Weil Frauen und weibliche Mäuse einem hormonellen Zyklus unterliegen und die Firmen daher befürchteten, dass die Hormonschwankungen die Ergebnisse beeinflussen könnten. Kleines Problem: Das ist im wirklichen Leben der Menschen auch so. Die Forschungsergebnisse an männlichen Patienten können daher eben nicht eins zu eins auf die restlichen 50 Prozent der Menschheit übertragen werden. Die Unterschiede im Körperbau, Stoffwechsel und insbesondere auch in der Transportzeit durch den Magen-Darm-Trakt führen dazu, dass Medikamente bei Männern und Frauen unterschiedliche Auswirkungen haben können. So braucht die gleiche Tablette bei Frauen aufgrund der langsameren Transportgeschwindigkeit manchmal doppelt so lange für den Weg durch Magen und Darm wie bei Männern. Auch der Abbau von Wirkstoffen kann bei Frauen in der Leber unter dem Einfluss von weiblichen Sexualhormonen deutlich länger dauern. Hormone haben zudem einen wichtigen Einfluss auf das Bindungsverhalten der Arzneimittel an die Eiweiße im Blut. Die Folge: Bei gleicher Dosierung kann das gleiche Medikament bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken und andere oder stärkere Nebenwirkungen auslösen – unter Umständen auch mit Auswirkungen auf den Darm.
Harte Fakten sind nicht nur was für Männer. Dass Frauen anders Darm haben, ist nicht einfach so ein Bauchgefühl. Rein statistisch sind mehr als zwei von drei Reizdarm-Patienten weiblich und zeigen dabei andere und teilweise deutlich zyklusabhängige Symptome. Auch mehr als die Hälfte der »darmgesunden« Frauen beschreibt übrigens zyklusabhängige Verdauungsbeschwerden. Im Jahr 2022 war mit 22 Prozent mehr als jede fünfte bei einer deutschen Krankenkasse versicherte Frau im Alter zwischen 20 und 24 Jahren wegen Verdauungsproblemen in ärztlicher Behandlung (Daten der KKH). Alles Zufall oder nur so ein Bauchgefühl? Wohl eher nicht.
Noch Fragen? Hoffentlich. Denn Frauen haben anders Darm. Und es wird Zeit, sich im Detail anzusehen, was genau da in den Tiefen des Darms passiert und was wir daraus für unsere Darmgesundheit und Hormonbalance lernen können.
Grafik 1: Der Verdauungstrakt
Unser Verdauungstrakt (Gastrointestinaltrakt) transportiert die aufgenommene Nahrung von der Mundhöhle bis zum Darmausgang und ermöglicht durch Zerlegung die Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Wasser, Elektrolyte, Vitamine und Spurenelemente. Nachdem die Nahrung im Mund gut gekaut, mechanisch zerkleinert und mit enzymhaltigem Speichel vermischt wurde, gelangt sie über die Speiseröhre (Ösophagus) in den Magen. Dort wartet das große Säurebad: Die Magensäure zerlegt die Nahrungsbestandteile, bevor diese dann im Darm weiterverdaut werden.
Der menschliche Darm besteht aus Dünndarm und Dickdarm, die jeweils unterschiedliche Funktionen im Verdauungsprozess übernehmen. Der Dünndarm, der längste Abschnitt des Verdauungstrakts, beginnt unmittelbar nach dem Magenausgang und besteht aus dem Zwölffingerdarm (Duodenum), dem Leerdarm (Jejunum) und dem Krummdarm (Ileum). Der Dünndarm ist insbesondere entscheidend für die Zerlegung und Aufnahme von Nährstoffen und Vitaminen. Verdauungssäfte aus der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gelangen in den Zwölffingerdarm und zerlegen die aufgenommene Nahrung in Zuckerverbindungen, Fettsäuren und Eiweißmoleküle. Im weiteren Verlauf werden diese Nährstoffe über die Dünndarmwand aufgenommen und zur Leber transportiert, wo sie weiterverarbeitet und dem Körper als Energie zur Verfügung gestellt werden. Der Krummdarm resorbiert zudem Vitamine, Spurenelemente und Gallensäuren.