Frei von Zuckersucht - Ruth Alice Kosnick - E-Book

Frei von Zuckersucht E-Book

Ruth Alice Kosnick

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Beschreibung

Ein neues spirituelles Verständnis von Sucht und Heilung Worin besteht der Unterschied zwischen Naschen und zwanghaftem Essverhalten? Wann fängt die Sucht an, und wie lernt man, aus diesem Teufelskreis auszusteigen? Mit Hilfe des inneren Mentors und durch ein geführtes Programm, bei dem Selbsterfahrung und Bewusstwerdung im Mittelpunkt stehen, hat die Autorin einen Weg der Selbstheilung entwickelt, der ein Wegweiser ist für alle, die sich von psychisch-seelischen Abhängigkeiten befreien wollen. Dieser neue Ansatz beleuchtet das Thema Kontrollverlust zum ersten Mal aus ganzheitlicher Sicht und bezieht Körper, Geist und Seele ein. Ungestillte spirituelle Bedürfnisse, die Zuckersüchtige durch den Verzehr von Süßem ersetzen wollen, werden aufgedeckt, und praxisnahe Übungen helfen, aus dem Teufelskreis der Sucht auszubrechen, um endlich die wahre "Süße des Lebens" erleben zu können.

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Seitenzahl: 417

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© Copyright Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-89845-327-1 (Print)

ISBN: 978-3-89845-919-8 (E-Book)

1. Auflage 2011

2. Auflage 2012

3. Auflage 2015

Gestaltung & Satz: XPresentation, Güllesheim Druck: Finidr, s.r.o. Cesky Tesin

Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstr. 1 · 56593 Güllesheim

www.silberschnur.de · E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

Einführung

Anzeichen für die Abhängigkeit von Zucker

Stufen der Sucht

Die Grundtechniken

Wie dieses Buch zu benutzen ist

1. Übung: Schreiben

2. Übung: Die Aufgaben

3. Übung: Zeit der Fülle

Der Vertrag

Entzugserscheinungen

Wappne dich!

1. Schritt: Die inneren Stimmen

»Ich gebe zu, zuckersüchtig zu sein.«

»Ich gebe zu, machtlos gegen die Sucht zu sein.«

Lebenslanger Zuckerverzicht

Das innere Kind an der Hintertür

Desidentifikation und Fallen

Reinigungsprozess

2. Schritt: Hilfen

Der Jieper ist das Hinweisschild

Ein Stoßgebet

Der innere Mentor

Blocker

Die vier tragenden Säulen

Dein Körper

Bewusstheit schaffen

Angreifer und Verbündete

Ein Begleiter

Gewinner und Versager

Der Zuckersuchtdämon

3. Schritt: Falsche Glaubenssätze entlarven

Glaubenssätze

Sekundärgewinn

Eigenliebe

Der wichtigste Wunsch

Spirituelles Wachstum

Widerstand

Kreativität

Ein erfülltes Leben angesichts des Todes

Der Jieper hört nicht auf

Energieversorgung

Ehrlichkeit

Schockierende Folgen

4. Schritt: Das verlorene Paradies

Der Schatten

Muttermilch und Brei

Die wahren Wünsche

Als Erwachsener handeln

Suchen – Sucht – Sehnsucht

Adoleszenz

Freude und Glück

Unerfüllte Wünsche

Die Fülle des Augenblicks

5. Schritt: Mangel und Fülle

Schwierigkeit und Leichtigkeit

Das Wunder der Aufmerksamkeit

Last

Gewichtigkeit

Bequemlichkeit

Mangel und Fülle

Genuss

Suchtpotenzial

Selbstwert

Zäsur

In der Falle des Rückfalls

Ausnahme oder Rückfall

Gehe zwei Schritte zurück

Schreiben ist Therapie

Schreibblockade

Selbsthilfegruppe

Neustart

Switch side!

6. Schritt: Depression

Hilflosigkeit und Minderwertigkeitsgefühle

Ohnmacht und Wut

Nach dem Schatz tauchen

Zeitqualität

Depression

Neue Wege

Selbstbestrafung

Die selbstzerstörerische Kraft

Die sieben Fluchtwege

Die selbstheilende Kraft

7. Schritt: Ehrlichkeit statt Selbstbetrug

Scham, Schuld und Sünde

Neid

Geselligkeit

Fressorgien

Kollektiver Selbstbetrug

Partnerschaft und Ehe

Sexualität

Kontrolle und Kontrollverlust

Bewegung

Deine Talente

8. Schritt: Ein gewisses Unglücklichsein

Belohnung

Kummer und Schmerz

Liebesersatz

Sehnsucht

Synchronizität

Angst

Isolation und Einsamkeit

Ausdehnung

Absturzgefahr

Zeithürden

Aragorns Antwort

9. Schritt: Das innere Kind und die Eltern

Ausnahmen

Den Preis bezahlen

Die Eltern

Schutzraum

Eindeutige Trennung

Das Vater-Mutter-Verhältnis

Adoleszenzritual

Abschied und Tod

Unterstützung fordern

Ankläger und Angeklagter

Das große Vater-Mutter

10. Schritt: Befreiung

Urplötzlicher Jieper

Ehrlichkeit

Den zweiten Teufelskreis durchbrechen

Der Dämon wird entlassen

Dankbarkeit

Die nächsten Schritte

Weitere Verträge

Eine Gruppe bilden

Erfahrungsberichte und Kommentare

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Vorwort

Viele Jahre wusste ich nicht, dass Zucker süchtig machen kann. Ich dachte immer, dass ich gerne nasche. Etliche Versuche, weniger zu naschen oder gar zuckerfreie Zeiten einzulegen, schlugen fehl. Über die Jahre wurde der Kampf gegen meine Naschlust immer extremer. Tausendmal habe ich mir vorgenommen, heute weniger oder keinen Zucker zu essen, und tausendmal reichten meine Willensanstrengungen nicht aus. Ich schaffte maximal einen halben zuckerfreien Tag. Meistens reichte der feste Entschluss beim morgendlichen Aufwachen gerade bis zum Frühstück. Dort erlitt ich den nächsten Kontrollverlust. Obwohl ich in anderen Lebensbereichen einen starken Willen habe, reichte meine Willenskraft hier nicht aus. Eigentlich wollte ich immer nur etwas schlanker sein, aber irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich ohne Naschzeug keine vierundzwanzig Stunden aushalten konnte. Die üblichen Wege, mein Gewicht zu reduzieren (FDH, Fasten, Kalorienzählen, Trennkost, Diäten etc.), hatten nur kurzfristig Erfolg. Mein zuckersüchtiges Verhalten machte die Erfolge auf der Waage schon bald wieder zunichte.

Bis ich erkannte, dass Zucker eine Droge ist und ich süchtig danach war, dauerte es Jahre. Rückblickend erkenne ich, dass ich wahrscheinlich schon seit der Kindheit zuckersüchtig bin, zumindest seit meiner Pubertät, also mindestens dreißig Jahre. Etwa zwanzig Jahre davon war mir überhaupt nicht bewusst, dass meine Naschlust eine Sucht ist. Das Wort Zuckersucht gab es damals noch nicht. Als ich es vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal hörte, war mir sofort klar, dass es mich betraf.

Den ersten Schritt in eine andere Richtung ging ich, als meine Schwester, die Suchtbeauftragte an der Leibniz Universität Hannover ist, mir den Bericht eines Overeaters Anonymous-Mitgliedes gab. In diesem Skript erzählte ein Betroffener von seinem Ausstieg aus einer Essstörung. Im Anhang gab es zwölf Schritte, ähnlich denen der Anonymen Alkoholiker, und etliche Aufgaben für Betroffene, die man schriftlich erarbeiten konnte. Ich war wie elektrisiert, weil ich viele meiner eigenen Zuckersucht-Verhaltensweisen wiedererkannte. Zum ersten Mal war ich auf einen Weg gestoßen, der sich auf einer psychischen Ebene mit einer Essstörung beschäftigte, statt auf die bekannten Ernährungsumstellungen oder auf Kalorienzählen zu setzen. Ich ersetzte alle Begriffe in diesem Bericht, die sich auf Essstörungen bezogen, einfach durch den Begriff Zucker. Und siehe da: Es funktionierte. Ich erlebte die ersten acht zuckerfreien Wochen meines Lebens! Welch eine Befreiung!

Die Aufgaben der Overeaters Anonymous (OA), die man schriftlich erledigen sollte, kamen mir sehr entgegen, da ich das Schreiben seit Jahren als Mittel zur Selbstreflexion nutze. Aber dann scheiterte ich an dem, was die OAs »eine gründliche Inventur« nennen. Die Aufgabe war, ALLES aufzuschreiben, seit meiner Geburt, worüber ich JEMALS verstimmt war oder was mich JEMALS geärgert oder wütend gemacht hat. Ich begann zwar mit dieser Übung, doch der Berg, der da vor mir lag, raubte mir nach kurzer Zeit alle Hoffnung, jemals ein Ende zu finden. Und so erlitt ich nach acht zuckerfreien Wochen einen Rückfall.

Bei einem zweiten Anlauf mit diesem Bericht, einige Jahre später, übersprang ich diese Aufgabe einfach. Wieder hatte ich einige zuckerfreie Wochen geschafft und mich pudelwohl damit gefühlt. Die nächste Aufgabe war jedoch ebenso unlösbar für mich wie die erste: Ich sollte mich bei allen Menschen, mit denen ich einmal Streit, Zwistigkeiten oder eine ungelöste Situation hatte, schriftlich entschuldigen. Wieder machte ich mich an die Arbeit. Schon der erste Entschuldigungsbrief wurde seltsam unehrlich. Also brach ich auch diese Aufgabe ab … und erlitt wieder einen Rückfall.

Im Lauf der Jahre kam ich um die Erkenntnis nicht herum, wirklich zuckersüchtig zu sein. Wie jeder Süchtige wollte ich mich nicht mit dieser Erkenntnis konfrontieren, sondern lieber weiter einlullen. Jeder stark Süchtige weiß in klaren Momenten, dass nur totaler Verzicht eine Befreiung bringt, und vor dieser radikalen Maßnahme weicht man so lange wie möglich zurück. Ich wusste durch etliche Versuche, dass ich meinen Konsum nicht reduzieren konnte.

ERKENNTNIS NR . 1: REDUZIEREN FUNKTIONIERT NICHT!

Daher schlussfolgerte ich: Wenn Zucker bei mir wie eine Droge wirkt, dann muss ich komplett auf die Droge verzichten. Also tat ich den zweiten Schritt: Ich übte mich im totalen Verzicht. Trotz der Erkenntnis, süchtig zu sein, und dem festen Entschluss, mit Zucker aufzuhören, brauchte ich weitere drei Jahre (!), in denen ich versuchte, meine Zuckersucht in den Griff zu bekommen. Selbst nach Wochen der Enthaltsamkeit erlitt ich aufgrund einer kritischen Situation oder einer schwierigen Gemütsverfassung wieder einen Rückfall.

ERKENNTNIS NR . 2: TOTALER VERZICHT ALLEIN FUNKTIONIERT AUCH NICHT!

Ich wurde immer wieder rückfällig, und meine Frustration wuchs weiter. Ich konnte einfach nicht aufhören zu naschen und wurde immer dicker! Das alles frustrierte mich so, dass ich weiter naschte, um den Frust nicht mehr zu fühlen usw. Ich war gefangen im Teufelskreis der Sucht! Ich wusste nicht weiter. Totaler Verzicht funktionierte auch nicht. Irgendetwas fehlte, aber was?

Die erste zündende Idee, die ich dann hatte, war: Ich werde mich aus meiner Zuckersucht herausschreiben.

Ich wollte ein Buch über alle Erfahrungen schreiben, die ich mit meiner Zuckersucht gemacht hatte oder gerade machte. Am 26.02.2007 begann ich damit mit folgenden Worten: »Klar! Eben habe ich mir vorgenommen, ein Buch über meine Zuckersucht zu schreiben, und auf dem Weg zum Computer liegen zwei von meinen liebsten Lakritzteilchen auf dem Teppich, die wohl einem meiner Kinder heruntergefallen sind. Die Teilchen duften und lachen mich freundlich an, als ich sie aufhebe. Die Verführung pur! Aber nein – heute bin ich stark. Heute will ich über meine Zuckersucht schreiben! Die betörenden Lakritzteilchen werden in den Biomüll wandern! Der erste aller Widersacher in meinem System ist der Verführer. Doch dazu später mehr.«

Zuerst schrieb ich alles auf, was ich im Zusammenhang mit meiner Zuckersucht erlebte. Ich beobachtete mich und berichtete über die verschiedenen Aspekte, ähnlich wie bei Tagebuchaufzeichnungen. Ich erkannte die vielen Punkte, an denen ich in meine eigenen Fallen tappte, und in welchen Situationen ich besonders rückfallgefährdet war. Das Problem war nur, dass sich nichts änderte. Ich erkannte die Gefahr, konnte ihr aber oft nicht ausweichen, daher wurde ich immer wieder rückfällig. Ich startete etliche neue Versuche, mit dem Zucker aufzuhören. Zwar erwarb ich schon viele Erkenntnisse in dieser Zeit, aber ich kam nicht weiter. Damals nannte ich es noch Zuckerfasten, weil mir die Tragweite meiner Sucht noch nicht bewusst genug geworden war. Ich wollte einfach nur abnehmen, aber es gelang alles nicht so richtig.

Nach einem weiteren Jahr war das Maß dann endlich so voll, dass ich für den nächsten Schritt offen war. Die Worte, die ich am 13. Ju li 2008 in meine Aufzeichnungen schrieb, lauteten: «Ich muss viel verbindlicher in das Programm einsteigen, sonst kriege ich das nicht hin, das weiß ich.« Mir wurde klar, dass ich mich noch tiefer auf den Prozess einlassen musste, der bei mir durch die lange Auseinandersetzung mit dem Thema Zucker losgetreten worden war. Erst da erkannte ich, dass ich meine Zuckersucht die ganze Zeit für mein Übergewicht verantwortlich gemacht hatte. Ich dachte, ich bräuchte es nur zu schaffen, mit dem Zucker aufzuhören, um das Übergewichtsproblem zu lösen. Jetzt erkannte ich, dass ich den Ursachen meiner Sucht auf den Grund gehen musste, um wirklich etwas zu ändern. Das Übergewicht war nur eine Randerscheinung der eigentlichen Problematik.

Ich erinnerte mich an das Programm der Overeaters Anonymous. Ähnlich wie in Julia Camerons Buch Der Weg des Künstlers, mit dem ich seit vielen Jahren arbeitete, wurden auch hier zwei Techniken benutzt: Schreiben und Aufgaben. Mir fielen die Parallelen auf, und dabei hatte ich die zweite zündende Idee: Ein Zuckersuchtbuch, das »Schreiben und Aufgaben« als Technik benutzt, um von der Sucht zu befreien. Ich wollte ein Buch schreiben, das dem Programm der Overeaters Anonymous und Julia Camerons Buch Der Weg des Künstlers in der Struktur ähnlich sein sollte. Das Buch sollte sich ausschließlich um Zuckersucht drehen, tägliches Schreiben als Basis benutzen und spezielle Aufgaben enthalten, die nur diese Sucht betreffen. Die Anzahl der Aufgaben, die man sich selbst stellen sollte, sollte in leicht verdauliche Portionen eingeteilt sein, so dass sie einen nicht überforderten. Zusätzlich wollte ich mir Aufgaben ausdenken, die einfach nur Spaß machen sollten.

Sobald ich mich an die Arbeit machte, sprudelten die Ideen und Erkenntnisse wie ein Wasserfall. Mir wurde klar, dass ich die ganze Zeit unbewusst davon ausgegangen war, eine Zeit der Zuckerenthaltsamkeit zur Gewichtsreduktion zu benutzen, um dann irgendwann wieder normal Zucker essen zu können. Nun begriff ich, dass ich es mit einem viel ernsteren Problem zu tun hatte – mit einem zwanghaften Suchtverhalten. Es ging nicht mehr ums Abnehmen, sondern darum, dass ich die Droge Zucker nicht im Griff hatte und mich mit all den Themen konfrontieren musste, die hinter der Abhängigkeit stehen. Ich musste noch eine Stufe weitergehen und die Sucht als Krankheit ernst nehmen, mich auf einen völligen Verzicht auf unabsehbare Zeit einstellen und meine persönlichen Themen bearbeiten. Das war eine ganz andere Nummer.

Zum Glück hatte ich das Schreiben – meinen Rettungsanker in der Not. Über die Jahre hatte sich herauskristallisiert, dass ich beim Schreiben Fragen stellen kann und diese aus einer inneren Instanz beantwortet bekomme. Ich nenne diese innere Stimme den inneren Mentor. Im Rückblick erkenne ich, dass ich ohne den inneren Mentor nicht den Weg aus der Sucht gefunden hätte. Die Arbeit mit dem inneren Mentor ist viel mehr, als nur zu schreiben und um Hilfe zu bitten. Die Art der Hilfe, die ich mir wünsche, ist ausschlaggebend. Wie oft hatte ich um Hilfe aus der Not gebeten im Sinne von: »Gott, hilf mir aus dieser Klemme!« – ohne bemerkenswerte Resultate. Die Bitte um Hilfe, die ich an den inneren Mentor stelle, ist ganz anderer Art. Es ist eine Frage nach dem nächsten praktischen Schritt, nach der notwendigen Tat, nach einem Rat oder einem Hinweis, nach einer Handlungsempfehlung oder einer verändernden Erkenntnis – kurz: nach etwas, bei dem ich aktiv etwas tun kann, statt passiv auf Veränderung zu hoffen. Diese Hilfe brachte die Wende. Durch diese Hilfe erkannte ich, an welchen Punkten meines Lebens ich aktiv mitarbeiten musste, um fundamental etwas zu ändern. Durch den Kontakt zum inneren Mentor kristallisierten sich Erkenntnisse und Themen heraus, die ich zur Bewältigung meiner Zuckersucht benötigte. All das aufzuschreiben und in ein Gerüst zu packen, das anderen Zuckersüchtigen helfen könnte, war auch eine Weisung meines inneren Mentors, der ich gefolgt bin.

Beladen mit diesem Gepäck, machte ich mich an die Arbeit:

• innere Not durch jahrzehntelange Zuckersucht

• ein Erfahrungsschatz aus diversen gescheiterten Versuchen, clean zu werden

• das Gerüst aus täglichem Schreiben im Kontakt mit dem inneren Mentor und wöchentlichen Aufgaben

Inzwischen ist viel Zeit vergangen, und Lakritzteilchen können mich nicht mehr verführen. Das Interesse ist erloschen. Ich habe noch nicht einmal Appetit darauf. Damals dachte ich noch, dass ich lange verzichten muss, um aus dem Teufelskreis der Sucht auszusteigen. Heute weiß ich, dass es nur zu Beginn ein Verzicht war. Schon nach wenigen Monaten im Programm interessierte mich Zucker nicht mehr. Heute entbehre ich nichts, sondern habe etwas gewonnen: Ich bin befreit von einer jahrelangen Bürde.

Und weil ich wusste, dass ich mit dieser Sucht nicht allein bin, und der Impuls so stark war, all das mitzuteilen, was ich erlebte, fing ich an, alle Stichpunkte zu sammeln, die mir einfielen oder begegneten, und gleich alles in der Du-Anrede aufzuschreiben. Ich habe morgens täglich meine persönlichen Themen durch Schreiben bearbeitet, tagsüber auf Zetteln die allgemeingültigen Erkenntnisse und Ideen gesammelt, die mir durch den Kopf gingen, und abends am Computer die Texte formuliert und in das Programm eingearbeitet. Ich habe im ganzen Haus Zettel und Stifte verteilt, sogar im Auto, um alle Gedanken zum Thema Zuckersucht festzuhalten. Ich schrieb alle Erlebnisse und Einsichten auf, sortierte sie nach Themenbereichen und probierte selbsterfundene Aufgaben und auch Übungen aus anderen Quellen aus. Und siehe da … es funktionierte! Ich lebe seit dem 13. Juni 2008 zuckerfrei, dem Tag, als mir die zweite zündende Idee geschenkt wurde. So entstand das Zuckersuchtprogramm, das mein Leben verändert hat.

Das Ergebnis dieses Prozesses war die gelebte Erfahrung:

ERKENNTNIS NR. 3: TOTALER VERZICHT PLUS AKTIVE ARBEIT AN DEN URSACHEN DER SUCHT FUNKTIONIERT!

Irgendwann wollte ich natürlich wissen, ob das Programm auch für andere Zuckersüchtige anwendbar ist. So entstanden die ersten Gruppen, durch die ich das Zuckersuchtprogramm auf seine Tragfähigkeit prüfen konnte. Ich habe aus der Arbeit mit anderen Zuckersüchtigen viel dazugelernt und einiges in meinem Skript verändert. Dafür bin ich sehr dankbar.

Inzwischen wage ich zu behaupten, dass ich keinen Zucker mehr in meinem Leben brauche. Ich habe nur noch ganz selten einen Jieper auf Süßes und weiß dann, dass ich mir ansehen muss, welche Situationen dazu geführt haben könnten. Ich benutze den Jieper als Hinweisschild auf ungeklärte Lebensthemen. Ich weiß, dass ich weiterhin gefährdet und von einem Rückfall nur einen Schokoriegel entfernt bin, aber ich weiß auch, dass ich endlich wieder die Zügel in der Hand habe und mich entscheiden kann. Ich bin nicht mehr ausgeliefert. Ich kann sogar in geringen Mengen wieder Zucker konsumieren, aber ich tue es nur in Ausnahmesituationen (etwa 3-mal im Jahr). Inzwischen ist Süßes nicht mehr wichtig für mich. Ich erlebe die Abstinenz nicht mehr als Verzicht und bin nicht mehr gefangen im Teufelskreis der Zuckersucht. Endlich! Das ist eine unglaubliche Befreiung, die ich nie wieder missen möchte.

Ich wünsche dir, dass dieses Buch dir einen neuen, gangbaren Weg aus deiner Zuckersucht weist.

Ruth Alice Kosnick

Einführung

Anzeichen für Abhängigkeit von Zucker · Stufen der Sucht

Herzlichen Glückwunsch und »willkommen im Club«. Es ist ein wichtiger Schritt, nach einem Buch mit dem Titel »Frei von Zuckersucht« zu greifen, sich mutig mit diesem Titel an die Kasse zu stellen und sich dadurch schon unterschwellig zu outen. Es ist der erste Schritt weg von den jahrelangen Beschönigungen, Verschleierungen und dem Selbstbetrug, hin zu dem Bekenntnis, zuckersüchtig zu sein. Dadurch, dass dich dieser Titel angesprochen hat, kannst du dich schon zu denen zählen, die wissen, dass sie ihr Verhalten in Bezug auf Zucker nicht mehr unter Kontrolle haben, dass es nicht nur Naschlust oder Mangel an Willensstärke ist, sondern etwas ganz anderes: Dein Verhalten ist eine Sucht und damit eine Krankheit.

Ich betone das deshalb so ausführlich, weil ein enormer Verdrängungsprozess bei jedem Süchtigen vorliegt, egal, um welche Droge es sich handelt. Verdrängung und Selbstbetrug gehören zur Sucht. Der Suchtmechanismus besitzt viele laute innere Stimmen, die das Wissen darum, dass man von der Droge abhängig ist, übertönen. Diese Stimmen sagen zum Beispiel: »Ich liebe das«, »Ich genieße den Konsum« oder »Ist mir egal, dass ich abhängig bin«. (In der ersten Woche werden wir uns ausführlich mit diesen Stimmen beschäftigen.)

Ebenso wenig wie alle, die Alkohol trinken, Alkoholiker sind, sind alle Zuckeressenden zuckersüchtig. In Versuchen an Ratten wurde bewiesen, dass einige Ratten nach Zucker »süchtig« wurden, andere nicht (wahrscheinlich vergleichbar mit dem bei allen Suchtkrankheiten zu vermutenden »Suchtgedächtnis« nach Prof. Dr. J. Böning).

Das Wesen jeder Sucht ist, dass mit Willenskraft überhaupt nichts auszurichten ist, eher im Gegenteil: Eine Zeit des Zuckerverzichts mit Willenskraft hat meist einen erhöhten Zuckerkonsum zur Folge (was ebenfalls in den Rattenversuchen bestätigt wurde). Je öfter der Versuch unternommen wird, süßen Verführungen mit Willenskraft zu widerstehen, desto tiefer verstrickt sich der Betroffene in den Kreislauf der Sucht. Das Wesen der Sucht ist ein wirkungsloser Wille. Du willst mit der Droge aufhören, aber dein Wille hat keine Kraft, um es in die Tat umzusetzen. Der Süchtige ist gefangen und wie von einem Dämon besetzt, der ihn zu Handlungen treibt, die er gar nicht will. Im Gehirn und in der Psyche laufen die gleichen Prozesse ab wie bei allen Süchten.

Anzeichen für die Abhängigkeit von Zucker

Wenn du dich von dem Wort Zuckersucht angesprochen fühlst, dann mache dir klar, dass nur ein Betroffener nachvollziehen kann, welche erschreckenden Höhen und Tiefen sich hinter der Droge verbergen. Lass dich nicht davon einschüchtern, dass andere diese Sucht als nicht ernstzunehmend belächeln. Für viele Menschen ist Zucker keine Droge. Sie werden nicht süchtig, auch wenn sie oft naschen. Sie können nicht nachvollziehen, welches Leid Zucker erzeugt, wenn du süchtig danach bist. Doch für Zuckersüchtige ist Zucker eine ernstzunehmende Droge. An den folgenden Anzeichen kannst du erkennen, ob Zucker für dich zu einer Droge geworden ist:

• heimliches Naschen

• Süßigkeitenverstecke anlegen

• periodische Zuckerfresstouren, unterbrochen von Phasen gesunder Ernährung, in denen du nur kurze Zeit auf Süßes verzichten kannst

• Selbstbetrug, indem du vorgibst, zuckerfrei zu sein, und dann, als Ersatz, »gesundes« Süßzeug aus dem Bioladen naschst

• nicht rationieren können, sondern alles aufessen müssen (statt einem Stückchen Schokolade die ganze Tafel)

• Kontrollverlust und die Unfähigkeit, längere Zeit auf Süßes zu verzichten

• wiederholte misslungene Versuche abzunehmen

• schon diverse Methoden zur Gewichtsreduktion ausprobiert haben

• Kleidergrößen im Schrank haben, die schon lange zu eng geworden sind, oder mehrere Kleidergrößennummern horten, weil das Gewicht extrem schwankt

• der tägliche Entschluss, dich ab morgen »gesund« zu ernähren, der jedoch (fast) jeden Tag scheitert (die Abstände zwischen dem Entschluss und einem Rückfall werden immer kürzer)

• Verstimmungen und Selbstvorwürfe nach dem Konsum

• starke Stimmungsschwankungen

• nachts Schlafstörungen oder extreme Müdigkeitsattacken tagsüber

• immer genau wissen, wo und wie viel Naschzeug noch in unmittelbarer Nähe ist oder wo man nach Geschäftsschluss noch etwas besorgen kann (Tankstelle etc.)

• der »Bäckerei- und Eisdielen-Blick« (jede Bäckerei und Eisdiele in der Nähe kennen)

• ein angeknackstes Selbstbewusstsein, viele Schamgefühle und verborgener Selbsthass

• Selbstbestrafungen nach dem Konsum, oft getarnt als positive Tat (mehr Sport, Fasten, nur Bio-Süßes und andere gute Vorsätze)

• Vorräte fürs Wochenende anlegen, weil sonntags die Geschäfte geschlossen haben

Aus Erfahrung weißt du, dass du deine Abhängigkeit mit der eines Alkoholikers oder eines Drogensüchtigen vergleichen kannst: Ebenso wenig wie ein Alkoholiker nur ein bisschen Alkohol trinken kann, genauso wenig kannst du nur ein bisschen Zucker essen. Wenn du damit angefangen hast, kannst du nicht mehr aufhören. Die Droge kontrolliert dein Leben. Dein Denken und Handeln ist davon durchdrungen, wie eine Hintergrundmusik, die dauernd spielt. Dies ist der Unterschied zwischen Sucht und Nichtsucht: Der Süchtige ist ein Sklave der Droge. Dies ist weit entfernt von dem Gefühl »jetzt habe ich Lust auf etwas Süßes«. Ein Süchtiger kann nicht geheilt werden, sondern muss lernen, ohne seine Droge zu leben. Und weil diese Worte in einem Teil deiner Persönlichkeit immense Panik auslösen, kannst du schon erahnen, dass der Konsum von Zucker eng verknüpft ist mit psychischen Inhalten. Wenn ein Arzt dir nahelegen würde, auf Milchprodukte zu verzichten, Südfrüchte zu meiden oder Weizen wegzulassen, würde das Unmut hervorrufen, aber du hättest keine Empfindungen, die an Panik erinnern. Ahnst du schon, worauf das hier hinausläuft? Psychoarbeit!

Stufen der Sucht

Ich vermute, es gibt bei Zuckersüchtigen verschiedene Schweregrade, ähnlich wie bei Alkoholikern. Es gibt Menschen, die brauchen das Programm nicht, sondern können, wie manche Raucher auch, von einem Tag auf den anderen mit dem Drogenkonsum aufhören. Sie brauchen keine Übungen, keine Selbsttherapie und keine Psychoaufgaben. Sie erkennen ihre Süchtigkeit und steigen einfach aus. Vielleicht hat das mit dem Schweregrad der Sucht zu tun? Ich weiß es nicht. Meiner Erfahrung nach ist das Zuckersuchtprogramm absolut notwendig für stark Zuckersüchtige der 3. Stufe, der chronischen Phase.

In diese drei Stufen lassen sich die Schweregrade der Sucht unterteilen:

1. Stufe: Vorphase

In diesem Stadium wird Zucker zum Frustabbau, als Belohnung oder einfach als Stimmungsaufheller benutzt. Der Körper verlangt noch nicht danach, sondern es ist eher eine leichte psychische Abhängigkeit. Ein Unwohlsein und eine Verstimmung stellen sich ein, wenn bei bestimmten Anlässen nicht die gewohnte Süßigkeit verfügbar sind (zum Kaffee, beim Fernsehen, am Sonntagnachmittag …).

2. Stufe: Akute Phase

In der akuten Phase ist das Hauptthema Kontrollverlust. Typisch ist hier, dass die ganze Tafel Schokolade verputzt wird, statt nur ein Stückchen zu naschen (wie du eigentlich wolltest). Mit dem Kontrollverlust einher geht ein Versager- und Schamgefühl, das allerdings verdrängt und abgewehrt wird (meist wieder mit Zucker). Was du bewusst mitbekommst: deinen Ärger über dich selbst nach dem unkontrollierten Konsum und deinen Ärger am nächsten Morgen auf der Waage. In der akuten Phase besteht bereits eine körperliche Abhängigkeit. Der Betroffene kann zwar lange auf Zucker verzichten (um wieder abzunehmen), verliert aber dann erneut die Kontrolle und nascht mehr, als er will. Dieser Jojo-Effekt ist bei denen, die von Zucker zunehmen, auch auf der Waage ablesbar.

3. Stufe: Chronische Phase

In diesem Stadium vergeht kein Tag, an dem du keinen Zucker konsumierst. Die Menge steigert sich von Jahr zu Jahr. Phasenweise wird das Suchtverhalten erkannt (heimliches Naschen, Süßigkeitenlager etc.), aber oft weiterhin als Genuss beschönigt. Der Zuckerpegel wird täglich aufgefüllt und geht mit Kontrollverlustessen einher. Keinen Zucker zu essen, zum Beispiel in Diät zeiten, fühlt sich wie ein erzwungener Verzicht an. Diese Zeiten sind sehr seltene Ausnahmen von dem täglichen Konsum, jedoch dadurch die einzigen Lichtblicke. Nach dem Verzicht werden noch größere Mengen Zucker konsumiert als zuvor (und die Zahlen auf der Waage steigen weiter an). Meist wird auch Übergewicht zum Problem, durch das das süchtige Verhalten nicht mehr geleugnet werden kann. Die Versager- und Schamgefühle steigern sich, da kein Verzicht mehr möglich ist und du die Gefangenschaft spürst. Du isst sogar Süßigkeiten, die dir eigentlich nicht schmecken. Der Frust, der durch Zuckeressen entsteht, wird mit Zucker betäubt. So entsteht ein Teufelskreis.

Innerhalb der chronischen Phase gibt es wiederum verschiedene Schweregrade, die sich in den täglich konsumierten Zuckermengen ausdrücken. Außerdem gibt es noch eine weitere Steigerung, die ich »extreme Abhängigkeit« nenne. Innerhalb der chronischen Phase unterscheide ich daher zwischen einer »schweren« und einer »extremen« Abhängigkeit. Extreme Abhängigkeit ist selten. Ich selbst habe jahrelang unter einer schweren Abhängigkeit mit erheblichen täglichen Zuckermengen gelitten. Weiter unten, im Kapitel »Entzugserscheinungen«, werden die Symptome einer Frau beschrieben, die unter extremer Zuckerabhängigkeit leidet.

Je stärker deine Zuckerabhängigkeit ist, desto intensiver musst du mit dem Programm arbeiten. Das Zuckersuchtprogramm kann dich selbst aus jahrzehntelanger chronischer Abhängigkeit (3. Stufe) in ein ganz anderes Leben führen. Wenn du chronisch zuckersüchtig bist, hast du einen großen Vorteil: Du hast unendlich viel Leid erfahren durch deine jahrelangen, unkontrollierbaren Fressorgien und Kontrollverluste. Du kennst dein süchtiges Verhalten genau und gaukelst dir nicht mehr vor, dass Süßes Genuss ist, weil es für dich schon lange kein wirklicher Genuss mehr ist. Und dieses Leid wiegt so schwer, dass du bereit sein wirst, die Arbeit auf dich zu nehmen, die das Programm von dir fordert.

Die Ursachen deiner Sucht liegen nur zu einem kleinen Teil in einer körperlichen Abhängigkeit (diese ist zum Glück nach einigen Tagen ausgestanden), sondern mehr in einer psychisch-seelischen Abhängigkeit. Und genau diesen Ursachen geht das Zuckersuchtprogramm auf den Grund. Dicksein ist ein Symptom dieser Krankheit. Allerdings ist es auch möglich, zwanghaft Süßigkeiten oder süße Getränke zu konsumieren und nicht dick zu sein. Du magst nur zehn Pfund Übergewicht haben oder gar keins, und dennoch weißt du, wenn du ehrlich zu dir bist, dass du deinen Zuckerkonsum nicht kontrollieren kannst. Im Allgemeinen jedoch haben Zuckersüchtige mehr als nur zehn Pfund zu viel auf den Hüften.

Da bei den meisten Zuckersüchtigen Übergewicht ein Problem geworden ist, wurden viele Stellen im Zuckersuchtprogramm so formuliert, dass sie Übergewichtige betreffen. Falls das bei dir nicht der Fall sein sollte, lies diese Passagen dennoch aufmerksam durch. Sobald du bemerkst, dass dich ein Themenbereich trifft, betrifft er dich auch.

Bitte öffne dich für folgende Gedanken, um aus dem Selbstverurteilungsmechanismus herauszukommen: Dein jetziger Suchtzustand und dein derzeitiges Gewicht sind richtig! Du hältst dich mit deinem Verhalten und deinen Essgewohnheiten in einem seelischen Gleichgewicht. Dein Suchtverhalten ist zurzeit noch notwendig, weil es für dich ein Rettungsring ist. Dein Körper hat einen Ausweg gesucht und gefunden. Er irrt sich nicht, auch wenn dein Kopf die Kilos auf der Waage nicht mag. Du brauchst diese Kilos zurzeit noch. Dein Rettungsring aus zusätzlichen Pfunden um die Hüfte ist tatsächlich auch ein psychisch-seelischer Rettungsring.

Durch die Arbeit mit dem Zuckersuchtprogramm wird sich diese Gewichtung ändern. Das Programm wird zu deinem neuen Rettungsring werden. (Ich nenne es lieber Rettungsanker, weil du mit einem Rettungsring immer noch im tosenden Meer schwimmst. Doch mit dem Programm wirst du am Grund der Lebenssee verankert.)

Du wirst herausfinden, welche Fallen du dir selbst stellst und welchen Lebensbereichen du bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet hast. Du wirst lernen, den wahren Hunger hinter deiner Sucht zu erkennen und ihn zu stillen. Schritt für Schritt lernst du, zu einer inneren Fülle zu finden, so dass die Fülle nicht mehr im Außen in Erscheinung treten muss. Durch das Zuckersuchtprogramm wirst du mit vielen alten, verdrängten Themen konfrontiert werden. Wahrscheinlich wird ein enormer Prozess einsetzen, der in deinem Leben einiges verändern wird. Die Schritte im Programm betreffen alle Lebensbereiche. Sei dir bewusst, dass dieses Programm sehr tief greift und kein Thema ausgelassen wird. Es zwingt dich zu einer enormen Ehrlichkeit dir selbst gegenüber. Nur durch die Konfrontation mit deiner Schattenseite und durch deinen Mut, dich den unangenehmen Seiten zu stellen, kannst du den psychisch-seelischen Anteil der Abhängigkeit überwinden.

Dieses Buch behandelt nur die Abhängigkeit von Zucker. Es kann dir aber auch helfen, dich von anderen Süchten zu befreien, indem du das Wort »Zucker« durch das Wort deiner Sucht ersetzt. Allerdings liegt jeder Sucht eine spezielle psychische Disposition zugrunde. Es hat einen ganz persönlichen Grund, warum jemand zu einer bestimmten Droge greift. Ein Zuckersüchtiger sucht das verlorene Paradies und möchte sich die Welt versüßen, ein Nikotinsüchtiger möchte eine Nebelwand zwischen sich und der Welt aufbauen und in seiner Scheinwelt bleiben, ein Alkoholiker betäubt seine Gedanken und sucht das schmerzfreie Vergessen. Welches deine Dispositionen sind, musst du, je nach Droge, selbst herausfinden. Hierbei können dir die Bücher von Rüdiger Dahlke oder Louise Hay helfen, in denen jedes körperliche Symptom und auch die Art jeder Sucht auf einer psychischen Ebene gedeutet werden.

Wenn du unter extremem Übergewicht leidest, liegt häufig eine zusätzliche Essstörung vor. Du solltest dann den Einstieg in dieses Programm von deinem Hausarzt, einer Ernährungsberaterin oder von einem Psychotherapeuten begleiten lassen. Es kann auch sein, dass die Arbeit im Programm dich mit Themen konfrontiert, bei denen du spürst, dass du sie schlecht alleine bewältigen kannst. Es ist wichtig, dir schon vor dem Einstieg in das Programm klar darüber zu sein, dass du eventuell weitere Hilfe benötigen wirst, und dir im Vorfeld zu überlegen, wen du ansprechen könntest.

Viele Passagen des Zuckersuchtprogramms richten sich an Frauen, weil ich vorwiegend Frauen mit diesem Problem erlebe. Falls du als Mann in das Zuckersuchtprogramm einsteigen möchtest, dann ersetze bitte die Passagen, die sich an Frauen richten, durch deine eigenen, männlichen Themen.

Die Grundtechniken

Wie dieses Buch zu benutzen ist · 1. Übung: Schreiben 2. Übung: Die Aufgaben · 3. Übung: Zeit der Fülle · Der Vertrag Entzugserscheinungen · Wappne dich!

Wie dieses Buch zu benutzen ist

Wie du sicherlich schon ahnst, läuft das ganze Programm auf eine absolute Abstinenz von Zucker hinaus. Da dieser Schritt meist als bedrohlich erlebt wird, beginnen wir erst einmal mit einem Zeitabschnitt von zwölf Wochen, den du zum Bearbeiten dieses Buches benötigen wirst. Wahrscheinlich wirst du wesentlich länger im Programm leben müssen, bis du die Sucht wirklich überwunden hast. Aber jetzt fängst du erst einmal mit zwölf Wochen an und konzentrierst dich nur auf diesen Zeitabschnitt. Falls dir das zu lang erscheint, dann suche dir eine Zeitspanne aus, von der du denkst, dass du es schaffen könntest, in dieser Zeit zuckerfrei zu leben. Nimm dir aber nicht weniger als drei Wochen vor. Lies dir dann die Grundtechniken und das erste Kapitel durch, damit du weißt, worauf du dich einlässt, und schreibe dann in deinen Vertrag (siehe unten) die Anzahl der Wochen, mit denen du dich gut fühlst. Du kannst deinen Vertrag jederzeit verlängern.

Diese Zeitspanne ist für die meisten chronischen Zuckersüchtigen die längste zuckerfreie Zeit im Leben. Einige Tage schaffst du meistens mit Willenskraft, aber zwölf Wochen sind unglaublich lang für Suchtkranke. Weil hinter jeder Sucht viele verdrängte, unterbewusste Gedanken und Gefühle lauern, ist es wichtig, diese Zeit der Zuckerenthaltsamkeit mit den drei Grundübungen zu begleiten (dem Rettungsanker):

1. dem Schreiben, das den Kontakt zu deinem inneren Mentor herstellt,

2. dem Erfüllen der Aufgaben, die zuckerspezifische Themen behandeln, und

3. der Zeit der Fülle, durch die du lernst, die wahre Süße und Fülle des Lebens zu genießen.

Den Zucker einfach wegzulassen, heißt, den Rettungsring wegzuwerfen und aus einem Boot ins kalte Meer zu springen. Ich rate dir dringend, die drei Grundübungen anzuwenden – zusammen sind sie der notwendige Rettungsanker für dich.

Wenn du eine oder mehrere sehr gute Freunde oder Freundinnen hast, die auch von ihrer Zuckersucht gequält werden, dann ist es sinnvoll, dieses Buch in einer Gruppe gemeinsam durchzuarbeiten. Es ist eine große Unterstützung, diesen Weg in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter zu gehen. Selbstverständlich muss alles, was in der Gruppe besprochen wird, vertraulich behandelt werden.

1. Übung: Schreiben

Die erste Grundtechnik ist ein Bewusstwerdungsprozess durch tägliches Schreiben, möglichst morgens, ungefähr drei DIN-A4-Seiten, handgeschrieben. Die Technik ist ganz einfach: Du kaufst dir einen Block oder ein Schreibheft, das dir gefällt, und schreibst einfach auf, was dir in den Sinn kommt. Dies ist kein Tagebuch! Es geht nicht darum festzuhalten, was du gestern erlebt hast, sondern nur das, was dir jetzt, in diesem Moment durch den Kopf geistert. Meistens gibt es ein Haupttagesthema und mehrere Nebenthemen, die wie Endlosschleifen im Kopf rotieren. Wissenschaftler haben festgestellt, dass 60.000 bis 80.000 Gedanken am Tag durch unseren Kopf gehen. Das Erschreckende daran ist, dass etwa siebzig bis achtzig Prozent davon Wiederholungen sind. Dadurch, dass du diese Endlosschleifen zu Papier bringst, wirst du sie los.

Dies ist ein Reinigungsprozess für deinen Kopf. So kannst du dir diese Sätze ansehen und musst dich nicht mehr damit identifizieren. Das Schreiben erlaubt dir, dir deinen Gedankenwust bewusst zu machen und zu erleben, dass »es in dir denkt«. Du wirst erleben, dass nicht du es bist, der deine Gedanken erzeugt, sondern dass dein Gehirn endlos Gedanken und damit verbunden Gefühle produziert. Schreiben sortiert die Verwirrung. Durch Schreiben deckst du all das auf, was wie eine Hintergrundmusik den ganzen Tag summt. Durch Schreiben werden diese »Gedanken-Ohrwürmer« an die Oberfläche deines Bewusstseins gezogen. Schreiben ist ein intensiver Bewusstwerdungsprozess.

Beginne die ersten zwei bis drei Zeilen immer mit einem Blitzlicht auf den gegenwärtigen Moment. Notiere den Wochentag, das Datum, die Uhrzeit, den Ort, an dem du schreibst (»... in der Küche bei Regenwetter. Die Vögel zwitschern laut ...«) und einigen Worten zu deinem Körpergefühl oder Gemütszustand (»... fühle mich bleischwer und unbeweglich. Bin urlaubsreif!«). Reflektiere in diesen ersten zwei bis drei Zeilen das Hier und Jetzt und dein Grundlebensgefühl in diesem Moment.

Meist wird dir dann schon bewusst, was dein Hauptthema ist. Es geht nur darum, dir die Themen, die jetzt in deinem Kopf kreisen, bewusst zu machen und zu Papier zu bringen. Krame nicht in Erinnerungen von gestern herum, sondern schreibe nur den einen Gedanken auf, der gerade da ist. Zum Glück kannst du nur einen Gedanken auf einmal denken. Allerdings springt das Gehirn oft von einem Thema zum anderen. Schreibe dann einfach den angefangenen Satz zu Ende, und springe mit. Zwischen zwei Themen kannst du ein Kürzel machen, zum Beispiel einen Kreis oder einen Doppelstrich. Schreibe einfach alles auf, was du noch nicht einmal mit der besten Freundin besprechen würdest (die fände das viel zu öde und zu langatmig, weil du schon zum sechzehnten Mal über das gleiche Thema jammerst).

Wenn du dich zum ersten Mal auf diese Schreibtechnik einlässt, kann es passieren, dass du zu Beginn eine Blockade erlebst. Schreibe dann das auf, was gerade in dir ist, was du jetzt gerade wahrnimmst. Vielleicht fällt dir nur ein, dass du noch zwei Maschinen Wäsche waschen musst. Dann schreibe das auf. Wenn dir ganz und gar nichts einfällt, dann schreibst du zum Beispiel: »Mir fällt gerade nix ein.« Schreibe über deinen Widerstand gegen das Schreiben, deine Lust auf Süßes, über deine schlechte Laune und deinen blöden Chef. Schreibe alle Gedanken, alle Empfindungen und Wahrnehmungen auf, die dich beschäftigen. Irgendeinen Satz denkt der Denkapparat immer. Mach keine Pausen. Bleibe im Schreibfluss.

Schreiben ist wie ein Stoffwechselprozess, der eine Reinigung des Denkens zur Folge hat. Du lässt die Gedanken auf dem Papier raus, und sie kreisen nicht weiter so aufdringlich in deinem Gehirn herum. In Krisenzeiten lohnt es sich, ganz viel zu schreiben. Nimm dir dann noch Extrazeit, und schreibe all die Gedanken und Gefühle auf, die dich beschäftigen, bis du alles losgeworden bist. Du kannst die Seiten dazu benutzen, sie vollzuquatschen, vollzujammern, dich etliche Male zu wiederholen, langatmig zu erzählen, dich in Themen reinzusteigern, deine Wut rauszulassen, zu phantasieren und so richtig abzulästern. Alles ist erlaubt! Durch das Schreiben werden nach und nach alle deine Lebensbereiche beleuchtet.

Es kann sein, dass du zum ersten Mal die ganze Misere deiner Ehe betrachtest oder die Probleme, die du in deinem Beruf erlebst. Schreibe weiter, auch wenn du dadurch »ein Fass aufmachst«. Oft weißt du vor dem Schreiben nicht, was eigentlich mit dir los ist, warum du dich so schräg oder übellaunig fühlst. Nach dem Schreiben weißt du es. Schreiben verändert etwas. Du gehst anders in das Schreiben hinein, als du aus dem Schreiben herausgehst. Schreiben hat einen hohen Wirkungsgrad – es verändert deinen Zustand jedes Mal. Das kannst du besonders dann bemerken, wenn du dich »schräg« fühlst. Nach dem Schreiben fühlst du dich wieder begradigt.

Wichtig: Zeige die Seiten, die du schreibst, NIEMANDEM! Verstecke sie so gut, dass du weißt, dass sie dort nicht gefunden werden. Oder mach deinen Familienmitgliedern klar, dass das Lesen deiner Seiten absolut tabu ist. Nur, wenn du absolut sicher bist, dass keiner deine Privatsphäre verletzt, kannst du dir erlauben, das aufzuschreiben, was keiner jemals lesen darf. Nur dann kannst du völlig ehrlich sein. Allein die Vorstellung, dass deine Kinder Jahre nach deinem Tod die Aufzeichnungen finden und lesen, verändert dein Schreiben. Lass das nicht zu. Diese Seiten sind nur für dich. Zeige sie niemandem. Die Seiten sind deine Vertrauten. Was du ihnen erzählst, geht niemanden etwas an.

Wichtig: Widerstehe der Versuchung zurückzublättern. Lies deine Seiten erst nach frühestens vier Wochen wieder durch. Schreibe einfach jeden Tag in dein Heft, so, als würdest du etwas ausscheiden, denn so ist es tatsächlich. Es geht nicht darum, etwas festzuhalten. Du kannst die Seiten gleich nach dem Schreiben auch wegwerfen. Du kannst die Hefte aber auch sammeln und aufbewahren, wenn du möchtest. Manchmal ist es interessant, nach Jahren zu lesen, wie bestimmte Lebensphasen waren. Entscheide selbst, wie du damit umgehen möchtest.

2. Übung: Die Aufgaben

In jedem Schritt wirst du mehrere Aufgaben innerhalb des Textes finden. Lies alle durch, und suche dir dann eine davon aus. Du kannst auch mehrere Aufgaben bearbeiten, wenn du willst. Nimm dir aber mindestens eine pro Woche vor. Nimm diejenige, die dich am meisten anspricht oder die du am meisten ablehnst, denn auch dann bist du betroffen. Du wirst bemerken, dass die anderen Aufgaben schon durch das Durchlesen in dir ein wenig arbeiten.

Es ist sinnvoll, den Tag, an dem du beginnst, in jeder folgenden Woche als Anfangstag für einen neuen Schritt (das nächste Kapitel) zu nutzen. Wenn du also an einem Freitag deinen Vertrag schreibst, beginnt dein erster Schritt für dich sofort. Am nächsten Freitag weißt du, dass du beim zweiten Schritt weitermachen solltest. Falls du an einer Aufgabe festhängst, sie nicht schaffst oder sie zu umfangreich war für deine Woche, dann hänge keine Tage dran, sondern steige – wieder am Freitag – in die nächste Woche ein. So entsteht ein Rhythmus, der dich zusätzlich durch diese Zeit des Programms trägt. Lies dir zu Beginn jeder Woche den nächsten Schritt durch, und bearbeite die Aufgabe in dem gleichen Heft, das du auch für dein tägliches Scheiben benutzt. Plane dafür etwa eine halbe Stunde extra pro Woche ein. Das Bearbeiten der Aufgabe ist nicht das Gleiche wie das Schreiben der Seiten, sondern eine zusätzliche Aufgabe, die dich mit bestimmten Themen konfrontiert.

3. Übung: Zeit der Fülle

Die dritte Grundtechnik ist wesentlich schwerer, auch wenn es sich wesentlich leichter anhört: Verbringe eine Stunde pro Woche qualitativ hochwertige Zeit mit dir ganz allein. Diese Zeit nennt sich »Zeit der Fülle«. In dieser Stunde darfst du tun und lassen, was du willst. Du darfst an ganz andere Sachen denken, als gewöhnlich – du hast frei.

»Verwöhnzeit!«, »Zeit für dich!«, »Genieße dein Leben!« und besonders »Lass dein Herz höher schlagen!« sind die Aufforderungen für deine Zeit der Fülle. Auch im engsten Terminkalender kannst du eine Stunde in der Woche unterbringen. In Wahrheit ist es so, dass du es dir nicht leisten kannst, keine Zeit für deine Zeit der Fülle übrig zu haben, sobald du im Zuckersuchtprogramm bist. Plane deine Zeit der Fülle! Nimm sie so ernst, wie jeden anderen wichtigen Termin, indem du dich zum Beispiel rechtzeitig um einen Babysitter kümmerst. Überlege dir vorher, was du in dieser wertvollen Stunde machen möchtest. Sieh es wie eine Art Kurzurlaub oder Miniferien an. In dieser Zeit sollst du ganz bewusst etwas für dich tun. Es muss nicht unbedingt Geld kosten. Es ist die Zeit, in der du dir dein Leben ohne Zucker versüßt. Koste die Süße und die Fülle, die das Leben dir bietet.

Was tust du gerne in deiner Freizeit? Was wolltest du schon immer tun? Was macht dir Spaß? Wobei schlägt dein Herz höher? Was inspiriert dich? Oder steht dir der Sinn mehr nach Aufregung, Abenteuer und nach neuen Entdeckungen? Es muss gar nichts Beson deres sein, es kann sich in der Zeit der Fülle aber wie ein unerwartetes Mini abenteuer anfühlen:

• mal durch Boutiquen bummeln – nur für dich (ohne daran zu denken, das fehlende Putzmittel einzukaufen) – und in die Läden gehen, für die du dir sonst keine Zeit nimmst (vielleicht ein Reisebüro, ein neues Café, ein Sportfachgeschäft, eine Parfümerie)

• alleine Rollerskates fahren, dich ins Solarium legen oder ins Kino gehen, weil du das eigentlich liebst, dich aber noch nie allein getraut hast

• etwas machen, was dich schon immer interessiert hat (eine Ausstellung besuchen, dir eine Taucherausrüstung ansehen, Dessous anprobieren)

• ein Spaziergang im Rosengarten oder deinem Lieblingspark, wo dein Lieblingsbaum steht, um Kraft zu tanken

• Materialien kaufen und einfach das basteln, was du schon die ganze Zeit basteln wolltest

Es ist wichtig, diese Zeit ganz allein zu verbringen, weder mit einem Kind noch mit dem Partner oder der besten Freundin. Nur du mit dir! Freude und Erfüllung, nicht Nützlichkeit ist das Ziel dieser Stunde. Begegne dir selbst! Ein Zuckersüchtiger muss Schritt für Schritt lernen, die wahre Fülle und Süße des Lebens wiederzuentdecken. Dadurch, dass du nie gelernt hast, dir selbst lustvolle Minipausen zu schenken, entsteht ein großer Teil der Unzufriedenheit, die dich zur Droge Zucker greifen lässt.

Die Zeit der Fülle ist speziell für Zuckersüchtige wichtig, weil die Betroffenen große Schwierigkeiten haben, richtig zu genießen. Betrachte es als Übung für eines deiner Hauptprobleme: dich selbst gut zu versorgen. Du wirst sehen, dass es dir viel schwerer fallen wird, mit dir selbst eine verbindliche Verabredung zu einer Zeit der Fülle zu treffen, als irgendwelche Pflichttermine einzuhalten.

Meist fällt es Zuckersüchtigen schwer, sich selbst zu verwöhnen, ohne dabei sofort an Naschen und Essen zu denken. Ganz tief in der Seele vergraben sehnt sich jeder Zuckersüchtige nach Nähe zu sich selbst. Der Mangel an wundervoller Zeit mit dir ganz allein lässt ein Vakuum entstehen, dass du bisher mit Zucker gefüllt hast. Du versagst dir oft unbewusst deine Wünsche und greifst zu Ersatzbefriedigungen. Andere gut zu versorgen fällt dir wesentlich leichter, als dich um dich selbst zu kümmern.

Durch die Aufgaben und die Zeit der Fülle wirst du lernen, deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und Wege zu finden, sie zu erfüllen. Du lernst, für dich zu sorgen. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt im Zuckersuchtprogramm. So muss dein unerfülltes Begehren nicht wieder zur Gier werden. Du lernst, in die Eigenverantwortung für dein Begehren zu gehen. Du wirst wahrscheinlich des Öfteren erleben, dass du dich selbst sabotierst, wenn die Zeit der Fülle ganz für dich allein ansteht. Es könnte sein, dass die Zeit der Fülle dir richtig Spaß macht – und das macht Angst! Wenn du also dieses Buch durcharbeiten willst, musst du dir klar darüber sein, dass du zwölf Wochen lang abstinent von allen süßen Lebensmitteln und Getränken leben wirst (von allem, was süß schmeckt, auch wenn »zuckerfrei« draufsteht), dass du etwa eine halbe Stunde täglich für das Schreiben einplanen solltest, außerdem etwa eine halbe Stunde pro Woche für die Aufgabe und noch eine Stunde für die Zeit der Fülle. Zu diesen Techniken verpflichtest du dich durch einen handschriftlichen Vertrag mit dir selbst. Alle Punkte zusammen werden im Text »im Programm sein« genannt. Das Schreiben ist wie ein Ausatmungsvorgang, die Zeit der Fülle ist wie das Einatmen. Du brauchst beides für den Prozess, in den du dich durch das Erfüllen des Programms begibst.

Wenn du jemand bist, der sofort zündet, rate ich dir, gleich in das Programm einzusteigen, das heißt, gleich den Vertrag zu schreiben. Dann arbeitest du dich Schritt für Schritt vor mit all den Übungen und Vorschlägen, die darin enthalten sind. Dieses Programm wird mindestens zwölf Wochen dauern, da du für jeden Schritt etwa eine Woche brauchst und noch zwei Extrawochen eingeplant wurden.

Wenn du jemand bist, der nicht »die Katze im Sack kaufen will« und sowieso immer alle Bücher »erst mal durchliest«, um dann beurteilen zu können, »ob es etwas für dich ist«, dann sei gewarnt: Manchmal ist das eine Falle, die einem den Wind aus den Segeln nimmt. Vielleicht ist es aber auch einfach dein Weg, so damit umzugehen. Hauptsache, du arbeitest es dann auch wirklich durch und legst es nicht »für einen anderen Zeitpunkt deines Lebens« weg. Dies ist deine Chance! Jetzt! Nutze sie!

Der Vertrag

Diesen Vertrag handschriftlich abschreiben, unterschreiben, datieren und als Lesezeichen in dieses Buch legen:

• Ich, … (vollständiger Name), bin mir bewusst, dass dieses Programm Themen und Emotionen freilegen wird, die eine intensive Auseinandersetzung fordern. Ich bin mir bewusst, dass ich mich auf einen intensiven Erfahrungs- und Wandlungsprozess einlasse.

• Ich, ... (Name), verpflichte mich, von heute an zwölf Wochen lang keine zuckerhaltigen Nahrungsmittel oder Getränke zu mir zu nehmen.

• Ich werde täglich schreiben und mich mit meiner Zuckersucht auseinandersetzen.

• Ich werde mich in Krisen daran erinnern, dass es andere Lösungswege gibt, als nach Süßem zu greifen, und dass ich diese anderen Wege jetzt sofort beschreiten kann.

• Ich werde die gestellten Aufgaben mit Gewissenhaftigkeit erfüllen.

• Ich werde in dieser Zeit gut auf mich achten, mich liebevoll behandeln und mir einmal pro Woche eine Zeit der Fülle schenken.

• Dazu verpflichte ich mich von heute an, und ich beginne ab jetzt mit dem Zuckersuchtprogramm.

… (Ort, Datum, Uhrzeit und vollständige Unterschrift)

Ende der zwölf Wochen: …

Lies diesen Vertrag noch ein zweites Mal sehr aufmerksam durch, und prüfe, ob du auch wirklich alle Punkte erfüllen kannst. Das ist wichtig. Bitte tue es jetzt sofort, nicht später.

Hast du ihn eben zum zweiten Mal durchgelesen? Wenn ja, dann bist du bereit für diese Arbeit. Dann ist dein Leidensdruck stark genug gewesen, um dich auf all die Anweisungen und die Arbeit einzulassen, die dieses Programm mit sich bringen wird. Wenn du einfach weitergelesen hast, ohne dieser ersten Aufforderung zu folgen, dann frage dich bitte, warum du diese Aufgabe nicht erfüllt hast und worin deine Ablehnung besteht. Es kann ein unterschwelliger Widerstand gegen irgendetwas an diesem Programm sein oder andere Gründe haben, die dich beeinflussen und schon jetzt nicht mitarbeiten lassen wollen. Mach dir bitte erst klar, was es ist, und entscheide dann erneut, ob du dieses Zuckersuchtprogramm wirklich machen möchtest. Das Programm ist kein Zuckerschlecken! Es gräbt tief und fordert einiges von dir. Es kann dich von deiner jahrelangen Sucht befreien, aber es erfordert deine konsequente Mitarbeit.

Jetzt, nachdem du den Vertrag gelesen hast, spürst du vielleicht schon, wohin die Reise geht. Du spürst, dass vor dir ein Wald liegt, in dem ein wilder Mann wohnt, ein Riese oder Räuber. Und du musst durch diesen Wald hindurchgehen. Es fühlt sich gefährlich und aufregend an. Du hast Angst und möchtest dich vielleicht verstecken. Dennoch weißt du, dass es an der Zeit ist, sich dieser Aufgabe zu stellen. Du musst dich der Gefahr stellen, die im Wald lauert. Und du weißt auch, dass alles anders sein wird, wenn du durch diesen Wald hindurchgegangen bist. Eigentlich weißt du, dass du dich schon lange davor gedrückt hast. Jetzt ist die Zeit reif, den Wald zu betreten. Dieser besondere Moment ist jetzt da! Der erste Schritt ist die Hälfte des Weges, weil es so viel Mut erfordert, diesen ersten Schritt zu tun. – Und warum das alles? Warum sollst du eigentlich allein durch diesen Wald hindurch und dich dem wilden Mann stellen? Weil tief in deinem Inneren das Wissen verborgen ist, dass hinter dem Wald das Königreich liegt, nach dem du dich sehnst und zu dem du schon so lange willst. Es lohnt sich!

Entzugserscheinungen

Du hast Zucker jahrelang wie ein Pflaster benutzt und damit deine inneren Wunden abgeklebt. Durch den Zuckerentzug wird das Pflaster abgerissen. Jahrelang hast du Zucker als Betäubungsmittel benutzt. Durch den plötzlichen Entzug wirst du mit den Empfindungen, die du sonst mit Zucker betäubt hast, konfrontiert. Themen kommen zum Vorschein, die unangenehm sind. Daher ist das Programm so wichtig. Es ist dein notwendiger Schutz für diese kritische Zeit des Entzuges. In jeder Woche werden Aufgaben gestellt, die zuckersuchtspezifische Themen an die Oberfläche holen und beleuchten. Das ist gut, und es ist wichtig, damit zu arbeiten, wenn du von der Sucht geheilt werden will. Im Programm zu sein heißt, dich für die Konfrontation zu entscheiden und die Bearbeitung deiner persönlichen Themen auf dich zu nehmen – und das ist wirklich Arbeit. Zuckerabstinenz alleine genügt nicht. In den ersten Tagen und Wochen kann es zu Krisenzeiten kommen, in denen du glaubst, dass du es ohne Zucker nicht aushältst. Dann erinnere dich an folgenden Satz, den du unterschrieben hast:

»Ich werde mich in Krisen daran erinnern, dass es andere Lösungswege gibt, als nach Süßem zu greifen, und dass ich diese anderen Wege jetzt sofort beschreiten kann.«

Vielleicht kannst du die Krise nicht sofort lösen und das Problem nicht sofort aus der Welt schaffen, aber du kannst dir in jedem Moment klarmachen, dass Zucker dir nicht helfen wird, das Problem zu lösen, im Gegenteil. Du kannst dich daran erinnern, dass in diesem Programm andere Wege aufgezeigt werden, damit umzugehen, auch wenn du sie zurzeit noch nicht kennst. In diesem Moment weißt du, dass du an einer Weggabelung stehst. Entscheide dich dann, den Weg aus der psychischen Abhängigkeit zu gehen und nicht den alten Weg der Sucht einzuschlagen. Der alte Weg führt dich in eine Sackgasse … und du weißt es!

Zuckersucht ist ein unerforschtes Gebiet, daher sind meine Einteilungen in die verschiedenen Zuckersuchtgrade in der Einführung keine allgemeingültigen Richtlinien, sondern haben sich vielmehr aus meinen Erfahrungen herauskristallisiert. In den Kursen habe ich festgestellt, dass die Teilnehmer den Entzug sehr unterschiedlich erleben. Hier gibt es alle Stufen zwischen »es macht mir gar nichts aus« bis »es ist die Hölle«. Süchtige können meist ganz gut selbst einschätzen, wie stark der Grad ihrer Abhängigkeit ist. Wenn einige der folgenden Beschreibungen über Entzugserscheinungen nicht auf dich zutreffen, dann freue dich, dass du nicht durch die Hölle des Entzuges musst.

Bei einer starken Abhängigkeit von Zucker musst du wissen, dass die schlimmsten Tage der Zuckerabstinenz die ersten drei Tage sind. Du wirst zusätzlich zu der psychischen Abhängigkeit mit all den körperlichen Symptomen konfrontiert, die der Blutzuckerabfall bewirkt. Diese Symptome werden im 1. Schritt unter »Reinigungsprozess« noch einmal ausführlich beschrieben. Die gute Nachricht: Spätestens nach einer Woche ist die körperliche Abhängigkeit überwunden. Die schlechte Nachricht: Ich vermute, dass die körperliche Abhängigkeit nur zwanzig bis dreißig Prozent der Sucht ausmacht und siebzig bis achtzig Prozent der Abhängigkeit psychisch-seelischer Natur sind. Noch eine gute Nachricht: Sobald du den Vertrag unterschrieben hast, befindest du dich im Programm und auf dem Weg aus der Abhängigkeit. Du hast den ersten Schritt getan.