Freimaurerei - Martin Hohl-Wirz - E-Book

Freimaurerei E-Book

Martin Hohl-Wirz

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Beschreibung

Reihe Aufklärung, Bd. 16. Über Freimaurerei wird viel Geheimnisvolles behauptet. Wer endlich wissen möchte, was sich wirklich dahinter verbirgt und wie sich freimaurerisches Denken zum christlichen Glauben verhält, erhält hier eine sachliche und fundierte Information.

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Pfr. Dr. Martin Hohl-Wirz

FREIMAUREREI - Wurzeln, Ziele, Hintergründe

Reihe AUFKLÄRUNG der Arbeitsgemeinschaft für Religiöse Fragen (A.R.F.)

Band 16

Dr. Martin Hohl-Wirz

FREIMAUREREI - Wurzeln, Ziele, Hintergründe

© Dr. Martin Hohl-Wirz

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus “Fundamentum”, Zeitschrift der STH (Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel), Nr. 1/1992 bis 1/1993

© 2013 Lichtzeichen Verlag GmbH, Lage Umschlag: Jakob Siemens Satz: Gerhard Friesen

ISBN: 9783869549606 Bestell-Nr.: 548960

E-Book Erstellung: LICHTZEICHEN Medien www.lichtzeichen-medien.com

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.      Geistige Wurzeln

1.1    Die Bauhüttentradition

1.2    Verehrung menschlichen Schaffens aller Zeiten und Völker

1.3    Mönchtum und Ritterorden

1.4    Geheimgesellschaften und Mysterienbünde

1.5    Jüdische und christliche Tradition

1.6    Humanismus und Aufklärung

1.7    Reformation und Protestantismus

2.      Anliegen und Ideale

2.1    Friede auf Erden

2.2    Humanität, Toleranz, Brüderlichkeit

2.3    Erziehung des Menschengeschlechtes

2.4    Weitere Ideale und Anliegen

2.5    Beitrittsmotive

2.6    Vergleich

3.      Veranstaltungen und „Tempelarbeit“

3.1    Die Aufnahme

3.2    Die Veranstaltungen

3.3    Die Johannis-Maurerei

3.4    Die Hochgradmaurerei

3.5    Vergleich

4.      Auseinandersetzungen und Kämpfe

4.1    Interne Auseinandersetzungen

4.2    Externe Auseinandersetzungen

5.      Einfluss auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft

5.1    Einfluss auf den Staat

5.2    Einfluss auf Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

5.3    Einfluss auf die Gesellschaft

6.      Christus aus freimaurerischer Sicht

6.1    Das Christentum aus freimaurerischer Sicht

6.2    Gott aus freimaurerischer Sicht

6.3    Christus aus freimaurerischer Sicht

6.4    Freimaurerei und liberale Theologie

7.      Die Freimaurerei aus der Sicht Christi

7.1    Die Freimaurerei als Gegner Christi

7.2    Falscher Absolutheitsanspruch der Freimaurerei

7.3    Dunkle Herkunft

7.4    Unerreichte Ideale

7.5    Gefährlicher Kult

7.6    Relativierender Einfluss auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft

7.7    Herausforderung

Literaturverzeichnis

1.   Geistige Wurzeln

Die Freimaurerei im heutigen Sinn besteht seit 1717. Über die Entstehungsgeschichte besteht kein sicheres Wissen. Es gibt aber verschiedene Entstehungstheorien. (Dazu Binder Wiss. 1988 10ff. sowie FindelFM 1861-62) Auf die verschiedenen Entstehungstheorien soll im Folgenden nicht eingegangen werden. Uns interessieren aber die verschiedenen geistigen Wurzeln, von denen sich die Freimaurerei herleitet. Zendralli (FM S.4) nennt die folgenden Ansatzpunkte: die Bauhüttenüberlieferung, die frühchristlichen Gesellschaften, das Rosenkreuzertum, die jüdische Kabbala-Tradition, die Tempelritterlegende und die Mysterienbünde. Unter Berücksichtigung des Werkes von Oslo (FM 1988), der die geistigen Wurzeln der Freimaurerei ausführlich untersucht, teile ich diese in die folgenden Hauptstränge ein, die sich allerdings teilweise überlappen und durchdringen:

1. Die Bauhüttentradition

2. Verehrung menschlichen Schaffens aller Zeiten und Völker

3. Mönchtum und Ritterorden

4. Geheimgesellschaften und Mysterienbünde

5. Jüdische und christliche Tradition

6. Humanismus, Aufklärung, Liberalismus

7. Reformation und Protestantismus

1.1   Die Bauhüttentradition

„FREIMAUREREI, MAUREREI, MASONRY, MASONNERIE, KÖNIGLICHE KUNST, weltbürgerliche Bewegung mit dem humanitären Ideal des vollkommenen Menschentums. Der Name rührt her von den freien (im Gegensatz zu den zunftgebundenen) Steinmetzen an den mittelalterlichen Bauhütten.“ (Neuer Brockhaus, 5. Aufl. 1974, Bd. 2, S.259, zit. In Oslo 1988 12)

Eine andere Auffassung über die Entstehung des Namens „Freimaurer“, die ebenfalls mit den Bauhütten zu tun hat, vertritt Schiffmann (FM 1883 28f.): „Der Name Freemasons ist eine Abkürzung der Bezeichnung Freestone-masons. So wurden die Steinmetzen genannt, weil sie die Steine bearbeiteten, welche an der Aussenseite der Mauern freistanden, so dass sie von jedermann gesehen werden konnten. Im Gegensatz dazu hießen diejenigen Bauarbeiter, welche die Steine unbehauen vermauerten, so wie sie aus den Steinbrüchen kommen, rough-stone-masons. Nun kürzte man die Namen so ab, dass man das Wort stone ganz wegließ. Auf diese Weise entstand das Wort Free-masons, Freimaurer. Es sind mit dieser Bezeichnung deshalb nicht eigentlich die Arbeiter gemeint, die man jetzt Maurer nennt, sondern die Steinmetzen. Daher auch die Bezeichnung Loge oder Bauhütte. Die eigentlichen Maurer bedurften keiner besonderen Hütten. Sie verrichteten ihre Arbeiten unmittelbar am Gebäude selbst. Die Steinmetzen dagegen mussten die aus den Steinbrüchen herbeigeführten rohen Steine erst kunstgemäß bearbeiten, ehe diese dem Bau eingefügt werden konnten. Sie hatten also einen Arbeitsraum in der Nähe des Baues nötig, wo sie die Steine behauen konnten. Dies waren die Bauhütten.“

In diesen Bauhütten, die im Mittelalter zu den Klöstern gehörten und mit der Zeit verweltlicht wurden, pflegten die klerikalen und die weltlichen Steinmetzen ihre eigene, besondere Tradition. Sie „trachteten danach, ihre Konstruktionsgeheimnisse vor den Augen Uneingeweihter zu verbergen, sie waren einem strengen Zunftsystem unterworfen, gegliedert in Lehrling, Geselle und Meister, mit einer Menge innerer und äusserer Regeln. Auch betrachteten sie ihre Arbeit als eine ‚göttliche Kunst‘.“ (Von Ins FM 1974 29)

Die Steinmetzen waren in der Regel nicht lokal, sondern überregional organisiert und entwickelten bald ein internationales, kosmopolitisches Bewusstsein. Steinbauwerke waren selten, und die Auftraggeber waren vielfach die höchsten kirchlichen und weltlichen Autoritäten. War ein Bauwerk beendet, so musste der Steinmetz oft weiterziehen. Er war nicht in einer lokalen Kirche, Gemeinde oder Zunft zuhause. „Seine Heimat war die Bauhütte am Arbeitsort, die darum von den fürstlichen Protektoren ihre überlokale Organisation und ihre Freiheiten empfing.“ (Spitzbarth FM 1968 11)

Dank dieser Freiheiten wurden die Bauhütten zu Zufluchtsorten für Verfolgte, Verfemte und Freidenker aller Art. (Spitzbarth FM 1968 11) Diese zugelassenen Nicht-Steinmetzen wurden „angenommene“ Maurer genannt. Mit der Zeit trat die bauhandwerkliche Tradition in den Hintergrund, und es wurden vermehrt esoterische, philosophische, sittliche und gesellschaftliche Traditionen gepflegt.

1717 gründeten vier Bauhütten in London die erste Grossloge. Dieses Jahr gilt als das Gründungsjahr der Freimaurerei im heutigen Sinn. Die 1717 gegründete Freimaurerei hat mit dem ursprünglichen Bauhandwerk, das als „operative Maurerei“ bezeichnet wird, nichts mehr zu tun. Es geht nicht mehr um den Bau von Steinbauwerken, sondern um den Bau am „Tempel der Humanität“. Die heutige Freimaurerei wird gegenüber der „operativen Mauerei“ als „spekulative Maurerei“ bezeichnet. (Oslo FM 1988 55)

Von der Bauhüttentradition sind aber verschiedene Elemente übernommen: der Name „Freimaurer“, „Freimaurerei“, die Bezeichnung Loge (lodge) für die Arbeitsstätte, die Einteilung der ersten drei Grade in Lehrling, Geselle und Meister sowie „eine an Steinmetzen- und Bauhandwerk anknüpfende Deutung der Stellung des arbeitenden Menschen im christlichen Kosmos und ein daraus abgeleiteter Sittenkodex“. (Spitzbarth FM 1968 11)

Dazu kommen verschiedene Symbole wie: Winkelmass, Wasserwaage, Zirkel, Senkblei, Masßtab, Reißbrett, Schurz, rauher Stein u.a.m. In der Johannismaurerei (Grade 1 - 3) sowie in der „jüdisch-architektonischen Etappe“ der schottischen Hochgradmaurerei (Grade 1 - 14) lehnen sich zudem die Arbeiten und die symbolischen Handlungen an die Bauhüttentradition an. Nach Lerich (Nat. ehem.FM 1937 31) „erreichen Bausymbolik und Bausage der Freimaurerei im 13. Grad ihren esoterischen Höhepunkt“. (S. dazu Kapitel 3)

1.2   Verehrung menschlichen Schaffens aller Zeiten und Völker

1.2.1 Diesseitigkeit

„Die wahren Taten der Freimäurer sind so groß, so weit aussehend, dass ganze Jahrhunderte vergehen können, ehe man sagen kann: das haben sie getan! Gleichwohl haben sie alles Gute getan, was noch in der Welt ist, - merke wohl: in der Welt! - Und fahren fort, an alle dem Guten zu arbeiten, was noch in der Welt werden wird, - merke wohl, in der Welt.“ (Aus: G.E. Lessing, Ernst und Falk, Gespräche für Freimäurer. Hervorh.: M.H.)

In den in der Zeitschrift „Alpina“ abgedruckten „Gespräche für Freimäurer“ Lessings (Nr. 8-9/1986, S.218f.) fehlt ausgerechnet dieses obige Zitat. Die Redaktoren haben sich, aus welchen Gründen auch immer, die „Freiheit“ genommen, den Originaltext zu verändern. (Solch leichtfertiger Umgang mit dem (geschriebenen) Wort prägt, wie wir sehen werden, auch das Bibelverständnis.) Dass die Freimaurerei hauptsächlich diesseitig orientiert ist, geht auch aus den Aussagen vieler anderer FM hervor. So schreibt zum Beispiel Seydel (FM 1865 24), das höchste Ideal sei die „Darstellung des Reiches Gottes auf Erden“, und auch ImHof (Wiss. FM? 1982 166) meint: „Es geht um das ‚Reich Gottes auf Erden‘.“

Bei Lagutt (FM 1958 114) lesen wir: „Wollen die Religionen den Menschen vor allem auf das Leben nach dem Tod vorbereiten, so die Maurerei in erster Linie für das Erdenleben... Ist das Streben der Religionen himmelwärts gerichtet, so dasjenige der Maurerei erdenwärts... Das Wahre, Gute und Schöne ist der Erde und des Menschen wegen zu tun.“ „Freimaurerei ist ihrem Streben nach stark diesseits gerichtet.“ (Ebd. S. 116, s.a. S.140)

Die Freimaurerei ist nach Valmy (FM 1988 10) durch die Glaubensform des Deismus beeinflusst, „auch Freidenkertum oder Vernunftreligion genannt, die eine Anleitung zum sittlichen Leben im Diesseits, nicht zum Übergang in die Transzendenz, sein will.“

Bei diesem Diesseits handelt es sich um die ganze dem Menschen zugängliche und wahrnehmbare Welt, um das ganze Universum. Es interessieren nicht nur die Vorgänge auf dieser Erde, sondern auch die „Gesetzmäßigkeiten des Universums“. (Oslo FM 1988 360) „Der Ort freimaurerischer Arbeit ist die Loge. Sie hat die Form eines ‚länglichen Vierecks‘ und ist als Sinnbild des Weltalls, als Wohnstätte der ganzen Menschheit gedacht.“ (Deiters FM? 138) Im Tempel ist symbolisch dargestellt, woran sich der diesseitige Mensch orientiert: die Himmelsrichtungen Nord, Süd, Ost und West; Sonne, Mond und Sterne; der andere Mensch.

Die Zeitrechnung der alten Maurer begann nach Oslo (FM 1988 190) mit Adam, mit dem Beginn der Welt: „Der Anfang der Welt war demnach unweigerlich auch der Beginn der Maurerei. Deshalb datierten sie statt ‚im Jahre der Welt‘ (anno mundi) einfach ‚im Jahre der Maurerei‘ (anno maconii), und beide trugen die Abkürzung AM.“

1.2.2 Taten statt Worte

„Geschrieben steht: ‚Im Anfang war das Wort!‘

Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?

Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,

Ich muss es anders übersetzen,

Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. ...

Mir hilft der Geist! auf einmal seh ich Rat

Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!“

(Aus: J.W. Goethe, Faust, 1225 - 1238)

Die Freimaurer bedienten sich nach Schiffmann (FM 1883 30f.) Symbolen aus dem Bereich des Handwerks, um deutlich zu machen, „dass nicht theoretische Untersuchung, sondern praktische Tätigkeit der eigentliche Zweck des neu gestifteten Bundes war.“ „Nicht theoretische Untersuchung, sondern praktische Bethätigung sei die eigentliche Aufgabe der Freimaurerei.“

Das Reich Gottes soll durch die menschliche Tat auf Erden verwirklicht werden. „Arbeit ist Gottesdienst, weil in ihr und durch sie die höheren Lebenswerte zur Verwirklichung kommen.“ (Schenkel Prot.lib. FM? 1926 67) In den Logen der Freimaurer wird „gearbeitet“: „Alle Feiern werden ‚Arbeit‘ genannt, und zwar je nach den Graden am rauhen Stein, am kubischen Stein, am Reißbrett.“ (S. 66) Die Freimaurer nehmen an einem „Kultus der Arbeits- und Berufsethik“ teil. (S.67) „Dem Theologisch-Dogmatischen kommt von Anfang an kein Gewicht zu, sondern alles ist ethisch praktisch gemeint. Es ist aber nicht nur die Tätigkeit als solche, welche gefeiert wird, sondern dass sie mit Weisheit, in Schönheit, durch Kraft geschieht. Der Wert der Arbeit ist unabhängig vom Erfolg.“ (S.67) „Die ganze Arbeitssymbolik erhält ihre Krönung in dem Gedanken der Pflicht. ‚Tue deine Pflicht!‘ ist der ernste männliche Klang, der durch das Ritual der Johannis-Maurerei hindurchklingt.“ (S. 69) Der Arbeitsgedanke findet seine Ergänzung in dem Gedanken der Erholung. Auch sie ist geweiht...Auf jede Arbeit folgt eine Tafelloge mit rituellen Formen oder wenigstens ein geselliges Beisammensein.“ (S. 69) In der Freimaurerei geht es also um eine Betonung der Aktivität gegenüber der Passivität. „Die Erlösung wird nicht im Mystischen gesucht, sondern in der tapferen Bejahung des Schicksals und in der Betätigung des freien Willens.“ (S. 85) Oft wird das Reden, das „blosse“ Aussprechen von Worten nicht als Tat betrachtet und dem „Tun“ gegenübergestellt: „Das Tun ist viel mehr wert als das blosse Diskutieren.“ (Moser FM 1964 148)

Wir werden sehen, dass zwischen Freimaurerei und liberalem Protestantismus eine enge geistige Verwandtschaft besteht und dass zwischen beiden enge Beziehungen bestanden haben und bestehen. Vielleicht müsste Max Webers berühmtes Werk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ ergänzt oder vertieft werden durch eine Untersuchung über die Bedeutung der freimaurerischen Arbeits- und Berufsethik für die Wirtschaftswelt der neusten Zeit.

1.2.3 Ein Herz für Kain

Aus der Parteinahme für die Tat und die Tatmenschen ergibt sich auch eine Parteinahme für Kain und seine Nachkommenschaft. Die Hiramslegende, die in der Freimaurerei eine außerordentlich große Rolle spielt, „schildert die Kains-Kinder als den vorwärtsstürmenden, erfindungsreichen, schöpferischen Menschentypus, während Abel jenen Typus darstellt, der sich mit dem natürlich Gewordenen, dem ‚Gott-Gegebenen‘ zufrieden gibt.“ (Lagutt FM 1958 59) Hiram Abif, der legendäre Architekt und Baumeister des Salomonischen Tempels, wird als Nachkomme Kains betrachtet: „Der Tradition nach gilt Hiram als Kainit.“ (Ebd. S. 45) „Hiram errichtete den wunderbaren Tempel Salomonis, er schuf den herrlich goldenen Königsthron und führte viele prachtvolle Werke und Bauten auf.“ (S.52) Aus der Sicht dieser Legende erscheint es ungerecht und willkürlich zu sein, dass der Gott der Bibel das Opfer Abels annahm und ausgerechnet dasjenige des Kain ablehnte. „Und Kain erschlug Abel. Doch nun verfolgte Adonai die Söhne Kains und machte sie den Kindern Abels untertan. Das Geschlecht Kains aber war schöpferisch und erfand die Wissenschaften und Künste.“ (S. 51ff.)

„Enoch, ein Sohn Kains, lehrte die Menschen die Kunst, Steine zu behauen, Häuser zu bauen und in Gemeinschaften zu leben. Enochs Sohn Irad und sein Enkel Mehujahel errichteten Dämme und machten Zedernstämme zu Balken, Methusael, ein anderer Sprosse Kains, ersann die heiligen Buchstaben, die Tau-Bücher und das sinnbildliche T (Tau), an dem die vom Feuer stammenden Arbeiter sich erkannten. Lamech, dessen Weissagungen den Profanen verschlossen sind, hatte vier Kinder: Jabal, der als erster Felle zu gerben verstand, Jubal, den Erfinder der Harfe, Naamah, die Mutter der Spinnerei und Weberei, und Tubalkain, der den ersten Schmelzofen baute. Tubalkain trieb auch tiefe Schächte in die Berge, um sein Geschlecht vor der kommenden Flut zu schützen. Allein nur er und sein Sohn entgingen den Wassern.“ (S 51f.) Nach der Hiramslegende soll Hiram, nachdem er von drei seiner Gesellen erschlagen worden war, von Tubalkain „in den Mittelpunkt der Erde, in die Seele der Welt, ins Reich des grossen Kain“ (S. 54) geführt worden sein. Dort „sah Hiram seinen Urvater Kain... Und Kain erzählte seine Leiden, die Jehovas Grausamkeit über ihn verhängte.“ (S. 55) „Und Tubalkain übergab ihm den Hammer, mit dem er selbst so Großes geschaffen hatte und sprach: ‚Diesen Hammer nimm!‘ Die Feuergeister werden dir helfen, das Werk zu beenden.“ (S. 55)

Es ist wohl selbstverständlich, „dass eine Legende nie als Darstellung geschichtlicher Vorgänge betrachtet werden darf“ (S. 57), doch sollten diese Ausschnitte, die den meisten Freimaurern möglicherweise unbekannt sind, deutlich machen, für wen hier Partei ergriffen wird: für Kain und seine Nachkommenschaft. „Gewisse Namen aus dem Geschlechte der Kains-Söhne sind zu Passworten geworden.“ (S. 45) Die einzelnen Passworte sind im Werk von Binder (Wiss. 1988 164, 167, 203) enthalten. So lautet das Passwort der Lehrlinge und der Meister: „Tubalkain“. Wiederum ist wohl den meisten Freimaurern nicht bewusst, was das für ein Wort ist, und was es bedeutet - Worte sind ja scheinbar nicht so wichtig.

1.2.4 Große Leistungen, Werke, Persönlichkeiten

Die Verehrung menschlicher Leistungen, Werke und Persönlichkeiten in der Freimaurerei geht nun über Kain und sein Geschlecht weit hinaus und umfasst die gesamte Menschheit, alle Völker und Zeiten.

Dabei „ist das Bauen, der Bau der sichtbare Ausdruck schöpferischen Tuns schlechthin“. (Lagutt FM 1958 106) Solch schöpferisches Tun findet natürlich nicht nur im Baugewerbe statt, sondern in allen Lebensbereichen des Menschen: Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Kunst, Literatur. Überall braucht es Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erworben, entwickelt und weitergegeben werden müssen. Die menschliche Geschichte erscheint als eine Geschichte des seine Leistungen und Werke und damit auch sich selbst stets weiter und (evolutiv) höher entwickelnden Menschen. „Es ist nur ein Bau, der fortgeführt werden soll, der simpelste, der größte; er erstreckt sich über alle Jahrhunderte und Nationen. Wie physisch, so ist auch moralisch und politisch die Menschheit in ewigem Fortgang und Streben.“ (J.G.v. Herder, zit. in Schmidt FM 1961 15) Für Herder ist die Freimaurerei ein „Areopag des Verdienstes, der Sitten und der Talente“. (Imhof FM 1944 294)

In der seit 1723 geltenden Konstitution der Freimaurerei, die von James Anderson, einem Prediger der Kirche der schottischen Presbyterianer in London, verfasst wurde, ist eine Weltgeschichte menschlichen Schaffens enthalten. Sie wird zwar oft als „geschichtlich wertlos“ betrachtet (z.B. Schenkel FM? 1926 25, Lagutt FM 1958 96) und selten abgedruckt. Im Anhang des Buches von Oslo (1988 366ff.) ist dieser „geschichtliche Teil“ allerdings enthalten. Uns scheint dieser Teil der Anderson‘sehen Verfassung wichtig zu sein, nicht weil darin eine wirkliche Geschichte, sondern eine „Möchtegern-Geschichte“, eine Geisteshaltung, zum Ausdruck kommt. Immerhin besteht „das Gemeinsame der Freimaurer in aller Welt... darin, dass sie sich an die so genannten ‚Alten Pflichten‘ von 1723 (Andersonsche Konstitution) halten.“ (Von Ins FM 1974 29)

In Andersons „Geschichte“ der menschlichen Künste von Adam bis zur damaligen Zeit erscheinen die erwähnten „Großen“ der Vergangenheit als „Großmeister“ und „Großbeamte“. Neben Kain und seiner Nachkommenschaft - Abel wird hier nicht erwähnt - kommen auch die Erbauer des babylonischen Tempels zu Ehren, denn trotz ihrer „Eitelkeit“ werde „ihre Fertigkeit in der Maurerei... gerühmt“ (zit. in Oslo FM 1988 366). Bewundert wird in diesem Zusammenhang auch die „Fertigkeit der Maurer“, „ungeachtet der Verwirrung der Sprachen“, „miteinander ohne Sprechen zu verkehren und einander von weitem zu erkennen“. (S. 367)

Nach den „herrschaftlichen Städten“ und den anderen „großartigen Bauwerken“ (Pyramiden etc.) Ägyptens wird auch „Groß-Meister Moses“ erwähnt. (S. 367f.) Gerühmt wird nach dem „Tempel des Dagon in Gaza der Philister“ natürlich besonders der Tempel Salomos und sein Architekt und „Meister des Baus“ Hiram Abif. (S. 368f.)

Schließlich werden in dieser Geschichte menschlichen Schaffens unter anderem erwähnt: der „Groß-Meister-Maurer“ Nebukadnezar, die „Künste und Wissenschaften mit den bedeutendsten Gelehrten und Handwerkern“ in Griechenland und Rom, die Entwicklung der „königlichen Kunst“ im Abendland, besonders in England und in Schottland. (Der Name Jesus Christus fehlt in dieser „Geschichte“ der „Großen“!)

1.2.5 Vergleich

Ein kurzer Vergleich zeigt an dieser Stelle bereits deutlich, dass die Weltanschauung der Freimaurerei sich wesentlich von derjenigen unterscheidet, die uns in der Bibel bezeugt ist: