Frauen & Pornografie - Claudia Gehrke - E-Book

Frauen & Pornografie E-Book

Claudia Gehrke

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

1988 erschien „Frauen und Pornografie“ als Beitrag zur damals aufbrandenden feministischen Debatte um PorNO und Pornografie. Darin finden sich mutige und von heute her gesehen zukunftsweisende Texte von Frauen. Noch immer wird Pornografie oft für Männer gemacht. Die Autorinnen wehren sich gegen das pornografische Bild der ewig bereiten Frau und nehmen zugleich Stellung zur damals aufbrandenden von Alice Schwarzer und EMMA initiierten PorNOdebatte. (Inzwischen gibt es auch eine feministische PorYES-Bewegung). Damals war noch nicht zu ahnen, mit welcher Bilderflut das Internet auf uns zukommt, insofern sind diese Texte historisches Dokument, zugleich bleiben viele Fragen, die in in ihnen aufgeworfen wurden, bis in die Gegenwart aktuell und werden weiterhin diskutiert. Beiträge über ästhetische, literarische, psychologische politische und juristische Aspkete u.a. von Elfriede Jelinek, Cora Stephan, Christel Dormagen, Adrienne Göhler, Jutta Bahr-Jendges,Margret Hauch, Marlis Gerhardt, Claudia Gehrke, Karin Rick, Helga Ginevra, Friederike Frei, Ulrike Zimmermann und Gerburg Treusch-Dieter. Die Autorinnen forderten Frauen dazu auf, ihr erotisches Material selber herzustellen und die Bilderflut anarchisch und subversiv zu unterlaufen. Den sexuellen Selbstblick nicht mehr auszublenden, sondern in Kunst aufzunehmen. Sie schreiben über das Verhältnis von Frauen zur Pornografie, über weibliche Schaulust, über Frauen und Gewalt, über Masochismus – ergänzt mit Bildern, literarischen Beispielen und einer ausführlichen, für die E-Book-Ausgabe mit einer kleinen Auswahl wichtiger Titel bis in die Gegenwart erweiterten Bibliografie mit erotisch-pornografischen Literatur, Theorie- und Filmproduktionen von Frauen. Das von der bekannten Autorin und Karikaturistin Doris Lerche 1988 eigens für das Buch „Frauen und Pornografie“ gezeichnete Daumenkino gibt es als kleines gedrucktes Buch (ISBN 978-3-88769-037-3). Es ist in der E-Book-Ausgabe nicht enthalten – denn ein „Daumenkino“ hat mit Papier und Umblättern zu tun …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 346

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frauen und Pornografie

konkursbuch 

VERLAG CLAUDIA GEHRKE

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Über das Buch

Claudia Gehrke, Anregungen zu einer Politik erotischer Kulturen von Frauen

Eva S. Poluda-Korte, Ein kreatives Potential

Cora Stephan, Heim zu Mama? Eine Polemik

Karin Rick, Jenseits der Scham

Jutta Bahr-Jendges, Gesetze gegen Pornografie im männlichen Staat? Für oder wider Männerprivilegien

Elfriede Jelinek, Der Sinn des Obszönen. Vorrede

Elfriede Jelinek, Der Sinn des Obszönen

Elfriede Jelinek, Lust

Adrienne Goehler/Margret Hauch, Der Porno im eigenen Kopf — Bruchstücke eines Unbehagens

Christel Dormagen, Wen kümmert’s, wer spricht

Ulrike Zimmermann, Ein Beitrag zur Entmystifizierung der Pornografie, Auszüge aus einem Gesprächsprotokoll

neda bei, alles, was recht ist (oesterreichische verhaeltnisse) für elfriede jelinek

Cornelia Arnhold, Spermastory

Marlis Gerhardt, Bildverbot und Bildersturm, Anmerkungen zum Porno-Streit

Gerburg Treusch-Dieter, Das neue Sex-Geheimnis. Pornografie, Aids, Gentechnologie.

Bibliografie/Literatur

Stand 1988: Literatur „Klassikerinnen“

Stand 1988: Anthologien

Stand 1988: Romane & Erzählungen

Stand 1988: Lesben

Stand 1988: Verschiedenes, Comics, Gedichte etc.

Filme & Videos von Frauen, 1970er und 80er

Stand 1988: Theorie

Ergänzungsbibliografie 2016

Autorinnen

Impressum

Über das Buch

1988 erschien „Frauen und Pornografie“ als Beitrag zur damals aufbrandenden feministischen Debatte um PorNO und Pornografie. Darin finden sich mutige und von heute her gesehen zukunftsweisende Texte von Frauen. Noch immer wird Pornografie oft für Männer gemacht. Die Autorinnen wehren sich gegen das pornografische Bild der ewig bereiten Frau und nehmen zugleich Stellung zur damals aufbrandenden von Alice Schwarzer und EMMA initiierten PorNOdebatte. (Inzwischen gibt es auch eine feministische PorYES-Bewegung). Damals war noch nicht zu ahnen, mit welcher Bilderflut das Internet auf uns zukommt, insofern sind diese Texte historisches Dokument, zugleich bleiben viele Fragen, die in in ihnen aufgeworfen wurden, bis in die Gegenwart aktuell und werden weiterhin  diskutiert. Beiträge über ästhetische, literarische, psychologische politische und juristische Aspkete u.a. von Elfriede Jelinek, Cora Stephan, Christel Dormagen, Adrienne Göhler, Jutta Bahr-Jendges,Margret Hauch, Marlis Gerhardt, Claudia Gehrke, Karin Rick, Helga Ginevra, Friederike Frei, Ulrike Zimmermann und Gerburg Treusch-Dieter. Die Texte handeln u.a. von Schaulust, Gewalt, der Psychoanalyse sexueller Fantasien und von erotischen Film-, Buch-, Kunstproduktionen von Frauen. "Radikal, überraschend, originell …" schrieb nach Erscheinen der Erstauflage das Basler Magazin.Die Autorinnen forderten Frauen dazu auf, ihr erotisches Material selber herzustellen und die Bilderflut anarchisch und subversiv zu unterlaufen. Den sexuellen Selbstblick nicht mehr auszublenden, sondern in Kunst aufzunehmen. Sie schreiben über das Verhältnis von Frauen zur Pornografie, über weibliche Schaulust, über Frauen und Gewalt, über Masochismus – ergänzt mit Bildern, literarischen Beispielen und einer ausführlichen, für die E-Book-Ausgabe mit einer kleinen Auswahl wichtiger Titel bis in die Gegenwart erweiterten  Bibliografie mit erotisch-pornografischen Literatur, Theorie- und Filmproduktionen von Frauen. Das von der bekannten Autorin und Karikaturistin Doris Lerche 1988 eigens für das Buch „Frauen und Pornografie“ gezeichnete Daumenkino (das einige Überraschungen zu bieten hat) gibt es als kleines gedrucktes Buch, es ist in der E-Book-Ausgabe nicht enthalten – denn ein „Daumenkino“ hat mit Papier und Umblättern zu tun …

Hier ein paar der mehr ca. 100 Daumenkino-Zeichnungen.

Claudia Gehrke, Anregungen zu einer Politik erotischer Kulturen von Frauen

Erst in unserer Kultur, historisch gesehen also seit nicht allzu langer Zeit, ist die Abbildung des Sexuellen ausgeschlossen aus der Kultur. – Man denke an asiatische Kulturen, an die griechische Kultur, an sogenannte primitive Kulturen. Abbildungen des Sexuellen waren in aller Deutlichkeit und allen Varianten an den öffentlichen Orten zu finden. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Sexualität keinen Regeln unterworfen war, ich möchte nicht dem Bild des „Freien“ frönen, aber: Das, was eine Kultur unter Sexualität verstand, durfte abgebildet werden.

Die patriarchal-christliche Kultur akzeptierte Sexualität nur im Zusammenhang mit Zeugung als „Notwendigkeit der Natur“ und verbannte jede Abbildung der Sexualität aus der kulturell akzeptierten Bilderwelt. Und schaffte damit jene hinlänglich bekannte Doppelmoral der Männergesellschaft, die zur – zwecks „Triebabfuhr“ – notwendigen, aber kulturell missachteten Pornografie & Prostitution führte. Beides konnte sich jenseits jeder kulturellen Kritik und Regelung zu dem entwickeln, was es in der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts war: „Unterwelt“. Ob es sich nun um „verbotene“ und unter dem Ladentisch gehandelte oder um „erlaubte“ Pornografie handelt, niemals ist sie als Kulturausdruck (= Kunst) akzeptiert. Und die Grenze zur „richtigen“ Unterwelt ist in jedem Fall nah: mit bekannten finanziellen Ausbeutungsverhältnissen bis hin zum Menschen(Frauen)handel.

Das christlich-patriarchale Bild der Frauen als Verführerinnen zum Bösen der Sexualität setzt sich bis in aktuelle Pornomythen fort. – Die unersättlich gierige Frau auf dem Sofa oder sonstwo findet endlich den passend potenten Herrn, den sie verführt und der es schließlich schafft, was fast unmöglich ist, sie zu befriedigen. Auch aktuelle Pornos bieten meiner Kenntnis nach nur Varianten. Dazu kommen die Frauen in der Werbung, als Verführerinnen zum bösen Konsum. „Böse“ zumindest nach protestantisch-christlicher Auffassung, für die Instandhaltung der technologisch-kapitalistischen Maschinerie aber unbedingt notwendig. Natürlich gibt es auch Männer: Der Marlboro-Abenteuer-Typ (aus den 80ern, lange vor den Zeiten der Einschränkung von Werbung fürs Rauchen, aber auch heute gibt es „Abenteurer“-Typen in der Werbung ) suggeriert wenigstens Selbständigkeit & Freiheit, die Frau dagegen verlockte lange Zeit vor allem durch passive Schönheit oder hausfrauliche Sauberkeit.

Das Bild der Frau als Inhaberin der „Schuld“ ist Anlass für jahrhundertelang versuchte Unterdrückung. Von den Hexenverfolgungen, dem kirchlich legitimierten Massenmord an Frauen – u. a., weil diese Frauen das Wissen über Sexualität als Lust jenseits von Zeugung weitergaben, mit Ratschlägen über Verhütung und auch Abtreibung –‚ bis hin zur Verfolgung und Einsperrung der Aids-infizierten Prostituierten: Die „Schuld“ wurde lange Zeit bei den Frauen gesucht. Nicht der Freier, der partout ohne Gummi vögeln wollte, hatte die Schuld.

Diese „Schuld“ nun umgekehrt ebenso total den Männern in die Schuhe schieben zu wollen, ist keine Lösung des Geschlechterproblems. Sexualität, auch das ist hinlänglich bekannt, ist immer Kultur und niemals reine „Natur“, weder im Sinne jener Partnerschaft zweier verschiedengeschlechtlicher Menschen auf Ewigkeit, noch im Sinn jener Aufklärung der 1968er-Bewegungen, die Sexualität in den Stand der „natürlichen“ Körperbedürfnisse erhob wie Essen & Ähnliches.

Dass Sexualität prinzipiell den kommunikativen Künsten eher verwandt ist als den natürlichen Körperbedürfnissen, liegt schon daran, dass sie zwischen Menschen stattfindet und auch der Erkenntnis, einfacher gesagt, dem Kennenlernen anderer dient.

Jenseits jener patriarchalen Geschichte ist zunächst einmal nichts „Böses“ oder auch „Erniedrigendes“ daran, Techniken der, altertümlich ausgedrückt, Liebeskunst zu erlernen und sie gegen eine angemessene Gegenleistung weiterzugeben – so kalt und der „Religion der Vermarktung“ auf den Leim gegangen das auch klingen mag. Wenn nämlich diese Kunst, wie etwa im alten Griechenland, kulturell als gleichwertig anderen Künsten, etwa der Philosophie, der Heilkunst, der bildenden und poetischen Kunst, angesehen wird, ist nichts Anrüchiges mehr daran, diese Kunst abzubilden, zu beschreiben oder auszuüben – auch gegen Geld. Ohne negativen Beigeschmack darf Geld im Spiel sein, wenn es um andere Künste geht. Wenn ich ins Theater gehe oder zum Masseur oder zum Arzt, wenn ich ein Buch kaufe oder ein Bild, immer spielt Geld eine Rolle, und trotzdem dürfen sich Kopf & Körper an diesen Künsten erfreuen. Nur bei der Sexualität hat die Verknüpfung mit Geld diesen üblen Beigeschmack – und trotzdem, oder gerade deswegen ist die Sexualität in besagter Subkultur auf die übelste Weise mit Geld verknüpft. Ausgerechnet und ausschließlich in der Sexualität soll alles frei vom Materiellen, alles allein aus „Liebe“ möglich sein. Die Beziehungen sind hoffnungslos überfrachtet mit diesem Ansinnen und wurden es im Zusammenhang mit der Aids-Politik immer mehr.

Dass Liebe und Sexualität nicht immer identisch sind, dass es verschiedene Arten der Liebe gibt und verschiedene Arten der Sexualität, weiß jede/r. Die intensive, warme Sexualität, die mit großer Nähe verknüpft ist und mit Zärtlichkeit; die kurze, hitzige „Leidenschaft eines Augenblicks“; das Gefühl, manchmal, wenn wir in der Sonne liegen, jetzt, jetzt sofort könnte etwas Sexuelles geschehen, der Nächste, die Nächste, die dir begegnet, wird es sein; oder einfach nur technisches Können, das dazu dient, dass sich ein Körper wohlfühlt. Nur in unserer Kultur, und auch da noch nicht seit allzu langer Zeit, wird Sexualität im Zusammenhang mit jener Liebe am höchsten bewertet, die ewig währt. Alle anderen Arten der Sexualität werden disqualifiziert. Ich möchte hier nicht etwa die griechische Kultur als die erotische Idylle an sich glorifizieren –auch die griechische Kultur war patriarchal organisiert, Ehefrauen waren abhängig vom Mann; im Unterschied zur christlichen Kultur waren aber Hetären hoch geachtet – dass es auch in der Gruppe der „Liebesdienerinnen“ Klassenunterschiede gab, wie in allen gesellschaftlichen Gruppierungen, und entsetzlich ausgebeutete Frauen, sei ebenfalls nicht in Abrede gestellt. Aber die Liebeskunst war, das sei  noch einmal betont, eine angesehene Kunst. Die ersten Schriften über „Erotik“ stammen von Frauen, von bekannten Hetären, so dass Pornografie auch heißen könnte: das, was die Huren, die Liebeskünstlerinnen, über ihre Kunst, ihre Techniken geschrieben haben, pornografische Schriften ursprünglich als Lehrbücher, Aufklärung. „Porne“ – so wurde Aphrodite genannt, als Göttin, die für die Gesamtheit der Liebesdienerinnen zuständig war. Und nicht nur für die ausgebeutete Schicht. Im Mittelalter noch hatte das Christentum es anfänglich schwer, sich durchzusetzen: Die bekannten Troubadouras seien hier erwähnt, fahrende Künstlerinnen; aber auch weibliche Zünfte, in denen ledige Frauen sogar Vorteile hatten.  Und es gab eine mittelalterliche Festkultur, in der auch sexuelle Verkleidungsspiele eine große Rolle spielten. Das Christentum machte die Troubadouras zu Prostituierten und die Prostituierten zu den bösen Frauen und die Ehefrauen, die lebenslänglich – aufgrund „christlicher Liebe“ – Eigentum eines Mannes waren, zu den guten Frauen.

Diese christliche Liebe, die ewig währt, sitzt in den Köpfen. Moderne Paare wollen  Liebe-Freundschaft-Sex verknüpfen, aber ihre Erwartungen an die Sexualität werden fast immer enttäuscht – was sie dann zu den entsprechenden Experten führt. Von der Fernsehratgebertante zu Ratgeber-Spalten in Frauenzeitschriften, vom Psychotherapeuten zum Analytiker. Sexualität als Krankheit – von der Frigidität über den vorzeitigen Erguss zu den, in den 80ern die neueste Variante, Sexoholics  – den Sexsüchtigen: Sexualität als Wissenschaft. Als Sache von Experten, die die „Normalen“ mit Ideen für sexuelle Spiele von ihrer Ehetristesse heilen.  Statt: Sexualität als Alltags-Kultur. Die sexuelle Kultur wurde unmerklich nach und nach den Experten überlassen. Selbst die Pornohersteller begreifen sich ja als Therapeuten. „Noch der trivialste Rat eines Psychoexperten gilt heute ungleich mehr als der noch so subtile eines Mitmenschen“ (Martin Dannecker). Für die Sprache des Sexuellen bedeutet dies, dass sie immer mehr zur toten Fachsprache der Experten wurde oder zur primitiv-trivialen der Pornosubkultur. Ein Blick in die Geschichte wäre auch auf der Sprachebene angesagt. Die „Liberalisierung“ hat zwar erreicht, dass die Abbildung des Sexuellen nicht mehr grundsätzlich verboten war, aber den Bruch zwischen Kultur – in der das Sexuelle nicht vorkommen darf – und Pornografie, in der es ausschließlich vorkommt, hat sie nicht aufgehoben, im Gegenteil. In kulturellen Produkten kann es zwar dauernd „um Sex gehen“, aber direkt darf er nicht abgebildet werden – aufgrund des „Jugendschutzes“. Die abgeschnittenen Geschlechtsteile machen sich selbständig im Porno. Doch nicht nur der Jugendschutz sorgt für dieses immer noch vorhandene Tabu in der „Hochkultur“. Die Vorstellung vom Sex als Geheimnis, dem man den Reiz nimmt, wenn man es abbildet, sitzt nicht nur im Kopf vieler Romantiker, sondern durchzieht die gesamte deutsche Sexualwissenschaft. Dass die sexuellen Handlungen dann besonders reizvoll seien, wenn sie mit Verbotenem zu tun hätten, ist eine der „Wahrheiten“ aus diesem Zusammenhang. Das „Geheimnis“ des Sexuellen liegt nicht in der Abbildung sexueller Handlungen, und man kann es mit deren Abbildung auch nicht nehmen. Das wussten fast alle Kulturen außer der unseren. Das „Geheimnis“ liegt etwa in dem Moment, in dem es losgeht zwischen zwei Menschen. In der Attraktion. Warum bin ich plötzlich atemlos, wenn mich ein bestimmter Blick trifft? Warum erregt mich ein Bild, auf dem eigentlich NICHTS zu sehen ist? Vielleicht, weil wir in die „sexuellen Handlungen“ soviel hineingeheimnissen, sind wir fast immer ein wenig enttäuscht vom realen Ablauf realer Sexualität. Oder ist der „Pornosammler“ nach jedem Bild/Text/Film nur darauf aus, noch ein(en) Bild/Text/Film zu finden? Noch mal Dannecker: „Es ist wie verhext. Die Sexualität desexualisiert sich, wenn sie praktiziert wird.“

Anliegen:

Meiner Meinung nach wären die willkürlichen Grenzen des Jugendschutzes (u.a. definiert durch die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“) neu zu überdenken. (Anmerkung zur E-Book-Ausgabe fast 30 Jahre später: die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Urteilsfindung unter dem damaligen Leiter Rudolf Stefen (er leitete die Prüfstelle von 1969 bis 1991). Die Bundesprüfstelle (heute für jugendgefährdende Medien) hat sich in den späten 90er Jahren eingehend mit „Mein heimliches Auge“ beschäftigt und laut Elke Monnsen-Engberding während dieser Auseiandersetzung eine differenziertere Urteilsfindung  entwickelt (Frau Monnsen-Engberding führte die Bundesprüfstelle von 1991 bis 2016 klug durch die Zeit der sich rasant weiterentwickelnden digitalen Medien).  1988 galt, was Bilder betrifft,  zum Beispiel die Grenze zwischen „steht er und steht er nicht“, zwischen „scharfer Schamlippe und unscharfem Fleck“. Rudolf Stefen äußerte einmal, man müsse einfach eine klare Grenze ziehen zwischen Pornografie und Nicht-Pornografie. Frauen wurden also in der für Jugendliche zugänglichen Bilderwelt grundsätzlich mit unscharfem, d. h. retuschiertem Geschlecht abgebildet. Denn „Jugend“ darf nichts sehen, was dazu dient, „ausschließlich sexuelle Erregung zu erzeugen“, also vorsichtshalber gar keine „sexuelle Erregung“. Da man (Mann) beim weiblichen Geschlecht nicht unterscheiden kann, wann es „sexuell erregt“ ist, gibt es in den Magazinen vor dem Vorhang nur diesen verwaschenen Fleck auf den „Mädchenfotos“. Abgesehen von den ewig dummen Gesichtern ist das eine Art Kastration. Verstümmelung. Wo nichts zu sehen ist, ist auch NICHTS. Eva Poluda-Korte, eine Psychoanalytikerin, berichtet von vielen Frauen unterschiedlichsten Alters, die aufgrund ihrer Unfähigkeit, das eigene Geschlecht „in Besitz zu nehmen“, mit Bildern zu besetzen, vielerlei psychisches Leid davontragen. Diese Unfähigkeit, das eigene Geschlechtsorgan positiv zu besetzen, kommt auch von dieser „Bildergrenze“, die sich weit fortsetzt bis in die schulisch erlaubten Aufklärungsbücher. Natürlich gibt es detailliert gezeichnete Körper, in Art der Anatomielehrbücher, aufgeschnitten, aber die „sexuelle Erregung“ wird noch immer fast ausschließlich am Mann erklärt (wie eine Untersuchung von Aufklärungsbüchern aus dem Jahr 1984 ergab, die auch 1988 noch weitestgehend zutrifft) : Wenn Mami und Papi alleine sind und sie sich gut fühlen, dann wird der Penis von Papi groß und dringt in Mami ein. Ich möchte hier nicht weiter ausführen, dass zur sexuellen Erregung auch etwa gehörte: Die Vagina von Mami wird feucht, die Schamlippen schwellen, der Kitzler richtet sich auf … Es führte hier zu weit, diesen Aspekt der „Bildergrenze“ weiter auszuführen.

Der „Jugendschutz“ ging damals mit diesen (und nicht nur mit diesen) Grenzen weit an der Realität der Jugendlichen vorbei, er war fast schon rührend antiquiert. Und er trug auf spezielle Weise auch dazu bei, dass das Sexuelle als Besonderes betrachtet wird, auf bestimmte Weise verklemmt. Ich glaube, es wäre für Kinder und Jugendliche keinesfalls „schädlich“, wenn die Abbildungen des Sexuellen manchmal wie selbstverständlich unter anderen kulturellen Abbildern zu finden wären. (Die Zeiten der digitalen Bilder-Überflutung, und dass jeder, der im Internet unterwegs ist, egal welchen Alters, vermutlich schon einmal scharfe Bilder gesehen hat, lagen zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Texts noch in weiter Ferne) Im Gegenteil, vielleich, weil das Sexuelle in unserer Gesellschaft nicht gleichwertig und selbstverständlich behandelt wird, weil es auf diese Weise paradox zugleich überbewertet wie abgewertet wird und weil in den meisten Fällen deshalb noch immer ein verklemmter Umgang mit Sexualität vorherrscht (gemeinsames Pornogucken in gemeinsamer Sprachlosigkeit ändert daran nichts), können z. B. Mädchen nicht darüber reden, wenn ihnen von nahestehenden Männern etwas angetan wird … Denn dass Erwachsene etwas miteinander tun, das Kinder noch nicht tun, heißt ja noch lange nicht, dass Kinder nichts davon wissen sollten. Sie werden es immer irgendwie und oft mit Ängsten verknüpft erfahren. Jener Überraschungsbesuch im Schlafzimmer mit dem Ausruf „Papi tut der Mami was“ ist nicht nur Anekdote. Selbstverständlich sollte sein, dass Erwachsene manche Dinge nicht mit Kindern tun, sondern nur mit ihresgleichen.

Doch das ist wieder ein ausuferndes weiteres Kapitel, was hier nicht weiter ausgeführt werden kann.

Morden ist in der Bilderwelt unserer Gesellschaft weit eher akzeptiert als das Sexuelle. Ich meine damit nicht einmal jene Gewaltvideos, sondern den ganz alltäglichen Mord in jedem normalen Fernsehkrimi, ganz abgesehen von der täglichen Katastrophenberichterstattung in der Tagesschau, die jedes Kind sehen kann. Und wenn in einem Film (ab zwölf) alle paar Minuten Koks geschnupft wird oder ein Drink eingeschenkt oder auch nur geraucht, tritt der „Jugendschutz“ nicht auf den Plan. Ich möchte damit nicht andeuten, dass der „Jugendschutz“ jeden Film mit Altersgrenze 18 versehen soll, in dem ein Drink eingeschenkt wird, sondern nur verdeutlichen, dass es viele Dinge gibt, die nur Erwachsene tun sollten und die in der kulturellen Bilderwelt vorkommen können.

Ich plädiere also für eine Politik, die dahin zielt, dass die Abbildung des Sexuellen wieder in die Kultur aufgenommen wird, in die Kunst, und zwar vollständig.

Und für eine Politik, die dahin zielt, dass die einseitig männlich dominierte Bilderwelt ergänzt/ersetzt wird durch weibliche. D. h.: Quotenregelung in allen Bereichen der Bildwelt, in der Werbung, in der Film-/Kunst-/Literatur-Förderung etc.

Und ich plädiere für eine Politik, die dahin zielt, dass der Beruf des/der Prostituierten nicht mehr geächtet wird, dass er wirklich unter allen gesetzlich regelbaren Gesichtspunkten (Versicherung, Rente – nicht nur Besteuerung) als ein Beruf unter anderen behandelt wird. Ich nehme an, dass man den Verkauf von Sex gegen Geld nicht ganz abschaffen kann, und ich plädiere in diesem Sinne umgekehrt eher dafür, dass etwa eine Fußreflexzonenmassage die gleiche kulturelle Wertigkeit hat wie der Umstand, dass eine Frau (ja, auch eine Frau!) oder ein Mann zu einer „Liebestechnikerin“ gehen kann, die ihr (oder ihm) einfach mit Fingerfertigkeit und sonstigen Techniken guten Sex gibt – ohne dass diese Frau (oder dieser Mann) selber etwas geben muss, wie das ja im Sinne der Liebe moralisch verlangt wird. Mit „Leidenschaft“ hat das nichts zu tun, aber die Möglichkeit zur „Leidenschaft“ verschwindet nicht, wenn diese Art der Sexualität kulturell akzeptiert wird.

Pornografie ist mit dem gesellschaftlichen Tabu von Einsamkeit und Masturbation versehen. „Männer brauchen Pornos“ – und Frauen brauchen Lehrbücher. Zu Beginn der Neuen Frauenbewegung hat sich vorwiegend die „Masturbationskultur“ entwickelt. Mit durchaus notwendigen amerikanischen Lehrbüchern á la: Wie komme ich zum Orgasmus. Eine „Kultur“ des Sexuellen hat sich auch innerhalb der Frauenbewegung nur in den winzigen und großenteils angefeindeten, sexuell provokanten (oft sadomasochistisch ausgerichteten) lesbischen Subkulturen entwickelt. Sonst herrschte auch in den lesbischen Teilen der Frauenbewegung lange Zeit eher eine Berührungsangst zum Thema Sex: Sex ist Zärtlichkeit, und Männersex ist schlecht. Feminismus ist die Theorie und Lesbischsein die Praxis. Auch diese Widersprüche der feministischen Sichtweise der Sexualität können hier nicht ausgeführt werden.

Die Entwicklung einer Kultur wäre also zu fördern, in der Sexualität als eine Form gleichbedeutend mit anderen Formen kulturellen Ausdrucks vorkommt, in der sexuelle Lebensäußerungen nicht mehr getrennt von anderen Lebensäußerungen stattfinden: Kultur entsteht nicht aus „Triebverzicht“ – wie noch die Psychoanalyse die Sexualität fatalerweise über- bzw. unterbewertet –‚ sondern die Inszenierung der Sexualität ist Teil der Kultur.

Warum eine „Politik erotischer Kultur von Frauen“?

Mit den kulturellen Produkten von Frauen könnte sich eine Kreativität Bahn brechen, die historisch noch nicht festgelegt ist. Die „männliche“ erotische Kultur (= Pornografie) ist festgefahren. Und im „anderen Bereich“, der „Hochkultur“, bestimmen vorwiegend Männer, die in den Gremien zur Filmförderung etc. sitzen, die Qualitätsnormen. Es ist vielleicht historisch notwendig, eine gewisse Zeit lang nicht zu wissen, was „gut“ ist und was „schlecht“. So dass sich neue „weibliche“ Qualitätsansprüche finden lassen in der Bewertung von Kunst. Es ist heikel, die Frage nach einer geschlechtsspezifischen Ästhetik zu stellen. Nur zu leicht ist es, sich dabei in Widersprüche zu verwickeln und das, was man der einen Seite unterstellt, plötzlich auf der anderen zu finden.

Ich höre immer wieder einmal, wenn ich erotische Bilder/ Texte von Frauen vorführe, da sei doch auch nichts anderes zu sehen als in den Produkten von Männern. Einmal ganz abgesehen von sehr einfachen Unterschieden, dass es beispielsweise nicht-professionellen Bildermacherinnen und Modellen kaum gelingt, jene plastikpuppenhafte Ästhetik der Mädchenkörper und Gesichter aus den Herrenmagazinen zu imitieren, gibt es Differenzen. Und diese Differenzen liegen in Nuancen. Der erste Blick sieht immer gerne nur, was er sehen will. Das bekannte, das abgelehnte Bild.

Selbstverständlich ist auch, dass Jahrhunderte patriarchaler Geschichte nicht ohne Spuren bleiben können.

Ich möchte im Folgenden nur kurz einige Differenzen nennen. Als Verlegerin erotischer Texte & Bilder habe ich schon viel Material von Männern und Frauen gesehen, so dass ich inzwischen ein recht gutes „Gefühl“ dafür entwickelt habe, ob ein Bild/ein Text von einer Frau/einem Mann stammt.

Dieses „Gefühl“ ist auf den Begriff zu bringen, doch auch das wäre zu ausufernd für diesen Text.

1000 Dinge auf einmal sehen, aber nicht eines fixieren zu können. Sich selbst nicht heraushalten, keine Grenze ziehen zu können zwischen Kunst und Privatem. Diese „typisch weiblichen“ Eigenschaften entsprechen durchaus einer ästhetischen Realität; der Realität einer erotischen Kunst, die nicht mehr allein aus dem (männlichen) Machtgefälle zwischen Blickendem und Angeschautem lebt, zwischen dem Auge (der Kamera), das immer in Distanz bleibt, das sich niemals selber zeigt (wie die männlichen Voyeure in den Peepshows), und den Objekten des Blickes, die sich nur für den Blick inszenieren (daher diese komischen Verrenkungen der Geschlechtsteile, diese Turnübungen zugunsten der Kamera). Dieses stilistische Mittel des außenstehenden Blickes lässt sich auch in der Literatur nachweisen. In der meisten „weiblichen“ Kunst inszeniert sich das Angeschaute für sich selbst. Auch überschreiten „weibliche“ Kulturprodukte viel häufiger die Grenzen zwischen Kunst und Nicht-Kunst, was man (Mann) ihnen oft als Qualitätsmangel vorwirft, was aber vielleicht gerade die Chance in sich birgt, das Sexuelle wieder hineinzunehmen in die Kunst.

Dazu fällt auf: die „Liebe zum Detail“. Auch etwas klischeehaft „typisch Weibliches“: Die Mutter sieht den Schnupfen des Kindes, bevor er da ist, und den Fleck auf dem Kleidchen, ohne genau hinzusehen. Sie „herrscht“ in ihrem Bereich alleine über eine diffuse Vielfalt gleichwertiger Kleinigkeiten, der Mann ist Teil eines (industriellen) Räderwerks und betrachtet nur eine Sache, die dafür genau. Er unterstellt alles der Logik des Einen, sie verliert sich in Diffusität.

Diese Diffusität hat Nachteile: zur Gestaltung von Lust, zur kreativen Produktivität gehört Konzentration, und die fällt mit dieser „historischen“ Last schwer.

Aber es gibt Bilder/Texte, in denen ganz kleine Bewegungen eine außerordentliche Bedeutung bekommen, minimale Regungen. Die Spannung besteht in der Abfolge dieser kleinen Bewegungen. Sie besteht nicht in der Unterordnung unter das mächtige Wichtigste. 1988 erschien in meinem Verlag ein Buch, Cléo Uebelmann, The Dominas, das eher Frauen gefiel, während Männer es mit der Kritik ablehnen: Hier passiere ja NICHTS. Hier würde nur eine unendliche Vorlust inszeniert, aber nichts „Eigentliches“. Damit will ich nicht sagen, dass Frauen nicht auch ganz deftige „eigentliche“ sexuelle Szenen inszenieren können – es geht um die Wahrnehmung dessen, was Sex ist.

Dazu fällt in erotischen Frauenkunst auf, dass viele Frauen, die Bilder machen, sich auch selbst zeigen im Bild. Dass – lesbische wie heterosexuelle – Frauen Bilder von Frauenkörpern machen, wird ihnen vorgeworfen: als Übernahme des männlichen Blickes auf das weibliche Objekt. Dabei passiert hier genau das Gegenteil: Frauen machen Bilder von sich. Von der eigenen Lust am eigenen Körper. Und das ist die Grundvoraussetzung für eine gelungene Sexualität mit anderen: die Lust am eigenen Körper.

Aber auch im Alltag, nicht nur in der Kunst, geht es um eine „Politik erotischer Kultur von Frauen“.

Ich wohne im Dorf. Es gibt an unserer Straßenecke immer wieder kleine Platzfeste. Hier wohnen viele alte Frauen, die zum Teil immer alleine gelebt haben. (Anmerkung zum E-Book: heute sind die meisten von ihnen längst gestorben, neue Häuser gebaut, junge Familien eingezogen).  Aus dem Mund einer dieser Frauen hörte ich eines der pornografischsten Volksgedichte, die ich kenne. Frauen haben eine Kultur des Redens, die ebenfalls keine allzu engen Grenzen zieht zwischen Sexuellem und Nicht-Sexuellem. Diese alte mädchenhafte Frau sagte also mit errötenden Wangen ein Gedicht auf über den Bauer, der zu viel arbeitet und darum seiner Frau kein Vergnügen mehr bereiten kann, und dass die Frau ihn darum zur Rübe überredet. Nach dem „EMMA“-Gesetzvorschlag wäre. auch dieses Gedicht mit Schadensersatzklagen zu überziehen, doch dazu im letzten Absatz. Im Alltag halte ich eine erotische Frauenkultur für eine positive und lustvolle Sexualität, überhaupt für die psychosexuelle Entwicklung von Mädchen für sehr wichtig, und zwar in dem Sinn, dass eine auch erotisch-körperlich geprägte Frauenfreundschaftskultur „heterosexuellen Schutz“ durch „homosexuelle Rückversicherung“ gewährt. Diese Art Schutz und Rückversicherung unter Frauen sind für die Realisierung sexueller Potenz grundlegend, und zwar sowohl für den Umgang mit Angst-Lust beim „Coming-out“ verdrängter Lust auf Frauen wie auch für die Lust auf Männer. Ich glaube, dass in Kulturen mit ausgeprägten gleichgeschlechtlichen Subkulturen die Probleme mit der Sexualität geringer waren. Weil unsere Kultur den Frauen (als Müttern) körperliche Kontakte zu Gleichgeschlechtlichen – im Sinne der Zärtlichkeit bei der Erziehung von Töchtern – zugestand, haben Frauen hier vielleicht einen historischen Vorteil: Sie sind in ihrem Körper eher „zu Hause“ als Männer und können so vielleicht auch eher zu einer entkrampfteren Körperlichkeit beitragen. In der Spiegelung, im symmetrischen Austausch können wir sehr viel über uns selbst erfahren, indem wir uns „hebend wiedererkennen“ im anderen Körper. Zum Gefühl des „Beheimatetseins“ im eigenen Körper trägt viel die körperliche Zuwendung des gleichgeschlechtlichen Körpers bei. Und das fehlt vielen Männern von frühester Kindheit an. (Hat sich das in den fast 30 Jahren bis zum Erscheinen des E-Book-Dokuments geändert?) Nicht erstaunlich ist in diesem Zusammenhang die Aussage junger Väter, die sich heute ja auch vermehrt um ihre Kinder kümmern, dass sie zu den Söhnen nicht so schnell ein auch körperlich-zärtliches Verhältnis finden wie zu den Töchtern.

Insofern ist das Programm erotischer Kultur selbstverständlich ein Programm für beide Geschlechter. Auch für Männer ist das „Beheimatetsein“ im eigenen Körper essentiell notwendig, und hier könnte von frühester Kindheit an die Körperlichkeit von Männern untereinander gefördert werden.

Noch mal: ein liebevoll-zärtlich-sexuell-erotisches Verhältnis zum eigenen Körper ist notwendig für die Sexualität mit anderen.

Schlussbemerkung: Warum ich gegen das von der Zeitschrift „EMMA“ geforderte Gesetz bin

Dieses Gesetz, provokant polemisch formuliert, zementiert die Opferrolle von Frauen. Frauen werden angeregt, nach Bildern zu suchen, die ihre „Würde“ verletzen – Bilder, die es tatsächlich massenweise gibt –‚ und dann zu klagen. Dieser Weg setzt die reine Defensivität aufs Programm.

Ganz abgesehen von der potentiellen Lächerlichkeit solcher Prozesse, in denen eine Frau den Grad ihrer Verletzung, ihren materiellen Wert beschreiben muss, und ganz abgesehen von der entgegengesetzten Möglichkeit, einfach um zu Geld zu kommen; gegen alles & jedes zu klagen.Dieses Programm der Defensivität wird bestärkt durch die Aussagen zur Produktion eigener Bilder. Den Frauen wird mehr oder weniger direkt immer wieder unterstellt, dass auch sie „infiziert“ sind von der männlichen „Gewaltsexualität“ und dass freie Bilder „weiblicher“ Erotik gar nicht möglich sind, bevor man nicht die alles überflutende männliche Bilderwelt bekämpft habe. So wird positive Kreativität abgeblockt, bevor sie überhaupt möglich ist. Es ist für Frauen oft schwer genug, eben weil sie es historisch nicht geübt haben, den ersten Schritt nach außen zu machen, über die Leere vor dem ersten Wort hinweg in die Abbildung ihrer Wünsche, zu einem kreativen Produkt also. Und dieses Loch vor dem ersten Schritt wird durch die „EMMA“-Argumentation schier unüberwindlich groß.Die auf entsprechenden Veranstaltungen immer wieder geäußerte Ansicht, dass „wir“ erst mal dieses Gesetz brauchen, um uns den Freiraum zu schaffen, in dem neue Bilder überhaupt möglich wären, führt eher in totale Resignation, als in eine Anregung zur Utopie: die immer darin liegt, einfach zu probieren, einfach die Phantasie spielen zu lassen, auch auf die Gefahr hin, dass erst mal Bekanntes herauskommt und dass nicht alles „Weibliche“ so sanft ist und gewaltlos und schön, wie von den feministischen Vordenkerinnen erwünscht.Außerdem wird in diesem „Glauben“ an die Wirkung eines solchen Gesetzes gerne die mögliche Realität übersehen. Und hier geht es um das Durchspielen von Kleinigkeiten, von dem, was eben alles in den Formulierungen eines solchen Gesetzes nicht festgelegt werden kann und hinterher im Auslegungsspielraum der zuständigen Zivilrichter/innen und Rechtsanwälte/innen liegt. Und die juristische Maschinerie hängt von der jeweiligen politischen Situation ab. Das Gesetz bietet in den vorliegenden Formulierungen viele Möglichkeiten, später, wenn dann keine „EMMA“-Redakteurin am Richtertisch sitzt, das zu treffen, was gar nicht gemeint war, während die Porno-Industrie den Faktor „es ist nicht erniedrigend“ vermutlich in ihre Produkte integrieren und Frauen trickreich so gestalten würde, dass sie mit dem Gesetz kaum zu treffen wäre. (So wie bereits die „Unersättliche“, die alles selber will, also nicht „erniedrigt“ wäre – während lesbische Frauen, die auch mal mit „Gegenständen“ spielten und das auch noch abbildeten, sofort zu treffen wäre – es ist immer um vieles leichter, juristisch gegen Kleinbetriebe vorzugehen als gegen die große Industrie, das passiert mit der geltenden „Zensur“-Gesetzgebung schon zur Genüge). Und die „Gewaltpornografie“, die mit diesem neuen Gesetz angeblich vorwiegend getroffen werden soll, ist schon heute verboten und wird schon heute aus dem Untergrund heraus produziert – woran sich auch nach Einführung eines neuen, diesmal „Frauenschutz“(statt Jugendschutz)-Gesetzes nichts ändern wird.Und gegen alltägliche sexistische Verhaltensweisen oder Bilder ist mit dem Gesetz sowieso nicht vorzugehen, da hilft nur die Eigeninitiative der Frauen und gerade nicht die Delegation an irgendein Gesetz. Gegen sexistische Bilder hilft nur ein Gesetz: Quotenregelung in allen Bereichen, Frauen an die Bilderfront!

Das Plädoyer wurde 1988 auf dem Hearing der SPD zum Thema Pornografie und anlässlich des Gesetzesvorschlags von EMMA gehalten

Helga Ginevra, Exhibitionen

Die Versuchung, die von dem Objekt Frau zuweilen auf das Subjekt Frau ausgeht, ist hier als Attacke und Affront auf die Wahrnehmung des Betrachters disponiert. Plastische Körpersuggestionen, der Fotografie nachempfunden, durch Weglassen von umschreibender Staffage unterstützt, sollen einen halluzinatorischen Effekt erzielen, dem die überlebensgroßen Proportionierungen der auf Zentralachse gesetzten Figurinen dieser Schaustellungen entsprechen.

Die schöne ästhetische Ware erotischer Frauenkörper ist Schikane nur im Kopf; die Modelle selbst sind ganz unbekümmert; sie quälen sich kein bisschen unter dem Blick des Betrachters (Betrachterinnen werden sich womöglich fragen: hat das nicht traumhaften Anteil an mir?).

Was an erotischer Versuchung darüber hinausliegt, zwingt man/frau am besten durch Nichterwähnung zum Dasein. Im erotischen Zoo wohnte früher ein exotisch wunderliches Tier, meistens im Verborgenen, oder nur, zuweilen, von den Rändern her aufleuchtend, von Altertumswissenschaftlern „Sex“ genannt; das „Pfauenauge“, habe ich sagen gehört ...

Eva S. Poluda-Korte, Ein kreatives Potential

I Verbieten?

In früheren Zeitenbekamen es Psychoanalytiker häufiger als heutzutage mit Patienten zu tun, die an den Folgen von Verbot und rigider Kontrolle ihrer kindlichen Masturbation litten. Heute treffen wir häufiger auf Patienten, deren Mütter glaubten, sie dürften sich nicht nach den Bedürfnissen des Babys richten (bzw. waren entsprechend von Arzt oder Hebamme angewiesen worden), sondern müssten seine Gier von Beginn an streng reglementieren. Solche Mütter berichten dabei von heroischen Kämpfen gegen ihr eigenes steigendes Bedürfnis, das Baby endlich an sich zu reißen und seine Wünsche zu erfüllen, während sich der kleine Mensch die Seele aus dem Leib schrie: von Ohropax und lautem Radio oder Unterbringung an entfernten Orten.

Die Eltern werden dadurch sowohl zu Agenten als auch zu mitleidenden Opfern der gesellschaftlich erwirkten Erziehungsmoden, in denen schon O. Fenichel die Hauptursache der Entstehung zeittypischer Neurosen sah.

Diese beiden Erziehungspraktiken haben auf verschiedene Weise mit Pornografie zu tun, wie ich später zeigen möchte.

Das Verbot der kindlichen Masturbation scheint Ausdruck der Durchsetzung eines für den damaligen Gesellschaftszusammenhang besonders zentralen Wertes zu sein, nämlich des Gehorsams. Ein masturbierendes Kind galt als unerziehbar, eigenmächtig und verdorben (für Unterordnung), — entsprechend wurde ihm in Aussicht gestellt, sein (allzu starkes) Rückgrat werde sein Mark verlieren, oder sein (autonomes) Geschlecht werde angegriffen. Im Laufe zunehmender Demokratisierung hat sich die „massenhysterische“ Unterdrückung der kindlichen Autoerotik inzwischen entspannt. Die antiautoritäre Erziehungswelle erfüllte in diesem Zusammenhang eine Rollbackfunktion.

Die Tendenz der Geburtshilfe seit den 50er Jahren, die symbiotischen Instinkte von Mutter und Kind zu bekämpfen (Technologisierung der Geburt, Trennung von Mutter und Neugeborenem, Abschaffung des Stillens, vor allem die Vorschrift, nur ja dem Schreien des Babys nicht nachzugeben) und so den „Urschrei nach dem Objekt“ zu frustrieren, scheint dagegen auf die Erzwingung von zwischenmenschlicher Unabhänigkeit angelegt zu sein. Vielleicht war dies u.a. auch eine Folge des schockartigen Erwachens einer Gesellschaft aus der rauschhaften Anlehnung an einen Führer, der den gierigen Traum nach dem Verschlingen der ganzen Welt zu erfüllen versprach. Die solchermaßen von ihren Eltern (nach deren besten Wissen und Gewissen!) geschädigten Patienten finden jedenfalls für solche frühkindliche Deprivation oft kein anderes Bild als das KZ und beschäftigen sich in ihren Analysen auffällig mit den Implikationen der NS-Vergangenheit. Der diesem Zusammenhang entsprechende ROLLBACK könnte die unweit zurückliegende Welle von Primärtherapien sein, angefangen mit Janos’ „Urschrei“.

Leider führt der Versuch der Erwachsenen, aktuelle gesellschaftliche Forderungen (zuerst nach mehr Abhängigkeit der Individuen zu ihrer besseren Lenkbarkeit, später nach mehr Unabhängigkeit der Individuen zu ihrer geringeren Verführbarkeit), die ihnen selbst Probleme bereiten, unreflektiert bei ihren Kindern zu erzwingen, zu traurigen Ergebnissen. Das in seiner Autoerotik traumatisierte Kind muss seine Autonomie ersatzweise durch zwanghafte Charakterzüge gegen die Verschlingung mit dem primären Objekt verteidigen, was zur Verbreitung frauenverachtender Trutzigkeit und Beschädigung von Vertrauen und Intimität führte. Und das in seiner primären Bedürftigkeit dem symbiotischen Objekt gegenüber traumatisierte Kind wird die geforderte Unabhängigkeit gerade nicht erreichen können, sondern süchtiger nach Abhängigkeit werden als seine Eltern zuvor, dabei aber unfähig, gesunde Verbindlichkeit zu realisieren und zu genießen. Panikartig den anderen etwas zu verbieten ist also kein geeignetes Mittel, mit Angst und Schuld umzugehen und die ewigen Antinomien, wie die von Individuum und Gesellschaft, oder die von Bindung und Freiheit lebenspraktisch und konstruktiv zu lösen.

Die Pornografie ist nun ihrerseits ein Phänomen, das gern in wiederkehrenden Modewellen angegriffen wird und verboten werden soll, in der kurzschlüssigen Annahme, ein Verbot von Pornografie könne die in ihr festgemachte Gefahr bannen, bzw. die Tilgung der Botschaft könnte das übermittelte Übel selbst beseitigen. Wenn Pornografie nun auch kein menschliches Urbedürfnis ist, wie das nach tröstendem intimen Kontakt und das nach Autoerotik, so hat sie doch zu beiden Urbedürfnissen im Erwachsenen Verbindung. Die exhibitionistisch-schamverletzende Darstellung und voyeuristisch-neugierige Rezeption von sexuellen Beziehungen in Wort und Bild macht Lust. Nach solcher Lust greifen wir bevorzugt, wenn wir einsam sind, als Hilfe zur Selbstbefriedigung. Hier haben wir die Verbindung zum Greifen des verlassenen Babies und zur Masturbation schwer erziehbarer Kinder.

Ist es nun diese zentrale Verbindung mit der Selbstbefriedigung, die Pornografie so verpönt macht, und zur Einsamkeit, die nicht heroisch ertragen werden will? Selbstbefriedigung und Einsamkeit sind immer noch Erfahrungen, deren wir uns schämen, und für die wir uns von anderen verachtet fühlen, was unterschwellig Wut aufstaut. Und diese unser Selbstgefühl beleidigende Qualität des Elends unserer Bedürftigkeit und des schamvollen Verheimlichenmüssens ist mit der Darstellung von Sexualität in Form von Pornografie ebenso zentral verbunden, wie moralische Bedenkenlosigkeit und Gewalt als Ausdruck von Frustration und wütender Auflehnung gegen Verzichtsforderungen.

Die Sparte Pornografie bezeichnet eine Darstellung der Lust außerhalb des öffentlich-legitimierten Kunstbetriebs. Dermaßen aus kultureller Akzeptanz ausgesperrt verkommt sie oft zu liebloser, selbst-verachtender und stereotyper Beschwörung von etwas dringend Benötigtem, das gleichzeitig in seiner Not nicht geschätzt und daher stiefmütterlich behandelt wird. Gleichzeitig bietet die Abkoppelung aus der Selbstverständlichkeit und normativen Verbindlichkeit aber auch die Chance, bedenkenlos das Denkbare zu entdecken, und nur von der Wahrheit der eigenen Erregung geleitet, verborgene Phantasmen hervorzubringen.

Diese Chance, die die Kreativität des Kunstpornos ausmacht, wird jedoch selten genutzt, da grenzüberschreitende Produzenten außerhalb des sicheren Raumes verbürgter Normalität von einer direkt erlebten Triebangst vor dem „sexuellen Wahnsinn“ und vor nicht mehr kontrollierbarer Destruktivität gehemmt werden mögen.

Die Standardpornografie, wie sie existiert und wie mit ihr umgegangen wird, erscheint als ein ausbalanciertes System, in dem explosive Triebimpulse sich mit Gewissensforderungen und Kontrollbedürfnissen legieren. Unter der Bedingung von Entwertung, Isolierung und Verachtung darf in einem engen Rahmen Lust befriedigt werden. Da auf diese Weise die Verachtung unserer frühkindlichen Bedürftigkeit, d.h. zwischenmenschlichen Abhängigkeit festgeschrieben wird, führt Pornografie oft zu suchtartigem Missbrauch in einem Teufelskreis: je mehr er hat, je mehr er will . . . Und da auf diese Weise auch die Achtung der Autoerotik, d.h. narzisstischer Unabhängigkeitswünsche, unangetastet bleibt, kann Pornografie auch zu Vermeidung des realen sexuellen Kontaktes mit dem gefährlich erlebten bzw. abhängig-machenden Geschlecht des anderen missbraucht werden.

Wie also Stellung nehmen zu diesem zweifelhaften Phänomen Pornografie? Verbieten? Das hieße ein Symptom zu behandeln durch Verschiebung des Gleichgewichts aus Trieb und Gewissen zugunsten der herrschenden Moral. Mir wäre es umgekehrt lieber: Verminderung der moralischen Verachtung und Kontrollzwänge gegenüber den mit der Pornografie verbundenen anarchischen Wünschen und liebevollerer Umgang mit den pornografischen Inhalten, sowie Minderung ihrer Isolierung und Pathologisierung, um das an Pornografie gebundene Potential sexueller Phantasmen aus der Isolation zu retten für die Kreativität des offenen Austauschs in der öffentlichen Kulturszene.

Demgegenüber halte ich Anti-Pornografie-Bewegungen für ein „massenhysterisches“ Phänomen, das erklärungsbedürftig ist. Zu Beginn mag ein gesellschaftlicher Kontext bei dafür sensiblen Individuen die Wahrnehmung von Angst und Not auslösen. Das Angstmachende kann vielleicht nicht gleich richtig erkannt werden, da es noch neu und verschwommen ist und außerdem Widerstände dagegen weckt, es als das zu sehen, was es wirklich ist. Pornografie eignet sich nun wegen ihrer regelmäßig schockierenden Unmittelbarkeit und Verbindung von Lust und Gewalt besonders gut dazu, vor allem Triebgefahren auf sie zu verschieben und in ihr zu konkretisieren, um sie zu beseitigen.

Wenn frau Angst hat, beruhigt sie 1. die Vorstellung, deren Quelle beseitigen zu können, 2. sich mit einer moralischen, guten und schützenden Instanz überidentifizieren zu können und dabei 3. Frustrationswut und Ressentiments aus Enttäuschungshass legitimiert und unbemerkt verwirklichen zu können. Genauso ergeht es übrigens auch den verbietenden Eltern im Zuge von Erziehungsmoden: je mehr sie sich durch Zeichen der Zeit verunsichert fühlen, umso entschiedener werden sie sich mit den angebotenen Erziehungsnormen identifizieren und dadurch beruhigt fühlen und nebenbei Aggressionen ausleben. Genauso wird aber eine Verbotsmode, die das Symptom unterdrückt, nicht seine dynamischen Quellen erreichen und nur weitere Neurotisierung bewirken.

II Fall-Beispiele

Es gibt nun aktuell wieder Bestrebungen, Pornografie zu verbieten. Als Analytikerin interessieren mich dabei eher die tieferen Ursachen von Verbotswellen, als deren Argumentation, wobei ich ihr Anliegen sehr ernst nehme, ohne jedoch ihre Intention zu teilen.

Zu Spekulationen verleitet frage ich mich: Welche wirkliche Bedrohung motiviert den neueren Angriff? Dämmern wieder schlechte Zeiten für Frauen herauf? Muss frau wieder fürchten, ohnmächtig gemacht und missbraucht zu werden? Gibt es vielleicht eine Solidaritätskrise in der Frauenbewegung, die nach dem stabilisierenden Außenfeind schreit? Oder fühlt sich Frau wohlmöglich durch ihre neue Freiheit überfordert und bekommt sexuelle Minderwertigkeitskomplexe, wenn sie merkt, dass sie endlich darf, aber noch keine Fantasie hat, wie? Oder bekommt frau schließlich Angst vor ihrem eigenen aggressiven Potential, wenn sie im Laufe ihrer Befreiung sich z.B. sogar als „Rabenmutter“ denken darf? Wenn es nun auch naheliegt, dass ein Verbotsanliegen mit Wut, Triebangst und Kontrollbedürfnis zu tun hat, so kann ich dazu doch nichts Einsichtsvolles sagen, solange ich mich nicht der Analyse empirischer Fälle zugewandt habe, wie ich es gelernt habe. Und da es genauso zu meiner Arbeit gehört, mich selbst analytisch zu beobachten, will ich mit meinem eigenen Fall beginnen.

1. Beispiel

Das Schreiben und Veröffentlichen hat viel mit der Lust des Zeigens, - das Lesen und Analysieren entsprechend mit der des Schauens zu tun.

Als mir nun angetragen wurde, über Frauen und Pornografie zu schreiben, bekam ich spontan Lust, das zu machen. Ich setzte mich also bald hin und begann einen Aufsatz ohne große Umschweife mit der Präsentation eines plastischen Beispiels, was ich jedoch gleichzeitig als „gewagt“ empfand, d.h. als schön-frech einerseits und andererseits als gefährlich unverschämt, obgleich ich glaubte, als unabhängige Erwachsene darüber zu stehen und zudem durch meinen Beruf in der Beschäftigung mit dem Thema legitimiert zu sein. Der erste Leser dieser Schrift (wie üblich mein Mann) reagierte schockiert: „Sag mal, das willst Du doch wohl so nicht veröffentlichen?! Da kannst Du bös für angegriffen werden!“ — Ich fühlte mich beschämt und verunsichert und erfuhr sogleich am eigenen Leibe, was es mit dem Thema auf sich hat.

Mein Artikel hatte selbst etwas Pornografisches, d.h. Schockierendes und Schamverletzendes bekommen, da ich mich nicht um argumentative Absicherung und hinführende Verbindlichkeit bemüht hatte, um Gewissensbedenken und Schamschranken durch Eroberungsarbeit abzubauen. Ich hatte stattdessen unter manischer Verleugnung möglicher moralischer Gegenbewegungen der Öffentlichkeit naiv produziert. Ich weiß jedoch nicht, ob ich diesen Artikel überhaupt hätte schreiben können, wenn ich die Antizipation moralischer Bedenken nicht zunächst hintangestellt hätte.

Dieser risikofreudige Sprung ins Abenteuerliche ist eben der kreative Vorteil pornografischer Produktionen, da sie so mit einer Bewegung in Bereiche Vordringen und Grenzen überschreiten können, wozu dem vernünftig Skrupulösen unterwegs längst die Luft ausgegangen ist.

Pornografische Präsentation bewirkt außerdem offenbar Polarisierungen, in denen die in ihnen wirksame Verdichtung von Triebimpuls und Triebunterdrückung wieder entmischt wird.

Ich hatte mich spontan auf die Triebseite geschlagen und Strenge geerntet. Eine öffentliche Anti-Pornografie-Bewegung schlägt sich dagegen auf die Unterdrückungsseite und bewirkt wohlmöglich gerade dadurch triebfreundlichere Gegenbewegungen. Und die Verbotsforderung, deren vordergründiges Motiv die Verstärkung von Kontrolle ist, bewirkt durch die öffentliche Thematisierung, dass Bewegung ins rigide Symptom kommt und seine Balance aus dem Gleichgewicht, sodass der Diskurs über Sexualität befördert wird, wenn auch unter Gefahr von Neubildungen ressentimentgeladener Ideologien. Ich zumindest habe von der Kritik profitiert, mir manches genauer überlegt und meinen Aufsatz so umgeschrieben, dass mir selbst einiges klarer wurde.

2. Beispiel

Als weiteres Beispiel möchte ich die Wirkung eines Pornofilms auf die Beziehung zweier Frauen anführen, die bei mir eine Paarbehandlung machten. Es handelte sich dabei allerdings nicht um einen herkömmlichen Standardporno, sondern um eine kunstvolle Produktion mit neuen, ungewohnten Bildern („Mano Destra“ von C. Übelmann), die auf einem Frauenfestival vorgeführt wurden. Das Paar ließ sich durch den Film polarisieren: Die eine verließ schon während der Vorstellung protestierend den Raum und brach anschließend einen Pornografie feindlichen Streit vom Zaun, während die andere sich so tief bewegen und so heftig ergreifen ließ, dass sie sich von den Bildern des Films in obsessiver Weise noch lange verfolgt fühlte.

Beide Frauen verbanden ihre lesbische Identität mit einer entschiedenen Ablehnung der Männer, die ihrer Meinung nach Frauen prinzipiell zum Lustobjekt herabwürdigen und sadistisch missbrauchen wollen. In diesem Film einer Frau für Frauen ist es aber eine Frau (so wurde mir berichtet), die sich von der Lust an willkürlicher Herrschaft und gewalttätiger Machtausübung hinreißen lässt und ihre Geschlechtsgenossinnen, die mit Reizwäsche und Stöckelschuhen in extremer Weise zu Lustpuppen gestylt sind, z. B. kopfüber in enge Schränke und Kästen quetscht.

Mit solchen heftigen Polarisierungen dieses Paares um Themen sexueller Verwirklichung hatte ich bereits Erfahrung und wusste, dass beide beliebig die eine oder andere Seite vertreten konnten. Jede hatte also beide Seiten in sich, dennoch teilten sie sich beide häufig gegenseitig die Rolle einer Seite zu und verstrickten sich in schmerzliche Kämpfe um die Sexualität.